Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. Mai 1980 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes
Erstes Gesetz zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes
Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist
Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 22. Mai 1980 das Gesetz zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes bestätigt. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/4093 verteilt
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 27. Mai 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Voss, Dr. Dollinger, Dr. George, Neuhaus, Höpfinger, Kraus, Frau Hürland, Hasinger, Spilker und der Fraktion der CDU/CSU betr. Besuch von Regierungsvertretern bei Unternehmen mit Beteiligung des Bundes - Drucksache 8/3946 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/4131 verteilt
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 3. Juni 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister, Biehle, Damm, Löher, Stahlberg, Würzbach, Dr. Hammans, Lampersbach, Frau Hoffmann ({0}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zahnmedizinische Versorgung der Bundeswehr - Drucksache 8/4025 - beantwortet Sein Schreiben ist als Drucksache 8/4152 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 9. Juni 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Erhard ({1}), Spranger, Dr. Klein ({2}), Röhner, Dr. Miltner, Schwarz, Berger ({3}), Biechele, Broll, Gerlach ({4}), Dr. Jentsch ({5}), Dr. Langguth, Dr. Laufs, Regenspurger, Volmer, Ey, Kittelmann, Kunz ({6}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. DKP-beeinflußte „Freundschaftsgesellschaften" - Drucksache 8/3878 - beantwortet Sein Schreiben wird als Drucksache 8/4188 verteilt
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 21. Mai bis 10. Juni 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/4181 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 28. Mai 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über „Die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich" ({7})
Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 10. Juni 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag eines Beschlusses des Rates über eine zwischenzeitliche Aktion zur Bekämpfung der Armut ({8})
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/4147 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Wie ich sehe, will der Herr Abgeordnete Dr. Bötsch die von ihm eingereichten Fragen 1 und 2 schriftlich beantwortet wissen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. - Danke schön.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Brück zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung wird daher ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich hoffe, daß die Geschäftsordnung hier eine Regelung trifft, die uns einiges hier erspart.
({9})
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Hüsch auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 5 der Frau Abgeordneten Dr. Balser. - Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 6 der Frau Abgeordneten Dr. Balser wird daher ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 8 des Herrn Abgeordneten Marschall auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, Sie sind damit entlassen
({10})
- nicht „entlassen", sondern Sie sind von Ihrer Aufgabe befreit.
Präsident Stücklen
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Fragen 10 und 11 des Herrn Abgeordneten Lutz, 12 und 13 des Herrn Abgeordneten Hölscher werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Höpfinger auf:
Wie groß ist die von der Bundesregierung behauptete Mehrheit der Rentner, die mit den gekürzten Anpassungssätzen für die Jahre 1979, 1980 und 1981 einverstanden ist, und wie hat die Bundesregierung überhaupt festgestellt, daß die angeblich große Zahl der Rentner der Kürzung zugestimmt hat und daß „jedermann damit zufrieden" sei?
Herr Kollege Höpfinger, Minister Ehrenberg hat bis in die jüngste Zeit hinein bei vielen Gelegenheiten Kontakt mit Rentnern gehabt und mit ihnen Gespräche geführt. Dabei ging es auch und gerade um die notwendigen Maßnahmen zur Rückgewinnung der finanziellen Stabilität in der Rentenversicherung. Es zeigte sich hierbei, daß der weitaus überwiegende Teil der Rentner für die getroffenen Konsolidierungsmaßnahmen ein hohes Maß an Verständnis aufbrachte. Dies war jedenfalls dann der Fall, wenn die Rentner umfassend über die Ausgangslage und die zur Überwindung der Schwierigkeiten in Betracht kommenden Lösungsmöglichkeiten informiert wurden.
Wichtigster Punkt dieser Information ist, daß zur Konsolidierung der Finanzlage der Rentenversicherung nicht nur die Rentner, sondern auch die Aktiven beitragen.
Die Feststellung dieses Verständnisses durch Minister Ehrenberg deckt sich mit den Erfahrungen, die ich persönlich in Versammlungen mit Rentnern gemacht habe. Sie wird im übrigen von den Mitarbeitern des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bestätigt, die zahlreiche Besuchergruppen der Bevölkerung betreuen und mit ihnen gerade in der zurückliegenden Zeit auch über. aktuelle Fragen der gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert haben.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß mit solchen schöngefärbten Redensarten, wie sie die Bundesregierung Ende Mai in einem Interview abgegeben hat, der „Rentenskandal" vor der Bundestagswahl 1976 jetzt wieder zu einem „Problemchen" heruntergespielt werden soll?
Herr Abgeordneter Höpfinger, ich bitte Sie sehr, daß Sie sich jeglicher Bewertungen bei Ihren Zusatzfragen enthalten.
({0})
Dann darf ich eine andere Zusatzfrage stellen?
Bitte schön.
Treffen Verlautbarungen zu, in denen festgestellt wird, daß ein Rentner, der 40 Versicherungsjahre aufzuweisen hat und immer einen Durchschnittsverdienst hatte, durch die Abkehr von der Rentenformel im Zeitraum 1979 bis 1981 in etwa dreieinhalb Monatsrenten verliert, was einen Gesamtbetrag von etwa 4 000 DM ausmacht, und halten Sie eine solche Belastung für den Rentner für zumutbar?
Sehen Sie, Herr Abgeordneter Höpfinger, so geht es auch.
Herr Kollege Höpfinger, ich kann Ihre Zahlen nicht bestätigen. Sie wissen auch, daß wir im Durchschnitt der letzten drei Jahre kumuliert eine 13 %ige Rentenerhöhung beschlossen haben. Diese bringt nur eine geringe Abweichung von dem bisherigen Bruttolohnprinzip. Da wir zu diesem Bruttolohnprinzip zurückkehren, ist mit einer erheblichen Beeinträchtigung nicht zu rechnen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Höpfinger.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen von einer geringfügigen Abweichung. Innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren sind es doch nicht weniger als 7 % Rentenanpassung, die den Rentnern vorenthalten werden?
Herr Kollege Höpfinger, den Rentnern wird nichts vorenthalten. Hier haben wir eine notwendige Konsolidierungsmaßnahme mit Zustimmung dieses Hohen Hauses getroffen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Stockleben.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß bei vergleichbaren Personen, einem aktiven Arbeitnehmer und einem Rentner, bei analytischer Arbeitsplatzbewertung erkennbar ist und war, daß derjenige, der sich bereits in Rente befindet, zum Teil eine höhere Rente hat als der, der noch aktiv im Betrieb tätig ist? Können Sie diesen Trend bestätigen?
Herr Kollege Stockleben, es ist bekannt, daß sich die tarifvertraglichen Abschlüsse nicht nur in der letzten Zeit, sondern über den Gesamtzeitraum der letzten 20 Jahre nicht so gut entwickelt haben wie die bruttolohnbezogene Rente. Dies war ja gerade der große Vorteil für die Rentner. Ich meine, wir sollten auch stolz darauf sein, daß es möglich war, mit dem bruttolohnbezogenen Prinzip diese gute Position für die Rentner zu erreichen. Ich denke, die Rentner wissen das auch. Die Steigerungsraten für die Rentner lagen in der letzten Zeit ja auch erkennbar und beachtlich über den Steigerungsraten für beschäftigte Arbeitnehmer.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, haben Sie übersehen, daß es zahlreiche Rentner gibt, die es als ganz besonders bitter empfinden, daß sie seinerzeit ihre Beiträge zur Rentenversicherung aus dem Bruttolohn bezahlt haben, aber sich in den letzten Jahren mit einer wesentlich bescheideneren Erhöhung, die dem Grundgedanken des Gesetzes widersprach, zufriedengeben mußten?
Herr Kollege ich will zunächst einmal zurückweisen, daß sich das, was wir beschlossen haben, nicht mit dem Gesetz vereinbaren läßt.
({0})
Das zweite, was man hinzufügen muß, ist doch ganz einfach dies: Die bruttolohnbezogene Rente hat zu einem beachtlichen Ergebnis für die Rentner geführt. Die Rentner wissen das. Beeinträchtigungen, die es gegeben hat, waren notwendig zur Konsolidierung. Dies ist, langfristig gesehen, auch für die Rentner besser. Ich kann das aus eigener Erkenntnis nur bestätigen. Die Rentner haben längst erkannt, daß sie bei der Politik, die wir betrieben haben, gut aufgehoben waren.
({1})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Hansen auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 15 des Abgeordneten Hansen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 16 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius auf. - Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Kolb auf:
Inwieweit kann die Bundesregierung die Zu- und Abgänge der Selbständigen in den Jahren 1977, 1978, 1979 nach Bereichen quantifizieren, und ist sie in der Lage, auch dies nach der Zahl der Beschäftigten zu tun?
Herr Kollege Kolb, die Bundesregierung verfügt derzeit nicht über statistische Angaben, welche die Zu- und Abgänge der Selbständigen für die Jahre 1977 bis 1979 ausweisen. Es liegen lediglich unterschiedliche Bestandsergebnisse vor, die im Jahresvergleich sogenannte Nettoveränderungen, d. h. die Salden von Zu- und Abgängen, wiedergeben. Über Fluktuationen können daher keine genaueren Schlüsse gezogen werden. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes könnten jedoch vorgesehene Längsschnittuntersuchungen aus dem Material der Mikrozensuserhebungen 1978 und 1979 in begrenztem Umfange Aussagen über die Fluktuationen von einer selbständigen zu einer abhängigen Tätigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit und von einer abhängigen Tätigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit zu einer selbständigen Tätigkeit ermöglichen. Ergebnisse werden nicht vor Ende August 1980 zur Verfügung stehen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Werbung mit der Veränderung der Zahl der Selbständigen, bezogen auf Einzelbereiche wie etwa eine Trattoria oder einen kleinen Laden, für erfolgreich oder sind Sie mit mir der Meinung, daß Selbständige auch noch mehrere Arbeitnehmer beschäftigen sollten?
Herr Kollege, natürlich ist ,die Einschätzung unterschiedlich. Der eine, der z. B. nur Hosenträger verkauft, wird sich sehr darüber freuen, dieses Ziel erreicht zu haben. Der andere wird dem keine besondere Bedeutung beimessen. Von daher kommt es wohl auf die Einschätzung der jeweiligen Person an, wie er diese Veränderung bewertet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bin mit Ihnen dieser Meinung. Aber trotzdem ist für mich die Frage, ob Selbständige, die niemanden mehr beschäftigen, eine so erfolgreiche Werbung für den Stand der Selbständigen sind - so mußte ich es in der letzten Zeit von verschiedenen Ihrer Kollegen hören - oder ob es nicht auf diejenigen Selbständigen ankommt, die auch andere beschäftigen. Dort ist ja der entscheidende Rückgang festzustellen.
Herr Kollege, ich weiß nicht, wo in besonderem Maße Werbung betrieben worden ist. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir am Ende des Jahres bzw. spätestens ab August über etwas bessere Erkenntnisse verfügen werden. Wir werden der Offentlichkeit dann mitteilen, in welchem Umfange es neue Gründungen von selbständigen Existenzen gegeben hat.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Ich rufe die Frage 18 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Wird die Bundesregierung eine Ergänzung der VDE-Bestimmungen erzwingen oder eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen, die die Hersteller von Haartrocknern zwingt, auf die tödlichen Gefahren der Benutzung von Haartrocknern in der Badewanne, Dusche oder über mit Wasser gefüllten Waschbecken in der Gebrauchsanweisung und an den Geräten selbst hinzuweisen, und wurde inzwischen ein Forschungsauftrag vergeben, um die Möglichkeit zur Verhütung von Unfällen mit Haartrocknern zu untersuchen?
Frau Kollegin, die Deutsche Elektrotechnische Kommission hat mir im Zusammenhang mit Ihrer parlamentarischen Anfrage B 77 vom 28. Februar 1980 und auf Grund der wiederholten Forderungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung nunmehr zugesagt, daß in die VDE-Bestimmung für Haartrockner eine Verpflichtung über eine Gebrauchsanweisung und ein Warnzeichen aufgenommen wird. Damit soll davor gewarnt werden, dieses Gerät nicht in der Badewanne, Dusche oder über mit Wasser gefüllten Waschbecken zu benutzen. Es ist zugesagt, daß die Norm in Kürze erscheinen wird. Diese muß dann nach dem Gerätesicherheitsgesetz von den Herstellern und Importeuren beachtet werden.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung hat noch keinen Forschungsauftrag über die
Sicherung von Haartrocknern vergeben können, weil bisher noch kein geeigneter Forschungsnehmer für das Projekt gefunden wurde.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, auf der Ausstellung „Sicherheit '80", die kürzlich in Dortmund stattgefunden hat, waren etliche elektrische Geräte ausgestellt - auch Haartrockner -, die zum Teil eine freiwillige Kennzeichnung über die Gefährlichkeit des Gegenstandes aufwiesen. Die Kennzeichnung war aber jeweils so klein und unleserlich, daß der eigentlich beabsichtigte Effekt nicht erreicht wurde.
Ich komme nun zu meiner Frage: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß dieser Hinweis an dem Gerät deutlich lesbar angebracht wird und seinen Platz nicht bloß in der Gebrauchsanweisung findet, die der Normalbürger ja wohl wegwirft?
Frau Kollegin, ich werde die Mitarbeiter unseres Hauses auf Ihren Vorschlag und Ihre Argumentation aufmerksam machen, damit das beachtet wird. Aber ich meine, noch etwas anderes wäre viel wichtiger, nämlich nicht nur eine Gebrauchsanweisung herzustellen und kenntlich zu machen, daß Gefahren im Verzuge sind, sondern einen Haartrockner zu entwickeln, der auch einmal in die Badewanne fallen dürfte. Ich denke, daß da der Schwerpunkt liegen muß. Ich kann mir als technischer Laie nicht vorstellen, warum eine solche Entwicklung nicht möglich sein sollte. Vielleicht gibt diese Fragestunde dazu einen Anstoß.
({0})
- Ich meine das ganz ernst. Es müßte doch technisch möglich sein, ein solches Gerät zu entwikkeln.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich darf mit meinem technischen Verstande ein bißchen behilflich sein. Vielleicht können Sie den Haartrockner auch als Umwälzpumpe ausstatten, damit das Baden vollständig wird.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Was Sie da vorgeschlagen haben, Herr Staatssekretär, geht technisch leider nicht.
({0})
Infolgedessen kommt man nicht darum herum, immer wieder auf die Gefährlichkeit der Verbindung von Strom und Wasser hinzuweisen.
Ich möchte Sie nur noch einmal fragen, ob es nach Meinung der Bundesregierung richtig ist, daß es immer erst zu einer gehörigen Anzahl von Todesfällen kommen muß, ehe ein solcher Warnhinweis angebracht wird, oder ob Sie sich nicht vorstellen könnten, daß man im Rahmen des Vertrages, den die Bundesregierung mit dem Deutschen Institut für Normung beschlossen hat, auch antizipatorisch vorgeht,
d. h. die Dinge, die mutmaßlich gefährlich sind, als solche kennzeichnet?
Frau Kollegin, ich bin Ihrer Auffassung und werde veranlassen, daß diesen Dingen noch einmal nachgegangen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es schon heute die Vorschrift gibt, daß ein solches Schild in jedem Badezimmer angebracht sein muß, wie gefährlich der Umgang mit elektrischen Geräten im Badezimmer ist? Ist Ihnen das bekannt?
Buschfort, Parl Staatssekretär: Nein, das ist mir nicht bekannt. In meinem Badezimmer habe ich eine solche Aufschrift noch nicht gelesen.
({0})
Herr Abgeordneter Kolb, ich muß dem Staatssekretär zustimmen: Ich gehe nicht ins Bad, um Leseübungen zu verrichten.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesminister der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Bülow zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Besch auf:
Welche Erkenntnisse haben den Bundeskanzler veranlaßt, in seiner Rede auf der 34. Kommandeurstagung der Bundeswehr am 29. April 1980 davon zu sprechen, daß das militärische Gleichgewicht angesichts der unverminderten sowjetischen Mittelstreckenwaffenrüstung erst im Lauf der nächsten Jahre „in empfindlicher Weise gestört werden könnte"?
Herr Kollege, eine durch den Bundeskanzler autorisierte schriftliche Fassung der weitgehend frei vorgetragenen Rede vor den Kommandeuren der Bundeswehr in Trier am 29. April 1980 liegt bisher nicht vor.
Ich habe persönlich an dieser Tagung teilgenommen. Deshalb kann ich Ihnen sagen, daß der Bundeskanzler in dem Abschnitt seiner Ausführungen, auf den sich Ihre Frage offensichtlich bezieht, das bestehende Ungleichgewicht zwischen NATO und Warschauer Pakt im Bereich der MittelstreckenWaffensysteme besonders hervorgehoben hat.
In diesem Zusammenhang hat er auch auf die negativen Auswirkungen auf das Gesamtgleichgewicht der Militärpotentiale hingewiesen, falls die Aufrüstung im sowjetischen Mittelstreckenbereich im gleichen Umfang und Tempo wie bisher fortgesetzt wird.
Diese Auswirkungen auf das Gesamtgleichgewicht werden nach Ansicht der NATO spätestens Mitte der 80er Jahre besonders gravierend sein. Zu diesem Zeitpunkt wird die Sowjetunion in Ausfüllung der in SALT II vereinbarten paritätischen Obergrenzen bei den interkontinentalstrategischen Systemen voraussichtlich den derzeitig noch besteParl. Staatssekretär Dr. von Bülow
henden zahlenmäßigen Sprengkopfvorteil der USA eingeholt haben.
Diese Entwicklung hat im Dezember 1979 zu dem Doppelbeschluß der NATO geführt, mit dem durch Rüstungskontrollvereinbarungen oder durch Nachrüstungsmaßnahmen der NATO die Abschrekkungsfähigkeit im Rahmen der Triade auch künftig sichergestellt werden soll.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat es nicht als notwendig erachtet, diese Falschmeldung, die immerhin auf der ersten Seite einer deutschen Tageszeitung erschienen ist, richtigzustellen, die ja, wenn sie zuträfe, eine ganz außerordentliche Fehleinschätzung der tatsächlichen Kräftesituation zwischen Ost und West durch den Bundeskanzler darstellte? Ich frage dies auch deshalb, weil der Bundeskanzler in einem vergleichbaren Fall einer anderen deutschen Tageszeitung gegenüber, als er auf diesem Gebiet ebenfalls mißverstanden wurde, sehr massiv persönlich tätig geworden ist.
Ich glaube, daß Sie - und alle Tageszeitungen dieser Republik - dies sehr gut in unserem Weißbuch nachlesen können, wo das sehr ausführlich dargestellt worden ist, insbesondere auch die Tatsache mit den Sprengköpfen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Voigt ({0}) auf:
Treffen Pressemitteilungen zu ({1}), wonach die in Bonn akkreditierten ausländischen Militärattachés auf Wunsch des Bundesverteidigungsministeriums nicht mehr über die besondere Lage an der innerdeutschen Demarkationslinie unterrichtet und zur Besichtigung an die Sperranlagen der „DDR" geführt werden, um gewissen Schwierigkeiten" - gemeint sind solche mit Ostblockländern - „aus dem Wege zu gehen", und falls ja, welches sind die Gründe der Bundesregierung für dieses Verhalten?
Herr Kollege, die Antwort ist eindeutig: ja. Für die Probleme der deutschen Teilung gibt es kein besseres Anschauungsobjekt als die Stadt und das Land Berlin. Eine Informationsreise für ausländische Militärattachés nach Berlin hat in der vergangenen Woche vom 2. bis 4. Juni stattgefunden. Vorbereitung und Programmgestaltung dieser Berlin-Reisen liegen jedoch verständlicherweise nicht in der Verantwortung des Verteidigungsministeriums. Zuständig - Entschuldigung, ich habe auf eine vermutete Zusatzfrage geantwortet. Zu Ihrer eigentlichen Frage, Herr Kollege: Die Pressemitteilung der „FAZ" vom 20. Mai 1980 unter der Überschrift „Militärattachés nicht an die Zonengrenze'' erweckt den Eindruck, als sei eine Unterrichtung der ausländischen Militärattachés über die besondere Lage an der innerdeutschen Grenze während ihrer Reise durch Niedersachsen zwar geplant gewesen, jedoch auf Wunsch des Verteidigungsministeriums nicht durchgeführt worden.
Das entspricht in keiner Weise den Tatsachen. Richtig ist vielmehr, daß ein Besuch der Militärattachés an der innerdeutschen Grenze während dieser Reise nicht vorgesehen war. Die Reise diente vielmehr der Information über die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, über das Land Niedersachsen, über die dort ansässige Industrie und die kulturellen Sehenswürdigkeiten.
Gleichwohl sind die Militärattachés bei dieser Reise auch über die besondere Lage an der innerdeutschen Grenze informiert worden, so beim Empfang durch die Stadt Wolfsburg, so während ihres Besuchs beim Bundesgrenzschutz in Goslar.
Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums zur Zeit zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze für gewerblich-technische Berufe zu verringern?
Der Abgeordnete ist nicht im Saal.
({0})
- Ausnahmsweise. Bitte sehr.
Der Bundesminister der Verteidigung strebt an, die Zahl der in seinem Bereich zur Zeit zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze für gewerblich-technische Berufe vorerst nicht zu verringern.
Zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist die Zahl der Ausbildungsplätze im Bereich der Bundeswehr in den letzten Jahren um rund 1 100 auf insgesamt 3 050 Ausbildungsplätze erweitert worden. Um dies zu ermöglichen, hat der Deutsche Bundestag ab dem Haushaltsjahr 1977 eine befristete Erhöhung des Stellensolls um 389 Auszubildende bewilligt. Gleichzeitig mit der Bewilligung wurde aber auch ein schrittweiser Abbau dieser 389 Stellen für den Zeitraum von 1981 bis 1984 festgelegt. In Anbetracht des noch mehrere Jahre bestehenden Ausbildungsplatzmangels wurde inzwischen die Verlängerung der Ausbildungsstellen aus der Aktion 1977 beim Bundesminister der Finanzen beantragt. Ich hoffe, daß spätestens bei den Beratungen im Parlament über den Haushalt 1981 dem Antrag stattgegeben und damit unserem gemeinsamen Anliegen entsprochen wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß kritische Veröffentlichungen von Soldaten über die Einsatzfähigkeit und Verteidigungsstrategie der Streitkräfte, wie zum Beispiel das Buch des Brigadegenerals Uhle-Wettler "Schlachtfeld Mitteleuropa", ein Dienstvergehen darstellen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Frage ist grundsätzlich zu verneinen.
Nach Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes haben auch Soldaten das Recht, ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Einer Genehmigung hierzu bedürfen sie nicht. Allerdings sind sie bei der Ausübung dieses Grundrechts an die soldatischen
Dienstpflichten gebunden. Diese Pflichten sind Ausdruck des besonderen Treueverhältnisses zum Staat. Daraus ergibt sich im einzelnen folgendes:
- Ihre dienstliche Stellung verpflichtet die Soldaten zur Mäßigung und Zurückhaltung; Takt und Loyalität zum Dienstherrn sind zu wahren. Dies gilt vor allem, wenn eine erkennbare Beziehung zwischen der dienstlichen Tätigkeit und dem behandelten Thema besteht. Daher sind aktuelle militärische Fragen besonders vorsichtig zu erörtern.
- Über alle Angelegenheiten und Tatsachen, die ihnen bei ihrer dienstlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind, ist Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für die Mitteilung von Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen oder die zur Veröffentlichung freigegeben sind. Offenkundig sind Tatsachen, die allgemein bekannt sind oder die jedermann auf allgemein zugänglichen Wegen, z. B. durch Fachliteratur, jederzeit erfahren kann.
- Die Meinungsäußerungen dürfen weder die Landesverteidigung gefährden noch die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen.
- Der private Charakter außerdienstlicher Meinungsäußerungen muß unzweifelhaft erkennbar sein.
In diesem Rahmen darf sich auch ein Soldat zu sicherheits- und verteidigungspolitischen . Fragen öffentlich äußern und dabei auch die bestehenden Auffassungen von Bundestag und Bundesregierung kritisch beleuchten. Die sich hieran möglicherweise anschließende Diskussion muß im Hinblick auf das in einem demokratischen Staat schlechterdings unverzichtbare Recht der freien Meinungsäußerung hingenommen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Meinungsäußerung von dem erkennbaren Bemühen getragen wird, einen sachlichen Beitrag in dem Ringen um die beste sicherheits- und verteidigungspolitische Konzeption zu leisten.
Im konkreten Fall hat sich Brigadegeneral Dr. Uhle-Wettler im Rahmen der ihm gesetzlich auferlegten Dienstpflichten gehalten.
({0})
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilt auch der Führungsstab des Heeres diese Auffassung, und trifft es zu, daß Untersuchungen stattgefunden haben, ob hier ein Dienstvergehen vorliegt oder nicht?
Diese Meinung teilen der Führungsstab der Streitkräfte wie der Führungsstab des Heeres.
Ich kann im Augenblick keine Aussagen dazu machen, ob sich irgend jemand überlegt hat, wegen des Buches, das Sie ansprechen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Aber es ist nichts geschehen. Die Beschlußfassung ist so, daß nichts geschieht.
Eine Zusatzfrage.
Werden alle Veröffentlichungen dieser Art von Soldaten nach den Grundsätzen, die Sie vorgetragen haben, überprüft, oder überläßt man das dem Zufall?
Ich würde sagen, daß es jeweils auf den Einzelfall ankommt, was vorgetragen wird, was vorgeschlagen wird, wie die Äußerungen sind, welchen Inhalt sie haben. Das kann man nicht generell beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Werner.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Beurteilung des angesprochenen Buches zu, daß der Verfasser dieses Buches mit seinen Überlegungen bezüglich einer Umgliederung der Streitkräfte in Mitteleuropa - vielleicht auch bezüglich der Aufstellung neuer Einheiten in einer ganz bestimmten Form - in keiner Weise aus dem von Ihnen vorher gezogenen Rahmen herausgefallen ist?
Das habe ich in meiner Antwort darzulegen versucht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die langen Ausführungen, die Sie gegenüber dem Kollegen Jungmann gemacht haben, der gesamten Generalität bekannt sind?
Nein. Da ich sie heute zum erstenmal mache, können sie der gesamten Generalität noch nicht bekannt sein.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Dr. Penner hat gebeten, seine Frage 23 schriftlich zu beantworten. Es wird selbstverständlich so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Dasselbe gilt für die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein.
Ich rufe die Frage 26 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius auf. Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Hasinger auf.
Präsident Stücklen
In welchen Beziehungen steht oder stand der Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsamt Prof. Schönhöfer zu den gesetzlichen Krankenkassen oder ihren Einrichtungen und zu Unternehmen, Einrichtungen oder Verbänden der Pharmazeutischen Industrie, und sind ihm insbesondere Nebentätigkeiten oder Dienstreisen, die inhaltlich mit dem Aufgabenbereich des Arzneimittelinstitutes des Bundesgesundheitsamtes zusammenhängen, genehmigt worden?
Zander, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Abgeordneter, vor seinem Eintritt in das Bundesgesundheitsamt war Profes Hochschullehrer in Hannover. Er stand weder damals noch steht er heute in besonderen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen oder ihnen nahstehenden Einrichtungen noch zur pharmazeutischen Industrie und ihren Verbänden.
Da es sich bei Professor Schönhöfer um einen profilierten Wissenschaftler handelt, wird er relativ häufig zu wissenschaftlichen Vorträgen eingeladen. Insgesamt sind Professor Schönhöfer 15 Dienstreisen für Vorträge genehmigt worden, zu denen er vor und nach seinem Eintritt in das Bundesgesundheitsamt eingeladen worden war. Die Reisekosten sind überwiegend von den Veranstaltern übernommen worden.
Nebentätigkeiten sind Professor Dr. Schönhöfer nicht genehmigt worden.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie vereinbaren Sie diese Antwort mit der Tatsache, daß Herr Professor Schönhöfer beispielsweise erst vor kurzer Zeit auf einem Symposion des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen sehr intensiv den Gedanken vertreten hat, die ärztliche Therapiefreiheit solle durch eine sogenannte Positivliste verordnungfähiger Arzneimittel eingeschränkt werden?
Ich bin nicht in der Lage, die wissenschaftlichen oder sonstigen Meinungsäußerungen von Professor Schönhöfer in irgendeiner Weise zu kritisieren. Es ist sein gutes Recht, solche Meinungen zu vertreten. Aus der Tatsache, daß er dort einen Vortrag gehalten hat, besondere Beziehungen zu den Krankenkassen zu konstruieren, ist, glaube ich, abwegig. Er hat auch vor vielen anderen Gremien Vorträge gehalten.
Weitere Zusatzfrage.
Ist Herrn Professor Schönhöfer für diesen Vortrag eine Nebentätigkeit genehmigt worden, und hat er ein etwaiges Honorar dafür angemeldet?
({0})
Ich bedaure: Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, das zu ermitteln. Nebentätigkeiten generell sind ihm nicht genehmigt worden.
Keine Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Hasinger auf:
An welchen Forschungsprojekten, Gutachten oder Beratungen der Bundesregierung, der Bundesbehörden, der gesetzlichen Krankenkassen oder ihrer Einrichtungen ({0}) ist oder war Herr Dr. E. Greiser auf wessen Veranlassung und unter wessen Verantwortung beteiligt?
Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich im Einvernehmen mit den Bundesministern für Arbeit und Sozialordnung und für Forschung und Technologie wie folgt:
Privatdozent Dr. Greiser ist Mitglied des Bundesgesundheitsrates. Er ist Mitglied in folgenden Kommissionen des Bundesgesundheitsamtes: B 21: Aufbereitungskommission für Arzneimittel gemäß Arzneimittelgesetz; Ad-hoc-Kommission: Strategie zur Erfassung von Arzneimittelnebenwirkungen; Sachverständigenausschuß für Standardzulassungen beim Bundesgesundheitsamt. Ferner ist er für die Fachbereichskommission „Prävention" zur Erarbeitung eines „Gesamtprogramms zur Krebsbekämpfung" als Mitglied und auf Veranlassung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin benannt worden.
Privatdozent Dr. Greiser, seine Abteilung sowie eine Vielzahl durch ihn beauftragter externer Wissenschaftler waren und sind an den nachfolgend genannten Projekten beteiligt:
1. Mitglied einer Hochschul-Beratungsgruppe, die 1975 einen Entwurf für das Programm „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit" erarbeitet hat;
2. Multizentrische Interventionsstudie zu klassischen Risikofaktoren im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Krankheiten und bösartige Neubildungen - Teilprojekt Betriebsstudie -;
3. Verordnungen Niedergelassener Ärzte in Niedersachsen 1974 und 76 - Untersuchungen zu Verordnungen niedergelassener Kassenärzte für Patienten von RVO-Kassen im ersten Halbjahr 1974 und 76 -;
4. Innovationen auf dem Arzneimittelmarkt;
5. Datenverarbeitung in der Medizin: Informationssystem zur Arzneimittelüberwachung, Schwerpunkt Arzneimittelverbrauch;
6. Systematik von 8000 Indikationsbegriffen von Arzneimitteln, 1977/78;
7. Projekte „Velbert I": Pilotstudie zur retrospektiven Analyse von Daten einer Ortskrankenkasse.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hasinger.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß Herr Dr. Greiser, der nach der imponierenden Liste, die Sie gerade vorgelesen haben, ja offenbar eine beherrschende Stellung im Gutachterwesen der Bundesregierung einnimmt, bei dem Forschungsvorhaben, das er im Auftrag der Bundesregierung vorgenommen hat und das eine Nachprüfung von 127000 Rezepten niedersächsischer Ärzte zum Inhalt hatte, insofern zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen gekommen ist, als er diese Rezepte rein statistisch untersucht hat, nicht jedoch die den Rezepten jeweils
zugrunde liegenden individuellen Fälle und Diagnosen?
Herr Kollege, die Methodenkritik bei derartigen Untersuchungen muß ich der Fachwelt überlassen. Diese Frage kann ich nicht von dieser Stelle aus beantworten.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Wäre die Methodenkritik nicht auch die Aufgabe der Bundesregierung, die immerhin erhebliche Steuergelder für dieses Forschungsvorhaben ausgegeben hat?
Herr Kollege Hasinger, ich weiß nicht, ob das konkret zutrifft. Aber generell ist es so, daß sich die Bundesregierung auch bei der Vergabe und bei der Anlage von Forschungsprojekten von sachkundigen Fachleuten beraten läßt, so daß das keineswegs politische Ermessensentscheidungen von Verwaltungsbehörden sind, die darin zum Ausdruck kommen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
({0})
- Veranstalten Sie da unten eine private Fragestunde?
Ich rufe Frage 29 des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Ist der Vizepräsident des Bundesgesundheitsamts ({1}) der Leitungsebene des BGA zuzuordnen?
Ja, der Vizepräsident des Bundesgesundheitsamtes ist der Leitungsebene zuzuordnen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Ihre Antwort vom heutigen Tage in klarem Gegensatz zu der Antwort in der letzten Fragestunde steht?
Herr Kollege, das sehe ich nicht so. Die formelle Zuordnung zu einer Ebene einer Verwaltungsbehörde - hier: der Leitungsebene - besagt ja nichts über die Arbeitsteilung zwischen dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten. Ich denke, daß hier auch verschiedene Begriffe eine Rolle spielen, die Sie herausstreichen wollen, um einen Widerspruch zu meiner Antwort in der letzten Fragestunde zu beweisen. Ich glaube das nicht. Hier ist ganz klar: Er ist ein Mitglied der Leitungsebene, aber es gibt eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Betroffenen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie sich daran erinnern, daß der Leiter des Referats Öffentlichkeitsarbeit im Auftrag des Bundesgesundheitsamtes in einem Zeitungsartikel die Tatsache bestritten hat, daß der Vizepräsident der Leitungsebene zuzuordnen ist?
Ich meine auch hier, daß dies auf ein Mißverständnis über die Begriffe „Leitungsebene" und „Leitungsaufgaben" zurückzuführen ist. Es ist ganz eindeutig so, daß der Vizepräsident zur Leitungsebene gehört.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hasinger.
Können Sie bestätigen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß der amtierende Vizepräsident des Bundesgesundheitsamtes wegen interner Querelen praktisch „kaltgestellt" ist und daß seine Funktionen von Herrn Lewandowski ausgeübt werden?
Das kann ich keineswegs bestätigen. Ich werde in der Antwort auf die folgende Frage darstellen, welche eigenständigen Aufgaben der Vizepräsident in eigener Verantwortung wahrzunehmen hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 30 des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Welche Funktionen erfüllt der Vizepräsident des BGA?
Der Vizepräsident des Bundesgesundheitsamtes hat neben seinen Aufgaben als Vertreter des Präsidenten einen eigenen Geschäftsbeteich. Derzeit gehören dazu die zentralen Einrichtungen des Amtes wie Zentrale Versuchstieranlage, Zentralstelle für automatische Datenverarbeitung, Dokumentation und Statistik und die Bibliotheken, darüber hinaus der sicherheitstechnische und betriebsärztliche Dienst. Außerdem ist er mit Koordinierungsaufgaben im Bereich der Strahlenhygiene und mit der Funktion des Datenschutzbeauftragten für das Amt betraut.
Zusatzfrage, bitte.
Wer wird diese gewichtigen Aufgaben im Rahmen der Leitung des Bundesgesundheitsamtes übernehmen, wenn der Vizepräsident für den Bundestagswahlkampf 1980 freigestellt wird?
Darüber ist noch nicht entschieden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 31 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die weitere Arbeit der Transparenzkommission für Arzneimittel nach der Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichts durch ein Gesetz zu legalisieren, und
Präsident Stücklen
durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, daß Verbraucher und Ärzte in angemessener Zeit den gesamten Pharmamarkt an Hand von anbieterunabhängigen Preis- und Qualitätsvergleichen besser überblicken können?
Die Bundesregierung sieht nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin keine Notwendigkeit, die Tätigkeit der Transparenzkommission für Arzneimittel durch Gesetz zu regeln. Es handelt sich bei der Entscheidung des Gerichts um eine einstweilige Anordnung, die nicht als Grundlage für grundsätzliche Entscheidungen hinsichtlich der Transparenzkommission dienen kann. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren bleibt abzuwarten. Für das Hauptsacheverfahren hat das Gericht zu erkennen gegeben, daß „die in einer sachlich vertretbaren Qualitätskennzeichnung liegende Warenkritik nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil eine gesetzliche Grundlage für sie fehlt". Das Gericht läßt demnach im Prinzip eine vergleichende Vergabe von Qualitätskennzeichen zu.
Im Zusammenhang mit dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin prüft die Bundesregierung auch, welche Möglichkeiten für die Transparenzkommission bestehen, anbieterunabhängige Preis- und Qualitätsvergleiche zu machen.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeit der Transparenzkommission wesentlich beschleunigt werden soll. Zu diesem Zweck ist beabsichtigt, die Geschäftsstelle der Transparenzkommission, die die Vorarbeiten für die Beschlüsse der Kommission zu leisten hat, um weitere wissenschaftliche Mitarbeiter zu verstärken. Die Bundesregierung wird sich bemühen, diese Verstärkung im Haushalt 1981 zu erreichen.
Zusatzfrage, bitte.
Ich höre mit Freuden, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung der Meinung ist, daß man die Verfahren beschleunigen soll. Auf welche Weise will sie das denn erreichen?
Insbesondere durch die personelle Verstärkung in der Geschäftsstelle der Kommission, um die wir uns bemühen.
Weitere Zusatzfrage.
Ist es aber nicht so, daß dieser Verzögerungseffekt durch die Besetzung der Kommission praktisch vorherbestimmt ist und daß man nicht nur organisatorisch, sondern auch strukturell eingreifen müßte?
Ich glaube, daß im Zusammenhang mit dem Urteil - darauf richtete sich ja die Frage - die Notwendigkeit struktureller Änderungen nicht besteht. Aber es scheint uns sehr dringend zu sein, alles zu tun, um die Arbeit der Kommission zu beschleunigen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hasinger.
Würden Sie die Zusammensetzung der Transparenzkommission auch deshalb als ausgewogen betrachten, weil in ihr neben wissenschaftlichem und sonstigem Sachverstand auch der unbedingt notwendige Forschungssachverstand der pharmazeutischen Industrie vertreten ist?
Ich glaube, daß die Zusammensetzung der Kommission so ist, daß sie die Breite der fachlichen Kompetenz widerspiegelt, die wir brauchen, um solche Entscheidungen zu treffen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in steigendem Maße Schriften, in denen Rauschgift als harmloses Mittel empfohlen wird auf den Markt gebracht und vor allem von Jugendlichen erworben werden, bzw. welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegen die Verbreitung derartiger Schriften Maßnahmen zu ergreifen?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß in der Bundesrepublik in jüngster Zeit einige Schriften auf den Markt gekommen sind, in denen der Mißbrauch von Betäubungsmitteln, namentlich von Marihuana, zumindest verharmlost wird. Zwei dieser Schriften, in denen der Anbau von Marihuana in Haus und Garten eingehend beschrieben wird, sind im Februar dieses Jahres auf Antrag eines Jugendamtes von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert und damit den Werbe-, Vertriebs- und Weitergabeverboten nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften unterworfen worden.
Die Bundesprüfstelle hat eine Jugendgefährdung insbesondere darin gesehen, daß die Schriften eine Aufforderung und Anleitung zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz enthalten. Der Bundesprüfstelle liegen inzwischen fünf weitere Anträge vor, von denen sich drei auf das Nachfolgeprojekt einer der genannten Schriften, einer auf ein ComicHeft und einer auf eine Schallplatte beziehen.
Die Bundesregierung geht von der Erwartung aus, daß sich auf dieser Grundlage eine Spruchpraxis der Bundesprüfstelle entwickeln kann, die den antragsberechtigten Stellen eine zuverlässige Orientierung für die Beobachtung des einschlägigen Marktes von Verlagserzeugnissen und die weitere Antragstätigkeit gibt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, haben Sie Kenntnis davon, ob die Jugendämter in der Bundesrepublik ausreichende Kenntnis über die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten auf diesem Gebiet haben?
Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Jugendämter haben das Antragsrecht, und sie beschäftigen sich zur Zeit sehr intensiv mit allen Problemen, die mit dem Thema Drogen zusammenhängen. Ich gehe also davon aus, daß ihnen die Möglichkeit der Indizierung
17828 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 221. Sitzung. Bonn, Freitag, den. 13. Juni 1980
entsprechender Schriften bekannt ist. Ich bin aber gern bereit, diese Fragestunde und die Spruchpraxis der Prüfstelle zum Anlaß zu nehmen, bei geeigneter Gelegenheit darauf noch einmal besonders hinzuweisen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwencke ({0}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 95 des gleichen Abgeordneten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Milz und die Fragen 37 und 38 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Blüm wird zurückgezogen.
Ich rufe nunmehr die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß bei großen öffentlichen Baumaßnahmen, insbesondere Straßenbauten, auch mittelständische Unternehmen eine faire Chance auf eine unmittelbare Auftragserteilung erhalten, und ist die Bundesregierung insbesondere bereit, in Zukunft bei Baumaßnahmen für Bundesautobahnen und Bundesstraßen von der Ausschreibung von Großlosen und der Vergabe an Generalunternehmer Abstand zu nehmen?
Herr Kollege, die weit überwiegende Zahl der Aufträge im Bundesfernstraßenbau ist ihrer Art nach ohne weiteres für mittelständische Straßenbaufirmen geeignet. Denn 98 % der Aufträge - der Anzahl nach - haben einen Wert von bis zu 5 Millionen DM.
Bei großen Baumaßnahmen, z. B. im Bundesautobahn-Neubau, werden die Bauleistungen gemäß § 4 Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, regelmäßig in Fachlose, d. h. Erd-, Oberbau-, Brückenlose, geteilt und vergeben. Technische und wirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmen dabei die Größe der Fachlose. Diese Gesichtspunkte können im Einzelfall auch die Zusammenfassung mehrerer Fachlose zu sogenannten Mischlosen notwendig machen, deren Anteil am gesamten Vergabegeschehen jedoch äußerst gering ist. Mittelständische Baufirmen beteiligen sich zum Teil in Arbeitsgemeinschaften erfahrungsgemäß sowohl an diesen Fachlos- als auch an Mischlosausschreibungen und erhielten in vielen Fällen den Auftrag. Insgesamt wurden 1978 etwa 48 % des Vergabevolumens im Bundesfernstraßenbau dem Wert nach an Firmen des Mittelstandes vergeben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen klar, daß die Vergabe von Generalaufträgen an Arbeitsgemeinschaften sehr stark zugenommen hat und daß die Beteiligung an einer Arbeitsgemeinschaft für ein mittelständisches Unternehmen eine völlig andere Sache als der Erhalt eines Alleinauftrages ist?
Nein, Herr Kollege, nach den mir vorliegenden Unterlagen - ich habe das zum Teil soeben genannt - ist die Entwicklung nicht so.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie erklären, warum zunehmend Gesamtaufträge an Generalunternehmer erteilt werden?
Herr Kollege von Spies, wenn Sie mit „Gesamtaufträgen" Globalvergaben meinen, dann muß ich darauf verweisen - ich habe das schon einmal in einer Fragestunde beantwortet -, daß es zwei Versuchsvergaben dieser Art gegeben hat, daß dieses Vergabeverfahren von allen Seiten, bei den Ländern wie auch beim Bund, kritisch betrachtet wird und mir nicht bekannt ist, daß neue Vergaben dieser Art getätigt worden sind.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Freiherr Spies von Büllesheim auf :
Wieviel Prozent des Auftragsvolumens sind für Bundesautobahnen bzw. für Bundesstraßen jeweils an die zehn umsatzstärksten Bauunternehmen allein ({0}) in den letzten zehn Jahren vergeben worden?
Herr Kollege, es gibt keine Statistiken, die auf die Beantwortung der Frage abgestellt sind. Erhebungen darüber, die sehr zeit- und kostenaufwendig wären, müßten gegebenenfalls bei den einzelnen Straßenbaudienststellen der Länder erfolgen, da die Vergabe von Aufträgen im Bundesfernstraßenbau zum Teil bis zu 10 Millionen DM delegiert ist. Im übrigen ist der Kreis der zehn umsatzstärksten Bauunternehmen nicht ohne weiteres festzulegen, da er sich von Jahr zu Jahr ändern kann. Weiterhin müßte bei vergleichsweisen Betrachtungen berücksichtigt werden, daß die einzelnen Baufirmen ihren Umsatz in sehr unterschiedlichem Maße im Straßenbau oder auch im In-und Ausland erbringen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, diesem Komplex in Zukunft ihr besonderes Augenmerk zuzuwenden und zu verhindern, daß Beanstandungen zu Auftragsvergaben dieser Art an einer technischen Front Ihres Hauses von vornherein gestoppt werden?
Herr Kollege, wir widmen diesen Dingen immer unsere größte Aufmerksamkeit.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diese Aufmerksamkeit angesichts des Tatbestandes zu vermehren, daß mittelständische Baufirmen immer weniger Aufträge erhalten oder jedenfalls ihr Anteil zurückgeht?
Herr Kollege, wenn es nach der von mir soeben gegebenen Antwort noch möglich .ist, die Aufmerksamkeit zu steigern, werden wir es gern tun. Im übrigen möchte ich aber noch einmal sagen, daß die mir vorliegenden Zahlen Ihre Unterstellung, daß der Anteil der mittelständischen Firmen zurückgeht, nicht belegen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Balser.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob die Bundesregierung ihre Aufmerksamkeit in diesem Bereich hinsichtlich der Erteilung von Gesamtaufträgen oder Globalverträgen bei diesen beträchtlichen Summen, um die es sich insgesamt handelt, auch dem Umstand widmet, wieweit Arbeitnehmer in der Bundesrepublik legal eine Aufenthaltsberechtigung in Bauunternehmen haben?
Frau Kollegin, ich befürchte, daß die Bundesregierung bei der Beantwortung dieser Frage überfordert ist, weil - ich möchte das noch einmal wiederholen, der Straßenbau von den Bundesländern im Auftrag der Bundesregierung betrieben wird und die Bundesregierung gar keine Möglichkeiten hat, so weit in die Einzelheiten einzusteigen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus bei allen Schwierigkeiten, genaue Daten und genaue Festlegungen zu treffen, angesichts der Unterlagen, die Sie offenbar im Hause haben, sagen, warum Sie dem Kollegen Spies von Büllesheim eine Antwort nicht geben können oder geben wollen, mit der die Frage zumindest der Tendenz nach beantwortet werden könnte?
Ich habe das vorhin mit einigen Zahlen getan. Ich will Ihnen gern noch eine Zusatzzahl nennen. Nach den Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, entfielen im Jahr 1978 auf Unternehmen der Großwirtschaft - in der Statistik wird das in zwei Rubriken unterteilt - ein Vergabevolumen von 52 % und auf Unternehmen des Mittelstandes ein Volumen von 48 %.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.
Herr Staatssekretär, können Sie in Ihrem Haus einmal nachprüfen lassen, wie häufig die normale Ausschreibung durch Sondervorschläge unterlaufen worden ist, d. h. wie oft deshalb, weil Sondervorschläge gemacht worden sind, für die
mittelständischen Firmen plötzlich eine völlig neue Auftragssituation gegeben war, in der sie nicht mehr mithalten konnten?
Herr Kollege, dies kann der Bundesverkehrsminister nur nachprüfen, wenn er bei allen Bundesländern nachfragt. Da die Vergaben - ich wies darauf hin - ja bei den Straßenbaudienststellen getätigt werden, müssen die entsprechenden Informationen dort eingeholt werden. Dies wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Ich glaube nicht, daß der zu tätigende Aufwand in einem angmessenen Verhältnis zu dem Ergebnis, das dabei herauskommen könnte, steht Deswegen sehe ich mich dazu nicht in der Lage.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatsminister von Dohnanyi zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob - wie in Pressemeldungen zu lesen war - die in Afghanistan eingesetzten sowjetischen Truppen um tschechoslowakische Soldaten - die Rede ist von 5 000 Mann - und/ oder um andere Truppen oder ,Militärexperten" des Warschauer Pakts, möglicherweise auch aus der DDR, verstärkt worden sind oder verstärkt werden sollen, und hält die Bundesregierung dies bejahendenfalls für vereinbar mit den Bestimmungen des Warschauer Pakts und den bilateralen Verträgen zwischen seinen Mitgliedern, deren Geltungsbereich auf das europäische Gebiet der beteiligten Länder beschränkt ist?
Herr Präsident, darf ich die Fragen 39 und 40 zusammen beantworten?
Ist der Herr Abgeordnete damit einverstanden?
({0})
- Das ist der Fall. Dann rufe ich noch die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Entwicklung, sieht sie darin insbesondere eine Bestätigung dafür, daß eine Beschränkung der Entspannung auf Europa nicht möglich ist und eine Ausweitung des Afghanistankonflikts droht?
Herr Kollege Jaeger, zu den Pressemeldungen über eine angebliche Verstärkung der sowjetischen Truppen in Afghanistan durch tschechoslowakische bzw. Truppen aus anderen Staaten des Warschauer Paktes liegen keine Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung hat im übrigen wiederholt auf die weltweiten Auswirkungen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan hingewiesen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Hat die Bundesregierung alle Möglichkeiten ausgeschöpft, sich über diese Frage zu informieren?
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Wird die Bundesregierung auch in Zukunft ihre besondere Aufmerksamkeit auf diese Frage - insbesondere im Hinblick auf die Truppen der DDR - richten?
Ja.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Hat die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen mit der Republik Türkei über eine Wirtschaftshilfe darauf hingewirkt, daß die türkische Regierung den Menschenrechtsverletzungen gegenüber oppositionellen Kräften und nationalen Minderheiten Einhalt gebietet?
Herr Präsident, ich habe wiederum die Bitte, ob ich die beiden von Herrn Abgeordneten Coppik gestellten Fragen im Zusammenhang beantworten darf.
Einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Coppik auf:
Welche Konsequenzen aus den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei will die Bundesregierung innerhalb der NATO und des Europarats ziehen?
Die Türkei kann nach Kenntnis der Bundesregierung nicht als ein Land betrachtet werden, in dem Verletzungen von Menschenrechten gegen oppositionelle Kräfte oder nationale Minderheiten von staatlichen Stellen angeordnet werden. Die Frage einer Verbindung mit unserem wirtschaftlichen Hilfsprogramm stellt sich daher so nicht. Dies gilt auch hinsichtlich Ihrer Frage zu NATO und Europarat.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, kann die Bundesregierung diese Aussage auch dann aufrechterhalten, wenn ihr die Ermittlungen von Amnesty International zu diesem Punkt bekannt sind und auch ich aus meiner persönlichen Kenntnis weiß, daß z. B. Militäraktionen gegen kurdische Dörfer durchgeführt werden und Folter auf den Polizeistationen zur täglichen Methode gehört?
Herr Kollege, es ist bekannt, daß in einigen Teilen der Türkei das Kriegsrecht besteht. Ich habe nicht gesagt, daß es dort nicht auch zu Ausschreitungen kommen kann. Ich habe darauf hingewiesen, daß es nach unserer Kenntnis keine Anordnungen zu solchen Ausschreitungen gibt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Besteht nicht auch für die Bundesregierung eine besondere Verpflichtung, darauf hinzuwirken, daß Menschenrechtsverletzungen in der Türkei unterbunden werden? Ich frage dies in Anbetracht der Tatsache, daß wir im Rahmen der umfassenden Hilfe auch militärische und polizeiliche Ausrüstung in die Türkei schicken wollen und diese militärische und polizeiliche Ausrüstung in einem teilweise unter Kriegsrecht stehenden Land unter den Bedingungen, die Sie soeben genannt haben, eben auch zu menschenrechtsverletzenden Aktionen verwandt werden kann, unabhängig davon, ob diese von oberster Stelle angeordnet sind oder nicht.
Herr Kollege, die Hilfsmaßnahmen, die die Bundesrepublik für die Türkei leistet, haben das Ziel, die sozialen und wirtschaftlichen und damit auch die politischen Verhältnisse in der Türkei zu stabilisieren und auf diese Weise den Entwicklungen entgegenzuwirken, auf die Sie hingewiesen haben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, sehen Sie nicht die Gefahr, daß diese Art von Antworten, wie Sie sie heute hier auch gegeben haben, den Eindruck entstehen lassen könnte, daß die Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen in einem der NATO angehörenden Land einfach nicht zur Kenntnis nehmen will?
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß jemand, der mir hier eben zugehört hat, mich so hat verstehen können.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 43 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
Können nach Auffassung der Bundesregierung die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem Staat, dessen Regierung seit Jahrzehnten Teilen des deutschen Volks die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts mit Gewalt vorenthält, die Mißachtung der Menscheurechte der in ihrem Machtbereich lebenden Deutschen billigt und unterstützt sowie Hunderte von atomwaffenbestückten Mittelstreckenraketen gegen deutsche Städte in Stellung gebracht hat, als ,,befriedigend" bezeichnet werden?
Herr Kollege, darf ich mit Zustimmung des Herrn Präsidenten auch hier wiederum versuchen, die beiden Fragen zusammen zu beantworten?
Einverstanden? - Gut, dann rufe ich zusätzlich Frage 44 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
Welche konkreten neuen Umstände haben den Bundeskanzler veranlaßt, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion anläßlich eines Besuchs des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Sowjetunion in Bonn als ,,befriedigend" zu bezeichnen, obwohl die sowjetische Regierung nach wie vor in schwerwiegender Weise grundlegende Rechte und Interessen des deutschen Volks verletzt und bedroht?
Herr Kollege, die Feststellung des Herrn Bundeskanzlers muß im Zusammenhang verstanden werden. Dies ergibt sich auch deutlich, wenn man z. B. das Protokoll der Pressekonferenz von Herrn Staatssekretär Bölling nachliest.
Die Fragen sind beantwortet. Eine Zusatzfrage?
Das war die Gesamtbeantwortung beider Fragen?
Ja.
Herr Staatsminister, dann möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Beziehungen zu einem Land, die sie als befriedigend bezeichnet, auch so versteht, daß dieses Land sich so verhält, daß die Bundesregierung mit diesem Verhalten zufrieden ist?
Herr Kollege, ich verweise noch einmal auf den Zusammenhang, in dem die Äußerung gefallen ist. Ich bitte Sie, das Protokoll nachzulesen; es steht ja zur Verfügung.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, bedeutet das, was Sie jetzt gesagt haben, daß die Bundesregierung also ganz offenkundig Beziehungen zu einem Staat, mit dessen Verhalten sie nicht zufrieden ist und auch angesichts der Schwere der Verletzungen, die dieser Staat den Interessen und Rechten des deutschen Volkes zufügt, nicht zufrieden sein kann, dennoch aus Gründen, die ich hier nicht näher zu qualifizieren brauche, als befriedigend bezeichnet?
Herr Kollege, ich bedaure, daß Sie mich zwingen, mich zu wiederholen. Die Antwort ist dieselbe: Die Feststellung ist in einem größeren Zusammenhang getroffen worden und muß in diesem Zusammenhang verstanden werden. Ich bin sicher, Sie haben sie auch verstanden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, da Sie bis jetzt überhaupt noch keine sachliche und inhaltliche Antwort gegeben haben,
({0}) möchte ich die Frage stellen - ({1})
Herr Abgeordneter Jäger ({0}), es ist unsere Praxis in der Fragestunde, keine Wertungen vorzunehmen. Bitte schön!
Herr Staatsminister, ich frage Sie also weiter, ob die Bundesregierung es als im Rahmen dessen befindlich betrachtet, was sie als noch befriedigend bezeichnen kann, daß die Sowjetunion Hunderte von atomwaffenbestückten Raketen gegen die deutsche Bevölkerung in Stellung gebracht und in letzter Zeit ja sogar damit gedroht hat, diese unter bestimmten Voraussetzungen auch anzuwenden?
Herr Kollege, wenn die Bundesregierung dies als befriedigend betrachtete, hätte der Bundeskanzler in seinen Gesprächen mit Generalsekretär Breschnew im Mai 1978 in Bonn nicht auf diesen Tatbestand hingewiesen und hätte sich die Bundesrepublik nicht an den Beschlüssen der NATO im Dezember 1979 beteiligt. Selbstverständlich ist das kein befriedigender Vorgang, und gerade deswegen verweise ich Sie noch einmal darauf, daß Sie die Feststellung von Herrn Staatssekretär Bölling im Zusammenhang sehen müssen. Wenn Sie sich die Mühe machten, das Protokoll nachzulesen, hätten Sie keine Schwierigkeiten, zu verstehen, was ich meine.
({0})
Einen Moment! Wir fangen hier keine Diskussion über die Zulässigkeit von Antworten und über Bewertungen an, Herr Möller.
({0})
Aber ich möchte natürlich auch Sie, Herr Staatsminister, bitten, Bewertungen von der Regierungsbank aus nach Möglichkeit zu vermeiden.
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({1}).
Herr Staatsminister, besteht dann, wenn also die Bundesregierung, wie ich Ihrer letzten Ausführung entnehme, das Verhalten der Sowjetunion im Bereich der Aufrüstung als sehr unbefriedigend betrachtet, nicht die Gefahr, daß dann, wenn für die deutsch-sowjetischen Beziehungen - in welchem Zusammenhang auch immer - der Ausdruck „befriedigend" gebraucht wird, dies in weiten Kreisen der Offentlichkeit als eine Verbeugung vor der Sowjetunion im Hinblick auf die Moskau-Reise des Bundeskanzlers gedeutet wird, die der wahren Haltung der Bundesregierung gar nicht entspricht?
({0})
Herr Kollege, ich sehe diese Gefahr nicht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schlei.
Zielt der Begriff „befriedigen" nicht auf den Entwicklungsprozeß, und zielt er nicht statt nur auf militärische Verhältnisse auf eine Gesamtbeziehung, auf die Entwicklung der wirtschaftlichen und der menschlichen Beziehungen, und mißt er nicht den Abstand aus, der seit 1969 zu dem entstanden ist, was die sozialliberale Koalition damals als Beziehungsbasis vorgefunden hat?
({0})
Frau Kollegin, dies ist sicherlich ein Element der Beurteilung. Aber ich verweise noch einmal auf den Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung getan worden ist.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jaeger.
Herr Staatsminister, da das Protokoll in Ihren Ausführungen eine so große Rolle spielt, frage ich: In welcher Weise wollen Sie das einem Abgeordneten der Opposition zur Verfügung stellen?
Herr Kollege, es gibt das unkorrigierte Manuskript der Pressekonferenz vom 30. Mai, in der Herr Bölling eine bestimmte Feststellung getroffen hat, auf die sich der Kollege bezogen hat. Es steht selbstverständlich zur Verfügung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 45 und 46 des Abgeordneten Würtz sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen beigefügt.
Die Frage 47 des Abgeordneten Dr. von Weizsäkker soll auf Wunsch des Fragestellers ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 48 und 49 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Hat die Bundesregierung der britischen Regierung ihre Auffassung und gegebenenfalls ihr Bedauern über die abgeschwächte Form der Anwendung von sogenannten Iran-Sanktionen im Rahmen der EG-Beschlüsse durch Großbritannien zum Ausdruck gebracht?
Herr Kollege, die Antwort lautet ja.
Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß durch die britische Haltung die Wirkung der von der Bundesrepublik Deutschland mitgetragenen EG-Sanktionen beeinträchtigt wird?
Ja.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Becker ({0}) auf:
Ist es richtig, daß Staatsminister von Dohnanyi in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. April 1980 die Flucht der Deutschen aus den Oder-Neisse-Gebieten für „berechtigt und verständlich" erklärt hat?
Herr Kollege, darf ich die Fragen 51 und 52 im Zusammenhang beantworten?
Einverstanden. Ich rufe auch die Frage 52 des Abgeordneten Becker ({0}) auf:
Ist es richtig, daß die Antwort von Staatsminister von Dohnanyi auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Hennig einzig dem Zweck diente, den sprachlichen Unterschied zwischen den Begriffen „Flucht" und „Vertreibung" zu verdeutlichen?
Herr Kollege, Ihre Darstellung ist richtig. Selbstverständlich habe ich in der Fragestunde darauf hingewiesen, daß - ich zitiere - „die Flucht vor den anrückenden Truppen berechtigt und verständlich war". Ich habe zugleich unterstrichen, daß diese Flucht nicht mit den Begriffen „Zwangsumsiedlung" und „Ausweisung" bezeichnet werden könne.
In diesem Zusammenhang einer Definition der Begriffe „Vertreibung", „Flucht", „Aussiedlung" und „Ausweisung" habe ich allerdings dem Kollegen Hennig eine Antwort gegeben, die zwar im Zusammenhang klar war, aber, aus dem Zusammenhang genommen, mißverstanden werden konnte. Es konnte der Eindruck entstehen, als hätte ich denjenigen, die vor den anrückenden Truppen fliehen mußten, zugemutet zu bleiben oder als wisse ich nicht, daß vielen, die fliehen mußten, später die Rückkehr verweigert wurde. Leider - ich muß dies sagen, Herr Kollege - haben auch Kollegen aus der Opposition versucht, dieses Mißverständnis in nicht fairer Weise zu verbreiten.
({0})
Andererseits muß sich derjenige, der hier Auskunft für die Bundesregierung gibt, unmißverständlich ausdrücken. Mit dem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat habe ich offenbar zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene schwer gekränkt. Das tut mir leid.
In der Sache, Herr Kollege Becker, nämlich hinsichtlich der Formulierung der Empfehlung der deutsch-polnischen Schulbuchkommission zu Ziffer 22, habe ich nichts zurückzunehmen. Aber hinsichtlich des Mißverständnisses und der Kränkung, die ich mit meiner Antwort an den Kollegen Hennig unwillentlich offenbar verursacht habe, bitte ich von dieser Stelle aus ganz ausdrücklich um Entschuldigung.
Keine Zusatzfrage vom Fragesteller? - Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatsminister, würden Sie hier dann auch bestätigen, daß jede Aussiedlung unter Zwang nach der völlig unbestrittenen völkerrechtlichen Terminologie Vertreibung ist, und würden Sie dem Hohen Hause auch sagen, daß diejenigen Vertriebene sind, die nach der Flucht vor der Kriegsfront nicht in ihre angestammten Wohnsitze zurückkehren konnten?
Herr Kollege, das habe ich schon beim letztenmal so gesagt.
({0})
Das ergibt sich schon aus der Fragestunde, auf die der Kollege hier eben Bezug genommen hat.
({1})
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.
Herr Staatsminister, darf ich noch einmal nachfragen: Bezog sich Ihre Entschuldigung, die wir eben entgegennehmen konnten, auf den Teil Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Hennig des Inhalts, die Flüchtlinge hätten ja auch dableiben können, oder auf den anderen Teil der Antwort, die Sie damals gegeben haben?
Sie bezog sich auf die Antwort, die ich gegeben habe und die, aus dem Zusammenhang genommen, mißverständlich ist. Ich habe mich für das Mißverständnis entschuldigt, nicht für die Feststellung, daß es Unterschiede in den Begriffen Zwangsaussiedlung, Flucht, Vertreibung usw. gibt.
({0})
- Die Formulierung bleibt selbstverständlich nicht bestehen, da ich darauf hingewiesen habe, daß sie, aus dem Zusammenhang genommen, mißverständlich ist und ich gesagt habe, Herr Kollege - und ich bitte dies auch in aller Fairneß zu verstehen -, daß selbstverständlich für denjenigen, der hier Auskunft gibt, die Verpflichtung besteht, sich unmißverständlich auszudrücken. Für das von mir verursachte Mißverständnis - für das Mißverständnis - habe ich mich entschuldigt.
({1})
Die letzte Zusatzfrage, Herr Dr. Jaeger. Dann sind wir am Ende der Fragestunde.
Herr Staatsminister, nachdem der Herr Bundestagspräsident zu Recht festgestellt hat, daß die Abgeordneten der Opposition wertfrei, also ohne Kritik der Bundesregierung, zu fragen haben, frage ich Sie, ob Sie nicht ebenso verpflichtet sind, wertfrei zu antworten. Das heißt, daß es falsch und unrichtig und gegen den Stil des Hauses war, daß Sie von einer unfairen Weise der Opposition gesprochen haben.
Herr Staatsminister, der Fragesteller war viele Jahre Vizepräsident und damit auch amtierender Präsident dieses Hauses. Er ist sich sicherlich dessen bewußt gewesen, daß diese Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der gestellten Frage steht
({0})
und daher als Zusatzfrage nicht zulässig gewesen wäre.
({1})
Da sie aber im Raume ist, möchte ich es fairerweise dem Herrn Staatsminister freistellen, ob er darauf eine Antwort geben will oder nicht.
Herr Präsident, ich würde gerne darauf antworten, weil ich mich ausdrücklich auf das Verbreiten durch Kollegen außerhalb dieses Hauses bezogen habe.
({0})
Da möchte ich allerdings wiederholen, daß ein offenkundiges Mißverständnis, was aus dem Protokoll der Fragestunde deutlich als Mißverständnis zu verstehen gewesen wäre, nicht hätte außerhalb dieses Hauses durch Verbreitung vertieft werden sollen, sondern man hätte eher zu einer Klärung beitragen müssen. Dieses ist meine Auffassung von politischem Stil.
({1})
Die Fragen 77 und 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss, sowie die Fragen 87 und 88 des Herrn Abgeordneten Graf Huyn sind zurückgezogen worden.
Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt. Sie ist damit geschlossen.
Ich möchte noch einige Mitteilungen machen und auch noch einen Beschluß herbeiführen. Auf Grund einer in der gestrigen Ältestenratssitzung getroffenen Vereinbarung wird folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde vorgeschlagen: In der nächsten Sitzungswoche findet an Stelle von zwei Fragestunden von je 90 Minuten nur eine Fragestunde von 120 Minuten statt. Diese Abweichung von den Richtlinien muß nach § 127 der Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit, der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Wer mit der Abweichung einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das war eindeutig die erforderliche Mehrheit. Die Fragestunde findet demnach am Donnerstag, dem 19. Juni 1980, von 14 Uhr bis 16 Uhr statt.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 10. Juni 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Bericht der Bundesregierung über die steuerliche Behandlung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und deren Veräußerung ({0})
zuständig:
Finanzausschuß ({1})
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1978" ({2})
zuständig:
Innenausschuß ({3})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie
Präsident Stücklen
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Dies ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 198,5
- 2. FStrAbÄndG -
- Drucksache 8/3662 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4170 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({5})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({6})
- Drucksachen 8/4148 ({7}), 8/4182 Berichterstatter: Abgeordneter Sick
({8})
Ich darf darauf hinweisen, daß die Beschlußempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf Drucksache 8/4148 ({9}) und die Berichtigung auf Drucksache 8/4182 die in der Tagesordnung angegebene Drucksache 8/4148 ersetzen.
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Der Abgeordnete Sick, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will einige wenige kurze Anmerkungen machen, die notwendig sind, um die Klarheit herbeizuführen, um die wir in den letzten Tagen miteinander gerungen haben. Der Bericht als solcher liegt Ihnen vor. Wer interessiert ist, kann ihn lesen. Wer nicht interessiert ist, wird auch nicht zuhören, wenn ich es Ihnen erzähle.
Die Drucksache 8/4148 ({0}), die die Änderungen enthält, haben Sie inzwischen vor sich liegen. Sie liegt auf Ihrem Platz. Sie ist vorhin neu verteilt worden.
Zur Klarheit noch einmal, was die Ausschußmehrheit meinte: Das ist die Neuregelung der A 56, die in der Neufassung jetzt so ist, wie sie beantragt wurde. Darüber bestand Einigkeit. Es ist bei der B 26/B 42 in Darmstadt der Zusatz ({1}). Es ist in der Legende nur eine quasi redaktionelle Berichtigung, nach der bei Nr. 2 A 22 ({2}) und bei Nr. 7 ({3}) vor der Jahreszahl 1985 das Wort „spätestens" eingefügt wird. Ich glaube, damit ist das geklärt.
Letzten Endes soll, was die A 98 betrifft, sehr deutlich gesagt werden: Der Wille der Mehrheit ist der, daß diese A 98 zur Gänze Bundesstraße wird. Dort, wo sie noch Autobahn sein sollte, wird sie später im Zweifel umgewidmet.
Wir haben eine sehr umfangreiche Arbeit auch im Ausschuß hinter uns gebracht. Ich habe einen Dank zu sagen - ich glaube, da sind wir uns alle einig - an die Mitarbeiter in unserem Sekretariat. Die haben ein großes Maß an Arbeit geleistet. Ich will sagen, gemessen an dem Wust, den wir vor uns liegen hatten, sind erstaunlich wenig Fehler vorgekommen. Herzlichen Dank an die Mitarbeiter. Einen herzlichen Dank an den Bundesverkehrsminister. Ich bitte die Herren Staatssekretäre, diesen Dank auch Herrn Oberamtsrat Maier auszusprechen, ohne dessen Arbeit wir heute wahrscheinlich nicht so weit gewesen wären. Also dafür herzlichen Dank.
Einen Dank, im Namen von uns allen auch an die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande, die uns mit weit über tausend Eingaben versorgt haben - zwölf dicke Ordner voll. Sie sehen daran das Interesse der Bürger, ein sehr unterschiedliches Interesse von „Hosianna" bis „Kreuziget ihn". Die Bürger meinen: „Straße muß auf jeden Fall kommen", „Arbeitsplätze hängen davon ab", „Standort" und und und, bis hin zu „Straße darf auf keinen Fall kommen", „Landschaft geht kaputt", etwa in dieser Form.
Zwischen diesen beiden Punkten standen wir als Ausschuß. Wir haben uns redlich bemüht, das Beste daraus zu machen. Wir wissen natürlich, daß wir etwas Ideales nicht gefunden haben, aber doch aus dem, was vor uns lag, das Bestmögliche.
Das, was wir hier vorlegen und was ich als Berichterstatter vorlege - das ist mir klar -, ist ein Minimum: ein Minimum dessen, was von den Finanzen her möglich ist, ein Minimum dessen, was technisch möglich ist. Es wird dazu einiges zu sagen sein. Das wird nachher in der Debatte kommen.
Ich möchte eigentlich die deutsche Öffentlichkeit bitten, nun auch nicht auf den Standpunkt der Rigorosität zu verfallen, sondern nun, nachdem hier nach langem Ringen demokratisch entschieden worden ist, dieses auch mitzutragen, damit in diesem Lande das geschieht, was notwendig ist. Aus Übermut handelt hier sowieso keiner.
Mit diesen wenigen Anmerkungen übergebe ich meinen Bericht mit der letzten Empfehlung des Berichterstatters an alle Kollegen: Versuchen Sie auch in die nachfolgende Debatte ein bißchen von dem sachlichen Klima, welches wir im Ausschuß hatten, hinüberzuretten. Ich glaube, das würde der ganzen Sache guttun.
({4})
Es wünscht kein weiterer Berichterstatter das Wort.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Milz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst das aufgreifen, was der Berichterstatter gesagt hat, und dafür danken, daß die Arbeit des Ausschusses, damit auch die Arbeit der CDU/CSU-Fraktion, so wesentlich und positiv durch Vorbereitung der Straßenbauabteilung des Ministeriums beeinflußt worden ist. Ich möchte in den Dank natürlich auch die einzelnen
Länderministerien und Straßenbauverwaltungen in den einzelnen Bundesländern einbeziehen, die uns soviel haben zufließen lassen.
Der Deutsche Bundestag entscheidet heute über den Bedarf an Fernstraßen bis zum Jahre 2000. Niemals zuvor ist so heftig über die Frage gestritten worden, ob wir überhaupt noch Straßen brauchen oder wie viele Straßen neu gebaut werden müssen. Kein Gebiet der Politik ist in den letzten zehn Jahren mit solchen Wechselbädern überzogen worden, wie das beim Straßenbau der Fall war. Noch Anfang der 70er Jahre setzte die SPD/FDP in ihrem Reformeifer gegen die CDU/CSU einen gigantischen 20 000-km-Autobahnplan im Bundestag durch. Wären der Wille und Reformeifer des damaligen Verkehrsministers Georg Leber in Erfüllung gegangen, wäre bis 1985 jedem Bürger im Umkreis von höchstens 15 km von seinem Wohnort entfernt ein Autobahnanschluß verschafft worden.
Die SPD/FDP hat im Bereich des Straßenbaues wie in vielen anderen Bereichen mit der Zeit erkennen müssen, daß Reformeifer das eine und die Wirklichkeit das andere ist.
({0})
Deshalb verfiel sie auch kurze Zeit danach in eine absolute Ablehnung des Straßenbaues, ja des Automobils schlechthin.
Unter dem derzeitigen Verkehrsminister fand das Wechselbad nicht etwa ein Ende. Er war es vielmehr, der noch vor fünf Jahren 20000 km Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen in den Bedarfsplan aufgenommen hat, von denen er in der Zwischenzeit selber für diesen Bedarfsplan 7000 km zur Streichung empfahl.
Jetzt, so meinen wir, muß mit diesen Wechselbädern endlich Schluß sein. Alle am Straßenbau interessierten Bürger haben einen Anspruch darauf, endlich Klarheit über das zu erhalten, was sie bis zum Jahre 1990 erwartet.
Straßenbau kann und darf nicht kurzatmig angelegt sein. Insbesondere darf nicht reines Zweckmäßigkeitsdenken im Wahljahr an die Stelle nüchterner Überlegungen für die Zukunft treten. Bei manchen Diskussionsbeiträgen von SPD/FDP hat man den Eindruck, als würde sich Straßenbau nur noch vollziehen - oder besser gesagt: nicht mehr vollziehen -, weil in diesen Kreisen mehr und mehr die grüne Angst umgeht.
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Wer sich aber von derart kurzatmigen Gesichtspunkten leiten läßt, muß auch die Verantwortung dafür übernehmen, daß sich Unterlassungssünden von heute in Zukunft bitter rächen werden.
Die Unionsfraktion wird mit Deutlichkeit darauf hinweisen, wo in Zukunft ihre Schwerpunkte liegen. Wir meinen erstens, das vorhandene Fernstraßennetz ist sicherer und den Möglichkeiten des Umweltschutzes entsprechend auszubauen. Zweitens. Dieses Netz ist an seinen offensichtlichen Engpässen zu ergänzen. Drittens. Die revierfernen Regionen sind an das Fernstraßennetz anzubinden, um diese Gebiete für die dort wohnenden Menschen und für die Erholungssuchenden der Ballungsräume liebenswert und wirtschaftlich, d. h. attraktiver zu machen. Viertens. Mit Umgehungsstraßen muß der Durchgangsverkehr aus den dichtbesiedelten Städten und Gemeinden herausgeholt werden.
Meine Damen und Herren, um dies zu verwirklichen, bedarf es erheblicher Investitionen. Gerade die Qualität eines umweltgerechten Straßenbaus hat einen hohen Preis. Es kann deshalb für die CDU/ CSU nicht in Frage kommen, daß der Straßenbauetat des Bundes mehr und mehr zu einer Reservekasse für andere politische Aufgaben wird.
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Es wäre ein fundamentaler Irrtum, zu glauben, der Verzicht auf Straßenbau sei allein schon eine umweltfreundliche und energiesparende Politik. Vielmehr kommt es im notwendigen Interesse der Bewältigung des Verkehrsaufkommens und der Sicherung unseres wirtschaftlichen Wachstums darauf an, den nicht zu leugnenden Zielkonflikt zwischen Straßenbau, Umwelt- und Naturschutz sowie Energieeinsparung zu lösen.
Dabei trägt der Straßenbau selbst zum Umweltschutz über den Lärmschutz, zur Energiesicherung über die Vermeidung von Verkehrsstaus und zur höheren Verkehrssicherheit bei. Der Konflikt zwischen Straßenbau und Landschaftsschutz ist also lösbar, insbesondere durch geeignete Trassenführung und frühzeitige Verkehrswegeplanungen. Die Zersiedelung der Landschaft kann hierdurch reduziert werden.
Die Erschließung und bessere Anbindung von strukturschwachen Regionen vermindert die expansive Ausweitung von Ballungsräumen. Straßenbau ist gleichzeitig Umweltschutz durch Beseitigung von Lärmquellen, Beseitigung von Abgasbelastungen und Beruhigung von Wohngebieten. Dies kann sowohl durch den Bau von Umgehungsstraßen und innerstädischen Entlastungsstraßen, durch die Beseitigung von Verkehrsschwerpunkten und Engpässen sowie durch die Verbesserung des Verkehrsflusses, insbesondere aber auch durch den Bau lärmgeschützter und untertunnelter Straßen erreicht werden.
Meine Damen und Herren, es ist natürlich richtig und wichtig, beim Straßenbau auch auf die Umweltbelastung zu achten. Wenn allerdings jetzt die beiden Regierungsparteien glauben, mit dem Verzicht auf 7 000 km Autobahn das Ihre tun zu müssen, um Wählerstimmen zu erhaschen, so ist dies nach meiner Auffassung mehr als bedauerlich.
Wer Aussagen über den Bedarf an Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen machen will, muß auch die Frage nach der Verkehrssicherheit stellen. Dazu stellt der ADAC am 28. Mai 1980 wörtlich fest:
Insgesamt haben sich die Autobahnen auch im letzten Jahr wieder als die bei weitem sichersten Verkehrswege erwiesen. Obwohl sie ca. 25 % des gesamten Kraftverkehrs bewältigen müssen, ereignen sich auf ihnen nur rund 5 % aller Unfälle.
Meine Damen und Herren, ich muß es als Ironie bezeichnen, wenn in der Präambel zum Verkehrswegeplan 1980 festgestellt wird, daß der Straßenbau zur Hebung der Verkehrssicherheit durch die Beseitigung von Unfallschwerpunkten beitragen soll. Im Gegenteil: Neue Unfallschwerpunkte werden mit den zweispurigen Bundesstraßen geschaffen. Bundesrichter Dr. Spiegel als Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitstages sagte zu diesem Thema:
Die Angst vor den sogenannten Grünen darf nicht - auch nicht nur für das eine Wahljahr - die Erkenntnis verstellen, daß die Autobahnen mit weitem Abstand die unfallärmsten Straßen darstellen.
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Der Verzicht auf Planung von Straßen für die Zukunft berücksichtigt auch keinesfalls die Energiesituation. Zwar steht auch im Bundesverkehrswegeplan 1980, daß die Verkehrsinvestitionspolitik energiepolitische Ziele einbeziehen müsse. Doch zeigen vergleichende Untersuchungen über den Treibstoffverbrauch des Personen- und Güterverkehrs auf kreuzungs- und gegenverkehrsfreien einerseits sowie zweispurigen Bundes- und Landesstraßen andererseits, daß bei der letzten Straßenkategorie der Treibstoffverbrauch um durchschnittlich 25 % höher liegt, bei gleichzeitigem Zeitverlust von durchschnittlich 30 %.
Verkehrsbehinderungen, wie sie heute noch in vielen Ballungsräumen die Regel sind, verursachen einen Treibstoffmehrverbrauch von bis zu 100 %. Die Einsparung von Energie im Straßenverkehr ist in erster Linie durch die Verhinderung vermeidbarer Energievergeudung zu erreichen. Generell ist es entscheidend, den Straßenverkehr durch ein ausreichendes Straßennetz flüssig und reibungslos zu gestalten. Neben der Beseitigung bekannter Schwachpunkte im Fernstraßennetz ist dies vor allem durch den Ausbau der Verkehrswege für den Berufsverkehr in den Großstädten und Ballungsräumen zu erreichen.
Aus der Sicht der Straßenbauwirtschaft ist das heute vorliegende Gesetz, wie nicht anders zu erwarten, von besonderer Bedeutung.
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Nicht nur die Straßenbauindustrie zeigt großes Interesse an den Beschlüssen des Deutschen Bundestages, sondern auch die Gewerkschaft Bau, Steine, Erden. Sie hat durch ihren Vorsitzenden Sperner schon vor geraumer Zeit auf gefährliche Entwicklungen im Straßenbau hingewiesen, wenn übertriebene Kürzungen wirksam werden sollten. Die Beschäftigung von Unternehmen in diesem wichtigen Bereich ist fast ausschließlich von öffentlichen Auftraggebern abhängig. Einschränkungen des Straßenbauvolumens haben daher unmittelbare Freisetzung von Kapazitäten und den Verlust von Arbeitsplätzen auch in dem Zulieferungsbereich zur Folge. Wir wissen aus zuverlässiger Quelle von den Betroffenen, daß man zur Zeit davon ausgeht, daß zirka 26 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich als gefährdet bezeichnet werden müssen. Wir, die Union, sehen
dies mit großer Sorge. Wir meinen, es sei eine der wichtigsten Aufgaben des gesamten Parlaments, aber auch der Fraktion, die sich immer wieder zum besonderen Sachwalter der Arbeitnehmer aufspielt,
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ernsthaft das zu sehen,
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was einer der wichtigste n Repräsentanten einer wichtigen Gewerkschaft
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dem Deutschen Bundestag vorträgt
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Es ist schon bezeichnend, meine Damen und Herren, wenn der Vorsitzende der SPD-Fraktion
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so reagiert, wie er dies tut, wenn es darum geht, die Interessen der Arbeitnehmer einmal in aller Deutlichkeit anzusprechen.
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Die zur Bewältigung der ersten Stufe des Bundesverkehrswegeplans 1980 vorgesehenen Mittel reichen nach unserer Auffassung selbst ohne Berücksichtigung der erwarteten Kostensteigerung bei weitem nicht aus. Die Folge wird sein, daß die Stufe I bis 1990 nicht verwirklicht werden kann. Daraus werden volkswirtschaftliche Verluste, daraus wird mangelhafte Infrastruktur, daraus werden Wachstumsverluste, Beschäftigungsprobleme, Umweltschäden und Energievergeudung entstehen, die weit höher als der Betrag sind, der zum Bau eines ausreichenden Straßennetzes erforderlich wäre.
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Diese Verluste sind langfristig nicht mehr aufzuholen und werden daher weiterwirken.
Wer an den Straßenbau steigende Ansprüche stellt - Verkehrssicherheit, Lärmschutz, Landschaftsschutz -, darf die hierfür erforderlichen Mittel nicht einschränken, sondern muß bereit sein, diese zusätzlichen Anforderungen auch zu finanzieren.
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Hier spielt gerade die Tatsache eine große Rolle, daß der Bundesfinanzminister der staunenden Offentlichkeit vor wenigen Tagen aus seiner vielgerühmten Trickkiste den Vorschlag hervorzauberte, zur Finanzierung Europas die Mineralölsteuer drastisch zu erhöhen. Der Autofahrer soll auf der einen Seite noch mehr zur Kasse gebeten werden und auf der anderen Seite den Anspruch auf verkehrsreiche und sichere Straßen noch mehr zurückstellen. Die Prognosen sagen für die 80er Jahre eine voll ausgelastete Bundesbahn und ein weithin starkes Anwachsen des Personen- und Güterverkehrs auf unseren ohnehin überlasteten Straßen voraus.
Neben den Belangen des Wirtschafts- und Berufsverkehrs will der Bürger ganz offensichtlich bei zunehmender Freizeit auch mehr individuelle Mobilität mit seinem Kraftfahrzeug. Wer will es den Menschen verdenken, daß sie in ihrer Freizeit herauswollen aus den betonierten Massenwohnlandschaften, aus der Enge des sozialen Wohnungsbaus, aus den planmäßigen Abläufen einer schematischen Arbeitszeit?
Dies alles galt es und gilt es in Zukunft wie auch beim heutigen Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen.
Wir haben uns in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu durchgerungen, trotz erheblicher Bedenken dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu geben. Dies tun wir, um vom Straßenbau noch Schlimmeres abzuwenden.
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Lassen Sie mich abschließend auf zwei besonders gravierende Sachverhalte im Rahmen der Beratung hinweisen.
Herr Abgeordneter, Sie sehen: Das Licht blinkt. Bitte schön.
Wenige Bemerkungen noch. Ich rufe die Bodensee-Autobahn in unsere Erinnerung. Hier haben mit Ausnahme einer Gemeinde alle beteiligten Gebietskörperschaften bis hin zum Land Baden-Württemberg sich für den Bau der A 98 ausgesprochen. Aber die Koalition war nicht bereit, diesem Vorschlag zu folgen. Das nennt die Koalition: Mehr Demokratie wagen.
({0})
Ebenso ist es bei der Elbquerung. Auf 120 km besteht zwischen Hamburg und der Elbmündung keine einzige feste Querung. Auch hier war man nicht bereit, für Änderungen zu sorgen.
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Wir werden mit Sorgfalt beobachten, was in den nächsten fünf Jahren geschieht
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, jetzt zum Abschluß zu kommen.
Wenn auch schweren Herzens, werden wir, um Schlimmeres zu verhüten, dennoch diesem Gesetz zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Topmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst sage ich wie meine Herren Vorredner all jenen Dank, die in sachlicher Arbeitsatmosphäre mitgeholfen haben, diesen Bedarfsplan für den Bundesfernstraßenbau vorzubereiten, und ihn letztlich, soweit es die Ausschußarbeit angeht, dort in sachlicher Atmosphäre
in großer Einmütigkeit verabschiedet haben. Dank dem Berichterstatter, Herrn Kollegen Sick; Dank, Herr Sick, an Ihre Adresse, daß Sie auch heute noch einmal den Wunsch geäußert haben, die Atmosphäre hier im Plenum des Deutschen Bundestages möge die gleiche wie die im Ausschuß sein.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Kollege Milz dort nicht richtig zugehört hat. Denn er hat einen Großteil seiner Äußerungen sicher nicht im Sinn unserer Arbeit im Ausschuß verwendet, einer Arbeit, die damit geendet hat, diesen Plan einmütig zu verabschieden. Wie sollen, verehrter Herr Milz, die Bürger über unsere Arbeit denken, wenn wir uns zur Einmütigkeit bereitgefunden haben und Sie in Ihrer Rede heute so ziemlich alles tun, um diese Einmütigkeit in Frage zu stellen?
(Beifall bei der SPD und der FDP - Milz
[CDU/CSU]: Sie können die Wahrheit nicht
ertragen! Darauf haben die Bürger einen
Anspruch
Die Zeit läßt es nicht zu, sich mit vielen Ihrer polemischen Äußerungen auseinanderzusetzen; ich bedaure das. Vielleicht haben wir an anderer Stelle dazu noch Gelegenheit
Die bisherige parlamentarische Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 hat deutlich gemacht - ich glaube, das ist unumstritten -, daß der Gesetz- und insbesondere der Bedarfsplanentwurf der Bundesregierung eine sehr gute Arbeitsgrundlage war, dies um so mehr, weil der dem besagten Regierungsentwurf zugrunde liegende Leitsatz „Qualität geht vor Quantität" keine Leerformel geblieben ist Die Bundesregierung hat den von ihr geprägten Leitsatz nicht zuletzt dadurch ausgefüllt, daß sie etwa 7 000 km Bundesautobahnplanungen aus dem Bedarfsplanentwurf herausgenommen und davon 5 000 km ersatzlos gestrichen hat Die restlichen 2000 km Bundesautobahnplanungen wurden zugunsten des Ausbaus bestehender Bundesfernstraßen umgewidmet Damit wurde ein Wandel in der Investitionsstruktur deutlich, und zwar dergestalt, daß qualitätsverbessernde Investitionen Vorrang vor dem Bau neuer Straßen auf neuen Trassen bekamen. Nicht Ausbau des Netzes um jeden Preis, sondern Ausbau im Netz und Erhaltung der Substanz im Bereich des Bundesfernstraßenbaus waren im Entwurf der Bundesregierung richtungweisende Kriterien.
Für die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag darf ich erklären, daß wir der Bundesregierung auf diesem Wege volle Unterstützung zusichern, zumal wir davon überzeugt sind, daß dieser Schritt in die richtige Richtung führt und dem sich geänderten Meinungsbild der überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung entspricht Was immer dazu - begründet oder unbegründet - von anderen dagegen vorgebracht werden mag - Herr Milz hat sich ja hier dahingehend geäußert -, so hoffe ich doch, daß wir uns einig sehen in der Auffassung, daß Straßenbau kein Selbstzweck sein kann und darf, sondern daß er sich an gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten zu orientieren und in erster Linie dem Ziel zu dienen hat, die Lebensbedingungen in allen Teilen der Bun17838
desrepublik zu verbessern bzw. einander anzugleichen.
({0})
- Ich hoffe, daß auch Sie das wollen. Ich unterstelle Ihnen auch nicht, daß Sie es nicht wollen.
Wir wollen keine Straßen gegen den erklärten Bürgerwillen planen und letztlich durchsetzen, sondern wir wollen Straßen bauen für den Bürger und mit dessen größtmöglicher Unterstützung.
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Dies war für uns der Generalnenner, von dem aus wir die uns gestellte Aufgabe zu lösen versucht haben. In diesem Zusammenhang sind - auch das sollte nicht verschwiegen werden - Schwierigkeiten aufgetreten, beispielsweise dann, wenn völlig unterschiedliche Voten von Bürgern oder aber von Stadt- und Gemeindevertretungen zu ein- und derselben Maßnahme abgegeben wurden. Hier war es unsere Aufgabe, war es Aufgabe der mit diesem Gesetz- und Bedarfsplanentwurf befaßten Ausschüsse, die jeweiligen Maßnahmen vor dem Hintergrund der mit der Planung einhergehenden Vor- und Nachteile einer ganzen Region zu bewerten und dabei zu vernünftigen Kompromißentscheidungen zu kommen.
Dabei haben wir uns miteinander darum bemüht, solche scheinbaren Sachzwänge nicht mehr zum Maßstab unseres Handelns werden zu lassen, die auf Planungen zurückgingen, bei denen inzwischen überholte Zielwertvorstellungen maßgeblich gewesen sind. Bei dieser Arbeit ist vielen von uns deutlich geworden - das will ich hier auch einmal in aller Offenheit sagen -, daß bei Verwaltungen und Planern nicht immer die notwendige Bereitschaft besteht, einen im Detail ausgearbeiteten Bauplan auf Grund von Anregungen der Bürger oder ihrer Gemeindevertretungen im nachhinein zu ändern. Es mußte deshalb auch ein Teil unserer Arbeit sein, auf qualifizierte Wünsche von Gemeinden und Bürgern einzugehen und dabei zu verdeutlichen, daß Veränderungen nicht nur durch Gerichtsverfahren, sondern auch durch Beschlüsse der dafür zuständigen politischen Gremien, beispielsweise durch den Deutschen Bundestag, möglich sind.
({2})
Eine als richtig erkannte Änderung eines Planungsvorhabens darf unserers Erachtens nicht daran scheitern, daß neue Pläne erstellt werden müssen und daß dadurch Mitwirkungsrechte der Bürger neu aufleben.
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In diesem Zusammenhang darf ich an den mehrheitlich gefaßten Beschluß des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages erinnern, der die Umwandlung der A98 zwischen Kempten und dem Wangener Kreuz zur B 12 n zum Inhalt hatte. Wenn, wie festgestellt worden ist, der Verkehrsbedarf durch eine zweistreifige Straße auch langfristig gedeckt werden kann, dann ist es einfach eine Frage des Selbstverständnisses des Gesetzgebers, daß er dies auch offen vor dem Bürger darstellt und erklärt, daß es hier keiner Autobahn mehr bedarf, sondern daß eine Bundesstraße auf neuer Trasse den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht wird.
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Dies, meine Damen und Herren, gilt ohne Wenn und Aber und auch dann, wenn ein solcher Beschluß nicht völlig ausschließen kann, daß bestimmte, bereits abgeschlossene Planungskriterien in ein neues Verfahren übergeleitet werden müssen. Wenn wir im Zusammenhang mit Straßenplanungen davon ausgehen, daß wir uns durch ein Mehr an vorzeitiger Bürgerbeteiligung mit dem Partner Bürger vertrauensvoll einigen wollen und sicherlich auch einigen müssen, dann sollten wir tunlichst alles unterlassen, was dieses notwendige Vertrauen von vornherein in Frage stellen könnte.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Bundesregierung richtig gehandelt hat, wenn sie bei einigen Planungsvorhaben, so beispielsweise bei der A 8, nämlich der Autobahn durch den Pfälzer Wald, und bei der A 4, der Autobahn durch das Rothaargebirge, eine endgültige Festlegung im Bedarfsplan noch nicht getroffen hat, zumal von den Länderauftragsverwaltungen noch nicht eindeutig nachgewiesen worden ist, ob der in den genannten Wirtschaftsräumen zweifellos vorhandene Ausbaubedarf nicht durch andere Maßnahmen, beispielsweise durch den Ausbau vorhandener Bundesstraßen, gedeckt werden kann.
({5})
Dies ist um so mehr nachzuweisen, weil die genannten Planungsräume zu den landschaftlich schönsten Gegenden der Bundesrepublik gehören und deshalb erst dann in Anspruch genommen werden sollten, wenn sich dies als unabweisbar notwendig herausgestellt hat. Soweit es die A 8 - Alternativplanungen - angeht, gehen wir davon aus, daß die fest eingeplanten Verkehrsverbesserungen im Raum Pirmasens zügig fortgeführt werden, ohne dabei nicht gewünschte Präjudizierungen für mögliche Alternativlösungen zu schaffen.
({6})
Wir haben die im Kartenaufdruck, der sogenannten Legende, von der Bundesregierung dargestellten Maßnahmen miteinander um einige weitere ergänzt und die Forderungen hinsichtlich des weiteren Verfahrens bei diesen Maßnahmen dergestalt konkretisiert, daß wir es den Straßenplanungsbehörden der Länder zur Auflage gemacht haben, bis zum 31. Dezember 1982 darzustellen, welche Alternativlösungen zur Deckung des von uns anerkannten Ausbaubedarfs realisiert werden können. Danach sollte allerdings umgehend dafür Sorge getragen werden, daß - unter Ausnutzung bestehender gesetzlicher Möglichkeiten - eine Verbesserung der
Verkehrsstrukturen in den im einzelnen aufgeführten Regionen
({7})
sichergestellt wird. Bei den vom Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages neu in den Kartenaufdruck - sprich: Legende - aufgenommenen Maßnahmen liegen bei der B 33 Singen-Konstanz und der A 98 Stockach-Wangener Kreuz ähnliche Voraussetzungen, nämlich möglicher Schutz erhaltenswerter Landschaft, vor wie bei den von mir zuvor erläuterten Maßnahmen.
({8})
Ein wenig anders verhält es sich bei den darüber hinaus in die Legende aufgenommenen Planungen der A 59 östlich von Köln und der A 44 zwischen der A 3 und dem Raum Witten. Hier gilt es im gleichen Zeitraum zu klären, ob und unter welchen besseren Voraussetzungen im dichtbesiedelten Rhein-RuhrGebiet Alternativplanungen möglich sind, die in weniger starkem Maße in die vorhandene Bausubstanz eingreifen. Wir verkennen nicht; daß durch die Hineinnahme der A 44 zwischen der A 3 und Velbert in die Legende der Wirtschaftsraum HeiligenhausVelbert in seiner verkehrlichen Anbindung kurzfristig möglicherweise schlechtergestellt worden ist. Deshalb erwarten wir von der zuständigen Planungsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen, daß eine separate Planung für diesen Raum schnellstens erstellt wird, zumal heute nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Fortführung einer Autobahn in nordöstlicher Richtung über den Raum Velbert hinaus am Widerstand der Großstädte im mittleren und östlichen Ruhrgebiet scheitern wird. Wir erklären ausdrücklich, daß wir alles daran setzen werden, um nach Erstellung der insbesondere für den Raum Heiligenhaus-Velbert notwendigen Neuplanung die bisherige Dringlichkeitsstufe I neu aufleben zu lassen.
Die im Verkehrsausschuß vorgenommenen Veränderungen in dem Bedarfsplanentwurf sind mit Ausnahme des Landes Baden-Württemberg so erfolgt, daß sich Auf- und Abstufungen die Waage halten und deshalb den vorgelegten Finanzrahmen nicht tangieren. Bei den Veränderungen im Lande Baden-Württemberg ist vor Beschlußfassung im Ausschuß darauf verwiesen worden, daß mit der zusätzlichen Verplanung von etwa 700 Millionen DM in der Dringlichkeitsstufe I die Planungsreserve des Landes Baden-Württemberg entsprechend vergrößert worden ist. Dadurch - das möchten wir noch einmal ausdrücklich herausstellen - dürfen die anderen Bundesländer in ihrem finanziellen Besitzstand nicht schlechter gestellt werden.
Wie bereits eingangs ausgeführt, haben wir uns alle im Ausschuß darum bemüht, einen von allen mitzutragenden Kompromiß finden zu helfen. Das hatte erklärlicherweise zur Folge, verehrter Herr Kollege Milz, daß alle Fraktionen im Interesse einer gemeinsam zu findenden Lösung Abstriche von ihren ursprünglichen Forderungen machen mußten. Daran mögen bei der Bewertung des heute zu verabschiedenden Gesetzes auch jene denken, die für sich und andere weitergehende Forderungen angemeldet oder aber eine anders geartete Beschlußfassung erwartet haben.
Wenn das Sprichwort „Es jedermann recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand beherrscht" richtig ist, dürfen wir darauf vertrauen, daß man es uns im Zusammenhang mit der nunmehr abgeschlossenen Arbeit zubilligt, dann und wann auf dieses Sprichwort verweisen zu dürfen.
({9})
Die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag stimmt dem Gesetz und dem veränderten Bedarfsplan zu. Ich will hinzufügen: Sie stimmt mehrheitlich zu. Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Merker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Bei der ersten Beratung des Bedarfsplanes für Bundesfernstraßen habe ich an dieser Stelle erklärt, daß ich den Einfluß des Parlamentes auf dieses Gesetzgebungswerk, auf die Entscheidungen im Straßenbau für zu gering halte.
({0})
- Ich will Ihnen, Herr Kollege Daweke, erläutern, daß ich während dieser Beratungen dazugelernt habe, und ich will mich nicht nur selbst zitieren, sondern auch korrigieren. Vielleicht waren Sie mit ihrem Zwischenruf ein klein wenig zu vorlaut.
({1})
Ich habe angeregt, daß die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament bei umfassenden Planungsarbeiten - der Straßenbau gehört sicherlich zu diesen umfassenden Planungsarbeiten - verbessert werden sollte. Ich weiß, daß diese Einschätzung von vielen Kollegen - Herr Kollege Daweke, übrigens auch aus Ihrer Fraktion - geteilt wird. Einige Kollegen der CDU/CSU-Fraktion sind sogar so weit gegangen, öffentlich zu erklären, daß sie aus diesen Gründen eine namentliche Abstimmung zu diesem Gesetz erzwingen wollten. Ich weiß nicht, ob die Kollegen da nicht ein klein wenig den Mund zu voll genommen haben, die dies in aller Offentlichkeit zu Hause erklärt haben. Ich bin gespannt, wie sich diese Kollegen heute in der Schlußabstimmung verhalten wollen.
({2})
- Herr Kollege Wehner, dies befürchte ich auch, und deswegen habe ich meine Bedenken, daß die Forderung heute aufrechterhalten wird.
({3})
Nachdem der Bundestagsausschuß für Verkehr seine Beratungen beendet hat, die übrigens im großn und ganzen, wie ich meine, in einer ganz guten Atmosphäre verlaufen sind, möchte ich sagen, daß ich diese Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments nicht mehr ganz so kritisch einschätze, wie ich dies in der ersten Lesung getan habe. Immerhin ist es uns gelungen - manchmal einvernehmlich, manchmal aber auch in zum Teil dramatischen Mehrheitsentscheidungen -, erhebliche Veränderungen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vorzunehmen.
Dabei ging es bei der Fortschreibung des Bedarfsplanes zum erstenmal nicht mehr nur darum, Straßen in eine höhere Dringlichkeitsstufe einzuordnen und damit einer schnelleren Realisierung zuzuführen. In vielen Fällen ging es darum, dem Willen des Bürgers Rechnung zu tragen und Straßen aus dem Bedarfsplan herauszunehmen und zu streichen, die der Bürger nicht haben wollte. Immerhin haben wir im Verlaufe der Ausschußberatungen - ich habe dies einmal nachrechnen lassen -({4})
über 30 Maßnahmen zurückgestuft, geringer dimensioniert oder ganz gestrichen. Mit einigem Stolz, Herr Kollege Dr. Jobst, können wir darauf verweisen, daß die kleinste Fraktion hierbei am fleißigsten gewesen ist.
({5})
Dieses Gesetz war für alle Kollegen, die sich damit zu beschäftigen hatten, außerordentlich arbeitsintensiv. Ich selber habe in mehr als 100 Veranstaltungen vor Ort mit Bürgerinitiativen, mit Umweltschützern, mit Straßengegnern, aber auch mit Straßenbefürwortern diskutiert.
({6})
- Herr Kollege Pfeffermann, vielleicht hören Sie erst einmal zu, bevor Sie Ihre Zwischenrufe hier machen. Machen Sie Ihre Zwischenrufe doch erst, wenn Sie verstanden haben, was ich gesagt habe.
({7})
Herr Abgeordneter Merker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Jobst?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Merker, haben Sie bei Ihren Erörterungen vor Ort auch mit den Vertretern der Kreistage, der Stadtparlamente, mit den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern gesprochen? Ich denke hier insbesondere an Gespräche mit den Gemeinderäten im Bereich der A 98.
Herr Kollege Dr. Jobst, ich kann Ihnen versichern, daß ich zu jeder Veranstaltung gefahren bin, zu der ich eingeladen war, wenn meine Zeit gereicht hat. Ich weiß nicht, ob Sie Ihre Meinung heute auf Grund von 100 persönlichen Veranstaltungen bilden können, die Sie vor Ort durchgeführt haben. Wenn das der Fall ist, habe ich große Hochachtung vor Ihnen.
({0})
- Herr Kollege Kolb, im Bodenseekreis war ich mehrfach. Ich bin übrigens am Sonntagmorgen wieder im Bodenseekreis. Also auch dann, wenn dieses Gesetz bereits verabschiedet ist, kümmern wir uns weiter um die Belange des Bodenseekreises.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle, weil wir eine Welle von Bürgerbeteiligung an diesem Gesetz erreicht haben, meinen Dank an die vielen Bürgerinitiativen sagen, die sachkundig - oft war dies mit finanziellen Opfern verbunden - Zentner von Unterlagen erarbeitet und uns zugeschickt haben. Der mir inzwischen zugesandte Stapel von Petitionen, Eingaben und Gutachten dürfte knapp einen Meter hoch sein.
({1})
Dieses verantwortungsvolle Engagement vieler tausend Bürger in unserem Lande, die nicht nach dem Floriansprinzip, nicht aus finanziellem Eigennutz handeln, verdient, wie ich meine, einmal deutlich herausgestellt zu werden.
Trotzdem handelt es sich im Grunde nur um eine geringe Anzahl von Maßnahmen, die Widerstand in der Bevölkerung hervorgerufen haben und die auch im Verkehrsausschuß strittig gewesen sind. Die Mehrzahl der vorgeschlagenen Maßnahmen fand ungeteilte Zustimmung, da die Notwendigkeit offensichtlich war und die entstehenden Nachteile sich in vertretbarem Rahmen hielten. Es ist daher völlig unangebracht, hier künstlich zwei Lager - von Straßenbefürwortern und Straßengegnern - schaffen zu wollen. Sicher, es wurde draußen gelegentlich mit harten Bandagen gekämpft. Das gilt allerdings für beide Seiten. Ich weiß selbstverständlich auch, daß viele engagierte Bürgerinitiativen den Boden fairer Diskussion verlassen haben, wenn sie Politiker, die als Befürworter von Straßenbaumaßnahmen gelten, als „Betonterroristen" verunglimpften. Aber immerhin blieb es Politikern der CSU vorbehalten, mit dem bösen Wort des „Verzichtpolitikers" auch diejenigen Politiker zu beschimpfen, die sich etwas mehr Gedanken über den Erhalt von Landschaft und Natur machen, als man dies offensichtlich in Bayern zu tun bereit ist.
({2})
Ich bedaure ganz außerordentlich, daß sich der Bundestagsverkehrsausschuß nicht in der Lage gesehen hat, dem Antrag der FDP zuzustimmen, in
Bayern die A 94 von München nach Simbach auf eine realistische Dimension zurückzustufen, und daß unser Versuch, eine Neutrassierung der B 15 n von Regensburg nach Rosenheim zu verhindern, bereits im Vorfeld der Diskussion abgeblockt worden ist.
({3})
Wir Freien Demokraten haben bei der Abwägung andere Prioritäten gesetzt. Übrigens gibt es in unserer Partei einen breiten Konsens zwischen den Verkehrspolitikern und der gesamten Partei. Die FDP hat sich als einzige der hier vertretenen Parteien in ihrem Wahlprogramm eindeutig dafür ausgesprochen, bei der Investitionspolitik künftig den Zielen des Umweltschutzes und der Energieeinsparung absoluten Vorrang einzuräumen.
({4})
Unter dem großen Beifall des Bundesparteitages hat der Bundesvorsitzende Genscher gesagt - hier darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal zitieren - :
Die Zeiten sind vorbei, wo jeder neue Autobahnkilometer eine Erfolgsmeldung war.
({5})
Für uns sehen die Erfolgsmeldungen anders aus. Eine Landschaft, die nicht von Baggern angefressen, von Betonbändern zerschnitten wird, das ist für uns ein Erfolg.
({6})
Soweit der Bundesvorsitzende der FDP.
({7})
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, daß die Zwischenrufe das Salz in der parlamentarischen Diskussion sind. Aber wenn sie zu häufig gemacht werden, wirken sie störend, und vor allen Dingen kann der Redner sie nicht mehr erfassen und kann nicht mehr auf sie eingehen.
({0})
- Entschuldigung, ich erkläre das so, wie ich es verstehe und wie es meine Aufgabe ist.
Deshalb möchte ich darum bitten, daß wir etwas zurückhaltender sind. Dann besteht auch die Möglichkeit, daß Zwischenfragen sinnvoll mit eingebaut werden können.
Herr Merker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?
Nein, das kann ich nicht, denn ich habe nur noch fünf Minuten. Ich weiß auch nicht, wieso meine Redezeit jetzt plötzlich so schnell läuft.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, daß für die FDP andere Prioritäten gelten. Das gilt natürlich in erster Linie für die wenigen Landschaften, die mit ihren intakten Biotopen für Erhaltung und Regeneration sorgen können. Exemplarisch gilt dies für das größte zusammenhängende Waldgebiet der Bundesrepublik, den Pfälzer Wald, für das Rothaargebirge; aber auch für die schmale Waldbrücke des Bonner Naherholungsgebiets, den Naturpark Kottenforst. Zumal angesichts ökologisch empfindlicher Landschaften wird von uns die Entscheidung gefordert, ob jeder angemeldete Verkehrsbedarf befriedigt werden muß.
Diese Frage hat sich uns während der Beratungen insbesondere bei all den Maßnahmen gestellt, die nicht in die zeichnerische Darstellung des Bedarfsplans aufgenommen worden sind, sondern in Form eines Textes in der Legende erscheinen. Bei diesen insgesamt zehn Maßnahmen stellt sich uns konkret das Problem, ob der Verkehrsbedarf, den wir grundsätzlich anerkennen, durch den Bau einer Autobahn in einem landschaftlich empfindlichen Gebiet befriedigt werden soll oder nicht. Unter diesen zehn Maßnahmen sind sowohl solche, die von uns deswegen skeptisch beurteilt oder abgelehnt werden, weil sie durch bevölkerungsarme Gebiete führen und damit die letzten zusammenhängenden Naturgebiete zerstören würden,
({1})
etwa die A 4 durch das Rothaargebirge oder die A 8 durch den Pfälzer Wald oder die Schwarzwaldautobahn zwischen Freiburg und Donaueschingen, als auch solche, die von uns deswegen abgelehnt werden, weil sie zu einem unverantwortlichen Gigantismus im Straßenbau führen würden. Hier ist an die A 59 im Raum Köln zu erinnern, die letzten Endes dazu führen würde, daß dort eine zehnspurige Autobahn und an ihren Verknüpfungspunkten eine breite Betonlandschaft entstehen würden.
Aber ich möchte ausdrücklich betonen, daß die Einordnung in die Legende keine grundsätzliche zeitliche Zurückstufung der Maßnahmen bedeutet. Sie kann im Gegenteil eher zu einer schnellen Realisierung der vorgesehenen Maßnahme oder ihrer Alternative. führen, weil die Länder ausdrücklich aufgefordert werden, diese zehn Maßnahmen in ihrer Planungskapazität mit Vorrang zu bearbeiten und die Alternativplanung bis Ende 1982 vorzulegen. Hier wird die Landesplanungsbehörde von uns also ausdrücklich beauftragt, diese Maßnahmen nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern sie mit Vorrang zu behandeln.
Ich möchte allerdings auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß die Priorität, die wir im Text der Legende für die Befriedigung des Verkehrsbe17842
dürfnisses aufgezeigt haben, eindeutig beim Ausbau des vorhandenen Straßennetzes liegt. Insofern glaube ich schon, daß die Länder zunächst einmal nachweisen müssen, daß eine ausreichende Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses über einen verkehrsgerechten Ausbau des bestehenden Verkehrsnetzes nicht möglich ist, bevor sie eine neue Autobahn bauen.
({2})
Aber selbst wenn dieser Nachweis gelingt, Herr Kollege Kolb, wird dieser Bundestag nicht von der Entscheidung freigestellt, ob er dann die notwendige Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses über die Autobahn erzielen will oder ob er darauf verzichten soll.
Wenn die FDP nach Abwägen von Vor- und Nachteilen zu der Entscheidung kommt, daß der Eingriff in die Substanz unserer Landschaft nicht zu rechtfertigen ist, wird sie diese Frage auch mit einem klaren Nein beantworten. Es gibt viele Bereiche in diesem Land, in denen unsere Entscheidung heißt: Im Zweifel für die Umwelt, im Zweifel für den Landschafts- und den Naturschutz.
({3})
Bei der Abwägung, in welchem Umfang eine Erweiterung des Fernstraßennetzes noch stattfinden kann, werden wir in Zukunft strengere Maßstäbe anlegen müssen.
Ich möchte noch eine Straße ansprechen, die inzwischen zum Trauma für alle geworden ist, die sich mit diesem Gesetz zu beschäftigen hatten: die A 98. Für die FDP begrüße ich ausdrücklich die Entscheidung, daß die als Queralpenautobahn bekanntgewordene Straße in ihrem baden-württembergischen Teil in die Legende aufgenommen worden ist und eine schnelle Verbesserung der bestehenden Bundesstraßen für eine Entlastung der innerstädtischen Situation sorgen kann.
({4})
Beim bayerischen Teilstück im Allgäu, bei dem wir aus Gründen der Glaubwürdigkeit und der Wahrhaftigkeit nicht die Fiktion aufrechterhalten wollten, daß es später noch zu einer Autobahn ausgebaut werden würde, teilen wir die Besorgnis nicht, daß unsere Entscheidung zu einer Bauverzögerung von vier bis sechs Jahren führen wird. Die Schwierigkeiten, die sich bei dem noch verbleibenden Teilstück in der Planfeststellung gegen eine Autobahn ergeben würden, sind nach unserer Auffassung ebenso groß. Auch wir sind der Meinung, daß eine Verbesserung in der innerörtlichen Situation, z. B. in Isny, so schnell wie möglich geschaffen werden muß.
Ich komme zum Schluß. Wer diese Entscheidung, die die Zustimmung vieler tausend betroffener Bürger findet, kritisiert, dem darf ich vielleicht noch ein Zitat aus der Frankfurter Allgemeinen mit auf den Weg geben, die sicherlich nicht in dem Geruch steht, den grünen und weltfremden Naturromantikern näherzustehen als der Opposition. Die FAZ schrieb in ihrer Ausgabe vom 9. Juni:
Doch während der Widerstand der Bürger
wächst, - sie wehren sich mit zunehmendem
Erfolg gegen die Tyrannis der Straßenbauer, weil sie ihnen nicht nur unsinnig, sondern auch verantwortungslos erscheint, vor allem gegenüber der folgenden Generation, die nicht zwischen Betonpisten aufwachsen will.
Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Wrede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich heute für die Bundesregierung zu Wort melde, dann hat das zwei Gründe. Zum einen denke ich, daß das, was ich hier zu sagen habe, geeignet ist, das, was Herr Kollege Milz in einem mir unverständlichen Unterschied zu dem, was uns, die Bundesregierung und alle drei Fraktionen, bei den Beratungen im Verkehrsausschuß gemeinsam bewegt hat, vorgetragen hat, zurechtzurücken. Zum anderen ist es ja wohl richtig, daß der Deutsche Bundestag heute eine wichtige Entscheidung zu treffen hat. Er beschließt nämlich durch Gesetz, welchen Bedarf wir noch an Autobahnen und Bundesstraßen in unserem Land haben. Eine solche Bedarfsfeststellung hat viele Seiten. Wie der Verlauf der heutigen Debatte deutlich macht, zeigt sie uns insbesondere die Zielkonflikte auf. Um den Bedarf an Bundesfernstraßen zu befriedigen, müssen wir noch rund 3 500 km Autobahn bauen.
({0})
Das ist erheblich weniger als das, was wir bereits haben. Wir nehmen also das letzte Stück Wegstrecke in Angriff.
Für diejenigen, die meinen, wir täten hier zuwenig, lassen Sie mich noch einmal deutlich machen: Wir verfügen heute über ein Autobahnnetz von 7 500 km. Vor zehn Jahren waren es erst 4 100 km und vor 20 Jahren nur 2 550 km. An Bundesstraßen haben wir heute ein Netz von 32 300 km Länge. Vor 20 Jahren waren es erst 25 300 km, und das bei wesentlich geringerer Qualität als heute.
In der zurückliegenden Dekade haben wir für den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes rund 53 Milliarden DM ausgegeben. Der Erfolg dieser Investitionen kann an einer ganz einfachen Zahl gemessen werden. Während ein Lkw-Umlauf von Hamburg nach München und zurück nach Hamburg im Jahre 1955 noch 35 Stunden dauerte, sind in diesem Jahre dafür nur 20 Stunden erforderlich.
Alles in allem können wir heute feststellen, daß unser Straßennetz leistungsfähig ist und jedem internationalen Vergleich standhält.
Verkehrsplanung ist Langfristplanung, mit weiten Planungshorizonten.
({1})
Die Bedingungen ändern sich, und wir müssen die Planung deshalb von Zeit zu Zeit überprüfen und Korrekturen vornehmen. Das geschieht nach dem Gesetz alle fünf Jahre. Die erste Überprüfung haParl. Staatssekretär Wrede
ben wir 1975 vorgenommen. Seitdem haben sich manche Voraussetzungen für den Fernstraßenbau geändert.
Das gilt insbesondere für die Einstellung der Bürger zum Straßenbau. Die Bewahrung der Umwelt vor Schäden, insbesondere der Schutz von Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Entwicklungen, aber auch die Verringerung und Verhinderung lästiger Auswirkungen von Straßen wurden zu Anliegen, die von der Bevölkerung immer mehr in den Vordergrund gestellt werden.
Für die Verkehrspolitiker galt und gilt es deshalb, diese veränderte Grundeinstellung der Bürger mit dem, was nach wie vor ökonomisch notwendig ist, in Einklang zu bringen. Natürlich wird es dabei nicht immer möglich sein, alle Wünsche derjenigen, die sich für den Schutz der Natur einsetzen, in vollem Umfange zu berücksichtigen; denn der ökonomische Fortschritt auf der einen und die Bewahrung von Natur und Landschaft unseres Landes auf der anderen Seite haben zweifellos gleich große Bedeutung.
({2})
Man kann das eine nicht mit dem anderen erkaufen wollen, aber man kann versuchen, das Gleichgewicht herzustellen.
Der Bundesminister für Verkehr hat deshalb den Länderstraßenbauverwaltungen bereits den Auftrag erteilt, bei der Vorbereitung von Entscheidungen die Qualität vor die Quantität der Kilometerleistung zu setzen. Mit Qualität meine ich hier nicht die technische Qualität des Straßenbaues, sondern die Lebensqualität der Menschen; denn die Verkehrswege, die wir bauen, haben dem Menschen zu dienen. Das bedingt, daß wir die Bürger, die vom Bau von Verkehrswegen betroffen werden, früher, als dies bisher der Fall war, informieren. Die Diskussionen müssen am Anfang geführt werden, damit wichtige Einwände rechtzeitig aufgegriffen werden können. Dies ist besser, als später eine endlose Kette von Prozessen zu führen.
Wir werden uns außerdem auf die Substanzerhaltung und auf die bessere Kapazitätsausnutzung durch verkehrslenkende und verkehrsführende Maßnahmen konzentrieren müssen. Wir müssen der Sicherheit, dem Lärmschutz, der Wohnqualität und dem Schutz von Landschaft und Natur, wo immer dies möglich ist, noch mehr als bisher Rechnung tragen.
({3})
Seit dem Jahre 1975 hat sich aber noch etwas anderes sehr drastisch geändert: die energiepolitische Landschaft. Dies trifft natürlich mittelbar auch den Straßenbau, dessen Sinn ja darin besteht, den Anforderungen des Verkehrsträgers Automobil im Rahmen des gesamtgesellschaftlich und gesamtwirtschaftlich Sinnvollen und finanziell Machbaren gerecht zu werden.
In den heftigen energiepolitischen Diskussionen der letzten Zeit ist das Auto von vielen als Energieverschwender Nummer eins schuldig gesprochen worden. In der Tat hängt der Kraftverkehr bei der jetzigen technischen Entwicklung immer noch zu hundert Prozent von der Mineralölverfügbarkeit ab. Von vielen wird deshalb verständlicherweise die Frage gestellt, ob das Kraftfahrzeug überhaupt noch eine Zukunft habe. Als Verkehrspolitiker antworte ich darauf: Wir gehen davon aus, daß das Automobil auch in Zukunft aus unserem Verkehrssystem nicht wegzudenken ist. Das gilt für den Güterverkehr ebenso wie für die Personenbeförderung.
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Natürlich kann die Bundesregierung hier keinen Blankoscheck ausstellen, denn die Zukunft des Kraftfahrzeugs wird nicht allein und nicht in erster Linie von der Verkehrspolitik bestimmt. Die Zukunft des Automobils hängt vielmehr davon ab, ob und wie wir einen sehr fundamentalen Zielkonflikt unserer Tage bewältigen können; den Zielkonflikt zwischen Energieeinsparung, Umwelt und Verkehrssicherheit. Hierzu müssen alle Betroffenen beitragen, und betroffen ist in unserer so sehr vom Kraftfahrzeug abhängigen Gesellschaft direkt oder indirekt sicherlich jeder.
Was die Verkehrspolitik der Bundesregierung angeht, so kann ich sagen, sie hat sich auf die veränderten Grundbedingungen eingestellt; nicht nur kurzfristig, sondern mittel- und langfristig, nicht nur ordnungspolitisch, sondern auch investitionspolitisch. Für den Bundesfernstraßenbau ist dies durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 geschehen. Die Planungen für den Autobahnneubau wurden drastisch, nämlich auf 5 000 km, reduziert. Weitere 2 000 km geplante Autobahnen wurden durch einfache Planungen ersetzt. Diese wurden einvernehmlich mit den Ländern beschlossen.
Einige Planungen sind allerdings noch nicht entscheidungsreif; es wurde bereits darauf hingewiesen. Wir werden rechtzeitig prüfen, in welcher Form sie bei der Fortschreibung des Bedarfsplans aufgenommen werden können.
Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages hat in seinen Beratungen das Änderungsgesetz einmütig gebilligt.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, darf ich nach Ihren jetzigen Ausführungen davon ausgehen, daß die in den letzten Jahren in Ihren Broschüren gemachte Aussage: „Außerdem muß in den nächsten Jahren der Ausbau des vorhandenen Straßennetzes intensiver betrieben werden" auf Grund der Mittellage nicht mehr zutreffend ist?
Herr Kollege, daß wir hier heute ein Gesetz beraten, in dem wir den Bedarf an Straßen feststellen, und daß dies nicht das gleiche ist, als wenn wir in Haushaltsberatungen die Finanzmittel bereitstellen, muß ich einem Kollegen dieses Hauses nicht erläutern. Dies sind zwei Paar Schuhe.
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Der Verkehrsausschuß hat also dieses Gesetz einmütig gebilligt. Zu einzelnen Maßnahmen im Bedarfsplan hat er Änderungsempfehlungen beschlossen. Ich verweise hierzu auf die Erläuterungen des Herrn Berichterstatters.
Lassen Sie mich an dieser Stelle namens der Bundesregierung den Mitgliedern des Verkehrsausschusses, insbesondere dem Herrn Vorsitzenden, dem Herrn Bericherstatter und den Sprechern der Fraktionen, Dank sagen für die vertrauens- und verständnisvolle Zusammenarbeit, die es uns ermöglicht hat, dieses Gesetz zur Schlußabstimmung heute hier vorzulegen.
Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes feststellen. Wir werden den Ausbau der Verkehrswege unseres Landes im Einklang mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und mit den Wertvorstellungen der Bürger planmäßig fortsetzen. Eine dynamische Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze und eine hohe Lebensqualität unserer Bürger sind für uns keine sich ausschließenden Gegensätze, sondern gleichrangige und erreichbare Ziele. Auch unser Bundesfernstraßenbau hat diesen Zielen zu dienen. Die Bundesregierung ist überzeugt davon, daß der neue Ausbauplan dazu beiträgt, diese Ziele zu erreichen.
({1})
Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Jobst.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Rede des Herrn Kollegen Merker zum Bundesfemstraßenausbauplan in der ersten Lesung richtig in Erinnerung habe, hätte dieser Plan in der Beratung eigentlich erheblich verändert werden müssen. Offenbar waren Ihre Besprechungsergebnisse nicht so ergiebig, Herr Merker, wie Sie das angedeutet haben. Nicht nur mit Bürgerinitiativen ist zu reden - das tun wir auch; wir tun das sehr oft -, sondern in erster Linie ist mit den gewählten Vertretern draußen, mit den Oberbürgermeistern, mit den Vertretern der Kommunen zu reden.
({0})
Weil wir das tun, wissen wir, welche Straßen notwendig sind und welche Straßen die Bürger wünschen.
Ich habe den Eindruck, Herr Merker, daß die FDP nun versucht, sich draußen überall anzubiedern. Es ist ja verständlich, daß die FDP politisch nach jedem Strohhalm greift, um zu überleben. Herr Merker, Ihr Vorwurf in Richtung Freistaat Bayern, daß dort zuwenig für den Umweltschutz getan werde, geht völlig ins Leere. Bayern ist das erste Land gewesen, das ein Umweltschutzministerium eingerichtet hat.
({1})
Wir können uns sehen lassen.
({2})
Ich möchte bei der Beratung dieses wichtigen Gesetzentwurfes auf einige Gesichtspunkte näher eingehen. Jahrelang wurde der Bedarf an Fernstraßen in den Ballungsräumen gedeckt. Die ländlichen und peripheren Räume mußten zurückstehen.
({3})
Jetzt, wo dort der Fernstraßenausbau an der Reihe wäre, fehlt plötzlich das Geld. Herr Staatssekretär Wrede, es ist nicht so, daß das Bundesfernstraßenausbauplangesetz und die Finanzierung zwei Paar Stiefel sind und daß beides heute in der Beratung nichts miteinander zu tun hat. Das Ausbauplangesetz ist zwar kein Finanzierungsgesetz. Aber wenn die entsprechenden Mittel fehlen, nicht zur Verfügung stehen, ist das ganze Gesetz ein Luftschloß und eine Augenauswischerei.
({4})
Wir wissen doch, daß die Mittel für den Bundesfernstraßenbau von 1979 auf 1980 um 500 Millionen DM gekürzt wurden, daß die Bindungsermächtigung um 400 Millionen DM zurückgenommen wurde. Das läßt erwarten, daß die Kürzung eine Dauermaßnahme sein wird.
Nach dem Preisstand von 1978 wären für die Durchführung der Maßnahmen in der ersten Stufe 52 Milliarden DM erforderlich. 43 Milliarden DM sollen zur Verfügung stehen. Alleine schon deshalb besteht eine Lücke von 9 Milliarden DM. Es kommen die erheblichen Preissteigerungen dazu. Wenn der Trend der Preissteigerung so wie bisher weitergeht, wird die Hälfte der veranschlagten 43 Milliarden DM alleine durch Preissteigerungen aufgezehrt werden. Nicht einmal die Hälfte der jetzt in der Stufe I befindlichen Maßnahmen kann dann gebaut werden. Hinzu kommt jetzt die erhebliche Kürzung der Mittel.
Ich frage die Koalition und auch die Bundesregierung: Wozu eigentlich die gesetzliche Festschreibung eines Fernstraßenausbauplans, wenn die tatsächliche Ausführung nicht gesichert ist? Wenn keine Finanzierungsgrundlage gegeben ist, ist der Bedarfsplan eine Leerformel.
Die Folgen der Mittelkürzungen verspüren wir draußen doch schon. Den Baufirmen droht die Gefahr, daß sie im Sommer keine Nachtragsaufträge erhalten werden, daß sie Beschäftigte werden entlassen müssen. Die SPD-Kollegen versuchen ja schon, den Ländern den Schwarzen Peter zuzuschieben. Der Verursacher dieser Misere ist aber der Bund mit seiner falschen Finanzpolitik und nicht die Länder.
({5})
Eine Einschränkung des Bundesfernstraßenbaus träfe insbesondere die ländlichen Gebiete und das revierferne Grenzland schwer. Die Wirtschaft dieser Gebiete leidet unter höheren Frachtbelastungen, unter höheren Energiekosten und einem unzureichenden Straßennetz. Dieser erhebliche Wettbewerbsnachteil wird sich verstärken, wenn die Beseitigung der unzureichenden Straßenanbindung erneut hinausgeschoben wird. Für markt- und revierferne Gebiete ist nun einmal der Ausbau der überregionalen Infrastruktur der Schlüssel für eine Politik, um dort gleichwertige Lebensbedingungen für die Bevölkerung, aber auch günstige Bedingungen für die Wirtschaft zu schaffen.
Der Nachholbedarf an Bundesautobahnen, aber auch an Bundesfernstraßen für die Erschließung peripherer Räume ist nach wie vor groß. In Bayern handelt es sich weitgehend um Erschließungsprojekte, auch um solche Projekte, die zur Entflechtung des Nord-Süd-Verkehrs dienen. Sie kennen ja alle die katastrophalen Staus auf den bayerischen Autobahnen. In Bayern ist heute nicht einmal das Grundnetz an Autobahnen erstellt, das dort bereits vor dem Kriege konzipiert war.
Niemand denkt daran, Autobahnen um ihrer selbst willen zu bauen, niemand will Luxusstraßen. Wir müssen aber die Straßen haben - und wollen sie haben -, die wir dringend für die Wirtschaft und für die Bevölkerung brauchen.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kürzung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau darf deshalb keinesfalls auf dem Rücken der Grenzregionen ausgetragen werden. Die Bevölkerung dort ist in erster Linie auf den Pkw angewiesen, weil öffentliche Verkehrsmittel wie in den Ballungsräumen nicht zur Verfügung stehen. Die Bevölkerung hat in hohem Maße die hohen Benzinkosten zu tragen. Jetzt droht den Bewohnern, die auf das Auto dort angewiesen sind, erneut eine weitere Belastung durch die angedrohte Mineralölsteuererhöhung.
Wir brauchen neue und bessere Straßen, um die Verkehrsverhältnisse zu verbessern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Wir brauchen sie zur Erschließung der revierfernen Gebiete durch die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz.
Dabei braucht - darauf möchte ich eingehen - der Umweltschutz keinesfalls zu kurz zu kommen. Natürlich sind der Landschafts- und Naturschutz bei den Verkehrsplanungen ein Gebot der Zeit. Ich kann feststellen: In meinem überschaubaren Bereich - ich gehe davon aus, daß dies insgesamt im Bundesgebiet so ist - wird diesen Erfordernissen beim Straßenbau in der Regel Rechnung getragen. Gerade die Erholungsgebiete sind auf eine gute Verkehrsanbindung angewiesen, vor allem wenn es sich um abgelegene Gebiete handelt.
({7})
Ich habe nichts gegen Bürgerinitiativen. Ich freue mich, wenn sich Bürger nicht nur des persönlichen Interesses, sondern des öffentlichen Wohles wegen engagieren. Wir müssen aber bei dieser
Frage das richtige Maß finden. Umweltschutz und Straßenbau schließen sich nicht aus.
({8})
Der Ausgangspunkt bei diesen Entscheidungen muß der Mensch sein. Wer den Bau notwendiger Straßen verhindert oder verzögert, macht sich schuldig an Verkehrsopfern, die zu vermeiden gewesen wären.
({9})
Ich habe Verständnis für die Grundstückseigentümer, auch für die Landwirte, die nicht gern ihre Grundstücksflächen dafür hergeben. Aber die Straßen dienen auch der Landwirtschaft. Hier muß das Gesamtinteresse gesehen werden, nicht nur das Einzelinteresse.
Wir wissen, daß heute der Straßenbau auf immer größere Schwierigkeiten stößt. Die psychologischen Grundlagen für ein derartiges Verhalten hat im wesentlichen die Bundesregierung selbst geschaffen. Der Herr Kollege Topmann hat heute wieder angeführt, daß auf 7 000 km Bundesautobahnen verzichtet worden sei. Großspurig wurde dies von der Bundesregierung verkündet. Dies waren aber keine wirklichen Planungen. Es waren - da der frühere Bundesverkehrsminister heute präsidiert, möchte ich es sehr höflich sagen - Hausnummern in dem früheren bombastischen Straßenausbauplan des damaligen Verkehrsministers Leber, aber keine realistischen Vorhaben. Wenn darauf verzichtet wurde, so war das kein Abgehen von einer reellen Planung. Mit seiner Haltung hat der Bundesverkehrsminister aber den Anschein erweckt, als hätten wir schon zuviel Straßen, und daher die Forderung nach Einschränkung und nach Stopp eines Straßenbaus.
({10})
- Herr Kollege Wehner, wenn Sie zugehört haben, dann werden Sie nicht bestreiten, daß es ganz deutliche Ausführungen sind, die Ihnen nicht passen.
({11})
- Die Freiübungen machen Sie bei Gelegenheit. - Aber das tut Ihnen weh, weil Sie mit Ihrer Straßenbaupolitik Schiffbruch erlitten haben.
({12})
- Sie tun mir leid, Herr Wehner! ({13})
Ich möchte nun auch das Folgende noch sagen. Wenn wir heute in der Bundesrepublik ein Straßennetz haben, das sich im großen und ganzen sehen lassen kann, das aber noch weiter verbessert werden muß, dann verdanken wir dies
({14})
einer umsichtigen und weitsichtigen Initiative der CDU/CSU Mitte der 50er Jahre, Herr Wehner.
({15})
Damals hat der Deutsche Bundestag die Zweckbindung der Mineralölsteuer für den Bundesstraßenbau und für den Ausbau des Bundesautobahnnetzes in Vierjahresplänen beschlossen
({16})
- Herr Wehner, was Sie jetzt wieder kaputtgemacht haben -; das war eine grundlegende und wichtige Entscheidung für den Ausbau unserer Straßen.
({17})
Mit ihrer Politik steuert die Bundesregierung den Straßenbau in eine Situation, die gesamtwirtschaftlich bedenklich und regionalwirtschaftlich bedrohlich ist.
({18})
Wir sind mit dem Straßenbau noch nicht am Ende, wie Sie meinen. Dieser bleibt auch für die Zukunft von großer Bedeutung. Ein schöner Bedarfsplan hilft nichts, wenn er nur auf dem Papier steht.
Weil hier die A 98 mehrfach angesprochen wurde, möchte ich darauf mit einer kurzen Schlußbemerkung eingehen.
({19})
Die A 98 ist auf Antrag der FDP und SPD zu einer „B 12 ({20})'' umgestuft worden, und zwar trotz der Haltung der maßgebenden Stellen draußen, der Bürgermeister, der Landräte, -der Vertreter in den Gemeinde- und Kreisparlamenten. Es muß leider damit gerechnet werden, daß eine erhebliche Verzögerung beim Bau dieser wichtigen Straße eintritt. Wir können nur hoffen - und haben deshalb von einem Änderungsantrag abgesehen -,
({21})
daß diese Maßnahme, soweit die Straße planfestgestellt und im Bau ist, zügig fortgeführt wird. Sie haben mit dieser Entscheidung diesem Raum und den Menschen dort keinen guten Dienst erwiesen.
({22})
Als nächster Redner hat der Abgeordnete Dr. Gruhl das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für den freundlichen Empfang hier vorn bei den ehemaligen Kollegen,
({0})
- bei den ehemaligen Fraktionskollegen, Entschuldigung.
({1})
Die „Süddeutsche Zeitung" schrieb am 20. Mai:
Die gesetzliche Festschreibung des Fernstraßenausbauplans ist insoweit nichts anderes als eine sich regelmäßig wiederholende Politfarce, bei der die Abgeordneten im Plenum nur noch applaudieren dürfen. Hier wird in Wahrheit über ein Scheingesetz abgestimmt,
({2})
das nichts anderes darstellt als ein bereits im parlamentarischen Vorfeld politisch weitgehend festgezurrtes Planungssammelsurium von Behörden, Politikern und Lobbyisten, dessen Entscheidungsgrundlagen ohnehin kein Abgeordneter mehr überschauen kann.
({3})
Wie nicht anders zu erwarten war, blieb die Bonner Straßenbaulobby auch bei dieser Gelegenheit erfolgreich.
Zwar ist die Euphorie im Straßenbau etwas geringer geworden. Man hat das Programm gekürzt, aber nicht immer aus eigener Einsicht, sondern auf Grund der Proteste der Bevölkerung. Es bleiben nach diesem Entwurf immer noch 5 000 km übrig. Dies bedeutet die Betonierung weiterer etwa 10 000 ha fruchtbarer Landschaft und Vernichtung der Natur in diesen Bereichen. Leider sind die Bundesstraßen zum großen Teil ebenfalls vierspurig wie eine Autobahn. Darum ist der Verbrauch an Landschaft nicht viel geringer als bei den eigentlichen Autobahnen.
({4})
Jetzt ist Beschränkung nötig: Beschränkung auf besondere Brennpunkte und Gefahrenquellen, auch auf Ortsumgehungen und dergleichen.
Der Kollege Merker hat schon auf die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" von der vorigen Woche hingewiesen. Bezeichnenderweise stand jener Leitartikel sogar im Wirtschaftsteil. Er hatte die Überschrift „Die Tyrannis der Straßenbauer". Er ist so herrlich, daß ich daraus einige Sätze zitiere:
({5})
Die Aktivität der Straßenbauer beschränkt sich keineswegs auf die verkehrsreichen Ballungsgebiete. Selbst idyllische Dörfchen erhalten heute gigantische Umgehungen ... Selbst einfache Straßen müssen heute schnurgerade verlaufen. Bäume und Büsche längs des Weges werden als unfallträchtige Gefahrenquellen beseiDeutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 221. Sitzung. Bonn. Freitag. den 13. Juni 1980 17847
tigt. Flüsse verlegt, Felsen abgetragen, Acker und Wiesen rücksichtslos durchschnitten. War es früher die Landschaft, die den Verlauf der Straßen bestimmte, so triumphiert heute der hohe Stand der Straßenbautechnik und mit ihr die Zweckmäßigkeit.
Die Zeitung sagt dann:
Wir haben für all diese Vorteile auch einen hohen Preis zahlen müssen. Der Straßenbau der letzten Jahrzehnte hat unauslöschliche Spuren in unserer Landschaft hinterlassen.
Und nun geht es um das Weiterziehen von Spuren in unserem Land, und zwar von gigantischen Spuren. Die meisten Straßenbaupläne greifen weiter die Substanz der Landschaft an und sind nicht einmal mehr aus wirtschafts- oder strukturpolitischen Gründen zu rechtfertigen.
Ein ganz eigenartiges Argument, das auch heute, besonders von Herrn Milz, verwendet wurde, lautet: Dies schaffe ja Arbeitsplätze. Dazu sagt der Kommentator der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung": „Ebensogut könnte man Gräben schaufeln lassen und sie hinterher wieder zuschütten", wenn es allein um die Arbeitsplätze ginge.
({6})
Und wer bezahlt diesen Unsinn, der auch hier vorgesehen ist? Die Allgemeinheit. Sie will es Gott sei Dank nicht mehr.
({7})
Da hilft es nicht mehr, an die primitiven Instinkte zu appellieren. Da hilft auch nicht das Gerede von der Sicherheit. Die ist bis auf einzelne bestimmte Brennpunkte groß genug.
({8})
- Ja, ja; ich fahre auch mit dem Fahrrad, Herr Jobst!
({9})
- Auch! Wohlgemerkt: Auch!
({10})
- Regt Euch doch nicht so auf, Ihr bei der CDU! Was will denn die CDU eigentlich? Will sie noch ihre letzten konservativen Wähler mit dem Gerede verjagen, das sie heute hier geführt hat?
({11})
Diese Folge wird es haben.
Lange haben die Bürger diese Umgestaltung ihrer Umwelt als einen Tribut an die vollmotorisierte Zeit hingenommen. Doch nun sind sie eben nicht mehr bereit, dies so ohne weiteres hinzunehmen. Die Grenzen des eigentlich Sinnvollen sind inzwischen erreicht. Es ist ja auch so: Fast jeder Bürger fährt heute ein Auto. Die Bevölkerung schrumpft. Das Wirtschaftswachstum stockt. Der Treibstoff wird immer teurer, so daß die Fahrleistung nicht weiterhin steigen, sondern zurückgehen wird.
({12})
Ich habe heute immerzu das Wort vom Bedarf gehört. Wenn wir künftig noch Erdöl bekommen, dann nur zu bedeutend höheren Preisen als heute.
({13})
Darum ist es völlig offen, welchen Bedarf wir haben werden. Was meinen Sie für einen Bedarf, wenn Sie heute von Bedarf reden? Es wird der geringere Bedarf an Autofahrten sein - mit absoluter Sicherheit.
Ich glaube, Herr Jobst, daß Sie mit den falschen Leuten gesprochen haben. Sie haben sie auch genannt; Bürgermeister, Stadträte, Behördenvertreter, Straßenbauer usw. sind nämlich die falschen Leute.
({14})
- Sie hätten einmal mit Bürgerinitiativen sprechen müssen. Ich bekomme ganze Stöße Post von Bürgerinitiativen, die sich gegen Straßenplanungen richten, gerade aus Bayern.
({15})
- Ja, aber nach Ihrer Idee müssen Sie doch alle Jahre noch mehr Auto fahren.
({16})
Die sind aber bereit, im Laufe der Zeit weniger Auto zu fahren.
({17})
- Ich übernehme hier die Argumente von Millionen von Bürgern in diesem Lande, die zum Teil auch im Deutschen Naturschutzring zusammengeschlossen sind. Die Eingaben des Deutschen Naturschutzrings haben Sie alle bekommen. Ich weiß, daß sie von Ihnen auch alle mißachtet worden sind.
({18})
- Sie müssen sich ab und zu einen intelligenteren Zwischenruf einfallen lassen und nicht immer den gleichen machen.
({19})
- Einer muß ja schließlich hier die Argumente von Millionen vorbringen.
({20})
- Nein, ich meine die Argumente dieser Minderheit von einigen Millionen von Menschen, die von Ihnen mißachtet wird.
({21})
Darum schlägt der Deutsche Naturschutzring vor
- er ist noch bescheiden in seinen Vorschlägen -, dieses Programm von 10 auf 15 Jahren zu erweitern, also bis zum Jahre 1995.
Aber ich kann mich ja auch auf eine Stimme aus den Reihen der Bundesregierung beziehen.
({22})
Staatssekretär Hartkopf führte in einer Rede am 18. Mai aus:
Immer noch ist die Inanspruchnahme von Wald durch Siedlungs- und Verkehrsanlagen nicht durch Neuaufforstung ausgeglichen worden. Immer noch ist keine maßgebliche Wende in dem Trend zu erkennen, daß die gesamte Waldfläche um 0,4% pro Jahr abnimmt.
({23})
Nach neueren Untersuchungen machen unzerschnittene verkehrsarme Räume über 100 Quadratkilometer nur noch etwa ein Fünftel der Fläche des Bundesgebietes aus.
100 Quadratkilometer, das ist sehr wenig; es ist lediglich eine Fläche von 10 x 10 km, die unzerschnitten bleibt.
Herr Kollege Gruhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Herr Kollege Gruhl, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Naturflächen wegen der Bebauung zwar notgedrungen abnehmen, daß die Waldflächen im vergangenen Jahr dagegen aber um 0,3 % zugenommen haben?
Dann hat der Herr Staatssekretär Hartkopf hier etwas völlig Falsches ausgesagt. Ich habe ihn zitiert; er hat von einer Abnahme der Waldfläche gesprochen.
({0})
- Was ich hier heute von den Rednern der CDU gehört habe, das war eigentlich noch trauriger.
({1})
- Und jetzt? Die entsprechende Karte der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz- und Landschaftsökologie zeigt, daß in Nordrhein-Westfalen kaum noch solche Flächen in einer Größenordnung von 100 Quadratkilometern vorhanden sind,
({2})
ebensowenig in Baden-Württemberg, mit Ausnahme des Schwarzwaldes. Nur in Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen finden sich noch solche unzerschnittenen Flächen, aber eben auch dort nur in kleinen Stückchen.
Nun sollen weitere Wälder, Feuchtgebiete, Reservate für die Tiere und für den Menschen, zerstückelt werden. Damit entfallen auch die letzten lärmfreien Zonen in unserem Lande. Die Stille ist ein Wert, der künftig noch weniger auffindbar sein wird als heute. Darum kämpfen jetzt die Menschen von der Nordsee bis zum Allgäu - Herr Kiechle, das wissen Sie sehr genau - gegen diesen Wahnsinn, der hier weiter fortgetrieben werden soll.
Herr Staatssekretär Hartkopf sagte in seinem Vortrag auch noch:
Die traditionellen, nur auf Marktgrößen bezogenen Nutzen-Kosten-Analysen der Vergangenheit - vom Verkehrswegebau bis zur Flurbereinigung - haben sich längst nicht nur umwelt-, sondern auch wirtschaftspolitisch als Bumerang erwiesen. Würden wir weiterhin die Umwelt zum Nulltarif behandeln und daraufhin unsere knappen Ressourcen so verschwenderisch ausbeuten wie bisher, würde auch die Geschäftsgrundlage für die langfristige Sicherung unserer wirtschaftlichen Zukunft unwiederbringlich entfallen.
Das ist genau der Punkt: Viele von Ihnen verkaufen die Umwelt immer noch zum Nulltarif, opfern sie anderen Dingen und meinen, das sei kein Wert; Wert habe allein die Straße.
Auch die Wirtschaftlichkeit dieser Straßenbauprojekte wird in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr gegeben sein. Der Autoverkehr hat nun einmal seine Spitze erreicht. Er wird infolge der Verteuerung des Treibstoffs künftig abnehmen. Der Straßenverkehr ist nun eben einmal zu 100 % auf den Treibstoff Erdöl angewiesen. Statt also das Geld für phantastische Straßen auszugeben, die dann nur noch wenig befahren werden, sollte man es in zukunftsträchtige Projekte leiten. Das sind: Ausbau der Schienenwege der Bundesbahn,
({3})
Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs -
Herr Kollege Gruhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?
Bitte.
Herr Kollege Dr. Gruhl, wären Sie bereit, Ihre Freunde, die den Bau von neuen Eisenbahnstrecken mit zahlreichen Bürgerinitiativen bereits auf viele Jahre blockiert haben, zu veranlassen, daß sie diese Blockierung endlich aufgeben?
Das zu tun bin ich bemüht, aber Sie müssen auch zugeben, daß Sie sich im Grunde nur auf einen einzigen Fall berufen.
({0})
- Jawohl. Soweit es sich um den Ausbau dieser Schnellbahntrasse handelt, bin ich der Meinung, daß diese Schnellbahnen in unserem Land völlig überflüssig sind
({1})
- lassen Sie mich antworten -, weil wir uns diese Energieverschwendung, die ja mit der Geschwindigkeit im Quadrat wächst, in Zukunft überhaupt nicht mehr leisten können.
({2})
Herr Kollege Gruhl, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb? - Nicht mehr.
Mittel, die wir beim Straßenbau einsparen, können wir weiter für den Lärmschutz einsetzen.
Ein weiterer Punkt: Mit diesen Mitteln könnte die Entwicklung neuer Treibstoffe gefördert werden, damit die Autos auf den Straßen, die heute gebaut werden, in Zukunft überhaupt noch fahren können. Wichtig wäre auch der Ausbau eines Radfahrwegenetzes.
({0})
Vielleicht sagen schon einige: Wir brauchen solche Radfahrwege gar nicht mehr, weil wir die Autobahnen bald per Fahrrad befahren oder per Fuß begehen werden.
({1})
Bloß: Dann dürfte eine Breite von 12 oder 20 Meter überflüssig sein; dann kommen wir mit viel schmäleren Wegen aus.
Das Gesetz zur Änderung über den Ausbau der Bundesfernstraßen folgt immer noch einer alten, blinden Ideologie. Die Wege werden zwar immer kürzer, jedes Ziel wird schneller erreichbar, aber was erwartet uns noch am Zielort, was die Fahrt dorthin überhaupt lohnte? Wenn wir bis zum Hochgebirge überall nur noch die sterilen Betonpisten vorfinden, was wollen wir denn dann eigentlich dort?
({2})
- Ja, genau, genau: wieder zurückfahren, Kaffee trinken und wieder zurückfahren. Beton und 01 sind die Materialien, die unser Zeitalter kennzeichnen. Das 01 wird bald nicht mehr fließen, der über fruchtbaren Boden gegossene Beton aber wird bleiben. Es wird in wenigen Jahrzehnten ein Hohngelächter über die Menschen geben,
die stolz darauf waren, möglichst viele Quadratkilometer der fruchtbaren Erde mit Beton zu versiegeln, und das dann noch wirtschaftliches Wachstum nannten.
({3})
Ein Trost bleibt auch uns: Die Entwicklung der nächsten Jahre wird zeigen, daß die Menschen in unserem Lande die Straßen nicht mehr wollen. Die Vernunft wird auch in diesem Hause und bei der Bundesregierung zunehmen.
Herr Kollege Dr. Gruhl, ich will Ihnen nicht das Wort abschneiden; aber die Redezeit, die die Fraktionen für sich in Anspruch genommen haben, haben Sie mit der Dauer Ihrer Redezeit schon überschritten. Ich bitte Sie, das ein wenig zu beachten.
Ich bedanke mich für den Hinweis, Herr Präsident. Es sind ohnehin meine letzten Worte.
({0})
Damit werden erfreulicherweise noch viele der in diesem Gesetz enthaltenen Trassen im Papierkorb landen.
({1})
Das wird uns sehr, sehr freuen, und das wird mit der Zeit noch viel mehr Menschen im Lande freuen, als das heute der Fall ist. Insofern brauchten wir uns - ich erinnere an die Einleitung der „Süddeutschen Zeitung" - darüber vielleicht auch gar nicht so aufzuregen, was hier passiert; aber es mußte schließlich gesagt werden, daß das falsch ist, was hier beschlossen wird. Danke schön.
({2})
Weitere Wortmeldungen zur Aussprache liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, wird gewünscht, noch persönliche Erklärungen nach § 59 der Geschäftsordnung abzugeben. Erlauben Sie, daß ich dazu ein paar Bemerkungen mache. Der Ältestenrat hat sich mit dieser Debatte befaßt. Der Ältestenrat war sich der Attraktivität des Gegenstandes und seiner Wirkungen im regionalen Bereich bewußt. Er war sich darüber einig, in dieser Debatte nach Möglichkeit eine Regionalisierung des Themas zu vermeiden. Die Debatte ist bisher in der allgemeinen Aussprache entsprechend geführt worden.
Damit keine Mißverständnisse entstehen, lese ich § 59 der Geschäftsordnung vor:
Nach Schluß der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zu allen Abstimmungen
- nicht zur Sache, zur Debatte, die geführt worden ist -,
Vizepräsident Leber
die die Beratung eines Gegenstandes abschließen, eine kurze mündliche oder schriftliche Erklärung abgeben.
Ich habe die Bitte, daß O 59 der Geschäftsordnung von den sechs Kollegen, die sich nun zu einer persönlichen Erklärung gemeldet haben,
({0})
nicht als Vehikel benutzt wird, um den Ausbau der Wahlkreise oder eine Regionalisierung der Debatte auf diesem Umweg vorzunehmen.
Als erster Redner hat Herr Kollege Kolb das Wort zur Abgabe einer persönlichen Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Bundesregierung am 10. August 1979 die gesamte Strecke der B 31 zwischen Stockach und Lindau als überlastete Straße qualifizierte, wobei die Strecke Friedrichshafen-Immenstaad als überlastete Strecke der gesamten Bundesrepublik ausgewiesen wurde, hat die Mehrheit des Verkehrsausschusses nur eine einbahnige Verbesserung durch Ortsumgehungen für richtig angesehen. Diese geplanten Umgehungen haben Verkehrslärmbelastungen von 70 bis 60 Dezibel am Tag bzw. in der Nacht mit der Folge, daß seit über zwei Jahren die Umgehung Meersburg blockiert ist und eine Einigung mit den betroffenen Bürgern auf Grund der neuen Situation fraglich wird. Ebensolche Schwierigkeiten sind in Friedrichshafen zu erwarten.
Die B 31 hat aber nicht nur den Ruhm, die überlastetste Straße der Bundesrepublik zu sein, sie gehört auch zu den unfallträchtigsten. Gesundheit und Sicherheit des Bürgers sind damit weiterhin stark gefährdet.
({0})
Ich werde deshalb das Gesetz ablehnen, welches für die Bodenseelandschaft verheerende Folgen hat, nicht ohne der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß viele Mitglieder dieses Hohen Hauses und vor allem die Mitglieder des Verkehrsausschusses, die es jetzt noch ablehnten, eine A 98 von Singen bis Lindau zu bauen, die Situation selbst vor Ort in Augenschein nehmen, um aus der Legende bis 31. Dezember 1982 eine Tatsache zu machen; denn sonst heißt es: Es war einmal eine wunderschöne Landschaft.
Herr Kollege Kolb, ich habe sehr große Zweifel, ob das eine persönliche Erklärung zur Abstimmung war.
({0})
Sie sind aus Anlaß der Debatte auf ein Verkehrsprojekt aus der Region eingegangen.
({1})
Sie haben sich an einen anderen Grundsatz der Vorschrift gehalten: Sie haben es kurz gemacht. Dies erleichtert alles ein wenig. Soweit das für die Begründung des Abstimmungsverhaltens notwenig ist, sind
solche Ausführungen wohl nicht zu vermeiden. Ich bitte aber ernsthaft darum, hier nicht die Debatte in der Sache neu aufleben zu lassen.
({2})
Das Wort hat der Herr Kollege Collet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte heute morgen hier einen Änderungsantrag eingereicht. Nach der Entscheidung des Präsidenten, die ich nach den Regeln des Parlaments nicht zu kritisieren habe, wurde dieser Änderungsantrag nicht zugelassen. Damit habe ich meine eigene Meinung zur Frage der Zulassung nicht geäußert.
Ich wollte mit meinem Antrag - dies zu meinem Abstimmungsverhalten - deutlich machen, daß hier etwas passiert ist, was hin und wieder vorkommt: die Regierung macht eine Vorlage, ein Ausschuß ändert dann diese Vorlage und übersieht dabei manchmal, daß er sich mit dieser Änderung an anderer Stelle in Widerspruch zu einem weiteren Pragraphen der Regierungsvorlage setzt. Das wollte ich mit meinem Änderungsantrag vermeiden.
Das, was zur Frage der Legende gesagt wurde, habe ich akzeptiert, allerdings nicht deshalb, weil ich mit dem, was dort steht, einverstanden bin. Ich bin aber lange genug im Parlament, um zu wissen, was man jetzt noch ändern kann. Ich befinde mich im gleichen Boot mit vielen Kollegen, die andere regionale Wünsche haben. Diese Wünsche will ich hier deswegen auch nicht ansprechen. Mir geht es darum, folgendes zu verdeutlichen: Wenn in der Regierungsvorlage Teilstücke einer Autobahn, nämlich der A 8, als Bundesstraße ({0}) vorgesehen sind, kann nicht in der Legende stehen, daß über das gesamte Stück bis Ende 1982 neu beraten werden soll.
({1})
Dies wollte ich hier zum Ausdruck bringen. Ich bin dem Sprecher meiner Fraktion, meinem Freund Günter Topmann, sehr dankbar, daß er dem in seinem Beitrag Rechnung getragen hat und so im Protokoll wenigstens zum Ausdruck kommt, was er an Maßnahmen in der Zukunft erwartet. Ich bitte die Regierung, dies ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen, denn mit diesem Widerspruch kann man nicht handeln, weil ein doppelter Handlungsauftrag gegeben wurde.
Nach der Erklärung des Kollegen Topmann kann ich der Vorlage trotzdem zustimmen.
Als nächster hat der Abgeordnete Pfeffermann zu einer persönlichen Erklärung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme gegen das vorliegende Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen wegen der völlig unzureichenden Berücksichtigung hessischer Interessen. Dies gilt insbesondere für drei Bereiche.
Erstens. Für den Raum Darmstadt verhindert die Abplanung der A 661 zwischen der A 680 und der A 5 auf Jahre eine wirksame Entlastung der Darmstädter Innenstadt vom Durchgangsverkehr. Sie verhindert die Anbindung des Raumes Dieburg an die Bundesfernstraßen.
({0})
Die Aufnahme der B 26/B 42 neu in die Stufe I von der A 680 bis zur Nordtangente in Darmstadt stellt eine Lösung in Aussicht, die auf Jahre nicht durchgesetzt werden kann.
({1})
Es sind nicht einmal Voruntersuchungen eingeleitet worden. Der bei dieser Situation im Gesetzentwurf aus parteipolitischen Überlegungen vorgesehene Zusatz „({2})'' ist also nur geeignet, Hoffnungen zu wecken, die weder rechtlich noch finanziell abgesichert sind. Er birgt darüber hinaus die Gefahr in sich, daß die Fachverwaltung, aber auch der eine oder andere Politiker eine Trasse begünstigen, die einen Tunnel notwendig macht, d. h. entlang der Wohnbebauung geführt wird.
({3})
Zweitens. Was die A 49 angeht, so respektiert der Gesetzentwurf weder die Beschlüsse der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften im Kreis Marburg-
Herr Kollege Pfeffermann, ich muß Sie bitten, hier nicht eine regionale verkehrspolitische Rede zu halten.
({0})
Herr Präsident, ich habe für Ihre Einwendungen großes Verständnis, bitte aber auch die Situation der Abgeordneten zu berücksichtigen, die zur Kenntnis zu nehmen haben, daß dieses Gesetz eine Addition regionaler Maßnahmen beinhaltet
({0})
Ich versuche wirklich, es kurz zu machen, und bin, Herr Präsident, mit drei Sätzen am Ende.
Ich habe Ihnen in der Sache gar nicht hineinzureden, und ich werde auch nicht gegen das verstoßen, was hier Usus ist; in 30 Jahren ist noch niemandem bei einer persönlichen Erklärung das Wort entzogen worden. Ich muß Sie aber bitten, sich an den Sinngehalt des § 59 zu halten.
({0})
Zweitens, die A 49 betreffend, war ich soeben bei dem Punkt, an dem ich sagte, daß die Wünsche der kommunalen Gebietskörperschaften im Kreis Marburg nicht berücksichtigt worden sind; ebenso ist es mit den vielfach formulierten Wünschen der ansässigen Bürgerschaft.
Drittens. Die Beschlüsse zur A 4 sind geeignet, eine für den nordhessischen Raum notwendige Verkehrs- und Strukturmaßnahme auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertagen. Es ist offensichtlich, daß speziell bei diesen Entscheidungen dem wahlpolitischen Taktieren gegenüber der sachgerechten Lösung der Vorzug gegeben wurde.
({0})
Dem vermag ich nicht meine Zustimmung zu geben.
Als nächster hat zu einer persönlichen Erklärung der Abgeordnete Jäger ({0}) das Wort.
({1})
- Herr Kollege Wehner, ich kann nicht anders als mich so verhalten, wie die Geschäftsordnung es dem Präsidenten vorschreibt
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen kann ich als direkt gewählter Abgeordneter auch des Bodenseekreises nicht meine Zustimmung geben. Die Fehlentscheidung, die in dieser Frage gefallen ist, drückt dem ganzen Gesetz so sehr ihren Stempel auf, daß es meine Zustimmung nicht finden kann.
({0})
Durch die Streichung der von der Bundesregierung im Zusammenwirken mit der baden-württembergischen Landesregierung geplanten Bodenseeautobahn 98 aus dem Bedarfsplan wird der Bodenseelandschaft ein kaum wiedergutzumachender Schaden zugefügt Nur durch diese A 98 könnte der Schwerlastverkehr mit Petroleum oder Giftstoffen, der für Millionen von Menschen eine schwere latente Bedrohung des Trinkwasserspeichers Bodensee bedeutet, ins sicherere Hinterland verlegt werden. Nur ein Vorrang für Planung und Bau der A 98 gegenüber der seeufernahen B 31 kann die schwere Landschaftsschädigung vermeiden, die daraus entstehen muß, daß sich nach dem Ausbau dieser Bundesstraße alsbald herausstellen wird, daß mit der vorgesehenen einbahnigen Führung der Verkehr nördlich des Bodensees nicht zu bewältigen ist Alsdann werden mit dem unvermeidlichen nachträglichen Bau der Autobahn zwei Betonbänder durch diese empfindliche Landschaft gezogen werden. Es kann kein Dienst an der Bodenseelandschaft und an ihren Bürgern sein, wenn ihnen mit dieser Fehlplanung die schwere Last des Durchgangsverkehrs in ihren Städten und Dörfern noch auf Jahrzehnte hinaus zugemutet wird. Ich werde das Änderungsgesetz daher ablehnen.
({1})
Als nächster hat zu einer persönlichen Erklärung nach § 59 der Abgeordnete Gärtner das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwar hat der federführende Verkehrsausschuß manche Reduzierungsempfehlung aufgenommen; er hat einige Maßnahmen aus der Dringlichkeitsstufe I in die Dringlichkeitsstufe II herabgestuft. Meine Kritik am vorliegenden Ergebnis der Ausschußberatung geht auch nicht nur von der Position aus, daß wir nicht nur verbal und in Programmen für den Umweltschutz sein sollten, sondern ihn auch in der praktischen Politik umsetzen sollten.
Aber alle reden vom Sparen, alle reden davon, daß wir hier im Plenum Kürzungsstellen ehrlich angeben sollten. Ich will hier eine Kürzungsstelle angeben und auch den Bundesfinanzminister in seiner Politik des Sparens unterstützen, indem ich gegen dieses Gesetz stimme, weil ich meine, daß wir die wenigen öffentlichen Mittel für sinnvollere politische Aktivitäten ausgeben können als für den Bau von Straßen, die in unserer Republik insgesamt ausreichend vorhanden sind.
({0})
Ich meine, in diesem Sinne sollten wir dieses Gesetz ablehnen.
({1})
Als nächster nach § 59 der Herr Abgeordnete Jungmann!
({0})
- Danke sehr; die Erklärung wird zu Protokoll genommen *).
Als nächster hat der Herr Abgeordnete Dr. Hennig das Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Abstimmung erkläre ich, daß ich dem Bundesverkehrswegeplan 1980 nicht zustimmen kann, weil ich das Verfahren, wie dieser Entwurf zustande gekommen ist, wie er verändert oder auch nicht verändert worden ist, wie er hier verabschiedet wird, kurz, wie dieses Parlament mit sich umgehen läßt, für ganz und gar unmöglich halte.
({0})
*) Anlage 3
Man kann zu Einzelheiten dieses Entwurfs stehen, wie man will, man mag für eine bestimmte Autobahn eintreten oder dagegen -({1})
dies ist nicht der Punkt, zu dem ich hier jetzt sprechen kann und um den es bei meiner Ablehnung geht. Es geht nicht um Mut, weil z. B. in meinem Wahlkreis jederman weiß, daß ich für die umstrittenste Autobahn von jeher eingetreten bin.
Es geht im Kern darum, daß dieses Parlament vor der Frage steht, wie es sich eigentlich von einigen - nicht von allen - Straßenbauverwaltungen und der Regierung behandeln lassen will. Uns wird der Schwarze Peter für etwas zugeschoben, was wir in dieser Form gar nicht verantworten können. Dennoch soll auf uns dann fünf Jahre lang die ganze Verantwortung abgeschoben werden. Ich unterstreiche, was vorhin gesagt worden ist: Es ist in Wahrheit gar kein Gesetz, es ist nur ein Scheingesetz.
Es handelt sich für den Bereich Nordrhein-Westfalen - nur für dieses Land kann ich das in dieser Form sagen - um eine in Wahrheit von Landesstraßenbauämtern, Straßenneubauämtern, Landschaftsverbänden sowie Landes- und Bundesverkehrsminister selbst zu verantwortende Gesamtplanung die weder ich noch irgendein Kollege hier im Raum zur Gänze überblicken kann.
({2})
- Das habe ich mit etwas mehr Konsequenz getan als Sie, Herr Kollege Merker. Sie sind gegen die Autobahn, aber stimmen für dieses Gesetz; das finde ich nicht sonderlich konsequent.
({3})
Es handelt sich um einen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen.
Woher soll ich eigentlich den Bedarf für all diese Straßen kennen, beurteilen und verantworten, wenn mir gleichzeitig alle Daten, auf die sich dieser Bedarfsplan stützen soll, viele Monate verweigert worden sind?
({4})
Mir ist schließlich im April eine zweiseitige „Bewertungsgrundlage" - so nennt sich das - zugeleitet worden. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, von welchem Mitbürger soll ich eigentlich noch ernst genommen werden, wenn ich es mir zu eigen machen wollte, daß dort z. B. die Wirkung auf Natur und Landschaft bei einem Projekt von 550 Millionen DM als - so wörtlich - „sehr begrenzt" gekennzeichnet wird?
({5})
Nein, diese sogenannte Entscheidungstabelle ist unzureichend, unvollständig und keine EntscheidungsDr. Hennig
hilfe, sondern eher im Grenzbereich zwischen Witz und Zumutung anzusiedeln.
({6})
Den Bundestag - damit komme ich zum Schluß, Herr Präsident ({7})
braucht man nur noch als Alibi, damit alle Straßenbauer fünf Jahre lang behaupten können, sie führten nur das aus, was der Bundestag selber festgelegt habe.
({8})
Die Rolle, die wir Parlamentarier jetzt übernehmen sollen, ist ganz unangemessen. Wir sollen lediglich einen Unbedenklichkeitsstempel erteilen, einen Persilschein ausstellen.
Aus Gründen der Selbstachtung kann ich mich - ich spreche dabei auch für einige weitere ostwestfälische Kollegen - an einer solchen demokratischen Garnierung nicht beteiligen.
({9})
Ich kann den Gesetzentwurf daher aus diesem für mich zwingenden Grund leider nur ablehnen und meine, daß wir dieses ganze Verfahren heute letztmalig anwenden und das nächste Mal einer grundsätzlichen Überprüfung unterziehen sollten.
({10})
Meine Damen und Herten, weitere Wortmeldungen zur Abgabe persönlicher Erklärungen liegen mir nicht vor. Ich nehme an, daß ich mich im Rahmen der Geschäftsordnung und meiner Obliegenheiten verhalte, wenn ich hier sage, daß die übrigen Damen und Herren, die diesem Hohen Hause angehören und sich mit regionalen Verkehrsproblemen nicht zu Wort gemeldet haben, damit nicht ausdrücken wollten, daß es bei ihnen zu Hause keine Verkehrsprobleme gibt.
({0})
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 4 mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Wie ich sehe, wird es nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist das Gesetz angenommen.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4148 neu unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 bis 35 auf:
28. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Forschung VI
- Drucksachen 8/3024, 8/3858 Berichterstatter:
Abgeordnete Lenzer Dr. Steger
Dr.-Ing. Laermann
29. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Faktenbericht 1977 zum Bundesbericht Forschung
- Drucksachen 8/1116, 8/1214, 8/3859 Berichterstatter:
Abgeordnete Lenzer Dr. Steger
Dr.-Ing. Laermann
30. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Pfeffermann, Frau Dr. Walz, Sauter ({4}), Dr. Laufs und der Fraktion der CDU/CSU Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland
- Drucksachen 8/3140, 8/3879 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Riesenhuber Dr. Steger
Dr.-Ing. Laermann
dazu:
Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/3953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dübber
31. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({6}) zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Billies17854
Vizepräsident Leber
heim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. von Geldern, Sauter ({7}) und der Fraktion der CDU/CSU Meeresforschung und Meerestechnik
- Drucksachen 8/3103, 8/3861 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Hubrig Grunenberg
32. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen im Rat über ein mehrjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm der EWG auf dem Gebiet der Rückgewinnung von Industrie- und Hausmüll ({9})
- Drucksachen 8/3406, 8/3860 Berichterstatter:
Abgeordnete Gerstein Dr. Steger
33. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({10}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Beschlusses des Rates für ein Mehrjahresprogramm der Gemeinsamen Forschungsstelle 1980 bis 1983 mit Anlage ({11})
- Drucksachen 8/2891, 8/3882 Berichterstatter:
Abgeordnete Lenzer Flämig
34. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({12}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Beschlusses des Rates über ein technisches Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Tonminerale und technischen Keramik
- Drucksachen 8/3161 Nr. 67, 8/4099 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr.-Ing. Laermann Lenzer
Frau Erler
35. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines zweiten mehrjährigen Forschungs- und Entwicklungsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für den Textil- und Bekleidungssektor ({14})
- Drucksachen 8/2859, 8/4100 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Erler
Dr.-Ing. Laermann Lenzer
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist verbundene Debatte vereinbart worden. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das Wort wünscht der Herr Abgeordnete Flämig. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter des Technologieausschusses für ein Mehrjahresprogramm der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Gemeinschaft eine kurze ergänzende Bemerkung zum Schriftlichen Bericht, weil es sich immerhin um ein Milliardenprogramm handelt und der Steuerzahler ein Recht hat zu wissen, was mit diesen Mitteln geschieht, vor allem aber, weil der schriftlich vorgelegte Bericht das Programm leider nicht abschließend bewerten konnte. Der Ausschuß mußte bei seiner Empfehlung vom Verhandlungsstand im EG-Ministerrat vom Februar/März dieses Jahres ausgehen. Mittlerweile haben sich die Dinge weiterentwickelt. Es ist keineswegs ganz sicher, ob der im Bericht erwähnte Kompromiß zum Tragen kommt.
Das nach Jahren der Stagnation der EG-Gemeinschaftsforschung endlich ausgehandelte Programm sieht Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf sechs Gebieten vor:
erstens nukleare Sicherheit und Brennstoffkreislauf - das ist das weitaus größte und kostenaufwendigste direkte Forschungsprogramm der EG -,
zweitens neue Energieformen wie Sonnenenergie, Wasserstofferzeugung, Energietransport und Energiespeicherung, Kernverschmelzung und Hochtemperaturwerkstoffe,
drittens Umweltforschung und Umweltschutz, viertens Kernmessungen,
fünftens spezifische Unterstützung der EG-Kommission durch wissenschaftlich-technische Dienstleistungen,
sechstens Betrieb von Großanlagen, z. B. Hochflußreaktor in Petten.
Meine Damen und Herren, sosehr es der federführende Ausschuß begrüßte, daß die Gemeinschaftsforschung endlich wieder Schritt zu fassen schien, nachdem sie seit dem Scheitern des Reaktorprogramms ORGEL schwere Jahre der Entmutigung hinter sich hatte, sosehr zeigt er sich besorgt darüber, daß es offensichtlich nicht gelingen will, sich über die Verwendung des mit erheblichen Steuermitteln errichteten ESSOR-Versuchsreaktors zu einigen. So verzögerte sich das Großexperiment SUPER-SARA auf dem Gebiet der Reaktorsicherheit wegen des französischen Desinteresses. Schließlich erklärte sich Italien bereit, als Anlaufquote einen Sonderbeitrag von 19,5 Millionen Rechnungseinheiten für das mit 80 Millionen Rechnungseinheiten veranschlagte Forschungsprojekt zu leisten. Neuerdings, Herr Minister, hört man nun aus dem Rat, daß Italien diesen Betrag nur zahlen will, wenn die Durchführung des gesamten Reaktorsicherheitsprogramms SUPER-SARA gewährleistet ist; die FiFlämig
nanzminister der übrigen Mitgliedsländer seien aber nicht bereit, diese Zusage zu geben. Mit anderen Worten: Dieser Teil des Reaktorsicherheitsprogramms ist gefährdet.
Meine Damen und Herren, da die Wahlperiode zu Ende geht und das gesamte Mehrjahresprogramm an dieser sektoriellen Schwierigkeit nicht scheitern sollte, empfiehlt Ihnen der Technologieausschuß, das Programm insgesamt zur Kenntnis zu nehmen. Es bleibt zu hoffen, daß der 9. Bundestag, dem Ihr Berichterstatter nicht mehr angehören wird, sich einmal eingehender mit den Zielen, Aufgaben und der Finanzierung der Gemeinsamen Forschungsstelle der EG beschäftigen wird. Der Ausschuß vertritt nämlich in seiner Gesamtheit die Auffassung, daß eine europäische Gemeinschaftsforschung auf all den Gebieten sinnvoll ist, wo entweder nationale Mittel nicht ausreichend zur Verfügung stehen oder wo aus politischen oder technischen Gründen ein Zusammenwirken über Staatsgrenzen notwendig ist. - Ich danke Ihnen.
({0})
Wünscht einer der übrigen Berichterstatter das Wort? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Debatte hat zuerst der Abgeordnete Lenzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute in einer verbundenen Debatte eine ganze Fülle von Anträgen aus dem Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik. Bevor ich zur Sache komme, möchte ich aber, da ich soeben durch den Berichterstatter, den Kollegen Flämig, erfahren habe, daß er dem neuen Hause nicht mehr angehören wird, ihm meinen Respekt bekunden und ihm für seine Arbeit danken. Ich weiß, daß er sich insbesondere auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie engagiert hat.
({0})
Diese verbundene Debatte bietet die Chance einer Auseinandersetzung im Grundsatz mit der Forschungs- und Technologiepolitik dieser Bundesregierung. Deswegen möchte ich auch nicht an irgendwelchen Einzelprogrammen herumfummeln, herumbasteln oder -nörgeln, sondern versuchen, ohne jegliche Polemik in aller Sachlichkeit in einen Dialog einzutreten, insbesondere hinsichtlich des im Zentrum der Betrachtungen stehenden Bundesberichts Forschung VI.
Ich meine, daß wir die Überlegungen, die wir in der Debatte anzustellen haben, unter folgende Prämissen stellen sollten:
Erstens. Welche Rolle spielt der Staat bei der Förderung im Bereich der Forschung und der technologischen Entwicklung?
Zweitens. Kann er diese Aufgabe mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium erfüllen?
Drittens. Wenn das bestehende Instrumentarium nicht ausreichen sollte, wie kann man es verbessern? Hierzu bedarf es sicherlich konkreter Hinweise.
Über die Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik brauchen wir uns, wenn wir uns auf den Bundesforschungsbericht VI beziehen, nicht lange zu unterhalten. Sie sind weitgehend unumstritten. Es ist nur die Frage zu stellen: Sind die Wege angemessen, was wird getan, um diese Ziele zu erreichen?
Interessant ist immerhin, daß im Forschungsbericht VI zwei neue Zielsetzungen gegenüber dem V. Bundesforschungsbericht auftauchen. Das ist einmal das neue Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensvoraussetzungen und der Ressourcenschonung. Ich glaube, auch hier sind wir uns schnell einig; hier brauchen wir nicht in eine detaillierte Debatte einzutreten. Das andere ist das Ziel, die technologische Entwicklung in ihren Auswirkungen und Zusammenhängen zu erkennen, ihre Chancen und Risiken abzuwägen und zu diskutieren und Entscheidungen über die. Nutzung von Technologien zu begründen, wie es dort in der Formulierung heißt. Es ist also das bekannte Technology Assessment, über das wir uns nicht zum erstenmal unterhalten.
Ich meine, hier genügen nicht irgendwelche Bekenntnisse oder irgendwelche Sonntagsreden. Bisher sind die Bemühungen der CDU/CSU, die schon in der 7. Legislaturperiode des Bundestages eingesetzt haben, immer wieder von den Koalitionsfraktionen blockiert worden, obwohl wir uns, wie ich festzustellen glaubte, in der Sache doch einig sind.
Ich wende mich einmal ganz besonders an die Adresse eines Kollegen, der heute leider nicht anwesend ist Das ist der Kollege Professor Laermann von der FDP-Fraktion. Er hat in seiner Rede auf einem Forschungskongreß der FDP am 19. April 1980 in Essen zu diesem Punkt betont - ich darf zitieren -:
Nur der dauernde, unter Umständen auch institutionalisierte Dialog zwischen dem Parlament und pluralistisch orientierten Wissenschaftsgremien aller Disziplinen, wie z. B. der DFG, unter Einbeziehung auch ausländischer international anerkannter Wissenschaftler kann zu befriedigenden Lösungen führen. Wir Liberale vertreten den Grundsatz, daß Technology Assessment nicht eine Frage der Organisation einer Bürokratie sein kann, sondern eine Verpflichtung, eine politische Aufgabe der Parlamente.
Es wäre natürlich schön, wenn man sich darunter etwas Konkretes vorstellen könnte. Ich möchte deswegen alle auffordern, die uns bisher immer widersprochen haben: Bitte sagen Sie uns doch ganz genau, was Ihnen vorschwebt Ich meine, wenn wir uns in der Sache einig sind, können wir uns sicherlich auch sehr leicht über den einzuschlagenden Weg verständigen.
Nach Auffassung der CDU/CSU steht u. a. auch die konkrete Nutzung der staatlichen Forschungs- und Technologiepolitik als Dienst am Menschen im Vordergrund. Es geht um die Sicherung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz, um die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um
die Frage, ob technischer Fortschritt, obwohl er reizvoll sein kann, letztlich nicht doch eine dienende Funktion haben muß. Letztlich steckt hinter dem Nutzen der Technik immer auch eine politische Entscheidung. Der Politiker muß die Verträglichkeit, ihren Nutzen für den Bürger im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung und des durch unsere Verfassung abgegrenzten Systems der sozialen Sicherung des einzelnen prüfen und wägen.
Dabei ist es für uns auch eine Selbstverständlichkeit, daß angesichts des rasanten technologischen Strukturwandels auch die Folgen des technischen Fortschritts für z. B. die Arbeitsplätze untersucht werden müssen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unsere Diskussionen im Ausschuß hinsichtlich des Einsatzes der Mikroelektronik. Eines ist jedoch klar - das möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen -: Ohne technischen Fortschritt, ohne Wachstum, ohne Steigerung der Produktivität wird es keinen Massenwohlstand, keine soziale Sicherung, keine solide Finanzierung der öffentlichen Haushalte geben können. Die Verteilungskämpfe werden heftiger werden, und unser gesamtes soziales System wird in Gefahr geraten.
Wenn wir unsere freiheitliche Ordnung mit allen Vorteilen für unsere Bürger erhalten wollen, bedeutet das auch, sich ständig an die sich wandelnden technischen Voraussetzungen anzupassen. Dies ist kein bequemer Weg für den einzelnen Bürger. Er stellt erhebliche Anforderungen an seine persönliche Mobilität, an seine Ausbildung, an seine Qualifikation. Aber ein Verzicht auf technischen Fortschritt käme einem Absinken in die Mittelmäßigkeit gleich, einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, und würde schließlich zum Zusammenbruch unserer gesamten ökonomischen und sozialen Basis führen.
Es ist eine Illusion, meine Damen und Herren, zu glauben, uns allen ginge es jetzt gut genug - daran ist sicherlich eine Menge Wahres -, und deswegen könne man sich in die heile Welt zurückziehen und sagen, es möge alles so bleiben, wie es ist. Technischer Fortschritt sollte, so meine ich, nicht verteufelt werden, sondern wir sollten ihn als eine Chance begreifen.
Lassen Sie mich im zweiten Teil meiner Ausführungen zu unserer Kritik an der gegenwärtigen Forschungsförderungspraxls kommen. Wir werfen ihr zunächst vor, daß sie immer stärker in den Charakter der Investitionslenkung und des Dirigismus abgleitet
({1})
und daß sich der Staat immer stärker anmaßt zu glauben, er wisse, was gut und schön sei für den Bürger. Für weite Kreise der sozialdemokratischen Fraktion - es gibt hier ganz klare belegbare Zeugnisse - ist ohnehin die staatliche Forschungsförderungspolitik nur ein Hebel, ein Mittel zur gesellschaftsverändernden Strukturpolitik.
Es bestehen weiterhin grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung von Wissenschaft und Forschung, über die Ausgewogenheit zwischen persönlicher Freiheit und persönlicher Verantwortung in Wissenschaft und Forschung.
Streitig ist auch die Beurteilung der gesellschaftlichen Bedeutung der Forschungs- und Technologiepolitik. Die Forschungsmittel machen einen sehr hohen Prozentsatz an der staatlichen Umverteilungsquote aus. Das muß bedacht werden. Nach unserer Meinung besteht auch die Gefahr, daß der Wettbewerb verfälscht wird und daß ungleiche Chancen entstehen zwischen geförderten Unternehmen und den Unternehmen, die aus irgendwelchen Gründen nicht für eine Förderung in Frage kommen.
(Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/
CSU]: Sehr wahr! Das tritt immer stärker
hervor»
Es führt zu einer Art Subventionsmentalität. Es bildet sich dieser berühmte Mitnehmereffekt: Es wird manchmal auch an einer Stelle gefördert, wo die Unternehmen auch ohne eine Förderung die Investitionen vorgenommen hätten.
({2})
Es besteht so die Gefahr, daß am Markt vorbei gefördert wird.
Ein Wort auch zur Projektvielfalt. 5 000 verschiedene Projekte, wie wir sie im Förderungskatalog haben, sind noch längst kein Ausweis für eine erfolgreiche Forschungs- und Technologiepolitik. Es sollen sogar noch mehr werden. Der Bundesminister sagt in seiner Gegenäußerung zum Bericht des Rechnungshofs, daß er im Jahre 1983 mit etwa 8000 verschiedenen einzelnen Projekten allein in seinem Bereich rechnet.
Das hat natürlich auch einen ungeheuren bürokratischen Aufwand zur Folge. Nur wenige Großunternehmen können die Anforderungen dieses bürokratischen Aufwands erfüllen. Sie kennen die Schleichwege, sie wissen, wie es gemacht wird. Sie haben dann auch den notwendigen Zugang beim Bundesministerium für Forschung und Technologie.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Stabilität der Verteilungsquote, d. h., daß immer wieder fast dieselben Stammkunden in Frage kommen. Das mag an ihrer technischen Kapazität liegen. Aber die Frage ist doch berechtigt, ob dies zwingend gegeben ist. Kleine und mittlere Unternehmen - auch dies haben wir schon oft diskutiert - sind mit nur ca. 5 bis 6 % Förderanteil am Gesamthaushalt immer noch die Stiefkinder der staatlichen Forschungsförderung, obwohl bei ihnen und bei Einzelerfindern etwa 80 % der jährlichen Patentanmeldungen anfallen.
({3})
Ich weiß, jetzt kommen wieder die Einwände - der Forschungsminister macht es ja auch schon einige Zeit -: Es ist immer eine Frage der Bilanzierung. Es ist eine Frage, ob ich mir eine bestimmte Förderung herausgreife und von da aus hochrechne, oder ob ich den Gesamtaufwand als Grundlage nehme. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie muß - auch dies findet unsere Kritik - immer stärker wegen der Überzahl der EinzelproLenzer
jekte seine Flucht zu externen Beratern, Projektbegleitern und Projektträgern nehmen. Es ist der Zweifel angebracht, ob bei einer derartigen Unübersichtlichkeit wegen der großen Zahl der Projekte überhaupt noch eine wirksame Kosten- und Erfolgskontrolle und eine effiziente Mittelverwaltung möglich sind.
Ich darf zu dem Beratungswesen sagen: Wir haben zur Zeit 87 Fachausschüsse, Ad-hoc-Ausschüsse, Sachverständigenkreise, 47 Beratungsgremien der Projektträgerschaft des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Das sind etwa 1300 Personen. Hinzu kommen die einzelnen Berater, die zusätzlich hinzugezogen werden. Es sind laut Förderkatalog 1978 299 Studien und Gutachten für insgesamt 47 Millionen DM vergeben worden. Es muß doch befürchtet werden, daß das ganze, was dadurch an Material anfällt, in Ihrem Hause, Herr Minister Hauff, überhaupt nicht mehr in entsprechender Weise aufgearbeitet und vor allen Dingen nicht in politisches Handeln umgesetzt werden kann.
({4})
Kann das denn überhaupt noch alles gelesen werden?
Auch das Verhältnis der direkten projektgebundenen Maßnahmen zu indirekten Fördermaßnahmen ist eklatant unausgewogen. Ich weiß, das ist ein altes Thema, aber es ist deswegen nicht minder aktuell. Ich werde Ihnen dazu noch einige Zeugnisse geben. Dieses Problem muß unbedingt einer Lösung zugeführt werden. Die projektgebundene Förderung kann doch angesichts ihres Ausmaßes schon als quasi institutionelle Förderung für manches Unternehmen angesehen werden, quasi als Regelfall. Das sollte nicht sein. Sie sollte sich auf große, im nationalen Interesse liegende Projekte beschränken, die sonst vom Risiko her, vom Finanzaufwand her mit einem zu großen Hemmnis bedacht wären.
({5})
- Wir können uns gern darüber unterhalten, Herr Kollege Stahl.
Ich möchte dazu auch einige Zahlen nennen, noch einmal zu den kleinen und mittleren Unternehmen. Im Etatansatz 1979 gibt es für alle Ressorts 608,9 Millionen DM für kleine und mittlere Unternehmen. Da sind die 300 Millionen DM Personalzulage hinzugerechnet. Im BMFT-Haushalt 1977 - ich beziehe mich wieder auf den Forschungsbericht, Seiten 83/84, wenn Sie es nachlesen wollen - gibt es 708 Vorhaben mit 164,9 Millionen DM. Das entspricht einem Anteil an der Wirtschaftsförderung von 12,4 %. Der Aufwand des Bundes und der Länder - auch dies sagt der Forschungsbericht aus - für steuerliche Forschungsförderung und Innovationsförderung beträgt 314 Millionen DM. Wenn Sie das zum Gesamthaushalt des BMFT in Beziehung setzen, kommen Sie zu der Meinung: es sind etwa 5 % des Gesamthaushalts des BMFT.
Wer damit nicht zufrieden ist, dem will ich eine ganze Reihe von Kronzeugen nennen, die in diese Kritik mit einstimmen. Es ist nicht nur der Bundesverband der Deutschen Industrie, dessen einzelne Mitglieder unter Umständen Nutznießer sind.
({6})
Es ist auch der Deutsche Industrie- und Handelstag, es ist der VDMA.
Wenn Sie jetzt immer noch sagen sollten, das alles seien ja Interessenten, die könne man deswegen nicht so ernst nehmen, dann möchte ich Ihnen aus einer Rede des zuständigen Ressortministers für die Wirtschaft, nämlich des Kollegen Graf Lambsdorff, zitieren, die er in Essen am 20. April 1980 auf dem von mir schon angesprochenen Forschungskongreß gehalten hat. Ich darf, Herr Präsident, zitieren. Dort sagt er:
Die direkte spezifische Zuwendung von Mitteln für konkrete Forschungs- und Entwicklungsaufträge durch den Staat gibt nur wenigen, vor allem großen Unternehmen die Chance einer Förderung. Zu befürchten sind Mitnehmereffekte, Wettbewerbsverzerrungen und unangebrachte Beeinflussungen unternehmerischer Entscheidungen. Vor allem bergen die Maßnahmen der direkten F- und E-Förderung die große Gefahr des Strukturdirigismus in sich. Niemand hat die Blaupause unserer zukünftigen Wirtschaftsstruktur im Kopf, am wenigsten staatliche Instanzen. Der Markt ist nicht, wie immer behauptet wird, zukunftsblind. Der strukturelle Wandel kann nicht vom Staat geplant werden. Wer glaubt,
- bitte, hören Sie jetzt besonders gut zu, Herr Minister durch Vorgabe und selektive Förderung bestimmter, angeblich zukunftsträchtiger Wirtschaftszweige die zukunftsorientierte Anpassung unserer Wirtschaft an die geänderten nationalen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen leisten zu können, befindet sich auf dem Holzweg. Nicht der Staat, sondern die Unternehmen müssen den strukturellen Wandel meistern. Der Staat kann und darf ihnen diese Aufgabe nicht abnehmen, auch nicht. durch Strukturdirigismus im Gewand direkter Forschungs- und Entwicklungsförderung.
Deutlicher kann man eigentlich unsere eigene Position nicht mehr beschreiben. Das ist doch nicht die Stimme der CDU/CSU, die Sie ja als Kritik der Opposition abtun könnten oder abgetan haben und sicher auch heute wieder abtun werden. Dies ist die Stimme des verantwortlichen Ressortministers.
Ich komme zum Abschluß meiner Betrachtungen zu der Position der CDU/CSU. Die kann ich relativ kurz abhandeln, weil wir noch weitere Debattenbeiträge haben werden und weil Ihnen die Darstellung unserer Position auf einem sehr umfangreichen Änderungsantrag vorliegt, über den heute beim Votum über die Beschlußempfehlung des Forschungsausschusses zu berichten und zu entscheiden sein wird.
Ich meine, daß Wissenschaft und Forschung vielen Menschen Freiraum zur schöpferischen, geistigen Entfaltung, frei von materieller Not, geschaffen
haben und daß Wissenschaft und Forschung und die unkritische Anwendung ihrer Ergebnisse dem Menschen selbstverständlich auch schaden können. Ich meine ferner, daß es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß ihre ungeheuren Möglichkeiten stets zum Wohl der Menschen eingesetzt werden.
Erfolgreiche Forschungs- und Technologiepolitik ist u. a. auch Voraussetzung zur Lösung unserer großen Probleme, z. B. der Energie- und Rohstoffversorgung und des Umweltschutzes. Freiheit der Wissenschaft und Forschung ist die Grundvoraussetzung jeglichen politischen Handelns auf diesem Gebiet. Eine von ideologischer Bevormundung freie Forschungs- und Technologiepolitik, die die Problemlösung auf lebens- und zukunftsbedeutenden Gebieten im Auge hat, muß sich bei der Festlegung von Zielen und Rahmenbedingungen auf globale Vorgaben beschränken. Freiraum und Recht auf Irrtum sind gerade in der Forschung und der technologischen Entwicklung wichtige Prämissen.
Gegenseitiges Vertrauen ist eine entscheidende Basis auch für das in der letzten Zeit so besonders schwierig gewordene Verhältnis von Wissenschaft und Offentlichkeit. Nur auf dieser Basis kommen wir zu einem konstruktiven Miteinander. Wir können uns eine anhaltende pauschale Fortschrittsfeindlichkeit nicht leisten. Als rohstoffarmes Land können wir Beschäftigung und Wohlstand nur unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die uns der technische Fortschritt bietet, bewahren. Letztlich werden auch die Völker der Dritten Welt ihre Armut und Not nur dann überwinden können, wenn dabei die Industrieländer auf der Basis der immer weiter fortschreitenden technischen und wissenschaftlichen Entwicklung ihren Beitrag leisten.
Forschung und Technik bieten also sowohl Chancen als auch Risiken. Nur wer die Chancen nutzt, wird die Risiken mindern können.
Ich wollte noch ein Wort zur Grundlagenforschung sagen. Ich verweise aber in diesem Zusammenhang darauf, daß der Kollege Riesenhuber sich dieses Themas besonders annehmen wird, wenn unser Antrag zur Grundlagenforschung behandelt wird, der ja heute in verbundener Debatte ebenfalls beraten wird. Grundlagenforschung ist nach unserer Auffassung langfristig die Quelle neuer Erkenntnis und die Basis, auf die sich unsere wissenschaftliche und technologische Zukunft gründet. Die Aufgabe des Staates ist es, die Kontinuität der Grundlagenforschung zu gewährleisten.
({7})
Wir haben unsere Position in der anwendungsorientierten Forschung hinreichend, glaube ich, deutlich gemacht. Ich zähle nur noch ganz kurz einige Ordnungsprinzipien auf. Der Wettbewerb darf nicht ausgeschaltet werden. Die dezentrale Entscheidungsautonomie und die dezentrale Verantwortung der Unternehmen müssen bestehenbleiben. Die Leistungsfähigkeit und die Privatinitiative müssen gestärkt werden. Die Eigenbestimmung der Unternehmen kann nicht durch staatliches Handeln ersetzt werden. Ich verweise nochmals auf unseren
Änderungsantrag und das von meiner Partei vorgelegte technologiepolitische Konzept.
Ich möchte nicht schließen, ohne drei durchaus konstruktive ganz konkrete Vorschläge zu machen. Es ist zu erwägen, ob man durch die Bildung steuerfreier Rücklagen z. B. beim Entwicklungsländersteuergesetz einen neuen Impuls geben kann, ebenso vielleicht durch Einführung eines Investitionsfreibetrags, der von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden könnte. Lassen Sie uns in der nächsten Wahlperiode des Bundestags etwa auch über eine Investitionsprämie durch Abzug von der Steuerschuld uns auseinandersetzen. Dadurch würde das langwierige Antrags- und Genehmigungsverfahren, das uns bei der Investitionszulage oft etwas bedrückt, ausgeschaltet.
Wir alle wünschen einen konstruktiven Dialog in Sachen der Forschungs- und Technologiepolitik. Wir - das erkläre ich für die CDU/CSU - sind dazu ohne Einschränkung bereit. Ich hoffe, in der neuen Wahlperiode - wir werden einander, auch diese Hoffnung kann man ja wohl ohne Anmaßung aussprechen, im großen und ganzen, wie wir hier sitzen, wiedersehen - werden wir uns mehr Zeit nehmen können, um in aller Ruhe und Sachlichkeit über die einzelnen Themen miteinder zu sprechen. - Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Steger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Antrag der Opposition steht, die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung seien nicht vorhersehbar und nicht vorhersagbar. Dies ist richtig und unterscheidet die Forschung prinzipiell von Reden der Opposition. Sie sind nämlich vorher. sehbar, weil Sie nämlich seit vier Jahren fast immer die gleiche Rede halten. Ich vermute, ich befürchte es fast, Herr Kollege Lenzer, daß Sie auch in den nächsten vier Jahren die gleiche Rede halten werden, mit derselben Mischung - ({0})
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Von Herrn Probst immer.
Herr Kollege Steger, glauben Sie nicht, daß es für eine Politik spricht, wenn sie über lange Jahre eine kontinuierliche Grundlage hat?
Wenn diese Grundlage ein Fundament hat und nicht nur aus ordnungspolitischen Rundumschlägen und kleinkarierter Mäkelei beDr. Steger
steht, würde ich Ihnen ja gerne zustimmen; Herr Probst.
({0})
Aber was hier wieder geboten wurde, ist doch wirklich der Aufguß einer Debatte, die schon 27mal geführt wurde. Ihre Argumente sind nicht ein einziges Mal besser gewesen, geschweige denn Sie haben neue Argumente verwendet.
({1})
Ich will nur zwei Punkte beispielhaft herausgreifen. Zum einen nenne ich die uralte Schlacht um die direkte oder indirekte Forschungsförderung. Es ist typisch, Herr Lenzer, daß Sie wieder nur Bürokraten zitiert haben.
({2})
Wer schreibt denn diese Stellungnahme im BDI? Das sind doch alles Leute, die zum Teil von den praktischen Abläufen der Forschungs- und Entwicklungspolitik erheblich weniger Ahnung haben als die sehr sach- und fachkundigen Beamten im BMFT, die sich jeden Tag damit auseinandersetzen.
({3})
- Nein, das finde ich nur typisch. - Sie hätten einmal bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen nachhören müssen, die eine ganz bemerkenswerte und lesenswerte Stellungnahme zum Bundesbericht Forschung VI abgegeben hat
({4})
und die aus ihrer täglichen Praxis als Projektförderer, als Projektträger, der sehr flexibel, erfolgreich und unbürokratisch arbeitet,
({5})
gesagt hat, daß diese Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Forschungsförderung nicht länger als diskussionsgerecht bezeichnet werden kann. Ich würde Sie bitten, sich dies einmal etwas mehr zu Herzen zu nehmen.
Wenn Sie diese alten Schlachten schlagen, dann reden Sie doch einmal einen Satz über die Verteilungseffekte der Gießkanne, die Sie dort zum Segen der Menschheit ausgießen wollen. Wenn wir Ihrer Forderung nach einer Ausdehnung der Personalkostenzulage für Forschung und Entwicklung, um von der jetzigen Beschränkung auf kleine und mittlere Unternehmen wegzukommen, folgten, dann würden die dafür erforderlichen öffentlichen Mittel von jetzt etwa 300 Millionen DM auf 1,6 Milliarden DM steigen. Sieben Großunternehmen - Herr Lenzer, ich wiederhole: sieben Großunternehmen! ({6})
würden davon 850 Millionen DM erhalten. Das heißt: Die Konzentration auf Groß- und Größtunternehmen, die Sie jetzt immer kritisieren, würde bei der Erfüllung Ihrer Forderung noch deutlicher ausfallen.
({7})
Wenn Sie glauben, Herr Lenzer - mir liegt Seite 4 Ihres Antrages vor -, die Forschungs- und Technologiepolitik sei dazu da, um Herrn Albrechts Spielereien mit dem privaten Fernsehen zu finanzieren, dann muß ich Ihnen hier auch ein ganz klares und entschiedenes Nein sagen.
({8})
Das gleiche gilt für Ihre Forderung auf Seite 10, wo Sie sozusagen die Großforschungseinrichtungen zu einem Selbstbedienungsladen für die Industrie machen. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, daß wir mit einem erheblichen Aufwand an öffentlichen Mitteln verwertbare Forschungsergebnisse, die sich ja auch in Patenten u. ä. niederschlagen, entwickeln und erarbeiten, und anschließend die Großunternehmen herkommen und dies absahnen. Dies darf doch im Ernst nicht Ihre Politik sein.
Demgegenüber hat die Bundesregierung im Bundesbericht Forschung VI - das ist der Schwerpunkt - ein Konzept vorgelegt. Ich finde es etwas merkwürdig, wenn Sie zwar global Ihre Zustimmung zu den Zielen erklären, aber dann nicht bereit sind, bei den Instrumenten auch die Konsequenzen zu ziehen. Wenn Sie diese Ziele der Bundesregierung wirklich ernst nehmen, brauchen Sie dafür ein breit gefächertes und differenziertes Instrumentarium. Sie brauchen eine Umsetzungskette, die bei der Grundlagenforschung beginnt. Herr Präsident, in diesem Zusammenhang darf ich auf den vorliegenden gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP verweisen, der ja schriftlich vorliegt, so daß ich hier nicht näher darauf einzugehen habe. Diese Umsetzungskette beginnt bei der Grundlagenforschung und geht dann über Projektförderung, Großforschungseinrichtungen, sicherlich auch über indirekte Forschung, bis hin zur Markteinführung.
Wenn Sie jetzt darüber reden, was bei kleinen und mittleren Unternehmen noch zu tun ist, dann wird Ihnen jeder sagen, daß das Instrumentarium hier mit dem ausgeschöpft ist, was wir alles gemacht haben: Innovationsberatungsstellen, Personalkostenzulage, erhöhte Investitionszulagen, Förderung der Vertragsforschung, Wagnisfinanzierungsgesellschaft, Hilfen zur Markteinführung im Erstinnovationsprogramm. Was den letzten Bereich angeht, so wird man zwar sicherlich noch darüber reden können, ob man dies etwas breiter ansetzen kann, aber im Grunde ist das Instrumentarium hier ausgeschöpft. Ich finde es merkwürdig, wenn so getan wird, als sei jeder Unternehmer, nur weil er weniger als 500 Beschäftigte hat, ein Schumpeterscher Innovateur. Wenn Sie beispielsweise die Untersuchung des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel lesen, dann wissen Sie, daß die Forschungs- und Entwicklungsintensität verschiedener Branchen aus ganz bestimmten ökonomischen Gründen unterschiedlich ist und daß
Sie von daher immer eine sektoral ungleiche Verteilung und auch in der Betriebsgrößenstruktur - aus bestimmten Gründen - eine ungleiche Verteilung haben werden.
({9})
Wenn es überhaupt noch einen Bereich gibt, über den wir reden können, dann sind es ganz wenige hochtechnologieorientierte Unternehmen, insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung, wo wir darüber reden müssen, wie wir solche Unternehmen z. B. an komplexen Querschnittsaufgaben, wie neue Energieumwandlungsanlagen sie z. B. darstellen ({10}), stärker beteiligen können. Das ist sicherlich der Diskussion wert
Aber ansonsten ist das hier ausgeschöpft Ich glaube, die Kette funktioniert. Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß die Tatsache, daß die deutsche Wirtschaft in der Lage war, sich auf die weltwirtschaftlichen Strukturumbrüche so relativ gut einzustellen, wie wir es in der Vergangenheit geschafft haben und wie wir es hoffentlich auch weiter schaffen, auch ein Erfolg und Ergebnis der Forschungs- und Technologiepolitik dieser Bundesregierung gewesen ist. Da wir zu befürchten haben, daß die Strukturbrüche in der Weltwirtschaft nicht kleiner, sondern größer werden, werden auch die Aufgaben, die in den nächsten Jahren auf die Forschungs- und Technologiepolitik zukommen, eher größer denn kleiner werden.
Ich will in diesem Zusammenhang nur einen Bereich nennen: Während Sie in Ihrer Politik ganz einseitig damit angefangen haben, nur bestimmte Schlüsseltechnologien zu fördern - ich will nicht bestreiten, daß es dafür eine gewisse Plausibilität gab; denn es gab dort damals einen erheblichen Nachholbedarf -, sind wir dazu übergegangen, eine breite Innovationsmobilisierung für die gesamte Wirtschaft zu erreichen.
({11})
Als Hauptaufgabe haben wir dort heute die Modernisierung von alten Industrieregionen vor der Brust. Wenn es wirklich einen bemerkenswerten Durchbruch und einen bemerkenswerten Erfolg der Forschungs- und Technologiepolitik gibt
({12})
- nein, nein; wir sind hier nicht in Bayern, Herr Probst -, dann ist es das Ruhrgebietsprogramm, das von der Landesregierung mit einer flankierenden bundespolitischen Hilfe auf die Schiene gesetzt worden ist.
({13})
Wer sieht, Herr Breidbach, wie groß der innovative Teil in diesem Programm ist - ich nenne hier nur die Innovationsberatungsstellen für den öffentlichen und für den privaten Bereich, aber auch für den
Bereich der Betriebsräte, der Arbeitnehmervertreter -,
({14})
wer sieht, was an neuen Technologien, an Kooperation mit den Universitäten auf die Schiene gesetzt worden ist, wird feststellen müssen, daß sich hier eine neue Dimension der Forschungs- und Technologiepolitik als Bestandteil der vorausschauenden Wirtschafts- und Strukturpolitik der Bundesregierung auftut, Herr Lenzer. Denn der Bundesbericht Forschung VI ist eine Unterrichtung der Bundesregierung.
({15})
Dies ist eine gemeinsame Politik, die ihren Erfolg für die arbeitenden Menschen in diesem Lande auch nachweisen kann.
Gestatten Sie mir jetzt ein letztes Wort zu dem Dauerbrenner der Technologiefolgenabschätzung. Ich verstehe nicht, warum Sie noch immer nicht begriffen haben, daß Technologiefolgenabschätzung nicht so gemacht werden kann, daß man die Dinge laufen läßt,
({16})
und anschließend wird beim Bundestag eine große Stelle eingerichtet, die die Technologiefolgenabschätzung macht. Wir haben immer dafür plädiert, daß Technologiefolgenabschätzung als eine Aufgabe begriffen wird, die in den Prozeß von Forschung und Entwicklung integriert werden kann.
({17})
Im Grunde fängt es bei der Grundlagenforschung an, d. h., dieser Aspekt gehört auch in die Max-PlanckGesellschaft oder in die Projekte der DFG und geht dann weiter bis hin zur Markteinführung. Das ist der erste Punkt.
({18})
- Ich bin ja dabei.
Der zweite Punkt ist, daß wir die bisherige Rolle der Sozialwissenschaft erheblich ändern müssen. Es ist bedauerlich, aber eine Tatsache, daß wir im Moment wenig Forschungskapazitäten haben, die wirklich qualifiziert technologieorientierte Sozialforschung machen können,
({19})
was auch ein Versäumnis der Universitäten ist, weil sie vor interdisziplinären Aufgaben versagen. Die Max-Planck-Gesellschaft hit leider kein gutes Beispiel dafür gegeben, wie man mit interdisziplinären Instituten umgeht; Stichwort Starnberg. Hier müssen wir zu einer echten Integration der beiden Wissenschaften kommen, damit sie nicht nebeneinanDr. Steger
der herlaufen oder sich sogar als feindliche Brüder betrachten. Diesen Ausbau von Forschungskapazitäten, wo es verschiedene Ansatzpunkte gibt - Herr Lenzer, das wissen Sie, ich will hier nicht ins Detail gehen -, werden wir trotz der Haushaltsenge weiter vorantreiben.
Zum letzten haben wir gemeinsam im Ausschuß darüber Einigkeit erzielt- ich bin sicher, das werden wir in der neuen Legislaturperiode in Angriff nehmen -, daß wir die Forschungsprogramme der Bundesregierung kritischer unter die Lupe nehmen, daß wir alle Ministerien zwingen, ihre Ressortforschung auch in Form von kontrollierbaren Forschungsprogrammen vorzulegen. Ich glaube, wenn man sich auch als Parlament etwas Mühe gibt, kann man durchaus Erfolge erzielen. Jedenfalls war die parlamentarische Einflußnahme, die wir auf das Programm der Bundesregierung zur Förderung der Informationstechnologie als praktisches Ergebnis wirklich vorgenommen haben, glaube ich, im Sinne der Technologiefolgenabschätzung wertvoller als alles Gerede über eine Institution, über deren Anbindung und tatsächliche Funktionsweise auch in Ihren Reihen erhebliche Meinungsunterschiede bestehen. Ich möchte nur auf den entsprechenden Beschluß des Bundestagspräsidiums verweisen.
Alles in allem haben wir mit dem Bundesforschungsbericht VI und den dazugehörigen anderen Berichten dokumentiert, welchen hohen Stellenwert diese Politik hat. Es ist etwas bedauerlich, daß wir immer das Pech haben, Freitag mittags um 12 oder nachts um 23 Uhr dranzukommen; aber ich glaube, Sie alle werden in Ihren Wahlkreisen merken, daß dieser Themenbereich künftig eine noch größere Bedeutung haben wird und daß es in erster Linie die Parlamentarier sind, die sich auch in diesen Diskussionsprozeß einschalten müssen; die die Sorgen, Befürchtungen und Hoffnungen der Bevölkerung aufnehmen müssen und in den Prozeß der Technologiesteuerung und -bewertung einbringen müssen. Ich glaube, das ist der Punkt, Herr Lenzer, in dem wir übereinstimmen. Dieses Thema wird uns auch in der nächsten Legislaturperiode erhalten bleiben. Aber dieses Problem ist etwas komplexer, als daß man es mit einer simplen Institution lösen könnte. Schönen Dank.
({20})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß ich mir eigentlich schon immer wünschte, daß wir als FDP im Parlament zahlenmäßig etwas stärker vertreten wären, kann mir, wie ich glaube, abgenommen werden. Vielleicht kann es mir heute sogar nachgefühlt werden, denn ich springe hier sehr kurzfristig - innerhalb weniger Stunden - für den leider verhinderten und auch schon zitierten Kollegen Laermann in diese Debatte ein. Kollege Laermann ist, um das der Korrektheit halber hier zu sagen, in der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" engagiert, so daß wir heute in unseren Reihen sehr kurzfristig umdisponieren mußten. Angesichts der ehrenwerten Vorredner, der Kollegen Lenzer und Steger, wäre mir dennoch sehr viel wohler, wenn es um das Thema „Energie" und nicht so sehr um den Gesamtbereich der Forschung gegangen wäre.
({0})
- Sie glauben es kaum, aber ich bin sehr davon überzeugt, ja, sicher.
({1})
- Es wird sich herausstellen, wer hier wann und wo schlechte Karten hat.
({2})
Ich hätte mich bei der Energiepolitik wohler gefühlt. Die Fraktionen haben ihre Meinung darüber oft genug ausgetauscht. Es war klar, wer die schlechten Karten hatte; das war nämlich die Opposition. Die Opposition hat viele, viele Anläufe genommen, Energiepolitik zu kritisieren, hat aber hier leider nie Alternativen oder wesentliche Korrekturen darlegen können. Aber das soll ja nicht das Thema dieses Vormittags sein.
({3})
Sie haben sich allerdings, wohl zur Ablenkung von eigenen Versäumnissen, einleitend gleich sehr mit der FDP beschäftigt.
({4})
Zitate aus Pressemeldungen, die Sie am 1. August von seiten der CDU/CSU zum Bundesforschungsbericht haben verlauten lassen, möchte ich hier einmal ausklammern. Am 24. April 1980 veröffentlichte die Union ihr technologiepolitisches Konzept. Dies geschah offensichtlich - der Zeitpunkt spricht dafür - als kurzfristige Reaktion auf den Forschungskongreß der FDP im April dieses Jahres in Essen, der hier in Zitaten und unter Namensnennung der Kollegen Laermann und Graf Lambsdorff angesprochen wurde. Dieser Kongreß erbrachte übrigens eine Fülle neuer Ansätze für eine Forschungspolitik aus liberaler Sicht. Die CDU/CSU hat es demgegenüber leider nicht verstanden, ihre Aussagen zur Förderung der Grundlagenforschung mit den bei den Forschungspolitikern aller Parteien bekannten und auch akzeptierten, mehr wirtschaftspolitisch akzentuierten Zielen der Forschungspolitik durch neue, zukunftsweisende Perspektiven und Zielsetzungen zu ergänzen. Hier fehlen uns - und dies vor allem nach der langen Diskussion im Ausschuß, soweit ich es nachvollziehen konnte - Aussagen zur Abschätzung und zur Bewertung von Technikfolgen. Wir unterstützen daher ausdrücklich die leider nicht im Einvernehmen mit der Opposition erzielte Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung und Technologie zum Bundesbericht Forschung VI. Staatliche Forschungs- und Entwicklungsprogramme sollen demnach im Bundestag beraten und von einer technologieorientierten Sozialforschung wissenschaftlich begleitet werden.
Bei der Formulierung der entsprechenden Forschungsvorhaben sollten wir allerdings versuchen, eine verständliche Sprache zu finden und Fachchinesisch zu vermeiden, damit auch der Bürger im Lande versteht, worum es uns dabei geht.
({5})
- Keine Soziologensprache, kein Fachchinesich, sondern ein gutes Deutsch.
Zunehmender Transparenzverlust durch Spezialisierung und Arbeitsteilung führt zur Entfremdung des Bürgers von der Technik.
({6})
Seine Möglichkeiten, Technik durch mehr Information oder durch Kontrolle wieder zu verstehen, sind, so scheint uns, nur begrenzt. Wir müssen als die politisch Verantwortlichen dafür sorgen, daß der Bürger wieder Vertrauen in die Technik gewinnt. Dies kann allerdings nur ein kritisches Vertrauen sein, welches, wie ich hinzufügen möchte, nur durch Diskussion erarbeitet werden kann.
({7})
- Herr Kollege, mir scheint das ein zentrales Thema, vielleicht sogar das zentrale Thema zu sein. Vielleicht darf man ein Wort dazu sagen, auch wenn man nicht minutiös an allen Beratungen im Ausschuß teilgenommen hat. Wir waren aber schließlich auch zugegen, als wir hier die Energiedebatten verschiedentlich und sehr umfänglich führten. Daraus konnte abgeleitet werden, daß wir zwar Technik brauchen, aber ein kritisches Hinterfragen aus der Sicht der Bürger erfolgt. Daß wir als Politiker zu vielen Erklärungen aufgefordert werden, also gewissermaßen im Erklärungszwang stehen, ist doch auch in diesem Hause - wenn auch exemplarisch im Zusammenhang mit einem anderen Thema - für den gesamten Bereich der Technologie sehr deutlich geworden.
Ich spreche für die Fraktion, wenn ich sage, daß wir uns das sehr intensiv zu Herzen nehmen. Wir wissen, daß die Technik vieles kann. Aber auch zu fragen: „Darf sie das alles, und wo ist der Nutzen?" ist, glaube ich, die Kernfrage im gesellschaftspolitischen Dialog.
({8})
- Dann, wenn Sie meinen, das sei bei Ihnen seit 30 Jahren so, nehme ich das erst einmal als mutige Behauptung. Mein Kenntnisstand und das, was ich in der Praxis erlebe, rechtfertigen diese Aussage nicht, aber Sie können ja nachher den Versuch machen, sie zu belegen, wenn Sie das schon so mutig äußern.
Andererseits braucht auch die Gesellschaft von morgen, vor allem eine entwickelte Industriegesellschaft wie die unsere, auch weiterhin technische Innovation. Die Beherrschung des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts beinhaltet aber die Übernahme der naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnisse und Analysen in den gesellschaftlichpolitischen Bewertungsprozeß. Notwendig ist aber auch das Begreifen der Zusammenhänge und Folgen durch die naturwissenschaftlich-technischen Experten. Ich wünschte mir manchmal schon sehr viel intensiver den Arbeitsauftrag, die Dinge nicht nur technisch zu sehen und dann, wenn dieser Aufgabenbereich bewältigt ist, abzubremsen, sondern auch sehr viel komplexer bezüglich der Folgen und damit in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu denken und dies in das Tun am Arbeitsplatz mit einzubeziehen.
Nun einige Anmerkungen zu einem anderen Thema: Die FDP begrüßt, daß Forschung und Lehre an unseren deutschen Hochschulen gleichrangige Aufgaben bleiben und daß die Zusammenarbeit von Hochschulen und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen mit privatwirtschaftlichen Einrichtungen verstärkt werden soll. Es ist festzustellen, daß Forschungsergebnisse und ihre Umsetzung die ökonomischen, ökologischen und sozialen Lebensbedingungen ändern. Vielfach ergeben sich hieraus nachteilige Auswirkungen in unterschiedlichen Lebensbereichen. Ich greife nochmals den Satz auf: Die Ambivalenz der Technik - vielleicht werden wir das in der Tat noch eindeutschen können - erfordert zukünftig eine verstärkte wissenschaftliche Abschätzung der möglichen Folgewirkungen für die Gesellschaft. Die FDP sieht daher in der Aufforderung, staatliche Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Bundestag zu beraten und mit einer technologieorientierten Sozialforschung wissenschaftlich zu begleiten, den richtigen Ansatz, dem verstärkten Problembewußtsein in weiten Teilen der Bevölkerung bezüglich der Risiken und der ökologischen wie sozialen Folgen der Entwicklung und der Nutzung neuer Techniken Rechnung zu tragen.
Für die Freien Demokraten ist Forschungs- und Technologiepolitik zugleich wesentlicher Bestandteil einer vorausschauenden Strukturpolitik. Die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft kann so erhalten und ausgebaut werden. Dabei darf Forschungsförderung aber nicht Teil staatlicher Subventionspolitik werden; vielmehr soll sie zur Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beitragen. In Übereinstimmung mit den forschungspolitischen Zielen, wie sie im Bundesforschungsbericht dargestellt werden, sind kleine und mittlere Unternehmen stärker als bisher in die Förderung einbezogen worden, was wir begrüßen. Die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse sollen dabei stärker als bisher zugänglich und damit volkswirtschaftlich breiter nutzbar gemacht werden. Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit in Wirtschaft und Wissenschaft ist zu fördern, der bürokratische Aufwand in der Forschungsförderung ist, so schwer es auch sein mag, zu reduzieren.
Die FDP unterstützt nachdrücklich die Aussage, die direkte projektgebundene staatliche Finanzierungshilfe und Risikobeteiligung nur in den Fällen einzusetzen, in denen Risiko, Langfristigkeit oder Investitionsbedarf so groß sind, daß einzelne Unternehmen sie nicht selbst tragen bzw. in Angriff nehZywietz
men können. Auch in diesem Rahmen ist ein ausgewogenes Verhältnis von allgemeiner Innovationsförderung und gezielter Technologieförderung notwendig.
Für die Liberalen wird schließlich mit der Entwicklung geeigneter Technologien für die Länder der Dritten Welt, mit dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit dem Aufbau einer wissenschaftlich-technischen Infrastruktur sowie mit einer Zusammenarbeit mit diesen Ländern durch technisch-wirtschaftlichen Arbeitsteilung wesentlich dazu beigetragen, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichte partnerschaftlich abzubauen. Wir glauben, daß eine solche politische Aktionslinie angesichts all der Kenntnisse, die wir über die Dritte Welt haben, die für die Dritte Welt schlimm genug sind, aber auch angesichts all der direkten oder indirekten Folgen, die sich daraus sehr leicht auch für unser Leben entwickeln können, zwingend notwendig ist. Wir glauben sie angesichts persönlicher und amtlicher Erfahrungen speziell in diesem Bereich beim Bundesforschungsminister in guten Händen.
Einige Anmerkungen noch zum Bereich der Grundlagenforschung. Ich möchte mitten in die Problematik der Förderung der Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses hineinspringen. Nicht allein das Geld ist entscheidend. Hier gibt es trotz haushaltsnotwendiger Einsparungen und Kürzungen, wie wir meinen, noch genügend. Entscheidend ist letztlich immer noch die Qualität der Forscher. Hier führen die Praktiken der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses unseres Erachtens zu der Situation, daß durch Darlehensregelung ein Zustand erreicht wird, in dem die Besten des wissenschaftlichen Nachwuchses auf diese Finanzierungsmöglichkeiten nicht oder nicht ausreichend zurückgreifen. Das Bild einer negativen Auslese in diesem Bereich ist eigentlich sehr nahe.
Hier möchten wir die Regierung fragen: Was spricht eigentlich gegen eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die sich am Modell der Förderung des Nachwuchses für den öffentlichen Dienst orientiert? Wir halten uns vor Augen, daß diese Förderung in wichtigen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu Lasten der Staatskasse, des Haushalts - über Referendariate und ähnliches - vollzogen wird. Wir sehen nicht die Parallelität der Unterstützung im Forschungsbereich. Dies stelle ich hier eigentlich mehr als Frage. Ich bin sicher, daß der Dialog dazu an anderer Stelle fortgeführt werden kann.
Gerade in der Grundlagenforschung sollten die Anreize und Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die junge, leistungsfähige und bereite Wissenschaftler anziehen, ihre berufliche Laufbahn in der Grundlagenforschung zu beginnen. Jedoch darf die Personalstruktur der Hochschulen nicht zu einem Laufbahnsystem für Wissenschaftsbeamte werden. Zu fordern ist ein stärkerer Personalaustausch zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungsanstalten, anderen öffentlichen Bereichen und selbstverständlich der Wirtschaft. Wissenschaftler sollten stimuliert werden, verstärkt im
Ausland tätig zu sein, forschend und lernend. Bei ihrer Rückkehr sollte man ihnen entsprechend der erweiterten Qualifikation bei der Wiedereingliederung in die deutsche Forschung, Verwaltung oder Wirtschaft behilflich sein. Dieses Thema ist verschiedentlich auch bereits im Rahmen der Aussprachen über den Jahreswirtschaftsbericht angesprochen worden. Wir halten es aber für so wichtig, daß darauf auch in diesem Zusammenhang noch einmal verwiesen werden sollte.
Da ich diese Anmerkungen heute vertretungsweise machen darf, habe ich insbesondere den Teil der Notizen kritisch überprüft, in dem sich die Wissenschaftspolitiker und Bildungspolitiker mit Apellen an den Haushaltsausschuß gewandt haben. Ich selber stehe hier als Mitglied des Haushaltsausschusses.
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Ich möchte auf diese Notizen im einzelnen nicht weiter eingehen. Jeder, der hier sitzt, kann es doch nachvollziehen und kennt es aus unserem praktischen Tun, daß die Arbeit im Fachausschuß die eine Seite ist, die Sache aber in Fraktionsbeschlüssen, Regierungsbeschlüssen oder in der Finanzkoordination der Haushaltsmöglichkeiten immer ein wenig anders aussieht. Ich glaube, den Belangen dieses Bereichs ist im Haushaltsausschuß - die Arbeit kann ich einigermaßen nachvollziehen - mit Aufgeschlossenheit und Fairneß begegnet worden. Insgesamt hängt aber die Decke der finanziellen Möglichkeiten nicht nur in diesem Bereich niedrig. Ein starkes Aussortieren ist vonnöten. Das ist sattsam bekannt und braucht hier eigentlich nicht als Neuigkeit unterstrichen zu werden.
Der Ausschuß hat einstimmig eine Beschlußempfehlung beschlossen, nach der die Bundesregierung ersucht werden soll, mit den Ländern Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, die Förderung der Grundlagenforschung weiter zu verbessern. Für die FDP begrüße ich ausdrücklich die hierbei zu berücksichtigenden allgemeinen Perspektiven zur Autonomie der Wissenschaft.
Lassen Sie mich, da ich hier das Lichtzeichen sehe, anmerken, daß die FDP in dieser heutigen Situation nur einmal sprechen wird. Da aber mehrere Runden vorgesehen sind, bitte ich, noch etwas Zeit in Anspruch nehmen zu dürfen, um unsere Position in einem Beitrag zu verdeutlichen.
Ich möchte also versuchen, diesen Teil zur Grundlagenforschung zusammenzufassen:
Erstens. Forschungspolitik hat in den vergangenen Jahren einen großen Stellenwert in der politischen Diskussion erhalten. Dies berücksichtigt die vielfältigen Verflechtungen zwischen Wissenschaft, technischem Fortschritt und unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Forschung und Technologie sind wichtige Instrumente unserer Zukunftsgestaltung.
Zweitens. Eine breit angelegte Grundlagenforschung schafft langfristig die Voraussetzungen für die zukünftigen geistigen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Prioritäten lassen sich dabei kaum
staatlicherseits vorgeben, und eine Erfolgskontrolle von außen muß mehr als fraglich erscheinen. Dies muß von der Wissenschaft selbst in eigener Verantwortung geleistet werden. Die Zusammenarbeit von Hochschulen und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen mit privatwirtschaftlichen Einrichtungen ist verstärkt zu fördern.
Drittens. Der Staat hat die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Forschung, insbesondere der Grundlagenforschung, zu sichern. Dies erlaubt nur die Vorgabe globaler Zielrichtungen und schließt an Ergebnisse von Forschung orientierte Erfolgskontrollen und Bewertungen weitgehend aus. Dies aber verpflichtet die Wissenschaftler und Forscher zu mehr Selbstverantwortung, selbstkritischer, objektiver Beurteilung ihres eigenen Handelns und ihrer Erkenntnisse und verpflichtet sie auch, auf mögliche Fehlentwicklungen und negative Folgen rechtzeitig hinzuweisen.
Viertens. Eine leistungsgerechte, dem Institutszweck förderliche Besoldung von Wissenschaftlern, abweichend von den Besoldungsregelungen des öffentlichen Dienstes, ist anzustreben. Die Stellenzahl darf sich nicht an dem Bedarf an wissenschaftlichen Dienstleistungen orientieren, sondern
muß sich vor allem am wissenschaftlichen Nachwuchsbedarf ausrichten.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch mit einigen wenigen Sätzen auf das Programm zur Meeresforschung zu sprechen kommen, das um so mehr, weil es sich hier um einen Bereich handelt, der, glaube ich, noch sehr viel Perspektiven in sich birgt, gerade auch für Kollegen hier im Hause aus der nördlichen Region. Die Investitionsnotwendigkeiten, die dahinterstehen, sind aber nicht nur für die Kollegen von der Küste, sondern für uns insgesamt von großer Bedeutung. Dieses Programm beinhaltet Stichworte, die schon von großer Wichtigkeit sind bzw. es noch - wie man sagen muß - verstärkt werden. Ich denke an Stichworte wie Fischfang, die Nutzung des Meeres als Nahrungsquelle, wie Energiegewinnung, Rohstoffgewinnung aus dem Meer, mit all den Explorationstechniken, den Tiefseebohrtechniken und den Techniken im Bereich der Transportsysteme.
Hinzuweisen ist darauf, daß die Skepsis, zumindest in den Teilen der Bevölkerung, mit denen ich näher Kontakt habe, was die Verschmutzung der Meere anbelangt, größer wird. Es ist ein berechtigtes Verlangen, hier die Situation zu erhellen und noch bessere Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Ich jedenfalls spüre Tendenzen in der Bevölkerung, die uns mit immer mehr Nachdruck in diesem Bereich immer mehr Arbeit abverlangen.
Probleme, was die Bewältigung der Arbeit anbelangt, liegen insbesondere darin, daß eine große Zersplitterung in dem Bereich Forschung und Technologie immer noch festzustellen ist. Wenn sich sieben Bundesressorts, acht Bundesanstalten, 15 Landesinstitute und vier sonstige Institute darum bemühen,
können Koordinationsprobleme und damit auch ein Verschleiß an Leistungsfähigkeit nicht ausbleiben.
({10})
- Wir würden in diesem Bereich immer nur qualifizierte Vorschläge machen - im Gegensatz zu dem, den ich eben von Ihnen gehört habe.
({11})
Dieser Bereich sei stichwortartig vermerkt. Wir erwarten von der Bundesregierung im Parlament Vorschläge, die gegebene Situation zu verbessern.
Ich möchte mich mit dieser Themen- und Thesenauswahl begnügen - als kurze Skizze der Position der FDP. Wir stimmen den Vorlagen zu. Wir wissen, daß wir den wesentlichen Teil unseres Lebensstandards der Technik zu verdanken haben und auch weiterhin wohl einer ergiebigen Entwicklung der Technik zu verdanken haben werden.
Aus der Gesamtsicht und Gesamtverantwortung des Abgeordneten aber möchte ich sagen, daß mich für dieses begonnene Jahrzehnt kaum ein Thema so sehr bewegt wie die Frage um den parlamentarischen Einfluß - ich werden es vermutlich nur sehr unvollkommen formulieren können -, wie wir das technisch Notwendige in den richtigen Feldern und mit der richtigen Methodik machen können, dabei aber als politisch Verantwortliche auch Herr des Geschehens und der Entwicklung bleiben, was die Bewertung der Folgen und der Implikationen anbelangt. Hier für mehr Durchsichtigkeit zu sorgen, scheint mir eine Aufgabe zu sein, die für das begonnene Jahrzehnt ganz zentral ist. Dies wollte ich hier abschließend als eine Tendenz, wie sie auch unsere Fraktion vertritt und wie wir sie zum Teil von unseren Mitgliedern und unseren Bürgern vernehmen, gesagt haben. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({12})
Das Wort hat Herr Bundesminister Hauff.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meines Beitrags zu dieser Debatte einen kurzen Blick auf die internationale Entwicklung richten.
Vor kurzem sind Daten und Fakten veröffentlicht worden, die fünf westliche Industrieländer miteinander vergleichen: die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik. Danach haben wir hier in der Bundesrepublik im Anteil der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen am Bruttosozialprodukt weltweit zum erstenmal alle übrigen westlichen Industrieländer überrundet und stehen jetzt an der
Spitze mit einem Anteil von 2,28 % des Bruttosozialprodukts.
({0})
Das ist doch wohl ein Beispiel, wo man, wenn überhaupt irgendwo, mit Fug und Recht sagen kann: Unser Land ist Spitze.
({1})
Dies ist das Verdienst der deutschen Wirtschaft, des Bundes und der Länder, und zwar, was die finanziellen Aufwendungen angeht, in dieser Reihenfolge.
Wir haben als Bundesregierung versucht, diese Zusammenhänge und unsere Schwerpunkte im Bundesbericht Forschung VI darzulegen. Wir haben diesen Bericht dem Parlament zugeleitet mit der Bitte, darüber zu debattieren. Wir haben ihn den maßgeblichen Organisationen und Einrichtungen zugeleitet - insgesamt 220 - mit der Bitte, dazu detailliert Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen, die derzeit noch ausgewertet werden, zeigen eines deutlich und klar: Dieser Bericht braucht die öffentliche Diskussion nicht zu scheuen. Es gibt einen weiten, großen Konsens. Die Richtung der staatlichen Forschungspolitik stimmt; über Einzelmaßnahmen redet man selbstverständlich miteinander.
Ich darf in dem Zusammenhang einige Stimmen zitieren. Da ist zunächst der Bundesverband der Deutschen Industrie, der klar und deutlich sagt:
Die von der Bundesregierung dargelegten Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik werden von der Industrie im Grundsatz begrüßt.
({2})
Dann der Deutsche Gewerkschaftsbund, der sagt - ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren -:
Die von der Bundesregierung dargelegten Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik werden vom Deutschen Gewerkschaftsbund begrüßt.
({3})
Der Bundesforschungsbericht VI läßt den Willen erkennen, die . Forschungs- und Technologieförderung langfristig anzulegen. Insbesondere begrüßt der DGB die Erweiterung der politikleitenden Ziele.
Der Deutsche Städtetag - ich darf wiederum mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren -:
Wir begrüßen es, daß die Schonung der Ressourcen und die Erhaltung der natürlichen Lebensvoraussetzungen sowie das Erkennen technologischer Entwicklungen in ihren Auswirkungen und Zusammenhängen und die Abwägung ihrer Chancen und Risiken zu eigenständigen Zielen der Forschungspolitik erklärt worden sind.
Es hätte der Opposition gut angestanden, wenn sie in ihrer Stellungnahme wenigstens so viel gesagt hätte wie ihre Vertreter im Bundesrat, die dem Bundesforschungsbericht VI zugestimmt haben. Im Bundesrat wurde dazu folgende Stellungnahme verabschiedet:
Der Bundesrat begrüßt den Bundesbericht Forschung VI als eine anschauliche Darstellung der forschungspolitischen und technologiepolitischen Aktivitäten des Bundes. Mit den dargelegten Grundzielen und sachlichen Schwerpunkten
- Herr Kollege Probst besteht im Grundsatz weitgehend Einverständnis.
Soweit der Bundesrat. Es wäre gut, wenn Sie so etwas in Ihren Debattenbeiträgen nicht ganz in Vergessenheit geraten ließen. Das täte der Glaubwürdigkeit Ihrer Argumente keinen Abbruch.
Diese Diskussion belegt, daß die Ziele stimmen, die wir in dem Bundesforschungsbericht niedergelegt haben. Wenn man nun der Frage nachgeht, wie diese Ziele eingelöst werden, so glaube ich, daß man dreierlei klar und deutlich sagen kann. Das erste ist - das ist in dem Zusammenhang ganz wichtig -: - Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik können sich international sehen lassen. In verschiedenen Bereichen - wie zuletzt aus der Studie hervorgeht, die ich eingangs zitiert habe - nehmen wir eine Spitzenposition ein.
Zweitens. Neue Technologien, entwickelt durch die Förderprogramme des BMFT, leisten einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Ziele. Beispiel ist die nichtnukleare Energietechnologie, für die wir allein im vergangenen Jahr weit über 700 Millionen DM ausgegeben haben. Ich meine, gut angelegtes Geld für Solarenergiesysteme, für Wärmepumpen, für Blockheizkraftwerke, für Fernwärmeschienen, für neue umweltfreundliche Steinkohlekraftwerke, für Kohleveredelungsverfahren. Wichtiges und gut angelegtes Geld im Bereich der Rohstofforschung, wo uns die Probleme in der Zukunft ganz sicherlich noch intensiver als in der Vergangenheit beschäftigen werden. Bezüglich der Umwelttechnologie müssen wir z. B. erkennen, daß Umweltpolitik nicht nur darin besteht, Normen zu setzen, sondern daß wir gerade die Techniker und Ingenieure dafür gewinnen müssen, das als Herausforderung zu begreifen, um die Probleme auch tatsächlich zu lösen, etwa im Bereich der Abwassertechnologie, etwa im Bereich der Beseitigung gefährlicher Stoffe, für die heute noch keine Technologien zur Verfügung stehen.
({4})
Auch der Bereich der Verkehrsforschung ist ein wichtiger Sektor, wo es darum geht, neue Möglichkeiten zur Ausgestaltung unseres Gemeinwesens zu eröffnen. Das sind Beispiele, die zeigen, daß wir mit neuen Technologien neue Wege gehen.
Das dritte und letzte ist: Ich halte es für eine eindrucksvolle Zahl, wenn ein unabhängiges wirtschaftswissenschaftliches Institut feststellt, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie allein 1979 423 000 Arbeitsplätze gesichert bzw. neu geschaffen hat.
({5})
Das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann. Das ist ein Beitrag zur Vollbeschäftigung in unserem Land.
In den Stellungnahmen der Opposition zum Bundesforschungsbericht VI wird - das war der sehr moderaten Stellungnahme des Herrn Lenzer heute nicht ganz so klar zu entnehmen, aber in den verschiedenen Pressekonferenzen ist das schon deutlicher angeklungen - wieder das alte Gespenst der - ich darf zitieren - „irreversiblen Veränderung unserer Wirtschaftsordnung durch die Forschungs- und Technologiepolitik" - übrigens auch ein schöner Beitrag zum klaren Deutsch, Herr Kollege Lenzer; aber das nur als kleine Anmerkung - an die Wand gemalt. Mit anderen Worten: Das Planwirtschaftsgespenst wird sozusagen als alter Wahlkampfschlager wieder hervorgeholt. Mein Vorschlag an Sie: Schminken Sie sich das ab! Das ist eine maßlose Kritik, wie Sie aus den Stellungnahmen ersehen, die andere zum Bundesforschungsbericht abgegeben haben. Das ist eine überzogene Kritik, die an den Realitäten vorbeigeht.
Wir bleiben dabei - in diesem Bericht nachzulesen und von Ihnen bitte auch zu berücksichtigen -:
In der Wirtschaft sind Forschung und Entwicklung in erster Linie Aufgabe der Unternehmen, dies gilt insbesondere für die wirtschaftliche Umsetzung der Ergebnisse. Zur Erarbeitung und Anwendung besserer technologischer Lösungen zur Befriedigung öffentlichen Bedarfs ist vielfach das Zusammenwirken verschiedener Politikbereiche notwendig.
Das steht auf Seite 8 des Berichts. Dann heißt es in
der Textziffer 42, was die Konkretisierung anlangt:
Da Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft zu den selbstverständlichen Aufgaben der Unternehmen gehört, muß darüber hinaus vor einer staatlichen Schwerpunktförderung gründlich geprüft werden, ob die privatwirtschaftlichen Kräfte allein nicht ausreichen, um die erforderlichen technologischen Suchprozesse und die damit verbundenen Anstrengungen überhaupt oder rechtzeitig oder mit der notwendigen Intensität in Gang zu bringen.
Soweit der Bundesforschungsbericht VI. Er fährt dann fort:
Dies kann der Fall sein, wenn ...
Dann kommen eine Reihe von Kriterien. Ich will sie nicht vorlesen. Sie sind übrigens nahezu deckungsgleich mit den in der Rede des Kollegen Lambsdorff aufgeführten Kriterien, die er in dem Zusammenhang gehalten hat. Insofern sind es künstliche Widersprüche, die Sie hier festzustellen meinen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Frage der direkten Projektförderung sagen, zu der wir ja auch in diesem Bericht sehr differenziert Stellung genommen haben. Wir haben klar gesagt: Dies sind keine Alternativen, und dies soll man nicht gegeneinander ausspielen. Zum Beispiel ist die direkte projektorientierte Förderung im Bereich der nichtnuklearen Energieforschung eine sinnvolle Sache, um
neue Blockheizkraftwerke in Gang zu bringen, um neue Techniken der Fernwärmeversorgung zu schaffen, um neue Möglichkeiten von Solarenergiesystemen zu schaffen, um die Elektronik zu nutzen, um Energie zu sparen. Das ist projektorientierte Förderung. Sie ergänzt sich mit der indirekten Förderung dort, wo wir über das Programm „Energieeinsparung" dafür sorgen, daß die Industrie, aber auch die privaten Hausbesitzer und die Mieter die Möglichkeit haben, diese Techniken auch tatsächlich zu nutzen. So ergänzen sich direkte Projektförderung und indirekte Unterstützung in den erforderlichen Bereichen.
Wenn Sie formulieren, Herr Kollege Lenzer, „Das System der direkten Projektförderung ist zukunftsblind, Entwicklungslinien werden festgeschrieben, Alternativen frühzeitig gekappt", dann isolieren Sie sich mit dieser Art von Kritik. Niemand von denjenigen, die auf diesem Gebiet tätig sind, teilt diese Ansicht. Offensichtlich wollen Sie den Krach um des Krachs willen.
({6})
Da machen wir nicht mit. Wir bleiben bei der ruhigen Darstellung unserer Positionen.
Herr Kollege Probst, um auf Ihr Bundesland zu kommen:
({7})
Ich kann Ihnen nur mit auf den Weg geben, die Staatsdirigismusplatte, die Sie immer wieder auflegen, endlich einzuschmelzen. Sie eignet sich nicht, noch nicht einmal als Wahlschlager, zumal Ihr Dirigent aus Bayern gern nach den Noten der direkten Forschungsförderung zum Wohle der bayerischen Industrie musiziert.
({8})
Noch ein Wort zum Thema „direkte Förderung und verstärkte Einbeziehung kleiner und mittlerer Unternehmen in die Technologieförderung". Ich möchte auf das zurückkommen, was auch der Kollege Steger gesagt hat. Ihr Vorschlag - ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich Ihr Vorschlag ist; vielleicht kann einer der Debattenredner ein Wort dazu sagen - einer generellen 25%igen Personalzulage im Bereich der Forschungsförderung würde dazu führen, daß wir Mehraufwendungen in der Größenordnung von 2 Milliarden DM hätten.
({9})
- Dann sagen Sie bitte sehr klar und deutlich, was Sie wollen. Dann dürfen Sie nicht generell sagen: Wir wollen den indirekten Bereich ausbauen.
({10})
Dann distanzieren Sie sich klar davon. Klar ist, daß dieser Vorschlag, der ja herumgeistert und sehr wohl auch Gegenstand von Anträgen Ihrer Fraktion im Forschungsausschuß war, dazu führen würde, daß wir nicht weniger Konzentration in der deutschen
Wirtschaft bekämen, sondern daß wir mit diesem Instrumentarium mehr Konzentration bekämen.
({11})
Wir meinen: Unser Konzept für die Meinen und mittleren Unternehmen - gemeinsam vom Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesforschungsminister vorgelegt - hat sich hervorragend bewährt. Die Personalkostenzulage für die kleinen und mittleren Unternehmen beläuft sich 1980 auf 390 Millionen DM. Nahezu 5 000 Unternehmen profitieren davon. Der Ausbau der Gemeinschaftsforschung und der Erstinnovationsförderung hilft sehr vielen Unternehmen, vor allem den mittleren und kleineren, ebenfalls die Förderung der Vertragsforschung, bei der bis jetzt über 500 Anträge bewilligt wurden, der Aufbau und die Startfinanzierung einer breit angelegten Technologieberatung, in deren Rahmen bis heute ca. 2 000 solcher Beratungen und 800 Intensivberatungen stattfanden.
Das alles ist ein staatlicher Anfangserfolg. Richtig ist, daß wir daran sitzen - auch hier gibt es zwischen den Koalitionsfraktionen volle Übereinstimmung -, allerdings auch sehr genau an den Problemen jeweils orientiert, uns darüber Gedanken zu machen, nicht wie wir generell die indirekte Förderung ausbauen können, sondern wie wir im Bereich der indirekt-spezifischen Forschungsförderung zu größerer Effizienz kommen können.
Das ist ein Bereich, an dem wir arbeiten. Es ist in der Werkstatt; wir sind noch nicht soweit, daß wir die Ergebnisse schon mitteilen können. Aber ich kann Ihnen versichern: Wir werden noch in diesem Jahr in der Lage sein, einen soliden, durchdachten und fachlich-sachlich belastbaren Vorschlag zum Ausbau in diesem Bereich zu machen.
({12})
Noch ein Wort zur Grundlagenforschung. Ich halte es für wichtig und gut, daß es in der Einschätzung der Grundlagenforschung einen Grundkonsens aller Fraktionen des Deutschen Bundestages gibt. Die Grundlagenforschung in der Bundesrepublik ist international leistungsfähig. 1979 haben wir nur für diesen Bereich die doch stattliche Summe von 1,7 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Der Anteil der Grundlagenforschung am Plafonds des Bundesministeriums für Forschung und Technologie ist nie unter die 30%-Marke gesunken. Wenn man einmal bei der Grundlagenforschung einen internationalen Vergleich anstellt, so ist festzuhalten, daß wir auch auf diesem Gebiet einen Spitzenplatz haben. Ich will mich nicht damit brüsten und in Selbstgerechtigkeit verfallen. Aber Tatsache ist: nach der OECD-Statistik hat die Bundesrepublik Deutschland den höchsten Anteil der Grundlagenforschung an den Gesamtaufwendungen des Staates für Forschung und Entwicklung.
({13})
Es wäre gut, wenn Sie diese Tatsache endlich einmal zur Kenntnis nähmen, damit wir dann von der gemeinsamen Basis aus weiter argumentieren können. Ich werde jedenfalls im Rahmen meiner Verantwortlichkeiten, alles tun, damit es auch so bleibt.
Meine Bitte an Sie ist, den Grundkonsens in der Beurteilung der Grundlagenforschung nicht zu verschütten, sondern ihn nach außen zu tragen, vielleicht hier ein Stück Gemeinsamkeit zu praktizieren, um den Wissenschaftlern Zusammenarbeit zu signalisieren. Denn gerade in der Grundlagenforschung - da kann ich an das anknüpfen, was der Kollege Lenzer gesagt hat - kommt es mehr noch als.in anderen Bereichen auf Kontinuität an. Es wäre gut, wenn wir das miteinander denjenigen, die davon betroffen sind, klar sagen könnten.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Der Bundesforschungsbericht VI als Dokument einer insgesamt erfolgreichen Forschungs- und Technologiepolitik in der zurückliegenden Legislaturperiode wird von fast allen Stellungnahmen, von der Wissenschaft, von der Wirtschaft, von den Gewerkschaften, als ein überzeugender Bericht zur Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben der 80er Jahre angesehen. Die Bestätigung für den richtigen Weg, den die Forschungs- und Technologiepolitik geht, habe ich auch in den Diskussionen im technologiepolitischen Dialog erfahren, obwohl wir vereinbart haben, darüber keine inhaltlichen Einzelstellungnahmen zu veröffentlichen.
Ich finde, wenn die Opposition nicht abseits stehen will, dann sollte sie sich diesem Urteil anschließen. Unsere Forschungs- und Technologiepolitik ist kein „Einstieg in den Ausstieg der Marktwirtschaft". Sie reden sich da etwas ein, ohne daß Sie selber daran glauben. Die Forschungs- und Technologiepolitik der Bundesregierung ist ein notwendiger Träger in unserem Wirtschaftssystem, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, die Suche nach Erkenntnissen in der Wissenschaft zu fördern und unserer Wirtschaft international wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu sichern.
Nun mögen Sie sagen: Das ist eure Einschätzung, wir teilen die andere. Dann bitte ich Sie, folgenden Bericht doch einmal zur Kenntnis zu nehmen - ich darf ihn abschließend zitieren -:
Die wissenschaftliche und technologische Unterstützung
- so heißt es dort der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist vielleicht die wirksamste der Welt. Dies ist die natürliche und vielleicht unvermeidliche Folge von vier herausragenden nationalen Besonderheiten: starke wissenschaftliche und technologische Tradition, starker Unternehmergeist, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Flexibilität. Deutschlands traditionelle Anerkennung der Wissenschaft und der Technologie hat dazu beigetragen, eine differenzierte und umfassende technische und wissenschaftliche Infrastruktur aufzubauen, die nicht nur bei Regierung und Industrie Anerkennung findet, sondern sie stellt auch eine starke Kraft der Integration der Gesamtgesellschaft dar.
Mit diesem Zitat möchte ich schließen und Sie von der Opposition um etwas mehr Nachdenklichkeit bitten. Denn es ist ein Zitat aus einem Bericht der amerikanischen Bundesregierung. In diesen Ta17868
gen werden Sie ja nicht müde, zu betonen, daß wir etwas mehr nach Amerika blicken sollten. Meine Bitte ist: nehmen Sie Ihr eigenes Wort ernst! Blicken Sie nach Amerika, und stellen Sie fest, was von der Forschungs- und Technologiepolitik der Bundesregierung zu halten ist.
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr.. Probst.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat heute eine bemerkenswerte Rede gehalten. Sie hat sich dadurch ausgezeichnet, daß er nichts anderes als eine Aneinanderreihung von künstlich zusammengesuchten Zitaten und Gründen gebracht hat, warum er eigentlich doch ein guter Forschungsminister ist.
({0})
Herr Minister, Sie hatten das notwendig, weil Sie in der letzten Zeit ganz gewaltig in die Schußlinie der Kritik gekommen sind. Sie sagen, Sie haben unendlich viel Geld in der Bundesrepublik aufgewandt, und zwar mehr als alle anderen Länder. Wir haben der Bundesregierung noch niemals vorgeworfen, daß sie kein Geld verplempert hätte. Die Bundesregierung hat, seit sie regiert, 210 Milliarden verplempert. Das ist kein Verdienst. Das ist allenfalls eine traurige Bilanz.
({1})
Ich möchte mich heute mit einigen Fragen der Forschungspolitik befassen, von denen ich glaube, daß sie zu Überlegungen und auch zur Sorge in der Bundesrepublik Deutschland Anlaß geben. Ich möchte mich dabei insbesondere ein bißchen kritisch mit dem Herrn Bundesforschungsminister auseinandersetzen; denn er steht derzeit in der öffentlichen Kritik, und er soll im Parlament nicht stärker geschont sein.
Durch die sich immer mehr zuspitzende Ölkrise ist die Bundesrepublik Deutschland mehr denn je einem harten internationalen Wettbewerb ausgesetzt. In diesem Wettbewerb können wir als rohstoffarmer Industriestaat nur dann bestehen,
({2})
wenn wir dem technologischen Fortschritt auf allen Ebenen zielstrebig zum Durchbruch verhelfen.
Wir verfügen zwar gottlob über intelligente, fleißige und disziplinierte Arbeitskräfte, über hochqualifizierte Forscher, Kaufleute und Ingenieure
({3})
und nicht zuletzt über dynamische und risikobereite
Unternehmer. Doch diese Kräfte können nur dann
erfolgreich zusammenwirken, wenn die politischen Weichen richtig gestellt sind.
Zu dieser optimalen Weichenstellung hat neben der Wirtschaftspolitik in erster Linie die Forschungs- und Technologiepolitik einen wichtigen Beitrag zu leisten. Doch während der Bundeswirtschaftsminister die Dynamik marktwirtschaftlicher Kräfte zu Recht in den Dienst seiner Politik stellt, versucht der Bundesminister für Forschung und Technologie in immer stärkerem Maße - und das ist halt leider anders, als Sie es zu gegebener Zeit immer wieder darstellen - korrigierend in die Marktabläufe einzugreifen. Herr Matthöfer hat das begonnen. Er hat hier wiederholt erklärt, dies sei sein Ziel. Auch Sie, Herr Minister, haben bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt, die Steuerung der Wirtschaft sei selbstverständlich eine Aufgabe der Forschungspolitik.
({4})
Der Präsident des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten, Bernhard Kapp, hat die Politik des BMFT kürzlich in einem vielbeachteten Brief an Minister Hauff einer vernichtenden Kritik unterzogen. Lassen Sie mich aus diesem bemerkenswerten Dokument sozusagen als Resümee und stellvertretend für eine Reihe anderer Kritiken jenen Absatz zitieren, in dem Aufgabenstellung und Fehlentwicklung unserer Forschungs- und Technologiepolitik besonders treffend gekennzeichnet werden:
Direkte staatliche Forschungs- und Entwicklungspolitik ... sollte sich ... auf Gebiete beschränken, die von überragendem öffentlichen Interesse sind und die von Art und Umfang her ohne Staat nicht bearbeitet würden. Jede staatliche Forschungs- und Entwicklungsförderung, die darüber hinaus zu Wettbewerbsverzerrungen führt oder die konzentrationsfördernd wirkt, ist von Übel. Staatliche Forschungsförderung hat sich schließlich aber auch nur auf Forschung und Entwicklung an sich zu beschränken. Ich halte es für falsch, sie für Struktur- oder gar gesellschaftspolitische Ziele einzusetzen oder gar als Mittel zur Investitionslenkung in Aussicht zu nehmen.
({5})
- Herr Wehner, das ist Ihr Problem, nicht meines.
({6})
- Sie sollten mich nicht durch Ihr Brüllen immer am Reden hindern!
({7})
- Im Brüllen schon! Sonst nicht; das ist richtig.
Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hat es wohl noch keinen Forschungsminister gegeben,
({8})
dessen Politik bei den Fachleuten und den Betroffenen auf derart massive Ablehnung gestoßen ist. Was mag wohl in einem Forschungsminister vorgehen, dessen Politik dazu geführt hat, daß die Beamten seines Hauses in einer angesehenen Zeitung - der „Zeit" vom 30. Mai 1980 - unter der Schlagzeile „Die Bonner Besserwisser" - Herr Wehner, diesen Artikel sollten Sie einmal lesen - geradezu verhöhnt wurden?!
Für mich Herr Hauff, werden Sie geradezu zur Karikatur eines Forschungsministers,
({9})
wenn Sie sich mit Blick auf die Linken in der SPD mehr Gedanken über die Verhinderung als über die Durchsetzung des technologischen Fortschritts machen. Wozu sind eigentlich -zig Milliarden DM in die Entwicklung zukunftsträchtiger Schlüsseltechnologien wie beispielweise die Kernenergietechnik und die Kommunikationstechnik investiert worden, wenn die wertvollen Ergebnisse dieser Forschungsbemühungen jetzt blockiert werden?
Für mich war es ebenso kennzeichnend wie alarmierend, daß sich einer der sozialwissenschaftlichen Berater des Bundesministeriums, nämlich Professor Reese, im zuständigen Bundestagsausschuß vor kurzem kategorisch dafür eingesetzt hat, daß die „Technikentwicklung" nur noch dann mit öffentlichen Mitteln gefördert werden darf, wenn der Zweck dieser Entwicklungen bekannt ist und wenn er durch „konkrete Anwendungen und Projekte" nachgewiesen ist. Das heißt doch im Klartext: Forschung und Technologie kommen nur dann zum Zuge, wenn es linkslastige Akzeptanzforscher des Herrn Hauff genehmigen.
Eine solche Politik, die in zahlreichen Etatansätzen und Forschungsprojekten des Bundesministers für Forschung und Technologie bereits ihren konkreten Niederschlag gefunden hat, muß die Freiheit von Forschung und Wissenschaft und die Dynamik des technologischen Fortschritts bereits im Keime ersticken. Sie wird in absehbarer Zeit dazu führen, daß die Bundesrepublik Deutschland auf die Stufe eines technologischen Entwicklungslandes zurückfällt. Da hilft nicht die Summe des Geldes, die hier aufgewendet wird, sondern da hilft nur
({10})
der Grad der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im internationalen Vergleich.
Dabei haben gerade die letzten Wochen und Monate mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, daß unser Land nur durch permanente technologische Höchstleistungen bestehen kann. Allein die Ölpreiserhöhungen des vergangenen Jahres haben ausgereicht, um unsere seit Jahrzehnten aktive Zahlungsbilanz mit 7 Milliarden DM in die roten Zahlen zu stürzen.
({11})
Dieses Zahlungsbilanzdefizit wird bereits im laufenden Jahr auf mindestens 20 Milliarden DM anwachsen. Auch in den kommenden Jahren müßte bei Fortsetzung dieser verfehlten Politik mit einer weiteren Beschleunigung dieser dramatischen Fehlentwicklung gerechnet werden. Statt den technologischen Erkenntnissen in unserem Land endlich zum Durchbruch zu verhelfen, erstickt die Bundesregierung eben diesen technologischen Durchbruch durch parteipolitischen Opportunismus und durch vorgeschobene Akzeptanzprobleme. Während die Japaner zielstrebig dabei sind, für immer neue Produkte den Weltmarkt zu erobern, verschlafen wir nach dem Wirtschaftswunder buchstäblich unsere Zukunft.
({12})
Lassen Sie mich die Versäumnisse dieser Bundesregierung an dem Beispiel Ihrer verfehlten Energiepolitik exemplarisch aufzeigen. Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Energiepolitik unter dem massiven Druck linker SPD-Kreise immer mehr von den energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten entfernt. Ihre im Anschluß an die letzten SPD-Parteitagsbeschlüsse revidierte energiepolitische Prioritätenliste hat längst Eingang in den Bundesbericht Forschung VI gefunden. Diese energiepolitische Prioritätenliste, meine Damen und Herren, ist ein einziges Dokument der Politikverweigerung.
({13})
- Hören Sie sich das nur an. Dort wird als erste und wichtigste Priorität das Sparen angeführt, obwohl jeder Eingeweihte weiß, daß selbst optimal greifende Sparmaßnahmen, die teilweise auch sehr viel Geld kosten, lediglich unseren Zuwachs an Energiebedarf reduzieren, und zwar bestenfalls um die Hälfte des jährlichen Zuwachses an Energiebedarf.
({14})
- Im übrigen ist Energiesparen, Herr Kollege Stockleben, keine Alternative. Niemand kann gegen Sparen sein. Wer möchte gegen Sparen sein? Das ist eine menschliche Tugend. Allenfalls Ihre linken Marxisten sind gegen Sparen, weil das eine kapitalistische Tugend ist.
({15})
Sparen, Herr Kollege Stockleben, kann man ja nur, was man hat, und da wir kein Öl haben, müssen wir heute unter allen Umständen Öl ersetzen.
({16})
- Ich weiß gar nicht, meine Damen und Herren, was Sie an dieser Problematik so erheitert.
({17})
Wenn Sie kein Öl haben, können Sie kein 01 sparen. Sie müssen Öl ersetzen, und 01 ersetzen ist viel mehr als Öl sparen.
({18})
Sie haben seit 1973 bis heute keine einzige Vorstellung für den Fall entwickelt, daß auch nur ein einziges wichtiges Ölland als Lieferant für uns ausfällt; das verdrängen Sie. Die Katastrophe für unser Volk in einem solchen Fall wäre unabsehbar.
({19})
Als zweite Priorität wird auf die Kohle verwiesen, obwohl jedermann wissen sollte, daß unsere Kohleförderung begrenzt, kaum noch steigerungsfähig und leider auch sehr teuer ist. Im übrigen ist der Rohstoff Kohle zum Verheizen viel zu schade und in dieser Funktion extrem umweltfeindlich. Und es ist die Frage zu stellen, wer uns das Recht gibt, einen so wichtigen Rohstoff in einer einzigen Generation zu verbrennen und ihn dadurch folgenden Generationen zu versagen.
Als drittwichtigste Priorität sind dann bei Ihnen die alternativen Energien genannt. Jedermann weiß, daß wir bis zum Jahr 2000 maximal 5 % unseres gesamten Energiebedarfs - teilweise unter Aufbietung erheblicher Kapitalien - durch alternative Energiequellen ersetzen können.
Dann erst kommt als vierte und letzte Priorität die Kernenergie. Obwohl die friedliche Nutzung der Kernenergie auf absehbare Zeit die einzige wirkungsvolle energiepolitische Alternative darstellt, glaubt man, für sie die Opposition sowohl offenhalten als auch verbauen zu können.
({20})
- Ich habe sie nur zitiert. Denn der Herr Kollege Matthöfer war es, der gesagt hat: Seit der Genosse Trend uns verlassen hat, haben wir den Genossen Option bei uns aufgenommen. Ich habe nur Ihre Darstellung zitiert.
({21})
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich wiederholen: Dieses Energiekonzept ist ein opportunistisch verbrämter Akt der Politikverweigerung. Wer - wie der amtierende Forschungsminister - die Option in den Einstieg wie in den Ausstieg der Kernenergie offenhalten will, kann entweder die Konsequenzen seiner Politik nicht richtig einschätzen oder will sie bewußt verschleiern. Und wer - wie der Bundeskanzler - die Schuld für die Verzögerung beim Kemkraftwerksausbau auf die Verwaltungsgerichte abzuschieben versucht, betreibt eine ebenso feige wie verantwortungslose Irreführung der Offentlichkeit.
({22})
Die energiepolitischen Versäumnisse dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien kommen uns allen teuer zu stehen. Dabei geht es nicht nur um die lebensbedrohliche Abhängigkeit von Ölimporten. Die politisch verursachten Verzögerungen beim Kernkraftwerksbau kosten die deutsche Volkswirtschaft schon heute zig Milliarden DM. Die Kosten werden bis Ende der 80er Jahre auf Hunderte von Milliarden DM anwachsen. Bis dahin werden wir nicht nur unsere hochqualifizierte Kernenergieindustrie mit mehr als 100 000 Beschäftigten ruiniert haben, sondern wir werden dann durch Ihre verfehlte Politik auch in anderen Wirtschaftsbereichen international nicht mehr konkurrenzfähig sein.
({23})
Wenn die Franzosen Mitte der 80er Jahre mehr als die Hälfte ihrer Stromerzeugung aus Kernkraftwerken speisen, werden wir erleben, daß ganze Industriezweige wegen der niedrigen Energiekosten nach Frankreich abwandern, ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten von Amerika, wo die Kernkraft ebenfalls zügig ausgebaut wird und wo die Tonne Kohle im Tagebau sage und schreibe 30 DM - statt wie bei uns 200 DM - kostet.
Herr Kollege, würden Sie bitte zu Ende kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
({0})
Frau Präsidentin, ich will versuchen, schnell zu Ende zu kommen, weil ich sehe, daß meine Zeit um ist.
({0})
- Aber nicht so schnell wie Ihre, Herr Wehner.
({1})
Die Japaner haben uns schon heute ganze Marktbereiche abgejagt, in denen wir preislich und technologisch nicht mehr mithalten können. Jedes Kind ist heute darüber informiert, daß Stereoanlagen, Fernsehgeräte, Kameras, Uhren, Minicomputer und Motorräder in großem Stile aus Japan eingeführt werden. Aber auch im Stahlbereich, im Maschinenbau, im Schiffbau und im Fahrzeugbau erzielen die Japaner immer neue Absatzrekorde.
({2})
Nach der jüngsten Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg wurden bei uns im Monat April bereits mehr japanische Fahrzeuge als z. B. DaimlerBenz-Fahrzeuge zugelassen.
Verehrter Herr Kollege, es tut mir leid, aber ich muß Sie jetzt bitten, Ihren letzten Satz zu sagen. Ihre angemeldete Redezeit ist nun endgültig abgelaufen.
Herr Minister Hauff, ich möchte Ihnen folgende Frage stellen. Wenn in unserer Automobilindustrie ein Einbruch geschieht, welche alternativen Beschäftigungen werden wir dann
haben - wo jeder dritte Arbeitsplatz davon abhängt -,
({0})
wenn wir dann nicht neue Technologien als Alternativen zur Verfügung haben? Dann wird es für unsere Volkswirtschaft und für unser Volk düster bestellt sein, auch wenn der Herr Wehner noch so brüllt.
({1})
Herr Abgeordneter Probst, danke schön, daß Sie jetzt das Podium verlassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was mein Vorredner hier ausgeführt hat, kann ich nur in einem Satz skizzieren: Herr Probst, Sie haben sich wirklich und sehr realistisch die Option auf die Opposition offengehalten.
({0})
Denn das, was Sie hier fachlich vorgetragen haben, bleibt so weit hinter Ihrer eigenen Qualifikation als Ausschußvorsitzender zurück, daß es sich wirklich nicht lohnt, auf die Details einzugehen.
({1})
- Wenn Sie bei der letzten Rede genau zugehört haben - ich hatte den Eindruck, daß Sie das getan haben -, dann wird es Ihnen bei der letzten Rede selbst nicht sehr wohl gewesen sein.
({2})
- Regen Sie sich nicht so sehr auf! Seien Sie so nett und hören zu! Sie können sicher noch etwas sagen, wenn Sie das wollen.
Ich möchte jetzt zum Thema und zu dem kommen, worüber wir nachher abzustimmen haben. Wir haben die Ausschußvorlagen vorliegen. Ich möchte Sie bitten, daß Sie diese Ausschußvorlagen akzeptieren, und ich möchte Sie gleichzeitig bitten, den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/4158 abzulehnen. Das hat einen sehr einfachen Grund. Wir haben über diese Fragen im Ausschuß - ich bin noch nicht so lange dabei - lange Zeit darauf verwendet, diese Fragen inhaltlich zu diskutieren und noch einmal klarzumachen, daß man Forschung und Technologie nicht als einen rein technischen Aspekt und als rein wirtschaftlichen Aspekt begreifen kann, sondern daß er in die Sozialwissenschaften insgesamt eingebunden ist. Jetzt legen Sie hier tatsächlich einen elf Seiten langen Änderungsantrag vor, und in diesem Änderungsantrag und in den gesamten Schwerpunkten verwenden Sie nicht eine
Zeile für die Frage der Sozialwissenschaften bzw. der Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und die Lebensverhältnisse.
({3})
Damit haben Sie besser, als man es mit vielen Argumenten zeigen kann, bewiesen, daß es immer nur Schönfärberei ist, wenn Sie sagen: Natürlich müssen wir uns auch darum kümmern, wie die Arbeitsplätze aussehen. Sie haben mit Ihrem Antrag selbst dargestellt, daß Ihnen das eigentlich ziemlich schnuppe ist.
Ich möchte jetzt etwas anführen, damit das einmal begreifbar wird; denn wenn wir über Grundlagenforschung und Auswirkungen reden, ist es vielen Menschen, die unmittelbar davon betroffen sind, nicht deutlich, um was es hier geht. Deshalb möchte ich ein kleines Zahlenbeispiel anführen. In der Technologieentwicklung reden wir sehr viel davon, daß es eine Fortentwicklung beispielsweise am Arbeitsplatz von Schreibkräften gibt. Jetzt habe ich in einer Untersuchung „Humanisierung der Arbeit", Schriftenreihe Band 4, Titel „Textverarbeitung im Büro", verglichen, wie sich das bei Befragung und Untersuchung der betroffenen Frauen, die an diesen Arbeitsplätzen sind, verändert Es stellte sich folgendes heraus. Ich nenne Ihnen jetzt immer nur zwei Kategorien, nämlich die Arbeitstätigkeiten einer Sekretärin herkömmlichen Stils und das, was Formularschreibkräfte im Schreibdienst machen. Von den befragten Sekretärinnen klagten 21 % - Mehrfachnennungen waren möglich - über Kopfschmerzen und Augenbeschwerden. Von den Formularschreibkräften im Schreibdienst haben das 44 % beklagt. Kreislaufstörungen waren bei herkömmlicher Berufsausübung bei 30 % zu verzeichnen, bei den neuen Berufsausübungen waren es 56 %. Hinsichtlich Müdigkeit waren es 5 % bei den alten und 18 % bei den neuen Berufsinhalten. Nervosität wurde von 30 % bei den alten und von 44 % bei den neuen Berufsinhalten angegeben. Ich könnte das jetzt so fortsetzen. Das heißt, diese Untersuchungen zeigen, daß wir, wenn wir nicht aufpassen, mit einer reinen Technologiegläubigkeit in Berufsrealitäten hineinstoßen, die an dem ursprünglichen Interesse, daß die Technologie dem Menschen zu dienen hat, völlig vorbeigeht.
({4})
- Wir versuchen doch gerade, das im Rahmen der Humanisierung der Arbeit genau zu diskutieren.
({5})
Das sind gerade die Projekte, die wir im Ausschuß mit besprochen haben.
Allein von dieser Seite her ist klar, daß Sie Forschungs- und Technologiepolitik natürlich immer wertbezogen betreiben müssen. Wenn Sie dazu das Zitat eines unverdächtigen anerkannten Sozialwissenschaftlers brauchen - bitte sehr! Gunnar Myrdal sagte:
Wir brauchen Gesichtspunkte, und diese setzen
Bewertungen voraus. Eine interessenlose Sozi17872
Hoffmann ({6})
alwissenschaft ist von diesem Gesichtspunkt aus reiner Unsinn. Es hat sie niemals gegeben, und es wird sie niemals geben. Wir können danach streben, unser Denken trotz dieses Umstandes rational zu machen, aber nur dadurch, daß wir uns der Wertungen bewußt sind, nicht indem wir ihnen ausweichen.
Genau dieser Wertungsfrage habe ich einmal in Ihrem Papier nachzugehen versucht. Unter Ziffer II.2.4 heißt es:
Grundsätze für eine wirkungsvolle staatliche Förderung von Forschung und Technologien in diesem Bereich sind deshalb ...
Im Sinne einer ersten kategorischen Wertfrage wird hinter dem ersten Spiegelstrich sodann gesagt:
Ordnungsprinzipien der sozialen Marktwirtschaft durchsetzen.
({7})
Meine Damen und Herren, wissen Sie, was das ist? Das heißt, daß Sie Forschung und Technologie zur Funktion des Wirtschaftssystems herunterdrücken und meinen, man könnte von einer Hierarchie der Fragen ausgehen. Es ist doch aber völlig klar, daß Forschung und Technologie einerseits, Sozialpolitik andererseits und schließlich auch Wirtschaftspolitik ineinandergreifende, sich verschränkende Tatbestände sind. Alles das lassen Sie hier heraus.
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Ich könnte das weiter fortführen.
Vorhin in Ihrem Beitrag war wieder von der ganzen Litanei im Zusammenhang mit Markt- und Investitionslenkung die Rede. Ich möchte auch hier einen unverdächtigen Zeugen zitieren, den Sie vorhin selbst einige Male genannt haben. Minister Graf Lambsdorff sagte in der vorhin bereits angesprochenen Rede:
Nur wenn wegen der zu erwartenden wirtschaftlichen oder technologischen Risiken
- ich füge jetzt hinzu: auch der sozialen Risiken die Steuerung über den Markt nicht ausreichend funktioniert, gleichwohl ein hoher wirtschaftlicher Nutzen zu erwarten ist, sind staatliche Förderungsmaßnahmen zulässig.
Das heißt, auch hier wird akzeptiert, daß man selbstverständlich nicht mehr so blauäugig wie Sie es in Ihrem Beitrag getan haben, sein und einfach sagen kann: Hier wird eingegriffen. Natürlich wird an verschiedenen Stellen auch eingegriffen. Es geht doch hier aber nicht um die Auflösung des Wirtschaftssystems. Dies kann hier doch nun wirklich keiner attestieren. Weil der Herr Minister vorhin auch auf die Frage eingegangen ist, wie es mit den zukünftigen Arbeiten auszusehen hat - Sie wollen beispielsweise zwischen direkter und indirekter Förderung einen Mittelweg finden -, kann ich es mir schenken, auf dieses Problem einzugehen. Ich halte das für eine ganz wesentliche Frage, bei der eine Lösung
im Detail allerdings wahrscheinlich sehr schwierig werden wird. Wie gesagt, ich möchte darauf verzichten, jetzt näher darauf einzugehen.
Statt dessen möchte ich auf folgendes eingehen, und zwar vor dem Hintergrund dessen, daß es sinnlos ist, immer nur zu erklären, was alles positiv gelaufen ist und was wir für Erfolge haben. Wir haben nun einmal soviel Erfolge. Daran können Sie halt nichts ändern. Es ist wenig sinnvoll, noch einmal das zu wiederholen, was der Herr Minister hier alles gesagt hat. Statt dessen möchte ich zwei Problempunkte herausgreifen.
Der eine davon ist dieser: Wie wollen wir denn bei zukünftigen Demonstrationsforschungsvorhaben vorgehen? Man könnte hingehen und einen großen Block irgendwo hinstellen und sagen: Guckt euch an, wie das funktioniert. Man kann aber auch - je nach Technologie - versuchen, die Größenordnung herunterzudrücken und mehrere dezentrale Einheiten zu schaffen. Dies steht übrigens auch in Ihrem Antrag. Unter Ziffer II. 2.4 heißt es:
dezentrale Entscheidungsautonomie und Verantwortung sichern und Zentralisation abbauen.
Einverstanden! Dies führt uns aber erst zu der tieferliegenden Frage: Heißt das nicht, daß wir trotz aller Hilfestellung für Mittel- und Kleinunternehmen immer noch zu stark auf die Erfolge von Großtechnologien fixiert sind? Ich persönlich habe den Eindruck, daß wir uns sehr viel stärker - auch und gerade in der Energieversorgung - mit dezentralen Einheiten auseinandersetzen müssen. Dieses Thema ist vorhin ja angesprochen worden.
({9})
Vorhin ist noch einmal aufgezählt worden, welche wichtigen Aspekte Forschungs- und Technologiepolitik aufnehmen soll. Ich will es mir schenken, darauf näher einzugehen, weil darüber heute bereits lange genug diskutiert worden ist und ich meine zehn Minuten Redezeit nicht überschreiten will.
Ich möchte deshalb nur einen einzigen Bereich noch einmal kurz aufgreifen, weil er vorhin als Schwerpunkt genannt wurde, nämlich die Förderung von energie- und rohstoffsparenden Technologien. Aber auch hier werden Sie von mir jetzt keine Erfolgslitanei hören. Sie können das alles nachlesen. Die Bundesregierung braucht sich nicht zu verstecken. Ich möchte mich auf Bereiche konzentrieren, in denen wir, wie ich meine, Entwicklungschancen haben, die wir noch nicht voll ausschöpfen. Als Beispiel nenne ich die Förderung der Absorptionswärmepumpen bei kleinen und mittleren Projekten. In diesem Bereich gibt es inzwischen einige Fortschritte, aber in der Entwicklung ist nach meiner Auffassung sozusagen noch Luft drin. Hier können wir erhebliche Einsparpotentiale mobilisieren. Ich will hier gar nicht erst auf die Frage eingehen, ob Einsparen eine Energiequelle ist. Ich habe vorhin von Ihnen gelernt, daß jeder, der für EnergieHoffmann ({10})
einsparen ist, sozusagen ein marxistischer Theorieverfechter ist. Das war mir allerdings etwas neu.
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Der zweite Punkt, an dem man einsetzen kann, ist die Technik der Wirbelschichtfeuerung. Ich glaube, daß man auch hier mit neuen Aggregaten anderer Größenordnungen, als sie bisher aufgelegt sind, erhebliche Möglichkeiten einer besseren Energieausnutzung, insbesondere bei der Kohle, erreichen kann.
Der dritte Bereich, den ich - auch in bezug auf die Forschung - anführen möchte, ist die Windenergie. Dort haben wir wenige Projekte; wenn ich recht informiert bin, sind es eigentlich nur zwei bis drei, die auf relativ großer Auslegung basieren.
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- Ja, genau.
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- Sie wissen offenbar immer schon, wie das Ergebnis aussieht, bevor das Ding läuft!
Ich habe den Eindruck, daß so, wie es in den USA, in Dänemark und in Schweden passiert, diese Großanlagen durch mittlere und durch kleinere Aggregate ergänzt werden müssen. Ich glaube, daß auch auf diesem Gebiet erhebliche Möglichkeiten existieren, gar nicht zu reden davon, was alles über Recycling entsprechend möglich ist.
Ich möchte nun zum Schluß kommen.
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- Ich danke Ihnen für das Kompliment. - Mir scheint, daß wir in Zukunft eine Frage auf dem Gebiet von Forschung und Technologie sehr, sehr viel deutlicher angehen müssen, nämlich die Frage nach den Umverteilungswirkungen all der Probleme, die heute skizziert worden sind, auf die betroffenen Menschen und nach den Auswirkungen auf deren Arbeitsplatzbedingungen. Ich glaube, daß wir diesem Problem bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben.
Wenn Sie mir am Schluß gestatten, einen Dank auszusprechen, dann tue ich das eigentlich in der Anmaßung des Jüngsten im Ausschuß, vielleicht desjenigen mit der geringsten Arbeitserfahrung. Es scheiden einige Kollegen aus der Ausschußarbeit aus. Ich habe mich in diesem Ausschuß bisher immer sehr wohlgefühlt, sage diesen Kollegen herzlichen Dank und hoffe, daß man sich auf andere Weise im Dialog weiterhin trifft.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Riesenhuber.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Hauff hat in seiner Rede zu Beginn darüber gesprochen, welche gesellschaftlichen Gruppen in der Beurteilung der Ziele der Forschungspolitik mit der Bundesregierung übereinstimmen. Ich muß hier eines feststellen - dies ist in keiner Weise überraschend -: Seit Stoltenberg Forschungsminister war - und sogar schon vorher -, haben wir in den wesentlichen Zielen der Forschungspolitik eine durchgehende Kontinuität. Wenn Sie sich die Forschungsberichte und die Ziele, die stets zu Beginn als zentrale Ziele herausgestellt werden, ansehen, merken Sie, daß sich in den letzten Jahren wenig geändert hat, und das ist wichtig und richtig und gut so, denn wir brauchen Kontinuität
Herr Steger sagte, es sei etwas hinzugekommen. Das Wesentliche, was hinzugekommen ist, war im letzten Forschungsbericht die Frage der Technologiefolgenabschätzung. In der Frage der Technologiefolgenabschätzung können wir uns in diesem Hause sicher ganz schnell darauf einigen, daß sie nur dadurch als Thema überhaupt präsent geworden ist, daß die Opposition über Jahr und Jahre wiederholt hat, daß dies eines der zentralen Themen der zukünftigen Auseinandersetzung mit Technik überhaupt sein wird.
({0})
Dadurch kam dieses Thema herein, und dadurch kamen die neuen Elemente. Insofern ist die Übereinstimmung in den Zielen keine Überraschung.
Die Frage ist und der Streit geht darum, welche Mittel wir einsetzen wollen, von welchen ordnungspolitischen Konzepten wir ausgehen und mit welchen Prioritäten wir arbeiten. Wir haben den Antrag zur Grundlagenforschung vor ungefähr einem Jahr eingebracht Bis dahin war die Grundlagenforschung in diesem Hause allenfalls beiläufig diskutiert worden. Die Diskussion hat gezeigt, daß die Aufnahme dieses Themas nützlich gewesen ist Sie hat gezeigt - und das war wichtig -, in welchen Bereichen Einvernehmen erreicht werden kann. Die heutige einstimmig zustande gekommene Beschlußempfehlung enthält durchaus wichtige Punkte; weil ich nicht wiederholen möchte, was wir hier festgelegt haben, nenne ich nur einige.
Wir gehen davon aus, daß sich staatliches Handeln auf die Notwendigkeit beschränkt, Kontinuität in einem forschungsfreundlichen Klima zu schaffen. Dies ist ein interessanter Maßstab. Wir wissen, daß die personelle Mobilität zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik stärker werden muß, wenn wir die Probleme, vor denen wir stehen, lösen wollen. Wir gehen davon aus, daß Anreize und Arbeitsbedingungen gerade für junge Forscher so geschaffen werden bzw. beschaffen sein müssen, daß die Anziehungskraft der Grundlagenforschung auf diese jungen und leistungsbereiten Wissenschaftler ausreicht, um einen hochqualifizierten Nachwuchs sicherzustellen.
Wichtig für uns sind - auch da sind wir uns weitgehend einig gewesen - die Ergänzungen der Großforschungseinrichtungen. Wir wollten das in einem getrennten Antrag aufarbeiten, wir haben ihn eingebracht, und auch hier haben wir uns weitgehend geeinigt. Über alle diese Punkte, in denen wir uns - was wir mit Freude feststellen - einig sind,
möchte ich im einzelnen nicht sprechen, auch nicht über die Fachfragen, über die wir im Ausschuß im Detail gesprochen haben.
Aber es ist vielleicht ganz nützlich, über einige Punkte zu sprechen, in denen uns die Ausschußmehrheit in der Debatte nicht folgen konnte. Die Koalitionsfraktionen waren nicht bereit, die indirekte Forschungsförderung zu Lasten der Projektförderung zu stärken, d. h. die institutionelle Forschungsförderung in der Grundlagenforschung verstärkt auszubauen. Sie hat unseren Vorschlag abgelehnt, Grundlagenforschung in der Wirtschaft, die dort durchaus erfolgreich betrieben wird, durch Ausbau der indirekten Forschungsförderung zu stärken.
Nun ist in einigen Beiträgen - in dem Beitrag des Kollegen Hoffmann, auch in früheren Beiträgen von Herrn Steger - so diskutiert worden, als ob wir in diesen Fragen eine Geisterschlacht durchführten, als ob im Grunde die Frage, ob Marktwirtschaft und indirekte oder direkte Forschungsförderung zusammenpassen, ausgestanden sei.
Graf Lambsdorff, dessen Geist über dieser Runde schwebte, ist hier schon verschiedentlich lobend zitiert worden. Ich möchte mich hier nicht ausschließen. Graf Lambsdorff hat in Essen bei der berühmten Rede, auf die Sie sich berufen haben, festgestellt, daß auch der Bund bei Festlegung der Prioritäten innerhalb des Forschungs- und Entwicklungsbudgets den hohen Stellenwert der Grundlagenforschung noch stärker berücksichtigen muß und dafür durchaus die in vielen Fällen höchst problematische wirtschaftsnahe direkte Projektförderung zurückschrauben sollte.
Das ist genau der Punkt, über den wir hier streiten und wo wir auseinanderliegen. Ist es eine richtige, marktwirtschaftskonforme Politik, wenn wir den Bereich der Eingriffe des Staates in die Forschung stets weiter verstärken? Oder können wir davon ausgehen, daß wir verstärkt Modelle zur indirekten Forschungsförderung entwickeln, die ohne Vorgabe der Projekte durch den Staat eine Stärkung der Forschungskapazität und der Forschungsleistung der deutschen Wirtschaft bewirken?
Was Graf Lambsdorff hier sagt, entspricht genau dem Antrag, den wir im Ausschuß gestellt haben. Aber genau dieser Antrag ist im Ausschuß von SPD und FDP abgelehnt worden.
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Ich möchte einmal eines wissen: Was bedeuten solche öffentlichen Aussagen von Liberalen? Es werden immer wieder öffentliche Aussagen gemacht, die wir nur unterstützen können. Aber wenn es dann zum Schwur kommt, dann stehen die Leute nicht zu der Position, die sie öffentlich erklärt haben. Das ist eine miserable Politik.
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Herr Laermann hat im Fernsehen festgestellt - ich bedauere, daß er jetzt verhindert ist -, in der Forschungspolitik sei er sich mit der Union einiger als mit der SPD. Ja, warum sieht man das dann nicht in
der Abstimmung, wenn es hier um die Sache geht?
Meine Damen und Herren, der Unterschied zwischen der Politik des Forschungsministers und unserer Politik ist offenkundig. Es handelt sich zwar nicht um einen Unterschied zwischen schwarz und weiß, aber um einen solchen zwischen grundlegenden ordnungspolitischen Tendenzen. Der Forschungsminister vertraut überwiegend und verstärkt - das ist seine Politik in den vergangenen Jahren gewesen - auf die Steuerung von Prozessen, von Forschung durch Apparat, durch Administration. Er vertraut nicht auf den Markt. - Herr Forschungsminister, Sie schütteln den Kopf. Herr Forschungsminister, als diese Regierung die Verantwortung übernahm, betrug das Verhältnis von indirekter und direkter Forschungsförderung 1 : 2. Wir sind hier heute - einschließlich des Haushalts des Wirtschaftsministers - bei 1 : 10. Das bedeutet, daß der Bereich, in dem Sie direkt Themen vorschreiben, massiv ausgebaut worden ist. Wir halten das für ordnungspolitisch grundsätzlich problematisch.
Meine Damen und Herren, dabei streiten wir nicht darüber, daß der Staat auch große Aufgaben in der direkten Projektförderung hat. Es gibt hier eindeutig große, langfristige, riskante Projekte, wo der Staat eingreifen muß. Es gibt Projekte, die einen Querschnittscharakter über die Disziplinen hinweg haben, wo die Ordnungsgewalt des Staates durchaus hilfreich sein kann. Aber wenn wir hier einmal einige der wichtigen Bereiche, bezogen auf die letzten Jahre, abklopfen, dann erkennen wir, daß genau in diesem Bereich, wo staatliches Handeln nützlich und hilfreich gewesen wäre, im Grunde nichts geschehen ist, was genügt hätte.
Wir haben hier die Debatte über die Krebsforschung geführt, und wir werden sie wieder führen. Wir haben festgestellt, daß der Bericht der Bundesregierung über Jahre verzögert worden ist. Wir haben festgestellt, mit welcher Hilflosigkeit Frau Huber die sogenannte Große Krebskonferenz abgefahren hat. Wir haben festgestellt, daß die wesentlichen Voraussetzungen für die Forschung im einzelnen vom Staat nicht insgesamt organisiert worden sind. Wir haben über die Umweltforschung diskutiert. Es geht hier nicht um eine Antwort, in der gesagt wird: Soundsoviel hundert Millionen werden hineingeschüttet. Es kommt nie darauf an, was man hineinschüttet, sondern darauf, was herauskommt.
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Wichtig ist doch folgendes. Wir haben hier wesentliche Umweltgesetze gemacht, ohne die Grundlagenforschung dafür zu haben. Ich plädiere nicht dafür, daß man immer warten muß, bis man alles weiß, bevor man entscheidet, weiß Gott nicht. Aber wir müssen diese Grundlagenforschung langfristig und rechtzeitig so anlegen, daß sie stimmt.
Über die Technologiefolgenabschätzung, einen weiteren Bereich, über den die Bundesregierung seit Jahren spricht, im eigenen Hause aber nichts Entsprechendes gesagt hat, will ich hier nichts mehr im einzelnen sagen.
Wir haben in unserem ursprünglichen Antrag und im Ausschuß auf die Notwendigkeit hingewiesen, Eliten zu fördern. Dazu hat uns in der letzten Plenardebatte Kollege Hoffmann die Leviten gelesen. Er sagte, es könnte eine sehr intellektuelle Diskussion sein. Aber - so sagte Herr Hoffmann - mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Wissenschaft habe dies meistens sehr, sehr wenig zu tun. So spricht Herr Hoffmann über die Wissenschaft.
Die Max-Planck-Gesellschaft hat vor einer Woche durch ihren Präsidenten festgestellt, daß kein Land, das auf Forschung angewiesen ist, darauf verzichten kann, gezielt und umfassend Förderung von Eliten zu betreiben. Wenn hierzu - und dies ist im Ausschuß geschehen - die Diskussion überhaupt verweigert wird, wenn eine Auseinandersetzung über die Frage der Elitenförderung in der Sache nicht geführt wird, wenn dieses Thema als unkeusch, als unsittlich, als Zumutung gilt, werden wir dieses Problem in der Tat nicht angehen. Man kann Probleme auch dadurch töten, daß man die Diskussion ausschließt.
({4})
- Dies war ein konstruktiver Beitrag, der intellektuellen Lage des Herrn Steger angemessen.
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Meine Freunde, bei der ganzen Diskussion geht es doch darum, daß wir Bedingungen für hervorragende Wissenschaft schaffen, und zwar in einer Weise, daß die Wissenschaft die Verantwortung für ihre Arbeit und für die fachliche, sachliche Bewertung ihrer Ergebnisse ungebrochen hat, daß nicht schon in die Wahl der Themen der Wissenschaft die Beurteilung einer gesellschaftlichen Wirksamkeit eingebracht wird. Die setzt dann ein, wenn die Wissenschaft zur Sache gekommen ist, wenn sich die Frage stellt, wie Ergebnisse der Wissenschaft in Technologie, in die Praxis umgesetzt werden können. Dies ist genau der Punkt, an dem eine verantwortliche politische Entscheidung über die Umsetzung durchzuführen ist - beispielsweise unter Aspekten des Umweltschutzes, Arbeitsplatzaspekten und genausowohl auch unter dem Aspekt der Humanisierung des Arbeitslebens. Hier liegt die Verantwortung der Politik, nicht aber in der Vorgabe von Themenkatalogen.
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Meine Damen und Herren, Herr Hauff hat festgestellt - und wir freuen uns darüber, daß dies so ist -, daß unser Land eine hervorragende Position bezüglich der Leistungen für die Forschung hat.
({7})
Das ist nötig, und das ist gut. Hier gibt es keinen Dissens. Es fragt sich jetzt aber: Was bedeutet dies im einzelnen für die Prioritäten? Offenkundig ist in den letzten Jahren nicht nur der Anteil der direkten Projektförderung zu Lasten der indirekten Förderung in der Wissenschaft gestiegen, sondern auch, und zwar massiv, der Anteil der Förderung der angewandten Forschung zu Lasten des Anteils der Grundlagenforschung.
({8})
Herr Minister Hauff, Sie sprachen von 30 %. Sie haben Spacelab mit einbezogen. Sie müßten aber von vergleichbaren Zahlen ausgehen. Wenn man gleiche Strukturen zugrunde legt - dies haben wir in der letzten Debatte vorgetragen, und es ist nirgends bestritten worden -, dann geht der Anteil der Grundlagenforschung im Haushalt des Forschungsministers von knapp einem Drittel bis unter ein Viertel zurück.
Das sieht der Wissenschaftsrat so wie wir. Deshalb warnt auch der Wissenschaftsrat den Forschungsminister davor, in wachsendem Maße anwendungsbezogene Forschung auf Kosten der Grundlagenforschung zu bevorzugen.
(Hasinger [CDU/CSU]: Hört! Hört
Wir können darüber streiten, was als Maß für die Leistung einer Forschung - es sind doch nicht nur die Kosten, sondern es ist die Leistung, die zählt - angemessen ist. Hier gibt es einen großen Streit.
Der Wissenschaftsrat bezieht sich in dieser Diskussion auf den „Science Citation Index". Herr Minister Hauff hat an anderen Orten vor kurzer Zeit darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik Deutschland viermal soviel für die Grundlagenforschung ausgibt wie Großbritannien.
({9}) - Klatschen Sie noch nicht!
Nach dem „Science Citation Index" ist festzustellen - und dies sagt der Wissenschaftsrat -, daß die Beiträge Großbritanniens zur Grundlagenforschung doppelt so relevant sind als die der Bundesrepublik. Da stimmt doch etwas nicht beim Verhältnis von Aufwand und Erfolg, wenn das Urteil des Wissenschaftsrates, der sich auf diese Basis bezieht, von Wert ist.
({10})
Es ist doch nicht wichtig, was wir bezahlen; es kommt darauf an, was wir erreichen können.
Das zeigt, daß Geld die Voraussetzung für eine vernünftige wissenschaftliche Arbeit ist - darüber gibt es keinen Streit. Aber es zeigt auch, daß anderes entscheidend sein dürfte. Entscheidend ist, ob es uns gelingt, Leistung zu ermutigen, Risikofreudigkeit bei der Wahl der Themen zu ermuntern, das forschungsfreundliche Klima zu schaffen über das sich Herr Hoffmann in der letzten Debatte lustig gemacht hat, über Spitzenforschung nachzudenken und darüber, warum wir bis heute nur ein rudimentäres System der Graduiertenförderung haben. Diese Diskussion ist bis jetzt nicht hinreichend geführt; wir werden dafür in der nächsten Woche etwas tun können.
Entscheidend ist, daß wir in der Politik auch mittelfristig verläßliche finanzielle Rahmenbedingungen der Forschung vorgeben, daß sich aber in die17876
sem Rahmen die Forschung in Freiheit und in Verantwortung der Wissenschaftler entwickeln kann. Entscheidend ist, daß wir uns auf die Leistungsbereitschaft und auf den Ideenreichtum der Wissenschaftler verlassen, daß wir sie von der Politik aus nicht beengen, sondern diesen Ideenreichtum freisetzen. Die in der Tat in einzelnen Bereichen hervorragenden Leistungen der deutschen Wissenschaft haben uns hier durchaus zu ermutigen.
({11})
Entscheidend bleibt, daß die Idee des einzelnen, die ja auch gerade bei der Arbeit im Team, von dem wir alle heute leben, wesentlich ist, sich durchsetzen kann.
Wir begrüßen es, daß der Ausschuß in seiner Beschlußempfehlung in wichtigen Teilbereichen, aber eben nur in Teilbereichen, zu einem einstimmigen Votum gekommen ist. Wir begrüßen es, daß die Grundlagenforschung auch in der allgemeinen politischen Diskussion in Deutschland zunehmend den Rang gewinnt, der ihr zukommt. Sie ist die Grundlage für Innovation und für die Möglichkeit unseres Landes, in Zukunft zu bestehen.
Aber wie SPD und FDP die Forschungspolitik hier angelegt haben, ist ein ordnungspolitisch gefährlicher Irrweg. Es ist ein Weg, der zu einer zunehmenden Forschungslenkung führt. Und es ist nicht nur schlimm, daß es so ist, sondern auch, daß dies von Ihnen im Grunde genommen als Problem überhaupt nicht erkannt wird.
({12})
Was wir brauchen, ist die Freiheit in der Forschung und die Verantwortung in der Politik - die Freiheit in der Forschung, für die wir den Rahmen schaffen, und die Verantwortung in der Politik. Wir brauchen hier ein Instrument, um dann tatsächlich eine verantwortliche Technologiefolgenabschätzung zu betreiben und nicht nur in allgemeinen Reden erbaulich darüber zu sprechen. - Ich danke Ihnen.
({13})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen der Ausschüsse.
Zuerst Punkt 28 der Tagesordnung: Bundesbericht Forschung VI, Drucksache 8/3858. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3858 unter I, den Forschungsbericht VI auf Drucksache 8/3024 zustimmend zur Kenntnis ' zu nehmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt weiter auf Drucksache 8/3858 unter II die Annahme einer Entschließung. Zu dieser Beschlußempfehlung liegt auf Drucksache 8/4158 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Neufassung vor. Wer dem Änderungsantrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht,
den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/3858 unter II zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 29 der Tagesordnung: Faktenbericht 1977 zum Bundesbericht Forschung. Der Ausschuß empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, und die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so angenommen.
Punkt 30 der Tagesordnung: Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland, Drucksache 8/3879. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3879 die Annahme einer Entschließung. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4175 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vor. Wer diesem interfraktionellen Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist so beschlossen.
Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 31 der Tagesordnung auf: Meeresforschung und Meerestechnik, Drucksache 8/3861. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3861 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobel - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 32 der Tagesordnung auf: Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen im Rat über ein mehrjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm der EWG auf dem Gebiet der Rückgewinnung von Industrie- und Hausmüll, Drucksachen 8/3406, 8/3860. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3860, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Das hat das Haus getan.
Ich rufe Punkt 33 der Tagesordnung auf: Vorschlag eines Beschlusses des Rates für ein Mehrjahresprogramm der Gemeinsamen Forschungsstelle 1980 bis 1983, Drucksachen 8/2891, 8/3882. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3882, die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen. Auch das hat das Haus durch die Beratung getan.
Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf: Vorschlag eines Beschlusses des Rates über ein technisches Forschungsprogramm auf dem Gebiet der Tonminerale und technischen Keramik, Drucksachen 8/3161 Nr. 67, 8/4099. Der Ausschuß schlägt auf Drucksache 8/4099 unter den Ziffern 1 und 2 vor, die EG-Vorlage zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und eine Entschließung anzunehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe Punkt 35 der Tagesordnung auf: Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines zweiten mehrjährigen Forschungs- und Entwicklungsprogramms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für den Textil- und Bekleidungssektor, Drucksachen 8/2859, 8/4100. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4100 unter I und II, die Vorlage auf Drucksache 8/2859 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und eine Entschließung anzunehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 17. Juni 1980, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.