Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 22 der Tagesordnung abgesetzt werden. Nach einer weiteren derartigen Vereinbarung soll Punkt 21 der Tagesordnung vorgezogen und sofort aufgerufen werden. Ist das Haus mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 150 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1978 über die Arbeitsverwaltung: Rolle, Aufgaben, Aufbau
- Drucksache 8/4136 -
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig begehrt? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 8/4136 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und zur Mitberatung an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Berichts des Petitionsausschusses ({0})
Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag. Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1979
- Drucksache 8/4140 -
b) Beratung der Sammelübersicht 72 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/4177 Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte über den Tätigkeitsbericht 1979 des Petitionsausschusses ist wiederum nur auf Grund eines Beschlusses nach § 127 der Geschäftsordnung möglich. Die geltende Geschäftsordnung sieht einen schriftlichen Bericht nicht ausdrücklich vor. Der Umweg über den § 127 der Geschäftsordnung wird aber künftig überflüssig sein, weil die neue Geschäftsordnung einen schriftlichen Jahresbericht vorschreiben wird.
Zum vorliegenden Bericht möchte ich in sieben Punkten Stellung nehmen.
Erstens. Zur Inanspruchnahme des Ausschusses durch den Bürger: Seit 1949 haben sich rund 260 000 Bürger an uns gewandt, im letzten Jahr wiederum rund 13 000. Zusammen mit den Masseneingaben - das sind Eingaben, die von vielen Bürgern zu bestimmten Themen, wie z. B. Umweltschutzfragen, eingereicht werden - haben bisher insgesamt rund 1,5 Millionen Briefe die Anschrift „Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages" getragen.
Was bedeuten diese Angaben? Selbst die Zahl von 1,5 Millionen Eingaben ist, wie ich meine, immer noch gering, wenn man sie an der Gesamtzahl der Bevölkerung mißt Setzt man die rund 40 000 Eingaben, die Jahr für Jahr an die Parlamente des Bundes und der Länder gerichtet werden, in Beziehung zu den rund 60 Millionen Einwohnern der Bundesrepublik, so entfällt auf etwa 1 500 Einwohner eine Eingabe pro Jahr. Selbst wenn man die Eingaben hinzunimmt, die unmittelbar an die fast 2 000 Bundestags- und Landtagsabgeordneten gehen, liegt die Zahl der Eingaben weit unter einem Prozent. Dies entspricht übrigens auch den Erfahrungen der Ombudsmänner in anderen Ländern.
Zweitens. Zum Bekanntheitsgrad und zur Wirksamkeit des Ausschusses: Mit Sicherheit kann man davon ausgehen, daß es in jeder Familie mindestens einmal im Jahr Probleme im Umgang mit Behörden gibt. Woran liegt es also, daß sich weniger als 1 der Bevölkerung an uns wendet? Nach meiner Erfahrung könnte das folgende Gründe haben:
Frau Berger ({0})
a) Die Bürger haben immer noch zu wenig Kenntnis vom Petitionsrecht.
b) Sie wissen nicht oder nur unzureichend, in welchen Angelegenheiten sie sich an die Petitionsausschüsse in Bund und Ländern wenden können.
c) Viele mögen auch meinen, der Petitionsausschuß sei nur eine Art von Sozialstation, sei nur zuständig für die Sorgen der Ärmsten der Armen, der Alten oder Einsamen, die ihren Kummer abladen wollen. Sicherlich ist der Ausschuß auch Adressat für diejenigen, die ihr Herz ausschütten wollen.
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis auf den ersten sechs Seiten des Berichts zeigt aber, daß wir Anliegen aus allen Bereichen der Bundesverwaltung zu bearbeiten haben, daß wir eine breite Palette wichtiger und aktueller Themen haben. Die Schwerpunkte bewegen sich von der Sozialversicherung und der Arbeitsverwaltung über Fragen des öffentlichen Dienstes bis zum Verteidigungsbereich, Umweltschutz, Post, Bahn, Kriegsfolgelasten und Familienzusammenführung.
In etwa jedem dritten Fall können wir helfen oder zumindest weiterhelfen, können den Fall positiv erledigen oder zumindest dem Bürger einen Hinweis geben, wie er mit seinem Problem fertig werden kann.
Was könnte man tun, um den Bürger mehr als bisher auf sein Petitionsrecht aufmerksam zu machen? Hierzu fünf Punkte:
a) Die Medien sollten öfter und auch ausführlicher über die Arbeit der Petitonsausschüsse berichten. Es geht hier nicht um Publicity für Abgeordnete. Wir merken am Posteingang, daß solche Berichte vom Bürger gelesen werden und daß sie ihre Wirkung haben.
b) Ich wiederhole auch meinen Vorschlag, im Gemeinschaftkundeunterricht der Schulen das Petitionswesen zu behandeln.
c) Ebenso empfehle ich die Aufnahme von Themen über das Petitionsrecht in Aufsatzwettbewerbe. Das Beispiel der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, die Bedeutung des Petitionsaus- schusses in Preisausschreiben zur Diskussion zu stellen, sollte anderswo nachgeahmt werden.
d) Ich wiederhole meinen Vorschlag auf Behandlung des Themas Petitionsrecht in Seminaren der Universitäten und in Dissertationen. Bedauerlicherweise ist nicht abschließend geklärt, ob für wissenschaftliche Arbeiten Einblick in Petitionsakten gewährt werden kann. Bei entsprechenden Auflagen muß dies nach meiner Ansicht möglich werden.
({1})
- Bei entsprechenden Auflagen, Herr Kollege Schäfer, müßte Akteneinsicht möglich sein. Die Namen und sonstige Informationen zu schwärzen wäre eine zu große Arbeit, die ich nicht für vertretbar halten würde.
e) Schließlich halte ich es für empfehlenswert, daß die Bundestagsverwaltung dem Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen folgt und ein kurzgefaßtes
Faltblatt über die Arbeit des Petitionsausschusses herausgibt und in großer Auflage nicht nur an Bundestagsbesucher, sondern auch an andere Empfänger verteilt.
Drittens. Zur Zusammensetzung des Ausschusses: Da wir mit Eingaben aus nahezu sämtlichen Bereichen der Verwaltung konfrontiert werden, vielfach mit schwierigen Grenzfällen, sind wir auf die Kenntnisse von Kollegen mit Erfahrungen aus der Arbeit in den Fachausschüssen angewiesen. Neben Parlamentsneulingen, die in großer Zahl - gleichsam als Bewährungsprobe - erst einmal in den Petitionsausschuß geschickt werden, können wir auf eine vernünftige Zahl erfahrener Parlamentshasen nicht verzichten. Zugleich wäre es gut, wenn Abgeordnete aus verschiedenen Bundesländern vertreten wären, weil Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse oft von Nutzen sind.
Ich bitte schon heute die zuständigen Stellen in den Fraktionen, also die Parlamentarischen Geschäftsführer oder die dafür eingesetzten besonderen Gremien, für eine entsprechende Ausschußzusammensetzung in der 9. Wahlperiode zu sorgen. An die Kollegen richte ich die herzliche Bitte, sich freiwillig für die Arbeit im Petitionsausschuß zu melden.
Viertens. Zu Problemen des Petitionsverfahrens:
a) Dauer des Verfahrens. Mir und allen anderen Kollegen liegt sehr am Herzen, daß die Bearbeitung der Petitionen beschleunigt wird. Zwar konnte die Bearbeitungsdauer durch organisatorische und personelle Maßnahmen bereits verkürzt werden, und selbstverständlich führen wir in dringenden Fällen schnelle Entscheidungen herbei. Es bleibt aber bedrückend, daß beispielsweise zwischen dem Rücklauf der Petitionen von den Berichterstattern bis zur Absendung des Endbescheids an den Bürger zuweilen drei Monate vergehen. Der Ausschuß wie auch das Ausschußbüro werden sich um eine weitere Verfahrensbeschleunigung bemühen müssen.
Wir müssen aber auch erwarten, daß die Bundesregierung und ihre Behörden die bisher wirklich großzügig gesetzten Fristen nicht überschreiten, sondern ihre Stellungnahmen termingerecht und auch in parlamentarisch behandelbarer Form abgeben.
b) Die Organisation des Ausschußbüros und die Petitionsstatistik: Durch die Schaffung eines vierten Referats ist eine organisatorische Regelung getroffen worden, die einer besseren Bearbeitung der Petitionen dient. Es gibt aber weiterhin Schwierigkeiten in der personellen Konsolidierung des Ausschußbüros, die auch dem Herrn Präsidenten und der Leitung des Hauses bekannt sind. Ich gehe davon aus, daß spätestens zu Beginn der 9. Wahlperiode die erforderlichen Regelungen getroffen werden.
Auf Seite 56 des Berichts finden Sie eine Aufgliederung der Petitionen nach Sachgebieten. Diese Statistik ist für den nicht eingeweihten Leser in einigen Positionen kaum verständlich. Das ist Grund genug, dieses Verfahren zu ändern.
Frau Berger ({2})
Ich habe daher in Übereinstimmung mit den Obleuten veranlaßt, daß von der 9. Wahlperiode an die Petitionen nach Ressorts statt nach Sachgebieten gegliedert werden.
Ich hoffe, daß dieses neue Verfahren die Arbeit des Petitionsausschusses insgesamt überschaubarer machen wird, denn es ist natürlich interessanter, zu sehen, wo die Schwerpunkte der Eingaben in bezug auf einzelne Ministerien liegen, als wenn bei einer Statistik nach Sachgebieten deren Zuordnung zu den Ministerien nicht erkennbar ist.
Fünftens. Zu Fallgruppen bei Petitionen: Auf den Seiten 10 bis 52 des Berichts finden Sie Darstellungen von Fällen, die an den Petitionsausschuß herangetragen worden sind. Ich werde darauf nicht im einzelnen eingehen; dies werden meine Kollegen Kirschner und Dr. Zumpfort tun. Ich möchte hier nur die wichtigsten Fallgruppen erläutern, mit denen wir es zu tun haben.
a) Sehr oft haben wir uns mit Härtefällen zu beschäftigen, also mit Einzelfällen, bei denen z. B. die formale Gesetzesanwendung zu unbilligen und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen führt. Wenn wir hier helfen können und wenn die Antworten der Betroffenen dann lauten: „Wir sind nun wieder eine glückliche Familie?' oder: „Wir wissen, daß unsere Demokratie funktioniert!, dann ist das für die Ausschußmitglieder und auch für die Mitarbeiter des Büros eine große Ermunterung.
b) Andere Fälle gehen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Ein Beispiel: Als Folge einer Eingabe wurde das Verfahren bei der Ausfüllung von Fragebogen zum Kindergeld bei ledigen, geschiedenen oder verwitweten Elternteilen geändert. Sie brauchen diesen Fragebogen künftig wie alle anderen Eltern nur noch alle sechs Jahre statt einmal jährlich auszufüllen. Dies kommt 500 000 alleinstehenden Vätern und Müttern zugute.
c) Bei einer anderen Fallgruppe geht es um Grundsatzprobleme. Hier nenne ich als Beispiel das Benachteiligungsverbot für Personalräte. So hatte sich ein Angestellter darüber beschwert, daß er wegen seiner Tätigkeit als Personalratsvorsitzender schlechter beurteilt worden sei als zwei Jahre vorher und daß damit gegen § 8 des Bundespersonalvertretungsgesetzes verstoßen worden sei, wonach einem Mitarbeiter keine Nachteile aus seiner Personalratstätigkeit erwachsen dürfen. Der Bundestag hat die Bundesregierung auf Vorschlag des Petitionsausschusses aufgefordert, diese Beurteilung unbeachtet zu lassen und aus den Akten zu entfernen.
d) Eine weitere Fallgruppe ergibt sich daraus, daß gelegentlich bei der Verabschiedung eines Gesetzes nicht alle Gesichtspunkte voll berücksichtigt worden sind. Als z. B. der Bundestag entschieden hatte, daß Kindergeld nur für Kinder gezahlt wird, die in der Bundesrepublik oder in anderen EG-Ländern wohnen, hatte dies die unbeabsichtigte Folge, daß in der DDR und in Ost-Berlin wohnende Kinder von Bundesbürgern kein Kindergeld erhalten konnten, also wie Ausländer behandelt wurden. Hier wurde entsprechend unserer Empfehlung das Verfahren geändert und die Gesetzeslücke ausgefüllt.
Sechstens. Zum Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung: Niemand wird sich darüber wundern, daß es leider notwendig ist, die Behörden immer wieder aufzufordern, bürokratisches Verhalten zu korrigieren und abzubauen. Wo drückt den Bürger der Schuh im Umgang mit den Behörden?
a) Er weiß oft nicht, an wen er sich zu wenden hat. Der Behördendschungel in Bund, Ländern und Gemeinden ist für ihn schwer durchschaubar. Er weiß oft nicht, wer für ihn zuständig ist. Leider wird er nicht immer von der unzuständigen Stelle an die richtige Stelle weiterverwiesen.
b) Der Bürger wird mit Formularen strapaziert. Es ist unsinnig, wenn jemand ein sechseitiges Formular auszufüllen hat, obwohl nur ein Bruchteil von Fragen für seinen Fall zutrifft. Es ist auch schlimm, wenn beispielsweise nach der Befreiung der Geiseln der „Landshut" in Mogadischu die Betroffenen Fragen zu beantworten hatten, aus welchen Gründen sie sich am Tatort aufgehalten hätten oder ob sie mit dem Täter verwandt oder verschwägert seien.
c) Das Verwaltungsdeutsch ist dem Bürger oft unverständlich. Welcher Rentner soll z. B. Spezialbegriffe wie „Ausfallzeiten", „Ersatzzeiten", „Zurechnungszeiten" in ihrer Bedeutung erfassen?
d) Es wird immer noch zu wenig von § 59 der Bundeshaushaltsordnung Gebrauch gemacht, wonach die Ansprüche in bestimmten Fällen gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden können, vor allem, wenn die Einziehung eine besondere Härte darstellen oder wenn der Verwaltungsaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen würde. Ganz allgemein sollte die Verwaltung stärker als bisher ihren Ermessensspielraum nutzen.
Als Konsequenz aus diesen Beispielen wiederhole ich meine Forderung an die Verwaltung: Durchforstet die Formulare; verbessert das Verwaltungsdeutsch; versucht, dem Bürger die Zuständigkeitsregelungen deutlicher zu machen; macht mehr Gebrauch vom Ermessensspielraum und weist die Bürger nicht nur in Broschüren und Merkblättern, sondern auch durch Presseveröffentlichungen verstärkt auf ihre Rechte oder Pflichten hin.
Aber: Trotz mancher berechtigter Kritik an der Verwaltung lehnt der Petitionsausschuß jede pauschale Kritik an Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes ab; denn wir wissen aus unserer Erfahrung sehr wohl, daß die Beamten durchweg ihre Pflicht tun, und dafür danken wir ihnen.
In einem Faltblatt der Bundeszentrale für politische Bildung - „Schmuckblatt für deutsche Amts- und Wohnstuben" -, das jedem Interessierten zur Verfügung steht, habe ich auf Grund meiner Erfahrungen eine Reihe von „Tips für Beamte" und „Tips für andere Bürger" zusammengestellt, um auch auf diese Weise dazu beizutragen, das Verhältnis zwischen beiden zu entkrampfen.
Siebtens. Zum Einfluß und zur Autorität des Ausschusses: Kürzlich habe ich gelesen, der Petitionsausschuß habe zu wenig Einfluß. Ich halte diesen Eindruck für völlig falsch. Wir haben insbesondere auch nach der Anhörung von Regierungsvertretern im Ausschuß durchaus den Eindruck, daß die
Frau Berger ({3})
Regierung den Ausschuß ernst nimmt und respektiert. Seine Aufgabenstellung und seine Befugnisse haben sich bei den Behörden herumgesprochen. Die Erfahrung zeigt, daß die Erweiterung der Befugnisse durch Art. 45 c des Grundgesetzes und durch das Befugnisgesetz ihre Signalwirkung auf die Behörden gehabt hat.
Auch der Jahresbericht 1979 zeigt, daß wir in vielen Fällen helfen konnten. Daß in anderen Fällen Hilfe nicht möglich war, liegt nicht etwa an fehlenden Kompetenzen oder an mangelndem Durchsetzungsvermögen des Ausschusses, sondern einfach daran, daß die Rechtslage nicht die Lösung zuläßt, die dem Bürger vorschwebt.
Wir danken den Bürgern für das Vertrauen, daß sie uns entgegenbringen. Wir meinen: Der Bürger ist gut beraten, wenn er sich mit seinen Sorgen an das von ihm gewählte Parlament wendet; denn er kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß sein Anliegen ernst genommen wird. Wir sind sein verlängerter Arm. Wir sind Anwälte des Bürgers.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kirschner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht des Petitionsausschusses, der die Bitten und Beschwerden behandelt, die im Jahre 1979 an den Deutschen Bundestag gerichtet wurden, wird zum zweitenmal in dieser Form im Parlament berichtet.
Wie in den früheren Berichtszeiträumen - so beim ersten Bericht in dieser Form, der am 12. Oktober 1979 gegeben wurde - können wir auch heute feststellen, daß die Zahl der Petitionen, die uns erreichten, nicht kleiner geworden ist. Lassen Sie mich diese Zahlen noch einmal deutlich machen. 1979 waren es 12 881 bei bisher in dieser 8. Wahlperiode insgesamt rund 40 000 eingegangenen Petitionen. Dies bedeutet, daß an jedem Werktag im Schnitt 52 Petitionen im Ausschußbüro als Eingang registriert werden. Nach Ende der Wahlperiode werden es voraussichtlich rund 50 000 sein, und für die Statistiker bleibt dann festzustellen, daß damit seit 1949 insgesamt rund 250 000 Einzelpetitionen und rund 1,2 Millionen Masseneingaben beim Deutschen Bundestag eingegangen sind.
Was die Statistiker jedoch noch nicht festgestellt haben, was sich jedoch lohnen würde zu untersuchen, ist die Sozialstruktur der Absender und vor allem, wieso eigentlich viele Bürger unseres Landes nicht von diesem Grundrecht nach Art. 17 unseres Grundgesetzes Gebrauch machen. Es müßte uns auch allen zu denken geben, daß uns beispielsweise relativ wenig Petitionen aus der Arbeitswelt erreichen und diese wenigen sich in der Regel auf den Bereich des öffentlichen Dienstes beschränken. Dies kann wohl keineswegs als Indiz dafür gedeutet werden, daß es nur in diesem Bereich Probleme gibt und in der Privatwirtschaft keine. Eher dürfte die Ursache dafür in der mangelnden Aufklärung des Betroffenen zu suchen sein, vielleicht auch in einer Bewußtseinshaltung etwa nach dem Motto: „Die - damit sind wir als Abgeordnete insgesamt gemeint - helfen mir ja doch nicht."
Das gleiche gilt - ich habe dies bereits am 12. Oktober letzten Jahres hier im Plenum zum Ausdruck gebracht; ich möchte das noch einmal in Erinnerung rufen - für die bei uns lebenden ausländischen Familien. Ich meine, daß dies für uns alle ein Grund sein sollte, einmal darüber nachzudenken, ob wir diese Bürger in unserem Land überhaupt erreichen. Denn es kann ja wohl nicht wahr sein, daß sie keinerlei Probleme, keine Bitten und Beschwerden an den Gesetzgeber und damit an das Parlament als solches haben.
Eine Debatte wie die heutige bietet uns allen die Chance, vorhandene Vorbehalte und Barrieren abzubauen und ein Stück Bürgernähe des Parlaments darzustellen. Ich möchte dabei die Befugnisse des Petitionsausschusses und .seine Hilfsmöglichkeiten keineswegs als weitgehender darstellen, als sie sind, denn wir alle wissen um die Beschränkungen, die uns in einzelnen Bereichen auferlegt sind. Der Bürger kann aber darauf vertrauen, daß wir den uns in der Behandlung seiner Petition zur Verfügung stehenden Spielraum in seinem Interesse voll ausschöpfen und uns mit Engagement für sein Anliegen einsetzen. Es wird zwar trotzdem nicht immer möglich sein, unmittelbar Abhilfe zu schaffen, aber dadurch, daß in vielen Fällen wenigstens eine sachgerechte Beratung etwa über Möglichkeiten eines weiteren Vorgehens zur Abwendung drohender Nachteile gegeben werden kann, sollte niemand von sich aus wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit auf die Inanspruchnahme eines Grundrechts verzichten. Dies möchte ich all jenen sagen, die sich aus solchen oder ähnlichen Gründen nicht zu einer Petition entscheiden konnten, obwohl sie mit ihren Problemen alleine nicht mehr zurechtkommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an einigen Beispielen verdeutlichen, wie vielschichtig die Probleme sind, die an uns herangetragen werden. Dabei ist zunächst zu unterscheiden nach Beschwerden und nach Bitten zur Änderung der Gesetzgebung.
Lassen Sie mich mit ersterem beginnen. Wiederholt werden an den Ausschuß Beschwerden über lange Verfahrensdauer bei Rentenanträgen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung herangetragen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem medizinischen Gutachterwesen - oder vielleicht besser gesagt mit dem Gutachterunwesen - sind lange Wartezeiten leider keine Ausnahme. Der Ausschuß hat sich unter dem Eindruck der Vielzahl dazu eingegangener Beschwerden in einer Anhörung zusammen mit Vertretern des Bundesarbeitsministeriums und der Unfallversicherungsträger zu diesem Thema sachkundig gemacht. Dabei wurde allerdings deutlich, daß es kurzfristig leider nicht möglich sein wird, umfassende Verbesserungen herbeizuführen, weil die zur Verfügung stehenden Kapazitäten an medizinischen Gutachtern bei weitem nicht ausreichen. Das Bundesversicherungsamt hat allerdings nach dem Ergebnis dieser Anhörung den Hauptverband der gewerblichen BerufsgenossenKirschner
schaften angeregt, seine Mitglieder zu bitten, bei der Vergabe der Gutachteraufträge den Gesichtspunkt der Verkürzung der Verfahrensdauer stärker zu berücksichtigen. Es bleibt zu hoffen, daß diese Maßnahme zu einer schnelleren Entschädigung der Unfallopfer beiträgt.
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Dies ist übrigens auch ein Punkt, der deutlich macht, daß die von verschiedenen Ärzteverbänden an die Wand gemalte Gefahr einer Ärzteschwemme sehr differenziert zu sehen ist und wohl mehr eigennützigen Motiven entspringt als einer Gesamtverantwortung. Gerade in diesem Bereich ist im Interesse der Betroffenen, die Anspruch auf ein kurzes und objektives Verfahren haben, noch einiges aufzuholen.
Zum Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenrecht erreichten uns schon über einen längeren Zeitraum hinweg Petitionen, die uns verdeutlichten, daß es auch 35 Jahre nach Kriegsende noch drängende Probleme gibt, die ihre Ursachen in den Auswirkungen der Nazi-Herrschaft haben und für die bis heute noch keine abschließende Lösung gefunden werden konnte. Als Beispiel möchte ich ein Problem herausgreifen, das nach meiner Auffassung zu den beschämendsten Unrechtsmaßnahmen gehört, die Menschen angetan wurden. Ich spreche von der Entschädigung für Zwangssterilisierte. Hierzu erreichten den Ausschuß zirka 50 Eingaben, teilweise schon aus dem Jahre 1971. Die Absender fordern, daß Personen, die während der Zeit des Nazi-Regimes zwangsweise sterilisiert wurden und bisher keine Wiedergutmachungsleistungen erhalten haben, eine Entschädigung gewährt wird. Vor diesem Hintergrund ist deshalb die Ankündigung der SPD-Bundestagsfraktion zu begrüßen, daß noch in dieser Wahlperiode eine entsprechende Entschließung im Bundestag eingebracht und verabschiedet werden soll, die sicherstellt, daß ab 1981 eine Stiftung „Wiedergutmachung" errichtet wird, aus deren Mitteln diesen Menschen geholfen werden kann.
Ich erwähnte vorhin, daß Petitionen nicht nur Beschwerden bedeuten, sondern auch Bitten um Gesetzesänderung oder wichtige Anregungen dazu - wie die gerade angesprochene - beinhalten. Ich möchte einige weitere herausgreifen. Beispielsweise erwähne ich die ungleiche Behandlung der Anrechnung von Zeiten früherer Wehrpflichtiger in der Nationalen Volksarmee der DDR bei der Bemessung ihrer Rente, wenn sie jetzt in der Bundesrepublik leben. Während die von Berufssoldaten in der Nationalen Volksarmee in der DDR zurückgelegten Dienstzeiten entsprechend angerechnet werden, geschieht dies bei Dienstzeiten ehemaliger Wehrpflichtiger nicht. Diese ungleiche Behandlung haben wir zum Anlaß genommen, den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu bitten, eine Lösung im Sinne einer Gleichbehandlung auf dem Wege der Gesetzgebung zu suchen. Entsprechende Vorarbeiten sind im Gange. Der Petitionsausschuß wird sich zu gegebener Zeit über den Fortgang dieser Arbeiten unterrichten lassen.
Eine ähnliche Problemstellung ergab sich im Zusammenhang mit der Ausführung des deutsch-polnischen Rentenabkommens vom 9. Oktober 1975. Hier verweigerten die Rentenversicherungsträger die Anrechnung von in Polen abgeleisteten Wehrdienstzeiten als Ersatzzeiten bei der Rentenfeststellung, obwohl die Ausgestaltung des Abkommens hierzu die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen hat. Der Initiative des Petitionsausschusses ist es zu verdanken, daß die Rentenversicherungsträger ihre Rechtsauffassung in dieser Frage änderten und jetzt eine entsprechende Berücksichtigung bei der Rentenberechnung stattfindet.
Ein anderes Problem, das den Petitionsausschuß schon seit Jahren beschäftigt, ist das Ruhen von Renten von im Ausland wohnenden Ausländern, die bei uns Rentenansprüche erworben haben und mit deren Land kein Sozialversicherungsabkommen besteht. Mit dieser Problematik hat sich in letzter Zeit auch das Bundesverfassungsgericht befaßt und in seinem Urteil vom März 1979 die in unserem Rentenrecht bestehenden Ruhensvorschriften als nicht verfassungskonform angesehen. Damit ist eine gesetzliche Neuregelung zwingend notwendig geworden. Die entsprechenden Vorarbeiten wurden vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aufgenommen, konnten aber auf Grund der vielschichtigen Problematik noch nicht abgeschlossen werden.
Eine weitere Bitte um Gesetzesänderung beinhalten die Petitionen, die fordern, daß die Pflege von pflegebedürftigen Personen als versicherungspflichtige Zeit in der Rentenversicherung anerkannt wird. Die Bundesregierung hat dazu erklärt, daß sie dieses Anliegen im Rahmen der Neuordnung der sozialen Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen - der sogenannten Reform 84 - prüfen wird. Der Petitionsausschuß kann die Bundesregierung aus seiner Sicht und nach den eingegangenen Petitionen darin nur bestärken.
Weitere Petitionen betrafen die Anrechnung von Arbeitslosenunterstützung auf den Kindergeldanspruch für Kinder, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet, das 23. jedoch noch nicht erreicht haben. Nach § 2 Abs. 4 a des Kindergeldgesetzes erhält nur derjenige Kindergeld, der keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz hat, nicht erwerbstätig ist und kein Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht. Dies führte dann häufig dazu, daß wegen geringfügigem Arbeitslosengeld oder geringfügiger Arbeitslosenhilfe die erheblich höheren Kindergeldzahlungen wegfielen. Auf Anregung des Petitionsausschusses konnte in diesen Fällen dadurch eine Verbesserung geschaffen werden, daß sich die Bundesregierung in dankenswerter Weise dazu entschlossen hat, die Kindergeldstellen anzuweisen, in solchen Fällen eine sogenannte Bagatellklausel gelten zu lassen, damit solche niedrigen Ansprüche nach dem Arbeitsförderungsgesetz nicht mehr zum Wegfall des Anspruches auf das in der Regel höhere Kindergeld führen können.
Diese wenigen exemplarischen Fälle zeigen auf, welche bedeutende Stellung der Petitionsausschuß im Verhältnis zwischen Bürger und Parlament wahrzunehmen hat. Sie zeigen insbesondere auch, wie aus den Petitionen Anstöße für den Gesetzgeber
erwachsen können, bestehende gesetzliche Regelungen weiterzuentwickeln oder durch die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen auf eine neue Problemstellung zu reagieren. Nicht selten wäre es dem Parlament ohne den Hinweis des Bürgers durch seine Petition überhaupt nicht möglich gewesen, solche Problemstellungen zu erkennen und sie im Rahmen des Möglichen abzustellen.
Für den Petitionsausschuß selbst ist damit allerdings auch die Notwendigkeit verbunden, seiner besonderen Verantwortung in dem Sinne gerecht zu werden, daß er darauf hinwirkt, daß bei dem Bürger oftmals vorhandene falsche Vorstellungen nicht bestehen bleiben, er könne sich über den Gesetzgeber erheben. Deshalb haben wir in sehr vielen Fällen aus eigener Überzeugung - dies kann ich wenigstens für mich persönlich sagen - den Wunsch nach Gesetzesänderung nicht unterstützt, sondern versucht, die Motivation des Gesetzgebers zu den jeweiligen Gesetzen darzustellen und einsichtig zu machen.
Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes feststellen. Dies ist der letzte Bericht des Petitionsausschusses in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Auch wenn das Parlament in die Sommerpause eintritt, ist die Arbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses noch nicht beendet. Wir werden wie auch in den vergangenen Jahren unsere Arbeit auch in dieser Zeit weiterführen und die eingegangenen Petitionen bearbeiten; denn die Probleme, die den Bürger drücken, werden durch Liegenlassen nicht leichter und auch nicht erledigt. Ich möchte deshalb die Gelegenheit dieser Debatte auch dazu benutzen, mich namens der SPD-Bundestagsfraktion bei den Mitarbeitern des Ausschußhilfsdienstes für die gute Zusammenarbeit zu bedanken.
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Das gleiche gilt für die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, die man mit wenigen Ausnahmen, wie es immer einmal wieder vorkommt, als gut und kooperativ bezeichnen darf. Dies möchte ich insbesondere vor dem Hintergrund sagen, daß es in der Vergangenheit öfter Anlaß zu Kritik gegeben hat. Besonders positiv möchte ich dabei das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erwähnen, mit dem wir viel zu tun haben, da immerhin 16 % der Eingaben den Sozialversicherungsbereich betreffen.
Lassen Sie mich mit folgender Bemerkung abschließen: Wenn auch die Arbeit des Petitionsausschusses nicht im Rampenlicht der politischen Schlagzeilen steht, so sind die Petitionen doch ein Barometer der Nöte und Probleme des einzelnen, der sich an sein Parlament wendet, und sie sind für uns eine besondere Verpflichtung, diese auch ernst zu nehmen. Sie sind für die vielbeschworene Bürgernähe von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dies wußten die Väter unseres Grundgesetzes genau, als sie dieses Petitionsrecht als Grundrecht in der Verfassung verankerten. In diesem Bewußtsein, so meine ich, sollten wir auch in Zukunft weiterarbeiten. - Ich bedanke mich.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zumpfort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als sogenannter Newcomer im Petitionsausschuß, der die Freude hatte - das sage ich ehrlich -, für einige Monate in diesem Ausschuß mitzuarbeiten, einige Bemerkungen machen. Die erste ist allgemeiner Art und knüpft an das an, was die Vorsitzende, Frau Berger, gesagt hat, daß unseres Erachtens noch viel zu wenig Bürger die Rechte wahrnehmen, die ihnen zustehen, nämlich über den Petitionsausschuß zu verlangen, daß ihre Rechte als Staatsbürger richtig gewahrt werden. Ich unterstütze das Anliegen von Frau Berger aus einem ganz bestimmten Grund. Bei der Mehrzahl der Petitionen, die mir vorgelegt wurden, habe ich entschieden: „Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage als erledigt anzusehen." Die Häufigkeit dieser Entscheidung bringt mich zu der Vermutung, daß wir es bei dieser Art der Erledigung mit einem zweischneidigen Schwert zu tun haben. Zum einen beruhigt es, daß - trotz der vielen Petitionen und des damit verbundenen Anscheins, daß in unseren Bürokratien, in den Verwaltungen, vieles nicht stimmt - dem Bürger kein Unrecht zugefügt worden ist. Auf der anderen Seite komme ich aber zu der Auffassung, daß viele Bürger relativ rechtsunkundig sind, daß sie relativ wenig über das, was mit ihnen geschieht, aufgeklärt sind und daß sie gerade deswegen den Petitionsausschuß in Anspruch nehmen. Meine Vermutung ist, daß die Vielzahl von Petitionen mit dem Inhalt, zu Unrecht behandelt worden zu sein, nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Das eigentliche Problem sind die Leute, die es nicht wagen, sich direkt an den Petitionsausschuß zu wenden, weil sie glauben, dazu nicht fähig zu sein oder nicht das Recht zu haben.
Aus diesem Grunde würde ich persönlich den Schluß ziehen, daß man zum einen in der Öffentlichkeit das Recht des Bürgers, sich an den Petitionsausschuß wenden zu können, noch stärker deutlich machen sollte; zum anderen muß man verstärkt darauf dringen, daß man dem heranwachsenden Bürger in den Schulen und allen Bereichen der Erziehung und Bildung in stärkerem Maße ein Rechtsbewußtsein vermittelt und ein Empfinden für das mitgibt, was Rechtens ist, für das, was der Staat tun kann, aber auch für das, was er selber tun kann.
Das bringt mich zu der Bermerkung, daß man angesichts der größer werdenden Zahl von Petitionen vielleicht darauf drängen sollte, das Prinzip des Vorrangs des Individuums vor der Institution in unserer Gesellschaft verstärkt deutlich zu machen. Man kann und sollte also nicht erwarten, daß der Staat für den Bürger alles regelt, und sich hinterher darüber beklagen, daß vom Staat für den einzelnen Bürger etwas geregelt worden ist, man es aber nicht versteht. Man muß die Verhältnisse umkehren und wieder dahin kommen, daß der einzelne seine Angelegenheiten verstärkt selber regelt, damit er nicht
das Gefühl hat, z. B. anonymen Bürokratien ausgesetzt zu sein.
(Zurufe von der CDU/CSU: Wer regiert
denn eigentlich? - Sie regieren doch»
Lassen Sie mich noch zu zwei konkreten Problemfeldern, die in dem Bericht angesprochen worden sind, Stellung nehmen. Ich sagte eben, aus meiner Sicht müßte der Vorrang des Individuums vor der Institution im gesellschaftlichen Leben verstärkt durchgesetzt werden. In einem speziellen Bereich, der auch von meinem Vorredner angesprochen worden ist, ist das nicht möglich, nämlich im Bereich der Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgengesetzgebung. Zwar soll der Staat nur dort eingreifen, wo es unbedingt notwendig ist, aber hier muß er eingreifen, um in der Vergangenheit erlittenes Unrecht wiedergutzumachen.
Was mich persönlich als neuen Bundestagsabgeordneten betroffen gemacht hat, war, in einen Bundestag zu kommen, der gesagt hat, daß die Gesetzgebung darüber abgeschlossen ist. Gleichwohl bin ich in meiner ersten Sprechstunde in meinem Wahlkreis in Kiel mit zwei derartigen Fallen konfrontiert worden, bei denen man davon ausgehen kann, daß sie von dieser abgeschlossenen Rechtsfindung nicht berücksichtigt worden sind. Dieses Erlebnis und die vielen Petitionen, die jetzt auch in diesem Bericht noch einmal aufgeführt worden sind, haben mich dazu gebracht, in meiner Fraktion darauf zu drangen, daß in irgendeiner Form Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. Ich habe mich auch des Eindrucks nicht erwehren können, daß dieser Beschluß des Bundestages und der Bundesregierung, die Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgengesetzgebung als erledigt anzusehen, nur deswegen - gefaßt worden ist, weil die großen Gruppen mit ihren starken Lobbies, befriedigt worden sind, während die kleinen, die man nicht sieht, weil sie keine Lobby haben, kein Gehör gefunden haben und deswegen nicht deutlich machen konnten, da ihre Belange noch nicht berücksichtigt worden sind. Dazu gehören z. B. solche Leute, die versäumt haben, Anträge zu stellen, solche Leute, die die Stichtage versäumt haben, aber auch die eben erwähnten Zwangssterilisierten, die Sintis und frühere Angehörige des öffentlichen Dienstes, sogenannte 131 er.
Ich persönlich habe seit meinem Eintritt in den Bundestag fortwährend mit einem Mann zu tun, der 1942 zwangssterilisiert worden ist und dem nach geltendem Gesetz nicht geholfen werden kann, weil keine Amtspflichtverletzung vorliegt und kein Sonderopfer erbracht worden ist. Der Mann kann aber glaubhaft machen, daß er gezwungen worden ist, seine Zwangssterilisation durch seine Unterschrift zu akzeptieren. Er möchte, daß ihm dieses Unrecht endlich in irgendeiner Form anerkannt wird.
Das bringt mich zu der Vermutung, daß wir z. B. bei der Stiftung Wiedergutmachung nicht allein darauf achten müssen, wieviel Geld sie kostet, sondern Wert darauf legen sollten, daß es den Leuten im Prinzip erst einmal um die Anerkennung des erlittenen Unrechts geht. In diesem Sinne schließe ich mich meinem Vorredner an, wenn er sagt: Es ist sinnvoll, daß wir eine Stiftung Wiedergutmachung einführen. Wir haben dazu gestern auch in unserer Fraktion einen entsprechenden Beschluß gefaßt Darin heißt es, daß auch 35 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch einzelne unübersehbare Härten als Folge des NS-Unrechtsstaats und des Zweiten Weltkrieges bestehen und daß sich der Deutsche Bundestag seiner Verantwortung für die Beseitigung dieser Harten bewußt ist. Ich finde, das ist ein richtiger Beschluß. Die Aufforderung an die Bundesregierung, im Bundeshaushalt 1981 die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß solches Unrecht anerkannt wird bzw. daß diesem Unrecht abgeholfen wird, halte ich nur für billig und Rechtens.
Eine letzte Bemerkung zu einem weiteren großen Problemfeld, nämlich zu den sogenannten Jugendreligionen. Der Ausschuß hat eine Vielzahl von diesbezüglichen Petitionen der Bundesregierung zur Berücksichtigung überwiesen. Ausgeflossen daraus ist der Bericht der Bundesregierung über die neuen Jugendreligionen. Der Ausschuß hat den Bericht debattiert und an den zuständigen Bundestagsausschuß weitergeleitet Ein Gedanke - deswegen nehme ich das Thema noch einmal auf - fehlt mir allerdings in diesem Bericht: Es gibt wohl einen Zusammenhang zwischen der Vielzahl von Jugendreligionen, die heute existieren, Und anderen Problemen, die man unter dem Stichwort „Drogenkonsum von Jugendlichen" zusammenfassen kann. Man beobachtet, daß es sowohl im Bereich der Jugendreligionen als auch im Bereich der Drogenszene sogenannte Wellen gibt. Die eine Religion kommt, die andere geht Ähnlich ist es auch bei den Drogen: Die eine kommt, die andere geht Ich will nicht die Wirkung solcher Drogen mit den Auswirkungen der Jugendreligionen - obwohl Jugendreligionen für mich auch Drogen sind - auf die gleiche Ebene stellen. Ich will nur sagen: Man kann das Problem der neuen Jugendreligionen nicht isoliert sehen. Man muß es in dem Gesamtzusammenhang sehen, daß sich in unserer Gesellschaft Jugendliche vermehrt der Realität verweigern und versuchen, durch Drogen aller Art mit ihren Problemen fertig zu werden.
Im Bericht der Bundesregierung über die Jugendreligionen werden als Gründe für den Zulauf zu diesen Gruppen Ursachen genannt: die Realitätsflucht, die fehlenden Identifikationsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft, der Mangel an Vermittlung von geeigneten Werten und schließlich das Fehlen von Konfliktverarbeitungsformen. Ich glaube, daß es aus liberaler Sicht, aber auch aus allgemeiner Sicht sinnvoll ist, einem Punkt besondere Bedeutung zukommen zu lassen, nämlich dem, daß man vermehrt Konfliktverarbeitungsformen in die Schule und in die Familie hineinträgt Die Heranwachsenden sollten also lernen, besser mit Konflikten umzugehen und diese zu lösen. Nur auf Grund des Mangels, bestimmte Situationen richtig verarbeiten zu können, und auf Grund des Fehlens von Fähigkeiten, die Probleme richtig anzupacken, neigen sehr viele Jugendliche und auch Erwachsene dazu, die Konflikte einfach beiseitezuschieben und im Drogenkonsum Zuflucht zu suchen. Nach meinem Gefühl müßte daher die Bereitschaft, Konflikte zu verarbeiten, Konflikte
Dr. Zumpfort .
in unserer Gesellschaft und nicht außerhalb der Gesellschaft zu lösen, stärker gefördert werden.
Darüber hinaus muß gefordert werden, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zu solchen Konflikten führen, zu verändern. Jugendreligionen und Haschischkonsum, aber auch Jugendalkoholismus, Tablettenkonsum und andere Drogenprobleme, die zum Teil in wohlgehüteten bürgerlichen Stuben gepflegt werden, haben stets bestimmte Ursachen, nämlich Ursachen, die im Streß in der Schule, im Beruf liegen können, in der fehlenden Entfaltungsmöglichkeit an Arbeitsplätzen, in einer Gesellschaft, die dem Konsum.- und Besitzdenken im Übermaß huldigt, in Konkurrenz- und Leistungsdruck. Wenn wir solche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entschärfen können, wird es wahrscheinlich immer den Konsum von Drogen jeglicher Art geben. Deswegen besteht der zweite Ansatz darin, nicht nur die Lösung von Konflikten zu lehren, sondern auch in dem Versuch, solche Konflikte nach
Möglichkeit zu minimieren.
Ich mache in diesem Zusammenhang eine letzte Bemerkung. Sie bezieht sich auf den Drogenkonsum aller Art. Man muß den betroffenen Jugendlichen sagen, daß Drogen keine Lösung sind und die beste Lösung bei der Bewältigung unbefriedigender Lebensumstände immer noch in dem Satz besteht: Die beste Droge ist ein klarer Kopf. - Vielen Dank.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 8/4177, die in der Sammelübersicht 72 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 und 4 auf:
3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schneider, Dr. Jahn ({1}), Niegel, Francke ({2}), Kolb, Metz, Dr. Möller, Frau Pack, Schmidt ({3}), Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU
Drittes Wohnungsbaugesetz
- Drucksachen 8/2902, 8/3942 Berichterstatter: Abgeordneter Polkehn
4. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1980
hier: Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Drucksachen 8/3487, 8/3954 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Traupe
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat ist verbundene Debatte vereinbart worden. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Vorlage eines Entwurfs eines Dritten Wohnungsbaugesetzes erwächst aus der Erkenntnis, daß die Probleme des Wohnungs- und Städtebaus in unserem Land mit den derzeit geltenden Gesetzen nicht zufriedenstellend zu bewältigen sind.
({0})
Eine Aussprache fiber diesen Antrag gibt uns aus der Sicht der Opposition natürlich auch eine willkommene Gelegenheit, amEnde der 8. Legislaturperiode Bilanz über die Wohnungs- und Städtebaupolitik dieser Bundesregierung zu ziehen. Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, wenn ich feststelle, daß dies aus unserer Sicht eine Negativbilanz ist.
({1})
Es ist eine Negativbilanz in mehrfacher Hinsicht. Ich will meine Behauptung auch sorgfältig begründen.
Zunächst: Wahrend der abgelaufenen Legislaturperiode ist wohnungs- und städtebaupolitisch nichts Entscheidendes geschehen. Diese These wird auch nicht dadurch widerlegt, daß uns der Herr Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in diesen Tagen eine Bilanz der Arbeit des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vorgelegt hat. Dies ist eine schlichte bürokratische Addition ohne jede, aber auch wirklich ohne jede politische Aussage.
({2})
Zweitens. In der Versorgung der Barger mit angemessenem Wohnraum zu tragbaren Bedingungen in einem menschenfreundlichen Wohnumfeld sind kaum Fortschritte und Verbesserungen erzielt worden. Versorgungsengpässe und Fälle von Wohnungsnot in Großstädten und Ballungsgebieten haben zugenommen. Nach elf Jahren sozialliberaler Wohnungsbaupolitik bietet sich das Gesamtfeld der Wohnungswirtschaft in einer betrüblichen und teilweise trostlosen Lage dar. Dies ist eine Behauptung, die ich mit den kompetenten Sprechern aller Verbände teile, gewiß nicht nur mit dem Zentralverband des Haus- und Grundbesitzes, sondern auch mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, mit der freien und der privaten Wohnungswirtschaft und auch mit den Vertretern der Mieter.
Drittens. Die Wirtschaftlichkeit im Wohnungsbau ist verlorengegangen. Das führt dazu, daß selbst die potentesten Anleger am Wohnungsmarkt wie Versicherungen und Banken sich zurückziehen. Niemand kann das bestreiten.
Viertens. Die soziale Treffsicherheit der öffentlichen Wohnungsbauförderung hat weiter abgenommen. Die Gesetzgebung dieser Bundesregierung begünstigt den wirtschaftlich starken Fehlbeleger mehr als die sozial förderungsbedürftige Familie, den Alleinstehenden und den Behinderten. Auch darüber kann es keinen Streit geben.
({3})
Fünftens. Das vorrangige Ziel des 2. Wohnungsbaugesetzes, breit gestreutes Eigentum im Wohnungsbau zu schaffen, ist hinfällig geworden. Der kleine Mann hat keine Chance mehr, Eigentümer seiner vier Wände zu werden.
({4})
Er braucht ein Monatsgehalt von mindestens 4 000 DM in günstiger Lage auf dem Land; wenn er in Bonn oder in Ballungsräumen bauen will, muß er mindestens Ministerialrat in B 3 sein und mindestens 7 000 DM verdienen.
({5})
Niemand kann dies bestreiten.
Sechstens. Die Bundesregierung hat nicht die politische Kraft. Es mangelt ihr an sozialer Entschlossenheit, die sozialwidrigen Besitzstände im Interesse von mehr sozialer Gerechtigkeit in der Wohnungspolitik aufzulösen.
Siebtens. Der Anteil, der vom verfügbaren Familieneinkommen für das Wohnen ausgegeben werden muß, hat sich zum Nachteil der jungen und der kinderreichen Familien unvertretbar verschlechtert. Die Einkommen-Mieten-Relation ist wirtschaftlich unausgewogen und sozial ungerecht.
Achtens. Die wohnungswirtschaftliche Wirksamkeit der öffentlichen Förderungsmittel hat beträchtlich abgenommen. Die Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau erreichen als Folge der allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Preis- und Kostenentwicklungen Höhen, die zu extremen Haushaltsbelastungen der öffentlichen Hände führen. Der Bundesregierung ist es bisher trotz häufiger und verheißungsvoller Ankündigungen nicht gelungen, neue Förderungs- und Finanzierungsmodelle zu entwikkeln.
Schließlich neuntens. Im steuerlichen Bereich hat es die Bundesregierung bei Untersuchungen und Berichten belassen. Sie hat keine Konsequenzen aus der unbestrittenen Tatsache gezogen, daß unsere derzeitigen Steuer-, Prämien- und Förderungsbestimmungen familienpolitisch höchst unzulänglich sind.
Es liegt in der Komplexität der wohnungspolitischen und wohnungswirtschaftlichen Sachverhalte, daß eine zusammenfassende Betrachtung und Wertung der Wohnungspolitik als Ganzes das Gesamtfeld unserer ökonomischen und sozialen Verfassungswirklichkeit einbeziehen muß. Deshalb richtet sich unsere Kritik keineswegs nur gegen den zuständigen Ressortminister, sondern gegen die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit.
Sie richtet sich zunächst gegen den Herrn Bundeskanzler, der in der Wohnungspolitik trotz gegenteiliger öffentlicher Erklärungen von seiner Richtlinienbefugnis keinen Gebrauch macht.
({6})
Sie richtet sich gegen den Wirtschaftsminister, der trotz besserer Erkenntnis und Einsicht keine Folgerungen aus den Erfahrungen mit dem 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz gezogen hat. Sie richtet sich gegen den Justizminister, der gegen alle Erfahrungen in der wohnungswirtschaftlichen Praxis nicht bereit war, das Mieterhöhungsverfahren sowie ganz allgemein die rechtlichen Rahmenbedingungen im Mietrecht zu verbessern. Die Kritik trifft auch den Familien- und den Sozialminister, die zugelassen haben, daß in unserem Land kinderreiche Familien wohnungsmäßig am schlechtesten versorgt sind. Sie richtet sich schließlich gegen den Finanzminister ob dessen steuerpolitischer Versäumnisse. Nach unserem Verständnis ist es die erste und wesentlichste Aufgabe des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, in der Bundesregierung dafür zu sorgen, daß die hier apostrophierten Einzelressorts ihre Politik unter wohnungspolitischen Gesichtspunkten formulieren, ausrichten, ausgleichen und harmonisieren. Der Bundesbauminister trägt die Verantwortung dafür, daß unsere Steuer-, Haushalts-, Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitik in wohnungspolitischer Hinsicht schlüssig ist
({7})
Das Urteil, ob er diesem Regierungs- und Verfassungsauftrag gerecht geworden ist, messen wir daran, wieweit er diesen Auftrag erfüllt hat.
Das Urteil - ich habe es eingangs schon gesagt - ist allgemein negativ und keineswegs nur in den Reihen der CDU und CSU. Ich darf dazu nur zwei wichtige Pressestimmen aus allerjüngster Zeit erwähnen. So ist in der Ausgabe der „Zeit" vom 13. Juni 1980 zu lesen:
Zu den politischen Sektoren, in denen während der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode des Bundestages fast gar nichts Nennenswertes vorangebracht worden ist, gehört die Wohnungspolitik. Positiv schlägt bei einigen Verantwortlichen allenfalls die Einsicht zu Buche, daß es mit dem Schlendrian der ausgehenden siebziger Jahre im neuen Jahrzehnt kaum mehr weitergehen könne:
({8})
zu viele Milliarden für zu wenige baupolitische Fortschritte.
Gute Vorsätze also, um eine schlechte Bilanz zu kaschieren - das ist Bundesbauminister Dieter Haacks Überlebens-Training.
({9})
So weit die letzte Ausgabe der „Zeit".
Die Zeitschrift „Capital" hat in ihrer April-Ausgabe geschrieben - ich zitiere -:
Angesichts der weitgespannten Interessengegensätze
- Bezugspunkt ist hier § 7 b des Einkommensteuergesetzes mag sich Dr. Dieter Haack, Bonner Wohnungsbauminister ohne Kompetenz und Konzeption, einen eigenen Standpunkt gar nicht erst leisten.
Meine Damen und Herren, der Versuch, die Wohnungsbauförderung von Bund und Ländern gesetzlich abzusichern, ist gescheitert, ein wichtiges Problem nicht gelöst. Die mir in diesem Zusammenhang am 13. Juni 1980 erteilte Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage ist höchst unbefriedigend. Sie besagt nur, daß es der Bundesregierung an der nötigen Durchschlagskraft gefehlt hat. Das gilt auch für die Neuordnung und gesetzliche Absicherung der Modernisierung zur Energieeinsparung sowie für die städtebauliche Förderung und den Gesamtbereich der steuerlichen Förderung. Meine Damen und Herren, das Energieeinsparungsprogramm ist dringend fortschreibungs-
und verbesserungsbedürftig. Der bestehende Förderungswirrwarr auf dem Gebiet der Wohnungs- und Städtebaupolitik ist selbst für Experten der Ministerialbürokratie nicht mehr durchschaubar. Noch schlimmer ist aber der beklagte Bürger dran. Für ihn ist es eine reine Glückssache, ob er bei den jeweiligen Vorhaben überhaupt eine Förderung erhalten kann.
Meine Damen und Herren, das Thema von heute war schon Gegenstand einer Großen Anfrage der CDU/CSU und einer Aussprache darüber am 15. Mai 1975 sowie am 12. Mai 1978. Seit dieser Zeit sind die damals gegebenen Versprechungen der Bundesregierung nicht verwirklicht worden. Es liegen dem Deutschen Bundestag lediglich Berichte vor, beispielsweise der Bericht zum Wohnraumkündigungsschutzgesetz, zu § 7 b und § 6 b des Einkommensteuergesetzes und zur Grunderwerbsteuer. In der Schriftenreihe des BMBau sind in der letzten Zeit die folgenden Titel erschienen, die sich alle mit der zur Debatte stehenden Problematik befassen: „Erfahrungen der Gemeinden mit dem Städtebauförderungsgesetz", „Sanierungsmaßnahmen - städtebauliche und stadtstrukturelle Wirkungen", „Wohnungspolitik und Stadtentwicklung", „Modernisierungsförderung versus Neubauförderung". Meine Damen und Herren, es geht nicht darum - das genügt im übrigen auch nicht -, Expertisen erstellen zu lassen, sondern es kommt darauf an, aus diesen
Expertisen politische Schlüsse zu ziehen und konkret zu handeln.
, ({10})
Meine Damen und Herren, eine neue Wohnungs- und Städtebaupolitik aus unserer Sicht, für die ein Drittes Wohnungsbaugesetz das rechtliche Instrumentarium liefern soll, muß Konsequenzen aus der Tatsache ziehen, daß die derzeitigen gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungen mit der wohnungs- und städtebaupolitischen Notwendigkeit nicht mehr übereinstimmen.
Ich darf in wenigen Hauptzügen unsere Konzeption erläutern.
({11})
- Die neue Wohnungs- und Städtebaupolitik, verehrter Kollege Waltemathe, muß vom Grundsatz ausgehen, daß zunächst jeder selbst verpflichtet ist, im Rahmen seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungskraft für sich und seine Familie angemessenen Wohnraum zu sichern. Eine neue Wohnungsbaupolitik hat von der an sich selbstverständlichen Wahrheit auszugehen, daß die Miete ein Preis für eine wirtschaftliche Leistung und keine beliebige Anerkennungsgebühr ist.
({12})
Wohnungs- und Städtebaupolitik muß mehr sein als ein Instrument staatlicher Konjunkturpolitik. Sie muß vielmehr zur Verstetigung am Baumarkt beitragen und vorrangig dem Erwerb von Eigentum in breiten Bevölkerungsschichten dienlich sein.
({13})
Dies freilich ist nur dann zu erreichen, wenn unsere Steuergesetzgebung nach dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe" alle Maßnahmen der Eigentumsbildung, Wohnungsmodernisierung einschließlich der Maßnahmen zur Energieeinsparung und Lärmbekämpfung, der Denkmalspflege und der Wohnumfeldverbesserung fördert.
Das Hauptproblem der deutschen Wohnungspolitik in unseren Tagen sind die Kosten- und Preissteigerungen am Wohnungsmarkt. Wer möchte dies bestreiten? Ein Drittes Wohnungsbaugesetz muß marktwirtschaftliche Finanzierungsbestandteile mit öffentlichen Förderungshilfen kombinieren und diese stärker als bisher auf die jeweiligen Einkommens- und Familienverhältnisse abstellen. Zu überlegen ist, ob für diese Art dritten Förderungswegs die Grundgedanken des Wohngeldrechts bei der Eigentumsförderung verwendet werden können. Dabei stellt sich die Frage, ob der Lastenzuschuß vom Wohngeld abgekoppelt werden kann. Um gleichzeitig die marktwirtschaftlichen Finanzierungsmöglichkeiten zu erweitern, ist an eine Ausdehnung und Vereinfachung des Systems öffentlicher Bürgschaften zu denken.
Meine Damen und Herren, das Bausparen muß wegen seiner sozialen und familienpolitischen BeDr. Schneider
deutung grundsätzlich erhalten bleiben. Dagegen sind die Tarife in diesem Kreditbereich familienfreundlicher zu strukturieren. Die öffentliche Wohnungsbauförderung, das Bausparen und alle steuerlichen Erleichterungen sind in dynamischer Weise mit Größe und wirtschaftlicher Leistungskraft der Familien zu koppeln.
Die Koalitionsfraktionen beauftragen die Bundesregierung, im Jahre 1981 zu prüfen, welche Verbesserungsmöglichkeiten im arbeitsteiligen Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden erzielt werden können, wobei besonders die Möglichkeiten einer Zusammenfassung des geltenden Förderungsrechts mit dem Ziel besserer Verzahnung und übersichtlicherer Gestaltung zu berücksichtigen sind.
Meine Damen und Herren, das Zweite Wohnungsbaugesetz hat grundsätzlich die wohnungspolitische Verantwortung Bund, Ländern und Gemeinden übertragen.
({14})
Nach unserer Auffassung muß auch in einem Dritten Wohnungsbaugesetz die wohnungspolitische
Mitverantwortung des Bundes verankert werden.
({15})
Diese Forderung steht mit dem Bestreben, die Mischfinanzierung grundsätzlich neu zu ordnen
({16})
oder in Teilen aufzuheben, nicht im Widerspruch.
({17})
- Ich habe auf Ihre Reaktion geradezu gewartet, meine Herren.
({18})
Wir dürfen über die finanziellen und haushaltspolitischen Kontroversen - und darum geht es im Kern - zwischen Bund und Ländern die Tatsache nicht aus dem Auge verlieren, daß es sich bei diesen Sachbereichen nur um einen Teil, wenn auch einen wesentlichen Teil, unserer wohnungspolitischen Verantwortung handelt.
({19})
Meine Damen und Herren, die Unionsfraktionen aller Legislaturperioden haben der Wohnungspolitik eine erstrangige politische, soziale, insbesondere aber familienpolitische Bedeutung beigemessen.
({20})
Auch diese Fraktion tut dies, und Sie dürfen sicher sein: auch die Fraktion der CDU/CSU im 9. Bundestag wird nicht minder dieser inneren Gesinnung sein.
Im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen haben wir die Bundesregierung aufgefordert, noch im 8. Bundestag eine neue wohnungspolitische Gesamtkonzeption vorzulegen. Dazu sah sich die Bundesregierung offensichtlich nicht in der Lage. Die Kollegen aus SPD und FDP jedenfalls haben unseren Antrag zu diesem Punkt abgelehnt. Uns ist diese
Aufforderung angesichts der unbestreitbaren Schwierigkeiten im wohnungs- und städtbaupolitischen Feld eine Selbstverständlichkeit gewesen, weil wir glauben, es ist höchste Gefahr im Verzug. Des Redens, der Ankündigungen war Zeit genug, jetzt hat die Stunde des Handelns geschlagen.
({21})
- Der Bundestag ist nicht der Vormund des Bundesrates, das wissen Sie. Und Ihre Einsicht in die höheren Erkenntnisse des Bundesrates scheint den dort anstehenden Sachverhalten offensichtlich nicht gerecht zu werden.
Meine Damen und Herren, wir messen die Qualität der Wohnungsbau- und Städtebaupolitik der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen nicht an der Vielzahl ihrer verheißungsvollen Ankündigungen, sondern an ihrer Bereitschaft und Entschlossenheit, das Notwendige jetzt und ohne Zögern in Angriff zu nehmen. Ganz sicher hören uns heute viele tausende Familien zu und fragen: Wer hat die richtige Konzeption zur Lösung der Probleme? Die Zahl dieser Probleme ist sehr hoch und ihre Natur schwierig. Aber wir können sie meistern, wenn wir mit der richtigen Rezeptur zu Werke gehen. Und ich habe Ihnen jetzt das richtige Rezept vorgetragen. - Vielen Dank.
({22})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Polkehn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine beachtliche Leistung der CDU/CSU-Opposition,
({0})
einen Antrag mit der anspruchsvollen Überschrift „Drittes Wohnungsbaugesetz" über ein Jahr auf der Flamme zu halten und heute hier im Plenum dem Bürger sozusagen als wohnungspolitische Neuorientierung zu verkaufen. Ihre Haltung, meine Damen und Herren, die Haltung der CDU, macht immer mehr deutlich, daß es sich bei dem beantragten Dritten Wohnungsbaugesetz lediglich um Spielmaterial für die Wahlauseinandersetzung handelt. Der Beitrag des Herrn Dr. Schneider hat das soeben ja sehr eindrucksvoll bestätigt.
({1})
Wenn Sie aufrichtig sein könnten,
({2})
müßten Sie den Antrag heute zurückziehen, weil er
nach den Ereignissen im Bundesrat am Freitag und
bei der Arge Bau unlogisch und überholt ist. Denn
wenn Herr Tandler die Länder dazu animiert, darauf hinzuwirken, daß der Bund aus der Wohnungsbauförderung aussteigt und sie den Ländern überläßt, wozu dann eigentlich noch ein Antrag Drittes Wohnungsbaugesetz?
({3})
Und was soll es, wenn der Bundesrat die Wohngeldnovelle, der Sie hier zugestimmt haben, von der Tagesordnung absetzt?
({4})
Soll das bedeuten, daß Sie auch da nicht mehr mitmachen wollen? Wir werden im Laufe der heutigen Debatte auch darüber noch zu reden haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich heute an einigen Beispielen verdeutlichen, daß sich unser ordnungspolitisches Instrumentarium im Bereich Wohnungsbau bewährt hat. Wohnungsbauminister Dr. Dieter Haack hat dies in seinen Thesen zur Zukunft der Wohnungs- und Städtebaupolitik bereits eindrucksvoll nachgewiesen.
Seit der Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes im Jahre 1971 beteiligte sich der Bund an Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Altbaugebieten mit bisher rund 2 Milliarden DM. Wohngebiete in Innenstädten und Dorfkerne wurden erhalten, erneuert und in ihrer Struktur verbessert.
({5})
Zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Städten und Gemeinden wurden und werden laufend Sanierungsmaßnahmen des Bundesprogramms nach dem Städtebauförderungsgesetz unterstützt. Der Bund stellte hierfür 950 Millionen DM zur Verfügung.
({6})
Mit dem Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" konnten wichtige stadtentwicklungspolitische und architektonische Anstöße, z. B. Stadthaus, alten- und behindertengerechte Wohnungen, verkehrsgerechte Wohnanlagen gegeben werden.
Seit das Bundesbaugesetz novelliert wurde, können die Gemeinden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Wohn-, Lebens- und Umweltbedingungen unter stärkerer Beteiligung unserer Bürger leichter durchsetzen. Darüber hinaus brachte die letzte Novelle seit 1979 wesentliche Vereinfachungen im Planungsprozeß.
Das 1977 verabschiedete Wohnungsmodernisierungsgesetz trug zur Versorgung mit guten und preiswerten Wohnungen durch die Erhaltung der Bausubstanz bei. Modernisierungen werden im übrigen bereits seit 1974 von Bund und Ländern in einem gemeinsamen Programm gefördert.
Seit 1978 ist das Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz in Kraft. Für 4,35 Milliarden DM werden energiesparende Maßnahmen im Wohnungsbau und an Gebäuden besonders gefördert. Mit den erweiterten steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten werden rund 10 % des Wohnungsbestands der Bundesrepublik erfaßt. Das sind etwa 2,5 Millionen Wohnungen.
Der soziale Wohnungsbau dient zur Versorgung benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie kinderreicher Familien, älterer Menschen, Behinderter, zur Versorgung von Aussiedlern und ausländischen Familien mit ausreichendem Wohnraum. Er dient weiter zur Förderung einkommensschwacher Bürger, die Wohneigentum bilden wollen.
Seit 1969 wurden rund 1,5 Millionen öffentlich geförderte Sozialwohnungen gebaut Der Bund wandte dafür rund 14 Milliarden DM auf. Die Zahl der Wohnungen insgesamt stieg in den letzten zehn Jahren um ca. 5 Millionen. Mehr Bürger als früher wohnen heute in ihren eigenen vier Wänden. 1972 waren es 34%, heute sind es rund 40 % Eigenheimwohnungen, ein großer Teil mit staatlichen Förderungen.
Die Ausdehnung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes auf Altbauten und die Grunderwerbsteuerbefreiung trugen ebenfalls zur vermehrten Bildung von Wohnungseigentum bei.
Wohngeld - darauf kommen wir heute noch - wird jährlich an bis zu 1,7 Millionen Haushalte gezahlt Dieses Wohngeld wurde mehrfach verbessert Die Aufwendungen betrugen bisher insgesamt ca. 14 Milliarden DM.
({7})
- Das haben Sie am Freitag abgelehnt
({8})
- Sie haben es verschoben und damit die Gefahr heraufbeschworen, daß wir es nicht rechtzeitig verabschieden können, damit es zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tritt
({9})
Meine Damen und Herren der Opposition, wir sind dabei, wenn es darum geht, Gesetze zu straffen und zu vereinfachen und für den Bürger besser lesbar zu machen. In meinem Beitrag während der 164. Sitzung des Bundestags am 28. Juni 1979 habe ich bereits zu diesem Thema gesprochen. Sie können es gerne nachlesen.
Das, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, beantragt haben, bedarf gründlicher und langwieriger Vorarbeiten. Deshalb beantragen wir, die Bundesregierung zu beauftragen, im Jahre 1981 erstens vergleichend darzustellen, wie die Gesamtheit direkter und indirekter öffentlicher Förderungsinstrumente für den Wohnungs- und Städtebau im Ergebnis zusammenwirkt;
({10})
zweitens zu untersuchen, ob die daraus resultierenden Entwicklungen in städtebaulicher, wohnungspolitischer und sozialer Hinsicht im erwünschten Verhältnis zueinanderstehen; drittens zu überprüfen, welche Verbesserungsmöglichkeiten im arbeitsteiligen Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden erzielt werden können; viertens dabei besonders die Möglichkeit einer Zusammenfassung des geltenden Förderrechts mit dem Ziel besserer Verzahnung und übersichtlicher Gestaltung zu berücksichtigen;
({11})
fünftens ihre wohnungspolitische Konzeption dementsprechend fortzuentwickeln und danach die erforderlichen Initiativen zu ergreifen. Dies für die 9. Legislaturperiode.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Antrag der CDU/CSU abzulehnen und unserer Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/3942 die Zustimmung zu geben. - Herzlichen Dank.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt es, daß die abschließende parlamentarische Beratung der beiden Oppositionsanträge - Auftrag zur Einbringung eines Dritten Wohnungsbaugesetzes und Entschließungsantrag zum Haushalt 1980 des Bauministers - die Gelegenheit gibt, zum Abschluß der 8. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages einige Fragestellungen aufzuzeigen, die die Wohnungspolitik des begonnenen Jahrzehnts wird beantworten müssen. Doch zunächst einige Bemerkungen zu den vorliegenden Beschlußempfehlungen des Ausschusses.
Der Oppositionsantrag auf Einbringung eines Dritten Wohnungsbaugesetzes vom 30. Mai 1979 enthält schwerpunktmäßig das formelle Anliegen, das in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen niedergelegte Recht der Wohnungsbau- und Städtebauförderung sowie der Wohnungsmodernisierung in einem einheitlichen Dritten Wohnungsbaugesetz zusammenzufassen. Materiell ist damit das Anliegen verbunden, die Bundesregierung möge gleichzeitig die Förderinstrumentarien mit dem Ziele erhöhter Wirksamkeit überprüfen.
Der Entschließungsantrag vom 11. Dezember 1979 geht dann materiell wesentlich weiter. Er fordert die Neuorientierung der gesamten Wohnungspolitik, wie das in der öffentlichen Diskussion zu nennen üblich ist, und verbindet das - die Opposition kann wohl nicht anders - mit massiver Kritik an der bisherigen Wohnungsbaupolitik.
({0})
Das, was der Ausschuß Ihnen in Zusammenfassung beider Anträge zur Beschlußfassung vorlegt, nimmt viele der sachlichen Anliegen und Fragestellungen des Oppositionsantrages auf, allerdings ohne die in diesen Fragestellungen enthaltene massive Kritik zu übernehmen.
({1})
Meine Fraktion teilt diese Kritik der Opposition an der bisherigen Wohnungspolitik nicht. Selbst wenn man bei rückschauender Betrachtungsweise in dem einen oder dem anderen Detailpunkt zwischenzeitlich schlauer als vorher geworden ist, so muß doch festgestellt werden, daß die Wohnungs- und Städtebaupolitik der Bundesregierung per saldo im Grundsatz richtig angelegt gewesen ist.
Wir haben festzustellen, daß diese Politik einen global ausgeglichenen Wohnungsmarkt bewirkt hat, daß die Qualität unserer Wohnungen im großen Umfang wesentlich besser geworden ist, daß die Wohnungseigentumsquote gestiegen ist, daß die durchschnittliche Belastung der Wohnbevölkerung mit Wohnkosten eher zu niedrig als zu hoch ist.
({2})
Herr Dr. Schneider hat ein anderes Bild dieser Lage gezeichnet. Aber niemand in diesem Saal wird darum herumkommen festzustellen, daß die Gesamtversorgungslage der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnraum quantitativ und qualitativ wesentlich besser als vor zehn Jahren ist. Um diese Feststellung kommt man nicht herum.
({3})
Solche positiven Feststellungen werden nicht dadurch entkräftet, daß neue gravierende Probleme vor uns liegen, die der Lösung harren. Wenn eine Situation eintritt, in der veränderte, eventuell auch neue Wege beschritten werden müssen, so entwertet das doch, bitte schön, nicht das bisher Geschaffene.
({4})
Lassen Sie mich drei aus unserer Sicht entscheidende Fragen aufwerfen, die zur Lösung der vor uns liegenden wohnungspolitischen Probleme beantwortet werden müssen. Die Kernfrage ist nach unserer Einschätzung die Finanzierungsfrage.
({5})
Wie können wir angesichts sehr hoher Baupreise, hoher Bodenpreise, hoher Kapitalmarktkosten, stark gestiegener öffentlicher Baunebenkosten das erforderliche Volumen von Neubauwohnungen, die erforderliche Modernisierung und Sanierung von Bestandswohnungen bei gleichzeitiger durchgreifender Verbesserung des Wohnumfeldes unter Beachtung des städtebaulich Wünschenswerten finanzieren? Wie können die genannten Kostenfaktoren reduziert werden? Wie kann auf der anderen Seite dem bequemen Anspruchsdenken vieler unserer Bürger entgegengewirkt werden? Wie kann die Leistungsbereitschaft gefördert werden? Denn wir werden es uns auf die Dauer nicht länger leisten können, daß Investitionskosten von 200 000 bis 300 000 DM pro Wohnungseinheit eine durchschnittliche Kaltmietenbelastung von 11 bis 12 % des verfügbaren Nettoeinkommens gegenübersteht. Dies ist auf
die Dauer durch diesen Staat und durch diese Volkswirtschaft nicht finanzierbar.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen hier und heute keine befriedigende Antwort auf diese aufgeworfene Frage geben. Ich will Ihnen nur eine Erkenntnis nicht vorenthalten, die für die Politik der nächsten Legislaturperiode eine entscheidende Weichenstellung beinhaltet. Wenn es richtig ist, daß in den nächsten zehn Jahren jährlich mindestens 400 000 Wohnungseinheiten neu gebaut werden müssen - diese Zahl ist wahrscheinlich nicht zu niedrig und auch nicht zu hoch gegriffen -, so erfordert dies ein Investitionsvolumen, das nahezu der Hälfte des gesamten Bundeshaushalts entspricht. Sanierung, Modernisierung, Wohnumfeldverbesserung und städtebauliche Maßnahmen nicht mitgerechnet, folgt für uns zwingend allein aus dieser Tatsache, daß die Finanzierungsaufgabe nur mit privatem Kapital und nur durch private Investoren gelöst werden kann.
({6})
Das aber erfordert das prinzipielle Bekenntnis zur Marktwirtschaft auch im Bereich des Wohnungsmarktes.
({7})
Das erfordert weniger Staat und mehr Privatinitiative.
({8})
Diese Alternative beinhaltet die Gretchenfrage der zukünftigen Wohnungspolitik.
Lassen Sie mich aber, um Irrtümern vorzubeugen, anfügen, daß es auch aus liberaler Sicht in der Zukunft eines ganz beachtlichen Engagements aller staatlichen Ebenen bedarf, um ein versorgungspolitisch und sozialpolitisch reibungsloses Funktionieren des Marktes zu gewährleisten. Entscheidende Aufgabenstellung wird es aber sein, die wirtschaftlichen und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen und so zu gestalten, daß private Investitionen ökonomisch vertretbar werden und derjenige, der es kann - ich wiederhole: der es kann -, den angemessenen Preis für die Nutzung des Investitionsgutes zahlt.
Die zweite Fragestellung lautet: Mit welchen Förderinstrumenten können die an der Wohnungspolitik beteiligten staatlichen Ebenen am zielgenauesten und effektivsten die versorgungspolitisch notwendige Abrundung des Marktangebotes unter Beachtung sozialer und städtebaulicher Gesichtspunkte gewährleisten? In welcher Art und Weise erfüllt der Staat am besten seine sozial- und familienpolitischen Aufgaben? Wie soll der erfreuliche Bestand von mehr als 4 Millionen Sozialwohnungen verwaltet werden? Auch zu diesem Fragenbündel kann ich Ihnen heute keine umfassende Antwort geben. Trotzdem will ich einige Stichworte nennen, in welcher Richtung liberale Wohnungspolitiker denken.
({9})
Die Förderung des Wohnungseigentums ist unter familienpolitischer und vermögenspolitischer Zielsetzung konsequent fortzusetzen, selbst wenn die Instrumente hier und da der Korrektur bedürfen. Lassen Sie mich aus dem Instrumentarium das auch von Herrn Dr. Schneider ausgesprochene Bausparen herausgreifen, zu dem wir uns ausdrücklich bekennen. Gerade in einer Zeit, in der der Kapitalmarkt hektische Zinsschwankungen aufweist, beweist sich wieder einmal, wie wichtig es ist, im Rahmen der Baufinanzierung ein solides kalkulierbares Finanzierungsinstrument zu haben.
({10})
Meine Damen und Herren, dieses Bekenntnis zur Fortsetzung der Förderung des Wohneigentums beruht nicht zuletzt auf der Überlegung, daß Wohneigentum den individuellen Freiheitsraum erweitert, daß Wohneigentum ein gesellschaftlich stabilisierender Faktor ist,
({11})
insbesondere aber auch, daß wir bei der Schaffung von Wohneigentum eine überproportionale Leistungsbereitschaft der Bürger vorfinden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Conradi?
Würden Sie uns bitte im Zusammenhang mit Ihren Äußerungen über Wohneigen-tum und Wohnungsversorgung sagen, wie hoch die Wohnungseigentumsquote in der Schweiz ist?
Unsere gestiegene Eigentumsquote habe ich vorhin als Positivum der Wohnungspolitik herausgestellt, Herr Kollege Conradi. Die Wohnungseigentumsquote der Schweiz ist nicht höher,
({0})
sie ist niedriger. Andererseits ist es natürlich so, Herr Kollege Conradi, daß die von Irland 69 % beträgt.
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- Meine Damen und Herren, wir brauchen uns, glaube ich, in diesem Punkte überhaupt nicht zu streiten. Wir wollen, daß die Wohnungseigentumsquote weiter erhöht wird. Das kann nicht heißen: Wir wollen ein Volk von Wohnungseigentümern werden. Wir brauchen am Ende ein angemessenes Verhältnis von Wohneigentum und Mietwohnungen,
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einmal weil es eine Menge von Bürgern gibt, die mit Rücksicht auf die Möglichkeiten der individuellen Lebensgestaltung gern mobil bleiben und lieber eine Mietwohnung als eine Eigentumswohnung haben. Das ist schon ein wesentlicher Grund, für ein ausgeGattermann
wogenes Verhältnis zwischen Mietwohnungen und Eigentumswohnungen zu sorgen.
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Es gibt eine Fülle weiterer -
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Meine Herren, ich bitte doch, etwas mehr Ruhe zu wahren.
Es würde sicherlich den Rahmen dieser Debatte sprengen, wenn wir detaillierte Mietrechtsdiskussionen führen wollten.
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Dies würde den Rahmen der Debatte sprengen. Aber wir werden sicherlich Gelegenheit haben, im Zusammenhang mit dem Miethöhengesetz alle denkbaren Modelle durchzudiskutieren, und dabei auch das Schweizer Modell nicht ausnehmen.
Lassen Sie mich fortfahren. Das unmittelbare Mitfinanzierungsengagement des Staates - oder .Objektförderung"- ist nach unserer Einschätzung für bestimmte soziale Zielgruppen und im Zusammenhang von städtebaulichen Schwerpunktmaßnahmen fortzusetzen. Dabei sind allerdings die Instrumente zu überprüfen. Bei dieser Überprüfung sollte man versuchen, zu Instrumenten zu kommen, die ein Abkoppeln von dem kostentreibenden Kostenmietgedanken ermöglichen.
Unter sozialpolitischer Zielsetzung sind die Subjektförderungsinstrumente weiterzuentwickeln, wobei auch Mischformen, also subjektivierte Objektförderungsinstrumente zu prüfen sind.
Weiterhin wird zu prüfen sein, ob auf so breiter Front wie zur Zeit das Nebeneinander von Sozialmietenmarkt und Marktmietenmarkt auf die Dauer ordnungspolitisch durchgehalten werden kann oder ob dadurch das ehrgeizige Ziel der Wohnungsversorgung wesentlich über den freien Markt gefährdet wird. Wir plädieren für eine Angleichung beider Marktbereiche in einem behutsamen mittelfristigen bis langfristigen Prozeß.
Bei allen diesen Maßnahmen ist für uns Geschäftsgrundlage, daß angesichts der Haushalts- und Finanzsituation des Bundes und der Länder eine nennenswerte Ausweitung des sogenannten Wohnungsbudgets nicht möglich sein wird und daß der Umschichtungsspielraum innerhalb dieses Wohnungsbudgets vergleichweise gering ist. Dabei spielt auch eine Rolle, daß Umschichtungen aus verfassungsrechtlichen Gründen - ich nenne nur die Stichworte § 7 b oder, etwas außerhalb des Wohnungsbudgets liegend, die allgemeine Sparförderung - erst richtig in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts neue Handlungsspielräume schaffen könnten. Dies wird zu beachten sein.
Die dritte wichtige Fragestellung aus unserer Sicht lautet: Wie bekommt man die regionalen Wohnungsmarktprobleme am besten in den Griff?
Das wirft die in der Beschlußempfehlung angesprochene Frage auf, welche Verbesserungsmöglichkeiten im arbeitsteiligen Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden erzielt werden können.
Wir sind der Auffassung, daß regionale Probleme am besten dezentral gelöst werden. Für uns stellt sich die Frage, inwieweit der Bund im Rahmen der Objektförderung sich noch selber engagieren soll. Denn mindestens was die Lösung regionaler Probleme betrifft, kann - welcher Verteilungsschlüssel auch immer gewählt wird - das Geld aus der Bundeskasse nicht zielgenau in den regionalen Brennpunkten ankommen. Man wird nicht um die Frage klarer Zuständigkeiten herumkommen, und man wird in einigen Teilbereichen der Wohnungspolitik die Mischfinanzierung grundsätzlich problematisieren müssen.
Ich wiederhole: die Wohnungspolitik der vergangenen Jahre, dieser Bundesregierung und dieser sozialliberalen Koalition war im Grundsatz richtig, und ihre Erfolge können sich sehen lassen.
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Das ändert nichts daran, daß neue Problemstellungen neue Antworten erfordern.
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Insofern liegt in der nächsten Legislaturperiode eine Fülle von Aufgaben vor uns. Auch die öffentliche Diskussion hat zwischenzeitlich die Erkenntnis vermittelt, daß Wohnungspolitik in den kommenden Jahren ein Schwerpunktbereich der Innenpolitik sein wird. Die Aufgaben sind deshalb so schwierig, weil wir hier einen seit rund 60 Jahren mehr oder minder intensiv administrierten Markt vorfinden. Das hat auch zu einer starken Verzahnung von Wohnungsbürokratie und Wohnungswirtschaft, gleichgültig, ob frei oder gemeinnützig, geführt. Eine solche Ausgangslage provoziert Beharrungsvermögen und das Herumdoktern an einzelnen Symptomen.
Unser Land ist nach den Regeln der sozial verpflichteten Marktwirtschaft wirtschaftlich stark geworden. Wir sollten in der nächsten Legislaturperiode auch im Wohnungsmarkt den Mut zu mehr sozial verpflichteter Marktwirtschaft aufbringen. Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Schneider hat bereits die Bilanz des Herrn Ministers angesprochen. Ich kann noch einmal feststellen, Herr Minister: Diese Bilanz ist eine Bilanz des Mangels; Sie sind durchaus fähig, den Mangel zu verwalten, aber nicht die Zukunft im Wohnungsbau zu gestalten. Herr Minister, Ihre Bilanz ist farblos. Farbenprächtig anzusehen sind Sie dagegen zuweilen
Dr. Jahn ({0})
schon, aber nur als Verbandsbruder der Burschenschaft der Bubenreuther, als, wie die Presse schreibt, „Genosse im vollen Wichs", aber nicht in der Wohnungsbaupolitik.
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Die Verantwortung für diesen, die Bürger treffenden Zustand trägt nicht der Minister allein, sondern auch die Koalition insgesamt. Sie müssen sich heute fragen lassen: Wie ist es möglich, daß die Wohnungsbaupolitik noch nie so unsozial, so familienfeindlich und so unwirtschaftlich war wie heute?
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Unsere Antwort darauf lautet wie folgt: Erstens. Der von Paul Lücke eingeschlagene Weg
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der Überführung der Wohnungswirtschaft in die Soziale Marktwirtschaft ist verlassen worden. Die Ausnahmesituation der Nachkriegszeit wird von Ihnen - Herr Kollege Schäfer - weiterhin als wohnungspolitischer Normalfall angesehen. Zweitens. Im sozialen Wohnungsbau wird das Sozialstaatsprinzip geradezu auf den Kopf gestellt. Begünstigt wird der Besitzstand der Fehlsubventionierten, und die wirklich Einkommensschwachen werden benachteiligt. Der Bürger hat kein Verständnis mehr dafür, daß auf ein und derselben Straße für gleichwertige Wohnungen unterschiedliche Mieten gezahlt werden müssen.
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40 % aller Wohnungen im sozialen Wohnungsbau sind von Personen blockiert, die den Anspruch einkommensmäßig nicht mehr haben.
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- Nein, nicht weil wir sie falsch gemacht haben, sondern weil Sie sie nicht zu handhaben verstehen. Herr Schäfer, Sie müssen sich sagen lassen, daß nur ein Viertel aller Bürger, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, in den Genuß einer Sozialwohnung kommen.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Waltemathe?
Bitte schön.
Herr Kollege Jahn, können Sie mir sagen, wie viele Einkommensüberschreiter es bei Eigentumsmaßnahmen des sozialen Wohnungsbaues gibt?
Herr Kollege Waltemathe, auch das läßt sich sicherlich bei der Lösung des Problems prüfen, steht aber in gar keiner Relation zu dem, was ich angesprochen habe. Ich muß Ihnen ein Zweites sagen. Die Gewinnchance, eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau zu bekommen, beträgt 1 : 4. Das heißt: Ihre Politik schafft laufend mehr Ansprüche auf Wohnberechtigungsscheine, aber nicht mehr Wohnungen, und das ist eine unsoziale Politik. Die Gewinnchance ist 1 : 4. Bei einer Lotterie hat wenigstens noch jeder die gleiche Chance, aber im sozialen Wohnungsbau ist das völlig anders. Den bereits bisher wohnberechtigten, aber nicht zum Zuge gekommenen Haushalten wird eine Konkurrenz besser Verdienender an die Seite gestellt, der sie kaum gewachsen sind. Das heißt, meine Damen und Herren: Diese Politik erweckt stets neue Erwartungen, verwaltet tatsächlich aber nur den Mangel.
Wenn wir das sehen, taucht die Frage auf: Wie ist denn künftig die Frage nach dem Bedarf zu beantworten? Wir stellen übereinstimmend fest, daß es auch künftig regionale und gruppenspezifische Engpässe gibt, daß gerade die einkommensschwachen Bevölkerungskreise schlecht versorgt sind, daß die Wohnungsbauförderung gerade diese subventionsbedürftigen Personenkreise nicht erfaßt hat, daß in Ballungsgebieten besondere Probleme gegeben sind und daß gerade die geburtenstarken Jahrgänge künftig in das heiratsfähige Alter hineinwachsen - und dies alles in einer Zeit, in der die Probleme deshalb größer werden, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, ja, in der die Bundesregierung zugeben muß, daß das für die Lebensversicherer zuständige Bundesaufsichtsamt kritisiert, daß dort noch investiert werde, obwohl die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben sei.
Herr Minister, ich muß Sie fragen: Warum kommen Sie dann, wenn Sie heute durch Ihr Haus attestieren, daß eine Wirtschaftlichkeit im Mietwohnungsbau nicht mehr gegeben ist, nicht dazu, diesen Zustand in den Berichten über die Wohnraumkündigungsschutzgesetze einmal offen zuzugeben? Denn Sie haben doch in den letzten Tagen meinem Kollegen Kolb mitgeteilt, daß die Bundesregierung in der derzeitigen Ertragslage im Mietwohnungsbau die wesentliche Ursache für die Zurückhaltung der Versicherungswirtschaft bei Investitionen im Mietwohnungsbau sieht. Wenn das so ist, Herr Minister, ist es Zeit zum Handeln und nicht zum Schweigen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben schon zu Beginn dieser Legislaturperiode auf die Notwendigkeit einer Neuorientierung in der Wohnungsbaupolitik hingewiesen. Wir haben - auch in unseren Entschließungsanträgen - zum Ausdruck gebracht, daß die Überführung in die Marktwirtschaft erfolgen muß, und zwar unter gezielter Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise.
Der Bundesbauminister war zunächst auf dem rechten Pfad. Der „Süddeutschen Zeitung" gegenüber erklärte er am 26. Februar 1978, er plane noch für diese Legislaturperiode eine Novelle zum Wohnraumkündigungsschutzgesetz; für frei finanzierte Wohnungen solle eine Aktualisierung der Mietspiegel angestrebt werden. Und er sagte: Dies muß bald geschehen; wir dürfen damit nicht in die
Dr. Jahn ({1})
Nähe des Wahljahres kommen. - Ein Gesetzgebungsverfahren wurde angekündigt.
Dasselbe sagte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dasselbe sagten viele Fachverbände,
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aber trotz der eindeutigen Fakten gab es im Kabinett Meinungsverschiedenheiten.
Wie wurde dieser Streit im Kabinett beigelegt? Die Kausalität zwischen den Auswirkungen des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes und dem Mangel an Investitionsbereitschaft wurde verneint. Es wurde allerdings hinzugefügt, es sei nicht auszuschließen, daß die Bürger subjektiv davon ausgingen, daß objektiv Kausalität bestünde. Dies, meine Damen und Herren, war ein fauler Kompromiß, ein konstruiertes Alibi dafür, nicht tätig werden zu müssen. Nunmehr, Herr Minister, haben Sie durch Ihr eigenes Haus in den letzten Tagen zugegeben, daß es einen Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel an Investitionsbereitschaft unserer Bevölkerung und der Gesetzgebung gibt, aber Sie haben es noch immer abgelehnt zu handeln.
Uns wird, wenn wir nach mehr Marktwirtschaftlichkeit rufen, entgegengehalten, wir würden damit den Spekulanten Vorschub leisten und das Kapital begünstigen. Wir können getrost antworten, daß Sie es waren, die das Geschäft mit den überhöhten Preisen erst heraufbeschworen haben. Zuerst machen Sie den freien Mietwohnungsbau kaputt, dann beklagen Sie sich über die drohende Wohnungsnot, knüpfen an diese Mangelsituation an und verteufeln die Soziale Marktwirtschaft, um einen Vorwand dafür zu bekommen, diesen Mangel auch noch staatlich regeln zu können. Dies ist keine seriöse Politik!
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Schauen wir in Ihr kommunalpolitisches Grundsatzprogramm. Es heißt dort, daß die wohnungspolitischen Mißstände deshalb entstehen, weil die noch bestehenden und aus dem Marktprozeß immer wieder neu entstehenden Ungleichheiten dies bedingen. Die Soziale Marktwirtschaft wird von Ihnen an den Pranger gestellt, obwohl sie sich zur Zeit gar nicht entfalten kann. Dies ist eine Politik, die sich, wie Sie schon in dieser Legislaturperiode gesehen haben, im Grunde auf Dauer nicht bewährt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen deshalb mehr Marktwirtschaft im Wohnungsbau - unter individueller Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise.
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- Lieber Herr Kollege Conradi, wir sind dafür, daß auch bei der Bildung des privaten Eigentums für das Eigenheim viel getan wird. Es ist nicht gut, daß Sie im Grunde gegen diese Eigentumspolitik - wie auch eben mit einem Zwischenruf - zu Felde ziehen. Ich habe mit Ihnen zusammen in den letzten Tagen eine Fernsehdiskussion geführt. In dieser Diskussion haben Sie auch gesagt: Die Soziale
Marktwirtschaft ist für diejenigen, die da oben sind. - Dies ist ein völliges Mißverständnis der Sozialen Marktwirtschaft. Sie haben dann das private Eigentum mit Kritik überzogen, mußten im Zuge der Debatte aber zugeben, daß Sie selbst in einem Eigenheim wohnen. Daraufhin gab es Gelächter. Dazu kann ich nur sagen, Herr Conradi: Linkssein heißt, in einem Eigenheim zu wohnen und dann dagegen zu sein, daß man ein Eigenheim hat. So läßt es sich als Genosse ganz gut leben.
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Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Conradi?
Bitte schön!
Herr Kollege, wenn Sie schon aus der Fernsehdiskussion, die wir beide bestritten haben, berichten, würden Sie dann bitte auch vollständig berichten und sagen, daß ich mich nicht gegen die Eigentumsförderung, sondern gegen die überzogene Eigentumsförderung gewendet habe und daß ich die Antwort der CDU/CSU an die wohnungsuchenden Familien, sie sollten doch Wohnungseigentum erwerben, mit der Antwort Marie Antoinettes an das hungernde Volk von Paris verglichen habe: Warum essen die Leute keinen Kuchen?
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Ich glaube, auf diese Fragestellung keine Antwort mehr geben zu müssen, Herr Kollege Conradi.
Die Vermehrung des Baulandangebots ist von uns in dieser Wahlperiode wiederholt gefordert worden. Wir haben einen Antrag eingebracht, auf die Gemeinden einzuwirken, daß sie recht früh Bauland bereitstelllen. Sie haben diesen Antrag damals abgelehnt. Nun setzt sich der Minister allerdings auf dieses Pferd. Er sagt jetzt: Jawohl, die Gemeinden müssen mehr Bauland ausweisen. Was macht aber Ihr Bundesparteitag? Er fällt dem Minister in den Rücken. Ich weiß, daß Sie das nicht gerne hören. Sie haben auf Ihrem letzten Bundesparteitag wieder die Beschlüsse des Parteitages von Hannover in Ihr Gedächtnis zurückrufen lassen. Sie haben gesagt, die Genossen an der Front müßten dafür eintreten, daß künftig kein Quadratmeter Grund und Boden, der im Eigentum einer Gemeinde steht, an einen Privatmann gegeben wird; es sollen vielmehr nur noch Erbbaurechte ausgegeben werden.
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Hierzu sagen wir Ihnen: Die Bodenprobleme werden nicht dadurch gelöst, daß die Gemeinden von Ihnen zu Bodenmonopolisten gemacht werden. Um städtebauliche Planung realisieren zu können, muß das gesetzlich verankerte planungsrechtliche Instrumentarium genutzt, nicht aber unsere Eigentumsordnung verändert werden.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Henke?
Bitte schön!
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Kollege Dr. Jahn, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß der Boden nicht beliebig vermehrbar ist, daß dies insbesondere für unsere Großstädte gilt und daß der Bodenmangel, über den wir diskutieren, insbesondere ein großstädtisches Problem darstellt?
Herr Kollege Henke, ich habe ja nicht gesagt, daß der Boden beliebig vermehrbar ist Ich habe aber gesagt, daß der Bauboden vermehrbar ist, wenn die Gemeinden mehr Bauland ausweisen. Ich möchte auf diesen Unterschied noch einmal hinweisen.
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? - Nein, keine weitere Zwischenfrage.
Ich denke an meine Zeit, Herr Präsident
Mehr sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auch an die Fragen der Liberalisierung erinnern. Wir haben ein Gesetz im Kompromißwege beschlossen. Die Fronten waren aufgebaut; es hat einen Kompromiß gegeben, mit dem wir sicherlich leben können. Auffällig ist aber - jetzt beziehe ich mich ebenfalls wieder auf Ihre Parteitage -, daß durch den Druck der Parteibasis Anträge auf Ihren Bundesparteitagen gestellt werden, das ganze Liberalisierungsverfahren zu unterlaufen. In diesen Anträgen werden alle aufgerufen, Rechtsverordnungen zu erlassen, um im Grunde die liberale Funktion des Wohnungsbauänderungsgesetzes zu unterlaufen. Auf dem Bundesparteitag der SPD im vergangenen Jahr gab es den Antrag, daß die Landtagsfraktionen und Landesregierungen aufgefordert werden sollten, umgehend und weitgehend von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Gebiete mit erhöhtem Bedarf festzustellen und zu bestimmen. Der Antrag wurde nicht zur Abstimmung gestellt Die Antragskommission hat gesagt - Herr Kollege Wehner, Sie waren ja der Vorsitzende der Antragskommission -: Das alles beraten wir auf dem Bundesparteitag 1980. Wir haben sorgfältig analysiert und geprüft, ob Sie diese Anträge denn jetzt beraten haben. Sie standen diesmal ebenfalls nicht zur Abstimmung. Deshalb taucht die Frage auf: Was wollen Sie denn eigentlich? Stehen Sie zu dem, was Sie hier in der sozialdemokratischen Fraktion beschlossen haben, auch zu Hause an der Front? Dann müßten Sie nämlich hingehen und dagegen Stellung nehmen, daß man von diesen Rechtsverordnungen in dem Umfang Gebrauch macht, wie von Ihrer Parteibasis immer wieder gefordert wird.
Ein weiterer Punkt ist der soziale Wohnungsbau. Wir alle stellen fest, daß der soziale Wohnungsbau auch künftig erforderlich ist Nur kann man ihn nicht mit dem Gießkannenprinzip durchführen. Es geht nicht an, daß nur ein Viertel der Anspruchsberechtigten eine Sozialwohnung bekommt und drei Viertel leer ausgehen, daß man mehr Wohnberechtigungsscheine, aber nicht mehr Wohnungen schafft Deshalb muß die ursprüngliche soziale Zielsetzung, die sich heute gar nicht mehr als sozial erweist, überdacht werden. Wir sind der Meinung, daß die Förderung generell nicht beim Preis der Wohnung, sondern beim Einkommen der Wohnungsuchenden ansetzen muß. Die Subventionierung der Baukosten sollte durch eine Förderung des Wohnungsinhabers ersetzt werden.
Deshalb haben wir schon lange gesagt: Die Wohnungsversorgung muß grundsätzlich über den Markt geregelt werden. Kann die Miete einkommensmäßig nicht gezahlt werden, muß ein neugestaltetes und wesentlich verbessertes Wohngeld gewährt werden. Eine soziale Wohnungsversorgung läßt sich heute durch eine individuelle Absicherung besser erreichen als durch das bisherige System.
Unter solchen Umständen haben wir die Möglichkeit der Konzentration des sozialen Wohnungsbaus auf all die Bürger, die am Markt keine Wohnung finden können. Diese Bürger gibt es reichlich: kinderreiche Familien, ältere Menschen und Behinderte. Das heißt Verlagerung des Schwergewichts von der Objekt- zur Subjektförderung; denn es ist sicher billiger, die Mieten bedürftiger Personen als die Neubaukosten teurer Wohnungen zu subventionieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden sicher, wie Sie es auch gestern wieder getan haben, nach dem Verhalten des Bundesrats bezüglich des Wohngeldes fragen, und ich nehme an, auch der Minister kommt gleich darauf zu sprechen. Eine klare Antwort: Dieser Punkt ist von der Tagesordnung abgesetzt, aber nicht materiell-rechtlich abgelehnt worden. Ich darf dazu ein Zweites sagen. Wir empfehlen dem Herrn Bundeskanzler, die Länder als wirkliche Partner anzusehen und nicht stets vor vollendete Tatsachen zu stellen.
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Gespräche im Vorfeld tun hier gut
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auch etwas für den Wohnungsbestand tun. Wir brauchen ein stärkeres Engagement für den Wohnungsbestand, weil Stadterneuerung und Wohnungsmodernisierung zentrale und gleichwertige Aufgaben der Zukunft sind. Der bei der Wohnungsversorgung benachteiligter Bevölkerungsschichten noch bestehende Nachholbedarf läßt sich nicht ohne Rückgriff auf den Wohnungsbestand befriedigen.
Herr Kollege Schneider sprach schon von der Fehlsubventionierung. Diese ist ein öffentliches Ärgernis. Keiner will den Fehlsubventionierten aus seiner Wohnung drängen; darin stimmen wir überein. Aber eine marktgerechte Miete sollte er schon zahlen.
Herr Minister Haack hat sich zu Beginn dieser Wahlperiode gegen eine Lösung der FehlsubventioDr. Jahn ({1})
nierung ausgesprochen. Er dachte dabei: So ungerecht und unsozial der jetzige Zustand auch ist ({2})
40 % Fehlsubventionierte sind soundsoviel Wähler; dieses Geschäft überlassen wir am besten der Opposition. Mit einer Politik des sachlich Gebotenen hat diese Haltung nichts mehr zu tun. Nunmehr erklärt der Minister unter dem Druck der öffentlichen Meinung seine Bereitschaft zu einer neuen Prüfung der Fehlbelegungsfrage. Herr Minister, in diesem Punkt haben Sie einfach versagt. Sie hätten eine gesetzliche Grundlage schaffen müssen.
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- Herr Kollege Waltemathe, die Länder können das für die Zukunft machen, aber eben nicht im nachhinein; für das Nachhinein brauchen wir eine gesetzliche Grundlage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf zusammenfassen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gattermann?
Bitte schön.
Herr Kollege Dr. Jahn, würden Sie mir bestätigen, daß die Union gegen Bürokratisierung und Verrechtlichung des Lebens ist? Und würden Sie mir ferner bestätigen, daß die Bundesregierung von der Lösung des Fehlsubventionierungsproblems nur deshalb Abstand genommen hat, weil sie in dieser Sache nicht einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand einführen wollte?
Herr Kollege Gattermann, es ist eben das unverkennbare Zeichen der Bundesregierung, daß sie diese Probleme nur bürokratisch lösen kann. Wir haben einen anderen Weg aufgezeigt, wie man das Fehlbelegungsproblem auf unbürokratische Art und Weise lösen kann.
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Nur wollen Sie das einfach nicht zur Kenntnis nehmen.
Bestimmendes Ordnungssystem muß auch im Wohnungsbau die Soziale Marktwirtschaft werden. Die Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit des Wohnungsmarkts erfordert Maßnahmen zur Beseitigung von Nachteilen für den frei finanzierten Wohnungsbau sowie Maßnahmen zur Liberalisierung. Die Durchführung solcher Maßnahmen wird es zunehmend gestatten, den sozialen Wohnungsbau auf die einkommensschwachen Bevölkerungskreise, die am Markt keine Wohnung finden können, sowie auf städtebaulich relevante Aufgaben zu konzentrieren, im übrigen die Förderung des individuellen Wohneigentums gezielter, insbesondere familienfreundlicher, auszugestalten und das Schwergewicht von der Objektförderung auf die Subjektförderung zu verlagern.
Wird dieser Weg nicht beschritten, so ist der Staat zu einem immer weiter wachsenden finanziellen Aufwand gezwungen, allein um die Auswirkungen seiner Eingriffe in den Wohnungsmarkt auf die private Investitionsbereitschaft aufzufangen. Notwendig ist mithin die Wiederherstellung von marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Aufgaben, die heute der Wohnungspolitik gestellt sind: Bildung von mehr Wohneigentum, Verbesserung des Mietwohnungsangebots, Abbau der Unterversorgung von besonders hilfsbedürftigen Personengruppen können nur gelöst werden, wenn Staat und Kommunen den Wohnungsbau und Städtebau gezielter fördern und wenn die Wohnungswirtschaft schrittweise in die Soziale Marktwirtschaft bei individueller Absicherung der einkommenschwächeren Bevölkerungskreise übergeführt und die Privatinitialive im Mietwohnungsbau wieder geweckt wird.
Mit ihrem Nein zu unserem Entschließungsantrag dokumentieren SPD und FDP, daß sie aus ihren Fehlern nicht lernen wollen. Unsere Bürger werden die Versäumnisse bitter zu spüren bekommen, insbesondere die einkommenschwachen Bevölkerungskreise. Mit der Politik „Mehr Wohnberechtigungsscheine statt Wohnungen" ist kein Staat zu machen. Es ist deshalb Zeit zum politischen Wechseln. Denn mit ungedeckten Wechseln wird unsere Zukunft nicht gebaut, sondern verbaut.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müntefering.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jedes Jahr dasselbe. Die CDU/CSU macht zu Beginn des Jahres, wenn es darum geht, die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zustande zu bekommen, bei der Wohnungsbauförderung Schwierigkeiten. In diesem Jahr hat es fast fünf Monate gedauert, bis wir endlich so weit waren, daß die Mittel an die Menschen draußen im Land fließen können, die darauf warten.
Neuerdings stellt die CDU/CSU über ihre Länder überhaupt die finanzielle Mitverantwortung des Bundes für den Wohnungsbau in Frage - siehe die Konferenz der Bauminister des Bundes und der Länder am vorigen Freitag. Der Bund soll also offensichtlich die 1,5 Milliarden DM, die wir in diesem Jahr ausgeben, nicht mehr ausgeben. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß noch weniger Wohnungen gebaut werden. Wie steht das zu dem, was Sie soeben über die Notwendigkeit des Wohnungsbaues gesagt haben?
({0})
Die Opposition ist damit ganz konsequent auf dem Weg jener Wohnungspolitik, die Biedenkopf erfunden hat: Der Staat soll sich so schnell wie möglich und so weit wie möglich aus seiner Verantwortung zurückziehen.
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Diese Linie paßt zu dem Gewicht, das Sie in Ihrem
Wahlprogramm dem Wohnungsbau und Städtebau
beigemessen haben. Einen einzigen Satz gibt es dort
darüber, glaube ich. Das paßt auch dazu, daß in den drei konzentrischen Kreisen, die in der vorigen Woche um Herrn Strauß gelegt worden sind, um ihn ein bißchen anzustrahlen, die wohnungspolitische Tat nicht personifiziert ist. Gibt es da denn überhaupt noch einen Bundeswohnungsbauminister?
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Das ist die Union 1980, wie sie sich wohnungspolitisch darstellt und wie sie auch da von dem bestimmt ist, was Herr Strauß will. Straußens Strategie ist ja die vom vorigen Freitag im Bundesrat, als er verordnete: Die Novelle zum Wohngeldgesetz wird von der Tagesordnung abgesetzt.
({3})
- Na gut
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Herr Strauß und Herr Albrecht werden schon gut abgesprochen haben, wer da welchen Part übernimmt
Für uns ist hier erwähnenswert und festzuhalten, daß vor wenigen Wochen, als wir an dieser Stelle dieses Gesetz beschlossen haben, Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, und Sie, Herr Dr. Möller, in ganz besonderer Weise uns eindringlich ermahnt haben, mehr zu tun. Da hat der Herr Kollege Dr. Möller gesagt: „Der Hinweis der Bundesregierung, daß für die Bundesregierung insgesamt nur 600 Millionen DM zur Verfügung stehen, ist ein Armutszeugnis der Sozialpolitik dieser Regierung.'
({5})
Hier vermerkt das Protokoll: „({6})".
({7})
- Ja, das ist mir klar. - Sie haben dann weiter gesagt:
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat im Ausschuß der Änderung des Wohngeldgesetzes zugestimmt. Sie wird das auch heute tun,
- das war am 22. Mai ({8})
weil insbesondere für unsere kinderreichen Familien wesentliche Verbesserungen vorgesehen sind und damit ein langjähriges Ziel unserer Politik verwirklicht wird.
Das war, wie gesagt, am 22. Mai.
Im Frühjahr dieses Jahres, vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg, hat Herr Palm gesagt: Wenn der Bund jetzt nicht sofort etwas unternimmt, dann werden wir vom Land Baden-Württemberg aus die Initiative ergreifen und das Wohngeld über den Bundesrat erhöhen.
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Jetzt sagt der Kandidat Franz Josef Strauß plötzlich: Das Wohngeld ist ein finanzpolitischer Spielball im Bundesrat Darüber werden wir pokern, das werden wir dort einbringen, und Dr. Kohl, Dr. Zimmermann und Fraktion stehen im Regen. Es ist halt so: Wenn man den Strauß hat, braucht man für den Spott nicht zu sorgen.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb? - Bitte.
Herr Kollege Müntefering, würden Sie mir zustimmen, daß Herr Matthöfer in der Zwischenzeit, also seit der Zeit, in der Sie diese Aussagen und wir unsere in Baden-Württemberg gemacht haben, mit ganz neuen Forderungen hinsichtlich der Verteilung der Mehrwertsteuer an die Länder herangetreten ist?
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Wenn die Wohngeldnovelle die sozialpolitische Bedeutung hat, die auch Sie ihr hier zugemessen haben, dann darf sie in dieser ganzen Diskussion kein Spielball werden. Wenn ich es richtig sehe, sind Sie wohl auch selbst überrascht worden: Herr Strauß hat Sie vorher nicht über das informiert, was da lief. Noch einmal: Die Wohngeldnovelle darf nicht zum Spielball im Bundesrat gemacht werden. Allen Ernstes gesprochen: Wenn dieses Gesetz in den Strudel gerät und gar scheitern sollte, dann sind Sie, ist Herr Strauß dafür verantwortlich, daß diejenigen Rentnerhaushalte, diejenigen Familien und diejenigen Alleinerziehenden, die ihre Wohnung aus eigener Kraft nicht bezahlen können, im nächsten Jahr 500 Millionen DM weniger an Mieten- und Lastenzuschuß bekommen werden.
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Das ist Ihre Verantwortung, der Sie sich zu stellen haben.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb?
Nein. - Inzwischen hat das Land Nordrhein-Westfalen veranlaßt, daß die Wohngeldgesetznovelle wieder auf die Tagesordnung des Bundesrates gesetzt wird. Vielleicht ist es Ihre Sache, Herrn Strauß oder Herrn Albrecht - wer immer da zuständig ist - in der Zwischenzeit zu informieren und denen zu sagen: Laßt das sein! Das ist ein wichtiges Gesetz; das wollen auch wir
durchhaben. Nun zeigen Sie doch einmal, wer Sie als Fraktion sind!
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Meine Damen und Herren, es fehlen in der Bundesrepublik in bestimmten Städten und Regionen noch Wohnungen, besonders für Familien mit mehreren Kindern. Die Mieten für Neubauwohnungen übersteigen die Finanzkraft mancher Mieter; das Bauen ist teuer. Auch die Mieten nach erfolgter Modernisierung übersteigen teilweise die Finanzkraft der Mieter. Das führt zur Mieterverdrängung. Mindestens 10 Millionen Wohnungen sind aber modernisierungsbedürftig; an mehr als 20 Millionen müßten Maßnahmen zur Energieeinsparung durchgeführt werden. Defizite im Wohnumfeld treiben die Menschen aus den Städten. Bauland ist knapp und teuer. Teile der staatlichen Finanzhilfen verlieren zunehmend die soziale Zielgerichtetheit.
In diesen wenigen Thesen stecken die zentralen Probleme und auch die Zielkonflikte der Wohnungs- und Städtepolitik, so wie wir sie vor uns haben. Die Opposition kommt nun mit verblüffender Gesetzesgläubigkeit her und sagt: Wir machen ein Drittes Wohnungsbaugesetz - damit werden wir das dann schon alles in den Griff bekommen -, ein Drittes Wohnungsbaugesetz mit dem Ziel - so steht es in Ihrem Antrag -, die Wirksamkeit aller Förderungsinstrumente zu steigern. Die Frage ist: Steigerung der Wirksamkeit für wen? Für wen soll diese Änderung, diese Zusammenfassung im Gesetz wirken? Wo soll es wirken, und wann soll es wirken?
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Ein noch so perfektes Gesetz wird uns nicht weiterbringen, wenn nicht zuvor die Antworten auf die Zielfragen gegeben sind. Und da bleibt die Union nach wie vor undeutlich.
Herr Dr. Schneider hat gesagt, es fehlten familiengerechte Wohnungen. Das stimmt. Richtig ist aber doch: Die Versorgung der Familien ist besser, als sie vor zehn Jahren gewesen ist. Es ist gesagt worden, die Wirtschaftlichkeit im Mietwohnungsbau sei nicht mehr gegeben. Sie sagen nicht dazu, zu wessen Lasten sie nicht mehr gegeben ist und wie sie wiedergefunden werden könnte; das wird verschwiegen. Sie sagen, das Heizenergiesparprogramm sei eine gute Sache. Auf der anderen Seite aber sagen Sie: Die Mischfinanzierung müssen wir in Frage stellen. Aber das Heizenergiesparprogramm ist doch wohl ein Modell, das auch in der Mischfinanzierung eine Rolle spielt.
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Wir Sozialdemokraten orientieren unsere Wohnungspolitik an dem Ziel, das Wohnen in den 80er Jahren menschlicher zu machen.
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Wir sehen, daß große Probleme vor uns liegen, aber wir sind nicht bange, uns diesen Problemen zu stellen.
Modernisierung und Wohnumfeldverbesserung müssen sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Der Erhalt des Wohnungsbestandes darf nicht vernachlässigt werden, sonst werden sich die Probleme in den Städten dramatisieren. Dabei genügt es nicht, nur die Wohnungen zu modernisieren. Die Sicherheit der Kinder auf der Straße, Spielflächen, Gehwege, Radwege, Freiraum für die Nachbarschaft und für eigenverantwortliches Gestalten sind Inhalt der zweiten großen Erwartung an die Wohnsituation.
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Modernisierung wird manchmal als Luxus-Modernisierung zum gezielten Mieterrausschmiß mißbraucht. Wir suchen noch einen wirkungsvollen Riegel, der dem vorgeschoben werden kann. Es muß allen Ernstes geprüft werden, wie weit in solchen Extremsituationen die Duldungspflicht des Mieters in der bisherigen Art und Weise bestehen bleiben kann.
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Aber selbst wenn die Modernisierung wirklich nur darauf abzielt, die Wohnung an einen zeitgemäßen Standard heranzuführen, bringt das Mieterverdrängung mit sich, weil die Mieter den erhöhten Belastungen nicht gewachsen sind. Die Modernisierungsförderung und das Wohngeld behalten hier eine wichtige Funktion.
Andererseits gibt es zunehmend Mieter, die an uns herantreten und sagen: Wir möchten, daß unsere Wohnungen modernisiert werden, daß z. B. Energiesparmaßnahmen durchgeführt werden, aber dem Eigentümer fehlt die Investitionskraft oder der gute Wille. Auch solche Situationen führen zu einseitigen Mieterstrukturen und belasten die Entwicklung ganzer Wohnbereiche.
Eine besondere Abart dieser Methode ist das Verrottenlassen von Häusern und ganzen Blocks. Während zigtausend dringend eine menschenwürdige Wohnung suchen, lassen einige wenige andere zum Zwecke einer langfristig höheren Rendite Wohnraum verkommen und leerstehen. Das ist unsozial, und wir verurteilen das.
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Wir prüfen die Möglichkeit einer verstärkten Mietermodernisierung. Das ist im Sinne der Mieter und kann auch im Sinne der Vermieter sein. Mit der Mietermodernisierung, dem Recht des Mieters, nach festzulegenden Regeln die von ihm bewohnte Wohnung auf seine Kosten zu modernisieren, und seinem Anspruch auf angemessene Entschädigung, falls er aus irgendwelchen Gründen doch ausziehen müßte, könnte erhebliches privates Investitionskapital angestoßen werden. Das wäre gut; denn der Staat kann Impulse geben, aber keinesfalls die Vielzahl aller Modernisierungsmaßnah18002
men aus öffentlichen Mitteln massiv fördern. Da sind wir uns, Herr Kollege Gattermann, völlig einig.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?
Bitte schön.
Herr Kollege Müntefering, da Sie gerade die Mietermodernisierung ansprechen, habe ich die Frage, ob nach Ihrer Auffassung die Mietermodernisierung auch gegen den Willen des Eigentümers durchgeführt werden können soll oder nicht.
Herr Kollege, das ist ein komplexes Problem und wird ein schwieriges Gesetz; aber wir werden uns daran begeben. Wir wollen heute nicht die Gesetzesberatung machen. Aber wenn man Mietermodernisierung ernstlich will, wird man wohl auch da eine gewisse Duldungspflicht - in der Umkehrung - wollen müssen. Sonst wird das wohl nicht funktionieren.
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Das zur Verfügung stehende Geld, meine Damen und Herren, wird in den nächsten Jahren nicht zunehmen. Deshalb, meinen wir, müssen zukünftig Streueffekte vermieden werden, wie sie beispielsweise mit dem steuerlichen Teil des Heizenergiesparprogramms ausgelöst werden; denn diese Streueffekte sind nicht sozial, sie dienen nicht der gezielten Stadtentwicklung, und sie bringen auch keine zusätzlichen Impulse für das Energiesparen. Diese Streueffekte sind zum großen Teil gleichzeitig Mitnehmereffekte.
Wir brauchen nicht nur Modernisierung, wir brauchen auch Neubau. Bis 1985 wird die Zahl der Haushalte trotz sinkender Bevölkerungszahl um 400 000 bis 500 000 zunehmen. Der Flächenbedarf stieg um jährlich ein bis zwei Prozent in den vergangenen Jahren. 4 Millionen Wohnungen sind eher abbruchreif als modernisierungsfähig, und es bestehen regional sich verstärkende Ungleichgewichte in der Versorgung.
Wir befürworten die Förderung des Neubaus. Die Objektförderung behält Bedeutung. Wir sind für den Eigenheimbau und unterstützen ihn. Er ist ein wichtiger und derzeit der stabile Faktor des Wohnungsbaus. Eigenheimbau ist in vielen Regionen unseres Landes der Motor des Wohnungsbaus überhaupt und auch in manchen städtischen Bereichen eine Möglichkeit, Stadtbewohner zu binden und davon abzuhalten, weit draußen ihr Eigenheim zu suchen.
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Wir erkennen aber aktuell als besonders dringlich den familiengerechten sozialen Mietwohnungsbau an.
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Deshalb sind wir auch gegen den Ausverkauf von Sozialmietwohnungen. Ich meine die Diskussion im Zusammenhang mit dem Wohnungsbauänderungsgesetz.
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Der soziale Mietwohnungsbau muß der Schwerpunkt der Förderung in den vor uns liegenden Jahren sein. Wie bei der Modernisierung stoßen wir aber auch hier an die finanziellen Grenzen.
Auch hier gilt, daß wir überproportionale und ungerechtfertigte Vorteile beim Neubau in Frage stellen müssen, um mit diesem Geld um so wirkungsvoller den wirklich Bedürftigen helfen zu können. Mitnehmereffekte in der indirekten Förderung müssen problematisiert werden. Wir wollen eine sozial gezielte Förderung. Das heißt auch, Subventionen für Mieter und Subventionen für Eigentümer eigengenutzter Wohnungen müssen beschnitten werden, wenn deren Einkommen nachträglich die Grenzen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz erheblich überschreiten. Dazu gehört, daß die Einkommensgrenzen von Zeit zu Zeit angehoben werden. Dazu gehört also, was wir im Wohnungsbauänderungsgesetz durchgesetzt haben. Dazu gehört nicht, diese Mieter und Eigentümer als „Fehlbeleger" zu disqualifizieren, so mit dem Unterton: Das sind welche, die sich da zu Unrecht eingeschmuggelt haben. Diese Menschen sind alle völlig korrekt, mit Wohnberechtigung, in diese Wohnungen hineingekommen. Wir haben überhaupt keinen Grund, sie sozusagen moralisch zu disqualifizieren. Unsere Sache ist es, dafür zu sorgen, daß diejenigen, die es nicht mehr brauchen, in Zukunft auch keine Subvention von Staats wegen mehr bekommen. Daran werden wir gehen; das werden wir erledigen.
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Wir werden uns auch nicht mit dem Argument Bürokratismus abwimmeln lassen.
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Es ist möglich, von Zeit zu Zeit Wohnberechtigungen zu überprüfen und Konsequenzen zu ziehen. Die Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen - für bestimmte Jahrgänge - tun das ja auch schon. Und nachdem hier eben so groß gesprochen worden ist, darf ich einmal fragen: Was ist denn mit dem Lande Bayern? Was ist denn mit dem Lande Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein? Wenn Sie wollen, machen Sie es doch so wie die Kollegen in Bremen und teilweise in Nordrhein-Westfalen, dann löst sich dieses Problem.
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Man braucht die Initiative des Bundes dazu gar nicht. Nur, wenn die Länder das nicht machen, werden wir dieses Thema von uns aus aufgreifen.
Das Horten von Boden, das Spekulieren mit Bauland, das Profitieren an leistungslosen BodenwertMüntefering
steigerungen werden wir bekämpfen. Frühere Anläufe sind steckengeblieben, aber das Problem ist nicht kleiner geworden. Die Zeit der Bodenspekulation kommt mit der Wohnungsknappheit verstärkt wieder.
Wir gehen nicht mit einem fix und fertigen Konzept heran, sondern sind offen für Diskussionen und gute Argumente. Und wir wissen auch, daß sich der Appel gegen das Horten von Boden manchmal auch an die öffentliche Hand richten muß.
Um da ganz korrekt zu bleiben und die Übertreibungen von Herrn Dr. Jahn auf das richtige Maß zurückzubringen, lese ich Ihnen vor, was der Essener Parteitag der SPD vor einer guten Woche dazu beschlossen hat:
Die Kommunen sollten durch vermehrte, bedarfsorientierte Bereitstellung von Bauland entsprechend den Zielen der Stadtentwicklung /Regionalplanung preisdämpfend wirken.
Dagegen kann man doch wohl nichts sagen.
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- Da steht nichts anderes drin; dies ist das, was sich auch im Wahlprogramm der SPD wiederfindet.
Wir sind dafür, mit Bauland sparsam umzugehen, aber wir sind dagegen, daß durch Bodensuperpreise die Mieten untragbar und der Eigenheimbau unmöglich und sinnvolle Stadtentwicklung torpediert wird. Wir sind es auch unseren Städten und Gemeinden schuldig, ihnen die Instrumente zu schärfen oder neue zu schaffen, die sie dafür brauchen.
Die Wohnungs- und Städtebaupolitik der 80er Jahre braucht ein intensives und gutes Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden. Und vielleicht ist es bei Ihnen nach dem 5. Oktober auch wieder ein bißchen mehr möglich, hier auf Kooperation zu setzen und nicht Länder gegen den Bund zu stellen.
Die gemeindliche Selbstverwaltung hat dabei eine wichtige Funktion. Vor Ort, in den Städten und Gemeinden, liegt der Schlüssel zum Erfolg, z. B. wenn es um die oben beschriebene einfache Stadterneuerung geht. Deshalb werden wir mit gesetzlichen Regelungen sehr zurückhaltend sein und, wenn überhaupt, nur nach intensiver Beratung mit den Kommunen neue Gesetze für den Städtebau und die einfache Stadterneuerung in Angriff nehmen. Die wesentliche Entscheidung muß da bei den Städten und Gemeinden liegen.
Die Probleme des Wohnungsbaus sind kein Knoten, den man mit dem Dritten Wohnungsbaugesetz der CDU/CSU oder mit dem Schlagwort „Privatisierung" durchschlagen kann. Wenn das ein Knoten ist, so muß er sehr sorgfältig aufgedröselt und an verschiedenen Stellen neu geknüpft werden.
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Das wollen wir gern tun. Das muß aber Schritt für
Schritt gehen. Ein großes neues Gesetz ist keine Garantie dafür, daß die Entwicklung in die richtige Richtung geht.
Das wird eine große Aufgabe für die nächste Legislaturperiode sein. Es erfordert intensives Nachdenken, es erfordert eine gute, eine tiefgreifende Analyse, die wir von der Bundesregierung für 1981 erwarten,
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und erfordert dann gründliche Diskussionen. Wir Sozialdemokraten stehen dazu bereit, denn unser Ziel ist es, in den 80er Jahren die Wohnwelt menschlicher zu machen.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Haack.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlaß der heutigen wohnungspolitischen Debatte ist der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den Bund aufzufordern, das zersplitterte Recht im Wohnungs- und Städtebau in einem Dritten Wohnungsbaugesetz zusammenzufassen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten hier keine großen Erwartungen erwekken. Wir haben z. B. gerade eine Novelle zum Wohnungsbaugesetz und zum Wohnungsbindungsgesetz einvernehmlich verabschiedet, die das System noch komplizierter gemacht hat. Der Grund liegt aber eben auch darin, daß wir komplizierte Sachverhalte regeln müssen. Die Zusammenfassung von Vorschriften in einem Gesetz - in diesem Fall in einem Dritten Wohnungsbaugesetz - bringt noch keine Verbesserungen. Sie müssen schon deutlich machen - das ist mir in dieser Debatte nicht ganz klar geworden -, auf welche materiellen Regelungen Sie in Zukunft verzichten wollen. Am Anfang der von mir durchaus akzeptierten Vereinfachungsdiskussion müssen inhaltliche Aussagen stehen, Eine bloße Neukodifizierung bringt in der Substanz kaum etwas.
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Wenn Sie meine Damen und Herren von der Opposition, in diesem Antrag den Bund auffordern, öffentliche Hilfen gezielter und treffsicherer einzusetzen - so steht es ja im Antrag -, so ist dies zunächst nichts mehr als eine Wiederholung unserer Absicht, nach diesen Kriterien die Wohnungspolitik des Bundes fortzuentwickeln.
Ich glaube, Sie vergessen bei dieser Aufforderung eines: Sie haben in der Vergangenheit, auch in den letzten Jahren und in dieser Legislaturperiode, gerade mit Unterstützung des Bundesrats gegen ein solches gezieltes Instrumentarium Stellung genommen. Ich, darf Sie erinnern an die Diskussion um die Modernisierungsförderung und an die Diskussion über die Energieeinsparung. Wir wollten beispielsweise bei der Modernisierung die öffentlichen Mittel gezielter einsetzen. Es gab damals die Diskussion über die Modernisierungszonen. Wir wollten
beim Energieeinsparungsprogramm ein reines Förderungsprogramm und kein Streuerprogramm machen, um die Möglichkeit zu haben, öffentliche Mittel gezielt einzusetzen und sie Personengruppen zu geben, die auf öffentliche Hilfe besonders angewiesen sind.
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Insofern steht Ihr Antrag im Widerspruch zu Ihrem bisherigen Verhalten.
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Ich muß Ihnen hier offen sagen, daß das nicht der einzige Widerspruch ist. Es ist an das Problem des Wohngelds erinnert worden. Ich erinnere mich an die Diskussion, die wir vor einigen Wochen geführt haben. Ich habe, meine Damen und Herren von der Opposition, aus der heutigen Diskussion den Eindruck, daß Sie die Entscheidung des Bundesrats vom letzten Freitag noch verteidigen. Niemand von Ihnen ist aufgestanden und hat sich kritisch zu dieser Entscheidung des Bundesrats geäußert.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kolb?
Bitte schön.
Herr Minister, können Sie mir sagen, ob die auf Grund der steuerlichen Regelungen des Energieeinsparungsgesetzes durchgeführten Maßnahmen zu keiner Energieeinsparung geführt haben?
Das wollte ich damit nicht zum Ausdruck bringen. Selbstverständlich haben die Maßnahmen, die mit steuerlichen Vergünstigungen durchgeführt wurden, zur Energieeinsparung beigetragen. Aber das ist gar nicht das Problem, wenn es hier um Treffsicherheit und um Konzentration öffentlicher Mittel geht. Wir hätten in den Bereichen, wo jetzt nichts geschieht, mit unserem Zuschußprogramm mehr erreichen können, und in den anderen Bereichen wäre sowieso etwas getan worden. Das ist das altbekannte Problem des Mitnehmereffekts.
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Lassen Sie mich noch auf einige weitere Widersprüche verweisen. Ich sprach eben vom Wohngeld. Ich habe trotz der heutigen Einlassungen noch die Hoffnung, daß Sie auf die Bundesratsvertreter der CDU/CSU-Länder einwirken werden, daß wenigstens am Freitag nächster Woche diese Wohngeldnovelle im Interesse der Sache verabschiedet werden kann.
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Ich möchte ganz kurz einige weitere Widersprüche nennen. Kollege Jahn und auch auch Kollege Schneider, Sie haben mehrmals von der Eigentumsbildung gesprochen. Im Grundsatz gibt es hier wohl auch keine Gegensätze. Ich bin nur der Auffassung, daß Sie wesentliche Bereiche des Städtebaus, des Wohnungsbaus und vor allem der Bodenpolitik, die elementar mit der Eigentumspolitik zu tun haben, immer wieder an den Rand rücken. Sie waren es doch, die sich in der Vergangenheit - ich erinnere an die Novelle zum Bundesbaugesetz - gegen den Planungswertausgleich ausgesprochen haben. Sie waren es, die über den Bundesrat erreicht haben, daß die Baugebote, die auch ganz wichtig sind, in der endgültigen Kompromißfassung eingeschränkt worden. sind. Das geht weiter beim preislimitierten Vorkaufsrecht. Wenn Sie vorhin einen Artikel der „Zeit" kritisch zitiert haben - weil die Anlage einer solchen Rede selbstverständlich so sein muß -, kann ich nur feststellen, daß Sie den anderen Teil dieses „Zeit"-Artikels weggelassen haben, in dem positiv zu Überlegungen Stellung genommen wird, im Bodenrecht und in der Bodenpolitik etwas zu tun.
Ich vermisse Vorstellungen der CDU/CSU zur Bodenpolitik. Deshalb ist Ihre Äußerung zur Eigentumspolitik nicht ganz konsequent. Wenn wir mehr tun wollen für die Schaffung von Eigentum, dann denken wir doch an die Eigentumsbildung für breite Schichten der Bevölkerung. Hier sehen wir, daß bestimmte Gruppen unserer Bevölkerung an die Grenze gestoßen sind. Es muß versucht werden, diese Situation auch mit bodenpolitischen Instrumentarien zu verbessern.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider?
Bitte.
Herr Bundesminister Haack, sind Sie bereit zuzugeben, daß der Planungswertausgleich im 7. Deutschen Bundestag daran scheiterte, daß die Regierungsvorlage rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht
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- nach der Auffassung des Bundesrates - gerecht geworden ist, und sind Sie bereit zuzugeben,
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daß der Bundesminister der Finanzen bis zu dieser Stunde nicht imstande ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Fortschreibung der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1984 rechtstechnisch möglich wird?
Herr Kollege Schneider, wenn Sie fragen, ob ich zugestehe, daß der Planungswertausgleich an rechtlichen Überlegungen des Bundesrates gescheitert ist, verstehe ich diese Frage überhaupt nicht. Ist denn der Bundesrat eine Gerichtsinstanz, die endgültig entscheiden kann, was Recht ist und Unrecht?
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So weit sind wir ja zum Glück noch nicht. Das
könnte höchstens das Bundesverfassungsgericht
entscheiden. Vielmehr wurden hier rechtliche Argumente vorgeschoben - wie wir das sehr oft erleben -, um sachliche Lösungsvorschläge, die wir in dieser Novelle gemacht haben, zu verhindern. So sieht die Wirklichkeit aus.
({1})
Herr Kollege Jahn, Sie haben mehrmals von der Marktwirtschaft gesprochen. Wir sollten auch in diesem Bereich alles wieder dem Gesetz der Marktwirtschaft überlassen. Auch hier sehe ich gewaltige Widersprüche zwischen Ihren Ansätzen - in Ihrer Rede heute zum Ausdruck gebracht - und dem, was Herr Schneider heute - und auch schon früher mehrmals - gesagt hat, vor allem aber dem, was die Bayerische Staatsregierung in dieser Sache geäußert hat. Sie befinden sich, auch was Ihre heutigen Ausführungen angeht, fast auf Biedenkopf-Linie: alles den Gesetzen der Marktwirtschaft überlassen.
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- Doch. Sie haben gesagt, man solle sich möglichst auf die Subjektförderung beschränken und dort die öffentlichen Mittel einsetzen.
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- Gut, Sie nennen es etwas abgeschwächt Schwerpunktverlagerung. Aber Sie müssen eines sehen, und da kann es keinen Streit geben: Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung; denn wenn Sie die Mittel, wenn auch nur schwerpunktmäßig, auf die Subjektförderung konzentrieren, wenn sich, wie Sie fordern, die öffentliche Hand, der Staat aus der Objektförderung zurückziehen soll, werden Sie den Wohnraum, den wir gerade auch für bestimmte Gruppen unserer Bevölkerung schaffen müssen, gar nicht haben, weil auf einem freien Markt keine Wohnungen für Behinderte gebaut werden.
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Es werden auch keine Wohnungen für Kinderreiche gebaut; denn schon heute ist es so: Wenn eine Wohnung, die keiner Bindung unterliegt, von einer kinderreichen Familie frei gemacht wird, hat der Hauseigentümer ein Interesse daran, diese Wohnung nicht mehr an eine kinderreiche Familie zu vermieten, sondern nach Möglichkeit an einen Alleinstehenden oder ein kinderloses Ehepaar. Insofern könnten Sie die Probleme wichtiger Bevölkerungsgruppen überhaupt nicht lösen.
Die Verlagerung auf die Subjektförderung ist im übrigen finanziell gar nicht darstellbar, weil ein solches System für den Staat viel zu teuer würde. Deshalb müssen wir auch in Zukunft - selbstverständlich mit gewissen Modifikationen - bei dem bisherigen Doppelsystem bleiben.
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Herr Schneider weiß, daß das in einer ausführlichen Antwort des Herrn Tandler an Herrn Biedenkopf - nach dessen damaliger Studie - festgehalten worden ist. Daß Sie, Herr Schneider, im übrigen mit Herrn Tandler übereinstimmen, ist wohl keine Besonderheit. Das würde ich aber lieber von Herrn Jahn hören.
Zu einem weiteren Widerspruch, Herr Jahn, und zwar im Hinblick auf Ihre marktwirtschaftlichen Auslassungen. Ich stelle fest, daß verschiedene Oberbürgermeister, die der CDU bzw. CSU angehören - ob das nun in Stuttgart oder in München ist -, in dem Bereich Wohnungsbau oder Städtebau gar nicht mehr von der Marktwirtschaft reden, sondern vielmehr sogar noch eine Verschärfung gesetzlicher Instrumentarien -- teilweise auch zu Recht - verlangen.
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Denken Sie etwa an die Problematik bzw. an die Gefahr einer ,,Hinaus"-Modernisierung von Mietern, die dann droht, wenn die Wohnungen durch eine Luxusmodernisierung sehr teuer geworden sind. Der Münchner Oberbürgermeister hat in diesem Zusammenhang gefordert, wir sollten die Möglichkeiten, die die Mieter haben, um einer Modernisierung zu widersprechen, im Sinne einer Verschärfung verbessern. Das bedeutet also, auf Grund des in Großstädten herrschenden Drucks im Bereich des Wohnungsmarktes ist die Sicht eine ganz andere als diejenige, die hier in allgemeinen Reden zum Ausdruck kommt, die aber nicht an den wirklichen Problemen orientiert ist, die wir in diesem Bereich haben.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sowohl der Oberbürgermeister von München, Herr Kiesl, als auch der Oberbürgermeister von Stuttgart, Herr Rommel, in kürzlichen Äußerungen zur Wohnungsbaupolitik eindeutig erklärt haben: So viel Marktwirtschaft wie möglich und so viel Staat wie nötig?
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Das mag durchaus sein, aber dann muß ich an Sie die Frage stellen, Herr Jahn, ob einer Familie, die eine Wohnung sucht, mit einer solchen allgemeinen Formulierung geholfen ist.
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Dieser Familie ist doch nur geholfen, wenn ihr wirklich eine Wohnung angeboten wird. Ich meine, die Zeit allgemeiner Formulierungen sollte wohl vorbei sein.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jahn?
Eine letzte Frage, Herr Minister: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sowohl der Kollege Schneider als auch ich heute morgen gesagt haben, daß all diejenigen, die auf dem Markt keine Wohnung finden können, insbesondere die kinderreichen Familien, die älteren
Dr. Jahn ({0})
Menschen und die Schwerbehinderten, eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau haben müssen?
Ja gut, dann bin ich ja froh, wenn wir uns in dieser Frage wieder einig sind. Jedenfalls sollten diese allgemeinen Formulierungen, die unterschwellig sagen: unser System versagt deshalb, weil die Marktwirtschaft in ihm nicht genügend berücksichtigt ist, dann nicht mehr verwendet werden, wenn Sie gleichzeitig sagen: nur durch staatliches Engagement sind Wohnungen für diese Personengruppen zu schaffen. Das ist ein weiterer Widerspruch.
({0})
Herr Bundesminister, verzeihen Sie, daß ich Ihren Gedankengang unterbreche.
Für kurze Zeit hat der Präsident des philippinischen Parlaments auf der Diplomatentribüne Platz genommen. Ich möchte ihn im Namen des Deutschen Bundestages herzlich begrüßen und ihm einen angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wünschen.
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Ich möchte noch auf einen Widerspruch hinweisen, der besonders Sie, Herr Kollege Schneider, betrifft. Mehrmals wurde von Ihnen - durchaus nicht zu Unrecht - in der Vergangenheit kritisiert, daß uns nicht in allen Bereichen die notwendigen Daten zur Verfügung stehen, auch für gewisse Modifikationen in der bisherigen Politik. Der Widerspruch besteht darin, daß z. B. das Land Bayern ein Gesetz, das verabschiedet worden ist und das wichtige Datenerhebungen für unseren Fachbereich ermöglichen soll, das BaustatistikGesetz, nach wie vor sabotiert und nicht bereit ist, die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen, wie es die anderen Bundesländer machen, mit der Konsequenz, daß uns hier eine genügende Datenbasis fehlt.
({0})
- Auf meinem Zettel stehen noch einige andere Widersprüche. Ich will sie zunächst einmal hier nicht aufführen.
Auf das Problem Biedenkopf ist hingewiesen worden. Herr Strauß ist hier in dem Zusammenhang genannt worden, daß er sich öffentlich dahin gehend geäußert hat, daß nach seiner Meinung ein Bundesministerium, das die Fachbereiche Städtebau und Wohnungsbau beinhaltet, nicht mehr notwendig sei. So ist es wohl zu erklären - was ich persönlich sehr bedaure -, daß Sie, Herr Kollege Schneider, unter den vielen Namen aus dem ersten, zweiten oder dritten Glied, die in den letzten Wochen veröffentlicht worden sind, nicht zu finden waren.
({1})
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt auf einen Problembereich, der auch in die Diskussion eingeführt worden ist; er ist aktuell geworden durch einen Beschluß der Länderbauminister in der vergangenen Woche. Es geht hier um die Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern; es geht etwa um die Frage: Sollen nicht auch Zuständigkeiten auf die Länder verlagert werden? In dieser Konferenz am Freitag in Hildesheim, an der ich auch teilgenommen habe, hat der bayerische Innenminister Tandler, ohne jede Absprache etwa mit CDU-Ministern und ohne daß es auf der Tagesordnung gestanden hätte - aber das sind für Bayern nicht unbekannte Methoden -, den Antrag gestellt, daß sich die Länder gegen die Mischfinanzierung im Wohnungsbau stellen sollen. Dieser Antrag wurde natürlich dann mit der CDU-Mehrheit auch verabschiedet.
Ich möchte zu diesen Fragen, die auch von Herrn Gattermann erwähnt worden sind, folgendes grundsätzlich sagen: Wenn wir - das ist ja wohl bei allen Differenzen der Fall - der Meinung sind, daß das Gut Wohnen im Interesse unserer Bürger ein Grundrecht ist, auf dessen Verwirklichung jeder einen Anspruch hat, dann kann es nicht bestritten werden, daß der Bund auch eine gesamtstaatliche Aufgabe und eine gesamtstaatliche Verpflichtung hat. Die Organisation der Aufgabenerledigung zwischen Bund und Ländern soll natürlich kein Dogma sein, sondern es ist hier jeweils zu prüfen, was am zweckmäßigsten ist, um das Ziel zu erreichen, jedem Bürger dieses Staates eine angemessene Wohnung zu geben.
In diesem Zusammenhang spielen natürlich auch die Rahmenbedingungen der Finanzverfassung eine entscheidende Rolle. Dies ist - wohl der Grund, warum im gegenwärtigen Zeitpunkt auch Wohnungsbau und Städtebau in die Gesamtproblematik „Mischfinanzierung" eingeschlossen worden sind. Es darf - das ist meine Auffassung - nicht so kommen, daß durch den Streit über Finanzverteilung und über Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern im Endergebnis der Wohnungsbau und auch der soziale Wohnungsbau zu kurz kommen und dann gegen elementare Interessen unserer Bürger verstoßen wird - gerade in diesen Jahren, wo wir eine zusätzliche Nachfrage nach Wohnungen haben. Das scheint mir das eigentliche Ziel zu sein, um das es geht: mit dazu beizutragen, daß wir unsere Wohnungsversorgungsprobleme lösen.
Da aber von einigen von der CDU/CSU regierten Ländern als Grund für die Notwendigkeit einer Änderung angeführt worden ist, daß der Bund dort, wo er Mittel gibt, wo er sich beteiligt, zu bürokratisch ist, den Ländern zu große Vorschriften macht, muß ich ganz kurz auf diese Argumente eingehen, weil sie nicht stichhaltig sind. Zunächst muß festgestellt werden, daß von Anfang an, solange wir eine Wohnungsbauförderung in der Bundesrepublik haben, die Länder allein über die Mietobergrenzen zu beBundesminister Dr. Haack
stimmen haben, über die Degressionsstufen der Förderung - ein wichtiges Problem im Zusammenhang mit steigenden Mieten -, über die räumliche Mittelverteilung; auch das ist wichtig, wenn jetzt über spezielle Großstadtprobleme gesprochen wird. Ferner erwähne ich die Subventionsformen und die bauliche Gestaltung der Wohnungen. Der Bund hatte noch nie einen Einfluß auf solche Details der Förderungssystematik und der Finanzierung des Wohnungsbaues im einzelnen.
Ich gebe durchaus zu, daß noch bis Mitte der 70er Jahre der Bund bei der Verteilung seiner Wohnungsbaumittel bestimmte Auflagen gemacht hat, die nicht unbedingt notwendig gewesen wären. Aber auch diese Zeit ist vorbei. Es ging jetzt auch bei dem Streit um die Mittel für das Jahr 1980 nur noch um zwei Probleme, die aber nach meiner Einschätzung keine Probleme sind. In der Verwaltungsvereinfachung haben wir von seiten des Bundes vorgesehen, daß unsere Bundesmittel - und diese Bundesmittel sind ja nur ein Teil der gesamten staatlichen Mittel, die für den Wohnungsbau eingesetzt werden - verwendet werden für den Wohnungsbau für kinderreiche Familien, für alleinstehende Elternteile mit Kindern, für Schwerbehinderte, für ältere Menschen, auch für den Erwerb vorhandenen familiengerechten Wohnraums zur Eigennutzung durch kinderreiche Familien und Schwerbeschädigte, wenn dadurch einem Wohnungsnotstand abgeholfen wird. Im übrigen können diese Mittel zur Beseitigung anderer Wohnungsnotstände eingesetzt werden. Ich vermag darin keinerlei bürokratische Gängelung zu sehen, sondern nur eine Zielrichtung, bei der der Bund sagt: für diese Bereiche sollen die Mittel eingesetzt werden. Da die Länder sich sowieso um diese Zielgruppen kümmern müssen und da sie eigene Mittel aufwenden, geben sie für diese Zielgruppen automatisch mindestens so viel Geld aus, als sie vom Bund über die Bundesfinanzhilfe bekommen. Insofern ist es ein Streit um Worte.
Der zweite Punkt war der Streit um Beteiligungsquoten. Wir haben den Ländern gesagt - und ich halte das von der Aufgabe der Wohnungspolitik her für sachlich geboten -: Wenn wir uns als Bund schon beteiligen, dann wollen wir, daß die Länder, die Bundesmittel bekommen, auch aus eigener Kraft Mittel für den Wohnungsbau mindestens in einer Größenordnung von 50 : 50 aufwenden und daß dort, wo wir vom Bund Mittel für die Eigentumsbildung geben, sich die Länder auch beteiligen. Dort ging es nicht um den Schlüssel 50 : 50, sondern nur um eine Länderquote von 15 %. Auch das halte ich für eine Selbstverständlichkeit.
Das waren die beiden letzten Punkte, um die jetzt sechs Monate gestritten werden mußte, bis endlich im Mai dieses Jahres die Wohnungsbaumittel verteilt werden konnten. Das Land Bayern war noch nicht einmal bereit, die Verwaltungsvereinbarung zu unterschreiben. Es hat nur erklärt, die Verwaltungsvereinbarung gegen sich gelten zu lassen. Das muß bei der gegenwärtigen Diskussion gesagt werden, damit nicht falsch diskutiert wird. Der Bund macht keinerlei Auflagen mehr, sondern der Bund setzt nur diese zwei Bedingungen, die selbstverständlich sind. Wenn es aus anderen Gründen zu einer Aufgabenverteilung kommen soll, dann muß das offen gesagt werden. Es kann aber nicht auf angeblich unzumutbare Auflagen des Bundes hingewiesen werden.
Eine kurze Bemerkung noch über das, wovor wir in den 80er Jahren stehen. Es kann wohl keinen Zweifel daran geben, daß wir uns in den 80er Jahren an den neuen Fragestellungen orientieren müssen, die es im Wohnungsbau und im Städtebau gibt und die nicht mit der Entwicklung der 50er und der 60er Jahre ganz vergleichbar sind. Das ist auch die große Schwierigkeit bei einer Modifizierung des bisherigen Förderungsinstrumentariums, das auf ganz andere Anforderungen, nämlich auf diejenigen der Nachkriegszeit und der Aufbauzeit, abgestellt war, und eine solche Änderung erfordert auch eine gewisse Zeit. Insofern begrüße ich den Beschluß des Ausschusses, der auf eine Initiative der Koalitionsfraktionen zurückgeht, die Aufforderung an die Bundesregierung, die wohnungspolitische Konzeption entsprechend vorangegangener Prüfergebnisse fortzuentwickeln. Wir werden dies tun. Ich meine, daß wir uns in den 80er Jahren, die vor uns liegen, an den neuen Rahmenbedingungen orientieren müssen.
Ich möchte einige davon nennen. Die Zusatznachfrage nach Wohnraum, d. h. auch die Nachfrage nach qualitativ verbessertem Wohnraum, wird steigen. Es geht nicht nur um die Wohnungsversorgung für sich genommen, sondern es geht um die qualitative Verbesserung der Wohnungsversorgung. Die schon heute zu beobachtenden regionalen Versorgungsunterschiede, die wir haben - das sind die Probleme der Ballungsgebiete und der Großstädte -, werden sich voraussichtlich noch vergrößern. In Verdichtungsräumen besteht eine Tendenz zu Unterinvestitonen an Wohnungen, in ländlichen Gebieten ist die Situation günstiger.
Zu den Rahmenbedingungen wird auch gehören, daß der Wunsch nach Wohnungseigentum weiter hoch sein wird. Allerdings kommen - das ist auch schon die Entwicklung in diesem Jahre 1980 - durch steigende Bau-, Grundstücks- und Finanzierungskosten viele Bürger an die Schwelle der Möglichkeiten, Wohneigentum zu erwerben. Ich glaube, daß die Modernisierungsinvestitionen weiterhin auf hohem Niveau verlaufen werden. Es gibt aber auch im Zusammenhang mit der Modernisierung Tendenzen zur Verknappung von preiswertem Wohnraum, weil im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen auch aus zwei kleineren Wohnungen eine größere gemacht wird. Das heißt, wir können unsere Wohnungsversorgungsprobleme, so wichtig die Modernisierung auch ist, nicht ausschließlich über die Modernisierung lösen, sondern nach wie vor wird der Neubau einen wichtigen Stellenwert in der Wohnungspolitik haben müssen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb?
Bitte schön.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das, was Sie gerade angesprochen haben, eine der wesentlichsten Aufgaben der internationalen Bauausstellung in Berlin sein wird? Das führt dazu, daß nach der gesamten Investition fast keine neue Wohnung geschaffen worden ist, sondern aus kleinen größere Wohnungen gemacht worden sind. Ist Ihnen das bekannt?
Das ist kein Widerspruch zu dem, was ich allgemein gesagt habe, daß nämlich allgemein die Wohnungsversorgungsprobleme in der Bundesrepublik nicht ausschließlich durch Modernisierung gelöst werden können,
({0})
sondern daß wir nach wie vor zwei Beine der staatlichen Wohnungspolitik brauchen, sowohl die Modernisierung als auch die Neubauinvestition.
Herr Kollege Polkehn und Herr Gattermann haben bereits auf Erfolge der Wohnungspolitik der letzten zehn Jahre hingewiesen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie in diesen zehn Jahren regiert hätten, was völlig unvorstellbar ist,
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so würden Sie in einer solchen Debatte nur über die Leistungen und Erfolge sprechen, wenn Sie auch nur die Hälfte von den Leistungen erbracht hätten, die wir erbracht haben.
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Da wir aber bekanntlich bescheidenere Leute sind und nur über die Dinge reden, die noch nicht gelöst sind, ist es natürlich unser Pech, daß die Leistungen immer wieder etwas zu kurz kommen.
Nachdem hier so eine Totalkritik von den Sprechern der Opposition entwickelt worden ist, darf vielleicht ganz bescheiden darauf hingewiesen werden, daß von 1970 bis 1978 1,4 Millionen Wohnungen im sozialen Wohnungsbau gefördert worden sind. Ich muß hier sogar noch die CDU-regierten Länder mit verteidigen, weil sie vorhin bei Ihrer Negativbilanz mit attackiert worden sind.
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- Ja, Herr Schneider, das kennen wir vor allem aus der bayerischen Situation. Wenn etwas gut läuft, dann sind es jeweils die CDU/CSU-regierten Länder, und wenn es schlecht läuft, dann ist es die Schuld der Bundesregierung.
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Das machen wir Ihnen in Zukunft nicht mehr so einfach.
Insgesamt wurden von 1970 bis 1978 mehr als 4,6 Millionen Wohnungen fertiggestellt, d. h., für nahezu jeden vierten Haushalt ist neuer Wohnraum geschaffen worden. Von 1971 bis 1979 - ich will nur über diesen Zeitraum sprechen - wurden 3,5 Milliarden DM an Bausparprämien gezahlt. Die Bausparförderung ist ganz wichtig. Herr Gattermann hat darauf hingewiesen, und es kann auch keinen Zweifel daran geben, daß man sich zur Bausparförderung bekennt, wenn Eigentumsbildung ernst genommen wird. In diesem Zeitraum wurden allein für Bausparprämien mehr als 21 Milliarden DM aufgewendet. Tiber Wohngeld haben wir vorhin schon in anderem Zusammenhang diskutiert. Das Wohngeld wird weiterhin eine wichtige Bedeutung haben.
Ich glaube, daß sich diese Erfolgsbilanz sehen lassen kann und daß wir uns, wie ich vorhin schon gesagt habe, nach der kommenden Wahl den Anforderungen der 80er Jahre einmal im Bereich der Bodenpolitik und zum anderen selbstverständlich hinsichtlich der Fortentwicklung unserer städtebau-
und wohnungspolitischen Instrumentarien stellen müssen.
Dabei muß klar sein, daß bei aller Bedeutung der Eigentumsbildung der Mietwohnungsbau in Ballungsgebieten im Blick auf die Nachfrage in den kommenden Jahren unerläßlich ist.
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Wir brauchen auch einen Bestand an Mietsozialwohnungen. Auch dieses Problem haben Sie damals, als es um die vielen Fälle der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen gegangen ist, nicht richtig erkannt. Sie haben damals - auch in dem Antrag, den Sie, Herr Kollege Jahn, vorhin erwähnt haben, der abgelehnt worden ist - die These vertreten, daß es bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen keinerlei Beschränkungen geben soll.
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Das ist eben nicht richtig, sondern hier muß im Einzelfall geprüft werden, um welchen Umwandlungsfall es sich handelt. Soll ein bisheriger Mieter, wenn er das freiwillig möchte, Eigentümer werden, oder sollen Wohnungen aus spekulativen Gründen umgewandelt und ganz anderen zugeführt werden?
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Hier haben wir die entsprechenden gesetzlichen Schranken eingebaut.
Eine Bemerkung zur Fehlsubventionierung, die von Ihnen angesprochen worden ist: Bei manchen Rednern, die über Fehlsubventionierung sprechen, habe ich doch das Gefühl, daß es ihnen weniger darum geht, unbestreitbare Fälle sozialer Ungerechtigkeit zu verhindern, als darum, an Hand des Problems der Fehlbelegung darzustellen, daß der öffentlich geförderte Wohnungsbau von der Konzeption her falsch ist und in den freien Markt überführt werden muß. Einer solchen Darstellung kann ich mich selbstverständlich nicht anschließen. Ich bestreite allerdings nicht, daß wir nach wie vor gravierende
Fälle von Fehlbelegung als Konsequenz der Förderungssystematik der letzten Jahrzehnte haben.
Es ist bereits mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Länder schon immer in der Lage waren, solche Fehlbelegungsprobleme für zukünftige Fälle auszuschließen. Ich bin aber bereit, erneut eine Arbeitsgruppe einzusetzen, erneut zu prüfen,
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ob wir doch ein möglichst unbürokratisches System auch noch für die zurückliegenden Fälle von Fehlbelegung finden können. Bei der vorhin schon erwähnten Ministerkonferenz am vergangenen Freitag haben wir darüber Einverständnis erzielt. Wir werden im nächsten Monat an die Arbeit gehen und werden sehen, ob die Experten bis Ende des Jahres eine vernünftige und praktikable Lösung vorschlagen können. Die müßte dann intensiv politisch diskutiert werden und in die Gesetzgebung mit eingehen.
Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung im Blick auf das, was Sie, Herr Schneider und auch Herr Jahn, zur „Negativbilanz" gesagt haben: Ich glaube, daß hier - wie auch in anderen Sachbereichen der Politik - unqualifizierte Angriffe bei unseren Bürgern nicht verfangen werden. Ich bin im übrigen der Überzeugung, daß wir uns nach dem 5. Oktober hier wieder in größerer Ruhe zusammensetzen können, um sachgerecht an die Lösung der Probleme heranzugehen - selbstverständlich in derselben Rollenverteilung wie in den letzten Jahren.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, zuerst über die unter Punkt 3 der Tagesordnung aufgeführte Drucksache 8/3942 zum Dritten Wohnungsbaugesetz. Es liegen zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt unter Ziffer 1, den Antrag der Abgeordneten Dr. Schneider, Dr. Jahn ({0}), Niegel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2902 abzulehnen. Wer dieser Empfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt unter Ziffer 2 auf Drucksache 8/3942 ferner die Annahme einer Entschließung. Wer diesem Vorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die unter Punkt 4 der Tagesordnung aufgeführte Vorlage auf Drucksache 8/3954 zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 1980. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3954, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des
Haushaltsgesetzes 1980, hier: Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Drucksache 8/3487 - abzulehnen. Wer dieser Empfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit mit Mehrheit angenommen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß interfraktionell vereinbart worden ist, unmittelbar nach dem Tagesordnungspunkt 6 den Tagesordnungspunkt 31 aufzurufen und zu behandeln. Ich bitte, die Redner entsprechend zu verständigen.
Jetzt rufe ich Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Wisniewski, Pfeifer, Rühe, Dr. Stavenhagen, Frau Benedix-Engler, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Voigt ({1}), Berger ({2}), Frau Dr. Wilms und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes ({3})
- Drucksache 8/4134 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß O 96 GO
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Wisniewski, Pfeifer, Rühe, Dr. Stavenhagen, Frau Benedix-Engler, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Voigt ({4}), Berger ({5}), Frau Dr. Wilms und der Fraktion der CDU/ CSU
Änderung der Graduiertenförderungsverordnung
- Drucksache 8/4135 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Im Ältestenrat ist verbundene Debatte vereinbart worden.
Wird zur Begründung vor Eröffnung der Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wisniewski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion bringt hiermit den Entwurf eines Gesetzes über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein. Der Untertitel ist: Stipendien für Promotion und weiteres Studium. Sie bringt ferner einen Antrag betreffend Änderung der Graduiertenförderungsverordnung ein. Der Gesetzentwurf steht in der Nachfolge des Gesetzes über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses von 1971, seiner Ande18010
rungsgesetze von 1975 und 1977 sowie seiner Neufassung von 1976.
Der Gegenstand des Gesetzentwurfes und des Antrages ist die erste Phase der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, also die Phase zwischen dem ersten möglichen Studienabschluß und der Promotion, die häufig von einem weiterführenden Studium begleitet ist. Kern des eingebrachten Gesetzentwurfes ist die Abkehr von einer verfehlten Struktur der Förderung durch ein voll zurückzuzahlendes Darlehen. Statt dessen wird wieder die Förderung durch ein echtes Stipendium vorgesehen, so wie das Gesetz zu Anfang gestaltet war. Wichtig ist ferner, daß dieses Stipendium durch Zuschläge erhöht werden kann. Darin liegt ein neuer Akzent. Das Ziel der Gesetzesinitiative ist die Beendigung eines unerträglichen Zustandes zu Ende des Jahres 1981, nämlich des alarmierenden Rückgangs der Zahl derer, die sich den Mühen einer Doktorarbeit unterziehen.
Lassen Sie mich zuvor ganz kurz auf die Bedeutung dieses Gesetzentwurfes für unsere Gesellschaft eingehen. Über eines müssen wir uns klar sein: Die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses, also junger Wissenschaftler, dient nicht allein dem Wohl dieses kleinen Personenkreises. Sie dient auch nicht allein den Hochschulen unseres Landes und eben deren Nachwuchs, der für die verschiedenen Positionen gebraucht wird. Wir müssen uns vielmehr darüber klar sein, daß Wissenschaftsförderung eine Investition für die Zukunft unseres Volkes ist; denn wir sind arm an Rohstoffen und arm an Menschen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten können. Unser einziger Reichtum ist unser wissenschaftliches und technisches Können. Deutsche Wissenschaftler sind überall in der Welt gut anerkannt und spielen eine nicht gering zu achtende Rolle.
Wenn Wissenschaft und Technik in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden, geht das an das geistige Potential der Bundesrepublik und damit letztlich auch an unsere wirtschaftliche Substanz. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie alarmierend die Tatsache ist, daß in den letzten Jahren bei erheblich gestiegener Studentenzahl die Zahl derer gesunken ist, die zur Promotion ein Darlehen annehmen, und ebenfalls die Zahl derjenigen, die überhaupt eine Promotion durchzuführen bereit sind.
1978 legte die Bundesregierung einen Bericht über die Erfahrungen mit der durch das Haushaltsstrukturgesetz veränderten Graduiertenförderung vor. Daraus geht hervor: 1974 gab es noch 9 642 Doktoranden, die ein Stipendium hatten, 1975 etwa gleichviele, nämlich 8 933. 1976 gab es dann nur noch 6 512 Darlehensnehmer und 1977 gar nur noch 4 210 Darlehensnehmer. Das heißt: zwischen 1975 und 1977 hat sich die Zahl der durch die Graduiertenförderung geförderten Studierenden etwa halbiert, und das, wie gesagt, bei steigender Studentenzahl und trotz des Stolzes der Politiker über die Ausschöpfung der Begabungsreserven, die sich an dem steigenden Anteil der Abiturientenzahl an den die Schule jeweils abschließenden Jahrgängen ablesen läßt.
Nach Berechnung der Ständigen Konferenz der Kultusminister muß auch gegenwärtig davon ausgegangen werden, daß ungefähr 8 000 Promotionswillige vorhanden sind, die Mediziner nicht eingerechnet.
Eine Folge des Rückgangs der Inanspruchnahme von Darlehen war, daß die Mittel im Bundeshaushalt nicht ausgeschöpft wurden. Leider zog die Bundesregierung daraus nicht den Schluß, daß eine sichtbar werdende Fehlentwicklung sofort korrigiert werden müsse, sondern sie zog den Schluß, daß hier das Geld eingespart werden könne. So sanken die Ansätze im Bundeshaushalt von 44 Millionen DM im Jahre 1975 auf 20 Millionen DM im Jahr 1979. Dieser Ansatz besteht auch jetzt noch.
Die wichtigste Ursache dieser Fehlentwicklung ist bekannt. Es ist die Umstellung von Stipendien auf Darlehen durch das Haushaltsstrukturgesetz 1975. Ein junger Akademiker, der nach Studienabschluß zwei Jahre lang ein Darlehen von monatlich 800 DM in Empfang nimmt, um seine Promotion durchzuführen, steht am Ende mit ungefähr 20 000 DM Schulden da. Wenn er vorher BAföG-Mittel oder ein Überbrückungsdarlehen in Anspruch genommen hat, kommen wesentlich höhere Beträge zusammen. 30 000, 40 000 DM Schulden sind kein Ausnahmefall. Das ist viel. Viel zuviel für einen jungen Menschen, der sein Leben erst beginnt und dessen Berufsaussichten keineswegs immer klar und sicher vor ihm liegen.
Diese Art der Darlehensförderung ist unsozial, übrigens auch insofern, als Studenten namentlich aus jenen Bevölkerungsgruppen, die an solche Finanzierungsmöglichkeiten gar nicht gewöhnt sind und vor der Aufnahme von Schulden zurückschrekken, diese Darlehen noch weniger in Anspruch nehmen.
Die Darlehensförderung führt dazu, daß die Promotion nur noch denen ermöglicht wird, die finanziell gut gestellt sind. Das widerspricht den bildungspolitischen Bemühungen aller Fraktionen dieses Hauses.
All dies ist bekannt. Bereits 1977 hat die CDU/ CSU-Fraktion einen Antrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen gestellt und darin die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern - denn das muß in diesem Fall geschehen - Vorstellungen über Art, Umfang und Dauer der Förderung von Promotionswilligen zu entwickeln. Schon damals wurde darauf hingewiesen, daß eine Stipendienregelung erforderlich sei.
Im Sommer 1979 endlich legte der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft Leitvorstellungen für die künftige Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vor. Sie zielten, so schien es, auf die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Sie wurden diskutiert. Die CDU/ CSU begrüßte diese Initiative. Sie hatte bestimmte Einwände. Dies alles verlief im Sand. Bis heute ist kein Gesetzentwurf vorgelegt worden.
Aus Verantwortung für die jungen Wissenschaftler, für die wissenschaftliche Tradition in der BunFrau Dr. Wisniewski
desrepublik und, wie ich eingangs ausführte, aus Verantwortung für die Zukunft unseres Volkes kann die CDU/CSU-Fraktion nicht länger zusehen, wie die Regierung diese Dinge treiben läßt. Hochschulen und Verbände drängen auf eine Änderung. Die Beratungen müssen unverzüglich beginnen, damit nicht etwa, wie es bei der vorigen Änderung der Graduiertenförderung geschah, schließlich unter Zeitdruck gesagt wird, jetzt reiche die Zeit nicht mehr; man könne keine völlige Umstrukturierung vornehmen und müsse das alte Gesetz fortschreiben.
Wir sind dieses Verfahrens müde und legen daher rechtzeitig unser Konzept vor. Das ist nicht, wie gesagt wurde, ein billiges Wahlmanöver. Die notwendigen Abstimmungen und Beratungen mit den Ländern sind bekanntlich äußerst langwierig. Wenn solide Gesetzesarbeit geleistet werden soll, muß sie zu Beginn des nächsten Jahres so gut wie abgeschlossen sein, nämlich vor den Haushaltsberatungen, damit bei diesen das Gesetz berücksichtigt werden kann.
Lassen Sie mich abschließend die gravierenden Unterschiede dieses Konzepts zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gegenüber dem verdeutlichen, das in den Leitlinien des zuständigen Ministers vorliegt. Auch dort wird die Wiedereinführung von Stipendien an Stelle von Darlehen vorgesehen. Das wurde und wird von uns begrüßt. Aber diese Stipendien sollen in der Regel nur im Anschluß an eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule vergeben werden. Nur noch in Ausnahmefällen soll eine Förderung direkt im Anschluß an den ersten Studienabschluß erfolgen. Das führt zu einer bedenklichen Einengung des Kreises derer, die gefördert werden können, und damit letztlich auch zu einer Einschränkung der Möglichkeit, überhaupt zu promovieren. Die Promotion wird damit zur Abschnittsprüfung für Hochschullehrer innerhalb der Hochschullehrerlaufbahn degradiert. Das wollen wir nicht.
Das wichtigste Anliegen bei der Förderung junger Wissenschaftler muß es sein - so wird von allen Sachverständigen übereinstimmend gesagt -, daß mehr junge Wissenschaftler gefördert werden, als es die Deckung des Bedarfs an Hochschullehrern verlangt. Denn nur dann ist es möglich, ein breites Angebot an qualifizierten Wissenschaftlern und damit erst eine wirkliche Auswahl bei der Besetzung der verschiedenen Positionen zu haben.
Nicht nur die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen, auch der Staat, die Parlamente, die großen Verbände, die Wirtschaft benötigen Menschen, die durch eine wissenschaftliche Arbeit bewiesen haben, daß sie zu selbständiger Darstellung und Lösung eines Problems fähig sind. Leistungselite wird in einem Industrieland und einer Kulturnation in vielen Bereichen des Lebens gebraucht. Die Universität soll kein elfenbeinener Turm sein,
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sondern sie soll in ständigem Austausch mit dem gesamten Leben der Gesellschaft stehen. Es muß ein
politisches Ziel sein, die Verbundenheit zwischen universitärem und außeruniversitärem Leben zu verstärken. Dies geschieht am besten durch Fluktuation des Personals, durch Wechsel der -Menschen aus dem einen in den anderen Bereich. Das trägt dazu bei, Hochschulen lebendig zu erhalten und nicht in Isolation verkümmern zu lassen.
CDU und CSU sehen daher in der Gewährung eines Zuschlags nach mindestens zweijähriger Berufstätigkeit einen guten, vielleicht den besten Weg, um Berufstätigen innerhalb und außerhalb der Hochschulen, soweit sie nicht lediglich einem völlig fachfremden „Job" nachgehen, eine Zeit konzentrierten wissenschaftlichen Arbeitens zu bieten, ohne daß sie allzu große Abstriche von ihrem Einkommen aus ihrer Berufstätigkeit hinnehmen müssen. Nicht also Beschränkung auf Arbeitende innerhalb der Hochschulen ist gewollt, sondern im Gegenteil die Möglichkeit, daß Berufstätige von außerhalb der Hochschulen kommen, um zwei Jahre hindurch oder länger - jedenfalls erst einmal zwei Jahre hindurch - eine wissenschaftliche Arbeit zu übernehmen und zu einem Abschluß zu führen.
Dieser Gesetzentwurf strebt die Förderung einer durch Leistung ausgewiesenen Spitzengruppe an, einer Elite. Die Auswahl sollte also streng sein, das dann gewährte Stipendium aber eine wirkliche Freistellung von finanziellen Sorgen bedeuten. Daher plädieren wir für eine Erhöhung auf 1 000 DM mit den Zuschlägen, die bei 500 DM liegen sollten.
Der Finanzrahmen muß den gegenwärtigen Gegebenheiten angepaßt werden. Wir gehen davon aus, daß der bisherige mittelfristige Ansatz für die Darlehensgewährung zur Zeit wohl nicht überstiegen werden kann. Aber diese Investition in die Lebensgrundlagen unseres Volkes ist notwendig und mit Sicherheit nicht verloren.
Für Verbesserungsvorschläge sind wir dankbar. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuß, die eigentlich immer von einer Übereinstimmung in den grundsätzlichen Anliegen getragen war, wenn wir dieses Thema behandelten. Wir hoffen, daß sich alle Fraktionen darin zusammenfinden, dieses wichtige Anliegen miteinander zu tragen und die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern. Es sollte im zusammenwirkenden Bemühen um eine Besserung dieses von allen Seiten erkannten und zugegebenen Mißstandes Gemeinsamkeit von Regierungskoalition und Opposition entstehen. - Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weisskirchen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da wir uns in der zu Ende gehenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Plenum heute voraussichtlich das letzte Mal bildungspolitisch begegnen, bitte ich um Nachsicht, wenn ich als jüngstes Mitglied des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft
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Weisskirchen ({1})
von hier aus mit ein klein wenig Wehmut, Herr Daweke, darauf aufmerksam mache, daß vier Kollegen, die der Bildungspolitik ihre je unverwechselbare persönliche Prägung mitgegeben haben, für den nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr kandidieren. Es sind dies: Dieter Lattmann, Professor Maihofer, Dr. Rolf Meinecke, der Vorsitzende unseres Ausschusses, und Kurt Wüster. Diese stehen für die vielen, die den großen Aufbruch Ende der 60er Jahre für die Bildungsreform vorbereitet und der Bildungsreform ihr Gesicht gegeben haben. Das ist, wenn man zurückschaut, viel Mühe, viel Arbeit gewesen.
Neben der Beharrlichkeit, die diese vier täglich an den Tag gelegt haben, haben sie allerdings auch einen Gesellen kennengelernt, der an jeder Wegbiegung der Bildungspolitik immer wieder aufsteht und sein hämisches Gesicht zeigt, nämlich den Wegelagerer Resignation.
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Wir Jüngeren, wenn ich das einmal so sagen darf, können von ihnen lernen, nämlich Umsicht, langen Atem, aber auch - und das ist, glaube ich, für die bildungspolitische Auseinandersetzung wichtig - Freundlichkeit, Offenheit und Direktheit auch dann, wenn man mit dieser Direktheit manchmal auch sich selbst entwaffnen kann. Ich finde es gut, daß wir in diesem Ausschuß unter diesem Vorsitzenden so haben miteinander streiten dürfen.
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- Ich glaube, der Beifall zeigt auch, lieber Rolf Meinecke, daß Sie dabei viel Anteil gehabt haben. Haben wir nicht oft Mangel an dieser Freundlichkeit, an dieser Offenheit, an dieser Direktheit, auch über unsere eigenen Grenzen und über die Fraktionsgrenzen hinaus? Ist es nicht so, daß die Bildungspolitik in manchem einen neuen Anfang setzen muß, nicht nur in der Begründung, sondern auch in der Zielsetzung, auch in den Methoden und in den Mitteln? Die Graduiertenförderung, über die wir heute diskutieren, zeigt es. Werden wir nicht manchmal - das sollten wir vielleicht für später festhalten - in unseren eigenen Selbstspiegelungen in unseren Grabenkämpfen im Ausschuß und anderswo - außen sehr viel stärker - so herrlich und gleichzeitig so melancholisch wie Don Quichotte?
Wir sollten einmal über unsere Art des Miteinanderumgehens und der Auseinandersetzung nachdenken. Ich finde, gerade diese vier, die ihren Abschied vom Bundestag nehmen, können uns ein Beispiel sein und uns auch zeigen, wie wir in den Zielsetzungen, in den Inhalten und in den Begründungen unserer Politik, auch wenn wir verschiedene Auffassungen haben, den Blick für das Wirkliche, was über den Tag hinaus für die Bildungspolitik notwendig ist, freimachen können - wenn wir uns offener gegenüberstehen.
Was wir, glaube ich, künftig mehr, sehr viel mehr, brauchen, ist die Fähigkeit zur Toleranz. Das heißt nichts anderes als das Ertragen von gegensätzlichen, verschiedenen Konzeptionen und Auffassungen. Ich habe jedenfalls von diesen vieren gelernt, daß sie in diesem Punkte sehr, sehr offen sind. Ich hoffe, daß ich davor nichts verliere, und ich hoffte, ich könnte das auch für viele andere, vielleicht sogar für uns alle, jedenfalls die Bildungspolitiker, sagen.
Damit komme ich zum Thema. Ich glaube, daß wir die Ernsthaftigkeit unserer bildungspolitischen Bemühungen, insbesondere im Blick darauf, daß uns die Finanzpolitiker vieles aufsaugen wollen, ein klein wenig steigern könnten - und das richte ich jetzt an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union -, wenn wir von überhasteten Gesetzentwürfen absähen. Ich finde, daß man Ihrem jetzt zur ersten Lesung anstehenden Entwurf ansehen kann, daß er etwas mit der heißen Nadel zusammengenäht worden ist, wie eine Jacke, deren Ärmel auf der einen Seite zu kurz und auf der anderen Seite zu lang sind und die dem Leib nicht paßt, auf den sie doch zugeschnitten ist.
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Dabei ist doch das Thema zu wichtig, als daß wir es mit unreifen Gesetzentwürfen beschädigen dürften.
Worum geht es? Frau Professor Wisniewski hat schon darauf hingewiesen. Herr Rühe, Sie haben recht, Nichtstun wäre falsch. Aber Sie wissen, daß der Herr Bundesminister Schmude im Sommer letzten Jahres Leitvorstellungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorgelegt hat. Sie wissen doch, daß diese in der öffentlichen Diskussion von vielen Verbänden, von den Studentenschaften, von der WRK und der KMK zur Grundlage genommen worden sind und daß wir auf dieser Basis zu vielen neuen Erkenntnissen kommen können. Diese Debatte ist doch aber noch nicht an dem Endpunkt angelangt. Sie können in der „Frankfurter Rundschau' von vorgestern nachlesen - darin ging es um ein Papier, das von Herrn Professor Wapnewski und Herrn Graf Kielmannsegg mit unterschrieben ist -, daß es in dieser Debatte noch sehr viele problematische Punkte gibt, etwa den, den Sie in Ihrer Begründung stehen haben: Eliteförderung. Dies sind alles Probleme, über die wir noch etwas intensiver nachdenken müssen, über die wir auch noch mit den Betroffenen reden müssen. Dabei ist klar, daß manche der Grundstrukturen, die Sie in Ihrem Entwurf auch vorschlagen, mit den Leitvorstellungen identisch sind. Sie haben z. B. das Abgehen vom Darlehensprinzip akzeptiert und selber mit vorangetrieben. Diese Diskussion ist also, glaube ich, noch längst nicht am Ende. Deswegen bedaure ich die Hektik der Oppositionsvorstöße.
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- Herr Daweke, Sie wissen doch ganz genau, daß in dieser Legislaturperiode nichts mehr geht. Ich kann ja verstehen, daß Sie vor dem 5. Oktober noch ein paar Punkte einsammeln möchten, aber so können wir doch miteinander nicht Politik machen.
Besser wäre es gewesen, finde ich, Sie hätten Ihren Entwurf etwas sorgfältiger überprüft. Lassen Sie
Weisskirchen ({6})
mich an drei Punkten kurz die Schwächen Ihrer Änderungsvorstellungen belegen.
Erstens fallen Sie hinter die von Jürgen Schmude vorgesehenen Strukturverbesserungen zurück, indem Sie die Nachwuchsförderung vorwiegend auf Doktoranden-Stipendien beschränken. Damit würden weniger als die vom Bundesminister vorgeschlagenen gefördert werden.
Zweitens. Die Leitvorstellungen von Jürgen Schmude berücksichtigen Stipendien insbesondere für berufserfahrene Nachwuchskräfte. Ich teile da Ihre Auffassung, Frau Professor Wisniewski, und will noch einen Gesichtspunkt hinzufügen: Der Austausch von Personen in der Grundlagenforschung und in der Forschungsanwendung, jeweils von dort nach hier, kann nicht nur mithelfen, die Hochschule stärker zur Öfentlichkeit hin aufzuschließen - das ist wichtig; Sie haben das angeschnitten -, sondern darüber hinaus auch dazu beitragen, die sozialen Folgen technischen Wandels stärker in das Blickfeld der sozialen Verantwortung hineinzunehmen - eine Diskussion, die bei den Sozialpolitikern und in der Öffentlichkeit, z. B. in der Fabrik, am Fließband, eine große Rolle spielt.
Drittens. Die nach den Leitvorstellungen beabsichtigte und insbesondere von den Betroffenen geforderte soziale Absicherung der Stipendiaten, besonders derer, die schon im Beruf gearbeitet haben, haben Sie etwas vernachlässigt, jedenfalls gegenüber den Leitvorstellungen des Ministeriums.
Gemeinsam treffen wir uns alle sicher in dem Ziel - da gibt es gar keine Frage -, daß wir das Förderungssystem neu überdenken müssen. Ebenso wichtig allerdings - das muß ich Ihnen von der Opposition denn doch sagen - wie das Stellen dieser Forderungen ist es dann aber auch, die Finanzquellen für die Erfüllung dieser Forderungen zu sichern. Da haben wir beide ja eine gemeinsame Last gegenüber allen, innerhalb unserer eigenen Fraktionen, in den Ländern und im Bund, zu tragen.
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- Eine Last und eine Lust, Herr Dr. Meinecke.
Für wenig hilfreich halte ich es allerdings, daß Sie in Art. 1 Nr. 8 Ihres Entwurfs dem Bund eine Mehrbelastung, jedenfalls eine Steigerung seines Anteils von 65 auf 75 %, aufhalsen. Sie können diesen Gegensatz doch nicht auf Dauer, auch nicht bis zum 5. Oktober, durchhalten: Einerseits fordern Sie, der Bund solle mehr sparen, andererseits fordern Sie hier Mehrausgaben;
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einerseits greifen Sie die erweiterte Kompetenz des Bundes an, andererseits verlangen Sie hier, daß der Bund vorangeht. Nun denn, Sie hecheln ganz schön zwischen Haß und Liebe zum Bund und den Ländern hin und her. Passen Sie auf, daß Sie sich als Slalomkünstler dabei nicht auswedeln! Ab dem 5. Oktober sind wir alle gemeinsam, denke ich, bereit - die Regierungskoalition wird es bleiben, und Sie werden ja auch dann in der Opposition sein -, das nach diesem Taumeln dann wieder aufzufangen, damit wir
die Graduiertenförderung auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen können. - Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Maihofer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Neuordnung der Graduiertenförderung, dessen Begründung uns Frau Kollegin Wisniewski soeben erläutert hat, ist, wie ich meine, ein verdienstlicher Vorstoß. Die Reformabsicht, die Graduiertenförderung durch ein Förderungssystem auf Stipendienbasis durchzuführen und damit die Darlehensförderung abzulösen, stimmt mit unserer Absicht überein. Sie ist auch für uns, wie Sprecher unserer Fraktion und Partei mehrfach bekräftigt haben, unverzichtbarer Bestandteil der bis Ende 1981 anstehenden Neuordnung.
Aber gerade weil wir eine durchgreifende Neuordnung wollen, haben wir angesichts der gegenwärtigen Haushaltslage auch Verständnis dafür, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft diese Reform erst dann einleitet, wenn die mit ihr verbundenen finanziellen Konsequenzen im Haushalt 1981 und in der mittelfristigen Finanzplanung für die Folgezeit abgesichert sind, was erst, wie Sie ja doch alle wissen, mit der Eröffnungsbilanz der Haushaltspolitik der kommenden Legislaturperiode geschehen kann. Dennoch sind wir dankbar für das Votum der Opposition, diese zusätzlichen Haushaltsbelastungen mitzutragen. Wir werden Sie zu gegebener Zeit daran erinnern.
Aber mit der bloßen Zurückführung der Graduiertenförderung auf Stipendienbasis allein ist die hier überfällige Reform nicht geleistet. Hier stimme ich voll mit dem überein, was Herr Kollege Weisskirchen soeben ausgeführt hat. Die gebotene Neuordnung muß zugleich auch den Veränderungen Rechnung tragen, die inzwischen durch das Hochschulrahmengesetz des Bundes und die Hochschulgesetze der Länder gerade in den hier in Frage stehenden Bereichen der Personalstruktur eingetreten sind. Dazu bedarf es einiger ergänzender Ausführungen.
In den früheren Hochschulen fanden Promotionen in weitem Umfang während der Assistentenzeit statt. Das wird nach den verschärften Voraussetzungen für die Besetzung von Assistentenstellen neuer Art nunmehr nur im Ausnahmefall geschehen können. Noch weniger sind hierfür aber auch die neugeschaffenen Planstellen wissenschaftlicher Mitarbeiter geeignet, die, wie Sie ja wissen, hauptberuflich in den Dienstbetrieb der Hochschulen eingegliedert sind. Damit ist für die Phase der Promotion in das Stellengefüge unserer Hochschulen eine empfindliche Lücke gerissen. Um dessen Ausfüllung geht es eben nicht zuletzt bei unserer Reform der Graduiertenförderung.
Wir begrüßen daher die Absicht von Herrn Bundesminister Schmude, die Reform der Graduiertenförderung nach Stipendien mit unterstützenden Neuregelungen innerhalb der Personalstruktur
zu verzahnen, wie er dies in den vorgelegten Leitlinien angekündigt hat. Wenn allerdings aus einer neugeordneten Graduiertenförderung über Stipendien u n d Stellen eine wechselseitige Ergänzung und nicht eine Behinderung der beiderseitigen Möglichkeiten werden soll, dann muß gesichert bleiben, daß Grundstipendien auch unmittelbar nach Studienabschluß vergeben werden können; die Vergabe also nicht von vorausgehender Tätigkeit auf einer Hochschulstelle abhängig gemacht wird. Müßten sich doch sonst Stellenengpässe als Verhinderungsgrund für die Stipendienvergabe auswirken. Dies kann ja wohl keines Menschen Absicht sein.
Daß eine Neubelebung der heute darniederliegenden Graduiertenförderung zwingend geboten ist, ist von allen Vorrednern mit guten Gründen dargelegt worden.- Dem brauche ich insoweit nichts mehr hinzuzufügen. Auch für uns ist Graduiertenförderung nicht einfach nur Promotionsförderung. Sie ist allerdings für uns auch nicht nur ein Eliteproblem, Frau Kollegin Wisniewski. Sie ist eine zentrale Maßnahme der Forschungsförderung, von der, wie ich meine, mehr als von allen anderen Maßnahmen abhängen wird, ob es uns gelingt, die Forschung an und vor allem i n unseren Hochschulen wieder auf das einer Kulturnation wie der unsrigen angemessene internationale Niveau zu bringen. Sie ist zugleich auch - darin stimme ich mit beiden Vorrednern überein - eine zentrale Maßnahme der Nachwuchsförderung. Dazu erübrigt sich nach den Empfehlungen, die wir dazu gemeinsam verabschiedet haben, jedes weitere Wort.
Aber die Graduiertenförderung hat an unseren Hochschulen darüber hinaus - dem sollen einige abschließende Worte gelten - eine meist übersehene Funktion, von der die Struktur unserer künftigen Hochschulen überhaupt in entscheidenden Hinsichten abhängen wird. Warum dies? Die Hochschulreform in unserer Bundesrepublik hat, soweit sie sich nicht überhaupt in Organisationsreformen erschöpft hat, sondern zu Studienreformen geführt hat, die Reform des Studiums fast ausschließlich für das Hochschulstudium bis zur Graduierung, also bis zu den ersten Staats- oder Hochschulexamen, geleistet Das hat angesichts der quantitativen Anforderungen des heutigen Studienbetriebs zu einem besser organisierten, aber auch - nicht selten - straffer reglementierten Lehrbetrieb geführt, der leider weniger zu einer Verwissenschaftlichung, sondern mehr zu einer Verschulung der Hochschulen beigetragen hat. Darüber gibt es für jeden, der diese Praxis studiert, keinen Zweifel.
Obwohl die Graduiertenphase, also die bis zum ersten Examen, bis zur ersten Graduierung, damit wissenschaftlich eher ausgetrocknet worden ist, ist für die Nachgraduiertenphase eine vergleichbare Anstrengung nicht unternommen worden, nämlich wenigstens d o r t vertiefte wissenschaftliche Studienmöglichkeiten zu eröffnen. So stehen heute unsere Hochschulen, wie ich meine, gerade hinsichtlich der Nachgraduierten-, also der Nachexamensphase im internationalen Vergleich schlechter da denn je.
Weder gibt es für die in dieser Phase liegende Promotion ein organisiertes Promotionsstudium, wie es in den Ländern französischer Universitätstradition schon seit langem selbstverständlich ist - dort schreiben Studenten ihre Promotion nicht im Alleingang so vor sich hin, sondern sie werden aus Anlaß ihrer Promotion in vertiefenden Studiengängen in das jeweilige Fachgebiet wissenschaftlich eingeführt.
Noch gibt es an unseren Hochschulen wie in den Ländern anglosächsischer Universitätstradition ein organisiertes Post-graduate-Studium, das doch gerade in jenen Universitätsstädten die Krönung überhaupt des gesamten Studiensystems darstellt, das, wie unsere Kollegen nach ihren Besuchen in den Vereinigten Staaten sehr beredt berichtet haben, eine unseren Verhältnissen unvergleichbare Möglichkeit gezielter Einführung in eigene wissenschaftliche Arbeit und planmäßiger Gewinnung und Vorbereitung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den jeweiligen Hochschulen bietet.
Darum ist, wie ich meine, die Reform der Graduiertenförderung für uns, über ihre Bedeutung als Mittel der Forschungsförderung und Nachwuchsförderung hinaus, eine der entscheidenden strukturellen Voraussetzungen für die durchgängige Reform des Studiums, unserer Hochschulen überhaupt. In ihr geht es auch darum, den Hochschulen nach der in der Vorgraduierungsphase durchgeführten Studienreform einen zureichenden Unterbau für vergleichbare Reformanstrengungen nun auch in der Nachgraduiertenphase, insbesondere der Promotionsphase, zu schaffen, damit wir auch für den postgraduierten Bereich der Studiengänge ein anderen Kulturstaaten vergleichbares internationales Niveau erreichen.
Das ist auch für mich wie schon für Frau Kollegin Wisniewski nicht nur eine Frage der Bildungspolitik, ein spezielles Problem also von Forschungsförderung oder von Nachwuchsförderung. Leicht wird uns auch hier durch die verhängnisvolle Sektoralisierung der Politik der Blick dafür verstellt - das , gilt nicht nur für diesen Bereich -, daß hier nicht einfach Fragen der Bildungspolitik, sondern der Gesamtpolitik anstehen, die wir bei einer Reform der Graduiertenförderung zu lösen haben. Das Ansehen unserer Wissenschaft und die Anziehungskraft unserer Hochschulen, die nicht zuletzt auch von der Forschungsleistung und der Lehrfähigkeit unserer Hochschulen in diesem Nachgraduiertenbereich mit abhängen, sind in der werdenden Weltgesellschaft von heute ein außenpolitischer Faktor erster Ordnung, wie uns jeder Besuch im Ausland lehrt.
Die Ausschöpfung unserer Begabungsreserven durch eine entschlossene Forschungs- und Nachwuchsförderung ist nicht minder aber auch ein wirtschaftspolitischer Faktor erster Art. Die Leistung unserer Forschung ist die Zukunft unserer Wirtschaft von morgen. Auch von daher ist die Reform der Graduiertenförderung ein gesamtpolitisches Problem erster Ordnung.
Ich stelle diese Feststellung an das Ende meiner Ausführungen, weil ich mir wünsche, daß diese nicht nur bildungspolitische, sondern gesamtpolitische Bedeutung der mit der heutigen ParlamentsDr. Dr. h. c. Maihofer
debatte eröffneten Reform der Graduiertenförderung auch und gerade angesichts der schwierigen Haushaltslage in den bevorstehenden Beratungen im kommenden Bundestag nicht vergessen werden möge.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die forschungspolitische Debatte am vergangenen Freitag hat gezeigt, daß zwischen allen Fraktionen weitgehende Übereinstimmung in der Beurteilung der Grundlagenforschung besteht. Übereinstimmung besteht auch darüber, daß hochwertige Forschung hochqualifizierte Forscher verlangt. Forschungsförderung wird langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sich genügend befähigte junge Menschen in der Forschung engagieren und dort Entfaltungsmöglichkeiten finden. Wir brauchen also ein Förderungssystem für den wissenschaftlichen Nachwuchs, das Spitzenbegabungen nachhaltig unterstützt und den Nachwuchs für die zunehmenden Forschungstätigkeiten in allen Bereichen unserer Gesellschaft sichert.
Ich sage: in allen Bereichen, weil wissenschaftlicher Nachwuchs nicht nur Hochschullehrernachwuchs ist. Zutreffend heißt es dazu in der Begründung des Gesetzentwurfs der CDU/CSU - Sie, Frau Kollegin Wisniewski, haben das heute noch einmal unterstrichen -, daß bedeutend mehr junge Wissenschaftler gefördert werden müssen, als es die Deckung des Bedarfs an Nachwuchswissenschaftlern an den deutschen Hochschulen erforderlich macht. Bereits in den von mir vor einem Jahr vorgelegten Leitvorstellungen für die künftige Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses habe ich das als eine zentrale Aufgabe für unsere Zukunftssicherung hervorgehoben und eingehender begründet.
Dabei darf Nachwuchsförderung nicht auf die Förderung bis zur Promotion beschränkt bleiben. Dazu schweigt sich der Antrag der CDU/CSU leider aus. Nach allen Erfahrungen ist aber gerade die Phase unmittelbar nach der Promotion für die Forschung besonders fruchtbar. Deshalb muß diese Phase in den Überlegungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mindestens das gleiche Gewicht haben wie die Phase bis zur Promotion.
Ausdrücklich möchte ich dem Mißverständnis vorbeugen, als gehe es bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses allein um die Vorbereitung junger Menschen auf ihre berufliche Zukunft oder gar um soziale Wohltaten für Hochschulabsolventen. Diese Nachwuchsförderung ist vielmehr besonders wirksame Forschungsförderung und damit übrigens auch eine Aufgabe des Bundes. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Maihofer, sehr dankbar, daß Sie diesen Gesichtspunkt der Forschungsförderung und seine Bedeutung für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit unserer Forschung im internationalen Bereich noch einmal ausdrücklich hervorgehoben haben.
In diesem Sinne habe ich meine Leitvorstellungen für die künftige Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zum Gegenstand intensiver Beratungen zwischen Bund, Ländern und Wissenschaftsorganisationen gemacht und damit weitgehend Zustimmung gefunden. Es ist nicht so, als ob seit dem vergangenen Jahr, als diese Leitvorstellungen vorgelegt wurden, nichts erfolgt wäre. Vielmehr haben wir intensiv beraten, alle Betroffenen, Zuständigen und Mitverantwortlichen gehört und damit, so meine ich, auch zu einer Weiterentwicklung dieser Leitvorstellungen sehr produktiv beitragen können. Grundsätzlich zustimmend haben sich auch die Mitglieder aller Fraktionen im Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft geäußert.
Die heute vorliegenden Anträge der CDU/CSU greifen allerdings entscheidend kürzer als die Leitvorstellungen, indem sie sich im wesentlichen darauf beschränken, die Promotionsförderung zu verbessern. Mit Ihrem System von Zuschlägen, das bei besonderer Berücksichtigung von vorausgegangener Berufstätigkeit etwa das zu erreichen versucht, was die Leitvorstellungen durch Anschlußstipendien und Praktikerstipendien anstreben, bleiben Sie hinter dem bereits erreichten Stand der Diskussion zurück.
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- Wenn das Weniger in die Irre führt, dann ist es keine Alternative zum Nichts, sondern eine andere Art desselben.
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Zum Beispiel möchte ich an der in den Leitvorstellungen vorgesehenen stärkeren Verzahnung von bezahlter wissenschaftlicher Arbeit und Stipendien für den Abschluß der Promotion festhalten. Das schließt, Herr Kollege Maihofer, nicht aus, daß es gleichzeitig auch Grundstipendien für solche gibt, die keine berufliche Tätigkeit vorgeschaltet haben. Anschluß- und Praktikerstipendien machen die Beurteilungsgrundlagen sicherer und können erheblich dazu beitragen, daß berufliche Erfahrung und herausgehobene wissenschaftliche Qualifikation sich wechselseitig verstärken. Das weiterweisende Konzept der Anschlußstipendien wird in den jetzigen Anträgen nur halbherzig aufgegriffen. Die Phase nach der Promotion wird weitgehend vernachlässigt.
Auch zu der von der Opposition immer wieder geforderten Verstärkung des Auslandsbezuges durch eigenständige Auslandsstipendien gibt der Antrag wenig her.
Zur sozialen Absicherung der Stipendiaten, für die die Leitvorstellungen konkrete und realisierbare Vorstellungen enthalten, findet sich in den Anträgen der Opposition nichts.
Ich kann und will hier nicht auf alle Details eingehen. Die Frage des Förderungsvolumens und der Kosten aber muß ich mit aller Deutlichkeit ansprechen. Nach den Angaben der Opposition sollen ihre
Vorschläge keine zusätzlichen Kosten über die mittelfristige Finanzplanung hinaus erfordern. Zugleich soll der Bundesanteil im Vergleich zu der bisherigen Graduiertenförderung erhöht werden. Da außerdem das Grundstipendium erhöht und die verschiedenen Zuschläge eingeführt werden sollen, müßte sich im ganzen die Zahl der bisherigen Förderungsfälle künftig noch erheblich verringern. Von einer breiten Nachwuchsförderung kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. In den Ausschußberatungen zu den Leitvorstellungen hat aber gerade die Opposition wiederholt gefordert, mit einem neuen Förderungskonzept zumindest wieder die Förderungszahlen aus der Zeit vor der Umstellung der Graduiertenförderung auf Darlehen zu erreichen. Wie das gelingen soll, wenn Sie die Zahl der Förderungsfälle zugleich zurückschrauben, bleibt Ihr Geheimnis. Kostenneutralität und Erweiterung der Förderungsmöglichkeiten kann man nicht zugleich haben. Auch an diesem Widerspruch zeigt sich, daß der Antrag der CDU/CSU noch unausgereift ist.
Die Bundesregierung kann es sich nicht so leicht machen wie die Opposition. Sie kann aus der Gesamtaufgabe der Forschungsförderung und der Nachwuchsförderung nicht nur einen Teilbereich herausgreifen und dafür eine isolierte Lösung vorlegen. Wenn das von mir entwickelte Konzept der Leitvorstellungen realisiert wird, wird die künftige Nachwuchsförderung mehr Geld fordern, als bisher für die Durchführung des Graduiertenförderungsgesetzes aufgewendet wurde. Ich mache keinen Hehl daraus, daß dies die Ursache dafür ist, daß das Bundeskabinett über die Leitvorstellungen bisher noch nicht beraten und beschließen konnte.
({2})
Mir kommt es darauf an, zunächst die finanzielle Ausstattung für das Gesamtprogramm zu sichern und in der mittelfristigen Finanzplanung die Voraussetzungen für seine Realisierung zu schaffen.
Wie Sie alle wissen, wird über den Bundeshaushalt des kommenden Jahres und über die Eckwerte für die Folgejahre erst im Spätherbst dieses Jahres Verbindliches zu sagen sein. Erst dann wird es möglich sein, ein finanziell gesichertes Gesamtprogramm vorzulegen. Das wird ausreichen, da das Graduiertenförderungsgesetz erst Ende 1981 ausläuft. Eine frühere Klärung, so lieb sie mir gewesen wäre, ist nicht zu erreichen.
Die in den letzten Monaten deutlich gewordenen zusätzlichen Belastungen des Bundeshaushalts machen die Entscheidungsprozesse gerade in den Bereichen schwieriger, in denen Bund und Länder gemeinsam Verantwortung tragen. Die Opposition könnte hier dank ihrer Stellung in den Ländern hilfreich wirken. Wie das Verhalten der unionsgeführten Länder am 13. Juni 1980 im Bundesrat allerdings zeigt, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Nach den dort neuerdings praktizierten Grundsätzen würde bei angemessener Finanzausstattung auch dieses heute von Ihnen betriebene Gesetzesvorhaben durch Vertagung blockiert werden.
Sie ersehen daraus, daß es noch energischen Einsatz erfordern wird, um einem wirklich brauchbaren Konzept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses die Erfolgsaussicht zu verschaffen.
Die heute behandelten Oppositionsanträge sind dazu ein Beitrag, allerdings ein noch unzureichender Beitrag. Die damit ausgedrückte Forderung nach einer Nachfolgeregelung für das Graduiertenförderungsgesetz begrüße ich ausdrücklich, und ich teile Ihre Kritik an diesem Gesetz. Ich teile die Auffassung, daß eine solche Nachfolgeregelung notwendig ist. Seit mehr als einem Jahre arbeite ich an der Verwirklichung dieses inzwischen im Konzept abgeschlossenen Vorhabens und werde das weiterhin tun.
({3})
Nachdem dazu auch heute wieder eine grundsätzliche Übereinstimmung aller Seiten erkennbar geworden ist, bitte ich für diese Bemühungen um Ihre weitere Unterstützung. Danke.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlagen auf den Drucksachen 8/4134 und 8/4135 zur Beratung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend - und zur Beratung gemäß §96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 6 in der Hoffnung auf, daß wir ihn durch zügige Beratung noch bis zur Mittagspause durchbekommen:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({0}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Programm zur Förderung des Auslandsaufenthaltes von Schülern, jungen Arbeitnehmern, Studenten und Wissenschaftlern
- Drucksachen 8/2458, 8/4124 Berichterstatter:
Abgeordnete Daweke Vogelsang
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Kurzbeitrag je Fraktion vereinbart worden. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Daweke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, die wir hier beraten, basiert auf vier wesentlichen Elementen. Erstens dem Antrag der Union zu diesem Problem vom Januar 1979, zweitens einer Kleinen Anfrage, die wir am gleichen Tag hier eingebracht haben und deren Antworten, drittens auf den Antwortschreiben der Kultusminister und WissenschaftsmiDaweke
nister der Länder auf einen Brief unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. Kohl und schließlich auf einer sehr ausführlichen und intensiven Anhörung, die der Ausschuß veranstaltet hat.
Ausgangspunkt für unseren Antrag und alle unsere Überlegungen waren Zahlen, die uns aus dem studentischen Bereich bekannt sind, die aber für die anderen Bereiche ebenso gelten, insbesondere sicherlich auch für junge Arbeitnehmer. Sie betreffen den alarmierenden Rückgang der Zahl derjenigen jungen Deutschen, die sich während ihrer Ausbildung ins Ausland begeben. 1953 beispielsweise waren dies noch 8 % eines Studentenjahrgangs, 1963 noch 5,7 % und dann ging diese Zahl weiter zurück: über 5,2 %, 3,4 % und 2,6 % bis auf 1,5 % eines Studentenjahrgangs im Jahre 1978.
Besonders alarmierend sind diese Zahlen im Bereich der Anglistik- und der Romanistik-Studenten. Beispielsweise hat der ehemalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Jochimsen folgendes veröffentlicht: Von den 300 000 Anglistik-Studenten lernen nur 500 die englische Sprache im Ausland. Er fährt fort, bei der Immobilität auch im Sprachenbereich müsse man sich fragen, wie sich die zukünftigen Englisch- oder Französischlehrer später überhaupt einmal verständigen wollten. Das meinte Jochimsen, der selber vier Semester in den USA studierte, wo er sich als Barportier durchschlug. Jetzt ist er ja Wirtschaftsminister.
Ich sagte eben schon, daß diese Zahlen für den studentischen Bereich alarmierend sind. Aber sie sind im Bereich der Arbeitnehmer genauso besorgniserregend.
Unser Programm vom Januar 1979 hatte deshalb vier Schwerpunkte. Es sollte die jungen Leute durch mehr Information und Beratung ermutigen; es sollte sie durch bessere Sprachkenntnisse besser befähigen, ins Ausland zu gehen; es sollte durch leichtere Verfahren z. B. für das Absolvieren von Praktika und dergleichen den Weg vereinfachen; es sollte schließlich durch eine gerechtere Gebührenregelung und durch eine gerechtere Anerkennung von Leistungen den Weg ins Ausland erleichtern. - Sie finden alle diese Anregungen im Beschlußvorschlag unseres Ausschusses wieder.
Interessant ist, daß seit der Erörterung, die wir begonnen haben, das Problem - in einer immer größer werdenen Zahl von Briefen ist dies zum Ausdruck gekommen - auch öffentlich diskutiert worden ist. Wir haben noch nie auf einen Antrag hin so viele Briefe wie zu diesem Problemkreis bekommen.
Die Regierung selbst ist aktiv geworden. Sie hat dem Finanzminister zu diesem Zweck einige zusätzliche Mittel aus dem Topf nehmen können. Die KMK ist aktiv geworden; die Kultusminister der Länder haben ihre Programme ausgeweitet. Schließlich hat auch der Bundestag selbst in einer Reihe von Vorschlägen - beispielsweise bei der Änderung des BAföG - dafür gesorgt, daß hier sozusagen schon vorab einiges geschieht.
Wir haben dann eine Anhörung veranstaltet, in der der Opposition gesagt worden ist, daß der Begriff, mit dem wir dieses Problem umschrieben haben, nämlich die junge Generation sei auslandsmüde, eigentlich nicht zutreffe. Man hat im Gegenteil gesagt, daß bei Befragungen etwa 94 % aller Abiturienten angeben, daß sie schon einmal im Ausland waren, und 82 % aller Abiturienten finden auch, daß es ganz wichtig sei, daß sie beispielsweise während ihres Studiums und der späteren Ausbildung ins Ausland gehen. Aber es sind nur 1,5 % der Abiturienten, die diesen Schritt auch tatsächlich tun, so daß es unsere Aufgabe war, nachzuvollziehen, welche Ängste, welche Bremsen und welche Hemmnisse es denn nun sind, die auf dem Wege zu diesem Schritt ins Ausland das Vorhaben zum Schluß doch scheitern lassen.
Ich muß den Beamten der Bundesregierung und den Beamten unseres Ausschusses, auch und vor allen Dingen aber den Mittlerorganisationen sehr herzlich dafür danken, daß sie uns die vielen Anregungen, die gekommen sind, mit strukturiert und daraus einen, wie ich finde, recht ansehnlichen Maßnahmenkatalog gemacht haben, den wir aber nicht in diese Beschlußempfehlung aufgenommen haben, weil wir der Auffassung waren, daß es sich eher lohnen würde, die grundsätzlichen Überlegungen des Bundestages zu diesem Problem aufzulisten.
Aus der großen Zahl der Anregungen möchte ich hier ein paar hervorheben, von denen ich glaube, daß sie in den nächsten Jahren aufgegriffen und wirklich zügig umgesetzt werden sollten.
Erstens. Wir glauben, daß Auslandsmobilität in diesem Sinne nicht angeboren ist. Atlantiker, so hat einmal einer gesagt, werden nicht geboren, sondern man muß das lernen, und man kann es nur dann lernen, wenn man es in der Jugend lernt, indem man als Schüler - vielleicht in einer anderen Familie - die Kultur eines anderen Landes näher kennenlernt.
Zweitens. Wir sind der Meinung, daß man Auslandsaufenthalte belohnen sollte. Der Staat muß hier vorangehen. Wenn der Personalchef eines Ministeriums zwei Beamte mit gleicher Qualifikation hat, aber nur eine Stelle besetzen kann, sollte er nach unserer Auffassung dem Beamten, der während seiner Ausbildung im Ausland gewesen ist, den Vorzug geben. Das wird dann eine gewisse Leitfunktion auch für das, was in der Wirtschaft passiert, haben.
Drittens. Wir sind der Auffassung, daß die Mittlerorganisationen ihr Wissen als Information an eine größere Zahl junger Leute weitergeben sollten. Die Information muß wesentlich verbessert werden, und es müssen auch einfachere Lösungen gefunden werden. Ich sagte eben schon, daß z. B. auch die Zahl der Praktika, die im Ausland abgeleistet werden können, erhöht werden sollte.
Viertens. Die Wirtschaft - d. h. die Gewerkschaften einerseits und die Arbeitgeber andererseits - sollte in ihrem Bereich versuchen, für diejenigen Anreize zu geben und vor allen Dingen auch Hilfestellung zu leisten, die als junge Arbeitnehmer, Aus18018
zubildende oder auch nach der Ausbildung ins Ausland zu gehen bereit sind.
({0})
- Ich weiß gar nicht, wieso Sie sich hier immer so aufregen. Was ich hier sage, ist doch alles einvernehmlich auch mit Ihren Kollegen besprochen worden. Sie haben keine Ahnung; deshalb machen Sie immer diese Zwischenbemerkungen.
({1})
Der fünfte Punkt - das ist ein ganz wichtiger Punkt - betrifft die Kostenfrage. Wir sind der Auffassung, daß die Gleichsetzung von Auslandsaufenthalt und, wenn Sie so wollen, Vollalimentation nicht gut ist. Viele erwarten, daß ihnen der Staat, wenn sie ins Ausland gehen, den Aufenthalt voll finanziert. Wir möchten gern unsere jungen Leute auffordern, auch bereit zu sein, ins Ausland zu gehen, wenn sie lediglich die Differenz zwischen den Kosten der Ausbildung hier und den allerdings in der Regel höheren Ausbildungskosten im Ausland bezuschußt bekommen. Dies ist, was die Studenten angeht, beispielsweise ein wichtiger Punkt. An der Universität von Südkalifornien kostet ein Studienplatz beispielsweise 6 000 Dollar pro Jahr. Es wird nicht möglich sein, den Studenten, die dort studieren, diese Summe voll aus Bundes- oder Landesmitteln zu finanzieren. Unsere Idee ist, daß man den deutschen Studenten und den amerikanischen Studenten sozusagen gleichstellt, daß der Amerikaner also an seiner Universität die Studiengebühren weiter bezahlt und daß wir uns bemühen, ihn hier studiengebührenfrei aufzunehmen. Nur so werden wir die Zahl der Studenten, die zu einem Auslandsaufenthalt bereit sind, wesentlich erhöhen können.
Eine letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang. Es ist nicht zu begreifen - deshalb haben wir die Bundesregierung und die Länderregierungen aufgefordert, hier aktiv zu werden -, daß die Anerkennung von Ausbildungsabschnitten im Ausland so große Schwierigkeiten bereiten soll, daß darüber nicht internationale Vereinbarungen getroffen werden können. Es will in meinen Kopf wirklich nicht hinein, daß ein Stukkateur aus Italien nicht die gleiche Qualifikation wie der, der hier tätig ist, haben soll und daß man seine Ausbildung nicht anerkennt. Ebenso verstehe ich nicht, daß die Ausbildungsbescheinigung von jemandem, der gelernt hat, wie man eine Pneumonie in Italien oder in Frankreich behandelt, nicht auch hier anerkannt werden soll.
Die Beschlußempfehlung, die wir Ihnen vorlegen, ist - ich sagte es schon - einvernehmlich verabschiedet worden. Es handelt sich hier um einen der wenigen Anträge der Opposition, denen die Regierungsparteien im Ausschuß zugestimmt haben. Das macht nicht nur deutlich, wie gut die Qualität dieses Antrages und der Antragsteller ist, sondern es zeigt vor allen Dingen auch den Handlungswillen des Deutschen Bundestages in einer, wie wir glauben, sehr wichtigen Frage, nämlich der Frage, ob unsere jungen Leute in der Bundesrepublik immer provinzieller werden oder ob sie tatsächlich auch bereit sind, sich mit fremden Kulturen auseinanderzusetzen, sie zu begreifen und damit möglicherweise auch die eigene Kultur viel besser zu verstehen, als sie das jetzt tun. - Schönen Dank!
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogelsang.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vereinbarte Kurzdebatte wird sicherlich dem Thema, insgesamt gesehen, nicht gerecht Wir diskutieren heute aber sicherlich auch nicht das Thema in seiner ganzen Breite. Es geht im wesentlichen vielmehr um die Entschließung, die der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft heute dem Deutschen Bundestag zur Annahme vorlegt. Wir als Mitglieder des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft sehen das Thema mit der Vorlage dieser Entschließung nicht als erledigt an, sondern wir schaffen mit dieser Entschließung im Grunde genommen nur eine Grundlage für weitere Diskussionen.
Daß mehr Auslandsaufenthalte für die jüngere Generation notwendig sind, ist unbestritten. Auslandsaufenthalt weitet den Blick, vermehrt Erfahrungen und fördert Toleranz. Toleranz aber ist eine wesentliche Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Menschen sowohl nach innen wie auch nach außen. Wir sollten die Organisation von Auslandsaufenthalten aber nicht der jungen Generation allein überlassen, da auch die Gefahr besteht, daß jemand im Ausland seine Vorurteile gegenüber anderen Menschen festigt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß man nicht in jedem Fall davon ausgehen kann, daß der Tourismus, so wünschenswert er auch ist, zum Abbau von Vorurteilen beiträgt.
Den Organisationen und Verbänden, die auf diesem Feld bisher tätig gewesen sind - und zwar, wie ich hinzufügen darf, aus unserer Beurteilung erfolgreich -, möchte ich für ihre Mühe herzlich danken.
({0})
Wir wollen mit ihnen im Dialog bleiben. Es geht aber nicht nur darum, ihnen für ihre Arbeit zu danken; mir geht es auch darum, ihnen für die vielen Anregungen zu danken, die wir während der Anhörung von ihnen bekommen haben.
Der 9. Deutsche Bundestag sollte aus der Entschließung konkrete Maßnahmen ableiten. Die Entschließung selbst sollte ihm dabei als Anregung dienen. Dabei möchte ich an folgendes erinnern:
Erstens. Zur jungen Generation gehören junge Arbeitnehmer, Auszubildende, Schüler, Studenten, junge Referendare, junge Lehrer und Ausbilder. Wir sollten uns davor hüten, die Maßnahmen möglicherweise auf einen Personenkreis zu reduzieren.
({1})
Zweitens. Die Förderung des Auslandsaufenthalts heißt nicht nur Stipendium; vielmehr sind Organisation und Klima außerordentlich wichtig. Ein ganz
kleines Beispiel dafür: Warum steht in den Stellenausschreibungen der öffentlichen und privaten Arbeitgeber nicht, daß Auslandserfahrungen immer erwünscht sind?
({2})
Ein anderes Beispiel: Warum tut sich die KMK so fürchterlich schwer, ein sogenanntes Äquivalenzabkommen mit Frankreich betreffend die Erleichterung des Studienaustausches deutscher und französischer Studenten zuwege zu bringen?
Die Entschließung wendet sich aber auch an das Europäische Parlament, die Landtage sowie an die Bundesregierung und die Landesregierungen wie an die Tarifvertragsparteien und die vielen Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind.
Die Initiativen des einzelnen, aber auch der Organisationen sind anzuregen, und ihnen sind auch Hilfen zu gewähren. Vieles kann, aber einiges sollte der Bundestag auch nicht regeln, um damit nicht alle Initiativen privater und öffentlicher Verbände und Organisationen zu verschütten. Aber immer sollten wir unsere ganze Aufmerksamkeit diesem Thema widmen. Ein Volk, das seine Lebensgrundlage zu einem wesentlichen Teil im Handel mit seinen Nachbarn hat, das dazu im Herzen Europas liegt, sollte seine Weltoffenheit auch durch die Förderung des Auslandsaufenthalts der jungen Generation zeigen.
Abschließend habe ich an das Präsidium des Deutschen Bundestages die Bitte, diese Entschließung auch dem Europäischen Parlament, den Landtagen und den Landesregierungen zu übersenden, damit auch sie diesem Thema erhöhte Aufmerksamkeit schenken.
({3})
Auslandsmüdigkeit ist bei der Jugend nicht vorhanden. Hier haben wir eine gute Ausgangsbasis. Betrachten wir die Förderung des Auslandsaufenthalts als ein Stück Weltinnenpolitik!
Herr Kollege Daweke, wir sollten die Augen nicht davor verschließen, daß es einen relativen Rückgang gibt, wie Sie ihn auch geschildert haben. Aber wir müßten wohl richtigerweise sagen: Die Zahl der Studenten, die ins Ausland gehen wollen, hat sich nicht im gleichen Maße wie die Zahl der Studenten überhaupt erhöht. Das ist ja wohl der Grund, weshalb der relative Rückgang eingetreten ist.
({4})
- Er ist gleich geblieben. Aber es hätte bei der Formulierung „Rückgang" der Eindruck entstehen können, die absoluten Zahlen seien zurückgegangen. Die sind nahezu unverändert. Deshalb ist der Rückgang relativ.
Ich hätte Ihnen gern noch einige Artigkeiten für Ihre Initiative gesagt. Aber da Sie Ihren Antrag entsprechend dargestellt haben, kann ich es, glaube ich, jetzt damit bewenden lassen.
({5})
Ich komme gern noch einer Bitte des Herrn Staatssekretärs Engholm nach, der mit Rücksicht auf die vereinbarte Redezeit im Verlauf dieser Debatte darauf verzichtet, seitens der Regierung etwas dazu zu sagen ({6})
nicht, weil die Regierung nichts dazu zu sagen hätte. Ich brauche nur zu sagen: Sie stimmt mit dieser Entschließung des Deutschen Bundestages voll überein. - Danke schön.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich spreche heute darüber, damit die Ausschußempfehlung hier im Plenum nicht unter Ausschluß der anderen Mitglieder des Hohen Hauses, die nicht im Ausschuß tätig sind, beraten und verabschiedet wird.
Wir sind uns sicher darüber einig, daß Tourismus, so wünschenswert er auch ist, eine Verbesserung der Beziehung zwischen den Völkern nicht herstellen kann und manchmal sogar zu einer Bestätigung vorgefaßter Meinungen beiträgt. Deshalb ist es wichtig, daß die, die später in den Beziehungen der Völker untereinander Multiplikatoren sein werden oder sein könnten, hier ein besseres Verstehen für den Nachbarstaat, für die andere Kultur, für das Anderssein der anderen haben. Deswegen unterstreichen wir, daß wir hier zu einer Ausweitung und Verbesserung der Quote kommen. Es ist vorhin gesagt worden - und die Anhörung hat das bestätigt -, daß zwar die Zahl gestiegen ist, aber auf Grund der größeren Anteile im Studienbereich und im Berufsbereich die Quote derer gesunken ist, die bereit sind, im Ausland Zeit zu verbringen, sich dort zu bilden und beruflich zu entwickeln.
Doch dem steht eine Menge Hindernisse entgegen. Ich möchte ein paar davon nicht unerwähnt lassen. Die allgemeine Bildungssituation in der Bundesrepublik und die Abgrenzungen und Eifersüchteleien der Länder auf diesem Gebiet untereinander entsprechen ja, wenn man das einmal so formulieren will, etwa der Situation Deutschlands im 19. Jahrhundert, bevor der Listsche Zollverein gegründet wurde.
({0})
- Wir sollten alles daransetzen, Herr Kollege Broll, das zu ändern. Die Debatte neulich im Bundestag über die Frage der Anerkennung der Bildungsabschlüsse ist, glaube ich, ein Markierungspunkt auf diesem Weg gewesen, der gezeigt hat, daß wir noch weit, weit davon entfernt sind, einen Listschen Zollverein im Bildungswesen gründen zu können.
Gerade das ist, meine ich, der Punkt, der viele Studenten und Jungakademiker - betrachten wir zunächst nur diesen Bereich; auf den anderen Bereich komme ich nachher - davon abhält, das Wagnis eines Auslandsstudiums und eines Auslandsaufent18020
Wolfgramm ({1})
halts einzugehen; sie befürchten nachher in Gefährdungen und Schwierigkeiten bürokratischer Art zu geraten und den Auslandsaufenthalt da und dort nicht angemessen anerkannt zu bekommen. Ich erinnere mich daran, wie begehrt vor vielen Jahren in Göttingen die Stipendien waren, die die Universität Berkeley anbot. Die Quote der Bewerbungen für einen solchen Studienplatz lag bei 100 : 1. Nachher ist das zurückgegangen - einfach aus der Vorstellung: Das wird uns in der Bundesrepublik nicht helfen; hinterher kriegen wir nur Schwierigkeiten, wenn es um unseren Abschluß bei der Anerkennung dieses Auslandsstudiums geht;
({2})
wir können nicht darauf vertrauen und nicht darauf hoffen, daß das entsprechend unterstützt und gewürdigt wird. Darin steckt auch eine Forderung an die akademischen Lehrer. Diese eigenbrötlerische Position der Länder ist eines der Haupthemmnisse, das wir hier überwinden müssen. Hinzu kommen muß, daß auch die Bürokratie ihren Teil leistet, um diese Situation zu verbessern.
Die Wiedereingliederung derjenigen, die durch ihren Auslandsaufenthalt aus ihrem Beruf herausgekommen sind - das ist ja auch ein Problem bei der Entwickungshilfe -, muß intensiviert, verbessert werden. Wir müssen stärker auf diejenigen einwirken, die darauf Einfluß haben und Einfluß nehmen können. Im übrigen meine ich, daß wir hier nicht alles mit staatlichen Geboten und Gesetzen regeln können. Sicher kann und sollte man im Rahmen des Berufsausbildungswesens stärker als bisher auch einen Auslandsaufenthalt fordern, ohne ihn jedoch zum festen Bestandteil zu machen. Aber es sollte deutlich gemacht werden, daß es ein Pluspunkt ist, wenn man so etwa vorweisen kann. Es darf nicht so sein, daß das etwa ein Negativpunkt ist oder keine Berücksichtigung findet.
Im Antrag wird ein Gesamtkonzept gefordert. Dieses Gesamtkonzept sollte, so meine ich, auch all das enthalten, was im Bereich der Kommunen bereits entstanden ist. Ich umschreibe das einmal mit dem Wort „Städtepartnerschaften". Städtepartnerschaften sollten ja nicht nur dazu da sein, daß die Stadtoberen, die Ratsherren, die Stadtverordneten und vielleicht auch noch die Sportler einen freundlichen Besuchsaustausch pflegen,
({3})
sondern es sollte im Rahmen der Städtepartnerschaften auch tatsächlich eine zusätzliche Möglichkeit für Schüleraustausch, Studentenaustausch und Berufstätigenaustausch geschaffen werden. Ich begrüße es, daß so etwas sogar im Rahmen von Partnerschaften mit Städten im östlichen Europa durchgeführt wird. Ich halte das für eine sehr ermutigende Position.
Ich möchte die Zeit nicht überziehen und stelle daher fest: Die FDP hält die Förderung von Auslandsaufenthalten junger Berufstätiger, junger Akademiker für wichtig. Wir werden jede Unterstützung und jede Hilfe dazu geben.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4124 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen jetzt die Sitzung für die Mittagspause bis 14 Uhr.
({0})
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die Beratungspunkte ergänzt werden, die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkt zur Tagesordnung" aufgeführt sind:
1. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens ({0})
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß ({1}) Rechtsausschuß
nach Punkt 19 TO
2. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Czaja, Erhard ({2}), Dr. Hupka, Dr. Wittmann ({3}), Dr. Hennig, Sauer ({4}), Schmidt ({5}), Müller ({6}) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({7})
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
nach Punkt 7 TO
3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({8}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Finanzpolitische Bestandsaufnahme - Drucksachen 8/3978 ({9}), 8/4205 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
zu Punkt 35 TO
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, jetzt den Tagesordnungspunkt 31 aufzurufen und danach in der Reihenfolge der Tagesordnung mit Punkt 7 fortzufahren. Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({10}) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Förderung der Menschenrechtserziehung - Drucksachen 8/3751, 8/4033 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Benedix-Engler
Präsident Stücklen
Dr. Dr. h. c. Maihofer Dr. Schweitzer
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das Wort hat der Berichterstatter Professor Schweitzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe als einer der Berichterstatter um das Wort gebeten, um das Hohe Haus zusätzlich zu unserem gemeinsamen Bericht auf Drucksache 8/4033 kurz über die nach Abfassung und Annahme dieses Berichts im federführenden Ausschuß für Bildung und Wissenschaft am 12. Juni 1980 stattgefundene Aussprache mit drei Vertretern von „amnesty international" zu .unterrichten. Der Ausschuß war in seiner Gesamtheit von den Darlegungen der Vertreter von „amnesty" sehr beeindruckt. Gegenstand der Aussprache waren nicht die auch von „amnesty' in ihrem neuesten Jahresbericht 1979 festgestellten Menschenrechtsverletzungen in aller Welt.
Es herrschte aber zwischen allen Fraktionen auf der Linie von „amnesty international" dahin gehend ein Konsens im Ausschuß vor, daß man an das so ernste Problem der Menschrechtsverletzungen in unserer Zeit nicht, wie es formuliert wurde, einäugig herangehen dürfe. Bei der Ablehnung jeglicher Einäugigkeit geht es nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit gegenüber der jungen Generation, auf deren Sensibilisierung es uns allen in dieser Frage besonders ankommen muß. Vielmehr - so war die Auffassung nahezu aller Teilnehmer in diesem Ausschußgespäch - muß in der Erziehungs- und Bildungsarbeit immer wieder das gesamte Alphabet gleichermaßen in bezug auf menschenrechtsverletzende Staaten herangezogen werden, also gewissermaßen von A für Argentinien bis Z für Zaire - um im Duktus des erwähnten Jahresberichts von „amnesty" zu bleiben -, mit allen Zwischenstationen, von C über
D, S, T oder U. Nur so kann - diese Bemerkung füge ich hier an - die ältere Generation gegenüber der jüngeren der Gefahr einer Verführung zu einem falschen Bewußtsein in dieser ganzen Frage entgehen.
Sehr beeindruckt zeigten sich meine Kollegen und ich im Ausschuß von den Lernzieldefinitionen, wie sie von einem der Vertreter von „amnesty" als Grundlage einer weitgefächerten Bildungsarbeit, insbesondere an unseren Schulen, vorgeschlagen wurde. Ich darf diese Lernziele ihrer Bedeutung wegen wörtlich zitieren und damit in das Protokoll des Deutschen Bundestages aufnehmen lassen:
1. Kenntnis der Kodifikation der Menschenrechte, ihrer historischen Entwicklung, religiösen und ethischen Grundlagen sowie ihrer gegenwärtigen politischen Bedeutung,
2. Kenntnis der Bedingungen für die Verwirklichung der Menschenrechte auf verschiedenen Gebieten sowie der Widerstände im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich, die ihnen entgegenstehen,
3. Erziehung zur Bereitschaft, für die Verwirklichung der Menschenrechte im eigenen, persönlichen und politischen Lebensumkreis einzutreten und
4. Einsicht in die Ambivalenz der allgemeinen Begrifflichkeit sowie die Fähigkeit, eine bloß agitatorische oder partielle Berufung auf Menschenrechte als Instrumentalisierung eigener Interessenpolitik zu durchschauen.
Der Ausschuß nahm in dem Gespräch mit den Vertretern von „amnesty" ebenso wie schon vorher auf Grund von umfassenden Darlegungen des Bundesjustizministeriums mit Befriedigung die vielfältigen Bemühungen, an denen sich auch die Bundesrepublik beteiligt, im internationalen Bereich zur Stärkung des Menschenrechtsgedankens zur Kenntnis.
Besonders hervorgehoben wurden hier Versuche der UNESCO - etwa auf einer Fachtagung in Helsinki im Jahre 1978 -, die gesamte Problematik auch in multilaterale Diskussionen zwischen Staaten mit einander zum Teil diametral entgegengesetzten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen einzuführen.
Auf der Ebene der Vereinten Nationen verdient in diesem Zusammenhang meines Erachtens auch die Initiative der Volksrepublik Polen besondere Erwähnung, die ihren Niederschlag in der UN-Erklärung über die Erziehung der Völker im Geiste des Friedens vom 15. Dezember 1978 gefunden hat.
Die Mitglieder des Ausschusses haben einstimmig begrüßt, daß Organisationen wie „amnesty international" besondere Unterrichtsmodelle zur Behandlung der Menschenrechtsproblematik im schulischen und im außerschulischen Bereich ebenso wie in der Lehrerbildung und in der Lehrerfortbildung ausarbeiten und erproben lassen. Sprecher aller drei Fraktionen forderten die Bundesregierung auf, trotz der zur Zeit angesichts unserer internationalen Verpflichtungen angespannten Haushaltslage alles zu tun, um Modellversuche in dieser Richtung künftig finanziell zu fördern und darüber hinaus auch einen etwaigen Antrag von „amnesty international" - selber auf Spendenbasis arbeitend - auf Förderung einer Arbeitsstelle für Menschenrechtserziehung mit wohlwollender Aufmerksamkeit entgegenzunehmen.
Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang besonders an unsere Universitäten bzw. die in ihnen Lehrenden appellieren, um ein verstärktes Angebot von - gerade auch interdisziplinären - Seminaren bemüht zu sein, die geeignet sind, die Menschenrechtsproblematik in allen ihren vielfältigen Aspekten im Sinne des dem Hause vorliegenden Antrages zu erhellen.
Ich spreche sicherlich im Namen aller Ausschußmitglieder, wenn ich erneut der Befriedigung darüber Ausdruck verleihe, daß es uns auch und gerade in dieser Zeit eines beginnenden Bundestagswahlkampfes gelungen ist, dem Plenum insgesamt einer Vorlage zur Beschlußfassung einstimmig zu empfehlen. Das Haus setzt damit im Hinblick auf das Gesamtthema eine Tradition fort, wie sie zuletzt in der 7. Legislaturperiode bei der einstimmigen Zustim18022
mung zu den internationalen Pakten über bürgerliche und politische sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zum Ausdruck gekommen ist.
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Wird weiter das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Wenn das nicht der Fall ist, eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prangenberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Helmut Kohl hat gestern in der Debatte zum 17. Juni sinngemäß gesagt: Wer Menschenrechtsverletzungen in der DDR anklagt, der ist kein kalter Krieger, sondern kommt nur der Pflicht nach, im deutschen Parlament die Wahrheit zu sagen. Insofern trifft es sich gut, daß dieses Haus einen Tag nach dem 17. Juni über einen Antrag berät, der zum Ziel hat, die Menschenrechtserziehung in unseren Schulen und unseren anderen Bildungsstätten verstärkt zu fördern. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, begrüßen diesen Antrag und begrüßen insbesondere, daß dieser Antrag ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen dieses Hauses ist.
Wir alle in diesem Hause wissen - darauf hat der Berichterstatter schon hingewiesen - um die Verletzung von Menschenrechten in aller Welt, sei es in Sowjetrußland, sei es in vielen osteuropäischen Staaten, in der DDR, sei es in südamerikanischen Diktaturen, so in Chile, aber genauso auch in Kuba oder in anderen Staaten. Unsere Auffassung, die der CDU/CSU-Fraktion, ist: Die Verletzung der Menschenrechte auf der Welt und ihre Anklage dürfen nicht parteipolitisch teilbar sein.
In der Bundesrepublik genießen alle Bürger einen umfassenden Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Dieser Satz, der aus der Begründung des gemeinsamen Antrages stammt, ist von allen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben worden. Gerade deshalb haben wir aber um so weniger Verständnis dafür, wenn z. B. Jugendorganisationen von SPD und FDP oder auch einzelne Abgeordnete dieses Hauses immer wieder angebliche Menschenrechtsverletzungen in unserem eigenen Land lautstark beklagen. So ist z. B. die These vom angeblichen Abbau demokratischer Rechte in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Zusammenhang ein besonders trauriges Beispiel.
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Sicherlich, in diesem Lande ist nicht alles in Ordnung, und vieles ist auch verbesserungswürdig. Menschenrechte werden in der Bundesrepublik Deutschland aber nicht verletzt
({1})
Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bekennen uns auch deshalb zu einer verstärkten Menschenrechtserziehung in unseren Schulen, weil die Schule junge Menschen heute vielfach zur Gleichgültigkeit gegenüber unserer Gesellschaftsordnung erzieht Geschichte, Erziehung zum wertgebundenen Verhalten, Bekenntnis zu bewährten
Tugenden und Werten - all das findet in unseren Schulen leider nur noch selten statt Die Pädagogen, die sich darum bemühen, sind in einer Minderheit Deshalb ist dieser Antrag sicherlich eine Ermutigung für diejenigen Lehrer, die ihren Beruf nicht nur als Job verstehen, sondern als verantwortungsbewußte Aufgabe ernst nehmen. Gerade heute stehen junge Menschen - das ist das, was man beobachten muß, wenn man z. B. mit jungen Abiturienten diskutiert - unserer Ordnung überwiegend zwar nicht feindschaftlich, aber dennoch gleichgültig gegenüber. Dies muß uns allen eigentlich große Sorgen machen.
Gleichzeitig erleben wir aber, daß viele junge Menschen nach Orientierungspunkten in unserer Gesellschaft suchen. Sie fragen nicht mehr so sehr nach Wachstumsraten, Vollbeschäftigung oder Inflationsraten; sie fragen nach Grundwerten. Dies zeigte sich z. B. beim Jugendfestival der CDU in Mainz. Dort war das Forum über Menschenrechte eines der lebendigsten und eines der diskussionsfreudigsten. Dies unterstreicht gerade auch den hohen Stellenwert, den die Frage der Menschenrechte im Wertesystem unserer Jugend hat Dies zeigt andererseits aber auch, daß diese Fragen in unseren Schulen offensichtlich nicht ausreichend behandelt werden. Deshalb hoffen wir von der CDU/ CSU-Fraktion, daß dieser Antrag in den Schulen eine Signalwirkung hat.
Daß diese Frage einen hohen Stellenwert gerade im Wertesystem junger Menschen hat, beweisen auch das Engagement und die Mitarbeit vieler junger Menschen in unserem Land in den Gefangenenhilfsorganisationen, z. B. in „amnesty international oder in der Gesellschaft für Menschenrechte. Gerade diese Organisationen wirken deshalb glaubwürdig, weil sie Menschenrechtsverletzungen nicht durch die parteipolitische oder durch die ideologisch gefärbte Brille gefiltert aufgreifen. Die CDU/ CSU-Fraktion dankt diesen jungen Menschen für ihren glaubwürdigen Einsatz und für ihr Engagement in diesen Organisationen.
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Diese Glaubwürdigkeit erwarten aber gerade junge Menschen auch von den verantwortungsbewußten Politikern. Das Vertrauen in die Ernsthaftigkeit des Kampfes für Menschenrechte geht aber verloren, wenn eine Regierung z. B. mit zweierlei Maß mißt Jugendliche draußen merken sehr gut, wenn gegen südamerikanische Diktatoren lautstark hier in Bonn Front gemacht wird, auf der anderen Seite aber vornehme Zurückhaltung geübt wird.
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Deshalb müssen wir alle im Bund und in den Ländern dafür Sorge tragen, daß der Geist dieses Antrages, daß das Anliegen, das dieser Antrag verkörpert, nicht verfliegt und daß dieser Antrag nicht letztlich in den Aktenschränken des Bundestages verstaubt. Er muß vor Ort umgesetzt werden. Nur so bekommt dieser Antrag einen politischen Sinn.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Lattmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag und die Beschlußempfehlung beruhen auf Vorstellungen, die „amnesty international" auf eine Anregung der SPD hin an alle Fraktionen des Bundestages herangetragen hat. Diese Vorstellungen wurden zum Ende der Legislaturperiode - in einem Klima des Auseinanderklaffens der Meinungen und Interessen - zum Gegenstand einer gemeinsamen Initiative von Koalition und Opposition. Das verdient Aufmerksamkeit.
Aber es wird bei einem Appell hohler Worte bleiben, wenn die inhaltliche Forderung des Antrags nicht mit dem Ernst, den sie beanspruchen muß, in politisches Handeln umgesetzt wird. Denn die Erfüllung dieses gemeinsamen Vorsatzes ist annähernd so schwierig wie die Einhaltung christlicher Gebote.
Der Antrag läuft nämlich auf nichts Geringeres hinaus, als daß alle in der Bildungspolitik Verantwortlichen - jeder in seiner Zuständigkeit - gewährleisten sollen, daß die Erziehung zum Gebrauch der Grundrechte des Menschen und die Information über die Inhumanität gelebter Wirklichkeit in weiten Teilen der Welt Vorrang in allen Organen der Bildung erhalten sollen.
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Wer das will, muß sich auch daran orientieren: Was zählt, ist weniger der Text unzähliger Menschenrechtskonventionen in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten. Was für die Betroffenen wie für oft ohnmächtige Zeugen der Zeitgenossenschaft zählt, ist vor allem die Erfahrung der realen Abwesenheit humaner Rechte und Lebensmöglichkeiten für Hunderte von Millionen Menschen, ja vielleicht für mehr als die Hälfte der gegenwärtigen Menschheit.
Deswegen steht auch fest: Wer anders als zögernd und mit ruhelosem Gewissen über Menschenrechte spricht, kann Glaubwürdigkeit für sich nicht in Anspruch nehmen. Die geistige Dürftigkeit der meisten politischen Moralforderungen läßt sich nicht verheimlichen. Die Praxis der Menschenrechte beginnt immer beim einzelnen, beim Verhalten der eigenen Gruppe, Organisation oder Partei und ihrer staatlichen Zugehörigkeit.
({1})
Wer Tafeln Menschenrechte aufrichtet, muß zuerst sich meinen und erst dann die anderen.
Zwar geschehen die schlimmsten Greuel auf der Welt gegenwärtig nicht in unserer unmittelbaren Reichweite. Aber es gibt bei uns eine verbreitete Haltung, die so tut, als wäre die Welt in freie und unfreie, in gute und böse Ordnungen und Unordnungen geteilt. Der Westen beansprucht dabei für sich in der Regel die Attribute der Freizügigkeit und Liberalität.
Es gibt auch eine Haltung, die sich unter der Forderung der Menschenrechte selbstgefällig im Antikommunismus erschöpft. Ihre Anhänger sprechen vom „Heißen Krieg in Afghanistan", aber vom „möglichen Engagement der Amerikaner am Golf von Oman". Menschenrechtserziehung wird nicht gelingen, wenn man z. B. die Kluft zwischen dem Nichtboykott der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien und dem Boykott der Olympischen Spiele in Moskau verschweigt.
Wer die Sowjetunion wegen Afghanistan anklagt, aber Vietnam, Chile und Korea vergißt, wie soll ihm eine kritische Jugend Glauben schenken? Der Holocaust in Kambodscha ließ uns immer noch ruhig schlafen; denn er war weit entfernt. Die Ungleichzeitigkeit der Ereignisse hemmt unser Bewußtsein; denn von der Steinzeit über das Mittelalter bis zur Aufklärung und zum Atomzeitalter ist auf dem Globus jederzeit alles vorhanden. Gegenden,. in denen die Menschenrechte noch nicht erfunden wurden, gibt es überall auf der Welt.
Politik kann sich mit einer so allgemeinen Erklärung keineswegs begnügen. Fangen wir bei uns selber an. Der Vorsitzende der CDU hat gestern - Herr Kollege Prangenberg, ich habe es wörtlich mitgeschrieben und kann es bestätigen - von dieser Stelle aus verkündet: „Wer das ausspricht" - nämlich daß in der DDR Menschenrechte vorenthalten bleiben -, „der ist kein kalter Krieger, sondern er kommt nur der Pflicht nach, im deutschen Parlament die Wahrheit auszusprechen."
({2})
Er forderte aber auch „Mut zur Wahrheit selbst dann, wenn sie unbequem ist".
Zu dieser Wahrheit gehört aber ebenso die Einsicht, daß wir die deutsche Frage weder durch Zitierung unserer Verfassung noch durch Empfehlungen der Kultusministerkonferenz, weder durch Erklärungen in diesem Plenum noch durch kartographisches Wunschdenken in unseren Schulbüchern lösen können.
({3})
In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Stärkung des Bewußtseins von der Einheit der deutschen Nation in Unterricht und Bildung heißt es:
Der Wille der Deutschen zur nationalen Einheit hängt nicht von bestimmten Formulierungen und Bezeichnungen ab ...
Jedenfalls hängt, denke ich, er nicht von beschwörenden moralischen Appellen ab, sondern von der Ausdauer der Verständigungspolitik hinweg über unüberwindlich erscheinende Gegensätze der politischen Systeme.
({4})
Überwinden wir zuerst die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land!
({5})
Oder bedeutet es keine Verletzung der Menschenrechte, wenn in der Bundesrepublik jährlich Hunderte von jungen Menschen durch mörderischen Drogenhandel zugrunde gehen?
({6})
Fallen Tausende von Kindsmißhandlungen durch die engsten Angehörigen und Hunderte von erschlagenen Kindern jährlich nicht ebenfalls in diese Kategorie?
({7})
Beseitigen wir das Unrecht, das in unserem Land immer noch den Sinti geschieht, den nichtentschädigten Zwangssterilisierten aus der Nazidiktatur,
({8})
manchen Mißhandelten im Strafvollzug!
({9})
Ich sehe den Entzug der Menschenrechte in nicht wenigen - wenn auch keinesfalls allen - Fällen auch im Ausschluß von Bürgern der Bundesrepublik aus dem öffentlichen Dienst wegen einer politischen Minderheitsmeinung.
({10})
Und wer schließlich wollte leugnen, daß das Wettrüsten in aller Welt eine gigantische Verletzung der Menschenrechte als äußerste Gefahr einschließt?
({11})
Was also soll konkret geschehen? Die SPD-Fraktion bejaht die einzelnen Punkte des Antrags mit dem Ziel der Veränderung der pädagogischen Wirklichkeit in der Bundesrepublik
({12})
durch ein überall geschärftes Bewußtsein für die Menschenrechtserziehung. Wir geben uns aber nicht der Illusion hin, daß diese Plenardebatte daran wirklich das Notwendige ändern wird, wenn nicht auf allen Ebenen in der Bundeszuständigkeit, in den Ländern und in den Kommunen dieser Appell Punkt für Punkt aufgegriffen wird. Wir überantworten ihn dem nächsten Bundestag und allen, die an der Erziehung der jungen Generation beteiligt sind: einer Erziehung zu demokratischem Mut.
({13})
Herr Präsident, meine Damen und Herren, da dies sicher mein letzter Beitrag im Bundestag ist, erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung.
({14})
Es gibt keine besonderen Menschenrechte für Parlamentarier. Aber es gibt die berechtigte Frage nach
der Art von Menschlichkeit, wie die Menschen, die
Politik verantworten, miteinander und mit der Gesetzgebung umgehen.
Deswegen erinnere ich daran, daß in diesem Haus am 16. Januar 1976 in einer brodelnden Stimmung mit sehr viel Emotion der § 88 a des Strafgesetzbuchs verabschiedet wurde. Am 12. Juni 1980 wurde bei Anwesenheit von 30 Mitgliedern dieses Parlaments und einem Journalisten auf der Pressetribüne derselbe Paragraph mit dem Stimmenverhältnis 18:12 gestrichen, ohne daß die veröffentlichte Meinung nennenswert davon Kenntnis nimmt. Ich meine, es ist mein Recht, daß ich als jemand, der aus diesem Hause scheidet, sage, daß es auch zu den Menschenrechten von Parlamentariern gehört, sich im nächsten Bundestag einer solchen Situation zu erinnern und zu sagen: Zu den Menschenrechten der Parlamentarier gehört in der Zone der Aufgeregtheit auch das Gegenteil, nämlich die Fähigkeit zur nüchternen, demokratischen Gelassenheit.
({15})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP begrüßt, daß es in dieser Legislaturperiode gerade in der Frage der Menschenrechtserziehung noch einmal möglich gewesen ist, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu verabschieden. Die Menschenrechte gehören, wie es im Antrag auch heißt, zu den wesentlichen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben. Gerade vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Unrechtsregimes mit seinen furchtbaren Menschenrechtsverletzungen haben die Väter des Grundgesetzes die Würde des Menschen zur ersten und wichtigsten Norm unserer Verfassung gemacht. Das Eintreten für die Menschenrechte gehört deshalb zum unverzichtbaren Minimalkonsens zwischen den demokratischen Parteien.
Ob und in welchem Umfang die Menschenrechte geachtet werden, ist eine Frage des Engagements jedes einzelnen Menschen. Dies nun wieder hängt ganz wesentlich von den Informationen, den Diskussionen und dem Bewußtseinsstand hinsichtlich der Menschenrechte ab. Wir möchten - darauf sollten wir, glaube ich, als Bildungspolitiker besonders hinweisen - jetzt nicht einfach ein Lehrfach Menschenrechte einführen, sondern wir sind der Auffassung, daß diese in Lernmitteln, in Schulbüchern und in die Lehrerausbildung in vielfältiger Weise aufgenommen bzw. einbezogen werden sollte und so gewissermaßen Bestandteil des Unterrichts werden kann. „amnesty international" hat - meine beiden Vorredner haben es bereits gesagt - unsere Fraktionen zu diesem Antrag angeregt Ich finde, wir sollten ihr dafür dankbar sein.
({0})
Meine Damen und Herren, in keinem Bereich klaffen Proklamation und Wirklichkeit derart auseinander wie in Fragen der Menschenrechte. Wenn nun ein Antrag auf Förderung der Menschenrechtserziehung vom Bundestag ausgeht, so wissen wir natürlich auch, daß wir als Bundestag nicht die KompeFrau Schuchardt
tenzen haben, den Schulunterricht in dieser Weise zu bestimmen. Aber wir waren übereinstimmend davon überzeugt, daß ein Votum dieses Bundestages den politischen Willen beeindruckend zum Ausdruck bringen könnte und dies von den Ländern als eine entsprechende Aufforderung aufgenommen wird. Wenn gerade „amnesty" mit dieser Frage an uns herantritt, so doch deshalb, weil die einzelnen Mitarbeiter dieser Organisation, die da ja alle freiwillig mitarbeiten, in tausendfacher Weise mit Einzelschicksalen konfrontiert werden, bei denen die Menschenrechte verletzt werden. Ich glaube, daß man auch in diesem Zusammenhang die Bitte an die Schulen richten sollte, „amnesty' in den Unterricht einzuladen, damit man anschauliche Beispiele bekommt, was es bedeutet, daß Menschenrechte in der Welt verletzt werden.
Meine Damen und Herren, die Menschenrechtserziehung als ein Kernstück politischer Bildung kann aber nur dann wirksam sein - deshalb möchte ich auch auf das eingehen, was meine Vorredner schon gesagt haben -, wenn man als Politiker, als Gesellschaft mit gutem Beispiel vorangeht. Nur dann kann das, was die Älteren der jüngeren Generation sagen, tatsächlich glaubwürdig sein. Das heißt, wir müssen hier den Mut zur Gradlinigkeit haben. Verzeihen Sie, wenn ich im Augenblick festgestellt habe, daß selbst die Diskussion zu diesem übereinstimmenden Antrag doch wiederum deutlich gemacht hat, daß man immer dem jeweils anderen gern unterstellen möchte, an der einen oder anderen Stelle die Menschenrechte nicht zu achten. Ich weiß nicht, ob das eine gute Voraussetzung ist, gerade mit einer solchen Diskussion als Anregung an die Schulen heranzutreten. Es könnte die Lehrer, die sich damit auseinandersetzen, auch demotivieren.
Selbstverständlich, darf man bei der Beurteilung von Verletzungen der Menschenrechte nicht einäugig sein. Insofern bedeutet dies, daß man es bei der Sowjetunion, der DDR und überhaupt bei anderen osteuropäischen Staaten ebenso kritisieren muß und sollte wie eben auch in Chile und anderen Rechtsdiktaturen. Darüber sollte bei uns eigentlich kein Zweifel bestehen.
Auch unsere Abhängigkeit von der Ölzufuhr z. B. aus den arabischen Ländern sollte uns nicht daran hindern, zu kritisieren, daß in Saudi-Arabien als Strafe immer noch Gliedmaßen amputiert und schwere Auspeitschungen durchgeführt werden. Ich stimme insofern dem heutigen Appell der Gefangenenhilfsorganisation „amnesty international" zu, die dies in ihrem offenen Brief an die saudiarabische Regierung angeprangert hat.
({1})
- Natürlich auch im Iran, Herr Meinecke, dies kann selbstverständlich immer nur beispielhaft sein.
Trotz aller Notwendigkeit, das Nordatlantische Bündnis zu stärken, darf uns dies andererseits auch nicht hindern, Fragen in der Türkei aufzugreifen, die sich mit unseren Vorstellungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten nicht decken.
({2})
- Diese Zwischenrufe sind insofern etwas nutzlos, als man damit immer die leichte Unterstellung macht, als ob irgend jemand in unserem Lande unmittelbar verhindern könnte, daß Menschenrechte in anderen Ländern mit Füßen getreten werden. Ich finde, wir haben sehr wohl die moralische Kraft und die Pflicht, darauf hinzuweisen, aber wir sollten dies nicht personifizieren; es hilft uns nicht sehr viel weiter.
({3})
Die Verhältnisse in Süd-Korea können auch nicht damit gerechtfertigt werden - dies ist leider oft geschehen -, daß es in Nord-Korea noch schlimmer aussieht.
Meine Damen und Herren, ich möchte gern auch einiges zum Inland sagen. Herr Prangenberg, Sie haben die Jugendorganisationen angegriffen, u. a. die Jungdemokraten, weil sie in einigen Bereichen der Auffassung sind, daß die Menschenrechte und das, was sie darunter verstehen - sie gehen manchmal vielleicht mit idealeren Vorstellungen daran als dieses Haus -, nicht hinlänglich geachtet werden.
Für mich ist es ein Menschenrecht, das man akzeptiert und die Jugend sogar auffordert, das moralische Gewissen der Erwachsenen zu sein. Ich finde, sie haben ein Recht darauf, möglicherweise auch einmal über das Ziel hinauszuschießen.
({4})
Ich meine, diejenigen, die den Jugendorganisationen und der Jugend dies nicht zugestehen wollen, haben vielleicht doch noch nicht so richtig begriffen, wie umfangreich eigentlich der Begriff der Menschenrechte ausgelegt werden muß.
({5})
Meine Damen und Herren, die Förderung der Menschenrechtserziehung wird auch nur dann glaubwürdig, wenn wir zunehmend bereit sind, die elementaren Menschenrechte der Menschen der Dritten Welt durch eigene wirtschaftliche Opfer zu sichern.
({6})
Die gegenwärtige Dürre- und Hungerkatastrophe in der Sahel-Zone ist ein besonders bedrückendes Beispiel. Wir sind hier trotz unserer eigenen, sehr viel geringeren wirtschaftlichen Probleme - oder gerade deshalb - aufgerufen, entschieden zu helfen.
Der Antrag zur Förderung der Menschenrechtserziehung, der heute einvernehmlich zwischen den Fraktionen beschlossen wird, darf keine in Antragsform gefaßte politische Sonntagsrede sein.
({7})
Sie ist nicht nur ein Appell an andere, sondern zugleich Selbstverpflichtung aller politisch Verant18026
wortlichen. Menschenrechtserziehung ist nur glaubwürdig, wenn die Politik zur Verwirklichung von Menschenrechten überall in der Welt glaubwürdig beiträgt
({8})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4033, den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 8/3751 unverändert anzunehmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag Drucksache 8/3751 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
- Drucksache 8/2480 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4195 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl ({1})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({2})
Berichterstatter:
Abgeordnete Jaunich Krey
- Drucksache 8/4153 - ({3})
Meine Damen und Herren, es sind interfraktionell Kurzbeiträge vorgesehen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Drucksache 8/4223 beantragt die CDU/CSU die volle Wiederherstellung der Initiative der Bundesratsmehrheit im Lastenausgleich zugunsten der Altersversorgung der Geschädigten. Die Zahlen der 7. Anpassungsverordnung und der Novelle von 1979 werden berücksichtigt
Es geht also um eine Verbesserung des Selbständigenzuschlags zur Unterhaltshilfe, gestaffelt zwischen 4 DM und 13 DM im Monat, und des Sozialzuschlags von 7 DM sowie eine Erhöhung des Einkommenshöchstbetrags von sonstigen Einkommen plus Entschädigung.
Im Innenausschuß haben SPD und FDP die dankenswerte Initiative der Bundesratsmehrheit abgelehnt, doch haben sie heute im Innenausschuß erklärt, der Bundesfinanzminister wolle die Kriegsfolgengesetzgebung wieder öffnen. Eine wichtige Erklärung. In den Ländern vor Ort weiß man, wie karg und wie beschämend die Altersversorgung insbesondere der ehemals Selbständigen und der mithelfenden Familienangehörigen im Lastenausgleich in den letzten zehn Jahren geworden ist - und dies trotz der Anregungen und Anträge des Bundesrats und der CDU/CSU, die leider von der Mehrheit abgelehnt wurden.
Vor 1969 gab es alle zwei Jahre große substantielle Novellen im Lastenausgleich und nicht nur Anpassung an die Steigerung der Lebenshaltungskosten. Die ausdrücklich angekündigte Absicht des Finanzministers der Großen Koalition, Strauß, in der weiteren Phase des Lastenausgleichs einen krönenden Abschluß im Substantiellen in einer großen Novelle zu bringen, wurde nach dem Machtwechsel in Bonn nicht mehr verwirklicht. Man hat sich mit den zurückgelassenen Reserven und der damals geringen Staatsverschuldung in einen utopischen Reformtaumel und mit dem Gießkannenprinzip in ein inflationäres Finanzgebahren gestürzt. Wie immer in solchen Fällen wurden dabei die schwächsten Kreise des Volkes, darunter die Opfer der Vertreibung, der Flucht und des zerstörten persönlichen Eigentums, schmählich vernachlässigt
({0})
Soweit es Deutsche waren, hat man ab 1969 ständig Mangel an Mitteln vorgeschützt, die man ansonsten im Überschuß ausgab.
. ({1})
Wissen eigentlich die Abgeordneten, die eine solche Novelle ablehnen, daß ausweislich der monatlichen Auszahlungsstatistiken von 1980 für eine Viertelmillion Unterhaltshilfeempfänger je Person im Durchschnitt nur 497 DM im Monat und für 150 000 Empfänger von Entschädigungsrenten zusätzlich im Durchschnitt 72 DM im Monat aufgewendet werden? Wie soll man denen, die nicht über dem Durchschnitt liegen, sondern im Durchschnitt oder darunter, eigentlich klarmachen, wie sie ihre Existenz ohne Verwandtenhilfe, ohne Sozialhilfe und andere Hilfen fristen sollen? Das müßte einmal klar beantwortet werden. Frühere Regierungen sahen ihre Aufgabe darin, diese unverschuldeten Opfer des Krieges nicht zur Sozialhilfe zu schicken, sondern ihnen angemessene Rechtsansprüche im Lastenausgleich zu geben. Obwohl das Bruttosozialprodukt in den letzten zehn Jahren auch real gewachsen ist, hat man außer Teuerungsanpassungen die Basis der Ansprüche dieser alten Opfer der Vertreibung und Flucht nicht geändert.
({2})
Man hat das auch dann nicht getan - Herr Kollege Jaunich -, als man viele Milliarden an Hilfen mid fragwürdig werdenden Bürgschaften der Planwirtschaft und der Militärmaschinerie kommunistischer Vertreiberstaaten zuführte,
({3})
die gar nicht den Völkern unserer Nachbarn zugute kommen.
Die Verbitterung - das können Sie nicht leugnen, Herr Kollege - dieser alten Geschädigten aus den Reihen der Vertriebenen und Flüchtlinge ist deshalb sehr groß. Die CDU/CSU fühlt sich verpflichtet, dem klaren Ausdruck zu geben. Es ist leider ein besonderes Zeichen verfehlter Ausgabenpolitik, daß man die Schwächsten am wenigsten berücksichtigt und sich am wenigsten auf das sozial Notwendige konzentriert - leider.
Die vorliegenden Anträge belasten weder heute noch in der mittelfristigen Finanzplanung den Bundeshaushalt. Selbst in der später wirksam werdenden Ausfallgarantie des Bundes treten gegenüber der Lage von 1979 keine Mehrbelastungen ein, denn durch das bereits erfolgte Hinausschieben des Anpassungstermins für die Kriegsschadensrente sind schon 1978 59 Millionen DM Minderausgaben im Lastenausgleichsfonds entstanden. Niemand hat im Ausschuß dieser Verfügbarkeit widersprochen, was auch der Bericht beweist.
Nach der geradezu verletzenden Antwort der Bundesregierung auf die Forderung des Bundestags beim Nachtragshaushalt, mit der Beseitigung von Härtefällen auch in den Kriegsfolgen zu beginnen, bringt nunmehr unsere Fraktion noch eine besondere Novelle im Lastenausgleich ein, die auch andere Anliegen aufgreift. Auch sie bringt mittelfristig noch keine Haushaltsbelastung, wohl langfristig. Die Bundesratsmehrheit und wir sind uns der Verantwortung der sparsamen Haushaltsgebarung voll bewußt. Dies kann aber nicht unerträglich die Ärmsten noch mehr zurückwerfen, sondern muß gegen utopische Reformen und gegen uferlose Verbürokratisierung zum Wirken kommen.
An den deutschen Opfern der Kriegsfolgen hat man durch ungerechten Geiz schon seit Jahren bei ansonsten großzügiger Ausgabenwirtschaft zuviel eingespart. Auch die verzögernde Behandlung der Initiative des Bundesrats zum Reparationsschädengesetz weist in die gleiche Richtung.
Meine Damen und Herren, Sie können auch nicht die von uns - ich nenne insbesondere Kollegen Ritz - durchgezogene Initiative zur Fortsetzung der Hilfe an landwirtschaftliche Vollbauern bei der Eingliederung vorschieben und sich dahinter verstekken, weil diese Hilfe aus dem für Vertriebene und Flüchtlinge zweckgebundenen hohen Zweckvermögen der Siedlungs- und Rentenbank kommt. Auch Entschließungsanträge sind gegenüber solchen Ungerechtigkeiten billige Vertröstungen auf die Zukunft.
Wenn der Bundesfinanzminister die Gesetzgebung öffnen will, wie heute im Innenausschuß gesagt worden ist, dann bitten wir Sie: Geben Sie doch ein erstes Zeichen. Nachdem bei Ihnen niemand, der tatsächlich in der täglichen Arbeit und Verantwortung für Vertriebene und Flüchtlinge steht, hier noch zu Worte kommt, sollten Sie wenigstens überlegen, ob Sie vor Ihrem sozialen Gewissen und vor Ihren Wählern mit diesen Ablehnungen bestehen können.
({4})
Folgen Sie, meine Damen und Herren, wenigstens bei diesen minimalen Verbesserungen den Vorstellungen des ganzen Bundesrats, wenn Sie schon nicht den Vorstellungen der Opposition folgen wollen. Unsere Fraktion wird für die Initiative im Sinne des Änderungsantrags stimmen.
Ich danke.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, das, was zu dem hier zu behandelnden Thema zu sagen ist, zugleich im Namen der Kollegen der FDP-Fraktion vorzutragen, weil wir in der Einschätzung dessen, um was es sich hier handelt, völlig einer Meinung sind. Sie versuchen hier nämlich, im Hinblick auf den Wahlkampf im Herbst dieses Jahres ein bißchen etwas vorzuzaubern.
Sie legen dem Haus am heutigen Tage einen Novellierungsgesetzentwurf zum Lastenausgleich vor. Merkwürdigerweise ist zur gleichen Stunde ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU, eine finanzpolitische Bestandsaufnahme vorzunehmen, Verhandlungsgegenstand in diesem Hause. Der Novellierungsentwurf, den Sie heute vorlegen und der aus rein zeitlichen Gründen überhaupt keine Chance mehr hat, in diesem Bundestag verabschiedet zu werden, würde Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen DM bewirken. Das ist unsolide, meine Damen und Herren von der Union. So können wir nicht miteinander umgehen.
({0})
Der Entwurf des Bundesrates, um den es geht, hat strukturelle Verbesserungen im Zusammenhang mit der Kriegsschadensrente zum Ziel. Darüber haben wir bereits im Zusammenhang mit der 29. Lastenausgleichsnovelle nicht nur miteinander geredet, sondern wir haben in diesem Sinne gehandelt. Auf Grund dieser Novelle, die bereits am 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist, wurden die durch das Hinausschieben der Anpassungstermine für die Kriegsschadensrente um ein halbes Jahr - wie bei den gesetzlichen Renten auch - erwirtschafteten Minderausgaben des Ausgleichsfonds in Höhe von 46 Milliarden DM im Jahre 1978 - abfallend bis auf 35 Milliarden DM im Jahre 1981 - zu einem großen Teil, nämlich zu über 40 % im Sinne der beschriebenen strukturellen Maßnahmen weitergegeben. Bei diesen Beratungen haben wir den Entwurf des Landes Baden-Württemberg bereits mit berücksichtigt und haben ihn in der Art und Weise, wie ich das eben beschrieben habe
({1})
- zu dem Teil, wie es zu verantworten war -, in unsere Gesetzgebung eingearbeitet. Die Betroffenen sind bereits im Genuß dieser Verbesserungen.
Der Entwurf des Bundesrates sieht höhere Mehraufwendungen vor, als die Minderausgaben, die sich
durch die Hinausschiebung des Anpassungstermines ergäben, überhaupt hergeben. Das muß die Koalition in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Bundesregierung ablehnen, weil es nicht finanzierbar ist. Die Opposition sollte sich bei diesen von ihr verlangten Mehraufwendungen auch ins Gedächtnis zurückrufen, daß gerade sie, als sie noch Regierungspartei war, es als christlich und sozial hätte betrachten müssen, grundsätzliche Verbesserungen für die Empfänger von Kriegsschadensrente durchzuführen. Das war in der 60er Jahren notwendig, und das sollte gerade der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Herr Dr. Czaja, wissen.
Wäre das damals bereits geschehen, brauchte man heute mit diesem Gesetzentwurf nicht wie mit einer Gießkanne versuchen, in Form erhöhter Freibeträge und Zuschläge etwas zu verlangen. Auf diesen für Sie unangenehmen Zusammenhang müssen wir heute hinweisen, weil die sozialliberale Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Jahre 1972 entsprechend ihren Grundsätzen für 400 000 Berechtigte auch die Altersversorgung im Lastenausgleich in die jährliche Dynamisierung einbezogen hat. Wäre das früher geschehen, auf welch höherem Sockel als heute würden sich dann alle Verbesserungen auswirken!
({2})
- Eben. - In diesem Sinne wird seitdem in gleicher Höhe und vom gleichen Zeitpunkt wie die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Kriegsopferrenten die Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich mit ihren Zuschlägen angehoben.
Die heutige Opposition konnte solche Verbesserungen in ihrem eigenem Bereich seinerzeit wohl nicht durchsetzen. Es war doch schließlich Bundeskanzler Kiesinger, der in der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 ausgeführt hat - ich zitiere -:
Die Gesetzgebung über die Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen sollte abgeschlossen werden. Die Finanzlage des Bundes beweist, daß wichtige Aufgaben der Zukunftsvorsorge sträflich vernachlässigt werden würden, wenn die kommenden Jahre durch neue Zahlungen für die Vergangenheit belastet würden. Auch die geltenden Regelungen müssen mit dem Ziel überprüft werden, die Ausgabeverpflichtungen mit der Einnahmeentwicklung des Bundes in Einklang zu bringen.
({3})
- Das tut Ihnen weh; das weiß ich.
({4})
Ich darf Sie auch noch daran erinnern, daß zu jenem Zeitpunkt Finanzminister der jetzige Kandidat Franz Josef Strauß und daß der Bundesvertriebenenminister Kai-Uwe von Hassel war. Was Sozialdemokraten und Freie Demokraten seit 1969 an neuen Leistungen und Leistungsverbesserungen bewirkt haben, kann sich gewiß sehen lassen. Es entspricht unserer sozialen Einstellung, unserer Auffassung von Solidarität, denen zu helfen, die unserer Hilfe bedürfen, oder - noch klarer gesagt - denjenigen, denen in Ihrer zwanzigjährigen Regierungszeit nicht in dem nötigen Ausmaß geholfen wurde. Ich denke dabei u. a. an die Geschädigten aus der DDR, die erst durch unsere Gesetzgebung die ihnen lang zustehende Entschädigung erhalten konnten und an die bis jetzt schon 4 Milliarden DM gezahlt worden sind. Ich denke an die Vereinfachung des Notaufnahmeverfahrens und die verbesserte Anerkennung von Flüchtlingen und entlassenen ehemals politischen Häftlingen aus der DDR. Wir haben die Stiftung der Heimkehrer und der politischen Häftlinge aufgestockt. All dies ist Lastenausgleich für die Geschädigten des Zweiten Weltkrieges.
({5})
10,6 Millionen Vertriebene und 3,8 Millionen Flüchtlinge und Zuwanderer hat diese Bundesrepublik integriert, dazu die hohen Zahlen von Aussiedlern, die zu uns kommen und die wir eingliedern. All dies erfordert enormen finanziellen Aufwand, der aber jenen zufließt, die unserer Hilfe in besonderer Weise bedürfen.
({6})
- Ich muß Sie daran erinnern, daß die Spätaussiedler, die zu Ihren Zeiten in die Bundesrepublik kamen, nicht jene Hilfen bekommen haben, die wir heute den bei uns eintreffenden Spätaussiedlern anbieten können. Ich will sie nicht im einzelnen aufzählen; dazu reicht die Redezeit nicht aus.
All dies, was ich hier an Leistungen beschrieben habe, kostet Milliarden. Im Lastenausgleich sind derzeit mehr als 115 Milliarden DM bereits gezahlt worden.
({7})
- Die Haftung des Bundes, die Garantieverpflichtung des Bundes, Herr Dr. Czaja, können Sie nicht dauernd negieren. Alles, was an Fondsmitteln zur Abwicklung der gesetzlich statuierten Ansprüche nicht ausreicht, hat der Bund in Zukunft zu bewirken. Da müssen wir aufpassen, da müssen wir sorgsam sein, da können wir hier nicht Schaufensteranträgen von Ihnen oder vom Bundesrat zustimmen.
({8})
Wir sind uns unserer finanzpolitischen Verantwortung bewußt. Wir brauchen da keine Schauanträge zu einer finanzpolitischen Bestandsaufnahme. Sie treiben Schindluder mit den Interessen der Betroffenen, wenn Sie hier vorzugaukeln versuchen,
({9})
da wären noch Millionenbeträge in Marsch zu setzen.
({10})
Eine solche Auffassung könnte sich eigentlich noch nicht einmal eine verantwortungsbewußte Opposition leisten.
({11})
Die Regierungsparteien können es in keinem Falle. Wir denken nicht daran, so mit dem Schicksal der schwer Getroffenen des Zweiten Weltkrieges umzugehen.
({12})
Auf unsere Hilfe können sich diese Gruppen verlassen, aber jeweils immer nur im Rahmen dessen, was finanzpolitisch auch solide verabschiedet werden kann.
Einiges von dem, was aus der Novelle des Bundesrates hervorgeht, nehmen Sie in Ihrem neuen Entwurf noch einmal auf. Ich bitte Sie, sich das allein gesetzgebungstechnisch einmal vor Augen zu führen. Sie haben einen Änderungsantrag zur Drucksache 8/2480 eingebracht, und das gleiche - Sie müssen doch davon ausgehen, daß er zunächst einmal durchkommt ({13})
schreiben Sie dann noch einmal in den neuen Gesetzentwurf hinein. Ich will nur eine Zahl nennen. Sie sehen Ausgaben in Höhe von 250 Millionen DM allein für die neue Ausgestaltung des § 301 b des Lastenausgleichsgesetzes vor. In der Kostenbeschreibung im Vorblatt Ihres Gesetzentwurfes verschweigen Sie diesen Tatbestand.
({14})
Ja, sagen Sie einmal, was wollen Sie eigentlich hier damit bewirken?
({15})
Es sind enorme, in die hundert Millionen gehende neue Ausgaben, für die letztendlich der Bund eintreten müßte. Bei einem solchen Spiel können wir nicht mitmachen.
Wir werden den Gesetzentwurf der Beschlußempfehlung des Innenausschusses entsprechend ablehnen.
({16})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 8/4223 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letztere war die Mehrheit Der Antrag ist demgemäß abgelehnt
Wer Art. 1 in der Fassung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 8/2480 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Art. 2 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt
Ich rufe Art. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4223 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 3 in der Fassung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 8/2480 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Es bleibt noch über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt
In zweiter Beratung sind alle Teile des Gesetzentwurfs abgelehnt worden. Damit unterbleibt nach § 84 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung und Abstimmung.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4153 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden?
({0})
- Wir stimmen darüber ab. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Es ist mit Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Czaja, Erhard ({1}), Dr. Hupka, Dr. Wittmann ({2}), Dr. Hennig, Sauer ({3}), Schmidt ({4}), Müller ({5}) und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
- Drucksache 8/4229 -Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort wird auch nicht anderweitig gewünscht.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Gesetzentwurf an den Innenausschuß - zur federführenden Beratung - und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nun kommt Tagesordnungspunkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes
- aus Drucksache 8/3829 18030
Präsident Stücklen
Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({6})
- Drucksache 8/4161 Berichterstatter: Abgeordneter Eimer ({7})
({8})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1979 zur Änderung des Vertrages vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten
- Drucksache 8/3746 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({9})
- Drucksache 8/4142 Berichterstatter: Abgeordneter Gertzen
({10})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Förderung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Staaten
- Drucksache 8/3747 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({11})
- Drucksache 8/4143
Berichterstatter: Abgeordneter Gertzen
({12})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Anderweitig wird das Wort auch nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 8/3919 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({13})
- Drucksache 8/4150 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
({14})
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
Präsident Stücklen
wurfs eines Gesetzes zum Zusatzprotokoll vom 13. März 1980 zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete
- Drucksache 8/3994 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({15}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4204 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({16})
- Drucksache 8/4162 Berichterstatter: Abgeordneter Gertzen
({17})
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zum Zusatzprotokoll vom 13. März 1980 zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete ({18})
- Drucksache 8/3995 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({19}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4204 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({20})
- Drucksache 8/4162 Berichterstatter: Abgeordneter Gertzen
({21})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung über die Vorlage unter Tagesordnungspunkt 12 a. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Nun zu Tagesordnungspunkt 12 b, Drucksachen 8/3995 und 8/4162. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 10, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 142 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Berufsberatung und Berufsbildung im Rahmen der Erschließung des Arbeitskräftepotentials
- Drucksache 8/3550 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({22})
- Drucksache 8/4200 Berichterstatter: Abgeordneter Lutz
({23})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über Leistungen für Arbeitslose
- Drucksache 8/3993 -
Präsident Stücklen
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({24}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache *) -Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({25})
- Drucksache 8/4184 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George
({26})
Zum Bericht des Haushaltsausschusses ist noch keine Drucksachennummer angegeben. - Ich höre, die Nummer soll nachgetragen werden. Ist Ihnen der Inhalt dieser Drucksache bekannt? Gibt es über diesen Inhalt irgendwelche unterschiedlichen Auffassungen?
({27})
- Gut, die Nummer wird also, wie gesagt, nachträglich eingesetzt
Wird zur Berichterstattung das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über Soziale Sicherheit
- Drucksache 8/3992 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({28}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache ... *) -
Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({29})
- Drucksache 8/4183 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George
({30}) später eingesetzt: 8/4242
Auch hier hat der Bericht des Haushaltsausschusses keine Drucksachennummer. Warum wird ihm die nicht gegeben? - Sie liegt noch nicht vor. Ist das Haus in Anwendung des § 127 der Geschäftsordnung damit einverstanden, daß auch hier die Drucksachennummer nachgetragen wird?
({31})
Der Inhalt liegt ja vor und ist bekannt. Die Drucksachennummer konnte noch nicht eingesetzt werden, weil die Reihenfolge der Drucksachen noch nicht feststeht Sind Sie damit einverstanden, daß das nachgeholt wird?
({32})
Wir verfahren hier demnach so wie beim vorhergehenden Punkt
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs
- Drucksache 8/3949 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({33})
- Drucksache 8/4199 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Linde Dr. Bötsch
({34})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht gewünscht
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Präsident Stücklen
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern
- Drucksache 8/3529 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({35})
- Drucksache 8/4194 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Stark ({36}) Dr. Schwenk ({37})
({38})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch zur allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zü erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank
- Drucksache 8/3984 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({39})
- Drucksache 8/4201 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Zumpfort
({40})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Zur allgemeinen Aussprache wird das Wort auch nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 8 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen
- Drucksache 8/3987 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({41})
- Drucksache 8/4185 Berichterstatter: Abgeordneter Feinendegen
({42})
Von seiten des Berichterstatters wird das Wort nicht gewünscht. Auch sonst liegen keine Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 zur Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens
- Drucksache 8/4227 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß ({43}) Rechtsausschuß
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? -- Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Präsident Stücklen
Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980
- Drucksachen 8/3624, 8/2877, 8/3194 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({44}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache ... *) -Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl ({45})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({46})
- Drucksache 8/4203 Berichterstatter:
Abgeordnete Regenspurger Berger ({47})
Dr. Wendig
({48})
Auch hier wird abweichend von den Bestimmungen der Geschäftsordnung in Anwendung des § 127 der Geschäftsordnung für den Bericht des Haushaltsausschusses die Drucksachennummer nachträglich eingefügt. Wird das vom Hause auch so akzeptiert? - Kein Widerspruch. Damit ist auch die erforderliche Mehrheit gegeben.
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort ? - Von seiten der Berichterstatter liegt keine Wortmeldung vor.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Erhard ({49}).
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist zumindest bei den Beamten, den Verbänden und den sonst Interessierten mehr unter dem Namen „Besoldungsstrukturgesetz" bekannt. Es ist gut, daß die längst überfälligen Verbesserungen für die Soldaten jetzt Gesetz werden. Es ist gut, daß die von der CDU/CSU-Fraktion im Mai 1979 auf Drucksache 8/2877 beantragte Zulage für die Beamten der Sekretärsgruppe verwirklicht wird.
Die Verbesserung des Beamtenversorgungsgesetzes - etwas genauer: die Wiederherstellung früheren Rechts - ist gut und richtig. Auf Antrag Bayerns und Baden-Württembergs hatte der Bundesrat dies vorgeschlagen. Diese Regelung stellt sicher, daß Beamte die Versorgung aus einem durch Gesetz geschaffenen neuen Beförderungsamt auch dann erhalten, wenn sie dieses noch nicht zwei Jahre lang wahrgenommen haben. Damit wird insbesondere den älteren Polizeivollzugsbeamten geholfen, für die mit Wirkung vom 1. Januar 1979 das neue Spitzenamt im mittleren Polizeivollzugsdienst eingeführt worden ist. Diese Regelung ist im Bundestag und in seiner Umgebung allgemein bekannt unter dem Namen „A 9 plus Zulage".
*) Später eingesetzt: 8/4241
Meine Fraktion hätte es begrüßt, wenn die Initiative des Bundesrats schon früher verabschiedet worden wäre, zumal dieser Entwurf schon lange im Innenausschuß zur Beratung anstand; dann wären bei den älteren Vollzugsbeamten, die inzwischen in den Ruhestand getreten sind, keine Nachteile eingetreten.
Meine Damen und Herren, Besoldungsgesetze kosten Geld. Also sind sie auch meist umstritten. Von den wichtigen und notwendigen Anpassungen im öffentlichen Dienstrecht, die in den letzten Jahren erkennbar geworden sind und anstehen, sind speziell in dieser Legislaturperiode keine verwirklicht worden. Ich zähle nur einige auf: Die vor einem Jahrzehnt so groß angekündigte Reform des öffentlichen Dienstrechts ist zu Grabe getragen worden. Die vom Bundesinnenminister angekündigte Fortentwicklung des Berufsbeamtentums hat nicht stattgefunden. Der gesetzliche Auftrag zur sachgerechten Bewertung der Funktionen ist systematisch verschleppt worden. Nach fünf Jahren liegt noch keine einzige Funktionszuweisungsverordnung, mit der diese Bewertung erfolgen sollte - vor allem im Bereich der Justiz, nämlich bei den Rechtspflegern -, vor. Die Dienstpostenbewertung, ein wesentlicher Bestandteil der seinerzeit angekündigten Dienstrechtsreform, wird seit mehr als einem Jahrzehnt lediglich in Zirkeln gut bezahlter ministerieller Experten diskutiert. Greifbare Ergebnisse liegen nicht vor. Lediglich einige Modellversuche ohne praktischen Nutzwert werden auf dieser Spielwiese durchgeführt Die notwendige Bereinigung des Beamtenrechts mit der Regelung der Nebentätigkeit sowie die Novellierung des Beihilferechts sind gleichfalls ganz klammheimlich zu den Akten gelegt worden. Dies ist vor allem für die Versorgungsempfänger aus niedrigen Besoldungsgruppen sehr schmerzlich. Was geblieben ist, sind Minimalregeln im Laufbahnrecht und bei der Teilzeitbeschäftigung, die weit hinter dem zurückgeblieben sind, was ursprünglich angekündigt war.
Was ich der Bundesregierung und Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, vorhalten muß, ist zweierlei. Auf der einen Seite haben Sie sich als nicht in der Lage erwiesen, die wichtigen und aktuellen Probleme des Berufsbeamtentums zu lösen. Vielleicht haben Sie das auch nicht gewollt. Sie haben wider besseres Wissen in öffentlichen Erklärungen und durch Vorlegung von Programmen und Entwürfen immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, als ob alsbald ein Reformvorhaben verwirklicht werden würde.
({0})
- Das heißt das, was ich gesagt habe, Herr Kollege Wehner.
Wenn daraus nichts wurde, wurde den Betroffenen bedeutet, sie sollten froh sein, daß es nicht schlimmer gekommen sei; die Linken in der eigenen Partei hätten da ganz andere Vorstellungen über die Ausgestaltung des Beamtenrechts. Wissen Sie, Herr
Erhard ({1})
Kollege Wehner, ich bin ja ein Abgeordneter, der aus Hessen kommt,
({2})
und ich bin ja, wie Sie auch wissen, sehr viele Jahre im hessischen Landtag gewesen. Ich weiß sehr genau, was für unterschiedliche Auffassungen speziell zum Beamtenrecht in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei vorhanden sind. Man braucht ja bloß die hessische Verfassung zu lesen.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben seit langem, d. h. seit mehr als zwei Jahren, den Beamten versprochen, drei grundsätzliche Verbesserungen durchzuführen, nämlich erstens Anhebung der Eingangsämter im mittleren und im gehobenen Dienst - in der Vorlage der Bundesregierung, über die wir jetzt in der vom Ausschuß geänderten Fassung zu entscheiden haben, ist das ausdrücklich unter Bezugnahme auf eine Erklärung der Bundesregierung im Bundestag dargestellt -, zweitens Verbesserung der Mindestversorgung und drittens Einführung eines neuen Spitzenamts A 9 plus Zulage für den gesamten mittleren Dienst. Das dritte ist verwirklicht.
Der objektive Betrachter gibt mir sicher recht, wenn ich feststelle, daß in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Von den Versprechungen wurde allein das neue Spitzenamt für den gesamten mittleren Dienst verwirklicht. Nicht enthalten ist die Hebung der Eingangsämter im mittleren und im gehobenen Dienst. Sie wissen, daß meine Fraktion in den Ausschußberatungen für die Hebung der Eingangsämter eingetreten ist - wie übrigens, nur in anderer Weise, auch die Bundesregierung -, weil infolge der besseren Ausbildung höhere Anforderungen an diese jungen Beamten gestellt werden müssen. Meine Fraktion hatte eine Lösung vorgeschlagen, die verfassungsrechtlich einwandfrei gewesen wäre. Aber die beiden Regierungsfraktionen haben alles abgelehnt. „Alles" heißt: was wir vorgeschlagen haben und was die eigene Regierung vorgeschlagen hat. Sie haben sich damit in Widerspruch zu Ihrer eigenen, von Ihnen gestellten Regierung begeben.
Und nun berufen Sie sich zur Begründung Ihrer Haltung auch noch auf den Bundesrat. Ich meine, Sie sollten öfter auf den Bundesrat hören - aber nicht, um ihn als Alibi für ein anderes Wollen zu gebrauchen.
Der Gesetzentwurf ist von der Bundesregierung so spät eingebracht und seine Beratung dann so verschleppt aufgenommen worden, daß jetzt keine wesentlichen und weitergehenden Diskussionen und Abklärungen mehr möglich erscheinen. Wenn das Gesetz in dieser Wahlperiode verabschiedet werden, also auch die Hürde des Bundesrats nehmen soll, ist es sicher richtig, sich weithin synchronisiert mit dem Bundesrat zu verhalten.
Wegen der grundsätzlich unterschiedlichen Standpunkte wird ein Einvernehmen in der Zwischenzeit nicht mehr möglich sein. Wir wiederholen deshalb die im Ausschuß gestellten Anträge nicht - bis auf einen.
Wenn schon nicht die Hebung der Eingangsämter, die wir nach wie vor für vordringlich halten, erreicht werden kann, darf der Gesetzentwurf wenigstens in seinen übrigen Bestandteilen nicht gefährdet werden. Wir halten es nicht für vertretbar, daß wieder einmal die Empfänger von Mindestversorgungsbezügen benachteiligt werden. Es ist nicht einzusehen, daß ausgerechnet die Empfänger kleinster Einkommen, die außerdem unter der wenig altenfreundlichen beamtenrechtlichen Krankenfürsorge am meisten zu leiden haben, nicht nur nicht an der allgemeinen Einkommensverbesserung teilnehmen dürfen, sondern auch noch Inflationsverluste aufgebürdet erhalten.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb heute zwei Anträge eingebracht. Mit dem Änderungsantrag zu Art. 7 Nr. 1 a des Besoldungsstrukturgesetzes wird vorgeschlagen, den Sockelbetrag für die Mindestversorgung von 45 auf 58 DM anzuheben. Damit werden die bisher erfolgten allgemeinen Einkommensverbesserungen nachgeholt. Des weiteren hat meine Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung gebeten wird, sich dafür einzusetzen, daß die Mindestversorgung künftig in vollem Umfang an der allgemeinen Anpassung teilnimmt.
Wir bitten die Vertreter der Koalitionsfraktion - und ich schaue zur FDP herüber, die eigentlich im Wort steht -,
({3}) diesen beiden Anträgen zuzustimmen.
Damit wird den sozial schwachen Einkommensempfängern geholfen. Dies ist nach den mir vorliegenden Unterlagen immerhin ein Empfängerkreis von 80 000 Personen in Bund, Ländern und Gemeinden und sonstigen öffentlichen Händen.
In den Ausschußberatungen ist seitens der SPD und auch der FDP immer wieder darauf hingewiesen worden, daß eine konsensfähige Lösung in all den einzelnen Fragen mit dem Bundesrat angestrebt werden müsse. Einverstanden! Deshalb schlagen wir Ihnen hier vor, eine solche Regelung zu treffen. Denn entsprechend den Anträgen des Bundesrates im ersten Durchgang zum Gesetzentwurf ist das vom Bundesrat beantragt worden. Sie wird deshalb von der Mehrheit des Bundesrates auch im Zweiten Durchgang voraussichtlich gebilligt werden. Die Mindestversorgung, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als Ausdruck der Versorgungspflicht der öffentlichen Hände aus dem Beamtenrecht, das auf dem Gedanken der Alimentation beruht.
Die Union hatte im Innenausschuß noch einige weitere Anträge zum Besoldungsstrukturgesetz gestellt, z. B. zur Behebung des Beförderungsstaus im gehobenen nicht-technischen Dienst, bei der Bahn und beim Zoll.
({4})
Die Vorschläge, die von Herrn Kollegen Regenspurger bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hier
Erhard ({5})
im Plenum ausgesprochen worden sind, bleiben einer zukünftigen Regelung vorbehalten. Sie, meine Herren und Damen Kollegen von der SPD und der FDP, haben heute die Möglichkeit, zu erklären, daß auch Sie dies für die Zukunft wollen oder nicht wollen. Stets nur alles vor sich herzuschieben und auf Tagungen außerhalb des Hauses große Versprechungen zu machen, führt sicherlich nicht zu größerem Vertrauen bei allen Betroffenen.
({6})
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Meinung, daß der jetzt vorliegende Gesetzentwurf trotz aller Lücken und Mängel so schnell verabschiedet werden muß, daß die darin enthaltenen Teil- und Minimallösungen noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden können. Wir sind der Meinung, daß die Beamten einen Anspruch darauf haben, daß sie wenigstens diese geringfügigen Verbesserungen erhalten. Wir bitten, im Interesse der Alten und Einkommensschwachen, derer also, die beides zusammen sind - alt und einkommensschwach -, den beiden Anträgen zur Mindestversorgung zuzustimmen und damit auch in Übereinstimmung mit dem Bundesrat - nicht nur verbal, sondern auch tatsächlich - zu sein.
({7})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort Herrn Abgeordneten Liedtke gebe, darf ich Ihnen folgendes mitteilen: Auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation des Haushaltsausschusses des Senats der Italienischen Republik unter der Leitung von Senator Salverino de Vito Platz genommen, Ich darf Sie im Namen des Deutschen Bundestages recht herzlich willkommen heißen. Ich wünsche Ihnen einen recht angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab eine Bemerkung für das Protokoll: Die tüchtigen Beamten des Innenministeriums haben den Deutschen Bundestag überholt In diesem Gesetz stehen in der Anlage bereits Besoldungstabellen, in denen die Erhöhung um 6,3 % eingearbeitet ist. Das Besoldungserhöhungsgesetz haben wir aber noch nicht beschlossen. Bei allem Respekt vor diesen fleißigen Beamten stelle ich fest: Es gelten noch die alten, niedrigeren Tabellen.
({0})
- Ja, sie bekommen es bereits ab 1. März.
({1})
- Unter Vorbehalt; das ist in diesem Hause üblich.
({2})
Zu den Anträgen der Opposition: Beide Anträge sind im Grunde ein Antrag.
(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]:
Nein, das eine ist ein einmaliger Akt, das
andere ist für die Zukunft
Sie beabsichtigen die Anhebung der Mindestversorgung. Das ist die gleiche Materie, nur anders formuliert. Deswegen kann ich sie beide zusammen behandeln.
Wir haben diesen Antrag im Innenausschuß abgelehnt. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Erstens einmal, damit es schneller geht. Herr Erhard, ich schließe mich Ihnen an, daß die Verbesserungen im Verteidigungsbereich in diesem Gesetz als Nachholbedarf für die Bundeswehr auch von uns begrüßt werden. Wenn Sie dann zurückschrauben, bleiben für den übrigen Bundesbereich noch Kosten von 18 Millionen DM übrig. So gewichtig geht es in den Militärbereich. Ihr Antrag hätte 14,2 Millionen DM für diesen Punkt zusätzlich ausgelöst und diese Kosten nahezu verdoppelt.
({3})
Aber ich will Ihnen eine andere Erklärung geben; nicht jeder wird das wissen. Die Mindestversorgung im öffentlichen Dienst beträgt zur Zeit rund 1350 DM. Dazu kommen noch die 6,3 %. Die Mindestversorgung in der Rentenversicherung nach 45 Arbeitsjahren beträgt zur Zeit rund 925 DM. Wenn Sie im Beamtenbereich die Krankenselbstversicherung bei einem Ehepaar mit 300 DM ansetzen und den Teil, der besteuert wird, berücksichtigen, liegen Sie in der Auswirkung ziemlich exakt parallel. Das war der Grund dafür, daß wir gesagt haben: Jetzt im Beamtenbereich anzuheben und Ungleichgewichtigkeiten wiederherzustellen, das ist nicht richtig.
({4})
- Herr Regenspurger, es lohnt nicht, jetzt mit Fragen darin herumzubohren. Die Zahlen stimmen; die habe ich immer verwendbar im Kopf. - Aber bitte.
Zu einer Zwischenfrage, bitte.
Herr Kollege Liedtke, gehen Sie mit mir einig, daß selbst das Innenministerium anerkannt hat, daß die Mindestversorgung in den zukünftigen Besoldungsanpassungen berücksichtigt werden müßte?
Ich gehe noch weiter: Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf im Nichtverteidigungsbereich kostenmäßig doppelt so hoch angelegt, wie er den Bundestag jetzt verläßt Das zeigt die Unabhängigkeit der Koalitionsfraktionen auch gegenüber der eigenen Regierung. Das ist ja wohl auch die wahre Funktion dieses Hauses.
({0})
Das im Lande herumschwirrende Kürzel Besoldungsstrukturgesetz ist eigentlich falsch. Was wir mit diesem Gesetz machen, ist nicht anderes, als für
diese Legislaturperiode in diesem Bereich die letzte Maßnahme zu treffen. Wir haben all die vier Jahre ständig Veränderungen in der Aufgabenstellung des öffentlichen Dienstes, die Strukturveränderungen in der Verwaltung nach sich zogen, am Ende im Besoldungsrecht nachvollzogen. Ich erinnere nur daran: wir haben die Altersgrenze für Schwerbehinderte, wir haben den Mutterschaftsurlaub usw. Es gibt für Innenpolitiker eine Riesenübersicht, was wir in dieser Legislaturperiode an Strukturveränderungen alles gemacht haben. Dies ist der Schlußpunkt, weil die Periode zu Ende geht.
Eine weitere Bemerkung: Grob darf man sagen, alles, was wir hier kostenträchtig tun, ist zur Hälfte von den Ländern zu tragen. So ist es mit gutem Grund ein Zustimmungsgesetz. Das heißt, ohne die Länder geht nichts. Da wir dem Gesetz zustimmen, will ich zu Einzelheiten nichts mehr sagen. Aber lassen Sie mich Ihnen in wenigen Sätzen einmal darstellen, wie schwer es war, auch den Bundesrat gleich „mitfahrtüchtig" zu erhalten.
Ich verlese Ihnen einmal den Originalton von damals. Am 30. April 1980 in der ZDF-Sendung „Bilanz" erklärte Herr Stoltenberg, der ja immerhin von Ihnen als Vizekanzler anvisiert ist
({1})
- natürlich ist Herr Stoltenberg mit seinem Land im Bundesrat -,
({2})
auf die Frage: „Wo kann gespart werden, und wo sollen die Steuersenkungen gekappt werden?" folgendes:
Ich brauche mich nur auf die Beschlüsse des Bundesrates zur schwebenden Gesetzgebung zu beziehen, die mit den CDU/CSU-geführten Ländern gefaßt wurden, in einigen Einzelfällen auch sozialdemokratisch geführten Bundesländern. Wir haben vorgeschlagen, zum Thema Besoldungsstrukturgesetz, wo die Bundesregierung jetzt in dieser schlimmen Zeit das Eingangsamt für den gehobenen Dienst abschaffen will, was uns viele hundert Millionen kostet, darauf zu verzichten.
Kurzum, von markanter CDU-Stelle anvisiert: Dieses Gesetz muß weg; es ist zu teuer.
({3})
Dann kamen wir mit unseren Kollegen der CDU/ CSU hier im Bundestag ins Gespräch. Und Herr Regenspurger, wohl als der Beauftragte, legte erstens, zweitens, drittens, viertens, fünftens Ergänzungsanträge mit einem Gesamtvolumen von rund 150 Millionen DM auf den Tisch. Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß haben mit großer Einmütigkeit gesagt: das Ding ist zu teuer; wenn da nicht eingespart wird, werden wir nach § 96 nicht zustimmen können.
Jetzt hatten wir eine dreigeteilte CDU/CSU vor uns, und bei uns kam Verständnis für das Gefühl auf, das Odysseus haben mußte, als er versuchte, zwischen Scylla und Charybdis hindurchzusteuern.
({4})
Für uns war die Frage einfach die: Folgen wir den C-Kollegen im Bundestag, laufen wir bei den C-Kollegen im Bundesrat auf. Umgekehrt wurde auch kein Schuh daraus. - So schwierig ist es, mit der Opposition in diesem Hause zu arbeiten. Und wenn wir dann am Ende der Beratung sehen, wie Sie beispielsweise das Jugendhilfegesetz, das Gesetz zur Verbesserung des Wohngeldes, das Gesetz zur Verbesserung der Lage der Strafgefangenen aufhalten, die Bremse voll anziehen, ist erkennbar, wie schnell dieses Besoldungsstrukturgesetz, hätten wir auch nur einen Teil der Regenspurger-Anträge aufgenommen, mit in diese Vollbremsung hineingefahren wäre.
({5})
Und wenn ich dann noch in Ihrem Wahlprogramm lese - ich zitiere wörtlich -: „Wir sind den Bürgern gegenüber ehrlich und sagen, daß nicht alles Wünschenswerte möglich ist", dann kann ich nur sagen: Seien Sie erst einmal untereinander ehrlich, damit wir, die wir ja gern mit der Opposition zusammenarbeiten, wenigstens ungefähr wissen, woran wir sind.
(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Bei
der Mindestversorgung könnten wir das ja
haben!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Regenspurger?
Ja.
Herr Kollege Liedtke, gehen Sie mit mir einig, daß wir schon in der Berichterstattergruppe die Addition der Forderungen als unzulässig bezeichnet und diese Forderungen nur als Problemansprache bezeichnet haben, und gehen Sie weiter mit mir darin einig, daß das von uns vorgelegte kostenneutrale Modell C, das vom Innenministerium erarbeitet worden ist - kostenneutral im Vergleich zu dem, was die Bundesregierung vorgelegt hat -, keine Schlechterstellung gebracht hätte und daß damit auch die Bedenken der Bundesratsmehrheit ausgeräumt worden wären, und gehen Sie mit mir darin einig, daß damit auch die Probleme, die Sie jetzt angesprochen haben, gegenstandslos geworden wären?
Die Antwort ist nein; ich gehe mit Ihnen nicht einig. Sie dürfen nicht von Kostenneutralität reden, wenn Sie in den Eingangsämtern herumtricksen. Entweder machen Sie es - wie Sie das aufschreiben, ist wurscht -, oder Sie machen es nicht. Und dabei reden Sie über 68,4 Millionen DM. Entweder geben wir sie aus, oder wir geben sie nicht aus. Da könne Sie mal eine Redewendung herum18038
drehen, am Schluß muß jeder Abgeordnete denken wie der Finanzminister: Wieviel D-Mark kostet das?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Sie zerfragen mir meine 15 Minuten,
({0})
und so interessant ist die Thematik auch nicht. Aber bitte, das ist dann aber die letzte.
Herr Kollege Liedtke, können Sie uns erklären, ob die CDU/ CSU mit der Bundesregierung in diesem Punkt, von den Kleinigkeiten abgesehen, in Übereinstimmung ist oder nicht?
Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit der Koalition. Die Bundesregierung wird auch klüger, wenn sie mit der eigenen Koalition redet. Heute ist sie froh darüber, daß wir das Gesetz in dieser begrenzten Form eingebracht haben, und zwar in dem Wissen: allein so geht es auch durch den Bundesrat. Die Fassung Regenspurger wäre exakt auf den Nullpunkt eines Strukturgesetzes gegangen. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die sehr viel klüger sind und sehr wohl wissen, was in welcher Situation machbar ist und wo Überbordung nichts bringt, finden Sie mit Sicherheit nichts auf Ihrer Seite.
({0})
Lassen Sie mich eine kurze Schlußbemerkung machen. Bei Ihnen ist es in dem Bemühen, uns politisch zu treffen, u. a. auch zur Übung geworden, in vielfaltiger Weise etwa folgendes Gedankenmodell abzuspielen: Der demokratische Sozialismus, den wir vertreten,
({1})
produziert Bürokratismus, und hinten fällt der verwaltete Mensch heraus. Das spielen Sie in vielfältiger Weise. Da der Begriff „Bürokratismus" ein relativ abstrakter ist, geht dieser Schlag mit dem Knüppel, der gegen uns gerichtet ist, voll auf die 4 Millionen Beschäftigten in Bund, Ländern und Gemeinden und macht ihnen das Leben im Verkehr mit den Bürgern nicht leichter. Das ist das eine. Den zweiten Punkt lasse ich schon weg.
Ich sage Ihnen: Wenn die Qualität unseres Staates heute in der Welt offenbar so hoch eingeschätzt wird, daß wir zum Wunschasylland Nummer Eins für Wirtschaftsflüchtlinge werden, dann ist das nicht trotz der Beschäftigten im öffentlichen Dienst soweit gekommen, sondern mit ihnen und mit der Qualität ihrer Arbeit. Lassen Sie diese Leute bei den politischen Angriffen auf uns in Frieden. Sie haben es nicht verdient.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Man kann sicherlich trefflich darüber streiten, ob unter dem Begriff „Besoldungsstrukturgesetz" eine große, eine mittlere oder eine kleinere Strukturreform zu verstehen ist. Es mag sein, daß auch die Meinung bei denen, die von dieser gesetzlichen Regelung betroffen sind oder betroffen sein werden, auseinandergehen.
Ich möchte aber an den Ausgangspunkt - deswegen kann man oder muß man dies vielleicht sogar ein wenig kleiner schreiben - die Überlegung stellen, die schon mein Vorredner gebracht hat. Dieser Bundestag - auch meine Fraktion und ich selber - hat wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, jeweils aus gegebenem Anlaß strukturelle Veränderungen im Besoldungsbereich nicht wie geschehen in anderen Jahren mit den allgemeinen linearen alljährlichen Besoldungserhöhungen zu verbinden. Diese Forderung beruhte auf guten Gründen. Der entscheidende Grund war, daß strukturelle Veränderungen im Besoldungsgefüge des öffentlichen Dienstes im Prinzip sinnvoll nur durchgeführt werden sollten, wenn sie im jeweiligen rechtlichen und besoldungspolitischen und organisationsrechtlichen Gesamtzusammenhang behandelt und dargestellt werden können.
Deswegen ist es gut und richtig, daß die Bundesregierung am Ende dieser Legislaturperiode den Entwurf des sogenannten Besoldungsstrukturgesetzes im Deutschen Bundestag eingebracht hat, der jetzt eine Reihe von Fragen lösen soll, die von der Bundesregierung und zu einem großen Teil auch von uns als vordringlich lösungsbedürftig anerkannt worden sind.
'({0})
Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, haben die Koalitionsfraktionen und hat damit auch die Fraktion der FDP diese Regierungsvorlage in zwei Punkten - davon war ja die Rede - nicht übernommen. Hierzu und zur Ausgangsposition unserer Beratungen im Innenausschuß und in der Berichterstattergruppe nur einige allgemeine Feststellungen:
Es war schon davon die Rede - ich will mich keineswegs für mich und meine Fraktion darauf zurückziehen, aber ich muß es nennen -, daß wesentliche Teile des Entwurfs im ersten Durchgang nicht die Billigung des Bundesrates gefunden haben. Wenn sich dies für den zweiten Durchgang im Bundesrat auch in der einen oder anderen Position ändern mag, so hätte doch eine Beratung der Vorlage mit dem Ziel, die wesentlichen Teile noch in dieser Legislaturperiode wirklich in Kraft treten zu lassen, nur dann einen Sinn, wenn hier eine Fassung herauskommt, die für die Mehrheit der Länder zustimmungsfähig ist
Ich meine, wir hätten es nicht riskieren sollen und sollten dies auch heute nicht tun, mit einer Fassung
des Entwurfs herauszukommen, die am Ende vielleicht alles scheitern läßt.
({1})
- Ich komme noch auf Ihren Antrag, Herr Kollege Erhard. Ich will das, wie es meine Art ist, nach und nach entwickeln.
Zum anderen war und ist nicht zu verkennen, daß die allgemeine Entwicklung der Haushaltslage, daß zusätzliche Belastungen der öffentlichen Haushalte heute und wohl auch noch in Zukunft sehr beträchtliche Finanzprobleme mit sich bringen werden. Das ist eine Tatsache, die auch hier das Kriterium des finanziell Machbaren, d. h. auch des finanziell Verantwortbaren mit in den Vordergrund treten läßt. Das gilt im Prinzip für alle vermögenswirksamen Entscheidungen, die der Deutsche Bundestag zu treffen hat. Ich meine, daß Sie von der Opposition, die Sie selber eine finanzpolitische Bestandsaufnahme - wenn auch sehr deklamatorisch - verlangen, dafür Verständnis haben sollten.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Regenspurger?
Bitte, Herr Regenspurger, ich habe mit diesem Einwurf jetzt gerechnet.
Herr Kollege Wendig, Sie haben die Haushaltslage angesprochen. Gehen Sie mit mir einig, daß in erster Linie diese Bundesregierung die schlechte Haushaltslage zu verantworten hat?
({0})
Ich gehe mit Ihnen in dieser Auffassung nicht einig.
Über die Ursachen und Gründe der Haushaltslage insgesamt, Herr Kollege Regenspurger, ist an dieser Stelle nicht zu streiten. Ich meine, die Lage ist viel zu ernst - das gilt vor allem für die zusätzlichen Belastungen des öffentlichen Haushalts -, als das ich daß in Form eines Einschubes so abhandeln könnte. Ich möchte aber eines gleichzeitig sagen, damit man meiner Fraktion nicht vorwirft, wir betrachteten den öffentlichen Dienst sozusagen als das Sparschwein der Nation - solche und ähnliche Erklärungen hört man ja manchmal -: Ich unterstreiche die beinahe selbstverständliche Forderung, daß eine leistungsgerechte Besoldung unverändert auch im Interesse der Allgemeinheit liegt, nämlich bezogen auf eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung. Allerdings scheinen zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt - das ist der Stand unserer Beratungen zu diesem Gesetz - zusätzliche, d. h. über den Entwurf der Bundesregierung hinausgehende Verbesserungen nur schwer realisierbar zu sein.
Nun zu den beiden entscheidenden Punkten, bei denen die Koalitionsfraktionen unterhalb der Vorstellungen des Regierungsentwurfs geblieben sind. Sie betreffen die geplante Anhebung der Eingangsstufen im mittleren und im gehobenen Dienst, A 6 und A 10. Dabei verstehe ich im übrigen eines nicht
das darf ich an dieser Stelle einmal einfügen -: Auf der einen Seite wirft man den Koalitionsfraktionen vor, sie seien praktisch nur die Vollzieher des Regierungswillens, sie beschlössen nur das, was die Regierung vorschlage. Tun sie es aber einmal nicht, dann kommt der Vorwurf von der anderen Seite. Was ist nun eigentlich richtig? Im Grunde genommen ist das doch ein Beweis dafür, daß die Koalitionsfraktionen - und damit auch meine Fraktion
- aus der gegebenen Sachlage heraus durchaus verantwortlich entscheiden, und zwar auch dann, wenn die Entscheidung zu dem Ergebnis führt, daß wir unter einer bestimmten Voraussetzung - bei der bin ich gerade - von der Vorlage der Bundesregierung abweichen müssen.
Wir verkennen nicht - das war ja sogar ein Stück Dienstrechtsreform, Herr Kollege Erhard, wenn Sie so wollen -, daß wir mit der Einführung der Fachhochschulausbildung im gehobenen Dienst, aber auch mit der qualitativen Verbesserung der Ausbildung im mittleren Dienst neue Tatsachen geschaffen haben, die in der Zukunft sicherlich ihre Wirkung zeigen werden und vielleicht auch einmal neue Lösungen notwendig machen. Nur sind die angebotenen Lösungen - auch die während der Beratungen im Innenausschuß eingebrachte besoldungsrechtliche Lösung, die an die Stelle der laufbahnrechtlichen treten soll - nach meiner Überzeugung noch nicht bis zum letzten Punkt ausgereift
Ich sehe einmal davon ab, ob eine besoldungsrechtliche Lösung im Bundesrat wirklich die Mehrheit gefunden hätte. Sicher ist das nicht; aber ich will es einmal unterstellen . Auch bei einer besoldungsrechtlichen Lösung bleibt für uns u. a. die Frage bestehen - das will ich ganz deutlich zum Ausdruck bringen -, ob und gegebenenfalls wie die Grenzen zwischen nichttechnischen und technischen Verwaltungen zu ziehen sind. Mich bedrückt immer noch die Frage - ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist -, ob eine völlige Gleichstellung der Absolventen von Fachhochschulen im technischen Bereich, die selbständig, eigenverantwortlich und ohne Zuschüsse studieren und danach ihren Vorbereitungsdienst durchlaufen, mit den anderen möglich ist. Zumindest habe ich eine Abgrenzung nicht gefunden.
Das Problem der Abschichtung, das wir bei A 10 schon einmal im Auge gehabt haben, das im 2. BSVG bereits enthalten war - das ist heute noch nicht gesagt worden -, ist im Grunde genommen nicht gelöst. Wir wissen, daß das besoldungsrechtliche Modell auch Verschlechterungen gegenüber der gegenwärtigen Lage mit sich bringt. Deshalb sollte man sich das noch einmal genau überlegen, was für uns bedeutet, daß das Thema nicht vom Tisch ist. Sollte der Deutsche Bundestag dem Entschließungsantrag des Innenausschusses folgen, so gehört die Frage einer Änderung der Eingangsämter im Zuge einer leistungsorientierten Besoldung für uns ohne jeden Zweifel zu den Themen, die von Bundesregierung und vom Parlament im Rahmen einer anforderungs- und leistungsgerechten Ausgestaltung der Besoldung wieder aufzugreifen sind.
In fast allen anderen Punkten, meine Damen und Herren, sind wir der Regierungsvorlage gefolgt. Ich nenne hier vor allem das für den gesamten mittleren Dienst nun geltende Spitzenamt A 9 mit Zulage für herausgehobene Funktionen und einige andere sehr wichtige Punkte mehr. Ich betone auch noch einmal für meine Fraktion, daß wir ein besonderes Schwergewicht in denjenigen Maßnahmen erblikken, die die Bundeswehr betreffen. Hier vollziehen wir im übrigen als Besoldungsgesetzgeber im Grunde nur noch Beschlüsse, die wir Ende des vergangenen Jahres bereits als Haushaltsgesetzgeber getroffen hatten, indem wir nämlich die entsprechenden Mittel im Bundeshaushalt eingesetzt haben.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß gerade diese Positionen für mich und meine Fraktion zu keiner Zeit der Beratungen in Zweifel gewesen sind. Diese Frage wurde leider vor einigen Wochen, wie Sie wissen, innerhalb der Bundeswehr zum Teil recht leidenschaftlich erörtert. Ich will die einzelnen Maßnahmen nicht aufführen.
Meine Damen und Herren, wir, die Fraktion der FDP, haben im Beamtenversorgungsgesetz auch den Vorschlag der CDU/CSU in der Drucksache 8/3194 insoweit mit übernommen, als Beamte, die infolge der Schaffung eines neuen Beförderungsamtes in eine höherwertige Planstelle eingewiesen werden, die Versorgung aus diesem Amt auch dann erhalten, wenn sie sich weniger als zwei Jahre lang in dieser Planstelle befunden haben. Hierdurch werden u. a. die Probleme derjenigen Beamten berücksichtigt, die z. B. durch die Einführung des Beförderungsamtes A 9 plus Zulage im Polizeivollzugsdienst vor mehr als einem Jahr weniger als zwei Jahre vor ihrer Pensionierung haben befördert werden können. Für den weitergehenden Antrag der Opposition, die Zweijahresfrist durch eine Einjahresfrist zu ersetzen, sehen wir dagegen aus sachlichen Gründen keinen Anlaß. Ich habe dazu schon bei der ersten Lesung Ihrer Vorlage entsprechend Position bezogen.
Auch den weiteren Änderungsanträgen der Opposition haben wir uns nicht anschließen können. Wir können dies leider auch zu dem heute übriggebliebenen Antrag aus den allgemeinen Gründen, die ich genannt habe, nicht tun.
Meine Damen und Herren, ich verkenne nicht, daß es auch neben diesem Punkt der Mindestversorgung eine Reihe von Themen gibt, die uns auch für die Zukunft Sorge bereiten und die nicht gelöst erscheinen. Diese Themen sind vielleicht sogar dringender als andere Punkte, die in diesem Gesetz gelöst sind oder die Sie ansprechen. Aber wir haben ja auch über alle diese Fragen gesprochen. Ich denke da beispielsweise an das Problem des Beförderungsstaues im gehobenen Dienst bei einigen Verwaltungen und an die Überlegungen, die hinsichtlich einer Änderung des § 26 des Bundesbesoldungsgesetzes - befristet und eingegrenzt - angestellt werden müssen.
Ich und meine Fraktion gehören keineswegs zu denjenigen, die meinen, die Besoldungsstruktur im öffentlichen Dienst müsse kontinuierlich und überall zwangsläufig nach oben bewegt werden. Verkennen läßt sich aber nicht, daß das heutige Besoldungsgefüge, und zwar vor und nach dieser Novelle, auch dann, wenn sie noch erweitert worden wäre, keine organisch gewachsene Einheit ist. Hier liegen Fehlentwicklungen vor, die in ihren Wurzeln zum Teil in eine Zeit zurückreichen, in der die Gesetzgebungskompetenz noch ausschließlich bei den Ländern gelegen hat. Das ist kein Vorwurf.
Das Erste und das Zweite Besoldungserhöhungs-
und -vereinheitlichungsgesetz haben sicher ein hohes Maß an Vereinheitlichung gebracht. Ebenso deutlich ist aber auch, daß es an einigen Stellen noch Fehlbewertungen gibt An der Vereinheitlichung und der leistungsgerechten Fortentwicklung der Besoldung weiterzuarbeiten, ist der Sinn des Entschließungsantrages, der dem Bundestag heute vorliegt
In diesem Antrag sind praktisch die Bereiche mit eingeschlossen, die ich zum Teil beispielhaft als regelungs- und überholungsbedürftig angeführt habe. Als Grundlage für die eigenen Überlegungen des Parlaments, sicher nicht mehr in diesem, sondern im nächsten Deutschen Bundestag, wird die Bundesregierung um einen umfassenden Bericht gebeten. Damit sind die offenen Fragen nicht vom Tisch, im Gegenteil. Es ist sichergestellt, daß über die Legislaturperiode hinaus an der Lösung der einzelnen Fragen gearbeitet wird.
Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über Beamte und über einen öffentlichen Dienst, mit dem sie auch im internationalen Vergleich mehr als zufrieden sein kann. Das Parlament wird mit der Entwurfsfassung, wie sie im Innenausschuß erarbeitet worden ist, seiner Verpflichtung gegenüber diesem öffentlichen Dienst gerecht
Meine Damen und Herren, damit wäre ich am Ende meiner Ausführungen. Es sind, glaube ich, noch einige redaktionelle Änderungen vorzutragen. Dieses Papier - ({0})
- Das Papier liegt schon beim Stenographischen Dienst, so daß ich mich im Grunde darauf beschränken kann mitzuteilen, daß es sich hier nur um technische Nachbesserungen handelt, die bei der Eile der Beratung erforderlich geworden sind. Ich beziehe mich auf das, was dem Stenographischen Dienst bereits vorliegt.*)
Ich sage noch einmal: Wir halten diese Vorlage in der Ihnen vom Innenausschuß vorgeschlagenen Fassung für eine in der gegenwärtigen Situation und angesichts der Möglichkeiten, die wir haben, durchaus ausgewogene Lösung, die sich sehen lassen kann. Wir bitten um Ihre Zustimmung; wir bitten ebenso um Ihre Zustimmung zu dem Entschließungsantrag. - Ich danke Ihnen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
*) Anlage 2
Vizepräsident Frau Renger
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe auf Art. 1 und 2, Art. 5 und 6 und Art. 7 Nr. 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Vorschriften sind angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/4224 auf. Es wird beantragt, nach Art. 7 Nr. 1 eine neue Nr. 1 a einzufügen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe jetzt auf Art. 7 Nr. 2 und 3, Art. 7 a, die Art. 8 bis 10, Art. 12 bis 17, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung mit den vom Berichterstatter vorgetragenen Änderungen. Wer diesen aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist in der zweiten Beratung angenommen.
Inzwischen liegt auf Drucksache 8/4241 der Bericht des Haushaltsausschusses nach § 96 vor. Die Vorschriften sind mit der Haushaltslage in Übereinstimmung, so daß wir jetzt auch zur dritten Lesung kommen können.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Wir haben noch über die Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4203 unter Ziffer 2, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt ferner auf Drucksache 8/ 4203 unter Ziffer 3 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Entschließung ist angenommen!
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/4225 auf. Wird Abstimmung oder Überweisung gewünscht?
({0})
- Abstimmung. Wer dieser Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({1})
Enthaltungen? - Die Entschließung ist abgelehnt Dieser Beratungspunkt ist damit abgeschlossen. Punkt 22 der Tagesordnung ist abgesetzt
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 bis 26 auf:
23. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Althammer, Dr. Wittmann ({2}), Dr. Möller, Gerstein, Dr. George, Glos, Höpfinger, Lampersbach, Dr. Langner, Dr. Laufs, Dr. Lenz ({3}), Regenspurger, Röhner, Schröder ({4}), Schwarz, Sick, Spranger und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Bereinigung des Bundesrechts
- Drucksache 8/3802 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({5}) Innenausschuß
24. Beratung des Antrags der Abgeordneten Spranger, Gerstein, Glos, Dr. Laufs, Dr. Möller, Regenspurger, Röhner, Schröder ({6}), Schwarz, Sick, Dr. Wittmann ({7}) und der Fraktion der CDU/CSU
Prüfung der Notwendigkeit von Gesetzgebungsvorhaben
- Drucksache 8/3804 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
25. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Althammer, Gerstein, Dr. George, Glos, Höpfinger, Lampersbach, Dr. Langner, Dr. Laufs, Dr. Lenz ({8}), Dr. Möller, Regenspurger, Röhner, Schröder ({9}), Schwarz, Sick, Spranger, Dr. Wittmann ({10}) und der Fraktion der CDU/CSU
Abbau der gesetzlichen Verpflichtung der Wirtschaft zur Angabe statistischer Daten
- Drucksache 8/3803 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({11}) Innenaussschuß
Haushaltsausschuß
26. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Althammer, Gerstein, Dr. George, Glos, Höpfinger, Lampersbach, Dr. Langner, Dr. Laufs, Dr. Lenz ({12}), Dr. Möller, Regenspurger, Röhner, Schröder ({13}), Schwarz, Sick, Spranger, Dr. Wittmann ({14}) und der Fraktion der CDU/CSU
Abbau des Formularwesens
- Drucksache 8/3805 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Die Herren Antragsteller haben mitgeteilt, daß in zwei Vorlagen Druckfehler enthalten sind. Bei dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 24 auf Drucksache 8/3804
({15})
- wie auch immer, es muß jedenfalls korrigiert werden - muß es unter Ziffer 3 Buchstabe b statt „bis zum 1. Juni 1980" richtig lauten „bis zum 1. Oktober 1980".
Vizepräsident Frau Renger
Bei dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 25 auf Drucksache 8/3803 muß es in der letzten Zeile statt „von der Privatwirtschaft erhaltenen Statistiken" richtig lauten „von der Privatwirtschaft erhobenen Statistiken". Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen.
Der Ältestenrat hat eine verbundene Debatte vereinbart. Wird das Wort zur Begründung oder gleich zur Aussprache gewünscht, Herr Kollege Althammer? - Gleich Aussprache.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU legt Ihnen heute in erster Lesung vier Vorlagen zur Entbürokratisierung vor. Es handelt sich erstens um einen Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts, zweitens um einen Antrag zur Eindämmung der Gesetzesflut für die Zukunft, drittens um einen Antrag zum Abbau der Statistiken und viertens um einen Antrag zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des Formularwesens. Die Union, die sich in einem vielbeachteten Kongreß 1978 mit dem Thema der Entbürokratisierung befaßt hat, will noch in dieser Legislaturperiode einen ersten Schritt zur Konkretisierung tun. Die vier Vorlagen können in den verbleibenden Sitzungswochen noch verabschiedet werden, wenn die Mehrheit in diesem Hause den politischen Willen dazu hat.
({0})
- Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben auch andere Gesetzentwürfe, die Sie jetzt noch in erster, zweiter und dritter Lesung behandeln.
({1})
In den Haushaltsberatungen 1978 hat Justizminister Vogel am 25. Januar 1978 in diesem Parlament folgendes festgestellt:
Es ist eigentlich schwer begreiflich, daß ein Staat wie der unsere die Frage: Wie sieht unsere geltende Rechtsordnung aus? fast an keiner Stelle zuverlässig beantworten kann. Sie haben den Fundstellennachweis; darin können Sie dann mühsam herumsuchen. Aber die Frage: Was gilt eigentlich von A bis Z ? kann Ihnen heute noch nicht einmal das Justizministerium, geschweige denn irgendeine andere Stelle beantworten, und für die Länder und Gemeinden schon gar nicht.
({2})
Daß der Minister keineswegs übertrieben hat, zeigt eine Blamage des Gesetzgebers, die sich vor einigen Jahren ereignet hat. Damals wurde ein Drittes Änderungsgesetz zum Milch- und Fettgesetz verabschiedet, obwohl das Gesetz selbst längst außer Kraft getreten war.
Der erste Schritt, der dauernd ansteigenden Gesetzes- und Verordnungsflut Herr zu werden, ist, Klarheit über das geltende Recht zu schaffen und dieses formell und inhaltlich zu vereinfachen und zu bereinigen. Die Vorlage dieses Bundesrechtsbereinigungsgesetzes lehnt sich eng an das erste Rechtsbereinigungsgesetz vom Jahre 1958 an. Während damals aber die endgültige Ausscheidung nationalsozialistischen Rechts im Vordergrund stand, soll unser Gesetzentwurf nicht nur für Bürger und Behörden Klarheit schaffen, was geltendes Bundesrecht ist, er soll auch widersprüchliche Vorschriften bereinigen und verzichtbare Normierungen aufheben. Das Fernziel, wenige einheitliche Gesetzgebungswerke zu haben, wird damit sicher noch nicht erreicht, aber ein Anfang ist wenigstens gemacht.
Die moderne Daten- und Bürotechnik kann helfen, diesen notwendigen Rechtsbereinigungsprozeß zu vereinfachen und zu beschleunigen. Die von der CDU/CSU regierten Bundesländer haben mit der Rechtsbereinigung schon beachtliche Ergebnisse erzielt. Baden-Württemberg hat z. B. 90 Landesgesetze aufgehoben, und nur noch 308 sind in Kraft. 200 Verordnungen wurden bereits im ersten Bereinigungsakt beseitigt, weitere sollen außer Kraft gesetzt werden. Von den rund 100 000 Verwaltungsvorschriften des Landes Baden-Württemberg sollen zunächst einmal rund 60 000 gestrichen werden.
Bei der Bereinigung des Bundesrechts soll auch für Klarheit und Verständlichkeit der Sprache gesorgt werden. Was ist z. B. von einer Verordnung zu halten, die ein Bußgeld in Höhe von 20 000 DM jedem androht, wenn dort wie folgt formuliert ist:
Ordnungswidrig handelt, wer gegen die Verordnung Nr. 27/72/75 des Rates über die Vermarktungsnormen für Eier vom 29. Oktober 1975 verstößt, indem er Eier entgegen Art. 2 Buchstabe a) in Verbindung mit Art. 6 oder 10 nicht nach den Vorschriften, Güte und Gewichtsklasse oder Buchstabe b) in Verbindung mit Art. 17, 18, 19, 20 Abs. 1 oder Art. 21 nicht mit der vorgeschriebenen Kennzeichnung oder mit einer nicht zulässigen Angabe zum Verkauf vorrätig hält, anbietet, feilhält, liefert, verkauft oder sonst in den Verkehr bringt.
Ein Verordnungsgeber, der derart formulierte Tatbestände absegnet, muß sich darüber im klaren sein, daß eine entsprechende Ahndung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift an Unrecht grenzt, da die Einhaltung einer solchen Vorschrift für den Bürger fast unmöglich ist.
Der französische Graf Montesquieu hat einmal gesagt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.
({3})
Diesen Merksatz sollte man an allen Ministerien und Parlamenten anbringen.
Der erste Antrag der CDU/CSU will verhindern, daß die Gesetzesflut weiter so ansteigt, wie das in den letzten Jahren der Fall gewesen ist. Insofern stellt dieser Antrag eine notwendige Ergänzung des Rechtsbereinigungsgesetzes dar. Der Antrag richtet sich an alle Bundesorgane, die das Recht zur Gesetzgebungsinitiative haben, an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. Es sollen eine Reihe von Schleusen und Kontrollinstanzen eingebaut werden, um die Zahl der neuen Gesetze auf das unabweisDr. Althammer
bare Mindestmaß zu reduzieren und diese Gesetze so knapp und verständlich wie irgend möglich zu halten. Das, was hier in den letzten zehn Jahren an abschreckenden Beispielen von Gesetzesarbeit geliefert wurde, reicht aus, um mehrere Kabarettabende zu füllen. Aus Zeitmangel muß ich es mir aber versagen, Ihnen Beispiele zu zitieren. Wenn es gelingt, die Zahl der neuen Gesetze drastisch zu verringern, bleibt dem Gesetzgeber mehr Zeit, die einzelnen Gesetze sorgfältiger zu beraten. Sollten diese Anregungen der CDU/CSU nicht aufgenommen werden, so müßte sich das Parlament sicherlich in der nächsten Wahlperiode wirksamere Maßnahmen auf diesem Gebiet überlegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, obwohl erst vor wenigen Monaten das Erste Statistikbereinigungsgesetz vom Parlament verabschiedet wurde, sind wir der Überzeugung, daß weitere Abbaumaßnahmen notwendig sind. Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmer werden weiterhin mit einer Papierflut überschwemmt, die produktive Arbeit hemmt und in diesem Umfange auch nicht notwendig ist. Moderne Methoden der Faktenermittlung machen es möglich, auf viele Statistiken zu verzichten. Der Staat kann dabei auf die Selbstverwaltungsorganisationen zurückgreifen und das dort gespeicherte Material verwerten, ohne neue Zählmechanismen in Gang zu setzen. Die Wirtschaft beklagt mit Recht, daß der Staat durch eine Vielzahl zeitraubender und umfangreicher statistischer Angaben unentgeltliche Fronarbeit fordert. Besonders Klein-und Mittelbetriebe sind davon betroffen. Freilich müssen die Fachverbände der Wirtschaft dann auch in Kauf nehmen, daß der Staat nur noch das unabweisbare Mindestmaß an statistischen Daten erhebt.
Das Formularunwesen ist ein weiteres Lieblingskind des Sankt Bürokratius. Formulare sollen dazu dienen, Verwaltungsarbeiten zu vereinfachen und zu beschleunigen, aber leider wurde auch hier häufig Vernunft zu Unsinn und Wohltat zu Plage. Die bekannten Schwierigkeiten des Herrn Bundeskanzlers mit dem Lesen seiner Strom-, Gas- und Wasserrechnungen - siehe Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 - sind dabei noch das kleinste Ube!. Was die Behörden aber an meterlangen, teils unverständlichen Fragebögen produzieren, geht buchstäblich auf keine Kuhhaut. So wurde z. B. eine Studentenservicebroschüre von 192 Seiten für das Ausfüllen von sage und schreibe sechs Formblättern von der Bürokratie produziert Das Land Nordrhein-Westfalen hat 1978 einen Fragebogen C für Forschungserhebungen an Wissenschaftler versandt. Nach der Rücksendung der Fragebögen durch diese Wissenschaftler stellte sich dann heraus, daß 90 davon falsch ausgefüllt waren; die Statistik konnte nicht durchgeführt werden. Das sind nur ganz wenige Beispiele aus diesem Bereich.
Der Antrag der CDU/CSU fordert: Verzicht auf nicht unabweisbar notwendige Formulare, Einheitlichkeit der Formulare nach Aufbau und Gliederung, verständliche Fragestellungen und graphisch klare Gestaltung. Die Bundesregierung soll außerdem mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden auf Vereinheitlichung hinwirken. Die Behörden anderer Selbstverwaltungsorganisationen sollten ebenfalls mit einbezogen werden. Wenn alle diejenigen, die Formulare entwerfen und in Umlauf bringen, zusammenwirkten, könnten den geplagten Bürgern unseres Landes fühlbare Entlastungen zuteil werden.
Ich habe schon betont, daß die vier Vorlagen der CDU/CSU nur ein erster Schritt zur Entbürokratisierung sein können. Mehr ist am Ende einer Parlamentsperiode nicht mehr zu leisten. An SPD und FDP ist die Frage zu richten, ob sie überhaupt ernsthaft den Willen haben, zu entbürokratisieren. Der Bundeskanzler hat 1976 in seiner Regierungserklärung Hoffnungen geweckt. Wenn Sie nach vier Jahren fragen, was diese Bundesregierung auf diesem Gebiet konkret geleistet hat, so muß absolute Fehlanzeige erstattet werden. Weder bei der Dienstrechtsreform noch bei der Modernisierung der Verwaltung ist diese Regierung auch nur einen Schritt vorangekommen. Sie hat staatliche Erwerbsunternehmen in keinem einzigen Fall privatisiert. Im Gegenteil, sie hat den staatlichen Sektor ausgeweitet, sie macht privaten Unternehmen Konkurrenz und deckt Defizite aus Steuergeldern, wobei die Mißwirtschaft behördlicher Unternehmensleitungen möglichst verschleiert wird.
Auch bei dem Bemühen, mehr Bürgernähe und Bürgerbeteiligung zu schaffen, ist Fehlanzeige zu erstatten. Die FDP hat lediglich die sogenannte Verbandsklage ins Gespräch gebracht. Wir von der CDU/CSU wollen nicht irgendwelchen ortsfernen anonymen Verbänden die Möglichkeit geben, alle Rechtsinstanzen durchzuexerzieren, sondern wir möchten die unmittelbar betroffenen Bürger frühzeitig in behördliche Vorhaben einweihen und ihnen persönlich und unmittelbar ein Mitspracherecht geben. Wir sind überzeugt, daß durch die frühzeitige und allgemeinverständliche Darstellung behördlicher Planung, ihrer Notwendigkeit und ihrer Motivation von vornherein viel Gegeneinander vermieden werden könnte.
Wenn man nach den Gründen für das Versagen der Koalition bei der Entbürokratisierung sucht, stellt sich sehr schnell die grundsätzliche Frage: Ist es nicht so, daß der Marsch in den Sozialismus gleichzeitig immer weiter in die Verbürokratisierung hineinführt? Die Sozialisten haben einen unausrottbaren Glauben an die absolute Problemlösungskompetenz des Staates auch im privaten und wirtschaftlichen Bereich. Sozialistische Menschheitsbeglücker glauben, dem Wohlbefinden des Bürgers am meisten zu dienen, wenn sie sein Leben von der Wiege bis zur Bahre staatlich oder gesellschaftlich reglementieren.
({4})
Die entscheidende Frage in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts heißt aber nicht: Wie schaffe ich mehr Macht und mehr Zuständigkeit für den Staat?, sondern: Wie gewinnen wir Freiräume für die Bürger, für ihre Selbstverantwortung und für ihre Selbstverwaltung zurück? Deshalb will die CDU/CSU die Menschen ermutigen, eigenverantwortlich für sich und andere zu handeln, freie Träger
für die Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben zu schaffen und zu unterstützen.
Gerade unsere Jugend lehnt es ab, nur von oben her behördlich reglementiert zu werden. Die Jugend, deren Recht es ist, ihre Zukunft zu gestalten, rennt gegen ein System an, das alles und jedes regeln will, Lebenssachverhalte durch Gesetze und Verordnungen zementiert, den Spielraum für die freie Entfaltung immer mehr einengt und teilweise sogar zerstört hat Die Staatsverdrossenheit der Jugend haben Sie von der SPD /FDP-Koalition sich selbst zuzuschreiben. Entbürokratisierung hingegen ist immer auch ein Stück Politik für die Jugend.
Wir von der CDU/CSU wissen, daß Entbürokratisierung nicht gegen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, sondern nur gemeinsam mit ihnen zu leisten ist Deshalb sind wir auch immer für die Erhaltung und Weiterentwicklung des Beamtentums und des öffentlichen Dienstes eingetreten. Dazu ist heute an dieser Stelle ja schon einiges gesagt worden. Im Vergleich zu allen anderen Staaten ist der deutsche öffentliche Dienst immer noch absolute Spitzenklasse. Richtige Entbürokratisierung richtet sich nicht gegen das Beamtentum und den öffentlichen Dienst, sondern hebt deren Ansehen. Sie macht den Staatsdiener zum Partner und Helfer des Bürgers. Deshalb arbeiten die Verwaltungsfachleute auch gerne bei der Verbesserung und Modernisierung unserer Staatsbürokratie mit.
Das Parlament kann in der Hauptsache nur Anstöße geben. Das Schwergewicht der Reformarbeit liegt bei den Regierungen und Verwaltungen selbst. Einige von CDU und CSU regierte Länder haben bei der Entbürokratisierung schon beachtliche Erfolge erzielt. Entscheidend ist aber die Zusammenarbeit aller Verwaltungsebenen. Die Untätigkeit der Bundesregierung wirkt sich daher besonders negativ aus.
Besonders vordringlich ist es, daß eine außer Rand und Band geratene Bürokratie in der Europäischen Gemeinschaft gesteuert wird. Was sich die Brüsseler Bürokraten in der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit schon alles geleistet haben, ist einfach unglaublich. Hier finden wahre Orgien des Bürokratismus aus elf europäischen Verwaltungen statt Gerade in der Europäischen Gemeinschaft müßte deshalb die Bundesregierung ganz besonders für Entbürokratisierung sorgen.
({5})
Wir hoffen, daß der Deutsche Bundestag die vier Vorlagen, die einen ersten Einstieg zum praktischen Abbau der zunehmenden Verbürokratisierung darstellen sollen, in den kommenden zwei Wochen verabschiedet Die CDU/CSU ist sich bewußt, daß das Vorhaben, die Reglementierung der Bürger abzubauen und ihnen wieder mehr Freiheit zu schaffen, schwierig ist Jeder Fortschritt auf diesem Gebiet ist aber auch ein ganz praktischer Beitrag zum Abbau der Staatsverdrossenheit
Die Bundesregierung, SPD und FDP müssen nun zeigen, ob sie nach den langen Jahren der Untätigkeit und des Versagens ebenfalls praktische Lösungen zur Entbürokratisierung unterstützen oder ob sie ungebremst weiter in den totalen Verwaltungsstaat hineinschlittern wollen.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Linde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Althammer, nachdem ich diese enormen Gesetzentwürfe gesehen hatte, habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Was wollen Sie nun eigentlich, einen ernsthaften Ansatz in der Entbürokratisierungswelle machen oder Wahlkampf betreiben? Aüch heute habe ich mich noch gefragt: Kommt er denn nun eigentlich zu einem ernsthaften Ansatz? Beim Schluß, Herr Althammer, war es klar: Sie wollen Wahlkampf machen.
Es ist natürlich sehr schwierig, Munition für den Wahlkampf zu liefern, wenn Sie selber Ihre Gesetzentwürfe gar nicht weiterbetreiben. Da gibt es noch einen Entwurf im Innenbereich. Er betrifft Verwaltungsvereinfachung. Wenn ich richtig informiert worden bin, dann kommt der richtige Druck, diese Bemühungen voranzutreiben, ganz gewiß nicht von Ihrer Seite.
Unter dem Blickwinkel des Wahlkampfes ist es sehr schwierig, dieses Sammelsurium so in den Griff zu kriegen, daß man den wirklich drängenden Problemen und vor allem den den Bürger interessierenden Fragen sachgerecht beikommt Diese vier Vorlagen - nehmen Sie es mir nicht übel - reizen zur Satire. Sie haben selber gesagt, Sie würden über die Bürokratie gern Satiren schreiben. Aber ihre Vorlagen, die hier von der Präsidentin vorhin korrigiert werden mußten, weil sich Ihre Bürokraten offensichtlich in ihrem eigenen Gestrüpp verheddert haben, reizen zur Satire. Ich will es trotzdem mit Argumenten versuchen.
Das ebenso schlichte wie grobschlächtige Konzept lautet - und jetzt kriege ich gleich Beifall von der falchen Seite -: Sozialliberale, insbesondere sozialistische Normierungswut bläht die Bürokratie auf, und mehr Börokratie bedeutet weniger Freiheit - So war es ja wohl. Der Umkehrschluß lautet ja wohl: Wer mehr Freiheit will, muß gegen Sozialismus sein. - Na gut - Jetzt ist noch nicht einmal von Ihnen Beifall gekommen, weil offensichtlich auch Ihre eigenen Kollegen in der Fraktion so schlicht nicht denken. - Hiermit wecken Sie, wie ich meine, Emotionen. Wenn man überhaupt über Bürokratie und Ordnungsvorstellungen in öffentlichen Verwaltungen nachdenken will, muß man vielleicht mit etwas kritischem Verstand herangehen.
Um einen Überblick über die geltenden Gesetze zu gewinnen, verehrter Herr Kollege Althammer, hätte man sich hier tatsächlich nicht um diese vier Gesetze bemühen müssen, sondern man hätte wirklich einmal die Bundesregierung fragen sollen.
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- Gut. Ein Gesetz und drei Anträge. In einem Ihrer Anträge steht die Zahl genau drin.
Aber schauen Sie, nach unserer Auffassung muß man die Sache etwas differenzierter betrachten, weil ja nicht nur Gesetze das Verhalten des Bürgers bestimmen, wie der Begriff „Gesetzesflut" offensichtlich glauben machen will. Für den vom Recht Betroffenen - im weitesten Sinne - macht es gar keinen Unterschied, ob eine Materie durch formelles Gesetz, Gewohnheitsrecht, Richterrecht, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschriften geregelt ist. Weniger Gesetze - das ist die eigentliche Schwierigkeit - würden doch nur Entscheidungskompetenzen auf andere Stellen verlagern, z. B. auf die Gerichte, z. B. auf Private, z. B. in allgemeine Geschäftsbedingungen. Das einzige, was dann erreicht wird, ist, daß dieses Recht, das unter dem Gesichtspunkt der Verfassung zulässigerweise gesetzt wird, der demokratischen Legitimation entbehrt. Dann bestehen noch mehr Schwierigkeiten, das von einzelnen, demokratisch nicht Legitimierten gesetzte Recht in eine vernünftige Ordnung zu bringen.
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- Ich komme gleich noch darauf.
„Gesetzesflut" - das wollte ich hier zunächst darstellen - ist ein politischer Kampfbegriff. Es gibt ja noch ganz andere Adressaten, die man, wenn man es ehrlich meint, einbeziehen muß. Es gibt z. B. elf Länder, . Landkreise, Städte, Gemeinden, die Europäischen Gemeinschaften und viele 'internationale Verträge. All das macht doch erst ingesamt die Normenvielfalt aus. Es sind eben - ich sagte es schon
- auch nicht nur diese öffentlich gesetzten Normen, sondern es kommen die privaten dazu. Ein Verzicht des Gesetzgebers würde diese Regelungskompetenz auf Private verlagern.
Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, soweit dadurch Selbstverantwortung und Eigeninitiative gestärkt werden, wie Sie gesagt haben. Aber es ist sehr wohl etwas dagegen einzuwenden, wenn dann Starke anfangen, über die Schwachen zu herrschen, und daß Interessengruppen sehr unterschiedlicher Durchsetzungskraft an einer solchen Regelung beteiligt sein können. Lassen Sie mich an die unterschiedlichen Interessen von Mietern und Vermietern, Herstellern und Verbrauchern, Reisenden und Reiseveranstaltern erinnern. Dort fehlt es an der Ausgewogenheit der Machtpositionen. Sie müssen durch öffentliche Normierung, d. h. durch Gesetze, ins rechte Lot gebracht werden. Ich wehre mich dagegen, daß die simple Gleichung „Weniger Gesetze gleich mehr Freiheit" hier aufgehen soll. Sie geht nämlich nicht auf. Denn es ist so: Weniger Gesetze können sehr wohl sozial schwächeren Gruppen Freiheitsräume verschließen, und mehr Gesetze können sie eröffnen. Aber es muß natürlich nicht in jedem Fall so sein.
An dieser Gesetzgebung - Herr Dr. Althammer, das sollten Sie ehrlicherweise zugeben - ist die Opposition ja beteiligt gewesen, und zwar sehr erheblich, und der von Ihrer Partei oder Ihren Parteien dirigierte Bundesrat unter Umständen noch viel erheblicher.
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Ich kann hier keinen vollständigen Überblick geben. Lassen Sie mich von dem sprechen, worüber ich ein wenig Überblick habe, nämlich von dem Bereich der Rechtspolitik. Da ist es so gewesen: Seit Bestehen der sozialliberalen Koalition sind 151 Gesetze verabschiedet worden. 20 davon haben Ihre Zustimmung nicht gefunden. Sechs davon haben nachher die Zustimmung im Bundesrat erfahren. Das Verhältnis zwischen allen 151 Gesetzen und den Gesetzen, die Ihre absolute Zustimmung nicht gefunden haben, ist demnach ungefähr 10 : 1. Das gerade von Ihrer Seite über Notwendigkeiten oder Bürokratismus in diesem Bereich geredet worden ist, habe ich noch nicht vernommen.
Dennoch - das gebe ich gern zu - haben diese Anträge einen sehr wichtigen Kern. Er liegt in dem immerwährenden Appell an die Selbstbeschränkung und auch die Zurückhaltung des Gesetzgebers. Er liegt natürlich auch in der Einsicht, daß der Bürger das Recht kennen muß, dem er unterworfen werden soll.
Aber viel wichtiger als dieses Geklage über zu viele oder zu wenige Gesetze ist der Appell auch an Bürokratien und Rechtsunterworfene, solche Gesetze in die Lebenswirklichkeit umzusetzen, damit sie zum Tragen kommen. Hier meinen wir, einiges auf einen gemeinsamen Weg bringen zu können.
Von einem Rechtsbereinigungsgesetz versprechen wir uns sehr wenig. Denn zunächst brauchen wir eine Rechtsdokumentation, um d iesen Bestand aufzuarbeiten.
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- Ja, ich stimme Ihnen ja zu, Herr Möller. Ich bin ja gar nicht so.
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Diese Rechtsdokumentation muß eine solche Rechtsbereinigung vorbereiten. Es läuft ja seit 1979 im Bereich des Bundesministers der Justiz die Rechtsdokumentation. Das wollen wir uns dann angucken. Wenn Stück für Stück die Grundlagen geschaffen werden, kann man sicher einiges abschaffen.
Diese Bemühungen müssen aber - das haben Sie gesagt - auch im Bereich der Länder stattfinden. Hier ist Baden-Württemberg ein Vorreiter. Aber ich hatte immer den Eindruck: Da geschieht viel Spektakuläres. Es geht ja nicht allein um die Gesetze, sondern vor allen Dingen um die 100 000 Verwaltungsvorschriften.
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Wenn 60 000 davon abgeschafft werden, geht es
noch um 40 000. Es wäre sinnvoll, wenn die doku18046
mentiert und aufgelistet würden, damit man lesen kann, was für ein Sinn oder Schwachsinn in öffentlichen Vorschriften in dieser Welt existiert Das gilt für Erlasse und Rundschreiben, für den Bund und alle Länder. Das muß so dokumentiert und nachlesbar gemacht und auf den neuesten Stand gebracht werden - der Verlag C. H. Beck wird sich wahrscheinlich freuen, was er da alles noch machen kann -, damit das Recht sozusagen anwendbar und handhabbar wird. Aber auch wer aus einer deutschen Mittelstadt kommt - und es gibt da ja einige -, wird sich überlegen müssen, was Städte, Gemeinden und Landkreise an Normen produzieren und wie schwierig es ist, da einen Überblick zu gewinnen.
Sie haben gesagt: Normen müssen klar sein. Das sagt sich so schön; ich frage mich immer, was das heißt. Aber ganz wichtig ist natürlich auch, daß Normen fachlich richtig formuliert sind, daß sie in das Gesamtsystem passen. Im Rechtsausschuß haben wir es da relativ leicht; als Jurist hat man das gelernt. Aber für die vielen Fach- und Einzelausschüsse ist es nicht ganz einfach, nun das wirkliche Leben in Fachsprache zu übertragen, die immer übereinstimmt, die vergleichbar ist. Ich halte nicht viel davon, klare, einfache und schlichte Gesetze zu machen, sondern sie müssen stimmen, fachlich richtig formuliert sein. Wichtiger ist, dem Bürger das, was gelten soll, dann im Zusammenhang in Fibeln oder Broschüren so deutlich zu machen, daß er sein Recht kennt. Ich meine, hier hat auch der Bundesminister der Justiz Erhebliches geleistet. Die Auflagenzahl und auch die Resonanz beim Bürger auf die Informationen ermutigen uns, hier voranzuschreiten, diese Aufklärung vor Ort wirklich zu betreiben. Hier können auch Gemeinden, Städte, Landkreise, Länder, aber auch die Schulen einen erheblichen Teil dazu beitragen.
Nachdem nun der von früheren, konservativen Bundesregierungen verursachte Regelungsstau auf ganz wichtigen Gebieten, z. B. im Familienrecht, im Strafrecht, durch unsere dauerhafte und nicht nachlassende Reformpolitik abgebaut ist, können wir uns als Gesetzgeber durchaus der Aufgabe zuwenden, zu beobachten, ob die gesetzgeberischen Ziele auch erreicht sind. Denn das ist ja das Entscheidende: Wir wollen ein politisches Ziel erreichen, Sie wollen ein politisches Ziel erreichen, und wir haben dafür das Mittel des Gesetzes. Ob aber der Schuß, den wir in Form eines Gesetzes loslassen, auch dort trifft, wo wir ihn hinhaben wollen, muß man beobachten. Dies weiß man - rein technisch - zu Anfang der Gesetzesberatung leider noch nicht. Das ist das Thema Rechtstatsachenforschung und Gesetzesfolgenbeobachtung, die wir dringend brauchen, auch um unser selbst willen: Ob die Bürokratien das so hinkriegen, wie wir als Gesetzgeber das wollen.
Zur Verhinderung von Reformen - lassen Sie mich das auch sagen, Herr Althammer - ist die Gesetzesflutdiskussion, wie ich finde, absolut ungeeignet. Dennoch wird das ja immer wieder versucht. Der Bundesrat hat seine Entschließung zur Eindämmung der Vorschriftenflut gerade mit dem Hinweis auf Jugendhilferechtsreform, Reisevertragsgesetz,
Beratungshilfegesetz, Neuregelung der Landwirtschaftsbesteuerung begründet Und das sind ja doch nun politisch sehr kontroverse Vorhaben. Hier sind wir der Auffassung - dies werden wir auch weiter durchsetzen -, daß der Gesetzgeber die Aufgabe und den Auftrag zum Aufbau und Ausbau des Rechts- und Sozialstaates hat. Die von Ihnen zum Wahlkampfthema erhobene Bürokratie-Diskussion entläßt uns nicht aus der Verpflichtung zur verantwortlichen Gestaltung dieser Ordnung.
Lassen Sie mich abschließend noch auf die weiteren Anträge zu sprechen kommen: Der Wunsch nach Abbau der Verpflichtung der Wirtschaft zur Angabe statistischer Daten ist verständlich, genauso verständlich wie populär, vor allen Dingen für viele Klein- und Mittelbetriebe, die sich in der Tat durch so etwas nicht unwesentlich belastet fühlen. Aber auch hier wird ja etwas getan. Allerdings sollte man hier auch sehen, daß gerade die Klein- und Mittelbetriebe bei der Ausfüllung dieser Statistiken von ihren bürokratieanfälligen Verbänden sehr, sehr wenig Hilfe bekommen. Der Statistik-Antrag übersieht meines Erachtens auch, daß gerade die Wirtschaft das allergrößte Interesse an einer zuverlässigen Statistik hat. Wer soll denn nun in Europa oder für die großen internationalen Organisationen die Zahlen liefern, die die brauchen, um die gewollte internationale Integration herbeizuführen? Wer soll im übrigen, wenn es keine Statistiken gibt, Steuerschätzungen betreiben? Wer soll denn Konjunkturpolitik machen?
Auch Statistiken werden entrümpelt. Gerade heute habe ich gehört, im Innenausschuß sei schon wieder einmal entrümpelt worden; das ist ganz hervorragend. Aber die Privatisierung der Wirtschaftsstatistik würde - sehr zum Schaden der Betroffenen selbst, nämlich der Wirtschaft - dem Staat doch jede rationale Grundlage der Konjunkturpolitik entziehen. Das aber wollen auch Sie wahrscheinlich selber nicht.
So bleibt schließlich noch das Formularwesen. Dies ist nun der letzte in dem Blumenstrauß Ihrer Anträge. Dieser Antrag bietet nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus der populären, aber, wie ich meine, doch bisher von Ihnen sehr oberflächlich betriebenen Bürokratiekritik. Natürlich müssen Formulare durchdacht werden und müssen verständlich gestaltet sein. Aber das Wichtigste, was mit Formularen geschehen muß, haben sie erst heute mündlich begründet, das steht gar nicht in Ihrem Antrag.
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- Nein, ich habe das genau angesehen. - Das Wichtigste, was mit Formularen geschehen muß, ist, daß man vor ihrer Einführung überlegen muß, ob sie überhaupt notwendig sind.
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- Völlig richtig!
Bei der Durchdenkung der Formulare gibt es Empfehlungen des Bundesverwaltungsamtes für arbeitsgerechte und bürgernahe Vordrucke. Ganz
hervorragend! Mein Kollege Brandt hat es vorliegen, ich habe es mitgebracht. Dieses ist zwei Monate vor Ihrem Antrag entstanden. Die Inhaltsübersicht in diesem Papier, dem grünen Heft, entspricht genau Ihrem Antrag. Wissen Sie, dieses ist Bürokratie durch Leerlauf. Hier wird eigentlich auch ein bißchen Schaum geschlagen. Was das Bundesverwaltungsamt schon gemacht hat, brauchen Sie nicht noch in Anträge umzugießen.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Kollege Dr. Althammer!
Herr Kollege, zunächst einmal darf ich Sie fragen, ob Ihnen nicht bekannt ist, daß unsere Anträge bereits vor längerer Zeit vorbereitet wurden, so daß dieser Vorwurf des Plagiats nicht trifft. Zum zweiten darf ich Sie fragen, ob Sie es nicht für notwendig halten, daß das Parlament diese Bemühungen, die Formulare nun wirklich zu vereinfachen und ihre Zahl zu reduzieren, unterstützen und den nötigen Druck geben sollte.
Bei dem Druck bin ich einverstanden, den wollen wir gern geben. Ob wir dazu ein Gesetz brauchen, bezweifle ich.
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Aber Wind wollen wir wirklich nicht machen. Ich konnte Ihrem Antrag leider nicht entnehmen, wie lange er im Schoße Ihrer Fraktion beraten worden ist. Ich habe mich an den Daten ausgerichtet. Dieses grüne Heft kam zwei Monate vorher heraus. Da können Sie einmal ganz zufrieden sein, daß die Bundesverwaltung schon handelt, ehe Sie überhaupt zu Stuhle gekommen sind. Das ist doch eine hervorragende Zusammenarbeit.
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Was mich an Ihrem Antrag auch stört, ist der Ansatz. Er wendet sich an die Bundesverwaltung. Es geht doch gerade bei der Bürokratie keineswegs zuerst um den staatlichen Bereich. Die Opposition vermutet natürlich dort den Sitz des Unverstands. Aber Sie verschweigen oder übersehen bürokratische Erscheinungen auf anderen Gebieten, insbesondere auch im Bereich der Wirtschaft und im Bereich der Unternehmen. Wenn über Bürokratisierung gesprochen wird, über Formulare und über sinnlose Organisation, dann müssen wir das gründlich und umfassend und auf allen Gebieten tun. Da kann ich Ihnen versichern - wir wollen uns gern dieser Aufgabe widmen -: Das wird ein mühevoller Kleinkrieg! Das ist wie mit der Hydra, wenn man einen Kopf abschlägt, wachsen zwei nach. Den angeblichen Greueln des Verwaltungshandelns stehen mindestens gleiche Untaten der Wirtschaft gegenüber: brachliegende Kapazitäten, Verschwendung, Doppelarbeit, Mißmanagement, Konfliktlösung durch Vergeudung volkswirtschaftlicher Werte. Das gibt es überall.
Wir Sozialdemokraten haben der Bürokratie den Kampf angesagt und werden es weiter tun, wo immer wir sie antreffen. Wir freuen uns sehr, diesen Kampf gemeinsam zu bestehen, bloß nicht mit Worten, sondern mit Taten. Denn der Teufel steckt, wie Sie, Herr Althammer, sehr genau wissen, im Detail. Hier reicht es auch nicht, nur den Willen anzustrengen, sondern man muß auch die Kräfte zusammennehmen.
Im übrigen - lassen Sie mich auch das noch sagen - kommt es bei dieser ganzen Diskussion darauf an, daß man das rechte Maß betrachtet und zweierlei bedenkt:
Erstens. Die Bürger sind zu 66 % mit den Leistungen der öffentlichen Verwaltung zufrieden. Das ist eine ganze Menge. Da hat natürlich jeder aus seinem persönlichen Erfahrungsbereich Gegenbeispiele. Nur, diese Beispiele sind kein unmittelbarer Beweis. Die Bürokratie funktioniert trotz allem gar nicht so schlecht.
Zweitens. Nicht fruchtlose Bürokratiedebatten, sondern sinnvolle Gestaltung unseres Daseins durch engagierte und dem Gemeinwohl verpflichtete Menschen, das sollte unser Ziel sein. Einer pauschalen Beamtenbeschimpfung sind auch Sie nicht erlegen. Das bringt überhaupt nichts; wir brauchen in der Tat diese Beamten. Aber Struktur, Ausbildung und Führung der Beamtenkorps im Auge zu behalten, würde sich in der Tat empfehlen. Natürlich brauchen wir mehr kreative, mehr engagierte Beamte.
Ich meine auch, wir brauchen mehr Ermessen in den Verwaltungen und weniger Gängelungen durch den Gesetzgeber, aber auch durch die Gerichte. Es hat doch überhaupt keinen Sinn, daß wir darauf verzichten, Gesetz zu machen, und Ermessensvorschriften an die Verwaltungen geben, wenn die Gerichte dann in diesen Freiraum einspringen und das, was wir unterlassen haben, in ungewollter Weise fertigmachen. Bürgerfreundliche Verwaltung - das ist ein allgemeiner Erziehungsprozeß - muß natürlich dem Menschen entgegenkommen. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, daß unsere Demokratie zu einem Selbstbedienungsladen für Sonderinteressen würde, mit Verwaltungen und Gesetzgebern, die den Überblick über das Ganze und den Kontakt zum Bürger verlieren. Daß dies nicht geschieht, daran müssen wir alle mitwirken und versuchen, alle arbeitenden Teile zusammenzufügen. Wir Sozialdemokraten haben uns das als dauernde Aufgabe gestellt.
Ich werde mich gern zur Zusammenarbeit auch mit Ihnen bereitfinden. Dazu bedurfte es nicht dieser Anträge. Aber Sie haben uns Gelegenheit gegeben, einiges zurechtzurücken. Ich glaube nicht daran, daß wir in 14 Tagen das eine Gesetz und Ihre vier Anträge beschließen. Aber ernsthaft beraten wollen wir sie. Wir werden sehen, was wir in der nächsten Legislaturperiode mit Ihrer konkreten Hilfe ohne Wahlkampf hinkriegen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Althammer, Ihre Fraktion ist -.wenn ich das richtig sehe - zur Zeit hier mit 20 Abgeordneten anwesend, die Freien Demokraten mit acht.
({0})
Das ist im Verhältnis zu der Sollstärke der Fraktionen ein Hinweis darauf, daß Ihre übrigen Kollegen offenbar zur Zeit in ihren Büros sitzen, um neue Gesetzentwürfe auszudenken, statt sich hier über die Bekämpfung der Gesetzesflut Gedanken zu machen.
({1})
Das ist sehr bedauerlich; denn Ihr Anliegen liegt uns ja allen, was Sie offenbar nicht so richtig verfolgt haben, am Herzen. Ich bin in der glücklichen Lage - wie andere Vortragende auch -, auf meine Ausführungen in der Debatte am 15. Dezember 1977 hier im Hause zum selben Thema zu verweisen, bei der Sie offenbar verhindert waren, anwesend zu sein. Da sind die gleichen Argumente ausgetauscht worden wie heute. Ihre Fraktion hat sich damals wie heute dadurch ausgezeichnet, daß sie einen uns allen bekannten Mangel beklagt, ohne zu sagen, was sie daran tun will. Es sei denn, man hält die Tatsache, daß Sie jetzt bei vier Anträgen der Versuchung nicht widerstehen konnten, wenigstens einen Antrag auch als Gesetz auszugestalten, um der Gesetzesflut zu begegnen, für einen Fortschritt in Ihrer Haltung. Guckt man sich jedoch Ihren Gesetzentwurf im einzelnen an, dann kommt man zu ganz trüben Erkenntnissen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie vorher eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Herr Kollege Kleinert, wenn Sie zurückgreifen, wollen Sie dann nicht vielleicht auch noch erwähnen, daß die Bundesregierung 1957 eine Kommission aus 13 Sachverständigen eingesetzt hat? Alles, was heute hier vorgetragen worden ist, wurde dort auch schon vorgetragen. 1960 hat dann der Bundesminister des Innern diesen Bericht hier vorgelegt.
({0})
- Ich habe gefragt, ob der Herr Kollege das ergänzen will.
({1})
Ergebnis von damals: Null!
({2})
Herr Kollege Schäfer, wahrscheinlich ist die Geschichte ja erheblich älter. Ich meine mich zu erinnern, daß Shakespeare vom Übermut der Ämter und Behörden geschrieben hat; das ist wohl einige hundert Jahre her.
({0})
Es ist nur etwas verwegen und besonders anmutend, daß ausgerechnet zum Zeitpunkt der Bundestagswahl diese jahrhundertealte Klage hier von der CDU/CSU nicht etwa nur wiederholt wird, sondern daß sich ausgerechnet die Christdemokraten - ich komme im einzelnen darauf - als diejenigen darstellen, die auch sofort Abhilfe schaffen wollen. Das ist einfach ein Versuch, da braucht man nichts zu ironisieren, das ironisiert sich aus sich selbst. Stellen Sie sich einmal vor, in § 2 Abs. 1 Satz 3 Ihres Gesetzentwurfes zur Bereinigung des Bundesrechts heißt es: „Überschriften können" - was heißt das? - „vereinfacht, Einleitungen und Schlußformeln sowie Unterschriften weggelassen werden, soweit hierdurch nicht die Bezeichnung der gesetzlichen Grundlagen betroffen wird." Ein typisches Beispiel für die Art von Bestimmungen, mit der man Legionen von Sachbearbeitern in schweißtreibende Arbeit versetzen kann, ohne daß sich irgend etwas bewegt.
({1})
Hektischer Stillstand ist in diesem Gesetz schon angelegt.
Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung empfehle ich Ihrer Lektüre. In § 35 dieser Gemeinsamen Geschäftsordnung - die sicherlich bereits zu Zeiten christdemokratischer Amtsführung so gestaltet worden ist - ist die Rede davon, daß Gesetze aus sich heraus lesbar sein müssen. Das wäre z. B. einmal ein interessanter Beitrag. Sie versuchen ja auch, das in Ihrem Antrag wieder vorzubringen. Ich sage Ihnen: Die Zeit ist darüber hinweggegangen. Ich komme gleich darauf.
Aber, bitte, zunächst kommen Sie natürlich!
Herr Dr. Althammer!
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob Sie den Eindruck haben, daß die zitierte Bestimmung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung in den letzten Jahren wirklich in allen Fällen angewendet worden ist.
Wenig, Herr Kollege Althammer! Ich halte sie sogar nicht für richtig. Ich bin nämlich mit Lukas - Kapitel 18 Vers 9-14 - der Meinung - das darf ich Ihnen als Liberaler einmal sagen; Sie sind ja der Christ -:
({0})
„Herr, ich danke Dir, daß ich nicht so bin wie jener da." - So sprach der Pharisäer. - Und was sprach der Zöllner? Dazu müssen sich die Liberalen ja wohl rechnen dürfen. Er sprach: „Ich bin ein sündiger Mensch."
({1})
- Sehen Sie!
Und weil wir die Sache so sehen, haben wir uns im Laufe der letzten Jahre nicht auf irgendwelche verbalen Forderungen beschränkt, sondern haben versucht, über die Ursachen nachzudenken. Wir wären heute wirklich gern einmal mehr - man soll das in der Tat in einer so wichtigen Sache nicht aufgeben - in ein sachliches Gespräch mit Ihnen eingetreten, was durch Ihre Vorlagen allerdings zunächst etwas behindert wird. Aber wenn man von diesen Vorlagen absieht, kann man ja die Unterhaltung locker fortsetzen, um der Sache zu dienen.
({2})
Deshalb möchte ich Ihnen zu § 35 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung folgendes sagen. Ich halte diesen Paragraphen deshalb nicht für richtig, weil es einfach rechtspolitisch nicht erwünscht ist zu versuchen, Gesetze aus sich selbst heraus lesbar zu gestalten.
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Das ist eine Idee gewesen, die sich aufdrängt, die sehr einleuchtend ist und die auf den ersten Blick überzeugend wirkt. Heraus kommt dann aber, daß anschließend die Erfinder solcher Ideen durch die Lande ziehen und nächtlicherweise in Landgasthäusern dem staunenden Publikum erklären, es gebe sound so viel Meter Bundesgesetzblatt.
Wodurch kommt das? Wenn ich auf jede Verweisung verzichte, wenn ich jede Bezugnahme auf Grundbegriffe der Jurisprudenz, die klugerweise und ein für allemal, z. B. im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, so geregelt worden sind, wie es seitdem keiner mehr verstanden hat, wenn ich auf diese Begriffe als Grundlage aller Gesetzgebung verzichte, sondern in jedem Einzelfall das, was dort schon feststeht, wieder mit einführe, damit ein Gesetz aus sich heraus lesbar wird, dann ende ich in Fluten von Gesetzen, die überhaupt nicht mehr zu kontrollieren sind.
({4})
Darum sind das vordergründige Vorschläge, mit denen Sie zwar Beifall dort kriegen können, wo die gesamte Praxis von keinem anderen übersehen und eingebracht werden kann, es sind aber nicht die Vorschläge, über die wir uns hier unterhalten sollten.
Sie haben Einzelvorschläge gemacht, die wirklich drollig sind. Sie haben z. B. die Statistik aufs Korn genommen. Dazu darf ich Ihnen ohne Verletzung der Vertraulichkeit der Beratungen des Vermittlungsausschusses mitteilen, daß der Bundesinnenminister vor einiger Zeit ein Statistikbereinigungsgesetz mit dem Ziel vorgelegt hat, die Zahl der Statistiken, übrigens im Einvernehmen mit dem in diesem Sachbereich hauptsächlich betroffenen Bundeswirtschaftsminister, zu vermindern. Ich muß ja auch ein bißchen an den Wahlkampf denken, denn beide gehören der FDP an.
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Dann hat der mehrheitlich von der CDU beherrschte Bundesrat den Vermittlungsausschuß mit dem Begehren angerufen, die Zahl der zu erhebenden Statistiken zu verringern. Zu der von Ihnen verlangten Verringerung der Zahl der statistikpflichtigen Betriebe, die damals schon im Gesetz stand, die vorgeschrieben war, hat der Bundesrat gesagt, die Zahl dieser Betriebe müsse vergrößert werden, weil sich die Landesregierungen sonst nicht in der Lage sähen, ihren Aufgaben ordnungsgemäß nachzugehen.
Was Sie hier fordern, hat die Regierung also vor geraumer Zeit in Gesetzesform gebracht, und die CDU-regierten Länder haben den Vermittlungsausschuß angerufen, um die Zahl der Betriebe wieder zu erhöhen. Mit Bitten und Betteln ist es dann schließlich gelungen - ich muß mich an die Vertraulichkeit halten; das andere stand ja in den Vorlagen -, wenigstens einen Teil der von der Bundesregierung vorgelegten Vereinfachungsvorschläge im Statistikbereich gegen den Widerstand Ihrer Parteifreunde in den Ländern durchzusetzen.
Nachdem sich das alles auf seriöser sachlich-fachlicher und im einzelnen ausgeschriebener Basis abgespielt hat, kommen Sie heute mit der allgemeinen Forderung nach Herabsetzung der Zahl der Betriebe. Man muß die Zusammenhänge von den Mitarbeitern vorher möglichst sorgfältig prüfen lassen, damit man nicht in Verlegenheit kommt, sich in einen so dramatischen Widerspruch zu den heiligsten Anliegen der eigenen Parteifreunde zu setzen.
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Wir haben kürzlich einen Versuch gemacht unter - ich stehe gar nicht an, das zu erklären - sehr lebhafter und dankenswerter Beteiligung Ihres Fraktionskollegen Herrn Helmrich und genauso von Herrn Lambinus von der SPD, aus einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, nämlich dem Gesetz zur Novellierung des GmbH-Gesetzes einiges herauszustreichen, übrigens unter Verstoß gegen den genannten § 35 der Gemeinsamen Geschäftsordnung. Es ist uns gelungen, den Text dieser Regierungsvorlage auf ein Drittel des vorgelegten Umfanges zu reduzieren. Ich behaupte nach wie vor, daß der Regelungsinhalt dadurch nicht verändert worden ist, sondern daß wir nur da, wo perfektionistischerweise nicht unbedingt zu regelnde Tatbestände hineingeschrieben worden waren, das, was des Richters ist, wieder dem Richter gegeben haben, und das, was des Gesetzgebers ist, allerdings beim Gesetzgeber belassen haben.
Wir haben dabei versucht, in praktischer Arbeit etwas zu tun und nicht Vorlagen mit dem Inhalt zu schreiben, das alles müsse einmal besser werden. Wir haben richtig hart gearbeitet, ungefähr 100 Stunden reine Beratungszeit. So stellen wir uns die Art vor, wie man an das von Ihnen etwas verspätet angeschnittene Problem herangehen sollte.
Ich will auf einige sachliche Bestimmungen des vom Bundesrat angehaltenen Bundesberggesetzes nicht eingehen; Herr Linde, ich bin auch Niedersachse. Das ist eine andere Frage. Aber wir reden hier von der formalen Seite der Sache. Durch das
Bundesberggesetz haben sich etwa 100 Landesgesetze und Landesverordnungen erübrigt. Damit hat sich der Wirtschaftsausschuß unter dem von Ihnen genannten Gesichtspunkt ein ganz erhebliches Verdienst erworben. Daß dieses Gesetz nun vom Bundesrat angehalten worden ist, spricht aber nicht für Ihre Theorie, daß die Übeltäter hier sitzen, wo die „liberal-soziale" Koalition dieses Gesetz durch diese Bundesregierung vorgelegt hat.
({7})
- Ich habe Ihnen doch erzählt, daß ich verstanden habe, welchen Zeitpunkt er meint; deshalb drehe ich die beiden Worte um, weil wir uns im Wahlkampf befinden; das ist doch ganz einfach.
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Und dann geht der Bundesrat her und hält eine solche wünschenswerte Vereinfachung, die nicht für die Zukunft mit den Worten, man müsse einmal sehen usw., wie Sie hier schreiben, gefordert wird, sondern die wirklich mit Punkt und Komma gemacht ist, einfach an.
Jetzt kommen Sie; das ist einfach zu spät, Herr Kollege Althammer. Die Prozeßkostenhilfe ist in ihrem Text auf glatt die Hälfte des Umfangs geschrumpft Was, meinen Sie, ist dann passiert? Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuß angerufen, um einige zusätzliche Umständlichkeiten wieder einzuführen. Wissen Sie was? Jetzt gehe ich nicht her und sage, das seien die bösen CDU-Leute, die immer für Bürokratie seien, und das seien die guten Sozialliberalen - jetzt einmal andersherum ({9})
gewesen, die alles richtig gemacht hätten, sondern ich sage Ihnen etwas ganz anderes: Der Drang zum Perfektionismus wohnt im Menschen allgemein, im Deutschen besonders und im deutschen Beamten ganz besonders.
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Das hat mit Parteien gar nichts zu tun.
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Und dann kommen Sie her und wollen aus dem Ding eine eigene Sache machen, und zwar gegen den äußeren Anschein. Ich habe Ihnen soeben gesagt, wo Sie der Schuh drückt Aber ich will mich ja an Lukas halten; deshalb habe ich Beispiele gebracht, wo wir es aus Einsicht wirklich besser gemacht haben. Und ich sage Ihnen gleich: Es bleibt unendlich viel, was man besser machen sollte, aber darüber muß man dann unter anderen Prämissen nachdenken als unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Vorwürfe oder der Ablieferung von Alibianträgen, sondern dann muß man sich mit Leuten unterhalten, die einmal darüber nachdenken, wo denn der ganze Mechanismus herkommt.
Ich habe vor drei Jahren hier einmal die Frage angeschnitten: Wie ist das Verhältnis des Abgeordneten zur Bürokratie? Ist der Abgeordnete nicht in Gefahr, selbst zum Bürokraten zu werden? Sind nicht manche Hilfen, die uns gegeben werden, unter dem Gesichtspuntk der Arbeitserleichterung und des besseren Gleichgewichts gegenüber der Bürokratie in Wirklichkeit Danaergeschenke?
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Solange noch drei Abgeordnete in einem Zimmer gesessen haben, haben sie mehr Gesetze und nebenbei vernünftigere Gesetze gemacht als jetzt, wo sie auf Grund ihrer Einzelunterbringung draußen sind und nicht hier, wo wir uns über die Frage Gedanken machen. Das ist dann die „Erleichterung" der Abgeordnetentätigkeit. Da liegt doch das Problem, daß sich die Abgeordneten das süße Gift der besseren Ausstattung selbst verordnet haben. Hinterher schlichten sie nur noch Streitigkeiten unter Mitarbeitern, statt ihre eigene Arbeit zu tun, denn die kommen sowieso nicht dazu.
({13})
Wenn Sie nicht in der Lage sind, in diesen Grundfragen die Dinge einmal etwas klarer ins Auge zu fassen, sondern hier mit solchen Vorlagen ankommen, können Sie sich dem Problem nicht nähern. Über so etwas sollte man sich selbstkritisch unterhalten.
Ich lade Sie herzlich ein, dem von mir zu gründenden Verein beizutreten, nämlich dem „Verein zur Relativierung der Vervielfältigung von Bauten im Bundeshausbereich", „dem Verein nachdenklicher Abgeordneter". In diesem Verein können Sie Mitglied werden. Dann können Sie sich einmal mit mir überlegen, welche Bedeutung die „grüne Mitte" hat - Wissen Sie überhaupt, was die „grüne Mitte" ist?
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Das ist ein wichtiges städteplanerisches Vorhaben. Es sieht aus Gründen der Ästhetik vor, daß überall da, wo heute hier Häuser stehen und Menschen wohnen, insbesondere Journalisten, aber auch andere Menschen, ein großer grüner Rasen hinkommt, der städtebaulich gut wirkt und verhindert, daß die Leute zusammenkommen, die man heute noch einmal auf dem Gang zum Kiosk oder sonstwie auf der Straße trifft und mit denen man einmal rasch eine Bemerkung austauschen kann, damit die Presse noch in etwa weiß, worüber sie schreiben soll; denn den Weg hierher findet sie ja auch nur selten.
({15})
Es soll alles abgerissen werden zugunsten der „grünen Mitte", damit sich endgültig gar niemand von denen treffen soll, die nur durch ständige und intensive Kommunikation in der Lage sind, der Bürokratie Widerpart zu geben.
Sie wollen typischerweise mit bürokratischen Mitteln, wie Ihr Antrag und insbesondere Ihr Gesetzentwurf ausweisen, versuchen, die Sache zu steuern. Nein, denken Sie darüber nach, was Gesetzesmacherei wirklich bedeutet, wo Irrwege beschritten werden.
Ich behaupte z. B. seit Befassung mit dem GmbH-Gesetz entgegen meiner früheren Ansicht, daß das so hochgelobte Aktiengesetz eine Fehlleistung des Parlaments war, weil man zu der Zeit geglaubt hat, mit möglichst viel Ausschreiben, mit möglichst viel
Darlegung von Einzelheiten den Menschen einen Gefallen tun zu können, um das Ganze, wie Sie hier schreiben, lesbarer zu machen. Die Folge war, daß das ganze Ding so kompliziert geworden ist, daß infolge der Klarstellung von Einzelheiten so viele weitere Fragen für die Gerichte aufgeworfen worden sind, daß sich manche Firmen, die in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft gehören, heute wegen der Kompliziertheit des Gesetzes und wegen seiner praktischen Unbrauchbarkeit dieser Rechtsform nicht mehr bedienen.
Das ist aber, wie gesagt, eine Einsicht, die einem erst kommt, wenn man einmal über die Wege der Gesetzgebung nachdenkt, über Sinn, Zweck und Machbarkeit. Das muß man im einzelnen am Beispiel erst ausdiskutieren und dann vernünftig regeln. Man kann hier nicht sagen: Es muß alles besser werden; zum Zweck der Gesetzesvereinfachung lege ich hier einen Gesetzentwurf kompliziertester Art vor. - Das ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg. Wissen Sie, bei den Bestimmungen, die Sie da anführen, geht es mir so, wie bei manchem in vielen anderen Gesetzen leider auch immer noch, so daß ich daher erst glaube zu wissen, was der Mann sich gedacht hat, der dieses hervorragende Lied von dem Nippel, den man erst durch die Lasche ziehen muß, erfunden hat.
({16})
Das ist die Art von Gesetzestext, die in diesem Lied so plastisch zum Ausdruck kommt.
Ich möchte Sie - die sich immerhin so weit interessiert haben, daß sie anwesend sind - jetzt nicht länger abhalten von weiteren, hoffentlich Gesetzgebungsvereinfachungen oder gar -streichungen. Ich hoffe, daß Sie auf Grund Ihres heutigen Versuchs erkennen, daß nur ein sachliches Gespräch unter wirklich gesprächsbereiten und kompetenten Leuten dazu führt
({17}) - Wo auch immer, Herr Althammer.
({18})
- Das waren Sie nicht? Gut - Wo auch immer, bloß entscheidend ist das Gespräch.
Alles, was mit diesem Neubau hier zusammenhängt, mit den tollen Vorstellungen von diesem enormen neuen Parlament, führt pfeilgerade auf vielfältige Weise dahin, daß die Abgeordneten immer weniger in der Lage sind, den einzigen Vorteil, den sie haben, nämlich unmittelbaren Zugang zueinander, raschesten Informationsfluß, Vermeiden von Briefeschreiberei, weiterhin wahrzunehmen, daß sie dies alles aufgeben und dann der Bürokratie endgültig unterlegen sind, mit all den schädlichen Folgen, die Sie schon längst beklagen.
({19})
Darüber muß man wirklich ernsthaft, wo auch immer, miteinander sprechen, und für solche Gespräche muß man allerdings in diesem Zusammenhang auch Gelegenheiten bereithalten.
Im übrigen wollte ich die Liste dessen, was die Freidemokraten in dieser Legislaturperiode in Ihrem Sinne getan haben - bevor Sie damit fertig wurden, Ihre Vorschläge niederzuschreiben -, noch durch den Hinweis ergänzen, daß wir einige besonders überflüssige Gesetze versenkt haben, eines übrigens auf Grund von Diskussionen in diesem Hause. Das war nämlich das phantastische Gesetz zur Sicherung von Vermögensanlagen zur Begünstigung von Notaren und Rechtsanwälten und Zahnärzten und dergleichen schutzbedürftigen Persönlichkeiten.
({20})
Das haben wir von diesem Pult aus versenkt. Auch einige weitere Gesetze haben wir versenkt Jedes Mal, wenn einer von uns so etwas tut, dann geht ein Teil Ihrer Fraktion, der für den jeweiligen Zweck sorgfältig ausgeguckte Teil Ihrer Fraktion, her und schreit Zeter und Mordio, daß die nützliche Vorlage der Union zum UWG nicht Gesetz werden kann, weil die häßlichen Freidemokraten dergleichen verhindern, während der andere Teil dann irgendwann ankommt und ganz heimlich, still und leise sagt, das hätten wir prima gemacht, sonst hätte man sich in der eigenen Fraktion offen auseinandersetzen müssen. So kann man auch überflüssige Gesetze in die Welt kriegen. Aber wir helfen Ihnen gerne weiterhin dabei, sie herauszubekommen. - Herzlichen Dank.
({21})
Ich hoffe, daß der Herr Kollege Kleinert es hoch anerkennt, daß ich ihn nicht an einigen Stellen zur Sache gerufen habe. Er weiß, welche ich meine.
Zur allgemeinen Information darf ich sagen, daß wirklich viele Ausschüse tagen. Ich sage das, weil vorhin hier die Bemerkung gemacht worden ist, es seien wieder einmal zu wenig Abgeordnete im Plenum. Aber in den letzten Wochen ist es wirklich so, daß neben dem Plenum viele Ausschüsse tagen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Für die Punkte 23, 24, 25 und 26 liegen Überweisungsvorschläge des Ältestenrates vor. Sie ersehen sie aus der Tagesordnung. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Bundesgrenzschutz
- Drucksachen 8/3131, 8/4176 - Berichterstatter:
Abgeordnete Pensky
Dr. Jentsch ({1})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Frau Renger
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jentsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, den Bundesgrenzschutz in die Lage zu versetzen, die erforderlich ist, damit er seinen Aufgaben in vollem Umfang gerecht werden kann. Auch wenn Sie - wie im Innenausschuß angekündigt - den Antrag hier mit Ihrer Mehrheit ablehnen werden, so ist er doch nicht ganz ohne Wirkung geblieben. Im Bundesinnenministerium - ich stelle das mit Freude fest - wird darüber nachgedacht, ob Aufgabenstellung, ob Organisationsstruktur, personelle und sächliche Ausstattung im Einklang miteinander stehen.
Wir erwarten, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß die Ergebnisse dieser Überlegung, dieser Überprüfung baldmöglichst dem Innenausschuß zugeleitet werden, damit man dann weiter darüber sprechen kann. Ich bin davon überzeugt, daß, wenn diese Untersuchung vorbehaltlos und ehrlich durchgeführt wird, sie die Richtigkeit unseres Anliegens nachweisen wird. Dann wird sie nachweisen, daß sich der Bundesgrenzschutz nicht in einem Zustand befindet, in dem er alle ihm übertragenen Aufgaben erfüllen kann. Dies ist schließlich nicht nur unsere Diagnose; es werden auch aus den Reihen des Bundesgrenzschutzverbandes, der GdP Zweifel daran geäußert, ob dieses Sicherheitsorgan in der Lage ist, alle ihm übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen aus dieser gemeinsamen Diagnose gezogen werden, und da unterscheiden wir uns.
Wir wollen den Bundesgrenzschutz wieder so ausstatten, so einrichten, daß er alle Aufgaben erfüllen kann. Wir meinen, daß dieser Antrag dazu ein Beitrag sein könnte. Andere ziehen aus dem Auseinanderklaffen von Aufgabenstellung und Zustand eine andere Konsequenz; sie wollen den gesetzlich übertragenen Aufgabenumfang reduzieren. Das ist theoretisch auch ein Weg.
In diese Richtung zielen z. B. diejenigen, die den § 64 aus dem Bundesgrenzschutzgesetz eliminieren wollen. Die Gewerkschaft der Polizei gehört dazu; auch Herr Kollege Pensky hat sich in dieser Richtung geäußert. Es wird darauf hingewiesen, der § 64 setze voraus, daß der Bundesgrenzschutz eine paramilitärische Einrichtung sei. Man will das nicht und weist deshalb darauf hin, daß es besser wäre, diesen Paragraphen zu streichen.
Worum geht bei diesem § 64? § 64 umschreibt die wohl extremste Sicherheitslage, die für den Bundesgrenzschutz entstehen kann. Nach dieser Vorschrift sind Verbände und Einheiten des Bundesgrenzschutzes mit Beginn des bewaffneten Konflikts Teil der bewaffneten Macht der Bundesrepublik Deutschland. Diese Einheiten und Verbände sind damit Kombattanten im Sinne des Völkerrechts.
Meines Erachtens ist es ein großer Irrtum, wenn behauptet wird, diese Vorschrift widerspreche dem Charakter des Bundesgrenzschutzes als Polizei und mache die Angehörigen dieser Sicherheitseinrichtung zu Militärs. Richtig ist vielmehr, daß der Kombattantenstatus den BGS nicht zu militärischen Einheiten macht, sondern ausschließlich dafür Sorge tragen will, daß der Bundesgrenzschutz auch im Fall eines bewaffneten Konflikts seinen polizeilichen Aufgaben gerecht werden kann. Im Kommentar von Einwack/Schön steht hierzu - ich möchte es zitieren -:
Andererseits ergaben die Erfahrungen aus der Auswertung bewaffneter Konflikte, daß zu Beginn solcher Konflikte, insbesondere beim Fehlen einer formellen Kriegserklärung, nicht immer deutlich zwischen grenzpolizeilichen Aufgaben und Aufgaben der Landesverteidigung unterschieden werden konnte.
An anderer Stelle heißt es in diesem Kommentar:
Darüber hinaus war nicht auszuschließen, daß die Angehörigen der Verbände des Bundesgrenzschutzes auch während eines bewaffneten Konflikts bei Durchführung von in der Sache polizeilichen Aufgaben auch mit gegnerischen Kombattanten zusammentrafen, wie z. B. Mitgliedern organisierter Widerstandsbewegungen.
Es geht also nicht darum: Militär - ja oder nein? Das steht hier nicht in Rede. Niemand will den BGS zur militärischen Einrichtung machen. Vielleicht war das einmal so. Hier geht es ausschließlich darum, welchen Zuschnitt die Aufgaben haben sollen, die dieser Bundesgrenzschutz wahrnehmen soll: Welche Aufgaben soll der BGS wahrnehmen, und welche Voraussetzungen hinsichtlich Organisationsstruktur und Ausstattung müssen damit gegeben sein?
Ich darf darauf hinweisen, daß ja auch zwischen den Aufgaben der Schutzpolizei und denen der Kriminalpolizei sicherlich Unterschiede bestehen, aber keiner auf die Idee kommt, aus dieser Unterschiedlichkeit nun eine Diskussion darüber abzuleiten, wer nun Polizei ist und wer nicht Polizei ist.
Die wirkliche Frage ist also, ob wir an der bisherigen Aufgabenstellung für den Bundesgrenzschutz festhalten, und zu dieser Aufgabenstellung gehört bisher als - wohlgemerkt: extremste - Sicherheitslage auch der Fall des § 64 des BGS-Gesetzes. Es gehören dazu - neben den anderen Aufgaben des Schutzes und der Sicherheit, die der Bundesgrenzschutz ebenfalls zu erfüllen hat - auch der Fall des inneren Notstandes und auch der Grenzschutz.
Dann also, wenn wir jetzt davon ausgehen, daß es ausschließlich um diese Aufgabenstellung geht, stellt sich die Frage, ob wir den Bundesgrenzschutz auch in den Stand gesetzt haben, allen diesen Aufgaben gerecht zu werden. Die Forderung nach Streichung des § 64 spricht dafür, daß einige in unserem Lande einen Teil der Aufgabenstellung einschränken wollen und die Fähigkeit des Bundesgrenzschutzes, allen Aufgaben gerecht zu werden, dadurch erreichen wollen, daß sie sagen: Einen Teil der Aufgaben wollen wir aus diesem Aufgabenkatalog langsam herausdrücken.
Dr. Jentsch ({0})
Dazu gehört, daß in der letzten Zeit viel mehr über die Angleichung an die bzw. die Gleichheit des BGS mit den Polizeien der Länder und viel weniger über die Sonderaufgaben gesprochen wird, von denen ich soeben gesprochen habe, von den Sonderaufgaben, die doch ursprüngliche Aufgaben des Bundesgrenzschutzes sind.
Minister Baum hat - ich glaube, an dieser Stelle - gesagt, er halte am Kombattantenstatus fest. Nun ist das wieder so eine zwiespältige Sache. Auf der einen Seite wird erklärt „Ich halte fest", auf der anderen Seite wird der BGS aber so geführt, daß er nach seinen Fähigkeiten gar nicht in der Lage ist, diesen extremen Sicherheitslagen gerecht zu werden.
Die folgenschwerste Beeinträchtigung dieser Fähigkeit liegt darin, daß er auf seine Rolle als Verband, als Polizeitruppe immer weniger vorbereitet wird. Der Polizeidirektor Schubert-Engelschall, ein Kommandeur einer Einsatzabteilung, hat auf die Frage, ob er seine Abteilung überhaupt als Verband einsetzen kann, geantwortet, nein, er könne das nicht, denn dieser Verband sei in vielen einzelnen Aufgaben zerstückelt tätig und für ihn nicht als Verband verfügbar und einsatzbereit. - In der Einbringungsrede habe ich hier in diesem Hause darauf hingewiesen, daß ich beim Besuch einer Einsatzabteilung von 540 Beamten 110 vorgefunden habe; manchmal - alle 14 Tage - waren nur 25 verfügbar. Es wird von „Geisterhundertschaften", die nur auf dem Papier stehen, gesprochen.
Meine Damen und Herren, wir bräuchten nicht so skeptisch zu sein, wenn die Bundesregierung hier eindeutig erklärte, daß das eine temporäre Situation ist und daß die Umstellungsschwierigkeiten auf Grund des Personalstrukturgesetzes nun einmal auf Zeit dieses Ergebnis herbeigeführt haben. Wir wollen aber - wenn die Bundesregierung doch das erklärte - wieder entschlossen zum Verbandscharakter zurückkehren, wir wollen diesen Bundesgrenzschutz wieder in den Stand setzen, sich auch auf die Aufgaben extremer Sicherheitslagen vorzubereiten, wozu Übungen im Verband notwendig sind. Wenn dies hier deutlich erklärt würde, wäre das erfreulich.
Statt dessen hat der Bundesinnenminister hier anläßlich der Einbringung dieses Antrags gesagt:
Ich bejahe also den Verbandscharakter; aber er besteht für mich nicht darin, daß ein großer Teil der BGS-Angehörigen an der Grenze in Kasernen auf seine Aufgaben wartet, sondern ich bin der Meinung, daß sie im täglichen Bedarf eingesetzt werden müssen. Ich halte das nur für die halbe Wahrheit
Richtig ist, daß wir, wenn wir uns zu dem gesamten Aufgabenkatalog des Bundesgrenzschutzes, wie er im Gesetz steht, einschließlich des § 64 bekennen, dann sowohl den Bundesgrenzschutz instand setzen müssen, seine täglichen Schutz- und Sicherungsaufgaben, auch in Unterstützung der Länderpolizeien - wo es notwendig ist -, wahrzunehmen, daß wir aber auf der anderen Seite soviel Luft behalten müssen, daß diese Verbände auch in der Lage sind; sich für extremere Lagen einzuüben. Dann muß man auch einmal als geschlossener Verband in der Kaserne - um mit dem Herrn Bundesinnenminister zu sprechen - sein, um sich auf diese extremen Sicherheitslagen vorzubereiten.
Wir fürchten, da die Entwicklung und das Ergebnis auch der Überprüfungen des Bundesinnenministers dahin gehen, daß demnächst die Angleichung des Bundesgrenzschutzes an die Polizei, wie sie in den Ländern ausgebildet ist, noch weiter fortschreitet, indem der Bundesgrenzschutz dann vielleicht demnächst auch gesetzlich von der Verpflichtung zur Bewältigung extremer Sicherheitslagen befreit wird. Dies ist nicht in unserem Sinne. Wir bekennen uns zum Bundesgrenzschutz als der Polizei des Bundes mit auch besonderen polizeilichen Aufgaben im Bereich extremer Sicherheitslagen.
Wir bitten - auch wenn dieser Antrag hier abgelehnt wird -, daß in der täglichen Arbeit hier ein Kurswechsel dahin gehend stattfindet, daß der Bundesgrenzschutz wieder stärker auf diese Aufgaben vorbereitet wird. - Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab eigentlich seit der ersten Beratung des CDU/CSU-Antrags am 11. Oktober 1979, von dem hier der Kollege Jentsch jetzt gesprochen hat, gar nichts Neues. Was hier allein neu in die Debatte eingebracht worden ist, ist die Frage des Kombattantenstatus. Obwohl es nicht eigentlicher Gegenstand Ihres Antrags ist, sage ich, es ist ein sehr interessantes Thema, insbesondere auch unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten. Herr Kollege Jentsch, wir haben uns einmal auf einer langen Autofahrt darüber unterhalten. Ich hatte Ihnen angeboten, Ihnen dazu Material zu geben. Ich bin sehr daran interessiert, daß wir darüber reden. Aber das würde den Rahmen der Debatte über Ihren Antrag jetzt doch ein wenig sprengen.
Ich möchte deshalb nur dies sagen, weil es immer wieder erkennbar ist
Erstens. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgrenzschutzes, im Verteidigungsfalle militärisch unsere Grenzen zu schützen. Das ist ausdrücklich auch in dem gemeinsamen Sicherheitskonzept von Bund und Ländern gesagt worden und ist dort nachzulesen. Ich hoffe, daß darüber keine unterschiedlichen Meinungen bestehen.
Zweitens. Es wird immer wieder erkennbar - in der ersten Lesung habe ich diesbezüglich hier einiges zitiert -, daß es doch einige hier in diesem Hause gibt, die nicht wissen, wie gefährlich es sein könnte, beim Bundesgrenzschutz Aufgaben von Polizei und Militär zu vermischen. Auf Grund der Erfahrungen in einer früheren Funktion, die ich wahrgenommen habe, kann ich Ihnen nur sagen, daß ich ganz betrübliche Dinge kennengelernt und erlebt habe, daß die Leute, die auf höheren Befehl hin in eine solche Situation gebracht wurden, in eine ganz schwierige Konfliktlage gekommen sind.
Ich darf deshalb zu diesem Antrag zusammenfassend kurz einiges ausführen.
Ich meine, Herr Kollege Jentsch, wenn Sie sich Ihren Antrag einmal richtig ansehen, dann müssen Sie zugeben, daß die in. ihm enthaltene Forderung, „den Bundesgrenzschutz unverzüglich in die Lage zu versetzen, die ihn befähigt, die ihm nach dem Gesetz auferlegten Aufgaben zu erfüllen", geradezu absurd ist. Ich behaupte auch heute: Der Bundesgrenzschutz war noch nie so befähigt wie heute, die ihm nach dem Gesetz gestellten Aufgaben sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu erfüllen. Dafür gibt es eindeutige Belege, Herr Kollege Jentsch, die auch von der Opposition nicht immer wieder einfach ignoriert werden sollten.
Ich nenne z. B. die Tätigkeitsberichte, die der Bundesminister des Innern alljährlich über den Bundesgrenzschutz schriftlich erstattet und die allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Diese Berichte sind gleichzeitig Ausweis für den hohen Leistungsstand des Bundesgrenzschutzes und die großartigen Erfolge, die durch das volle Engagement der großen Masse der Grenzschutzbeamten ermöglicht worden sind.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, dies alles nicht zur Kenntnis nehmen wollen und sich nur auf die Rolle des bloßen Nörglers zurückziehen - das muß ich hier einmal so deutlich sagen -, dann treffen Sie damit, was Ihnen auch bewußt werden muß, ebenfalls die Beamten, die in treuer Pflichterfüllung und teils unter schwierigsten Verhältnissen zu dieser stolzen Leistungsbilanz beigetragen haben.
({0})
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sage ich ausdrücklich dies: Die Leistungen und der Einsatzwille der Beamten verdienen unsere volle Anerkennung. Allen BGS-Angehörigen sagen wir dafür unseren herzlichen Dank.
({1})
Zu den von der CDU/CSU aufgeführten drei Einzelpunkten möchte ich kurz folgendes bemerken.
Erstens. Herr Kollege Jentsch, der Verbandscharakter des Bundesgrenzschutzes ist zu keiner Zeit von irgend jemand in diesem Hause in Frage gestellt worden, auch nicht von der Bundesregierung. Das kann jedoch nicht ausschließen, daß ganz bestimmte Aufgaben, die dem Bundesgrenzschutz durch das BGS-Gesetz von 1972 zusätzlich übertragen worden sind, in einer anderen Organisationsform wahrgenommen werden müssen als im verbandspolizeilichen Einsatz alten Stils. Völlig zu Recht hat der Inspekteur des Bundesgrenzschutzes, Herr Amft, kürzlich öffentlich folgendes gesagt:
Nicht die Organisation ist der Ausgangspunkt aller Dinge, sondern die uns gestellte Aufgabe. Darauf muß die Organisationsform zugeschnitten werden.
Ich stimme mit Herrn Amft darin voll überein.
Die Aufgabenstellung des Bundesgrenzschutzes sehen aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, offenbar völlig anders, als es im BGS- Gesetz steht, das sich im übrigen voll im Einklang mit dem „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland" befindet, welches von allen Innenministern und -senatoren der Länder, gleich, welcher Couleur, auch von Ihren, unterschrieben worden ist.
Zweitens. Die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes mit Fahrzeugen, Waffen und Geräten entspricht ebenso seiner gesetzlichen Aufgabenstellung. Herr Kollege Jentsch, in diesem Bereich müssen wir es schon dem Sachverstand der Technischen Kommission, in der nur Fachleute sind, überlassen. Die Kommission weiß aus der Erfahrung des praktischen Einsatzes am besten, welche Entscheidungen getroffen werden müssen.
Drittens. Jetzt komme ich auf einen Punkt, der sicherlich etwas schwierig ist. Wir alle wissen, daß es beim Bundesgrenzschutz zur Zeit trotz seiner zahlenmäßigen Verstärkung, die ständig vorgenommen worden ist, noch personelle Engpässe gibt, die es zu überwinden gilt; an der Überwindung wird auch gearbeitet. Es handelt sich um Engpässe, die mit der durch das Personalstrukturgesetz von 1976 verbundenen Umstellung auf das Lebenszeitprinzip und mit den damit verbundenen verstärkten Ausbildungsaufgaben zusammenhängen.
Ich betone hier noch einmal - ich habe schon in der ersten Lesung gesagt, ich habe es auch Ihnen und im Innenausschuß gesagt -, daß wir alle, auch die Kollegen Ihrer Fraktion diese Schwierigkeiten 1976 bei der Verabschiedung des Personalstrukturgesetzes durchaus gesehen, aber auch in Kauf genommen haben, und zwar im Interesse einer qualifizierteren Ausbildung der BGS-Beamten. Wir können nicht hinnehmen, daß in dieser Hinsicht Abstriche von einer Konzeption gemacht werden, die von Bund und Ländern übereinstimmend festgelegt worden ist. Wenn ein Bäcker- oder ein Metzgerlehrling eine Ausbildung von dreieinhalb Jahren zu durchlaufen hat - was wohl notwendig ist -, dann müssen wir gerade für Polizeivollzugsbeamte - und der Bundesgrenzschutz ist, das bezweifeln ja auch Sie nicht, nach dem Willen des Gesetzgebers Polizei - eine solche Ausbildungszeit zugrunde legen, um sie für ihre Aufgabe zu befähigen. Schließlich werden die Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes in Situationen gestellt, in denen Leben, Gesundheit und Freiheitsrechte der Bürger auf dem Spiel stehen. Dies erfordert als Voraussetzung umfassende Sach-
und Rechtskenntnisse sowie ein ausreichendes Training. Deshalb kann es hier keine Abstriche geben.
Alles in allem stelle ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fest, daß entsprechend der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 22. Juni 1972 der Bundesgrenzschutz so weiterentwikkelt worden ist, wie es seine gesetzlichen Aufgaben erfordern. Die Bundesregierung darf versichert sein, daß wir ihr insoweit auch künftig helfend zur Seite stehen werden.
Den Antrag der Fraktion der CDU/CSU lehnen wir deshalb ab.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.
({0})
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nichts in der Welt ist ideal; auch keine Einrichtung und keine Institution. Das gilt sicher auch für den Bundesgrenzschutz. Aber von dieser selbstverständlichen, beinahe banalen Feststellung bis zu der Feststellung, die Sie Ihrem Antrag zugrunde legen: der Bundesgrenzschutz sei nicht in der Lage, seine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben wahrzunehmen - das ist ja der Punkt -, ist ein ganz entscheidender Schritt. Und den wird niemand in diesem Land ernstlich mit Ihnen gehen können.
Ich meine trotzdem - ich bin ein Mensch, der immer mehr zur Harmonie neigt -, daß man aus einem Antrag auch positive Seiten filtern kann. Die bestehen für mich zum einen darin, daß hier - und ich finde das gut - über die Tätigkeit des Bundesgrenzschutzes erneut in der Öffentlichkeit diskutiert werden kann. Die Angehörigen des Grenzschutzes verdienen es, daß auf ihre Arbeit und ihre Leistung hingewiesen wird. Sie haben sich im Sicherheitssystem der Bundesrepublik Deutschland eine Position erworben, auf die nicht verzichtet werden kann und die unser aller Freiheit garantiert. Dies wird von der Bevölkerung anerkannt. Ich unterstreiche das.
Zweitens. Ich halte es für einen zu begrüßenden Umstand, daß Sie - wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden habe - die Forderung erheben, alle Maßnahmen zu ergreifen, um dem Bundesgrenzschutz volle Aktionsfreiheit zu garantieren. Damit bekennen Sie sich - wenn ich es richtig sehe - in voller Übereinstimmung mit uns - Sie sprachen ja, Herr Kollege Jentsch, von einer Polizei des Bundes - hinsichtlich Aufgabenstellung und Aufgabenerfüllung zur Konzeption eines Bundesgrenzschutzes, die ich dahin definieren kann: Garantie der unverzichtbaren Sicherheit für uns alle.
Ich meine, der Bundesgrenzschutz hat seine Aufgabe in hervorragender Weise erfüllt. Daß viele Angehörige des BGS hierbei oft mehr getan haben, als man von ihnen verlangen konnte, unterstreicht den Rang, der dieser Bundespolizei zukommt. In einem erfreulichen Maß hat sich auch die Zusammenarbeit mit den Ländern entwickelt. Sie nehmen wiederholt die Dienste des BGS in Anspruch, um so durch verstärkte Einsatzmöglichkeiten größere Schäden für unser Gemeinwesen und seine Bürger abzuwenden.
Worin ich allerdings nicht mit Ihnen übereinstimme, meine Damen und Herren von der Opposition, ist die in Ihrem Antrag liegende Kritik. Ich meine, wie schon eingangs gesagt, die Behauptung, der
Bundesgrenzschutz könne die ihm zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben nicht erfüllen. Diese Unterstellung ist schlicht falsch. Um dies festzustellen, bedürfte es nicht einmal eines Blickes in die Bilanz, die der Bundesminister des Innern am 10. April dieses Jahres in seinem Tätigkeitsbericht über den Bundesgrenzschutz vorgelegt hat.
Viel schwerer wiegt meines Erachtens aber Ihre Kritik insoweit, als Sie mit ihr letztlich gegenüber jedem einzelnen Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zum Ausdruck bringen, daß er nur unwesentlich oder unzulänglich dazu beiträgt, das Sicherheitskonzept Bundesgrenzschutz zu verwirklichen. Das aber haben der BGS und seine Angehörigen, wie ich meine, nicht verdient.
Mit Ihrer Forderung auf Wiederherstellung des Verbandscharakters des Bundesgrenzschutzes unterstellen Sie gleich zwei unrichtige oder irreführende Tatsachen. Das muß man immer wieder hervorheben, weil es aus der Diskussion offenbar nicht herauszubekommen ist.
Zum einen behaupten Sie damit, daß der Verbandscharakter des BGS nicht mehr existiere. Diese Feststellung ist nicht richtig. Niemand hat den Verbandscharakter des BGS je in Zweifel gezogen. Niemand hat daran gedacht, diese Eigenschaft zu demontieren. Dafür besteht auch gar kein Anlaß, weil sich die Verbandsstruktur - ich möchte das unterstreichen - bewährt hat. Der Bundesminister des Innern hat deswegen in seinem Tätigkeitsbericht noch unlängst klipp und klar festgestellt, daß der Bundesgrenzschutz zu seinem ganz überwiegenden Teil verbandsmäßig gegliedert ist. Eine Ausnahme bildet naturgemäß - das muß so sein - der Grenzschutzeinzeldienst.
Zum anderen erwecken Sie mit Ihrem Antrag auf Wiederherstellung des Verbandscharakters den Eindruck, als ob die nicht verbandsmäßig gegliederten Organisationseinheiten bei der Aufgabenerfüllung des BGS so wenig ins Gewicht fallen, daß sie zumindest keine Erwähnung verdienen. Ich halte dies für eine verhängnisvolle Verkürzung.
Dem Bundesgrenzschutz obliegt die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, meine Damen und Herren. Man muß sich vorstellen, daß etwa 60 % aller Fahndungsaufgriffe im Bundesgebiet an der Grenze erfolgen. Denken Sie an die zunehmende Rauschgiftkriminalität, deren Bekämpfung - ebenso wie die des Terrorismus - für die Bundesrepublik Deutschland eine besonders wichtige Aufgabe ist. Zu Recht ist deshalb ein Schwerpunkt der grenzpolizeilichen Tätigkeit des Grenzschutzeinzeldienstes auf entsprechende Maßnahmen gelegt worden. Daß dies nicht immer verbandsmäßig erfolgen kann, liegt in der Natur der Sache. Der Grenzschutzeinzeldienst bedarf der Unterstützung der Verbände des Bundesgrenzschutzes; das ist eine Selbstverständlichkeit.
Unverständlich erscheint mir auch Ihr zweiter Antrag, mit dem Sie eine bessere Ausstattung mit Fahrzeugen und Gerät fordern. Gerade die Kraftfahrzeugausstattung wurde - Sie haben es jetzt ein bißchen anklingen lassen, Herr Kollege Jentsch 18056
im letzten Jahr deutlich verbessert. Es wurden zahlreiche geländegängige PKWs angeschafft. Fernmeldekraftfahrzeuge, Versorgungsfahrzeuge, drei mittlere Transporthubschrauber sind bereits zu den vorhandenen 19 mittleren Hubschraubern hinzugekommen. Stattgefunden hat beim Grenzschutzeinzeldienst ferner eine Ausstattung mit neuen Pistolen. Ferner wurde die Fernmeldeausstattung weiter ergänzt und mit Hilfe neuer Geräte auf den neuesten technischen Stand gebracht Erwecken Sie deshalb bitte nicht den Eindruck, das dem Grenzschutz zur Verfügung stehende Material genüge nicht, um den an ihn gestellten Anforderungen gerecht zu werden! Der Bundesgrenzschutz ist auch technisch eine optimal ausgestattete Truppe. Niemand beabsichtigt, dies zu ändern und damit in Zukunft Funktionseinbußen zu provozieren.
Was schließlich letztlich Ihren dritten Antrag angeht, meine Damen und Herren, so verkenne ich nicht, daß vor allem durch das Personalstrukturgesetz gewisse Schwierigkeiten auf den Bundesgrenzschutz zugekommen sind. Ich wiederhole das, was der Herr Kollege Pensky soeben gesagt hat: Das war zu erwarten, wurde von uns gesehen und im Interesse der Neukonzeption in Kauf genommen, weil wir - wie ich meine: zu Recht, wie sich bisher herausgestellt hat - davon ausgingen, daß alsbald eine Konsolidierung auf höherem, verbessertem Niveau erreicht werden könne.
Die polizeifachliche Aus- und Fortbildung im BGS verlief ebenso planmäßig wie die Durchführung grenzpolizeilicher Maßnahmen. Ich begrüße es nachdrücklich, daß die Aus- und Fortbildung noch weiter verbessert wurde, nämlich durch den vorgesehenen neuen Studiengang für Polizeikommissaranwärter im Bundesgrenzschutz an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.
Meine Damen und Herren, deswegen ist dieser Antrag im Grunde genommen in allen seinen drei Positionen unnötig; er ist, wie ich darzustellen versucht habe, widerlegbar.
Ich möchte noch einmal davor warnen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit des Bundesgrenzschutzes und - umgekehrt - der Grenzschutzbeamten in die Unterstützung durch die Bevölkerung und durch den Staat unnötig zu erschüttern. Was notwendig ist, ist eine Phase der Ruhe. Damit meine ich eine Phase, in der es gilt, die Übergangsschwierigkeiten, die wir - ich sage es noch einmal - alle auf uns haben zukommen sehen, so schnell wie möglich - und dann restlos - abzubauen.
Auch die FDP-Fraktion wird deshalb dem Antrag der CDU/CSU mit gutem Grund ihre Zustimmung verweigern.
({0})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung nimmt den Antrag der Opposition, wie bei der ersten Lesung, gern zum Anlaß, auf den hohen Leistungsstand des BGS hinzuweisen. Denn darüber, Herr Kollege Jentsch, kann überhaupt kein Zweifel bestehen: der Bundesgrenzschutz steht heute besser da denn je, obwohl die schwierige Phase der Umstrukturierung noch nicht beendet ist.
Mit Ihren Forderungen, meine Damen und Herren von der Opposition, kämpfen Sie gegen Windmühlenflügel oder vielleicht sogar gegen sich selbst, denn das, was Probleme im Bundesgrenzschutz verursacht - das ist in dieser Debatte erneut deutlich geworden -, ist doch die Umstrukturierung, die wir alle gemeinsam gewollt haben, der wir zugestimmt haben und zu der wir gesagt haben, sie ist uns so wichtig, daß sie es wert ist - auch im Interesse der Beamten, die im Bundesgrenzschutz tätig sind -, daß für die Übergangszeit Schwierigkeiten in Kauf genommen werden.
Die Opposition fordert die Wiederherstellung des Verbandscharakters des Bundesgrenzschutzes. Diese Forderung ist nicht einmal theoretisch zu erfüllen, denn wiederhergestellt werden kann nur etwas, was abgebaut worden ist. Die Bundesregierung hat den Verbandscharakter nicht abgebaut und kann ihn folgerichtig auch nicht wiederherstellen.
Verbandscharakter kann nicht heißen, daß Schlagkraft und Einsatzfähigkeit des Bundesgrenzschutzes nur daran gemessen werden, mit welcher Mannschaftsstärke die Einsatzabteilungen in ihren Unterkünften auf ihren Einsatz warten. Der Verbandscharakter darf doch nicht verhindern, daß der Einsatzwert des Bundesgrenzschutzes dem Einsatzbedarf entsprechend voll genutzt wird. Ich sehe nicht, wo und wann in den vergangenen Jahren dieses Konzept zur Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung geführt hätte.
Wer trotzdem die Einzeleinsätze der Verbände einschränken will, Herr Kollege Jentsch, der muß uns schon sagen, wo er dies für nötig und wo er dies für möglich hält. Die Bundesregierung ist jedenfalls nicht der Auffassung, daß der Personen- und Objektschutz im Inland wie im Ausland noch weiter zugunsten anderer Aufgaben eingeschränkt werden kann.
Die Opposition fordert eine aufgabengerechte Ausstattung des Bundesgrenzschutzes, insbesondere den Verzicht auf die vorgesehene Verringerung der Zahl der geschützten Fahrzeuge. Die Bundesregierung hat keineswegs vor, die Zahl der geschützten Sonderwagen des Bundesgrenzschutzes zu verringern. Zur Zeit verfügt der Bundesgrenzschutz über 576 Sonderwagen. 25 Sonderwagen sind zusätzlich den Ländern leihweise überlassen worden.
Was wir beabsichtigen, ist nicht eine Verringerung dieses Bestandes; wir beabsichtigen vielmehr, zunächst 300 Sonderwagen ab 1981 durch ein weiter entwickeltes Fahrzeug zu ersetzen. In welchem Tempo die Ersatzbeschaffung vor sich geht, richtet sich selbstverständlich nach den verfügbaren Haushaltsmitteln. Hierüber entscheidet dieses ParlaParl. Staatssekretär von Schoeler
ment. Darüber entscheiden auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition.
Der Bundesinnenminister jedenfalls hält eine Ausstattung mit geschützten Sonderwagen im bisherigen Umfang grundsätzlich nach wie vor für zweckmäßig. Gegen eine Ersatzbeschaffung in Stufen kann freilich vernünftigerweise niemand etwas einwenden.
Die Opposition fordert Maßnahmen zur Beseitigung des personellen Engpasses. Zur Regierungszeit der heutigen Opposition betrug die Personalstärke des Bundesgrenzschutzes etwa 16 000 Mann; im Mai dieses Jahres waren es über 22 000 Mann. Damals war die Mehrzahl der Vollzugsbeamten im einfachen Dienst; die Bundesregierung hat den einfachen Dienst beim Bundesgrenzschutz abgeschafft. Die Mehrzahl der Vollzugsbeamten hatte seinerzeit nur eine einjährige Ausbildung vorzuweisen; die Bundesregierung hat die zweieinhalbjährige Ausbildung für Bundesgrenzschutzbeamte eingeführt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben dem Personalstrukturgesetz für den Bundesgrenzschutz zugestimmt
({0})
Ich halte es dann für nicht redlich, wenn Sie notwendigerweise damit verbundene Umstellungsprobleme heute der Bundesregierung vorwerfen wollen. Es führt kein Weg daran vorbei: Bis 1984 müssen insgesamt etwa 13 000 Beamte des Bundesgrenzschutzes, also mehr als die Hälfte des gesamten Personalbestandes, neu ausgebildet werden. Daß dadurch eine schwierige personelle Situation im Bundesgrenzschutz entstehen würde, war uns allen bekannt Wir haben das bewußt in Kauf genommen, weil wir wissen, daß uns gegen Ende 1983 mehr und besser ausgebildete Polizeivollzugsbeamte für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes zur Verfügung stehen werden. Das war und bleibt unser Ziel.
Die Bundesregierung dankt allen Beamten im Bundesgrenzschutz nachdrücklich dafür, daß sie trotz dieser Umstrukturierungsprobleme ihre Sicherheitsaufgaben an den Grenzen und im Innern unseres Landes mit viel Engagement und Verantwortungsbewußtsein erfüllt haben. Das Ansehen des Bundesgrenzschutzes in der Bevölkerung sowie bei den Führungs- und Einsatzkräften der Länderpolizeien ist in den letzten Jahren spürbar gestiegen.
Die Bundesregierung wird sich auf den bisher erzielten Erfolgen nicht ausruhen. Sie wird weiter an einer zielstrebigen und aufgabenorientierten Fortentwicklung des Bundesgrenzschutzes arbeiten. Der vorliegende Antrag der Opposition kann leider hierfür nicht hilfreich sein. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben sogar Glück, daß Ihre Angriffe auf die Tätigkeit des Bundesgrenzschutzes in der Öffentlichkeit nicht ernst genommen werden; denn wenn sie in der Öffentlichkeit registriert würden, dann würde in der Tat ein Schaden für das Ansehen des Bundesgrenzschutzes eintreten,
({1}) der nur deshalb unterbleibt, weil niemand das ernst nimmt, was Sie hier veranstalten.
({2})
Ich darf darum bitten und auch an die Opposition appellieren, daß wir nicht Gespensterdiskussionen führen. Damit ist dem Bundesgrenzschutz nicht geholfen. Geholfen ist ihm damit, daß wir alle weiter an dem bisher erfolgreichen Ausbau und Aufbau des Bundesgrenzschutzes arbeiten. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß schlägt auf Drucksache 8/4176 vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/3131 abzulehnen. Wer dem zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe 1- Enthaltungen? ({0})
Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Vorschläge zur kontrollierten Abrüstung der biologischen, chemischen und atomaren Waffen
- Drucksache 8/4091 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mertes ({1}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aufmerksamkeit unserer Öffentlichkeit, soweit sie sich mit Fragen der Abrüstung und Rüstungsbegrenzung ernsthaft, d. h. nicht nur oberflächlich und gefühlsbetont, befaßt, richtet sich fast ausschließlich auf die atomaren und konventionellen Waffen. Hingegen stehen die Verhandlungen im Genfer Abrüstungsausschuß, die sich auch mit den biologischen, chemischen und anderen Massenvernichtungswaffen befassen, allzusehr im Schatten. Dabei kommen nicht nur im Bereich der atomaren, sondern auch der biologischen und vor allem der chemischen Waffen möglicherweise Entwicklungen auf uns zu, die nur wenige Zeitgenossen ahnen.
Die CDU/CSU will mit ihren Vorschlägen zur biologischen, chemischen und atomaren Abrüstung auf die sich abzeichnende Gefahr einer sowjetischen Aufrüstung der B- und C-Waffen hinweisen und dabei die ausschlaggebende Wichtigkeit der Überprüfbarkeit, der Kontrolle von Abrüstungsvereinbarungen hervorheben. Im Bereich der Abrüstung gilt wirklich einmal Lenins Wort: „Vertrauen ist gut,
Dr. Mertes ({0})
Kontrolle ist besser". Ich möchte hinzufügen: Kontrolle schafft Vertrauen. Dabei sollten wir immer wieder daran erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland ihrerseits aus freien Stücken bei ihrem Eintritt in das westliche Bündnis am 5. Mai 1955 auf atomare, bakteriologische und chemische Waffen völkerrechtlich wirksam verzichtet und der Überwachung dieser Verpflichtung durch ihre Vertragspartner zugestimmt hat Sie hat sich nicht nur strikt an diesen Verzicht gehalten, sondern immer wieder konstruktive Beiträge auf dem Gebiet der Nichtverbreitung, Begrenzung der A-Waffen sowie der völligen, kontrollierten B- und C-Waffenabrüstung geleistet Unser Land hat deshalb ein gutes Recht, in diesen Fragen besonders aktiv zu sein und andere Staaten zu drängen, dem Beispiel aller deutschen Bundesregierungen seit Konrad Adenauer zu folgen.
({1})
({2})
Die sechs Einzelpunkte unseres Antrages erläutere ich wie folgt:
Zu 1: Zum B-Waffen-Verbotsvertrag, den die Bundesrepublik Deutschland bereits 1972 unterzeichnete, liegt dem Bundestag immer noch kein Entwurf für ein Zustimmungsgesetz vor, so daß diese wichtige Übereinkunft durch unser Land noch nicht ratifiziert werden konnte. Die Geltung des Vertrages für das Land Berlin ist eine Selbstverständlichkeit, nachdem alle bisherigen Verträge der Bundesrepublik Deutschland zum Themenbereich Nichtverbreitung von Kernwaffen, Rüstungskontrolle, Abrüstung eine Berlin-Klausel enthielten. Die Vorbehaltsrechte der Drei Mächte, die bis zu dem noch ausstehenden Friedensvertrag besondere Verantwortlichkeiten und Rechte in bezug auf Deutschland als Ganzes und seine Hauptstadt innehaben, stehen dieser Notwendigkeit weder rechtlich noch politisch im Weg. Diese Vorbehaltsrechte sind für die Sicherheit und den Status Berlins, aber auch für die verbriefte Offenhaltung der deutschen Frage von so grundlegender Bedeutung, daß wir als CDU/ CSU auf eine einvernehmliche Regelung mit den Westmächten drängen möchten, die einerseits deren Verpflichtungen und Rechten entspricht, deren unveränderte Erhaltung das Viermächteabkommen über Berlin bekanntlich bekräftigt hat, die aber andererseits auch der Außenvertretung Berlins durch die Bundesrepublik Deutschland entspricht, deren Bestätigung durch die Sowjetunion von der Bundesregierung stets als einer der wichtigsten Vorzüge des Viermächteabkommens über Berlin hingestellt wurde.
Zu 2: Die entscheidende Schwäche des B-WaffenVerbotsvertrags ist das Fehlen jeder internationalen oder regionalen Kontrollvorschrift Die Bundesregierung sollte deshalb im Genfer Abrüstungsausschuß und bei den Vereinten Nationen in New York baldmöglichst den Entwurf einer Kontrollvereinbarung vorlegen, die den B-Waffen-Verbotsvertrag im Sinne stärkerer Effektivität als eigentändiges völkerrechtliches Instrument ergänzen soll. Der Entwurf sollte die Erfahrungen auf der kürzlichen Überprüfungskonferenz zum B-Waffen-Abkommen berücksichtigen.
Wir sind mit der Bundesregierung der Auffassung, daß einmal geschlossene und in Kraft getretene Übereinkommen aus Gründen der Rechtssicherheit und Einheitlichkeit als solche in ihrem Wortlaut nicht mehr geändert werden sollten. Was wir wünschen, ist eine zusätzliche Kontrollvereinbarung, die der Glaubwürdigkeit aller Vertragspartner des B-Waffen-Verbots zugute käme. Hier sollten wir auf Grund der gemeinsamen Überzeugungen der Fraktionen dieses Hauses in diesem Punkt einmal zu einer gemeinsamen politischen Initiative im Bereich der Abrüstung willens und fähig sein, die zudem die Verhandlungspositionen der Bundesregierung und ihr Drängen auf glaubwürdige Verifikation nur stützen kann. Die in unserer Verfassung niedergelegte Vorrangstellung der Exekutive in der auswärtigen Politik, die wir für wesentlich halten, sollte uns als Parlament nicht an einer sinnvollen Initiative hindern, deren politischer Sinn ohnehin nur unser aller Überzeugung von der Notwendigkeit kontrollierter Abrüstung entspricht
Zu 3: Kontroverse Berichte über die Anwendung von C-Waffen durch die Sowjetarmee im Krieg in Afghanistan erinnern - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - jedenfalls an die Unerläßlichkeit einer strikten Ächtung aller chemischen Waffen. Auch die langjährigen Genfer Verhandlungen über einen C-Waffen-Verbotsvertrag scheiterten nach Auskunft der Bundesregierung insbesondere an der Diskrepanz zwischen sowjetischem Abrüstungsverbalismus und sowjetischer Abrüstungsverweigerung.
Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages haben gerade bezüglich des Themas „chemische Waffen" die Beiträge der Delegationen der Bundesrepublik Deutschland auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen und bei dem von ihr veranstalteten Expertentreffen zur Überprüfbarkeit eines Herstellungsverbots von C-Waffen gemeinsam begrüßt
Zu 4: Der geplante C-Waffen-Verbotsvertrag muß im Unterschied zum B-Waffen-Verbotsvertrag von 1972 von vornherein eindeutige Vorschriften über wirksame Kontrollen der beteiligten Staaten enthalten, damit der Vertrag von Anfang an nicht in den Verdacht gerät, eine Vorspiegelung falscher Tatsachen darzustellen. Die Dringlichkeit effektiver Kontrollen entspricht der Dringlichkeit einer effektiven und kompletten C-Waffen-Abrüstung.
Zu 5: Die massive atomare Mittelstreckenwaffenaufrüstung der Sowjetunion und ihre Weigerung, auf das Verhandlungsangebot der NATO vom Dezember 1979 konstruktiv einzugehen, sind weder mit dem Buchstaben noch mit dem Geist des Atomwaffensperrvertrags vereinbar. Dieser Gesichtspunkt ist bisher fast noch nie geäußert worden. Art. 6 dieses Vertrags verpflichtet insbesondere die beteiligten Kernwaffengroßmächte, also gerade auch die Sowjetunion, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen
Dr. Mertes ({3})
Abrüstung unter strenger wirksamer internationaler Kontrolle".
Was ist aus alledem geworden?, so müssen wir als Nichtkernwaffenstaat jetzt fragen. Die brutale Kriegführung der Sowjetunion gegen das afghanische Volk, die atomare Hochrüstung, die Verhandlungsweigerung der . Sowjetunion gegenüber der NATO gefährden den Weltfrieden, dem der Atomwaffensperrvertrag dienen soll. Moskau muß daher an diese seine Verpflichtungen zur Vertragstreue und zur Friedenssicherung erinnert werden, wie sie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt sind.
Zu 6: Obwohl förmlich nicht dazu verpflichtet, haben sich die beiden westlichen ErstunterzeichnerKernwaffenstaaten des Atomwaffensperrvertrages, also die USA und Großbritannien, zur Förderung der Glaubwürdigkeit ihrer Absichten bei Abschluß des Vertrages freiwillig bereit erklärt, Kontrollen ihrer zivilen Kernenergieanlagen seitens der Wiener Internationalen Atomenergie-Agentur zuzulassen. In engster Interpretation des Atomwaffensperrvertrages zu ihren Gunsten hat die Sowjetunion als Erstunterzeichner-Kernwaffenstaat solche Kontrollen bisher strikt abgelehnt Sie muß erneut zur Aufgabe dieser negativen Haltung aufgefordert werden.
Auch die Bäume der Aufrüstung der Sowjetunion wachsen nicht in den Himmel. Das zeigt die ständig wachsende Belastung der sowjetischen Wirtschaft durch die sowjetische Hochrüstung, gegen die Rumänien sogar schon offen aufbegehrt. Gerade die wirtschaftlichen Sachzwänge in der Sowjetunion rechtfertigen es, daß wir ohne Illusionen auf Dauer mit größeren Chancen für progressive Rüstungsminderung rechnen können, als das derzeit der Fall zu sein scheint. Wir müssen zäh und geduldig weiterverhandeln.
Jedenfalls sollten gerade wir Deutschen das Bestreben nicht aufgeben, daß sich im Laufe der Zeit auch die Sowjetführung unter dem zunehmenden Druck wirtschaftlicher und politischer Notwendigkeiten konstruktiver und redlicher als bisher zu einer Politik der Rüstungsminderung und Abrüstung entschließt, die für alle beteiligten Staaten und Völker sicherheitspolitisch vertretbar ist und ein wahrer Segen für die kommenden Generationen aller Völker wäre.
Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich um Überweisung unseres Antrages an die zuständigen Ausschüsse, damit er anschließend im Plenum einmütig - so hoffe ich - verabschiedet werden kann. Ich danke Ihnen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Jungmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mertes, die SPD-Fraktion stimmt mit Ihnen überein, daß wir die Abrüstungs- sind, was die Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik anbelangt
und Rüstungskontrollverhandlungen zäh, mit langem Atem und immer wieder auf das eine Ziel gerichtet, Abrüstung und Rüstungskontrolle zu erreichen, fortführen müssen. Nur, mir scheint, daß Sie mit diesem Antrag ein bißchen in Zugzwang geraten
Sie scheinen mit Ihrem Antrag doch die Absicht zu verfolgen, deutlich zu machen, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Bereich der ABC-Waffen nicht intensiv dafür gesorgt haben, daß in diesem Bereich auch greifbare Ergebnisse zu sehen sind. Sie, Herr Kollege Mertes, haben das vorhin ja auch angesprochen. Aber Sie müßten es besser wissen; denn die Bundesregierung bemüht sich seit der Unterzeichnung des Übereinkommens, seit April 1972, intensiv darum - das gehört zu Punkt 1 Ihres Antrages -, diesem Hohen Hause ein Zustimmungsgesetz vorzulegen, das auch eine Berlin-Klausel beinhaltet das aber nicht an der Bundesregierung und auch an keiner Fraktion dieses Hauses gescheitert ist, sondern an bestimmten, uns allen bekannten Schwierigkeiten, den sogenannten alliierten Vorbehaltsrechten in Berlin. Erst Ende Mai dieses Jahres ist ein Übereinkommen zwischen der Bundesregierung, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien getroffen worden.
Die Vorlage eines Zustimmungsgesetzes zu dieser Zeit, so wie es in Ihrem Antrag gefordert wird, kann ich nicht befürworten, weil die 8. Legislaturperiode in nicht ganz drei Sitzungswochen zu Ende geht. Sie selbst haben deutlich gemacht, daß über dieses Problem intensiv, in Ruhe und mit Sachverstand beraten werden soll, also auf Grund der Kürze der Zeit ein Zustimmungsgesetz unter den von mir genannten Kriterien nicht mehr beraten werden könnte, selbst wenn die Bundesregierung es jetzt noch vorlegen würde. Ich plädiere dafür, daß wir die Bundesregierung auffordern, unmittelbar nach Beginn der 9. Legislaturperiode dieses Zustimmungsgesetz zum B-Waffen-Übereinkommen vorzulegen. Wir können das Gesetz dann in der gebotenen Sorgfalt in den Ausschüssen und im Plenum beraten.
Ich habe auch den Eindruck, daß es Ihnen gerade zu diesem Zeitpunkt - entschuldigen Sie, daß ich das hier so sage, Herr Kollege Mertes - gar nicht so sehr um die Sache geht, sondern daß Sie mit diesem Antrag, so kurz am 22. Mai eingebracht, nochmal deutlich machen wollen, daß auch Sie im Bereich der Rüstungskontrollpolitik und der Abrüstung einen bestimmten Anspruch haben. Ich hoffe, Sie wollen mit diesem Antrag nicht den Eindruck erwekken, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen die Ratifizierung eines Zustimmungsgesetzes zum B-Waffenvertrag vorsätzlich verschleppt haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mertes? - Bitte.
({0})
Herr Kollege, ich stimme Ihnen natürlich zu, daß das Gesetz zum B-Waffen-Verbotsvertrag nicht mehr vor dem Ende dieser Legislaturperiode dem Bundestag zugeleitet werden kann. Haben Sie nicht bemerkt, daß unser Antrag in keiner Weise kontrovers, sondern hilf18060
Dr. Mertes ({0})
reich für die Regierung ist und daß wir auch in der Frage Berlin beim B-Waffen-Verbotsvertrag auf eine gute Einigung mit der Bundesregierung und den Drei Mächten Wert legen? Halten Sie es für sinnvoll, auf einen Antrag betreffend einen gefährlichen Bereich der Aufrüstung, der unserer Bevölkerung noch nicht genügend bewußt ist, mit der Unterstellung zu antworten, hier werde nur Propaganda gemacht, oder teilen Sie meine Auffassung, daß es notwendig ist, die Bevölkerung vom Parlament aus auch auf diesen Bereich hinzuweisen?
({1})
Ich teile Ihre Auffassung, daß die Bevölkerung auch auf diesen Bereich hinzuweisen ist. Nur kann man mit Schwarzmalerei und mit bestimmten Angstmachereien die Bevölkerung nicht aufklären. Wenn man die Kurzfristigkeit Ihres Antrages sieht, so daß das Plenum und die Ausschüsse sich nicht einmal intensiv mit dieser Problematik beschäftigen können, glaube ich nicht, daß es dazu beiträgt, in der Bevölkerung aufklärend zu wirken. Wir sollten das in Ruhe angehen und in der nächsten Legislaturperiode über diese Problematik noch einmal intensiver beraten und damit zur eingehenden und sachgerechten Aufklärung der Bevölkerung beitragen.
Herr Kollege Mertes, ich halte für gerechtfertigt, das Sie einen solchen Antrag vorlegen. Ich habe auch zu Beginn gesagt, daß es richtig ist, daß wir uns gemeinsam in diesem Bereich um eine Lösung bemühen sollen. Es gibt aber in einzelnen Sachfragen, gerade was die Verifikation im Bereich der B-Waffen anbetrifft, noch einige Schwierigkeiten; die kennen Sie genauso gut wie ich. Das brauche ich Ihnen hier gar nicht zu sagen. Sie wissen genau, daß der Einsatz von B-Waffen auch für den Anwender militärisch sehr fraglich und problematisch ist, weil er mit unkontrollierbaren und nicht vorhersehbaren Rückwirkungen auch auf sein eigenes Territorium rechnen muß Eine Verbesserung des Verifikationsverfahrens ist ja von den Schweden - das haben Sie auch angesprochen - bei der ersten Überprüfungskonferenz im März in Genf eingebracht worden. Einige ungebundene Staaten und die Bundesrepublik Deutschland haben diesem Antrag positiv gegenübergestanden. Sie wissen aber auch, daß wir bei dieser Überprüfungskonferenz, weil wir noch nicht Ratifizierungsstaat sind, nur Beobachterstatus hatten. Die Mehrheit der anwesenden Staaten hat diesen Vorschlag jedoch abgelehnt, nicht zuletzt wegen der Befürchtung, daß eine Änderung des B-WaffenÜbereinkommens oder ein Zusatzprotokoll zur Verifikation bei den B-Waffen einen unerwünschten Präzedenzfall für die zweite Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages darstellen könnte
({0})
- doch, ich habe Ihnen zugehört! -, die im August vorgesehen ist,
Die Behauptung, die entscheidenden Schwächen des B-Waffen-Übereinkommens seien das Fehlen jeder internationalen und regionalen Kontrollvorschrift, geht, glaube ich, am Problem vorbei.
({1})
In der Schlußerklärung der ersten B-Waffen-Überprüfungskonferenz wird festgestellt, daß es kein Vertragsstaat bisher für erforderlich gehalten habe, die im Abkommen für den Verdacht der Vertragsverletzung vorgesehene Möglichkeit der Anrufung des Sicherheitsrates nach Art. 6 dieses Übereinkommens in Anspruch zu nehmen, auch nicht in dem Fall, den Sie hier angesprochen haben. Dennoch sollte geprüft werden - da stimmen wir wieder mit Ihnen überein -, ob mehr Transparenz zu schaffen sei, um damit das gegenseitige Vertrauen zu starken.
Die Forderung eines Vertrags zum Verbot der Herstellung und Lagerung sowie der Vernichtung von C-Waffen unter wirksamer Kontrolle wird von uns ebenfalls unterstützt. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Forderung schon vor der Genfer Abrüstungskonferenz aufgestellt. Die bilateralen Verhandlungen, die seit 1977 zwischen den USA und der Sowjetunion laufen, haben in wesentlichen Punkten zu einem Konsens geführt Dennoch erwarten auch Optimisten nicht, daß bereits in diesem Jahrzehnt alle Bestände an C-Waffen vernichtet sein werden.
({2})
- Wir drängen ebenfalls darauf. Deshalb sollte man neben diesen Aktivitäten prüfen, ob eine regionale Vereinbarung über das Verbot der Lagerung und des Einsatzes von chemischen Waffen in Erwägung gezogen werden könnte, so wie es meine Partei auf dem Berliner Parteitag im Dezember 1979 gefordert hat.
Im übrigen arbeitet die Bundesrepublik in. der Arbeitsgruppe „Verifikation zum C-Waffen-Abkommen" aktiv mit und kann hier auch mit konkreten eigenen Erfahrungen zu einer möglichen Lösung des sehr schwierigen Problems einer wirksamen Kontrolle beitragen.
Sie haben vorhin schon die Sondergeneralversammlung der UNO über Abrüstung im Mai 1978 angesprochen, bei der der Bundeskanzler Experten in die Bundesrepublik Deutschland eingeladen hat
(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Dem
haben wir ja zugestimmt»
Wir haben dies alle gemeinsam begrüßt. Im Mai 1979 konnten sich diese Experten hier in der Bundesrepublik davon überzeugen, daß eine wirksame Kontrolle bei der Herstellung von B-Waffen ohne Verletzung von Betriebsgeheimnissen möglich ist. Deswegen sollte man diese Forderung auch nach guBen hin deutlich machen.
Es ist aber, Herr Kollege Mertes - entschuldigen Sie, daß ich Sie immer persönlich anspreche -, sehr bemerkenswert, daß sich die Politiker, die am 20. Februar 1974 die Ratifizierung des NichtverbreitungsJungmann
vertrages abgelehnt haben, heute immer wieder auf diesen Vertrag berufen. Aber wir sind hier nicht kleinlich. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß man die in diesem Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten nutzen sollte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung.
Gut, es wird keine Zwischenfrage zugelassen.
Ich habe nur noch einige Minuten.
Es liegt bei Ihnen, Herr Abgeordneter.
({0})
Ich muß zum Ende kommen.
({0})
Wir halten angesichts der von Ost und West geäußerten grundsätzlichen Bereitschaft, das Problem der Mittelstreckenwaffen, die Sie in Punkt 5 Ihres Antrags angesprochen haben,
({1})
am Verhandlungstisch zu lösen, die Berufung auf den Nichtverbreitungsvertrag zur Lösung dieser Probleme für wenig sinnvoll. Es kommt jetzt darauf an, die Sowjetunion davon zu überzeugen, daß das Verhandlungsangebot des Doppelbeschlusses der NATO aufzunehmen und mit den Gesprächen über diesen Bereich unverzüglich zu beginnen ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang nochmals auf die Berliner Beschlüsse meiner Partei und die mehrfach in Richtung Sowjetunion erhobene Forderung des Bundeskanzler, die Stationierung der SS 20-Raketen einzustellen
(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da
sind wir uns ja einig!
und in Verhandlungen einzutreten. Ich bin mir auch völlig sicher, daß dieser Punkt ein wichtiger Punkt beim Besuch des Bundeskanzlers in der Sowjetunion sein wird.
Was den Atomwaffensperrvertrag, die von Ihnen angesprochene Frage der Kontrolle im zivilen Bereich und die Unterscheidung zwischen nuklearen und nichtnuklearen Staaten in diesem Bereich anbetrifft,
({2})
so wird die Staatengemeinschaft dadurch völkerrechtlich in Kategorien eingeteilt, die politisch-psychologisch als diskriminierend empfunden werden müssen. Um diese de facto vorhandene und im Atomwaffensperrvertrag de jure festgeschriebene Abstufung politisch-psychologisch abzuschwächen - das haben Sie hier auch schon deutlich gemacht -, hat Großbritannien seine zivil genutzten Nuklearanlagen den Kontrollen der Internationalen Atomenergie-Behörde unterworfen. Die Vereinigten Staaten haben ein vergleichbares Abkommen unterzeichnet, bisher jedoch noch nicht ratifiziert. Durch diesen Schritt haben die beiden westlichen Kernwaffenstaaten, die Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages sind, die atmosphärischen Voraussetzungen verbessert, um Nichtkernwaffenstaaten den Beitritt zu diesem Vertrag zu erleichtern.
Aus eben diesem Grunde haben die Bundesregierung und andere westliche Industriestaaten seit Ende der 60er Jahre auch die Sowjetunion aufgefordert, ihre Nuklearanlagen für zivile Zwecke freiwilliger Kontrolle zu unterwerfen. Wir fordern die Sowjetunion genauso wie Sie auf, die zweite Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages zum Anlaß zu nehmen, dem Beispiel der Vereinigten Staaten und Großbritanniens zu folgen. Sie kann damit einen Beitrag dazu leisten, dem Vertrag weltweit Geltung zu verschaffen, ohne daß dadurch ihr Status als Kernwaffenstaat beeinträchtigt wird.
Meine Fraktion wird dem Überweisungsvorschlag folgen. Wir werden in den Ausschüssen Gelegenheit haben, die Probleme noch einmal intensiv zu beraten und zu besprechen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion sieht in dem vorliegenden Antrag eine Unterstützung ihrer Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung. Nach den Ereignissen in Afghanistan kommt es erst recht darauf an, die weltweite Diskussion fortzusetzen bzw. sie dort wiederaufzunehmen, wo sie unterbrochen worden ist, und sie dort voranzubringen, wo bereits Kontakte bestehen.
Das gilt für alle Bereiche unserer Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik und ganz besonders für den in dem vorliegenden Antrag behandelten Bereich der ABC-Waffen. Das Zustimmungsgesetz kann sicher rasch vorgelegt werden, wobei die Erstreckung des Gesetzes auf Berlin mit den Alliierten so geregelt ist, daß uns diese mit Notenwechseln zusichern, die im Übereinkommen festgelegten Beschränkungen auf Grund ihrer Vorbehaltsrechte sowie die Interessen Berlins an friedlicher internationaler Zusammenarbeit auf biologisch-bakteriologischem Gebiet zu gewährleisten. Ich kann also den
Antrag nur begrüßen und betonen, daß er für uns Freie Demokraten eigentlich ganz selbstverständlich ist; denn Abrüstung und Rüstungskontrolle sind integrale Bestandteile unserer Friedenspolitik.
Alle Bundesregierungen haben sich zum Ziel einer allgemeinen und umfassenden Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle bekannt. Sie haben sich dabei aber nicht der Erkenntnis verschlossen, daß dieses Ziel nur schrittweise verwirklicht werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland hat daher immer wieder ihre Bereitschaft unterstrichen, an konkreten Teilmaßnahmen auf dem Gebiet von Abrüstung und Rüstungskontrolle mitzuwirken, was sich in ihrer Vertragspolitik zeigt
Ich darf daran erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland bisher den begrenzten Teststoppvertrag, den Weltraum-, den Meeresboden- und den Antarktis-Vertrag sowie die Übereinkommen über ein Verbot biologischer Waffen und über ein Verbot der Umweltkriegsführung unterzeichnet hat. Sie beteiligt sich aktiv an der Vorbereitung des Verbots radiologischer und chemischer Waffen und würde den baldigen Abschluß eines Verbots aller Kernwaffenversuche begrüßen. Sie ist Vertragspartei des Nichtverbreitungsvertrages, dessen zweite Überprüfungskonferenz im Sommer 1980 in Genf stattfindet.
Was die biologischen und chemischen Waffen betrifft, so hat die Bundesregierung im September 1969 dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und der Genfer Abrüstungskonferenz ein Memorandum zum Verbot der Herstellung und Anwendung von Bund C-Waffen übermittelt, auf den Herstellungsverzicht der Bundesrepublik Deutschland von 1954 hingewiesen und ihre Bereitschaft erklärt, zur Ausarbeitung eines solchen Verbotes einen praktischen Beitrag zu leisten.
Die Bundesregierung hat der Genfer Abrüstungskonferenz sowie den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen am 17. Februar 1979 ein Arbeitspapier zur Frage der Überwachung eines Verbots der biologischen und chemischen Waffen übermittelt. Auf Grund der Erfahrungen, die die Bundesrepublik Deutschland mit der Überwachung im Rahmen der Westeuropäischen Union gewonnen hat, brachte sie zum Ausdruck, daß die in diesem Papier beschriebenen Praktiken, Gegebenheiten und Prinzipien für eine wirksame und wirtschaftlich unschädliche Kontrolle eines weltweiten Verbots von Interesse sein könnten: Auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Mai 1978 hat der Bundeskanzler C-Waffen-Experten aus 24 Ländern in die Bundesrepublik Deutschland eingeladen, die sich dann im Mai 1979 in drei Betrieben unserer größten chemischen Firmen davon überzeugen konnten, daß eine Kontrolle der Nichtherstellung von C-Waffen-Komponenten im zivilen Bereich praktisch möglich ist, ohne Betriebsgeheimnisse zu verletzen.
Die Bundesregierung hat einen Vertrag zum Verbot der Herstellung von C-Waffen und seine wirksame Kontrolle schon vor Beitritt zum Genfer Abrüstungsausschuß gefordert. Die Bundesrepublik
Deutschland wäre nämlich auf Grund ihrer exponierten geographischen Lage das erste Opfer eines Gaskrieges.
({0})
Wir sind Vertragspartei des Genfer Protokolls von 1925,
({1})
das den Ersteinsatz von B- und C-Waffen verbietet Wir haben auf die Herstellung von C-Waffen in unserem Staatsgebiet verzichtet Wir sind uns voll dessen bewußt, daß unsere Sicherheit durch ein unkontrolliertes Überwuchern der Aufrüstung mit Massenvernichtungsmitteln des A-, B- und C-Bereichs bedroht ist
({2})
Es gilt also, gemeinsam mit unseren Verbündeten alles zu tun - und darin sind sich, wie der vorliegende Antrag zeigt, alle im Bundestag vertretenen Parteien einig -, um die Abrüstungsdiskussion aus dem unverbindlichen Bereich des theoretisch Wünschbaren in die Realität der politischen Praxis umzusetzen.
({3})
Andererseits aber, Herr Kollege Mertes, wissen wir auch, daß die Glaubwürdigkeit der Abrüstungspolitik mit der effektiven Überprüfbarkeit der von den Staaten eingegangenen Verpflichtungen steht und fällt
({4})
Und hier liegt ja das eigentliche Problem. Ohne Verifizierungsmechanismus steht die Glaubwürdigkeit jeder Abrüstung auf dem Spiel. Über die Notwendigkeit zuverlässiger Verifizierung sind wir uns einig. Diese Frage ist jedoch bisher das Haupthindernis für eine Einigung mit der Sowjetunion gewesen.
({5})
Vielleicht gelingt es bei der zweiten Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag am 11. August, eine Wende herbeizuführen, aber bisher sind solche Konferenzen ja leider immer erfolglos gewesen; darauf komme ich nachher noch einmal zurück.
Die Verhandlungen laufen aber - das muß hier einmal festgestellt werden - seit 1977 bilateral zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion und werden auch durch Afghanistan nicht unterbrochen.
(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das
hat auch niemand gefordert!
Das muß also, Herr Kollege Mertes, einmal gesagt werden. Bei dem am 10. April 1972 unterzeichneten B-Waffen-Übereinkommen, das als erster wirklicher Abrüstungsvertrag im engeren Sinne des Wortes angesehen werden kann, hat sich gezeigt, daß keine
befriedigende Lösung der Verifikationsfrage vertraglich festgehalten ist. Dort verpflichtet z. B. Art. 5 bei Verdacht der Vertragsverletzung lediglich zu Konsultationen, und Art. 6 erlaubt Beschwerde beim UN-Sicherheitsrat, aber nur mit Vorlage überprüfbarer Beweise.
Wir sind uns mit den Verbündeten darüber einig, daß bei künftigen Verträgen - beim Verbot von radiologischen Waffen, von C-Waffen und von Kernwaffenversuchen aller Art - eine bessere Verifizierungsregelung notwendig ist. Ich sagte vorhin schon: Auf der Überprüfungskonferenz im März dieses Jahres konnten wir feststellen, daß erfolglos versucht wurde, die Verifizierungsregelungen durch Vertragserweiterung nachträglich zu verbessern. Es ist also notwendig, bei solchen Verhandlungen von Verträgen diese Verifizierungsregelungen von vornherein einzubauen.
Wir sollten uns nicht entmutigen lassen, und in diesem Sinne unterstützt die FDP den Antrag der Opposition, der auch nach unserer Auffassung im Auswärtigen Ausschuß weiter behandelt werden sollte. - Ich bedanke mich.
({6})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/4091 an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tillmann, Dr. Schulte ({1}), Weiskirch ({2}), Ernesti, Damm, Dreyer, Sick, Benz, Pfeffermann, Biehle, Dr. Stercken, Voigt ({3}), Würzbach, Frau Krone-Appuhn, Handlos, Gierenstein, Stahlberg, Dr. Jobst, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Frau Hoffmann ({4}), Straßmeir, Bühler ({5}), Dr. Friedmann, Jäger ({6}), Dr. Fuchs, Weber ({7}), Dr. Hennig, Löher, Dr. Stavenhagen und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Europäische Flugsicherung
- Drucksachen 8/3521, 8/4122 - Berichterstatter: Abgeordneter Ibrügger
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig begehrt? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({8}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Pfennig, Dr. Marx, Dr. Klepsch, Luster, Blumenfeld, Dr. Müller-Hermann, von Hassel, Frau Dr. Walz und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU
Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Ratifizierung des Vertrages über den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft
und zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. Mai 1979 und dem Beschluß vom 24. Mai 1979 über den Beitritt der Republik Griechenland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, zur Europäischen Atomgemeinschaft und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
- Drucksachen 8/3408, 8/3439, 8/4125 Berichterstatter:
Abgeordnete Voigt ({9}) Dr. Stercken
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig begehrt? - Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4125 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Tagesordnungspunkt 31 - Förderung der Menschenrechtserziehung - ist bereits erledigt worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1979
- Einzelplan 20 -- Drucksache 8/3967 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:
Beratung der Ergänzung zum Antrag des Bundesministers der Finanzen
Veräußerung einer 13,2 ha großen Teilfläche des ehem. Heereszeugamts ({10}) in München an die bayerische Motorenwerke AG
- Drucksache 8/4174 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({11}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend die Hauptprobleme im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Ratsrichtlinien zur Harmonisierung der Struktur der
Verbrauchsteuern ({12}) auf Bier, Wein und Alkohol
- Drucksachen 8/3161 Nr. 59, 8/4095 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Will-Feld
Wünscht die Frau Berichterstatterin das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/4095 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.