Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführten Beratungspunkte:
1. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes ({0})
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({1})
Innenausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
2. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Ergänzung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages ({2}) ({3})
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({4})
Innenausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
3. Erste Beratung des von den Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Sprung, Spilker, Rapp ({5}), Gobrecht, Dr. Spöri, Kühbacher, Frau Matthäus-Maier, Schleifenbaum, Dr. Haussmann und den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften ({6})
Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 20. Mai 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Internationale Bewertung des Kernbrennstoffkreislaufs ({7}) ({8})
zuständig:
Ausschuß für Forschung und Technologie ({9}) Ausschuß für Wirtschaft
Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den institutionellen Aspekten des Beitritts Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft ({10})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine fünfte Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern im grenzüberschreitenden Reiseverkehr ({11})
zuständig: Finanzausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Wahrung der Menschenrechte in der Tschechoslowakei ({12})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Asylgewährung für kubanische Bürger ({13})
zuständig:
Innenausschuß ({14}) Auswärtiger Ausschuß
Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Wiedergutmachung und Kriegsfolgengesetzgebung ({15})
zuständig:
Haushaltsausschuß ({16}) Innenausschuß
Auch dagegen gibt es keinen Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Auf Grund einer in der gestrigen Ältestenratssitzung getroffenen Vereinbarung wird folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde vorgeschlagen. In der nächsten Sitzungswoche, der Woche vom 9. Juni 1980, findet wegen der eingeschränkten Sitzungsmöglichkeiten nur eine Fragestunde statt. Die Fragestunde dauert 60 Minuten.
Präsident Stücklen
Entsprechend § 127 der Geschäftsordnung muß ich eine qualifizierte Feststellung treffen. Ist das Haus mit dieser Abweichung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist die erforderliche Mehrheit gegeben.
Die Fragestunde findet am Freitag, dem 13. Juni, von 8 bis 9 Uhr statt.
Amtliche Mitteilungen ohne Vorlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 13. Mai 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hauser ({17}), Pfeifer, Rühe, Frau Benedix-Engler, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Voigt ({18}), Berger ({19}), Frau Dr. Wilms, Frau Dr. Wisniewski, Frau Männle, Regenspurger, Frau Dr. Neumeister und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zuwendungen aus dem Einzelplan 31 des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft an im Bereich der Schule tätige Verbände - Drucksache 8/3962 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/4017 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 21. Mai 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulte ({20}), Dr. Dollinger, Lemmrich, Dr. Jobst, Dreyer, Sick, Schröder ({21}), Feinendegen, Frau Hoffmann ({22}), Milz, Straßmeir, Tillmann, Weber ({23}), Bühler ({24}), Rawe, Dr. Riedl ({25}), Dr. Friedmann, Pfeffermann, Dr. Kunz ({26}), Spilker, Glos, Weiskirch ({27}), Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch, Dr. Möller, Dr. Jenninger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kapazitätsgrenzen der Deutschen Bundesbahn - Drucksache 8/3977 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/4117 verteilt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 20. Mai 1980 die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschriften - Drucksache 8/3917 - übersandt. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/4034 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 9. bis 20. Mai 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/4116 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die Antworten auf die Fragen für die Sitzungswoche des Deutschen Bundestages vom 19. Mai 1980 in Drucksache 8/4023 werden als Anlagen zum heutigen Stenographischen Bericht abgedruckt.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sozialgesetzbuches ({28}) - Jugendhilfe -- Drucksache 8/2571 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({29}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4027 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rose
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({30})
- Drucksachen 8/4010, 8/4080 - Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Karwatzki Kuhlwein
({31})
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Jugendhilfe
- Drucksache 8/3108 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({32}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4027 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rose
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({33})
- Drucksachen 8/4010, 8/4080 - Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Karwatzki Kuhlwein
({34})
c) Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe - Fünfter Jugendbericht - ({35}) sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht
- Drucksache 8/3684 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({36}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
d) Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe - Fünfter Jugendbericht -- Drucksache 8/3685 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({37}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Karwatzki.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gestaltung der Jugendhilfe wird auch von der Diskussion um die Bildungsplanung und die Bemühungen im Bereich der Daseinsvorsorge in der Bundesrepublik Deutschland betroffen. An dem Zustandekommen gesetzlicher Bestimmungen dürfen deshalb nicht allein die politischen Entscheidungsgremien beteiligt sein. Deshalb ist es notwendig, sich vor allem unter gesellschaftspolitischen und pädagogischen Aspekten mit den Vorstellungen der Jugendhilfe auseinanderzusetzen.
Jugendhilfe bezeichnet alle Maßnahmen im Bereich der Jugendfürsorge und Jugendpflege, die von freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe zur Förderung der Integration junger Menschen in die Gesellschaft neben Elternhaus, Schule und Berufsausbildung geleistet werden. Der Jugendfürsorge hingegen obliegt im wesentlichen die Aufgabe, Erziehungs- und Entwicklungsdefiziten junger Menschen vorzubeugen und sie gegebenenfalls zu heilen. Jugendarbeit als Teil der Jugendpflege ist der Erziehungs- und Bildungsbereich, der jungen Menschen in ihrer Freizeit Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten soll.
Um die aktuelle Situation der Jugendhilfe und die Stellung des jungen Menschen zu verdeutlichen, ist ein kurzer geschichtlicher Rückblick erforderlich. Entstanden ist Jugendwohlfahrt, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Teil der Armenpflege, vor allem aus dem Bemühen kirchlicher Institutionen heraus. In der Reformation wurde sie auch als Zwangsarmenpflege zur Bekämpfung des Bettlerunwesens von staatlicher Seite aufgegriffen. Beeinflußt von den Ideen und der pädagogischen Praxis Pestalozzis entwickelten sich Rettungshäuser zur Unterbringung verwahrloster und gefährdeter Kinder und Jugendlicher mit dem Ziel, jungen Menschen eine planvolle Elementarerziehung zu gewähren und sie zu „nützlichen Gliedern der Gesellschaft" heranzubilden. Diese Rettungshäuser werden als Vorläufer der Fürsorgeerziehungsheime angesehen. Der Ansatz, junge Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern und sie auf ihre Verantwortung als Erwachsene vorzubereiten, ist auch heute noch wesentlicher Bestandteil der Jugendfürsorge. Infolge der Industrialisierung, die auch die Kinderarbeit zuließ, und dieser ihrer Auswirkungen wurde die Forderung nach einer intensiveren Sozialerziehung erhoben, um Kindern und Jugendlichen die Integration in die Gesellschaft zu erleichtern.
Die Ende des 19. Jahrhunderts erschienenen reformpädagogischen Schriften sowie die beginnende Jugendbewegung beeinflußten die Arbeit von Jugendfürsorge und Jugendpflege. Nunmehr galt es stärker als bis dahin, die Jugend auch vor Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen zu schützen.
Dem Bestreben nach reichseinheitlicher Regelung und der Forderung, einer Zersplitterung der Jugendwohlfahrt entgegenzuwirken, trägt das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922 Rechnung. Darüber, daß dieses Gesetz den heutigen Anforderungen auch unter Berücksichtigung der nachkonstitutionellen Änderungen nicht mehr voll gerecht wird, sind sich alle Parteien einig. Der Ansatz, den engeren Gesichtspunkt der Jugendfürsorge durch intensivere Jugendpflege und durch Unterstützung und Ergänzung der Erziehung in der Familie zu ergänzen, ist im Jugendwohlfahrtsgesetz zwar schon vorhanden, aber noch nicht durchgeführt. Aus diesem Grunde begrüßen auch wir die Reformbestrebungen, zu deren Diskussion wir heute zusammengetreten sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist das Verdienst der CDU/CSU-Fraktion und der unionsgeführten Bundesländer, daß der Regierungsentwurf von Februar 1979, so wie er Ihnen jetzt in der Fassung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vorliegt, beachtliche Änderungen enthält. Bei aller Kritik, die die von der Mehrheit des Ausschusses verabschiedete Fassung nach wie vor verdient, müssen wir doch hervorheben, daß wir in wesentlichen Punkten sinnvolle und damit tragbare Korrekturen durchsetzen konnten.
So möchte ich besonders herausstellen, daß es auf Grund des unerbittlichen Beharrens der Union gelungen ist, daß wir heute über einen Entwurf eines eigenständigen Jugendhilfegesetzes beraten und nicht auf der Grundlage der Einbeziehung von Jugendhilfe in das Sozialgesetzbuch. Schon zu Beginn der Auseinandersetzung um die Jugendhilferechtsreform stellte sich die geplante Einbeziehung der Jugendhilfe in das Sozialgesetzbuch als nicht sachgerecht heraus.
Des weiteren nehmen wir für uns in Anspruch, eine bessere Ausrichtung des Gesetzes auf das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes erreicht zu haben. Der Grundsatz, wonach Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht sei, ist durch unser Betreiben nun an markanter Stelle in § 1 Abs. 2 fixiert worden. Dies war gerade deswegen dringend geboten, weil diese Bundesregierung seit ihrem Bestehen eine Politik betreibt, die die Rechte der Familien und der Eltern immer mehr staatlichen Eingriffen aussetzt.
({0})
- Ja. - Gerade die Familie als die beständigste Form menschlichen Zusammenlebens und als Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung darf nicht zu einem Betätigungsfeld staatlicher „Sozialakteure" werden.
({1})
Nach unserer Auffassung sind Eltern professionelle Erzieher und keine Amateure.
({2})
Auch die heftig diskutierte Frage des eigenständigen Antragsrechtes Jugendlicher auf Leistungen der Jugendhilfe konnte durch unseren Einsatz dahin gehend gelöst werden, daß durch § 7 Abs. 3 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung nunmehr die Möglichkeiten des Jugendlichen, ohne Wissen oder gegen den Willen der Eltern Anträge an das Jugendamt zu stellen, auf ein vertretbares Maß reduziert wurden. Die Personensorgeberechtigten haben nun das Recht, einen Antrag des Jugendlichen jederzeit zurückzunehmen.
Ich hoffe sehr, daß die genannten Zugeständnisse der Koalitionsfraktionen nicht nur ein Versuch sind, uns zur Zustimmung zu bewegen, sondern daß die Änderungen von der Überzeugung jedes einzelnen Abgeordneten getragen werden. Dennoch halten wir die Regelungen des Bundesratsentwurfes zu diesen Komplexen für weitaus besser.
Ein herausragender Punkt unserer Kritik war auch die zu starke Regelungsintensität des Regierungsentwurfes. In der Urfassung war die Tendenz, alles bis ins kleinste Detail hinein zu regeln, sehr deutlich vorhanden. Sie ist trotz einer übersichtlicheren Paragrapheneinteilung und trotz einfacherer Fassung einiger Vorschriften nicht beseitigt worden. Zwar konnten einige allzu weitreichende Bestimmungen vereinfacht und gestrafft, einige ganz gestrichen werden, und in einigen Fällen erhielten die Länder gewisse Kompetenzen, jedoch konnte es nicht gelingen, den Entwurf von seiner perfektionistischen Grundhaltung zu befreien. Jugendhilfe ist in Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet sicherlich
anders zu organisieren und auszugestalten als in Landgemeinden im Lande Bayern oder Schleswig-Holstein. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die eine oder andere Regelung besser der Gesetzgebung der Länder hätte überlassen werden sollen.
Die CDU/CSU ist zwar der Meinung, daß der Entwurf in seiner jetzigen Form etwas verständlicher und sprachlich klarer gefaßt ist als die ursprüngliche Fassung, doch bleiben unsere Bedenken dahin gehend weiter bestehen, daß sich eben nicht nur Juristen mit dem Gesetz zu befassen haben, sondern in der täglichen Praxis vor allem die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Jugendhilfe, die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. Hier hätte jetzt der Bundestag einmal die Möglichkeit, ein Gesetz zu schaffen, welches ohne Rechtsbeistand gelesen und vielleicht auch angewendet werden könnte. Der Entwurf des Bundesrates ist in dieser Beziehung in jedem Falle besser.
Ich komme nun zu den Kernpunkten der Kritik, die nach wie vor an dem Regierungsentwurf in der Fassung des Ausschusses verbleibt. Sie wissen, daß es eine unverzichtbare Forderung der CDU/CSU ist, das Subsidiaritätsprinzip, also die Vorrangstellung der freien Träger der Jugendhilfe gegenüber den öffentlichen Trägern, beizubehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 1967 festgestellt, daß das Subsidiaritätsprinzip mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Es ist überhaupt nicht einzusehen, wieso nun plötzlich von diesem Grundsatz, der sich jahrzehntelang bewährt hat, abgerückt werden soll.
({3})
Lassen Sie mich die theoretischen Grundlagen des Subsidiaritätsgedankens hier einmal entwikkeln. Die CDU/CSU geht davon aus, daß wir in einer freien Gesellschaft leben, in der unterschiedliche Wertvorstellungen und unterschiedliche politische Auffassungen miteinander in Konkurrenz stehen, um für das Zusammenleben von Menschen stets bessere Lösungen zu erreichen. Diese Voraussetzungen sind in einem modernen Staat auf Dauer nur dann gegeben, wenn - jetzt für die Jugendhilfe gesprochen - in den Bereichen der Jugendbildung, der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und der Jugendfürsorge für junge Menschen unterschiedlicher Gesinnung die Möglichkeit des freien Zusammenschlusses besteht und wenn sich junge Menschen für ihre eigene Vorstellung in Gesellschaft und Staat einsetzen können. Auf Grund des immer stärkeren Eindringens staatlichen Einflusses in die Bereiche Erziehung und Bildung und auch im Hinblick auf die Verplanung der Freizeit verringern sich diese Möglichkeiten aber in zunehmendem Maße. Dabei ist zu befürchten, daß sich diese Tendenz in Zukunft noch verstärkt. Nur eine Struktur von Jugendhilfe in dem von mir beschriebenen Sinne sichert die erstrebenswerte Vielfalt des Angebots, die für eine freie Gesellschaftsordnung und für eine lebendige Demokratie kennzeichnend ist.
Wenn wir von diesen Vorgaben ausgehen, müssen wir von Politik und Gesetzgebung verlangen, daß im Interesse der beschriebenen Vielfalt solche Kräfte gestärkt werden, die nicht auf politische
Kompromisse verpflichtet sind und durch die die Ausgewogenheit des Gesamtangebots dadurch hergestellt wird, daß sie die Bildung anders ausgerichteter Gruppen hervorrufen.
Papst Pius XI. äußerte sich bereits im Jahre 1931 in seiner Enzyklika ,,Quadragesimo anno" zum Subsidiaritätsprinzip wie folgt:
Es muß allzeit unverrückbar jener höchst gewichtige sozialphilosophische Grundsatz festgehalten werden, an dem nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit
- und hier ist die Aktivität des Staatswesens gemeint ist ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär. Sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Zitat zu diesem Problem entnehme ich einem Aufsatz von Professor Dr. Walter Schmitt-Glaeser über das Thema „Planung und Grundrechte". Er schreibt:
Die Optimierung der Freiheit durch den Staat führt zu einer Minimierung der Freiheit des Bürgers und damit zu ihrer Denaturierung.
Auf Planung bezogen, aber durchaus auch auf unser Thema anwendbar ist die diesbezügliche Feststellung von Schmitt-Glaeser:
Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß der Staat den Inhalt der Grundrechte vorgibt und die Freiheit „definiert". Damit wird gerade dort, wo der Einzelne seine individuelle Eigenart entfalten und in die Gemeinschaft einbringen soll, staatliche Bevormundung praktiziert; der Grundrechtsträger wird „in Pflegschaft" genommen, der Staat nimmt die Freiheit gleichsam „in Vertretung" für den Bürger wahr. Dies entspricht gewiß nicht dem Grundrechtsverständnis unserer Verfassung.
({4})
Das heißt, auf unser Problem bezogen: Je mehr der öffentliche Träger den Ehrgeiz hat, selbst erschöpfende Angebote der Jugendhilfe zu machen, desto geringer wird der Spielraum der freien Träger.
Für ein neues Jugendhilfegesetz leiten wir daraus unseren Standpunkt ab: Wir akzeptieren die Rahmenorganisation der öffentlichen Träger in Form der - von den Jugendhilfeausschüssen unterstützten - Jugendämter; wir verlangen jedoch, daß die öffentlichen Träger von eigenen Maßnahmen abseFrau Karwatzki
hen, solange ein vielfältiges und geeignetes Angebot durch die freien Träger sichergestellt wird. Soll denn etwa die konkrete Ausgestaltung der Jugendhilfe von der politischen Anschauung des jeweils politisch Verantwortlichen oder des Jugendamtsleiters abhängig sein? Oder soll sich das Erbringen von Jugendhilfeleistungen an den jeweils von der Landesregierung unterstützten pädagogischen Lehrmeinungen orientieren? Doch sicher nicht! Wir wollen, daß es die freie Entscheidung der Eltern und der jungen Menschen selbst bleibt, welche Institution sie in Anspruch nehmen wollen.
({5})
Wir müssen uns auch fragen: Inwieweit kann das Angebot des öffentlichen Trägers überhaupt eine Alternative sein? Wird durch die öffentlichen Träger nicht ein Verzicht auf Wertorientierung angeboten, da diese sich eigentlich neutral zu verhalten haben?
Von seiten der Mehrheit im federführenden Ausschuß wurde die Auffassung vertreten, daß zu dem Angebot eines freien Trägers gewissermaßen zwingend ein Angebot des öffentlichen Trägers hinzutreten müsse. Dazu ist grundsätzlich zu sagen: Wenn nur ein einziger Träger ein Angebot macht, so hat sich dieser auf Grund seiner „Monopolstellung" ja auf jeden Fall gemäß § 1 Abs. 4 an der von den Eltern vorgegebenen Grundrichtung der Erziehung zu orientieren. Aber das ist auch nicht das Problem. Ich frage: Wieso soll die Vielfalt, die SPD und FDP durch das unbedingte Einschalten öffentlicher Träger zu gewährleisten glauben, nicht durch freie Träger anderer Ausrichtungen geschaffen werden, also beispielsweise den Bund der Deutschen Katholischen Jugend auf der einen und „Die Falken" auf der anderen Seite oder andere Gruppierungen, etwa die Arbeiterwohlfahrt auf der einen und das Diakonische Werk auf der anderen Seite? Ich glaube, Frau Minister Huber, Sie erweisen auch den freien Trägern der Jugendhilfe, die Ihnen und Ihrer Partei nahestehen, keinen Gefallen, indem Sie die Vorrangstellung der freien Träger abschaffen wollen.
Im Regierungsentwurf in der Fassung des Ausschusses ist gleich in § 3 Abs. 3 von der „partnerschaftlichen Zusammenarbeit" zwischen freien und öffentlichen Trägern die Rede. Dies ist zwar eine gutklingende Formulierung, dieses Prinzip der „partnerschaftlichen Zusammenarbeit" dürfte aber in der Praxis darauf hinauslaufen, daß der öffentliche Träger immer und eindeutig die Übermacht besitzt. Mit Hilfe seines Verwaltungsapparates und seiner im Verhältnis größeren finanziellen und personellen Kapazitäten befindet sich der öffentliche Träger in einer viel stärkeren Ausgangsposition, die ihm von vornherein ein wesentliches Übergewicht sichert. Hinzu kommt, daß den Aktivitäten der Jugendämter stets auch noch ein hoheitlicher Charakter anhaftet. Unter diesen Voraussetzungen kann von einem partnerschaftlichen Zusammenwirken wohl kaum die Rede sein.
Die Formel von der „partnerschaftlichen Zusammenarbeit" hat wohl nur im vorderen Teil des Entwurfes Gültigkeit. Dies wird deutlich, wenn Sie sich
§ 102 ansehen, wo der entscheidende Satz in Abs. 2 lautet:
Ist ein anerkannter freier Träger der Jugendhilfe bereit, Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen gemäß Absatz 1 rechtzeitig zu schaffen und zu betreiben, soll ihm in der Regel Gelegenheit dazu nach Absatz 3 gegeben werden.
Das heißt mit anderen Worten, es steht im Ermessen des öffentlichen Trägers, wann und wo welcher freie Träger mit welcher Maßnahme tätig werden darf. So ist die Situation für den Fall, der mit den Worten „in der Regel" umschrieben ist. Wann die Ausnahme von dieser Regel eintreten soll, steht ganz im Ermessen des öffentlichen Trägers selbst. Dazu braucht dieser den Einsatz der freien Träger in seine Überlegungen überhaupt nicht mehr einzubeziehen.
Frau Minister Huber und meine Damen und Herren von der SPD/FDP, durch diesen § 102 führen Sie all Ihr Gerede vom Funktionsschutz für die freien Träger ad absurdum.
({6})
§ 102 bietet jedenfalls keinen Funktionsschutz. Aus diesem Grund ist die Vorrangstellung der freien Träger der Jugendhilfe, wie es der Bundesratsentwurf vorsieht, durch eine Muß-Vorschrift abzusichern. Ein Tätigwerden des anerkannten freien Trägers darf nur davon abhängig gemacht werden, ob er rechtzeitig ausreichende und geeignete Angebote machen kann. Solange freie Träger vorhanden sind, die eine Aufgabe übernehmen sollen und dazu auch in der Lage sind, sollen sie auch vorrangig durch finanzielle Zuwendung des öffentlichen Trägers unterstützt werden.
Wenn aber die ,Auftragsvergabe" völlig in das Ermessen des öffentlilchen Trägers gestellt wird, so gilt dies gemäß § 102 Abs. 3 leider auch für die finanzielle Förderung der freien Träger. Dies bedeutet für die Praxis, daß einzelnen freien Trägern schwerpunktmäßig der Zuschlag versagt werden kann, wenn sie sich z. B. in Arbeitsweise und Wertorientierung von den Vorstellungen des öffentlichen Trägers abheben. Sie erhalten somit vielleicht über mehrere Jahre hinweg keine öffentlichen Gelder, und dies, obwohl sie eine Jugendhilfeleistung anbieten wollen und können. Ein solchermaßen konstruierter, Herr Kollege Kuhlwein, aber keineswegs undenkbarer Fall könnte bei einem Festhalten am Subsidiaritätsprinzip nicht eintreten.
({7})
Partnerschaftliche Zusammenarbeit, die wir bejahen, ist deshalb nur durch eine Vorrangstellung der freien gemeinnützigen Träger der Jugendhilfe möglich. Dabei darf Vorrang nicht mit Übermacht gleichgesetzt werden. So ist es bis heute auch nirgendwo praktiziert worden.
Ein zweiter wesentlicher Kritikpunkt der CDU/ CSU-Fraktion zur Jugendarbeit: Jugendarbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, und damit auch Jugendverbandsarbeit richtet sich an junge Menschen in ihrer Freizeit. Sie beruht daher auf freiheitlicher und freiwilliger Teilnahme. Die Entscheidungsmöglichkeit Jugendlicher, Angebote
der Jugendarbeit wahrzunehmen, in Gruppen mitzumachen, bei Projekten verantwortlich mitzuwirken, mit anderen zusammenzusein, miteinander etwas zu erleben, zu diskutieren, kann nicht nachträglich dadurch begrenzt werden, daß ihre Freizeit durch andere - Pädagogen, Soziologen, ehren- und nebenamtliche Mitarbeiter - gestaltet wird. Der junge Mensch muß Sicherheit gewinnen, er selbst sein zu dürfen, sich selbst zu bestimmen und selbst zu verantworten und nicht von anderen bevormundet, organisiert oder gar „verwaltet" zu werden.
({8})
Jugendverbandsarbeit versteht sich keinesfalls als Gegenpol zu den übrigen Lebensfeldern, etwa als idealistischer Sonderbereich ohne Bezug zu den übrigen Rollen des Jugendlichen. Junge Menschen kommen mit ihren aus Beruf, Schule und Familie zum Teil nicht erfüllten Wünschen, Bedürfnissen und Erwartungen, woraus sich einerseits eine Regenerations- und andererseits eine Kompensationsfunktion ableiten läßt. Die vielseitigen Forderungen, denen der junge Mensch heute gegenübersteht, die er erfüllen soll und in der Regel auch erfüllen will, sind für ihn kaum überschaubar und verunsichern ihn emotional. Ihn im Jugendverband ausschließlich mit neuen Forderungen zu konfrontieren, hieße, ihn weiter zu frustrieren und zu verunsichern. Deshalb kommt den primären Interessen und Bedürfnissen nach Erholung, Entspannung und Ausgleich in der Jugendverbandsarbeit große Bedeutung zu. Die Anerkennung auch dieser seiner Bedürfnisse sucht der Jugendliche u. a. gerade auch in einer Gruppe Gleichaltriger.
Das Selbstverständnis der Jugendarbeit reicht über eine ergänzende und ausgleichende Erziehung in Elternhaus, Schule und Ausbildungsstätte hinaus. Jugendverbandsarbeit versteht sich als Erziehungs-
und Bildungsinstitution, die ihre Bildungsaufgabe in der Verbindung von Wissensvermittlung, Wertorientierung und entsprechendem gesellschaftlichen Engagement sieht. Diese Bildung in der Freizeit kann allerdings nicht den Charakter von „Veranstaltung" für junge Menschen erhalten, die „durchgeführt" wird und methodisch „geplant" abläuft, sondern sie wird entscheidend durch die Selbstbestimmung jedes Gruppenmitgliedes verwirklicht. Eine didaktische Festlegung von Bildungsinhalten wie in der Schule ist nicht möglich. Auch aus diesem Grunde halte ich eine Aufteilung der Jugendarbeit in Fachbereiche in einem Bundesgesetz für unangebracht.
Die Pluralität der Jugendverbände eröffnet dem jungen Menschen die Möglichkeit, sich gemäß seinen Neigungen, Wünschen und seiner wertbezogenen Grundhaltung zu entscheiden. Wie Sie wissen, lehnt die CDU/CSU-Fraktion umfangreiche Definitionen der Jugendarbeit, wie sie in den §§ 17 bis 26 des Regierungsentwurfs enthalten sind, ab.
({9})
Wir meinen, daß es der freien Ausübung und der Weiterentwicklung der Jugendarbeit schadet, wenn ihre einzelnen Betätigungsfelder bundesgesetzlich so detailliert beschrieben werden. Alle Betätigungsbereiche der Jugendarbeit wird man ohnehin nie aufzählen können. Darum muß jeder Versuch, ein-. zelne Beispielsfälle festzuschreiben, den schiefen Eindruck erwecken, als solle sich Jugendarbeit nur und vor allem in diesem Rahmen abspielen. Es besteht die Befürchtung, daß die öffentlichen Träger in Zukunft nur noch das anzuerkennen bereit sind, was im Gesetz beschrieben ist, und daß finanzielle Unterstützung nur für die gesetzlichen Beispielsfälle geleistet wird. Eine solche Situation aber hemmt die Träger der Jugendarbeit in ihren Aktivitäten. Jeder Weiterentwicklung, vor allem neuen Formen, wäre ein Ende gesetzt.
Meine Damen und Herren, die Union spricht sich deshalb für einen einzigen Rahmenparagraphen aus, der die Jugendarbeit in Form einer Generalklausel von grundsätzlichen Erwägungen her beschreibt. Eine solche Vorschrift enthält der Entwurf des Bundesrats in § 12.
Einen dritten Punkt, meine Damen und Herren, möchte ich noch anfügen, nämlich die Vielfalt der Beratungsdienste. Die CDU/CSU begrüßt es, daß die ursprünglich über den gesamten Entwurf verstreuten Vorschriften und Hinweise über die verschiedenen Beratungsangebote in der Fassung des Ausschusses nunmehr in drei Paragraphen, nämlich 24, 30 und 40, zusammengefaßt sind. So bedeutsam und nützlich solche Beratungsangebote - also Jugendberatung, Familienberatung und Erziehungsberätung - im einzelnen auch sind, so darf doch ihre Inanspruchnahme keinesfalls dazu führen, daß die Erziehung in der Familie durch eine „außerhäusliche Erziehung" ersetzt wird, zu der eine solche Beratung leicht ausarten kann. Hinsichtlich verschiedener Beratungsmethoden und der auf unterschiedlichen Wertvorstellungen fußenden Beratungsergebnisse müssen Monopolstellungen und Ansprüche von öffentlichen Trägern durch Alternativangebote ausgeglichen werden. Auch hier würde sich die Beibehaltung des Subsidiaritätsprinzips positiv auswirken.
Ich fasse zusammen: Das Abrücken vom Subsidiaritätsprinzip, die staatliche Reglementierung der Jugendarbeit und die perfektionistische Grundrichtung des Regierungsentwurfs veranlassen die CDU/ CSU dazu, das Gesetz aus jugend- und familienpolitischen Bedenken abzulehnen. Zu den rechtlichen und den rechtspolitischen Aspekten werden gleich der Kollege Dr. Stark und die Kollegin Männle das Wort ergreifen.
Es war im Zusammenhang mit der Jugendhilfe-rechtsreform immer von einem „Jahrhundertgesetz" die Rede. Dieser Gesetzentwurf wird mit Sicherheit keines!
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als am 15. März 1979 in diesem Hause der Tagesordnungspunkt „Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Jugendhilfe -" aufgerufen wurde, war die Fachöffentlichkeit darüber erstaunt, daß es nach zehnjähriger Diskussion doch zu einer
parlamentarischen Beratung einer Reform des Jugendhilferechts kam. Sie war erstaunt vor allem darum, weil nach den strittigen Debatten auf vielen Ebenen, nach der Zurückweisung durch den Bundesrat und nach markigen Erklärungen von Oppositionspolitikern nur noch wenige an eine ernsthafte Beratung, geschweige denn an eine Verabschiedung in dieser Wahlperiode geglaubt hatten.
Lassen Sie mich daher rückblickend feststellen, daß ich heute davon überzeugt bin, daß jener Spätabend des 15. März 1979 eine Sternstunde in der Diskussion um eine Reform der Jugendhilfe war, eine Sternstunde deshalb, weil nach diesem Tag eine Beratungs- und Arbeitsphase um ein Reformvorhaben begann, die ich als vorbildlich bezeichnen möchte. Hier wurde ein demokratischer Meinungsbildungsprozeß in Gang gesetzt, der geradezu als Lehrbeispiel parlamentarischer Willensbildung gelten kann.
Hart, aber fair wurde um die bestmögliche Lösung gerungen, wurden Mehrheiten respektiert, Kompromisse gesucht, zum Teil akzeptiert, aber auch verworfen. Der Sachverstand der betroffenen Organisationen, Institutionen und Verbände wurde nicht nur in der öffentlichen Anhörung zu Rate gezogen, sondern begleitete die Ausschußarbeit über den gesamten Beratungszeitraum. Das gilt auch für den Bundesrat. Ich möchte besonders herausstellen, daß ich noch nie eine so engagierte Mitarbeit von Vertretern aus den Bundesländern erlebt habe wie bei dieser Gesetzgebung.
Ich sage das alles, obwohl mir bekannt ist, daß trotz mancher Annäherung, mancher Übereinstimmung, vielfacher Ausräumung von Vorurteilen und Fehleinschätzungen ein Grundkonsens dennoch nicht erzielt werden konnte und die Opposition die Vorlage ablehnen wird. Fest steht aber auch, daß alle Fraktionen eine Neuregelung im Jugendhilfebereich wollen, daß die Fachöffentlichkeit eine neue gesetzliche Grundlage von uns erwartet und alle Beteiligten die Fortentwicklung der Jugend- und Familienförderung auf der Grundlage der Einheit der Jugendhilfe akzeptieren.
Daß dieses Ergebnis zustande gebracht wurde, ist bemerkenswert. Ich möchte als Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit allen Fraktionen, besonders den Berichterstattern, Frau Karwatzki und Herrn Eckart Kuhlwein, und auch Herrn Eimer recht herzlich danken. Mein Dank gilt selbstverständlich auch den Verantwortlichen der Bundesregierung, den Vertretern des Bundesrats und - gestatten Sie mir, auch dies anzufügen - den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Ausschußsekretariats. Wenn dieses von Sach-
und Fachzwängen, von Vorlagenflut und Terminnot gebeutelte Hohe Haus jemals Zeit haben sollte, über seine eigenen Probleme zu sprechen, dann darf die Ausschußarbeit dabei nicht unerwähnt bleiben und nicht zu kurz kommen. In den Ausschüssen vollzieht sich die Kärrnerarbeit des Parlaments. Die Öffentlichkeit weiß davon wenig. Deshalb wollte ich diese Gelegenheit wahrnehmen, dies zum Ausdruck zu bringen.
Ich bitte um Nachsicht für diese Abschweifung. Im übrigen muß ich schnell wieder zur Sache zurückkommen, obwohl es mir am 23. Mai, dem Verfassungstag unserer Bundesrepublik, durchaus angemessen erschien, die parlamentarische demokratische Willensbildung in unserem Lande am Beispiel eines Gesetzes, in dem auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne unseres Grundgesetzes ausdrücklich hingewiesen wird, einmal positiv darzustellen.
({0})
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, in verbundener Debatte ist mit der zweiten und dritten Lesung des Jugendhilfegesetzes auch der Fünfte Jugendbericht aufgerufen. Gestatten Sie mir daher bitte zunächst einige Bemerkungen zu Punkt 27 c der Tagesordnung.
Es besteht kein Zweifel - in den Stellungnahmen der Presse und der Medien wird es bestätigt -: Die nach § 25 des geltenden Jugendwohlfahrtsgesetzes zu erstellenden Jugendberichte sind Stiefkinder in dem nur schwer zu übersehenden Berichtswesen dieses Parlaments. Bisher wurde nur der Vierte Jugendbericht, der zum Zeitpunkt seiner Vorlage allerdings schon überholt war, im Parlament behandelt. Der für die Jugendhilfegesetzgebung so wichtige Dritte Jugendbericht aus dem Jahre 1972 ging durch den vorzeitigen Ablauf der Wahlperiode völlig unter. Gegenstand dieses Berichtes, der erstmals von einer unabhängigen Sachverständigenkommission vorgelegt wurde, waren damals „Aufgaben und Wirksamkeit der Jugendämter in der Bundesrepublik Deutschland". Wie schon erwähnt, wurde diese wichtige Aussage nie parlamentarisch behandelt. Gerechterweise muß aber gesagt werden, daß die Erkenntnisse in die nachfolgenden Beratungen der Referentenentwürfe für ein Jugendhilfegesetz einbezogen wurden.
Der Fünfte Jugendbericht wird heute gleichzeitig mit der zweiten und dritten Lesung des Jugendhilfegesetzes behandelt, was bedeutet, daß seine Erkenntnisse vom Gesetzgeber nicht unmittelbar im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden konnten. Dies scheint nun ein Aha-Erlebnis der Opposition zu sein. Nun, Sie wissen genauso wie ich, daß man Zahlen, Fakten und Aussagen jeweils so interpretieren kann, wie es in das jeweilige politische Kalkül paßt.
So finden Sie in den Medien unterschiedliche Wertungen dieses Berichts, die man an den Schlagzeilen ablesen kann. Da heißt es: Mängelbericht über die Jugend - die Chancen der jungen Generation verspielen - kinderfreundliche Umwelt schaffen - Expertenkritik an der Jugendpolitik - Jugendbericht fordert Kurskorrektur - Helfer mit der Brechstange - Deprimierend: Lebenskampf unter Kindern - Ratlosigkeit um die Probleme der Jugend. Ich könnte so fortfahren. Das Für und Wider ist auffallend.
Die letzte Schlagzeile ist eine Verneigung vor Ihnen, Herr Kollege Kroll-Schlüter; denn aus Ihrer Feder stammt der Ausspruch: Ratlosigkeit um die Probleme der Jugend. Ich ändere kein Wort, sondern füge nur ein Fragezeichen hinzu. Dann lautet der
Ausspruch: Ratlosigkeit um die Probleme der Jugend? Darauf antworte ich klar und entschieden mit Nein.
Die Sachverständigen weisen auf die besonders schwierigen Voraussetzungen für die gesellschaftliche Integration der jungen Generation hin. Dies ist nicht zu leugnen. Sie führen neue Gefährdungstatbestände und Problemlagen für junge Menschen in unserer modernen Industriegesellschaft an. Diese Tatsache können wir doch nicht wegdiskutieren. Was die neuen Problemlagen angeht, so schließe ich mich weitgehend der Aussage einer Expertengruppe an, der neben Herrn Professor Dr. Helmut Becker 26 andere hervorragende Persönlichkeiten angehört haben und die die Situation wie folgt darstellt:
Die Strukturverschiebungen in der Jugendhilfe haben ihren Grund in neuen Problemlagen: Erziehungsprobleme, Verunsicherung und Überforderung der Eltern, Kindermißhandlungen, Kinderfeindlichkeit der modernen Wohnumwelt; Schulstreß, Belastungen von Schülern und Eltern durch die Schule, Leistungsangst und Leistungsversagen, Apathie und Aggressionen; Anwachsen von Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen, Jugendarbeitslosigkeit, Zukunftsangst und Berufsnot eines großen Teils der Jugend; Drogenkonsum, Alkoholismus und Flucht in sektiererische „neue Jugendreligionen", aber auch Anwachsen neofaschistischer Tendenzen unter der Jugend; zunehmende Schwierigkeiten ausländischer Kinder und Jugendlicher der zweiten und dritten Generation, in zwei Kulturen leben zu müssen.
Diese Probleme, meine Damen und Herren, sind nicht durch das Versagen von Eltern, Kindern, Lehrern und Ausbildern verursacht, sie beruhen nicht einfach auf einem Qualitätsverlust der herkömmlichen Erziehungsinstitutionen. Sie sind Ausdruck ungelöster Konflikte in der Bundesrepublik, wie sie sich in ähnlicher Form in allen entwickelten Industriegesellschaften abzeichnen. Ich könnte diese Aufzählung jetzt fortsetzen und auch auf den Bericht der Nationalen Kommission für das Internationale Jahr des Kindes hinweisen, in dem von allen einmütig dargestellt wird, daß wir noch viel zu tun haben und daß die Situation der Kinder und Jugendlichen entscheidend verbessert werden muß.
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Ich gebe zu, daß im historischen Vergleich der Entwicklung der letzten 30 Jahre im Fünften Jugendbericht vieles überzeichnet ist und ich persönlich manche Einschätzung aus meiner eigenen beruflichen und persönlichen Erfahrung anders wiedergeben würde. Aber ist denn eine Überzeichnung ein Verbrechen? Ja, muß man in unserer von Reizüberflutung gekennzeichneten Zeit nicht überzeichnen, um sich bei den Verantwortlichen überhaupt Gehör zu verschaffen? Es ist bedauerlich, aber wahr, wenn ich feststelle, daß die Politik oft nur durch Reizvokabeln aufgeschreckt wird und solche Berichte überhaupt nur zur Kenntnis genommen werden, wenn etwas Aufreißerisches drinsteht.
({2})
Es ist daher auch billig von der Opposition, nur die Bundesregierung für die beschriebenen Mängel in die Verantwortung zu nehmen. Die im Fünften Jugendbericht dargestellte Situation der jungen Generation haben Länder und Gemeinden mit zu verantworten. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß in den Ländern und vor Ort unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse vorhanden sind. Dazu kommt noch, daß alle Probleme im Schul- und Bildungsbereich fast ausschließlich in die Länderkompetenz fallen.
Man kann nun trefflich darüber streiten, ob die Anlage des Berichtes richtig war, ob eine Gesamtabdeckung der Jugendhilfebestrebungen erfolgte, ob sich die ausgewählten Problemfelder für eine Gesamtaussage hochrechnen lassen. Man kann auch darüber reden, ob diese Dramatisierung gerechtfertigt ist. Ich bin aber der Meinung, daß der Vorwurf nicht die Sachverständigen treffen kann. Die Zunahme von Alkoholismus, Drogensucht, Kinderselbstmorden, Hinwendung zu Jugendsekten, die Abwendung vieler Jugendlicher vom gesellschaftlichen und politischen Leben sind dramatische Symptome einer Fluchtbewegung junger Menschen, die gar nicht deutlich genug gemacht werden kann.
Um diese Entwicklungen aufzuhalten, um positive Alternativen anzubieten und um gesellschaftliche Angebote unterbreiten zu können, sind wirklich vielfältige Förderungsmaßnahmen notwendig. Dies bezieht sich auch auf die finanzielle Förderung der Jugendhilfe in unserem Gemeinwesen. Daran sollten Stadt- und Kreiskämmerer, Länder- und Bundesfinanzminister auch denken, wenn sie Prioritäten in der Finanzplanung und -ausstattung setzen.
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Die Politiker aller Ebenen, die sich für die junge Generation verantwortlich fühlenden Persönlichkeiten, die Kirchen, Gewerkschaften und Verbände möchte ich aufrufen und ermuntern, den Konfliktstoff, der sich in unserem Staate zwischen den Generationen aufgestaut hat, und der im Fünften Jugendbericht auch seinen Niederschlag findet, zu untersuchen und an der Lösung der Probleme engagiert mitzuarbeiten.
Für mich persönlich und für die sozialdemokratische Fraktion sind folgende Feststellungen in bezug auf die aktuelle Gesetzgebung besonders bemerkenswert: Es wird dort festgestellt, daß ein stärkeres Engagement aller Beteiligten notwendig ist und das ehrenamtliche Element verstärkt werden muß. Besonders gilt dies für die Jugendarbeit und im Erziehungsbereich. Selbsthilfegruppen, Initiativgruppen sollten auch eine Chance haben, im gesamten Jugendhilfebereich mitzuwirken. Das haben wir dann auch im Gesetzentwurf berücksichtigt. Mehr Mitwirkungschancen für Jugendliche und Erweiterung des Erfahrungsraums von jungen Menschen und Familien sind dringend notwendig. Die Feststellung von besonders einschneidenden Entwicklungsrückständen in der Jugendarbeit, Familienförderung, im
Pflegekinderwesen und in den Beratungsdiensten ist zutreffend und doch nicht wegzuleugnen.
Diese Aussage führt uns wieder zum Jugendhilfegesetz zurück. Meine sehr verehrten Damen und Herren, während ich bei der ersten Lesung des Gesetzes einen historischen Abriß gegeben habe, will ich heute nur den tagespolitischen Trend nachzeichnen. Auf die kooperative Einstellung aller Beteiligten bin ich schon eingegangen. Der Ausschußbericht stellt fest, daß in der Sachverständigenanhörung einmütig von den dort anwesenden Organisationen, Sachverständigen und Verbänden gefordert wurde, die Reform des Jugendhilferechts noch in dieser Wahlperiode zu verwirklichen und anstelle der im Regierungsentwurf vorgesehenen Einbeziehung des Jugendhilferechts in das Sozialgesetzbuch ein eigenständiges Jugendhilfegesetz zu schaffen. Ferner wurde gefordert, die Reform nicht an Finanzierungsfragen scheitern zu lassen, den Gedanken der Einheit der Jugendhilfe in dem Gesetz angemessen zu berücksichtigen und die Prinzipien der Wertorientierung besser zu verankern. Das war einhellige Meinung.
Die Mobilisierung der Beteiligten erreichte im Herbst 1979 ihren Höhepunkt. Ich glaube, noch nie war eine so starke Motivation für dieses Reformvorhaben vorhanden wie in dieser Phase bis Ende 1979. So heißt es z. B. in der Denkschrift des Caritasverbandes vom Juni 1979:
Ein Scheitern der Jugendhilferechtsreform würde Resignation und Enttäuschung unserer Jugend verstärken und als Indiz dafür aufgefaßt werden, daß unser Staat nicht dazu in der Lage ist, für die uns alle betreffenden gemeinsamen Aufgaben auch gemeinsame Lösungen zu finden. Das neue Jugendhilfegesetz verdient eine Chance.
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Zweifel kamen erst Anfang 1980 auf, als die weltpolitische Entwicklung, die naturgemäß gesamtstaatlich zu Finanzierungsbelastungen führte, den Finanzierungsvorbehalt für ein solches Gesetz wieder stärker in den Vordergrund rückte.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich wiederholen: Das Finanztrauma verfolgt die Jugendhilfe von 1922 über 1974 bis 1980. Ich appelliere daher an alle Verantwortlichen, bevor sie das Finanzfallbeil betätigen, eine Güterabwägung vorzunehmen und die Frage zu beantworten, was uns die Jugendarbeit, die Jugendhilfe in diesem Lande und in unserer Gesellschaft wert ist.
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Die Ausgaben für Jugendhilfe steigen jährlich um 8 bis 10 %. Deshalb ist die Frage erlaubt, ob nicht gerade durch dieses neue Jugendhilfegesetz, dessen volle Kostenwirksamkeit erst 1987 eintritt, schon im Vorfeld durch Setzung neuer Prioritäten ein kostenregulierendes Element eingesetzt wird.
Da mein Kollege Eckart Kuhlwein, dem ich für sein vorbildliches Engagement noch einmal recht herzlich danke, im einzelnen auf den Gesetzentwurf und seine Veränderungen eingehen wird, gestatten
Sie mir abschließend noch wenige Einzelbemerkungen.
Wie ich schon bei der Einbringung angekündigt habe, vollzog sich eine wesentliche Änderung bei Einleitung und Überschrift, d. h., es wurde die Einbeziehung in das Sozialgesetzbuch rückgängig gemacht.
Unseren sozialdemokratischen Sozialpolitikern danke ich für ihr Verständnis; den ironischen Zweiflern verzeihe ich ihre Fehleinschätzung.
Ich begrüße, daß durch die Ausformung des Abschnitts „Jugendarbeit" die Bedeutung dieses Bereichs unterstrichen und damit die Einheit der Jugendhilfe auch optisch hervorgehoben wird.
Was das Verhältnis zwischen Staat und Familie betrifft, so ist der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung für mich die wichtigste familienpolitische Gesetzgebung seit vielen Jahren. Der Entwurf fördert nicht Eingriffe des Staates in die Familie, sondern schränkt sie im Gegenteil ein, vor allem dadurch, daß auch der Vormundschaftsrichter nur Hilfen zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie anordnen darf und daß alle anderen Hilfen nur mit Zustimmung der Eltern geleistet werden dürfen, um die staatlichen Einflußmöglichkeiten auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken.
Vor allem sollen Eingriffe dadurch überflüssig gemacht werden, daß der Familie rechtzeitig Hilfe angeboten wird. Die These, Angebote der Jugendhilfe seien Eingriffe in die Familie, richtet sich in Wirklichkeit, wenn man es genau verfolgt, doch vor allem gegen die freien Träger der Jugendhilfe, die zu einem großen Teil Angebote erbringen. Diese These geht auch an der Realität vorbei, weil die Betroffenen zwar viel über zuwenig Hilfe und Angebote klagen, nicht aber über zu viele Angebote. Vor allem hinsichtlich der benachteiligten Gruppen wirkt dieses Argument zynisch.
Jugendhilfe ist und bleibt freiwillig. Im Verhältnis zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe wurde in den parlamentarischen Beratungen ein Kompromiß erzielt, der sich an die Formel des Deutschen Vereins anlehnt. Eine weitergehende Regelung würde den kommunalen Entscheidungsspielraum unvertretbar einengen sowie die von den Eltern vorgegebene Wertorientierung der Erziehung mißachten und z. B. auch mit dem Recht der Eltern kollidieren, sich für Angebote der kommunalen Behörden und Träger entscheiden zu können.
({6})
In der ersten Lesung habe ich zum Ausdruck gebracht, daß ich seit über 20 Jahren beruflich und parlamentarisch für die Fortentwicklung der Jugendförderung in diesem Lande eintrete. Dank der Zusammenarbeit aller ist es gelungen, dem Deutschen Bundestag einen verabschiedungswürdigen Entwurf vorzulegen. Für meine Freunde und für mich war die Regierungsvorlage ein gerade noch vertretbarer Kompromiß. Wir haben in den Ausschußberatungen Verbesserungen erreicht und auch Positionen des
Bundesrates berücksichtigt. Wir sind nicht hinter die von uns selbst aufgestellten Wertorientierungen und Mindestanforderungen zurückgegangen. Wir wissen, daß es jetzt nicht mehr in unserer alleinigen Verantwortung liegt, in welcher Fassung das Gesetz im Bundesgesetzblatt erscheint.
Ich bitte den Bundesrat, bei seinen Beratungen weltanschauliche und ideologische Wertorientierungen weitgehendst zurückzustellen. Die junge Generation und unsere Familien brauchen eine neue gesetzliche Regelung für ihren Schutz, für ihre Hilfe, für Angebote, für Beratung und für ihre Förderung.
({7})
Wir anerkennen den Wert und das Verantwortungsbewußtsein der intakten Familien, die bei uns weitgehendst vorhanden sind. Wir erkennen und anerkennen den Elan und die Zukunftsorientierung der Mehrheit unserer jungen Generation. Aber hinter den Fassaden vieler Neubaugebiete und alter Stadtkerne verbirgt sich auch die Not von Familien und jungen Menschen, die wir oft erst gewahr werden, wenn es zu erkennbaren Konflikten und Konfrontationen kommt.
Ich habe vor kurzem einen Stadtteil in meinem Wahlkreis in Wolfsburg besucht, der von sozialen Brennpunkten gekennzeichnet ist. Ein Drittel der Bewohner sind Italiener, ein Drittel Aussiedlerfamilien, ein Drittel Einheimische. Dazu kommen hohe Kinderzahlen, Ausbildungs- und Berufsnot der jungen Menschen und Schichtarbeit der Eltern. Hinter den Türen moderner Neubauwohnungen verbergen sich oft dramatische Einzelschicksale. Mit diesen Problemen müssen wir fertig werden, wir alle gemeinsam. Daher bitte ich im Interesse der jungen Generation und der Familien in unserem Lande um eine breite Zustimmung zu diesem Gesetz im Bundestag und im Bundesrat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rat der Evangelischen Kirche hat im Oktober 1979 folgende Erklärung veröffentlicht:
Der Rat der EKD bittet Bundestag und Bundesrat, die Reform des Jugendhilferechts noch in dieser Legislaturperiode zu vollenden. Die Fortentwicklung der Hilfen für Familien, Kinder und Jugendliche durch ein neues Jugendhilfegesetz erscheint den Trägern der evangelischen Jugendhilfe seit langem als notwendig. Jetzt muß befürchtet werden, daß ein neuerliches Scheitern des Gesetzesvorhabens die erforderliche Reform auf Jahre blockiert.
Wir werden heute das Unsere dazu beitragen, daß das Jugendhilfegesetz auf den Weg gebracht wird. Wenn es jetzt noch scheitern sollte, liegt es nicht an uns. Wir werden es hier verabschieden; wie es ausschaut, gegen die Stimmen der Opposition.
Hier wiederholt sich etwas, was in ähnlicher Weise auch beim Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge abgelaufen ist. Wir haben im Ausschuß sachlich und gut zusammengearbeitet. Die unterschiedlichen Meinungen waren im Ausschuß so groß nicht. Wir haben in den Beratungen Unklarheiten beseitigt, wo Mißverständnisse denkbar waren. Wir haben Anregungen der Verbände, des Bundesrates, der Opposition aufgenommen. Wir sind lernfähig gewesen.
Der Gesetzentwurf wurde durch Verbesserungen zu einem guten Gesetz. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch dem Dank an die Kollegen der Opposition anschließen.
Aber in dem Augenblick, in dem es in familienpolitischen Fragen an die Öffentlichkeit geht, beginnen die Polemik, die Unterstellungen, die Konfrontation, meist vorgebracht von Kollegen, die in unserem Ausschuß nicht mitarbeiten. In diesem Zusammenhang muß ich auch feststellen, daß die Ausführungen von meiner Kollegin Frau Karwatzki durchaus dem Klima im Ausschuß entsprochen haben. Aber ich befürchte, daß die nachfolgenden Redner das Bild etwas anders zeichnen werden. Ich muß es hier deutlich aussprechen. Ich habe den Eindruck, daß mangels anderer Themen, mit denen sich der Wahlkampf emotionalisieren läßt, Jugend und Familie herhalten müssen.
({0})
Sie werden als Manövriermasse im Wahlkampf mißbraucht. Durch die Art, dieses Thema zu behandeln, schaffen Sie Unsicherheit; Sie verunsichern die Familie.
({1})
Wir haben unterschiedliche Vorstellungen vom Elternrecht. Sie behandeln es so, als sei es ein Recht von Eigentümern über ihren Besitz. Jugendliche sind für uns kein Objekt von Erziehungsmaßregeln, sie sind Subjekte mit wachsenden Rechten, Pflichten und Verantwortungen. Elternrecht ist der Schutzzaun um die Familie vor Beeinflussung durch den Staat, damit der Staat keine Erziehungsziele setzt. Das ist in diesem Gesetz eindeutig festgelegt. Die Äußerungen der Kirchen bestätigen uns das. Die CDU folgt in dieser Frage eindeutig der Strategielinie ihrer kleinen Schwesterpartei, der CSU.
({2})
- Dann sage ich halt: der kleineren Schwesterpartei, der CSU.
({3})
- Sie werden sich wundern, wie wir noch da sind.
({4})
Selbst dort, wo die CSU die Mehrheit hat, z. B. in Bayern, kümmert sie sich keinen Deut um das ElEimer ({5})
ternrecht. Ich brauche nur auf die bayerische Schulpolitik hinzuweisen.
({6})
Wie unsauber die CDU/CSU diskutiert, sieht man auch am Vorwurf des Eingriffs des Staates in die Familie. Wenn hier in die Familie eingegriffen wird, dann geschieht das nur auf Grund des § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches, und zwar nicht durch den Staat, sondern durch unabhängige Gerichte. Wir haben bekanntlich eine Gewaltenteilung.
({7})
Wenn Jugendhilfe angeboten wird, dann geschieht das freiwillig und überwiegend durch freie Träger, und so soll es nach unseren Vorstellungen auch bleiben. Ihr Mißtrauen ist im Grunde ein Mißtrauen gegen die freien Träger.
({8})
Ich habe eingangs bereits gesagt, daß wir, um mißverständliche Formulierungen abzubauen, zahlreiche Änderungen vorgenommen haben. Wie sehr sich dieses Gesetz geändert hat, sieht man an der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, äußerlich schon an den Streichungen und Straffungen und an dem, was fett gedruckt wurde. Bereits in der ersten Lesung habe ich unsere Wünsche angekündigt, und ich muß jetzt feststellen, daß sich diese Wünsche zum größten Teil erfüllt haben. Das beginnt schon bei der Überschrift dieses Gesetzentwurfs. Ich hatte damals in der ersten Lesung ausgeführt, daß wir ein eigenständiges Jugendhilfegesetz und keine Einbindung in das Sozialgesetzbuch haben wollen, und das wollten auch alle Verbände und Fachleute. Diesem Wunsch ist der Ausschuß nachgekommen.
Der gravierende Vorwurf, Elternrecht werde beschnitten, traf zwar schon den ursprünglichen Entwurf nicht, um aber Mißtrauischen eine Fehlinterpretation zu nehmen, haben wir § 1 Abs. 2 wie folgt formuliert:
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
In § 1 Abs. 4 heißt es:
Die von den Eltern bestimmte Grundrichtung . .. ist auch dann zu beachten, wenn den Eltern die Personensorge nicht zusteht, . . .
Auch § 17 muß unter diesem Gesichtswinkel gesehen werden: Jugendarbeit soll durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierung, von Inhalten, Arbeitsformen und Methoden wirken. Denn Elternrecht ist nur dann gesichert, wenn Eltern aus einer Vielzahl von Angeboten, aus einem vielfältigen pluralen Angebot die Träger auswählen können, die ihren Wertvorstellungen, ihren Wertorientierungen entsprechen.
Damit kommen wir zu einem Kernpunkt dieses Gesetzes, zur Frage des Verhältnisses von freien
und öffentlichen Trägern, die in § 3 Abs. 3 geregelt ist. Es ist die Frage, ob Subsidiarität oder Partnerschaft richtig ist. Subsidiarität ist nicht immer und nicht unbedingt geeignet, ein plurales, inhaltlich vielfältiges Angebot zu schaffen; aber genau das muß das Ziel aller sein, die es mit dem Elternrecht ernst meinen. Ist z. B. in einer Gemeinde nur ein potenter freier Träger als Anbieter von Jugendarbeit da, so kann er andere an die Wand drücken. Einrichtungen der Jugendhilfe können nur an diesen Träger vergeben werden, ohne daß das Prinzip der Subsidiarität auch nur im geringsten angetastet wird. Pluralität haben wir dann aber nicht. Eltern können dann nicht wählen zwischen Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen. Dies entspricht nicht meinen Vorstellungen zum Elternrecht.
Aber auch die Partnerschaft, wie sie in dem ursprünglichen Regierungsentwurf formuliert war, konnte Pluralität nicht sichern. Frau Karwatzki, Sie haben nur die alte Fassung des Gesetzentwurfs zitiert. Nach der alten Fassung - das will ich gern zugeben - bestand die Gefahr, daß öffentliche Träger mit ihrer Finanzkraft freie Träger nicht hochkommen lassen. Auch das wäre falsch gewesen, auch das hätte zu unerwünschten Entwicklungen führen können. Das wäre nicht im Sinne der Pluralität gewesen. Auf diese Pluralität aber kommt es an, damit - ich wiederhole es - Eltern denjenigen Träger wählen können, der ihren Wertnormen am nächsten kommt. Deswegen hat §. 3 Abs. 3 eine neue Fassung erhalten. Frau Karwatzki, Sie haben nur einen Teil davon zitiert. Ich darf die Vorschrift vollständig zitieren:
Die freien und die öffentlichen Träger der Jugendhilfe arbeiten partnerschaftlich mit der Zielsetzung zusammen, ein auch inhaltlich vielfältig orientiertes Angebot zu schaffen, zu erhalten und auszubauen.
Das heißt, das Ergebnis dieser Zusammenarbeit muß Pluralität sein.
Wir erreichen dies nicht nur mit § 3 Abs. 3, sondern auch in Verbindung mit einer Reihe anderer Paragraphen, z. B. § 96 Abs. 2. Ich darf auch hier wieder wörtlich zitieren:
Zum Zwecke der partnerschaftlichen Zusammenarbeit sowie zur Beteiligung der anerkannten freien Träger der Jugendhilfe von Anfang an an der Planung hat der öffentliche Träger der Jugendhilfe mit den anerkannten freien Trägern der Jugendhilfe in deren Arbeitsgemeinschaften zusammenzuarbeiten und auf die Bildung von Arbeitsgemeinschaften der anerkannten freien Träger der Jugendhilfe hinzuwirken. Landesrecht kann Näheres regeln.
Und in § 99 Abs. 2 lautet es ähnlich:
Der öffentliche Träger der Jugendhilfe beteiligt von Anfang an die anerkannten freien Träger der Jugendhilfe, der örtliche Träger auch die kreisangehörigen Gemeinden seines Bereiches.
Der wichtigste Paragraph im Zusammenhang mit § 3 ist jedoch § 102, den Sie auch genannt haben und
Eimer ({9})
der die Voraussetzungen bestimmt, unter welchen freie Träger die Möglichkeit erhalten sollen, Angebote der Jugendarbeit zu machen. Die jetzt vorliegende Formulierung geht auf einen Vorschlag des Deutschen Vereins zurück, in dem bekanntlich die freien Träger und auch die Kirchen vertreten sind. In Abs. 1 sind die Kriterien aufgezählt, die für die Erbringung von Jugendhilfe nötig sind, nämlich Bedarf, Vielfalt des Angebots und die sachlichen und fachlichen Voraussetzungen. In Abs. 2 werden die öffentlichen Träger verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß freie Träger Einrichtungen der Jugendhilfe betreiben können. Frau Karwatzki, auch das haben Sie nicht zitiert Ist ein freier Träger der Jugendhilfe bereit, Einrichtungen und Dienste nach Abs. 1 zu schaffen - das ist die Voraussetzung; die haben Sie auch nicht zitiert -, so soll ihm in der Regel Gelegenheit dazu gegeben werden.
({10})
- Nun, die drei Worte „in der Regel" stammen aus der Formulierung des Deutschen Vereins, also von freien Trägern. Diese Worte waren - das gebe ich zu - ein Punkt der Auseinandersetzung in unserem Ausschuß. Mittlerweile habe ich erfahren müssen, daß die Worte „in der Regel" von Juristen aus dem Norden und Juristen aus dem Süden ganz offensichtlich unterschiedlich ausgelegt werden. Ich überlasse es gern dem Bundesrat, die Fassung auszuwählen, die unter landsmannschaftlichen Gesichtspunkten die beste ist Ich kann mit beiden Fassungen leben, mit und ohne die Worte „in der Regel". Daran hängt mein Herz nicht. Wir Freien Demokraten können mit beiden Fassungen gut leben.
Man muß § 102 in Verbindung mit § 3 sehen. Das heißt: Immer dann, wenn damit Pluralität erreicht wird, ist der freie Träger vorzuziehen. Dort, wo z. B. Bedarf für nur einen Kindergarten besteht, wird die Pluralität beispielsweise dadurch erreicht, daß sich zwei oder mehrere freie Träger zusammenschließen. Nur dort, wo nur ein freier Träger bereit ist, Einrichtungen zu übernehmen, und wo zudem dieser Träger möglicherweise nicht der Wertorientierung der Mehrheit der Bevölkerung entspricht oder wo schon sehr viele freie Träger Einrichtungen und Dienste der Jugendarbeit betreiben, wird ein öffentlicher Träger dem Kriterium der Pluralität gerecht. So ist es gemeint, und so und nicht anders kann man es auch auslegen.
Zu einem weiteren Schwerpunkt ist § 7 geworden. § 7 Abs. 1 spricht von der Freiwilligkeit der Leistungen. Danach dürfen Leistungen nur mit vorheriger Zustimmung des Personensorgeberechtigten erbracht werden. Ich halte hier die alte Fassung des §
7 Abs. 1 für besser. Wir sind hier einem Votum des Rechtsausschusses gefolgt, das ich nicht in allen Punkten unbedingt für sachgerecht halte. Ein Jugendlicher muß sich Rat holen können, ohne daß in allen Fällen die Eltern vorher gefragt werden müssen. So weit kann und darf Elternrecht nicht gehen. Kinder sind nicht im Besitz der Eltern; sie sind Träger von eigenen Grundrechten.
Wollte man bei anderen Gesetzen ebenso strenge Maßstäbe anlegen, so dürfte z. B. kein Lehrer seine
Schüler außer in schulischen Dingen beraten, so müßte ein Pfarrer vor einem seelsorgerischen Gespräch eine Genehmigung bei den Eltern einholen. Hier geschieht eine unnötige Verrechtlichung, weil unsere Rechtspolitiker denen der Union zu weit nachgegeben haben.
Das Präsidium der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen erklärte am 14. Dezember 1979, also zu einer Zeit, als noch die alte Fassung des § 7 gültig war - ich zitiere -:
Weder der Regierungsentwurf zum Jugendhilfegesetz noch auch der Gesetzentwurf des Bundesrates verletzen durch die Aufnahme von Erziehungszielen in den Gesetzentwurf das Elternrecht. Beide Gesetzentwürfe berücksichtigen in sachgerechter Weise den Grundsatz der Freiwilligkeit ({11}) und das Elternrecht. Neue Eingriffstatbestände werden in beiden Entwürfen nicht geschaffen. Es bleibt insoweit bei den Voraussetzungen des § 1666 BGB.
Und weiter schreibt die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen:
Der Bundesratsentwurf erzeugt durch seine Formulierungen in den §§ 7 und 8 bezüglich der Zustimmungsbedürftigkeit der Erziehungsberechtigten im Falle der Inanspruchnahme von Beratungen durch Minderjährige Unklarheiten, die auch durch die Begründung nicht ausgeräumt werden können. Die Formulierungen in § 7 Abs. 1 des Regierungsentwurfes zu dieser Frage berücksichtigen nach Meinung der EAF das Anliegen, einerseits die Inanspruchnahme von Leistungen der Jugendhilfe - auch der Beratung - von der grundsätzlichen Zustimmung des Personensorgeberechtigten abhängig zu machen, andererseits Beratung ausnahmsweise im Einzelfall bei akuten Konfliktsituationen ({12}) auch ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten zuzulassen.
Soweit das Zitat aus der Evangelischen Kirche.
Ein weiterer Punkt in § 7 ist strittig: er wird als angeblicher Beweis des Hineinregierens in die Familie angeführt. Ich meine das Antragsrecht. All die Beispiele, mit denen die Opposition argumentiert, sind falsch. Natürlich kann ein Jugendlicher keinen Antrag auf Erhöhung des Taschengeldes stellen; das Taschengeld wird nicht im Jugendhilfegesetz geregelt und nicht vom Jugendamt gezahlt. Jugendliche können natürlich nur Leistungen nach diesem Gesetz stellen. Selbstverständlich kann ein Jugendlicher keinen Antrag auf Unterstützung des Vaters in seiner Erziehungstätigkeit stellen; denn der Antrag kann nur für Leistungen gelten, deren Empfänger er selber ist. Wenn ein Jugendlicher mit 14 Jahren religionsmündig ist, dann muß er auch das weniger weitgehende Recht haben, Anträge zu stellen.
Neben diesen Schwerpunkten wurde eine Reihe von weiteren Verbesserungen vorgenommen, auf die ich nur in Stichworten eingehen will.
Um das Gesetz zu straffen, wurden Kürzungen vorgenommen, die sich aber nicht auf den Inhalt erstrecken. Zum Beispiel in § 26 ist die Aufzählung
Eimer ({13})
der Einrichtungen entbehrlich; es genügt, wenn diese Einrichtungen im Bericht erwähnt werden.
Durch die Formulierung in § 38, nämlich die Aufnahme von Eltern-Kind-Gruppen, soll sichergestellt werden, daß solche Gruppen, z. B. private Initiativen, nicht in die bürokratischen Mühlen des Kindergartengesetzes geraten sollen.
§ 44 stellt sicher, daß es oberstes Ziel ist, den Jugendlichen die Erziehung in der Familie zu ermöglichen oder zu erhalten. Weiter ist sichergestellt, daß in Heimen Schrift- und Postwechsel unbeschränkt und unkontrolliert ablaufen kann, daß dies nur durch Gericht eingeschränkt werden kann, aber nicht gegenüber einem Personensorgeberechtigten.
Schwer haben wir es uns auch mit dem § 46 gemacht, der die geschlossene Unterbringung betrifft. Sie kann nach dem bisherigen Gesetz nur durch Gericht angeordnet werden. In einer Entschließung wird darauf hingewiesen, daß diese Form der Unterbringung überwunden werden muß.
Weniger Bürokratie für freie Träger bedeutet auch die Änderung des § 63 Abs. 2, der ein' e Betriebserlaubnis für Jugendfreizeiteinrichtungen, für die Betreuung von Eltern-Kind-Gruppen und ähnliches nicht mehr vorschreibt.
Ein wichtiger Bereich für die Träger der Jugendhilfe und auch für uns Liberale ist die Frage der ehrenamtlichen Kräfte. Jugendhilfe, Jugendarbeit, Jugendpflege kann nicht mit hauptberuflichen Kräften allein, sondern nur mit dem Heer der engagierten ehrenamtlichen Kräfte geleistet werden. Dem haben wir in der neuen Fassung des § 104 Rechnung getragen. Dort heißt es:
Die Aufgaben der Jugendhilfe werden von ehrenamtlichen, hauptberuflichen und nebenberuflichen Mitarbeitern wahrgenommen. Ehrenamtliche Tätigkeit ist besonders zu fördern.
Dies alles zeigt, daß wir uns ehrlich und redlich bemüht haben, ein vernünftiges Jugendhilfegesetz zu schaffen, dem auch die Opposition zustimmen kann. Meine Kollegen des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit wollen dieses Gesetz ebenfalls, auch die Kollegen der Opposition; jedenfalls sagen sie das, und ich nehme ihnen das auch ab. Die Meldungen aus dem Bundesrat zeigen jedoch, daß die CDU/CSU auf die harte Linie der Konfrontation des Franz Josef Strauß eingeschwenkt ist. Sie wollen kein Jugendhilfegesetz. Deswegen wollen sie - so heißt es jedenfalls bis jetzt - nicht einmal den Vermittlungsausschuß anrufen. Damit, meine Damen und Herren von der Opposition, werden Sie dieser Frage und dem Bereich der Jugendhilfe nicht gerecht.
({14})
Ich möchte mit einem Zitat aus einer Veröffentlichung der Caritas, „Unser Standpunkt", Heft 13, Juni 1979, Seite 72, schließen:
Ein Scheitern der Jugendhilferechtsreform
würde Resignation und Enttäuschung unserer
Jugend verstärken und als Indiz dafür aufgefaßt werden, daß unser Staat nicht dazu in der Lage ist, für die uns alle betreffenden gemeinsamen Aufgaben auch gemeinsame Lösungen zu finden. Das neue Jugendhilfegesetz verdient eine Chance.
Ich schließe mich der Meinung der Caritas an.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Aufgabe ist es, für die Fraktion der CDU/CSU zu den verfassungsrechtlichen, rechtspolitischen und familienrechtspolitischen Gesichtspunkten dieses uns nun vorgelegten Gesetzentwurfs über die Neuregelung einer Jugendhilfe Stellung zu nehmen.
Vorweg möchte ich eine Bermerkung zu der Art und Weise machen, wie dieses für unsere junge Generation, für das Eltern-Kind-Verhältnis und für das Verhältnis der Eltern und Kinder zum Staat, für die zukünftige Erziehungsfunktion und Erziehungsbereitschaft der Familie höchst bedeutsame und wichtige Gesetz - nach zehnjähriger Vorbereitungszeit - hier nun verabschiedet wird. Schon die Beratungen im Rechtsausschuß über die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrates standen unter äußerstem, der Bedeutung der Sache völlig unangemessenem Zeitdruck. Als wir gerade den § 1 der 180 Paragraphen des Gesetzes berieten, erreichte uns im Rechtsausschuß, dem mitberatenden Ausschuß für dieses Gesetz, ein Schreiben des Vorsitzenden des federführenden Ausschusses, mit der Androhung: Wenn wir nicht unverzüglich unsere Stellungnahme abgäben, werde der federführende Ausschuß ohne unsere Stellungnahme dem Bundestag berichten. Sie werden verstehen, daß das ein seltsames Verfahren ist.
({0})
Wir mußten uns deshalb auf einige wesentliche Punkte des Gesetzentwurfs, der insgesamt wirklich beratenswert ist, beschränken.
Die eigentliche Zumutung bei der Verabschiedung dieses Gesetzes, meine Damen und Herren, liebe Kollegen, besteht aber darin, daß wir die Ausschußfassung mit 180 Paragraphen am Dienstag bekommen haben,
({1})
und den Bericht mit der Begründung auf 280 Seiten haben wir gestern mittag bekommen. Ich hoffe, daß Sie ihn heute nacht alle gelesen haben.
({2}) Es ist eine Zumutung für ein Parlament,
({3})
daß mit einem solchen Bericht von 280 Seiten so verfahren wird,
({4})
Dr. Stark ({5})
mit einem Bericht, von dem ich im übrigen sage, Herr Kollege Kuhlwein, daß er gut ist; gerade deshalb bedaure ich, daß er den Kollegen nicht zur Verfügung stand und daß sie daher keine Gelegenheit hatten, sich mit der umfangreichen Materie überhaupt vertraut zu machen.
({6})
Wir haben überlegt, ob wir deswegen Fristeinrede erheben sollten. Aber dann hätte es wieder geheißen, wir wollten aus taktischen Gründen das Jugendhilferecht verhindern. Deshalb haben wir es nicht getan. Ich möchte aber nicht, daß wir als Parlament uns so . etwas noch einmal zumuten lassen, wenn wir draußen als seriöser Gesetzgeber und als Parlament mit Verantwortung angesehen werden wollen.
({7})
Lassen Sie mich nun zum sachlichen Inhalt des vorgelegten Gesetzentwurfes kommen. Bei den Beratungen auch im Rechtsausschuß bestand zwischen allen Fraktionen Einigkeit, daß das jetzt noch geltende Jugendwohlfahrtsrecht aus dem Jahre 1922 in mancher Hinsicht reformbedürftig ist und durch ein neues Jugendhilferecht ersetzt werden sollte. Darüber bestand absolute Einigkeit; niemand war der Meinung, es müßte auf diesem Gebiet nichts geschehen.
Um so bedauerlicher ist es, daß uns nun, nach dieser langen Vorbereitungszeit, ein Entwurf vorgelegt wird, der unter verfassungsrechtlichen, rechtspolitischen und familienrechtspolitischen Gesichtspunkten auf schwerwiegende Bedenken stößt.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien, SPD und FDP, müssen sich erst einmal fragen lassen - und es ist die Aufgabe des Rechtsausschusses, das zu untersuchen -, auf welche Bestimmung des Grundgesetzes sie dieses umfangreiche Werk stützen wollen, das nach seiner eigenen amtlichen Begründung als eigenständiges Erziehungs- und Bildungsgesetz - neben Elternhaus, Schule und Ausbildungsplatz - angesehen wird.
({8})
Die Bundesregierung beruft sich bezüglich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diesen Gesetzentwurf auf. Art. 74 Nr. 7 des Grundgesetzes. Dort ist aber lediglich von „öffentlicher Fürsorge" die Rede. Zwar hat diese Kompetenznorm des Grundgesetzes durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1967 eine sehr weite Auslegung gefunden; ein Jugendhilfegesetz kann also auf diese Norm gestützt werden, nicht aber ein staatliches Erziehungs- und Bildungsgesetz.
({9})
Wenn Sie ein solches Gesetz haben wollen, meine Damen und Herren, müssen Sie das Grundgesetz ändern. Das ist das Ergebnis unserer Oberprüfung im Rechtsausschuß.
Herr Eimer, ich komme nachher noch zu dem, was Sie hier zur „Konfrontationsstrategie" usw. gesagt
haben; es wird Ihnen leid tun, daß Sie das gesagt haben.
Die Jugendhilfe nach diesem Gesetzentwurf ist nicht mehr subsidiär zur Familienerziehung, die Jugendhilfe wird vielmehr, wie die Bekundungen es besagen und wie es in den Begründungen steht, offensiv. Sie wird zu einem eigenständigen, selbständigen Erziehungs- und Bildungsträger, und genau dafür fehlt es eben an der Kompetenz.
({10})
Der Entwurf sieht im übrigen - von dem Anspruch des Säuglings auf Hilfe zur frühkindlichen Erziehung über die Kindergartenerziehung bis zur Jugendarbeit und Jugendbildung und Beratung in allen Lebenslagen - alles vor. Darüber, was das überhaupt heißt, müssen wir auch einmal reden. Alle werden beraten: Kinder, Eltern, Jugendarbeiter, Sozialarbeiter, Träger. Alle werden beraten,
({11})
und da muß man einmal fragen, was „Beratung" in diesem Sinne heißt. Ich werde dazu noch ein paar Ausführungen machen; nur dann versteht man das ganze Gesetz.
Das geht so weit, daß den Kindern in Zukunft ein Recht auf außerfamiliäre Erziehung gegeben wird. Das ist etwa das, was in Schweden als „Scheidung des Kindes von der Familie" bezeichnet wird. Das Kind selber kann nach § 44 den Antrag stellen; wenn es ihm in der Familie nicht mehr paßt - das Klima ist nicht mehr gut, das Taschengeld ist nicht in Ordnung, die Eltern sind in den Augen der Kinder reaktionär -, kann das Kind einen Antrag stellen und durch das Vormundschaftsgericht überprüfen lassen, ob es nicht aus dieser Familie herauskommen kann. Sie müssen einmal bedenken, daß das in diesem Gesetz steht.
Mit diesem Gesetz ist der Bereich öffentlicher Fürsorge weit verlassen, und deshalb die verfassungsrechtlichen Bedenken von dieser Seite.
Wir haben aber auch schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz, wo erfreulicherweise verfassungsrechtlich fest verankert ist:
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
({12})
- Zu Herrn Eimer komme ich noch. Der hat dazu vor allem als Vertreter einer liberalen Partei ganz seltsame Thesen vertreten, die mich doch gewundert haben.
({13})
Im Laufe der Beratungen des Gesetzentwurfes ist es gelungen, gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung in der Fassung des § 1 und verbal in einigen anderen Bestimmungen den Vorrang der Familie zu erwähnen, wie ich einmal sagen will. Wenn man aber alle 180 Vorschriften zuDr. Stark ({14})
sammen sieht, bleibt von diesem Vorsatz relativ wenig übrig. Hier wird ein Instrumentarium geschaffen, das eine dermaßen außerordentliche und rechtlich nicht eingrenzbare, nicht faßbare Fülle von Angeboten, Leistungen, Einrichtungen, Veranstaltungen, Diensten, Hilfen und Beratungen, meist als Rechtsansprüche mit eigenem Antragsrecht des Jugendlichen ausgestaltet, enthält, daß es in der praktischen Auswirkung, und offenbar sowohl nach dem Willen der Verfasser des Gesetzentwurfes als auch, wie ich leider sagen muß, nach Auffassung vieler, nicht aller, in der Praxis wie auch theoretisch Tätigen eben etwas anderes ist als die Jugendhilfe bisher. Die Familien sollen nicht nur unterstützt werden, was meiner Auffassung nach die Aufgabe von Jugendhilfe ist und was unsere volle Zustimmung gefunden hätte, sondern die Familien und ihre -Erziehungsfunktion sollen weitgehend ersetzt werden. Das ist der Vorwurf, den wir diesem Gesetz machen.
({15})
Damit hier nicht wieder ein Kollege so redet, wie das gerade der Kollege Eimer von der FDP getan hat,
({16})
und von Wahlkampf und Konfrontationsstrategie spricht - diese Leier, diese Platte müssen wir uns jeden Tag anhören -, will ich ein von mir sehr geschätztes hocherfahrenes rechtskundiges Mitglied dieses Hauses mit seiner Meinung zu diesem Gesetzentwurf zitieren.
({17})
- Das sage ich dann gleich am Schluß.
({18})
Ein von mir sehr geschätztes Mitglied hat also im Rechtsausschuß folgendes zu diesem Gesetzentwurf ausgeführt,
({19})
der Gesetzentwurf mache deutlich, wie Quantität in Qualität umschlagen könne. Die Orgie an zusätzlichen Leistungen nach diesem Gesetzentwurf, verbunden mit selbständigen Ansprüchen des Begünstigten, schaffe eine neue Qualität von Jugendhilfe im Vergleich zu der, mit der sich das Bundesverfassungsgericht seinerzeit zu befassen gehabt habe.
({20}) Nach seiner Auffassung
- immer noch wörtliches Zitat dieses hochwohllöblichen Mitglied des Hauses bedeute der Gesetzentwurf einen von der Verfassung nicht gedeckten Eingriff in das Primat der Eltern.
- Das Primat der Eltern in der Erziehung.
({21})
Da es dieses Mitglied, das ich jetzt zitiere, auch versteht, die Dinge plastisch zu machen, hören Sie jetzt gut zu:
Unternehmer, die sich von behördlichen Eingriffen drangsaliert fühlten und die Lust an ihren Unternehmen verlören, verkauften ihr Unternehmen. Eltern aber, die sich hinsichtlich ihrer Kinder ebenso drangsaliert fühlten, könnten sich von ihren „Unternehmen" nicht lösen und müßten zähneknirschend den Übermut der Am-ter ertragen; und wer noch keine Kinder habe, werde durch eine solche Art von Gesetzgebung nicht dazu angeregt, ein solches „Unternehmen" zu beginnen.
({22})
Das finde ich hervorragend ausgedrückt.
Sie werden mir gestatten, meine Damen und Herren, da ich das, was dieser Kollege sagt, auch als CDU-Politiker nicht besser sagen kann, daß ich in seinen Ausführungen noch etwas fortfahre:
({23})
Daß Minderjährige den Behördenapparat in Gang setzen könnten, sei - jedenfalls bei noch einigermaßen funktionierenden Familien - ein schwerwiegender Eingriff, der eine solche Unruhe in das Familienleben bringe, daß schon allein dieses Antragsrecht mit dem grundgesetzlich garantierten Recht der Eltern nicht vereinbar sei.
({24})
Die Unruhe, die dadurch erzeugt werde, sei auch dann nicht wieder aus der Familie herauszubekommen, wenn sich die Eltern nach Inanspruchnahme der Gerichte am Ende durchsetzen könnten.
({25})
Dieses Mitglied, der von mir sehr geschätzte Abgeordnete Kleinert von der FDP, plädiert dafür,
({26})
dem federführenden Ausschuß mitzuteilen, -
({27})
- FDP, Freie Demokratische Partei.
Herr Kleinert, klären Sie doch Ihren Kollegen Eimer einmal auf, der hat da vorhin so dummes Zeug gesagt. Geben Sie ihm diese Ausführungen in Ablichtung.
Herr Abgeordneter Dr. Stark, „dummes Zeug" spricht ein Abgeordneter von diesem Podium nie.
({0})
Herr Präsident, ich gebe das zu und nehme das zurück.
({0})
Er
- der Abgeordnete Kleinert - plädiert dafür,
- das ist der Schlußsatz dem federführenden Ausschuß mitzuteilen, daß der Gesetzentwurf mit dem Antragsrecht des Minderjährigen nach Ansicht des Rechtsausschusses auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stoße.
In der Schlußberatung - vier Wochen später - hat der Kollege Kleinert, als es an die Abstimmung ging, geäußert: Ich stehe noch voll zu dem, was ich da soeben ausgeführt habe. Ich halte das Gesetz für verfassungswidrig, aber um den Lauf der Dinge nicht aufzuhalten, stimme ich zu.
({1})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den Mitteln der Jugendhilfe soll die Erziehungsfähigkeit der Familie in Zukunft verbessert werden; so fordert es die Begründung. Gerade dies setzt aber, wenn man das ganze Gesetz sieht -
Herr Abgeordneter Dr. Stark, gestatten Sie eine Zwischenfrage des von Ihnen so stark herausgehobenen Abgeordneten Kleinert?
Herr Kollege Kleinert, bitte.
Bitte sehr.
Herr Kollege Stark, würden Sie so freundlich sein, zuzugeben, daß - jedenfalls unter Juristen - ein sehr erheblicher Unterschied zwischen der Formulierung „Ich halte für verfassungswidrig" und der Formulierung „Ich erhalte verfassungsrechtliche Bedenken aufrecht" besteht und daß ich letztere Fassung aus wohlbedachten Gründen gewählt habe?
({0})
Herr Kollege Kleinert, wir wollen jetzt nicht sophistisch untersuchen, was Sie da wohl gemeint haben. Ihre Aussage war so klar und so deutlich,
({0})
daß Sie mit diesem Versuch nicht aus der Verantwortung kommen. So wie ich Sie kenne, nehme ich an, daß Sie auch heute noch zu dem stehen, was Sie damals gesagt haben, Herr Kleinert.
({1})
Meine Damen und Herren, wenn man den Gesamtentwurf sieht, das Umfeld kennt, die Begründung gelesen hat, so ist die Familie nach der Konzeption dieses Entwurfs in Zukunft ein Objekt ständiger Beratung, Bildung und Therapie - Bildung und Therapie!
({2})
Man staunt, wie oft in diesem Gesetz von Therapie und Sozialtherapie die Rede ist. Da kommt man zu der Überzeugung, daß die Familie, also die Kinder und Eltern so krank sind, daß da ständig Therapeuten am Werk sein müssen. Für eine solche Sicht der Familie habe ich überhaupt kein Verständnis.
Jetzt muß ich Ihnen doch noch kurz erklären, was Beratung im Sinne dieses Gesetzes ist, was nach Auffassung führender Sozialwissenschaftler und -arbeiter - darunter einem Wolfgang Bäuerle aus Bielefeld, der darüber in einem Blatt der Arbeiterwohlfahrt geschrieben hat - darunter offenbar verstanden wird. Bäuerle schreibt:
Es ist nicht notwendig, darauf hinzuweisen, daß nicht in Hochschulen, sondern in der Praxis der Sozialarbeit entschieden wird, was die im Entwurf genannten Angebote an Beratung für den Klienten
- da ist jetzt ständig vom Klienten die Rede ({3})
- hören Sie gut zu! bedeuten werden und wessen Interesse in diesen Beratungen verfolgt werden wird und sich schließlich durchsetzt. Je mehr Beratung den Bürgern, jungen Menschen wie Erwachsenen, angeboten wird, um so genauer müssen sich jene Institutionen der öffentlichen wie der freien Träger der Jugendhilfe in den Dienst der Klienten stellen, und das ist dann nicht immer oder überhaupt nicht mit einer „neutralen Position" ... zu erreichen. Die Frage nach der Parteilichkeit der Sozialarbeit wird durch ein höheres Angebot
({4})
an Beratung nicht umgangen, sondern radikal gestellt. „Sozialpädagogische Beratung sollte parteinehmende Praxis sein, die, gestützt auf Persönlichkeits- und Gesellschaftstheorie, durch reflektierte Beziehungen und Erschließen von Hilfsquellen verschiedener Art das Unterworfensein von Menschen unter belastenden Situationen verändern will.''
({5})
Stellen Sie sich einmal vor, dieser Mann berät Ihr Kind!
({6})
Bäuerle sagt dann noch weiter:
Dr. Stark ({7})
Die Frage der Parteilichkeit der Sozialarbeit ist damit entschieden.
({8})
Der Berater muß also immer die Interessen des zu Beratenden wahrnehmen, gegen wen auch immer, im Zweifel meistens gegen die Eltern. Das muß man wissen, um zu verstehen, was das harmlose Wort „Beratung" in diesem Zusammenhang bedeuten kann.
({9})
Der Regierungsentwurf - es tut mir leid, aber das muß ich sagen, auch wenn Ihnen das nicht gefällt - bahnt beabsichtigt oder unbeabsichtigt der Vergesellschaftung und Teilverstaatlichung der Erziehung den Weg. Trotz gegenteiliger Beteuerungen ist er aus einer Gedankenwelt entstanden, die auf der ideologisch bedingten Überzeugung von der angeblich unvermeidlichen Unzulänglichkeit der privaten Erziehung in der Familie beruht. Das zieht sich durch alle Begründungen, das zieht sich durch alle Jugendberichte. Davon geht auch dieses Gesetz aus. Das neueste Ergebnis ist der Fünfte Jugendbericht, den ich allen Damen und Herren dieses Hauses als Lektüre empfehle, damit sie wissen, worum es geht. Dazu wird ja mein Kollege Kroll-Schlüter noch sprechen.
Verkürzt gesagt: Der Regierungsentwurf traut den Eltern sehr wenig, nahezu nichts zu, den außerfamiliären Einrichtungen, Diensten usw. nahezu alles. Der „Berater" nach diesem Jugendhilfegesetz wird - das klang ja auch bei Herrn Eimer an - der „große Beichtvater" aller zu Beratenden sein. Er wird, wie die auf diesem Gebiet Kundigen sagen, die Menschen verändern. Einer, der durch diese Beratung geht, kommt - wir haben uns im Rechtsausschuß länger darüber unterhalten - als anderer, völlig anderer heraus,
({10})
wie ein Neugeborener mit den neuesten Erkenntnissen.
Deshalb lehnen wir diese Art der Beratung ab. Diese Beratung ist weder nach Umfang noch nach Ziel überhaupt eingrenzbar. Man weiß nicht, von welcher Grundlage und welcher Wertvorstellung her beraten wird. Aber durch einen solchen Hülsenbegriff kann man letztlich alles machen.
({11})
- Wir haben mit Leuten der Praxis gesprochen. Wenn Sie schon etwas rufen, Herr Hauck, weise ich Sie auf die Ausführungen. von Herrn Kleinert und auf das hin, was der rechtspolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Herr Emmerlich, ein Mann, den ich seit Jahren im Rechtsausschuß als sachkundig und praxisnah kennengelernt habe, gesagt hat. Ich kann Ihnen vorlesen, was er im Rechtsausschuß gesagt hat: Es sei unerträglich und unannehmbar, daß jetzt, nachdem wir bei der Beratung des elterlichen Sorgerechts einvernehmlich auf Antragsrechte verzichtet
haben und einvernehmlich die Voraussetzungen für Eingriffe in die Familie in den §§ 1666 und 1666 a festgelegt haben, über das Jugendhilferecht die Antragsrechte wieder eingeführt werden und die Voraussetzungen für Eingriffe in die Familie völlig neu geregelt werden. Das sind Aussagen Ihres Kollegen Emmerlich. Ich kann es Ihnen wörtlich vorlesen.
({12})
Also lassen Sie doch diese - ich muß mich jetzt vorsichtig ausdrücken; der Herr Präsident ermahnt mich dazu - wahlkämpferischen Töne, wir lehnten das Gesetz aus Lust an der Konfrontation ab. Man kann das nicht mehr hören.
({13})
Wir haben uns sehr viel Mühe mit dem Gesetz gemacht. Wir müssen Ihnen sagen, daß wir es unter diesen Bedingungen nicht annehmen können.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages - also seine Mehrheit, nicht der Oppositionsteil - hat zu diesem Gesetz folgendes festgestellt: Der Entwurf stoße
auf gewichtige rechtspolitische Bedenken, insofern er eine kaum überschaubare Fülle individueller, in ihren Voraussetzungen durch eine Vielzahl höchst unbestimmter Rechtsbegriffe ({14}) definierter Rechtsansprüche begründet. Sie führen im Einzelfall sowohl als auch in ihrer Summe zu einer weitgehenden Verlagerung der in ihrem Kern politischen Entscheidung, ob und in welchem Umfang Leistungen der Jugendhilfe erbracht werden sollen und finanziert werden können, von den dazu berufenen Organen der Legislative und Exekutive auf die Justiz, insbesondere die Verwaltungsgerichte.
Es folgt dann die schwerwiegende Feststellung:
Es ist ein schwerer und durch eine um sich greifende Praxis dieser Art nachgerade unerträglich gewordener Mißbrauch der rechtsprechenden Gewalt, wenn der Gesetzgeber Entscheidungen, die nicht nach definierbaren rechtlichen Maßstäben getroffen werden können, auf sie überbürdet. Sowohl die eigene Autorität des Gesetzgebers als auch die der Rechtsprechung müssen darunter leiden.
Zu dieser Feststellung kam der Rechtsausschuß nur, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD und FDP, weil sich Kollegen der SPD bei der Abstimmung der Stimme enthalten haben. Nur deshalb konnte diese Feststellung vom Rechtsausschuß getroffen werden.
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Sehr verehrte Frau Minister Huber, ich würde Ihnen gern an Ihrem heutigen Geburtstag, zu dem ich Ihnen sehr herzlich gratuliere,
({15})
zu Ihrem kleinen Strauß einen großen Strauß in
Form der Zustimmung zu diesem Gesetz beifügen.
Leider ist uns das wegen der Einwände, die meine
Dr. Stark ({16})
Kollegin und ich bisher geltend gemacht haben, und wegen der Einwände, die noch geltend gemacht werden, nicht möglich. Ich betone dabei das Wort „leider", weil auch ich der Meinung bin, daß es vernünftig gewesen wäre, ein praxisnahes, vernünftiges Gesetz zu erarbeiten. Das war nicht möglich. Wir können dem vorliegenden Gesetz deshalb unsere Zustimmung nicht geben.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuhlwein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Stark hat eben ein Musterbeispiel für die Doppelstrategie der Union gegeben.
({0})
Die Kollegin Karwatzki hat an die Adresse der Verbände und der interessierten Fachöffentlichkeit, die sich seit Jahren um ein Jugendhilfegesetz bemühen, gesprochen
({1})
und hat im Prinzip unsere gemeinsamen Bemühungen um ein neues Jugendhilfegesetz unterstützt. Der Kollege Stark hat dann anschließend mit Blick auf andere Gruppen der Bevölkerung an immanente Ängste appelliert, Sorgen mobilisiert, Teufelswerk an die Wand gemalt, um auch für diesen Bereich der Bevölkerung die richtige Wahlkampfaussage zu finden.
({2})
- Herr Kollege Stark, wir könnten aus unseren Ausschußberatungen auch eine ganze Reihe von Äußerungen von Kollegen aus der Unionsfraktion zitieren. Dann würde das Bild hier wieder zurechtgerückt. Ich glaube, daß es nicht sehr sinnvoll ist, sich gegenseitig Zitate aus Ausschußberatungen, die ja Teil eines Prozesses zur Willensbildung sind, hier im Plenum des Deutschen Bundestages um die Ohren zu hauen.
({3})
Zunächst zu der Frage, die der Kollege Stark aufgeworfen hat, ob der Rechtsausschuß erheblich unter Zeitdruck habe arbeiten müssen. Nach meiner Kenntnis ist auch dem Rechtsausschuß der Entwurf eines Jugendhilfegesetzes der Bundesregierung am 15. März 1979 nach erster Lesung vom Parlament überwiesen worden. Der Rechtsausschuß hätte nach dem 15. März 1979 seine Beratungen aufnehmen können, wenn er das gewollt hätte. Der Rechtsausschuß ist nicht gezwungen, mit seinen Beratungen darauf zu warten, bis der federführende Ausschuß seine Beratungen abgeschlossen hat. Es ist nicht üblich, darauf zu warten, denn der Rechtsausschuß war schließlich nicht der federführende Ausschuß.
Frau Kollegin Karwatzki - mit ihren Argumenten möchte ich mich vor allem auseinandersetzen - hat schon am 25. April im Pressedienst der Union darauf hingewiesen, daß in unserem Ausschuß die
Einzelbestimmungen des Regierungsentwurfs über viele Monate hin konstruktiv und differenziert beraten worden sind. Ich kann das für meine Fraktion nur unterstreichen.
Dies soll vor allem auch ein Hinweis an diejenigen draußen in der Praxis sein, die Jugendhilfe leisten oder in Anspruch nehmen. Sie sollten wissen, daß die Fraktionen in diesem Parlament durchaus bereit sind, Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme gemeinsam zu entwickeln. Bei vielen draußen ist das auch so verstanden worden.
Dabei leugnen wir überhaupt nicht, daß wir während der parlamentarischen Beratungen eine ganze Reihe von kritischen Anmerkungen aus dem Bereich der in der Jugendhilfe tätigen Verbände und Organisationen aufgenommen haben, weil wir großen Wert darauf legen, daß die Reform der Jugendhilfe vor allem von denjenigen getragen wird, die mit dem neuen Gesetz arbeiten sollen. Daß wir uns dann auch in den Beratungen - zumindest in unserem Ausschuß - manchmal in der Sache nähergekommen sind, soll von uns überhaupt nicht bestritten werden. Das halten wir auch nicht für einen Makel.
Für die Sache wäre es allerdings dienlicher, wenn sich die Union zu erreichten Kompromissen bekennen würde. Statt dessen legt sie uns heute wieder den Bundesratsentwurf und eine Fülle von einzelnen Anträgen mit entsprechenden Forderungen als Lösung vor. Der Bundesratsentwurf ist von fast allen Verbänden gewogen und für zu leicht befunden worden.
Einer der wichtigsten Konfliktpunkte, meine Damen und Herren, ist bis heute die Stellung der freien und öffentlichen Träger und ihr Verhältnis zueinander geblieben; das ist hier auch schon gesagt worden. Sie fordern heute erneut, daß anerkannte freie Träger einen unbedingten Vorrang erhalten sollen. Wir stellen dem das Modell der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und den freien Trägern gegenüber. Wir sind Ihnen dennoch in der Sache weit entgegengekommen, weil uns Bedenken vor allem aus dem Bereich der Kirchen überzeugt haben, daß der Regierungsentwurf in seiner Ursprungsfassung den öffentlichen Träger in der Praxis übermächtig machen könnte.
Wir haben deshalb einen Formulierungsvorschlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für den § 102 übernommen, von dem wir überzeugt sind, daß er einen sinnvollen Kompromiß zwischen den Interessen der kommunalen Spitzenverbände und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege darstellt. Wir haben damit den von den Verbänden geforderten Funktionsschutz verstärkt.
Um es noch einmal zu erläutern, worum es jetzt geht: Ist ein anerkannter freier Träger der Jugendhilfe bereit, Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig zu schaffen und zu betreiben, entspricht sein Angebot einem an den Wünschen, Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten sowie an deren Wahlrecht orientierten Bedarf, trägt sein Angebot
zur angemessenen Vielfalt des Gesamtangebots bei und erfüllt es die sachlichen und fachlichen Voraussetzungen, so soll in der Regel dieses Angebot des freien Trägers gefördert werden. Die Förderung liegt natürlich nicht im Ermessen des öffentlichen Trägers, Frau Kollegin Karwatzki, sondern notfalls kann eingeklagt werden, wobei die Praxis der letzten Jahre dafür spricht, daß partnerschaftliche Zusammenarbeit weit überwiegend Realität ist. Das würde durch dieses Gesetz sicherlich nicht negativ verändert werden.
Wir wollen den Vorrang des freien Trägers an Bedingungen knüpfen - und das aus gutem Grund. Wir gehen davon aus, daß nicht das Betätigungsrecht freier Träger, sondern das Recht der Eltern auf Ausübung der Erziehungsverantwortung im Grundgesetz geschützt ist.
({4})
- Wer davon ausgeht, Herr Kollege George, daß es nicht um die freien Träger und Trägerrechte geht, sondern um Elternrechte, der muß bei einer Entscheidung über die Trägerschaft prüfen, ob die Einrichtung einem Bedarf entspricht, ob der Träger von den Betroffenen überhaupt nachgefragt wird, der muß prüfen, ob die in einer pluralistischen Gesellschaft mit unterschiedlichen Wertorientierungen selbstverständliche Pluralität des Gesamtangebots durch einen zusätzlichen Träger einer bestimmten Maßnahme verbessert oder überhaupt erst hergestellt wird, der muß auch prüfen, ob die sachlichen und fachlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Meine Damen und Herren von der Union, wenn Sie konsequent für Subsudiarität einträten, müßten Sie eigentlich der von uns vorgeschlagenen Regelung im Interesse des Elternrechts folgen.
({5})
Wenn Sie Subsidiarität im ursprünglichen Sinne ernst nähmen, müßten Sie auch unserem Gedanken folgen, daß das Jugendhilfegesetz die Arbeit von Initiativen und Selbsthilfegruppen besonders fördern muß. Wir haben im Ausschuß mehrfach darüber diskutiert. Ich hatte den Eindruck, daß auch Sie bei der Union stärker als bisher das Engagement der Betroffenen mobilisieren und nutzen wollten. Der Kollege Burger hat im Ausschuß als Beispiel für eine solche Initiative die „Lebenshilfe" genannt.
Damit jeder versteht, was gemeint ist, möchte ich hier noch andere Initiativen nennen. Da gibt es Elterngruppen, die regelmäßig gemeinsam Erziehungsprobleme erörtern, mit und ohne Zusammenwirken mit einem hauptamtlichen Sozialarbeiter; da gibt es Elterngruppen, die gemeinsam oder arbeitsteilig ihre eigenen Kinder betreuen; da gibt es Elterngruppen, die gemeinsam ihren drogengefährdeten oder drogenabhängigen Kindern helfen; da gibt es Jugendinitiativen, die sich für selbstverwaltete Jugendzentren einsetzen; da gibt es Initiativgruppen, die sozialpädagogisch betreute Jugendwohngemeinschaften anbieten wollen, und da gibt es Gruppen von jungen Leuten, die das örtliche Kulturangebot für die Jugend verbessern wollen.
Meine Damen und Herren, wir haben im Gesetzentwurf, so, wie er jetzt vorliegt, sichergestellt, daß vor allem diese Gruppen einen fachlichen und organisatorischen Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt haben sollen. Wir haben sichergestellt, daß diese Träger, diese Initiativen, die von den Bürgern selbst kommen, bei der Bemessung der Eigenleistung besser behandelt werden als die finanzstarken großen Träger, damit solches gesellschaftliches Engagement und solche Aktivitäten nicht von vornherein im Keim erstickt werden.
({6})
Wir sehen darin auch einen wesentlichen Beitrag zu einer Jugendhilfe, bei der der einzelne nicht Objekt, sondern Subjekt von Hilfe und Förderung ist. Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, daß Sie auf der Rechten des Hauses, mit dem Bekenntnis zur Subsidiarität auf den Lippen
({7})
- hier sitzen Sie in der Mitte, aber sonst sitzen Sie weit rechts ({8})
die besondere Förderung von Initiativgruppen und Selbsthilfegruppen ablehnen.
({9})
Der zweite wesentliche Konflikt, der offengeblieben ist, ist die Absicherung der Jugendarbeit im JHG. Sie haben sich heute erneut darauf beschränkt - auch in dem vorliegenden Antrag -, den billigen Restposten des § 12 des Bundesratsentwurfs durch einen Absatz anzureichern, in dem die auch im Regierungsentwurf genannten Aufgabenbereiche der Jugendarbeit nur aufgezählt werden.
Meine Damen und Herren, wenn das Gesetz würde, dann würde Jugendarbeit wirklich zum Annex der Jugendfürsorge, wie Sie das in Ihrer Presseerklärung vom 25. April gefordert haben, Herr Kollege Stark.
({10})
Das sagen Sie einmal den Vertretern der Jugendverbände, die heute hier auf der Tribüne sitzen und dieser Debatte lauschen: wie Ihre Einschätzung des Stellenwerts von Jugendarbeit ist!
({11})
Sie haben auch heute in der Begründung zu einem Ihrer Änderungsanträge geschrieben, daß Jugendarbeit Ihrer Vorstellung nach, soweit es bundesgesetzliche Regelungen angeht, ein Annex der Jugendhilfe und kein eigenständiger Bereich sein solle. Sie sollten Ihre eigenen Vorlagen lesen, Herr Kollege Stark; dann würden wir machmal wirklich über das diskutieren, was Sie draußen äußern.
Wenn das, was Sie geschrieben haben, Wirklichkeit würde, dann würde die Jugendarbeit zum Annex der Jugendfürsorge. Das hätte erhebliche Konsequenzen für die Förderung in der kommunalen Praxis. Wie wollen Sie eigentlich mit diesem Ausverkauf der Jugendarbeit vor die Jugendverbände
treten? Ihr frommer Wunsch in der Presseerklärung vom 25. April, Frau Karwatzki, Jugendarbeit dürfe keinesfalls lediglich als Feld sozialen Lernens beschrieben werden, kann mit Ihrem § 12 des Bundesratsentwurfs doch nicht garantiert werden.
({12})
Wir haben die Bestimmungen über die Jugendarbeit im Regierungsentwurf in den Ausschußberatungen erheblich verbessert und dabei eine ganze Reihe von Kritikpunkten der Jugendverbände berücksichtigt. Für uns hat Jugendarbeit emanzipatorische und kompensatorische Aufgaben. Wir wollen, daß Jugendarbeit zur Selbstbestimmung und zum verantwortlichen Handeln in der sozialen Gemeinschaft sowie zur Mitwirkung bei der Gestaltung der Gesellschaft befähigt, auf Erfahren und Erleben beruhendes soziales Lernen ermöglicht und Fehlentwicklungen vermeiden will.
Wir sind dem Regierungsentwurf und seiner Begründung dort nicht gefolgt, wo er politische Handlungsfelder und politische Aktionen nicht in die politisch bildende Jugendarbeit einbeziehen wollte. Das soll hier noch einmal eindeutig und für alle hörbar klargemacht werden. Politisch bildende Jugendarbeit heißt für uns nicht bloß Institutionenkunde im Seminar, sondern wir wollen politisches und soziales Engagement in entsprechenden Handlungsfeldern fördern. Handeln umfaßt genauso die - selbstverständlich friedliche - Demonstration gegen die Ausbeutung in der Dritten Welt wie den Informationsstand gegen Kriegsspielzeug und wie die Schularbeitenhilfe für Ausländerkinder.
Wir haben in § 26 auf die detaillierte Aufzählung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen der Jugendarbeit verzichtet, weil wir schon bei den Beratungen im' Ausschuß festgestellt haben, daß diese Aufzählung immer unvollständig bleiben müßte. In der Begründung zu § 26 findet sich beispielhaft, was nach unserer Auffassung geschaffen bzw. gefördert werden muß: Jugendbildungsstätten, Spielplätze, Beratungsstellen, Ferienlager, Fahrten; das geht bis hin zu jugendeigenen Veröffentlichungen und zur Kinderkulturarbeit sowie zu internationalen Begegnungen.
Wenn die Union die ausführliche Beschreibung der Aufgabenbereiche der Jugendarbeit im Gesetz und damit ein Bekenntnis zur Einheit der Jugendhilfe ablehnt, dann steckt mehr dahinter als nur die Sorge vor zuviel Perfektionismus. Dann steckt dahinter, daß Sie keinen bundeseinheitlichen Rahmen für die Jugendarbeit wollen, um in den von Ihnen regierten Ländern freie Hand für politische Einflußnahme zu behalten. Mit Generalklauseln wie in Ihrem § 12 ist der Jugendarbeit jedenfalls nicht gedient.
Herr Kollege Stark, Ihre Argumentation steht verfassungsrechtlich auf schwachen Füßen. Das hat nicht nur das Bundesverfassungsgericht erkannt - Sie haben das Urteil zitiert -, sondern das hat ja auch der Kandidat aus München bereits bekannt. Das war allerdings vor 31 Jahren, als der Abgeordnete Strauß hier von diesem Pult aus in seiner Jungfernrede wörtlich sagte:
Allerdings hat die Jugendpflege und Jugendfürsorge heute in einem größeren Maße, als es früher der Fall war, Grenzgebiete, die sich überschneiden. Jugendpflege ist heute weitgehend eine soziale Aufgabe geworden, die durchaus - bis zu einem gewissen Grad jedenfalls - in die Zuständigkeit des Bundes fällt.
({13})
Das, was er damals sagte, ging jedenfalls sehr viel weiter als das, was Sie uns heute hier vortragen.
({14})
- Vor 31 Jahren hat er noch weise Einsichten gehabt. Das Grundgesetz ist dasselbe geblieben. Das sollte heute von Ihnen in dieser Frage nicht anders interpretiert werden als 1949.
Ein dritter Konfliktbereich betrifft den Umfang und die Aufgabe der Beratungsdienste. Herr Kollege Stark hat in diesem Zusammenhang ja ein wahres Horrorgemälde gemalt. Da muß den Eltern ja das Fürchten kommen, wenn sie hören, was Sie in die Beratungsdienste so hineinphantasiert haben.
In Ihrem oben zitierten Pressedienst schreiben Sie, die Beratungsdienste seien pädagogisch und juristisch umstritten. Das ist übrigens dort der einzige Satz in dieser Richtung. Über weitere Dinge haben Sie sich mit der fachlich versierten Frau Karwatzki bezüglich dieser Frage wahrscheinlich nicht einigen können. Deswegen ist Ihre gemeinsame Presseerklärung vom 25. April in diesem Punkt auch so dürr ausgefallen.
({15})
- Ein bißchen durchschaue ich das Spiel ja. - Dabei ist der Dissens unter den Fachleuten sehr viel weniger ausgeprägt gewesen.
({16})
- Eine Zwischenfrage lasse ich zu. Gerne.
Herr Kollege, könnten Sie mir als Nichtmitglied Ihres Ausschusses bitte einmal sagen, was ich Eltern antworten soll, die mich fragen, wieso 75 Paragraphen erforderlich sind, um ihre Beziehungen zu ihren Kindern zu regeln?
Dieses Jugendhilfegesetz, Herr Kollege Petersen, regelt nicht das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, sondern das ist im Recht der elterlichen Sorge geregelt. Dazu könnte Ihnen der Kollege Stark noch weitere Ausführungen machen.
({0})
Hier geht es um Verwaltungsrecht, d. h., es geht um das Recht der Jugendhilfe, um Ansprüche von Eltern und Minderjährigen gegenüber dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe.
({1})
Aber da sieht man schon, wie draußen diskutiert
wird. Wenn hier einige nur die Hälfte mitbekomKuhlwein
men und insbesondere die Rede des Kollegen Stark draußen verbreiten, dann ist der Eindruck, der geschaffen wird, natürlich verheerend. Dabei wissen viele gar nicht, worüber sie reden.
Der Dissens unter den Fachleuten in puncto Beratung ist sehr viel weniger ausgeprägt gewesen, als von Herrn Kollegen Stark vorgetragen worden ist. Aber die Minderheit des Rechtsausschusses hält die Regelung der Beratungsangebote ja für überzogen. Deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Zunächst sollte die Union schnellstens den Widerspruch klären, der sich daraus ergibt, daß CDU und CSU schon im Jahr 1970 die Bundesregierung in einem Antrag, eingebracht im Deutschen Bundestag, aufgefordert haben, konkrete Gespräche mit den Ländergremien mit dem Ziel zu führen, die Länderrichtlinien für den Aufbau und Ausbau der Erziehungsberatungsstellen verbindlich zu machen.
({2})
Der Abgeordnete Dr. Martin hat damals den internationalen Standard von einer Erziehungsberatungsstelle auf 50 000 Einwohner genannt, auf den wir uns zubewegen müßten, Herr Kollege Stark. Er hat das damit begründet: Die Bewegung von der Großfamilie zur Kleinfamilie habe eine große Erziehungsunsicherheit bei den Eltern, aber auch bei den Lehrern und in der Öffentlichkeit erzeugt. Und dann hat der Kollege Martin damals in diesem Hohen Hause von diesem Pult aus gesagt: Die Erziehungsberatungsstellen sollten zu einer „mehrdimensionalen Diagnostik und Therapie befähigt" sein. Das ist also das Schauergemälde, das Sie eben an die Wand gemalt haben.
Ich sehe schon das Heer von Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und Psychologen, die damals von Herrn Dr. Martin auf den Marsch gebracht worden sind. Der bayerische Sozialminister Dr. Pirkl geht übrigens auch davon aus, daß wir auf 50 000 Einwohner eine qualifizierte Erziehungsberatungsstelle brauchen. Er hat sogar gesagt, daß in Ballungsgebieten auf 40 000 Einwohner eine Erziehungsberatungsstelle zu kommen habe. Nun kommen Sie!
Ich will auch einmal aus der neuesten Fortschreibung der bayerischen Förderrichtlinien für Erziehungsberatungsstellen vom 14. September 1979 zitieren. Es handelt sich also wirklich um neue Erkenntnisse. Vielleicht interessiert Sie das, Herr Kollege Stark, der Sie das Schauergemälde gemalt haben. Es heißt dort, Erziehungsberatungsstellen hätten folgende Aufgaben:
a) Feststellung von Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Bedingungen unter Berücksichtigung ihrer psychischen, physischen und sozialen Faktoren;
b) Veranlassung oder Durchführung der zur Behebung festgestellter Auffälligkeiten erforderlichen Maßnahmen; sie schließen damit die Durchführung der notwendigen Beratung gegenüber Kindern, Jugendlichen, Eltern oder anderen an der Erziehung beteiligten
Personen oder Stellen, gegebenenfalls auch durch schriftliche Stellungnahmen, ein und umfassen erforderlichenfalls auch die Durchführung der notwendigen therapeutisch-pädagogischen Behandlung, soweit nicht die Inanspruchnahme anderer Einrichtungen angezeigt ist;
c) Mitwirkung bei vorbeugenden Maßnahmen gegen Erziehungsfehler wie überhaupt bei vorbeugenden Maßnahmen, die geeignet sind, zur allgemeinen Aufklärung in Erziehungsfragen und zur Verbesserung des Erziehungsklimas in der Öffentlichkeit beizutragen, insbesondere in Wohngebieten mit sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen ({3}). Die Erziehungsberatungsstelle soll im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre Erkenntnisse und ihre Erfahrungen auch anderen Institutionen zur Verfügung stellen und vor allem den Eltern zugänglich machen.
So umfassend beschreibt Bayern den Auftrag von Erziehungsberatungsstellen in seinen eigenen Förderrichtlinien!
({4})
Dann kann das doch nicht so teuflisch sein, wie Sie das dargestellt haben, Herr Kollege Stark.
({5})
Herr Abgeordneter Kuhlwein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stark?
Ich habe nur noch sechs Minuten. Deswegen bitte ich um Verständnis, daß ich keine Zwischenfrage mehr zulasse.
Der schleswig-holsteinische Bundesratsminister Dr. Henning Schwarz hat genau vor einer Woche beim Berufsverband der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in Holm bei Kiel gesagt, der Beratungsbedarf werde in den nächsten zehn Jahren erheblich steigen.
({0})
- Sie sprechen von den Inhalten, Herr Kollege Stark. Ist Ihnen bekannt, daß fast alle Beratungsstellen bei uns in der Bundesrepublik von freien Trägern getragen werden?
({1})
Ist Ihnen das bekannt, und wollen Sie all das, was Sie befürchten, den Kirchen vorwerfen, die diese Beratungsstellen betreiben? Wollen Sie das hier tun, Herr Kollege Stark?
({2})
Uns geht es darum, daß wir ein breit gefächertes Angebot haben, das auch der Pluralität, der Wertorientierung gerecht wird.
({3})
Natürlich wird in einer kirchlichen Beratungsstelle nach kirchlicher Wertorientierung beraten werden bzw. nach dem, was die dort Tätigen sich gemeinsam mit der Kirche erarbeiten, wobei die Kirche dann die Aufsicht führt. Es gibt andere Beratungsstellen anderer Träger, die von anderen Gruppen der Bevölkerung wegen deren Wertorientierung lieber gesehen werden. Aber Sie können nicht pauschal sagen, daß das, was ein paar Sozialarbeiter aufgeschrieben haben, wie sie ihren Beruf, ihre Aufgabe definieren,
({4})
durchgängig bei allen Beratungsstellen aller freien Träger quer durch die Republik das Problem sein würde. Sagen Sie das ruhig öffentlich, und beleidigen Sie damit die Kirchen!
({5})
Schwierigkeiten hat der federführende Ausschuß aus fachlicher Sicht mit § 7 gehabt, nachdem in der jetzt vorliegenden Fassung die Beratung, also Jugend-, Familien- und Erziehungsberatung, einem Minderjährigen nur mit vorheriger Zustimmung des Personensorgeberechtigten erbracht werden darf. Eine Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis wird nur gemacht, wenn und solange der mit der Beratung bezweckte Erfolg gefährdet würde und dadurch ein schwerwiegender Nachteil für das Wohl des Minderjährigen zu besorgen wäre. Auch dann kann nur ausnahmsweise auf die Einholung der Zustimmung verzichtet werden. Hier haben wir verfassungsrechtlich sehr strenge Maßstäbe angelegt, weil wir dem Rechtsausschuß gefolgt sind. Wir sind uns jedoch darüber im klaren, daß diese sehr restriktive Bestimmung die Aufnahme von Kontakten zur Beratung erheblich erschweren kann. Wir würden deshalb keine Einwände erheben, wenn der Bundesrat insoweit wieder die Fassung des Bundesratsentwurfs einfügen würde, nach der für die Beratung eines Minderjährigen die vorherige Zustimmung des Personensorgeberechtigten nicht erforderlich ist, die Beratung jedoch erst nach seiner Unterrichtung fortgesetzt werden darf und wonach von der Unterrichtung mit Ausnahme der Erziehungsberatung im Einzelfall abgesehen werden darf, wenn die Beratung auf Grund einer akuten Not- oder Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde.
Zu Recht hat der Bundesrat in der Begründung zu § 7 gesagt, daß insbesondere in Fällen der Drogenberatung die Bereitschaft eines Minderjährigen, sich beraten zu lassen, oft nur dadurch erreicht werden kann, daß vorläufig eine Mitteilung an den Personensorgeberechtigten unterbleibt. Wir halten diese Regelung, die der Bundesrat zu § 7 insoweit vorschlägt, für praxisnah; denn wir wollen nicht verhindern, daß sich Minderjährige an Berater wenden, wenn sie Probleme haben, die sie mit ihren Eltern nicht besprechen können, sondern wir wollen gerade sicherstellen, daß sie frühzeitig jemanden finden, dem sie sich dann anvertrauen können, um das Problem zu lösen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aus einem Brief einer Sozialarbeiterin zitieren, der mich vor einigen Wochen erreichte:
Es geht ja nicht darum, durch fachliche Beratung in die Familie hineinzuregieren, sondern die Familie, die Eltern zu befähigen, ihrem Erziehungsauftrag heute unter den jetzt bestehenden Gegebenheiten mit allen Gefahren, Versuchungen und Verführungen gerecht werden zu können. So befähigte, mit mehr Sicherheit in ihrem Erziehungsverhalten ausgestattete Eltern würden sich freier und wohler fühlen, weil es wiederum auf die Kinder zurückstrahlt. Ich könnte mir denken, daß damit die Bereitschaft, Kinder zu haben, gestärkt würde und die Freude am Kind gegenüber der Angst, ein „mißratenes" Kind zu haben, wieder Vorrang bekommen könnte.
Ich glaube, daß auch dieser Aspekt in der Union einmal diskutiert werden müßte, bevor Sie die Einrichtungen in Bausch und Bogen ablehnen, die wir hier schaffen wollen.
Wir wollen, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird; wir wollen es nicht um jeden Preis verabschieden. Was am Ende im Bundesgesetzblatt steht, darf auf keinen Fall hinter den Möglichkeiten der Jugendhilfe nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz zurückbleiben, und die Jugendhilfe darf auch nicht an ideologischen Schaukämpfen scheitern.
Viele betroffene und engagierte Verbände haben uns in den letzten Monaten ermutigt. Die AGJ schreibt in einer Resolution vom 7. März 1980, die Träger der Jugendhilfe seien dringend darauf angewiesen, daß den Spekulationen über die künftige Rechtsgrundlage ein Ende gesetzt und die notwendigen Maßnahmen verwirklicht werden könnten. Der Deutsche Landkreistag hat sich für ein neues, den heutigen Gegebenheiten entsprechendes Jugendhilferecht ausgesprochen. Die EKD-Synode hat die Verabschiedung gefordert. Das Bundesjugendkuratorium schreibt in einer Stellungnahme: „Wenn in dem Entwurf auch nicht alle an eine Reform gestellten Erwartungen verwirklicht werden konnten, so stellt er doch, insgesamt gesehen, eine ausgereifte Grundlage für die Ausgestaltung eines modernen Jugendhilferechts dar.
Und damit auch eine Stimme aus dem Lager der Union nicht fehlt: Die Junge Unión hat im März, offenbar an die Adresse der eigenen Freunde gerichtet, die Verantwortlichen aufgefordert, das Gesetz nicht an Scheinproblemen und taktischem Kalkül scheitern zu lassen. Ich würde mich freuen, meine Damen und Herren, wenn die Bundesratsmehrheit diesen Appell bei den bevorstehenden Beratungen beherzigte.
Die von ihnen heute vorgelegten Anträge sind alles alte Bekannte aus den Ausschußberatungen. Sie bringen nichts Neues, auch in den Begründungen nicht. Wir haben dazu mehrfach unsere Positionen geäußert, einen Teil habe ich soeben in meinem Beitrag abgedeckt. Wir müssen Ihnen zu unserem BeKuhlwein
dauern mitteilen, daß wir alle Ihre Anträge ablehnen.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abgeordnete Männle.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Jugendhilfegesetz legt die Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Beschlußfassung vor, dessen Entstehung und Werden zum Gesetz man seit über zehn Jahren - Herr Kollege Hauck ist ja darauf eingegangen - in der Öffentlichkeit erwartete und verfolgte wie den Genesungsprozeß eines ständig kränkelnden alten Bekannten. Wiewohl der Entwurf des öfteren auch schon als scheintot galt, haben die zuständigen Doctores Radikalkuren nicht gescheut und den Patienten für seine Vorstellung im Hohen Hause noch kurzfristig einer Schönheitsoperation unterzogen. Wir sind jedoch der Meinung, daß die Krankheit dadurch nicht geheilt wurde.
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Die Fraktion der CDU/CSU sieht sich deshalb in der heutigen Debatte gezwungen, die Krankheitsherde anzusprechen und durch von mir zu begründende Änderungsanträge, die ich hiermit einbringe, einer Heilung zuzuführen.
Das Jugendhilfegesetz greift nach Meinung der Union - Herr Dr. Stark hat das ja ausführlich erläutert - in den Schutzbereich des Art. 6 des Grundgesetzes ein. Nach der Konzeption des Gesetzes kommt der Jugendhilfe, ohne daß hierfür eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung besteht, die Funktion eines selbständigen Erziehungsträgers zu. Nach dem Grundgesetz sind jedoch als die verfassungsmäßigen Erzieher in erster Linie die Eltern und in zweiter Linie die Schule berufen. Daneben ist für eine staatliche Erziehungsträgerschaft kein Raum. Denn Art. 6 schützt das eigenverantwortliche Erziehungsrecht jeder Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlichen Einwirkungen entzogen ist.
Art. 6 enthält eine verbindliche Wertentscheidung auch für den Gesetzgeber, und zwar für den gesamten Bereich des die Ehe und die Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts. Aus diesem Grunde ergeben sich rechtliche Grenzen für die Freiheit des gesetzgeberischen Ermessens, und diese Grenzen haben Sie unserer Meinung nach überschritten. Die Maßstäbe, die der Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Form für den staatlichen Eingriff in das natürliche Erziehungsrecht der Eltern setzt, sind nicht mehr vom verfassungsmäßigen Wächteramt des Staates gedeckt, sondern greifen darüber hinaus. Hier wird ein dritter Erziehungsbereich geschaffen. Es werden Erziehungsziele und Erziehungsinhalte statuiert, und deren Durchsetzung wird verrechtlicht.
Die Familie erscheint nach dem Grundverständnis des Gesetzentwurfs als ergänzungs- und überwachungsbedürftige Einrichtung. Der Entwurf läßt durchblicken, daß Eltern lediglich Amateurerzieher sind. Ich darf Sie an den Zweiten Familienbericht erinnern, wo ja von den Eltern als „Ungelernten" die Rede war. Nach der Grundannahme des Entwurfs haben die Eltern die Verpflichtung zur Abnahme einer staatlich geförderten Erziehung. Sie, meine Damen und Herren, mißbrauchen das Jugendhilferecht als ein Instrument, quasi durch die Hintertür doch noch den Ansatz des Zweiten Familienberichts durchzusetzen. Sie wissen: Nach diesem ist Erziehung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die den Eltern von der Gesellschaft übertragen wird. Wir sind der Meinung, das ureigene Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder wird hier pervertiert.
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Für familienfeindlich hält die Opposition insbesondere das vorgesehene Antragsrecht in § 7 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfs. Durch ein eigenes Antragsrecht des Jugendlichen können bisherige persönliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Kindern zum rechtliche Konflikt werden. Selbstverständlich verkenne ich nicht, daß es Fälle gibt, in denen ein Eingreifen des Jugendamtes notwendig ist; aber hier muß das Jugendamt - auch ohne formelles Antragsrecht des Jugendlichen - auf einen Hinweis des Jugendlichen oder auch Dritter tätig werden. Aber allein durch die Möglichkeit einer willkürlichen Antragstellung besteht die permanente Gefahr, daß das Jugendamt zum Schiedsrichter in familiären Fragen auch dann werden kann, wenn es sich um ganz natürliche Spannungen im Verhältnis zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern handelt,
({2})
die ohne weiteres innerhalb der Familie selbst gelöst werden könnten.
Mit dem Recht, jederzeit ohne Dringlichkeit einen Antrag zu stellen, gibt man dem Jugendlichen die Möglichkeit, familienfremde Dritte in den familiären Konflikt nach eigenem Ermessen einzuschalten. Dieses Instrument der Einschaltung einer außerfamiliären Konfliktlösung könnte sich als ein höchst familienfeindliches Werkzeug erweisen. Wir befürchten, daß der natürliche Erziehungsprozeß, wie eine Konfliktbereinigung durch Vergleich, durch Aussprache und gegenseitiges Nachgeben, von vornherein ausgeschlossen wird, und zwar dadurch, daß den einzelnen Familienmitgliedern familienfremde staatliche Instrumente in die Hand gegeben werden. Manchmal ist es einfacher und bequemer, den Gang zum Jugendamt, zum Gericht zu machen, um seinen Rechtsanspruch überprüfen zu lassen. Die Chancen einer familieninternen Lösung werden durch dieses Antragsrecht des Jugendlichen entscheidend vermindert. Ebenso vermindert wird die Bereitschaft, zu einer familieninternen Lösung beizutragen, da nach dem Grundverständnis des Gesetzes nicht mehr die Familie eigenverantwortliche Instanz in Erziehungsfragen ist, sondern die staatlichen Institutionen letztlich das Sagen haben. Die natürliche Autorität der Eltern als den vom Grundgesetz berufenen Erziehern wird durch die Möglichkeit des Antrags auf eine staatliche Erziehungshilfe
untergraben, wenn es der Jugendliche in der Hand hat, jederzeit die Überprüfung elterlichen Handelns herbeizuführen.
Das Antragsrecht der Jugendlichen nach § 7 kann nach unserer Meinung zu einer Entwicklung führen, daß die natürlichen Ressourcen der Familie als eigenverantwortlicher Erzieher nicht mehr voll ausgeschöpft werden und daß an diese Stelle ein Vakuum treten kann, das von einer - wie auch immer gestalteten - Jugendpflege selbst mit den besten Kräften niemals ausgefüllt werden kann. Ich selbst war vor meiner Tätigkeit hier im Bundestag in der Ausbildung von Sozialpädagogen tätig, und ich weiß, daß diese ihre Tätigkeit mit großem Einsatz ausüben und ihre Aufgabe ernst nehmen, aber ich glaube auch, daß dieses Vakuum selbst von diesen Leuten nicht ausgefüllt werden kann.
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Unterschätzen Sie, sehr verehrte Damen und Herren, die Auswirkung des Faktums der Antragstellung nicht. Jede Antragstellung im Bereich der Jugendhilfe hat notwendig eine Einmischung Dritter in die Familie zur Folge. Jede Einmischung Dritter in innerfamiliäre Auseinandersetzungen kann den Erziehungsprozeß und den Erziehungskonflikt ausweiten; dies um so mehr, als etwa der Sozialpädagoge oder der Psychologe des Jugendamtes, der vom Jugendlichen angerufen wird, zunächst uninformiert ist. Er muß sich eingehend unterrichten über die Beteiligten und ihre persönlichen Beziehungen, um als Fachmann eine vernünftige Entscheidung treffen zu können. Ermittlungen im Intimbereich der sozialen Einheit Familie - jede Familie ist meines Erachtens etwas Intimes - vergiften die Atmosphäre.
Schließlich sollte man auch realistisch sehen, daß selbst die richtige Entscheidung eines Erziehungsfachmannes die Störung des persönlichen Vertrauens und der personalen Bindung nicht mehr korrigieren kann. Dies aber sind unserer Meinung nach die Fundamente einer erfolgreichen Familienerziehung. So gesehen, kann die Ausführung des Gesetzes zu einer Erschwerung der Erziehungsaufgabe der Familien führen.
Die CDU/CSU hat bereits im Rahmen der Beratungen zum Recht der elterlichen Sorge auf diese Bedenken hingewiesen. Wir wenden uns daher mit allem Nachdruck gegen die Aufnahme dieses Antragsrechts in den Gesetzentwurf. Denn wir finden es unverantwortlich, den Jugendlichen in der Lebensphase einer oftmals altersbedingten Opposition die außerordentlich schwierige Beurteilung zu überlassen, zu welchem Zeitpunkt die Einschaltung der staatlichen Behörden wünschenswert ist.
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Es kann ja die Vertrauensbasis unter den Familienmitgliedern gestört werden, und das wäre unserer Meinung nach negativ. Vielleicht ist auch noch der Gesichtspunkt zu berücksichtigen, daß schließlich die Erziehungsbedürftigen selber den Antrag stellen. Man sollte sich überlegen, welche Konsequenzen das haben kann.
Die jüngst vorgenommene Erweiterung des Entwurfs und die Möglichkeit der Antragsrücknahme durch den Personensorgeberechtigten kann unsere Bedenken nicht ausräumen. Zum einen ist die Rücknahme des Antrags nach dem grundsätzlich geltenden Prinzip des Amtsbetriebs in der Regel für die Gewährung der Leistungen und für das Tätigwerden des Jugendamtes ohne Bedeutung. Zum anderen beseitigt die Antragsrücknahme die genannten, mit der Antragstellung als solcher auftretenden Konflikte nicht, sondern kann vielmehr im Einzelfall Anlaß neuer Konflikte sein und damit im Gegenteil noch zur Konfliktausweitung beitragen. Die Union fordert deshalb die Änderung des § 7 Abs. 3, wie in unserem Änderungsantrag aufgeführt.
Das Mißtrauen gegen die Entscheidung der Eltern kommt auch in § 9 zum Ausdruck. Der Jugendliche muß der Entscheidung der Eltern und des Jugendamtes zustimmen. Ansonsten wird die Entscheidung auf das Vormundschaftsgericht verlagert. Auch hierin liegt eine unzulässige Einschränkung des Elternrechts. Deshalb fordern wir mit unserem Änderungsantrag die Streichung dieses und der sich aus der Änderung ergebenden Paragraphen.
Die Leistungen der Jugendhilfe sind bekanntermaßen umfassend formuliert. Sie sind es sogar so umfassend, daß die Jugendhilfe auch nicht im Gesetz geregelte Erziehungshilfen erbringen kann. Dies ist eine Gefahr für das Elternrecht, aber auch für die Jugendlichen selbst, die zu Versuchskaninchen für „nicht erprobte Hilfen und Modelle' mißbraucht werden können. Für die Entwicklung der Jugendlichen, die Gegenstand einer solchen Erprobung sind, können sich nicht unerhebliche Risiken ergeben. Erziehungsfehler und -irrtümer sind leider nicht beliebig korrigierbar. Aus diesem Grunde fordern wir die Streichung des § 5 Abs. 4.
In die gleiche Problematik fällt auch die Neuformulierung des § 44, der z. B. pädagogisch betreute Jugendwohngemeinschaften oder andere Wohnformen, die noch nicht hinreichend erprobt sind und deshalb nicht in das Gesetz aufgenommen werden sollen, zum Gegenstand hat. Ich bin der Meinung, der gemeinsame Entschließungsantrag aller Fraktionen zum Jugendhilferecht trägt dem Wunsch nach Erprobung neuer Formen Rechnung. Aber warten wir doch erst einmal die Ergebnisse ab, bevor wir sie in das Gesetz aufnehmen.
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Das Jugendhilfegesetz in der vorliegenden Fassung ist von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 7 GG, in dem lediglich von öffentlicher Fürsorge die Rede ist, nicht mehr gedeckt, - auch wenn Herr Kollege Kuhlwein anderer Meinung ist. Bei seiner Entscheidung vom 18. Juli 1967 hatte das Bundesverfassungsgericht nur zu prüfen, ob Jugendpflege im Sinne des alten Jugendwohlfahrtsgesetzes noch zur öffentlichen Fürsorge nach Art. 74 gehörte. Jugendpflege und Jugendarbeit, so wie sie der jetzt zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf sieht, unterscheiden sich aber doch im Ausmaß erheblich von der Materie, mit der sich das Gericht damals zu befassen hatte. Die Frage der
Gesetzgebungskompetenz stellt sich daher heute neu.
Die Union hält es dabei für unzulässig, die ohnehin schon extensive Auslegung des Begriffs „öffentliche Fürsorge" durch eine so weitgehende Berücksichtigung von Jugend- und Bildungsarbeit endgültig zu überdehnen. Insbesondere das thematisch und programmatisch unbegrenzte Bildungsangebot der Jugendhilfe gibt Anlaß zu der Besorgnis, daß die gesamte außerschulische Bildung durch Bundesgesetz geregelt wird. Unter dem Deckmantel der Wahrung der Einheit der Jugendhilfe soll hier in genuine Länderkompetenzen eingegriffen werden. Die ernste Aufgabe der Jugendhilfe ist eine ungeeignete Materie für Kompetenzverschiebungen im Rahmen der föderativen Ordnung. Wir beantragen deshalb die Neuformulierung der §§ 17 und 27 und die Streichung der §§ 18 bis 26 sowie 28 bis 30.
Die ausformulierten Ziele der Jugendarbeit gehen nicht nur an der Praxis vorbei, sondern tragen auch der Eigenart und dem Selbstverständnis der Jugendverbände weitgehend nicht Rechnung; Frau Karwatzki ist ja ausführlich auf diese Frage eingegangen. Außerdem gehören Fragen der Familienbildung im ganzen sicherlich nicht zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
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Die Aufgaben der Jugendhilfe sind so ernst, daß sie es verdient hätten, stärker den Bedürfnissen der Jugendlichen angepaßt zu werden.
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Der Entwurf hingegen beabsichtigt in § 1 die Schaffung eines Instrumentariums zur Verfolgung eines denkbar umfassend formulierten Erziehungszieles. Hier wird ein allgemeines Erziehungsgesetz beschrieben, nicht ein Jugendhilfegesetz.
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In der von uns vorgeschlagenen Fassung des § 1 werden die Aufgaben der Jugendhilfe klar innerhalb der Grenzen der Gesetzgebungskompetenz beschrieben. Mit der Bestimmung der Ziele der Jugendhilfe wird der subsidiäre Charakter hervorgehoben, und damit wird klargestellt, daß Jugendhilfe kein eigenständiger Erziehungsträger ist. Unser Antrag macht zudem deutlich, daß Hilfen zur Erziehung dann einzusetzen sind, wenn eine Gefährdung der Entwicklung des jungen Menschen verhindert oder beseitigt werden muß.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es ist nicht ausreichend, in § 1 den Primat des Elternrechts in das Gesetz aufzunehmen, wenn das Gesetz im übrigen durch eine überhöhte Skepsis gegenüber der Erziehungsfähigkeit der Familie geprägt ist. Die Übernahme des Wortlauts des Art. 6 des Grundgesetzes in § 1 - vorhin von Herrn Kollegen Eimer zitiert - macht aus dem Jugendhilfegesetz noch kein familienfreundliches Gesetz. Echte Jugendhilfe muß jedoch notwendig familienfreundlich sein,
({9})
wenn die Familie weiterhin die zuvörderst berufene Erzieherin der Jugend sein soll. Dies ist die Wertentscheidung des Grundgesetzes, dies ist unsere eigene Wertentscheidung, und sie ist unverzichtbare Konsensbedingung.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwenk.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von der Bundesregierung und vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwürfe hatten - das ist ja in den Vorreden schon angeklungen - auch Grundsatzfragen zur Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlich geschützten Elternrecht, mit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und auch - was hier nicht mehr weiter behandelt worden ist, weshalb auch nicht mehr ausführlich darauf einzugehen ist - mit dem Selbstverwaltungsrecht der Städte und Landkreise aufgeworfen.
Der Rechtsausschuß hat sich vornehmlich mit diesen Fragen befaßt, aber ich darf dabei darauf hinweisen: Manches, was durch die Fragestellung von Herrn Kollegen Stark und Frau Professor Männle aufgeworfen worden ist, hat uns in ausführlichen Beratungen zum Recht der elterlichen Sorge bereits beschäftigt, und die entsprechenden Fragen sind dort auch schon beantwortet worden. Deswegen habe ich wenig Verständnis dafür, daß Sie sich mit einigen Punkten, die wir dort behandelt haben, immer noch nicht zurechtgefunden haben. Sie müßten in Wahrheit ausdiskutiert sein.
Der Rechtsausschuß hat in seinen Beratungen zum Jugendhilferecht an seine vertiefte Sachkunde aus den Beratungen zum Recht der elterlichen Sorge angeknüpft und diese Sachkunde auch einfließen lassen. Wir haben dabei nicht erkennen können, daß die von Ihnen vorgetragenen Bedenken, die jetzt wieder vertieft worden sind, gerechtfertigt wären.
Herr Kollege Stark, ich muß dazu auch das korrigieren, was Sie zur Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 7 gesagt haben. Sie sind in der Minderheit geblieben. Die Mehrheit hat entschieden und so weiterempfohlen, daß gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Bedenken vorzubringen sind.
Festzuhalten ist einmal, daß sowohl der Regierungs- als auch der Bundesratsentwurf eine Fortentwicklung von der Jugendwohlfahrt hin zur mehr leistungsorientierten Jugendhilfe haben wollen. In Frage stand, ob der Bundesgesetzgeber hier etwas bringen darf. Wir haben dabei auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1967 zurückgreifen können. Dazu ist zwar gesagt worden, die entsprechende Passage sei nur mit einer Mehrheit von 4 : 3 beschlossen worden, das besagt aber gar nichts. Innerhalb des Votums hatte es unterschiedliche Mehrheiten gegeben. Das Fehlen weiterer Literatur zu diesem Spruch zeigt, daß das Urteil von der Öffentlichkeit, auch von der interessier-I ten Öffentlichkeit, angenommen worden ist. Dabei
Dr. Schwenk ({0})
ist auch deutlich ausgesprochen worden, daß die Kompetenz des Bundesgesetzgebers über reine Jugendfürsorge hinausgeht, daß sie auch die Jugendhilfe umfaßt und auch Sätze zur Erziehung nicht ausschließt.
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- Ja, eben, Herr Kollege. - Eine Begrenzung hat das Bundesverfassungsgericht seinerzeit nicht ausgesprochen.
Im Rechtsausschuß haben diese Überlegungen eine erhebliche Rolle gespielt. Sie haben immer wieder nachgefragt, wieweit dieses, wieweit jenes - die Frage „wieweit?" ist hier auch angeklungen -, wieweit weitere Quantität die Qualität verändert. Dies ist nicht negativ beschieden worden.
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Nun muß umgekehrt einmal gesagt werden, wenn Sie die Kompetenz des Bundes bestreiten wollen, weil Sie behaupten, das gehe in Bildung und schulische Belange hinein, dann müßten Sie auch umgekehrt argumentieren, wieweit nämlich schulische Kompetenz in außerschulische Bereiche hineingeht. Diese Diskussion ist nicht geführt worden. Eine Grenzziehung ist auch von Ihnen nicht aufgezeigt worden. Der Bund hat also die Kompetenz, über Jugendfürsorge- und jugendpflegerische Maßnahmen im engeren Bereich hinauszugehen.
Wenn Sie einmal in das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz hineinsehen, müßten Sie eigentlich erstaunt sein. Deswegen möchte ich auch einige Sätze daraus zitieren. In § 1 Abs. 3 des geltenden Jugendwohlfahrtsgesetzes steht:
Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt, unbeschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit, öffentliche Jugendhilfe ein.
Wenn also das, was Frau Kollegin Männle hier warnend hervorgehoben hat, zutrifft, dann hätten Sie schon längst, auch zu Ihrer Regierungszeit, Anträge auf Änderung des Jugendwohlfahrtsgesetzes stellen müssen. Das haben Sie nicht getan.
({3})
Damit bricht Ihre ganze Argumentation zusammen. Frau Männle, es genügt nicht, sich Reden vorbereiten zu lassen,
(Zuruf der Abg. Frau Männle [CDU/CSU] Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Unverschämt!
- Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist
doch eine niederträchtige Frechheit!
die dann zu halten und gleichzeitig über das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz keinerlei Bescheid zu wissen. Dies hätten Sie vorher einmal erarbeiten müssen. Dann hätten Sie auch Sätze wie „Die Erziehungskraft der Familie wird geleugnet" und „Es wird ihr nichts zugetraut" nicht bringen können. Gucken. Sie einmal im geltenden Jugendwohlfahrtsgesetz nach, was dort steht; dann müßten Sie dem voll zustimmen.
Dann kommen die Überlegungen, die Sie ja auch angestellt haben: Wieweit wird das, was bisher von Amts wegen gemacht worden ist, qualitativ dadurch verändert, daß der Jugendliche befugt wird, einen Antrag zu stellen? Nur mit dieser Frage hätten Sie sich beschäftigen können, nicht aber damit, daß den Trägern der Jugendhilfe schon seit langem die Befugnis zuerkannt worden ist, auch ergänzende Erziehung zu betreiben. Auch hätten Sie dann bedenken müssen, daß deutlich aufgezeichnet' ist - sowohl im geltenden Jugendwohlfahrtsgesetz als auch im neuen Jugendhilferecht -, daß die Angebote der Jugendhilfe durchgängig „ergänzend", nicht aber „anstelle" gemacht werden sollen. Angebote „anstelle" zu machen, ist den Eingriffstatbeständen der §§ 1666 und 1666 a - elterliches Sorgerecht, jetzt in das BGB eingearbeitet - sowie dem § 1837 - Vormundschaftsverhältnisse - vorbehalten. Sonst sind Angebote „anstelle" nicht vorgesehen.
Dies haben wir in den Ausschußberatungen des Rechtsausschusses auch deutlich erklärt. Wir haben mehrfach gesagt: Ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht durch die Neufassung des Jugendhilferechts hat an keiner Stelle stattzufinden, weder bewußt und gewollt noch unerkannt. Dies ist auch für spätere Auslegungen von Gewicht. Deshalb sage ich das auch so deutlich. Vorhin ist mein Kollege Emmerlich zitiert worden. Das, was er gesagt hat, sollte diesen Inhalt haben. Wir haben beim elterlichen Sorgerecht und in den Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Antragsrechte des Jugendlichen ganz bewußt verzichtet, weil der Jugendliche innerhalb der Familie keine Anträge. stellen soll, die gegen die Eltern gerichtet sind.
Wenn nun das Antragsrecht im Jugendhilferecht von uns nicht verneint wird, dann hat das ganz andere Gründe. Denn der Antrag - sowohl von Eltern als auch von Jugendlichen - auf Leistungen von Jugendhilfe richtet sich gegen die Träger. Von Ihnen wird dann gesagt: Das kann Auswirkungen dahin haben, daß dann über den Antrag an den Träger die Personen, die das auszuführen haben, einmal nachfragen: Was ist denn der Grund dafür, daß da jemand kommt und einen Antrag stellt? Das gleiche gilt aber auch, wenn sie denen das von Amts wegen zur Kenntnis geben. Aber die Autorität der Eltern wird in keiner Weise tangiert; sie können den Antrag zurücknehmen. Das haben wir deutlich gesagt, das steht auch so im Gesetz. Wie gesagt: Elterliche Autorität wird damit nicht berührt. Wenn Eltern die elterliche Verantwortung allerdings nicht von Anfang an konsequent und richtig wahrgenommen haben, dann ist die Frage: Wieviel Anerkennungsautorität haben sie bei den Kindern?
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stark?
Ja, bitte.
Herr Kollege Schwenk, schreckt Sie nicht der Gedanke, daß ein durch einen Rechtsanwalt vertretenes 15jähriges Kind sowie der Vater oder die Mutter - auch durch einen Rechtsanwalt vertreten - vor dem Vormundschaftsgericht erscheinen und dort ihre Konflikte austragen?
Herr Kollege Stark, ich habe soeben gesagt, daß die Eltern den Antrag zurücknehmen können. Damit ist dann gar keine Grundlage mehr vorhanden, damit bleibt es dann beim Amtsprinzip. Damit gibt es dann eben kein Auftreten eines Rechtsanwalts vor dem Vormundschaftsgericht oder Verwaltungsgericht - je nachdem, welches Gericht zuständig ist - und keine Vernehmung der Eltern.
Im übrigen noch einmal ein Wort zur Autorität, die hier von Ihnen immer wieder angesprochen worden ist: Nicht von oben verordnete Autorität, sondern Anerkennungsautorität ist das, was elterliche Erziehung ausmacht.
({0})
Sich hinstellen und einfach befehlen, ist nicht der Stil der Erziehung.
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- Na, dann ist es ja völlig klar. Anerkennungsautorität wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß Jugendliche die Möglichkeit haben, einen Antrag zu stellen, und Eltern ihn zurücknehmen können.
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Wenn die Eltern in der Erziehung die erforderliche und wünschbare Integrationskraft in der Familie entwickelt haben, kann daraus kein die Familie in Frage stellender oder etwas zerbrechender Konflikt entstehen.
Fragen Sie mal ganz woandershin: Von wo Konflikte in die Familie hineingetragen werden können. Sie tun immer so, als ob ein Antragsrecht, das dem Jugendlichen zur Verfügung gestellt wird, die Familie in Frage stellt und schwere Konflikte hervorruft. Vielleicht haben Sie gar keine Erfahrungen, was es bedeutet, ein Kind an der Selbstbedienungswarenkasse vorbeizuführen, wenn links und rechts in erreichbarer Nähe die schönen Dinge liegen. Na ja, machen Sie das mal. Dann werden Sie merken, welche Konflikte Sie da mit dem Kind kriegen können. Und warten Sie mal ab, wenn es tatsächlich dazu kommt, daß wir im Norden Deutschlands ein werbefinanziertes Fernsehen mit zehn Minuten Werbung alle Stunde haben, was Ihnen die Kinder dann erzählen werden und was da für Konflikte entstehen werden.
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Vielleicht haben Sie auch schon mal gehört, welche Konflikte in der Familie entstehen, wenn sich die Kinder auch nur auf ein Kleinkraftrad setzen wollen und es keine Ruhe gibt.
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- Das sind keine Ablenkungsmanöver, Herr Kollege Stark. Das ist die Wirklichkeit. Erkundigen Sie sich mal bei den Eltern!
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Hier wurde viel davon gesprochen, die Erweiterung des Angebots an Jugendhilfe sei familienfeindlich und elternfeindlich. Nun, viele Eltern werden froh sein, wenn die Angebotspalette erweitert wird.
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Wir haben die Erfahrung gemacht, daß gerade jene Eltern und Kinder, die ohnehin sehr gut mit dem Leben umzugehen wissen, die Angebote wahrnehmen: Ski-Freizeiten, Jugendlager und ähnliches.
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- Frau Kollegin, ich habe Erfahrungen aus der Praxis. Ich habe derartiges genügend besucht.
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Wir wollen, daß die künftigen Leistungen der Jugendhilfe gerade denen noch stärker zur Verfügung stehen, die dieser Hilfe vermehrt bedürfen. Wenn das richtig ist, was bisher im Jugendwohlfahrtsgesetz gestanden hat - ich habe mich mit dem Zitieren aus Zeitgründen etwas beschränkt; Sie brauchen nur nachzulesen; ich könnte noch viele Sätze zitieren, wo immer wieder von der Unterstützung und Ergänzung der elterlichen Erziehung gesprochen wird -, dann würden Sie das, was Sie hier gesagt haben, zurückstellen.
Ich fasse zu diesem Punkt zusammen: Die Kompetenz des Bundes zur Jugendhilfegesetzgebung steht nicht in Frage.
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Als das Bundesverfassungsgericht angerufen wurde, waren Sie in der Regierung. Sie haben für das gekämpft, was ich zitiert habe. Das ist vom Bundesverfassungsgericht so aufgenommen worden. Darauf fußen wir.
Ich führe weiter: Daß Jugendhilfe zu erweitern ist, ist auch eine Antwort darauf, daß die Ansprüche an den Staat und die Gesellschaft weiter steigen. Damals haben auch Sie und das Bundesverfassungsgericht festgestellt - das können Sie alles nachlesen; ich wiederhole es -, daß Jugend ständig in Gefahr ist abzugleiten. Also auch zu Ihren Zeiten, die nach Ihrer Auffassung immer first class waren, hat es Gefährdung von Jugendlichen gegeben. Der steigende Wohlstand und die steigende Verfügbarkeit von Mitteln und Mobilität bei den Jugendlichen haben zu neuen Problemen geführt. Denken Sie nur an die vermehrte Gefährdung durch Alkohol und Drogen. Hier müssen Antworten gegeben werden.
Diese Antworten zu geben, bemüht sich das Jugendhilferecht. Mit dem, was das Jugendwohlfahrtsgesetz bisher zur Verfügung stellte, ist es nicht getan. Seinerzeit - auch damit befaßt sich das Urteil
- ist man vom Fürsorgegedanken zum Sozialhilfe17658
Dr. Schwenk ({10})
gedanken mit Anspruch übergegangen. Manche haben gesagt: Was kommt da auf uns zul Nun, es ist weder der Staat noch sonst etwas zusammengebrochen. Wenn wir hier mit dem Jugendhilferecht von der mehr ermessensorientierten Jugendamtshilfe zu einem leistungsorientierten Gesetz übergehen, werden weder die Familie noch die gesamte Jugendarbeit zusammenbrechen. Sie werden gefördert werden. Ich sehe in keiner Weise, daß das Recht der Eltern und ihre Pflicht, die Kindererziehung zuvörderst zu betreiben, in Frage gestellt werden. Dieses Jugendhilferecht - dies möchte ich auch im Blick auf die Gesetzesanwendung sagen - hat eindeutig subsidiären Charakter.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kroll-Schlüter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte den Kollegen Schwenk zunächst fragen, was er - ein Gesetz soll ja lesbar sein - auf die Frage antworten würde, ob man einem jungen Menschen zumuten kann, den vorliegenden Entwurf eines Jugendhilfegesetzes verstehend zu lesen. Wir reden alle davon, daß es weniger Gesetze geben soll und diese einfacher sein sollen. Der vorliegende Entwurf ist zu kompliziert, perfektionistisch, zu lang und auch in der finanziellen Auswirkung bis heute durch kein klares Wort der Bundesregierung seriös abgesichert.
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Ich finde es schade, daß Frau Minister Huber im Ausschuß nicht auch einmal darum bemüht war, einen Kompromiß zu finden. Ich finde es bedauerlich, daß sich der Bundeskanzler nicht ein einziges Mal mit dem Bemühen, ein Ergebnis zu erzielen, zu Wort gemeldet hat. Ich finde es höchst bedenklich, daß bis heute nicht - auch nicht vom Bundesfinanzminister - gesagt worden ist, wie, wann und von wem dieses Gesetz überhaupt bezahlt werden soll. Das weiß kein Mensch. Darüber wurde kein Wort gesagt. Das nennt man unseriöse Gesetzgebung.
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Wir können mit Recht darauf pochen, daß darüber Auskunft gegeben wird. Wir haben dies aber nie in den Vordergrund gestellt, auch nicht in den Ausschußberatungen.
Herr Hauck, bei Ihnen möchte ich mich für die guten Beratungen bedanken. Wir haben ja auch einige Kompromisse erzielt. Es fehlte aber der Beweis für die Verankerung folgender Grundsätze in diesem Gesetz.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, selbstverständlich. Bitte schön!
Herr Abgeordneter Ewen, bitte!
Herr Kollege Kroll-Schlüter, geben Sie zu, daß die Gemeinden, die im wesentlichen das Jugendhilferecht zu bezahlen haben werden, in den Haushalten auch jetzt schon erhebliche jährliche Zuwächse ausweisen, um mit den Aufgaben fertig zu werden, so daß auch das, was jetzt gesetzlich über einen längeren Zeitraum festgeschrieben wird, finanzierbar erscheint?
Legen Sie es mir nicht als Eigenlob aus, wenn ich folgendes sage: Als Bürgermeister einer Stadt, die seit vier Jahren keine Neuverschuldung eingegangen ist, möchte ich, wenn ein solches Gesetz auf mich zukommt, wissen, wer es bezahlt. Denn ich will in meiner Gemeinde weiterhin eine solide Finanzpolitik betreiben.
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Ein Jugendhilfegesetz der Union - um es noch einmal klar und unmißverständlich zu sagen - geht von folgenden Grundsätzen aus.
Erstens. Wir wollen kein staatliches Erziehungsgesetz, sondern ein Jugendhilfegesetz.
Zweitens. Wir wollen keine Bevormundung der Familie, weil wir der Familie viel zutrauen und ihr subsidiär, ergänzend helfen möchten.
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Drittens. Wir wollen keine ständige Betreuung der jungen Generation. Wir wollen keinen Staat, der der Jugend als Sozialtherapeut gegenübertritt. Wir wollen vielmehr eine Jugendpolitik der Herausforderung, weil auf diese Art und Weise die Jugend am, besten gefördert würde.
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Deswegen wollen wir Subsidiarität. Je vorbeugender ein Gesetz ist, je früher es eingreift, je hilfreicher, ergänzender es sein soll, je größer das Hilfeangebot ist, um so subsidiärer muß es sein. Dies ist unsere grundsätzliche Position bei diesem Gesetz. Wir bedauern, daß dazu von SPD und FDP so wenig gesagt worden ist bzw. daß wir es nicht vermochten, diese Grundsätze in das Gesetz hineinzuschreiben.
Wir wollten und wollen ein Gesetz. Wir haben uns seit zehn Jahren darüber ausgelassen. Bevor SPD und FDP überhaupt Stellung bezogen, lag unsere Position klar formuliert vor. Deswegen haben wir auch einen eigenen Entwurf eingebracht. Wir sind zu Kompromissen bereit. Wir sind jedoch nicht bereit, bestimmte Grundsätze des Elternrechts, des Familienrechts, der Stärkung der Familie, der Subsidiarität, der klaren Finanzierbarkeit, der Praktikabilität und der Einfachheit aufzugeben.
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Nun möchte ich - ich bedaure, daß ich wahrscheinlich der einzige bin, der heute morgen diesen Komplex anspricht, aber wir haben eine verbundene Debatte - zum Fünften Jugendbericht der Bundesregierung sprechen.
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Dieser Fünfte Jugendbericht, den die Bundesregierung wie so viele andere verspätet vorgelegt hat, erfüllt unsere Erwartungen nicht, er erfüllt auch nicht die Erwartungen der Bundesregierung. Auch Frau Minister Huber ist enttäuscht - mit gutem Grund. Ich beschränke mich darauf, Passagen aus diesem enttäuschenden Bericht zu nennen. Man glaubt überhaupt nicht, daß es möglich ist, daß eine wissenschaftliche Kommission, die von der Bundesregierung berufen ist, einen solchen Bericht formuliert hat. Ich finde es schier unerträglich, daß der auch noch weitergeleitet wird und Sie dann sagen, diese Kommission sei der Anwalt der Jugend. Denken Sie daran, wenn ich gleich hier vortrage, wie die sich die Jugendpolitik sowie die Jugendhilfe vorstellt und die junge Generation sieht.
Noch einmal: Sie hätten den Bericht zurückweisen müssen. Er gibt ein unvollständiges und verzerrtes Bild über die Bestrebungen der Leistungen der Jugendhilfe. Er schätzt die junge Generation falsch ein. Er sagt, die junge Generation sei krank. Er weist darauf hin, daß - statistisch - jeder Gymnasiast einmal sitzengeblieben sei, und enthält ähnliche weitere Horrorgemälde. Der gesamte Bericht erschöpft sich in quälender und diffuser Beschreibung von Randgruppen der Jugendlichen: Süchtigen, Obdachlosen, Behinderten, Schulversagern, Ausländerkindern. Er spricht von der vom Leistungsdruck unseres gesellschaftlichen Lebens betroffenen und geschädigten jungen Generation.
Diese einseitige Bewertung der Kommission hat dann auch zu dem fehlerhaften Gesamturteil geführt, daß auf Grund angeblich tiefgreifender - jetzt kommt es - ökonomischer Krisenerscheinungen die Jugend in der Bundesrepublik zu einem „Krisenphänomen" geworden sei - die Jugend als Patient, die Jugend als Krisenphänomen.
Der Bericht stellt die Jugend pauschal und undifferenziert als „Sozialfall" dar. Widerstreitende Eltern- und Kinderinteressen werden als Ursachen für eine verunsicherte, benachteiligte, vom Leistungsdruck geschädigte Jugend aufgeführt. Widerstreitende Kinder- und Elterninteressen werden hier - ich wiederhole es - als Ursachen für eine geschädigte Jugend aufgeführt. Dann wundert man sich nicht, wenn in der Begründung Ihres Entwurfs eines Jugendhilfegesetzes steht, daß schon der Anpassungskonflikt genügen solle, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Ich darf persönlich bekennen: Bei uns zu Hause beginnt jeder Tag sozusagen mit einem Anpassungskonflikt mit unseren Kindern.
Es kommt doch auch auf die Wortwahl an. So kann man doch nicht mit der jungen Generation umgehen. Wenn auch widerstreitende Interessen sichtbar werden, so sollte doch zunächst davon ausgegangen werden, daß Konflikte da gelöst werden, wo sie entstanden sind. Wer sagt denn, daß der Professionelle, vor dem ich große Hochachtung habe, es immer besser kann, als Vater und Mutter es können? Wo steht das eigentlich geschrieben?
({5})
- Dies alles sind Feststellungen, wie sie vormals von der Bundesregierung zur Rechtfertigung auch anderer gesetzlicher Regelungen genannt wurden.
Die Kommission, die den Fünften Jugendbericht formuliert hat, sagt, daß das Schwergewicht der Hilfe nicht mehr in der Zuwendung zu dem einen oder anderen jungen Menschen und seinen Bedürfnissen, sondern in einer offenen Politisierung liegen solle.
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- Das steht im Fünften Jugendbericht. - So werden Jugendorganisationen als „Lernfeld für den politischen Ernstfall" gekennzeichnet.
Frau Kollegin, ich will noch einmal der Klarheit und auch der Seriosität wegen sagen: Der Bericht ist der Bericht der Bundesregierung, von einer Kommission erstellt. Die Bundesregierung hat dazu in einem Vorwort nur teilweise - das ist es, was ich kritisiere - Stellung genommen. Die Bundesregierung hat diese Kommission sozusagen als „Anwalt der jungen Generation' benannt und viele Dinge auch noch unterstrichen.
Meine Schlußfolgerung ist - ich darf sie noch einmal unterstreichen -: Einen solchen Bericht mit derartigen Mißverständnissen und düsteren und falschen Schilderungen der jungen Generation muß man zurückweisen. Das wäre nötig gewesen.
Weiterhin wird von der Notwendigkeit gesprochen, „betriebliche Herrschaftsstrukturen durch solidarische Gegenmacht aufbrechen” zu müssen. Sie müssen sich einmal vorstellen: Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund eines Jugendhilfegesetzes ab, das wir wollen. Das alles trägt den Geist eines solchen Jugendhilfegesetzes. Ich kann doch nicht - ich bitte um Nachsicht - so tun, als gäbe es auf der einen Seite nur die Jugendhilfe und klinisch rein davon getrennt auf der anderen Seite die Wissenschaftsberatung und Leute, die so etwas gutheißen. Das greift doch ineinander über. Dies ist auch der Geist, der später in der Praxis die Jugendhilfe prägt.
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- Und gewollt ist. Vielen Dank, Herr Kollege Franke, für den ergänzenden Hinweis.
Der Fünfte Jugendbericht ist damit im Grundtenor ein Abklatsch des Vierten Jugendberichts. Das war ja auch kein wissenschaftliches, sondern ein ideologisches Papier, geradezu klassenkämpferisch. Selbst von allen anerkannten Professoren wie Professor Jaide wird gesagt: Um Gottes willen! - Lesen Sie einmal nach, was er im Minderheitenvotum zum Vierten Jugendbericht geschrieben hat.
Ihre Wissenschaftsberatung, Frau Minister Huber, ist - ich bitte um Nachsicht - miserabel. Denken Sie an die Terrorstudie des Bundesjugendkuratoriums. Danach war unsere Gesellschaft am Terrorismus schuld. Das war die einfache Konsequenz. Denken Sie an den Vierten Jugendbericht, an den Zweiten Familienbericht; jetzt kommt dieser Fünfte Jugendbericht.
Ich will hier einschieben: Wir haben uns in der Beratung der Entwürfe zum Jugendhilfegesetz um
einen konstruktiven Beitrag bemüht. Wir waren und sind zu Kompromissen bereit. Wenn ich aber das politische Umfeld betrachte, wenn ich diesen Fünften Jugendbericht in einen Zusammenhang mit dem Jugendhilfegesetz bringe, dann muß ich sagen: Wer ernsthaft ein Jugendhilfegesetz wollte, mußte diesen Fünften Jugendbericht zurückweisen.
Es ist übrigens interessant, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Kommission, die den Fünften Jugendbericht formuliert hat, bezieht sich in ihrer Schilderung der jungen Generation auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt von 1976.
Der Fünfte Jugendbericht zeichnet ein falsches Bild der jungen Generation, die eben nicht nur selbstquälerisch weder ein noch aus weiß. Die entscheidende Behauptung in diesem Bericht lautet: Noch nie war es um die Jugend so schlecht bestellt wie gerade jetzt. Die Integration der Jugend in der Nachkriegszeit wird eher positiv zur Kenntnis genommen. Das Leitbild der Jugend ist an der Protestbewegung der 60er Jahre orientiert. Die augenblickliche Situation der Jugend wird als dramatische Verschärfung der Jugendprobleme bezeichnet. In immer neuen Wendungen wird das neue Selbstverständnis der Jugend in dieser Epoche der 68er Revolution gefeiert, diese kritische, aber protestierende Jugend gegen die „unmenschliche Außenpolitik" der Industrieländer, gegen die „soziale Deklassierung" und geringere Lebenschancen in unserem Land, gegen das Fortbestehen „irrationaler", „unbegründeter" Herrschaft und Autorität.
Der Fünfte Jugendbericht trauert der „antiimperialistischen", „antiautoritären" und „sozialistischen" Jugend nach. Wie gesagt: die Jugend sei zu einem Krisenphänomen geworden, sie sei eher ein Sozialfall. Und in diesem Dokument - die Beschreibung der Jugend als Sozialfall - wird auch und vor allem die Regierungserklärung 1976 herangezogen.
Wo ist denn die Jugend zum Sozialfall geworden? So frage ich mit Blick auf den Bericht. Genannt werden statistisch steigende Zahlen der Vernachlässigung und Mißhandlung, die steigende Zahl von Kindern, die weglaufen, Alkohol, Drogen.
Und dann: „Die Jugend ist nicht kriminell, die Gesellschaft kriminalisiert sie." So dieser Bericht. Schuld an der Diebstahlkriminalität sei die Gesellschaft, weil sie den Kindern einen Wunsch nach Besitzen nahelege; sie wolle Güter und Geltung eireichen, verschaffe den Kindern dann aber nicht die Mittel zur Befriedigung der geweckten Wünsche.
In der Situation der wirtschaftlichen Krisen und der steigenden Bedürfnisse werde es für die Familie immer schwieriger, günstige Entwicklungsbedingungen für ihre Kinder aufrechtzuerhalten. Die Heranwachsenden würden zu Opfern der psychischen und materiellen Bedürfnisse der Erwachsenen. Die Jugendhilfe habe keinen Zugang zu dieser Problematik. Die Jugendhilfe sei von den Bedürfnissen des administrativen Apparats bestimmt und nicht von den Bedürfnissen junger Menschen. Das sagt die Kommission schon heute zur Jugendhilfe.
({8})
- Ist das auch Ihre Meinung? - Dann wollen wir ausdrücklich festhalten, daß auch Sie der Meinung sind, daß die Jugendhilfe heute von den Bedürfnissen des administrativen Apparats und nicht von den Bedürfnissen der jungen Menschen bestimmt wird.
({9})
Wenn Sie das schon von der heutigen Jugendhilfe sagen und jetzt ein so perfektionistisches Gesetz verabschieden und noch 13000 neue Stelle für Beamte und Angestellte schaffen wollen, was soll denn dann erst werden?
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Ich persönlich bin doch gar nicht gegen die Anstellung von so vielen Sozialarbeitern. Aber wenn Sie unterstreichen, daß die Jugendhilfe jetzt schon administrativ übergewichtig sei, können Sie doch nicht für eine Ausweitung plädieren.
({11})
- Aber Herr Kollege Immer, wenn wir ausweiten, dann wollen wir subsidiär ausweiten. Wenn das Ihre Meinung ist, wenn wir auf diese Art und Weise die freien Träger stärken: d'accord. Das können Sie aber nicht, weil Sie in § 1 des Entwurfs des Jugendhilfegesetzes hineingeschrieben haben, Jugendhilfe solle dazu beitragen, junge Menschen besser zu befähigen, ihre persönlichen und gesellschaftlichen Lebensinteressen zu erkennen. Das bedeutet, immer wenn Sie erkennen, daß meine Kinder nicht in der Lage sind, ihre persönlichen und gesellschaftlichen Lebensinteressen zu erkennen - wer stellt das denn eigentlich fest? -, müssen Sie wieder ein Angebot machen, müssen Sie die Administration wieder stärken.
({12})
- Herr Immer, das steht wortwörtlich im Gesetzentwurf.
({13})
Im Gesetzentwurf steht, daß der junge Mensch besser befähigt werden solle, seine persönlichen und gesellschaftlichen Lebensinteressen zu erkennen. Ein solches Gesetz ist nach meiner Meinung anmaßend und arrogant.
({14})
In einem weiteren Kapitel des Fünften Jugendberichtes werden die Schullaufbahnen untersucht. Jetzt zitiere ich wieder: Die Schule habe versagt. Sie diskriminiere die Kinder und Jugendlichen auf
Grund fragwürdiger Kriterien. Weiter wird gesagt, daß die Schule als Institution Schulversagen erzeuge. Sie diskriminiere vor allem die an Bildung weniger interessierten Schichten. Wenn etwas arrogant ist, Herr Kollege Wehner, dann ist es eine solche Aussage.
({15})
Deshalb bleibt die Feststellung: Es ist schade, daß ein solcher Bericht von der Bundesregierung nicht zurückgewiesen worden ist. Das ist nicht die junge Generation in unserem Lande. Vor solch einem Hintergrund wollen wir ein solches Jugendhilfegesetz auch nicht, sondern wir wollen ein Jugendhilfegesetz, das sowohl der jungen Generation als auch der Familie etwas mehr zutraut. Wir sind für ein bescheidenes Gesetz und nicht für ein so großes, wuchtiges und anmaßendes. Das ist unsere Position.
({16})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich bitte um Nachsicht. Ich komme sonst nicht mit der Zeit aus.
Die Schule habe die Macht, zu definieren, was Versagen und Erfolg seien. Widerstand werde als Zeichen von „ungenügend" gewertet und verschlechtere die Situation der Schule. Die Schule sei pädagogisch ausgetrocknet und die Lehrer-SchülerBeziehung abstrakter und gleichförmiger. Die Aufgabe der Jugendhilfe sei es in diesem Bereich, die Schule zu skandalisieren, d. h. die Schule als einen Skandal darzustellen. Man könnte das endlos fortsetzen.
In einem anderen Kapitel ist von den beruflichen Perspektiven der Jugend die Rede; aber darüber braucht nicht weiter referiert zu werden. Die Zahlen und Angaben, die dort gemacht werden, sind längst überholt.
In einem weiteren Kapitel widmet sich die Kommission dem Problem verhaltensauffälliger und behinderter Kinder und Jugendlicher. Das auffällige Verhalten der Kinder sei die situationsangemessene Reform des Protests und des Auf-sich-aufmerksamMachens. Es wird scharf kritisiert, daß die Eltern bei Problemen ihrer Kinder zu privaten Trägern der Hilfe gehen. Man muß das auch im Zusammenhang mit dem noch einmal hören, was soeben über die Beratung gesagt worden ist. Ursache an dieser, die ganze Jugend betreffenden Fehlentwicklung sei es, daß große Teile der heranwachsenden Generation von der Möglichkeit der Beteiligung an unserem öffentlichen Leben ausgeschlossen seien. Demokratische Ansprüche würden zurückgewiesen.
Frau Minister Huber, ich hätte den Bericht auch als ein Zeugnis gegen Ihre Politik werten können. Ich hätte sagen können: Wenn das, was darin steht, alles stimmt, dann ist dies das Dokument des totalen Versagens dieser Bundesregierung; denn es wird geradezu exakt gesagt, daß sich in den vergangenen
zehn Jahren alles zu diesen Mißständen hin entwikkelt hat.
({0})
Ich habe dies nicht mit einem einzigen Satz gesagt. Dies wäre sozusagen die jugendpolitische Sicht des Walter Jens in Form eines Fünften Jugendberichts im Deutschen Bundestag.
({1})
Dies habe ich mit keinem Wort gesagt, sondern ich habe immer gesagt: Ihre Politikberatung ist falsch, und deswegen waren auch die Grundzüge Ihrer Jugendpolitik falsch.
Der Jugendhilfe wird unterstellt, die Jugendlichen zu korrumpieren, sie zur bloßen und bedingungslosen Anpassung an gesellschaftliche Zwänge und durch ihre Maßnahmen in die Gefahr sozialer Isolierung zu bringen.
Wie man es auch dreht und wendet, so kann man nur folgendes zusammenfassend feststellen.
Erstens. Die junge Generation hat einen solchen Bericht nicht verdient.
Zweitens. Eine solche Kommission mit solch einem Bericht ist nicht Anwalt der jungen Generation.
Drittens. Diese junge Generation hat ein subsidiäres, sie herausforderndes Jugendhilfegesetz verdient.
Viertens. Die Familien verdienen unser Vertrauen, unsere Hilfe, unsere Unterstützung.
Fünftens. Familie und Jugend in diesem Lande haben eine bessere Politikberatung einer Bundesregierung verdient. Ich glaube, abschließend auch sagen zu sollen: Sie haben eine bessere Regierung verdient.
({2})
Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jugendhilfegesetz gehört zu den großen Gesetzgebungsvorhaben dieser Legislaturperiode. Deshalb möchte ich zuerst für das Maß an Arbeit danken, für das Engagement, für das Maß an Kooperationsbereitschaft, das nötig war, damit wir den Gesetzentwurf heute hier behandeln konnten. Die Diskussion in den Ausschüssen ist sachlich geführt worden; auch dafür bedanke ich mich. Ich wünsche mir, daß dies beim weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens anhalten möge.
Das Jugendhilfegesetz ist ein besonders wichtiges jugendpolitisches, aber ebenso familienpolitisches Vorhaben. Jugendhilfe umfaßt viele und zum Teil recht unterschiedliche Bereiche, die in der Öffentlichkeit nicht immer bekannt sind: Eltern- und Familienbildung z. B., Vorbereitung auf das erste Kind, die Kindergartenerziehung, Erziehung in Krippen und Horten, sozialpflegerische Hilfen, wenn Kindern der erziehende Elternteil ausfällt, Beratung,
Familienerholung, auch Spielplätze, politisch bildende, kulturelle internationale Jugendarbeit, Geselligkeit, Spiel, Sport, Jugenderholung, auch arbeitsweltbezogene Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit. Sie umfaßt auch Jugendberufshilfen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung und ebenso Schulsozialarbeit, Vormundschafts- und Jugendgerichtshilfe, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft, offene und teilstationäre pädagogische und therapeutische Hilfen bei Entwicklungsstörungen, Erziehung in Pflegefamilien, Heimen, in Kinderhorten, Kinderdörfern, in sozialpädagogischen Wohngruppen. Sie umfaßt auch Adoptionsvermittlung und Familienpflegevermittlung und Maßnahmen bei Gefahr für das Wohl des Kindes. Der Spannbogen reicht also von der allgemeinen Jugendhilfe, von Jugendwanderungen, Zeltlagern, Ferienprogrammen, Stadtteilfesten bis zu Hilfen für straffällig gewordene junge Menschen, jugendliche Prostituierte usw.
Als Teil der Jugendpolitik ist die Jugendhilfe eine gesellschaftspolitische Aufgabe überall dort, wo die Situation junger Menschen und ihre Entwicklunschancen berührt werden. Es gehört nämlich zu den fundamentalen Aufgaben eines demokratischen Staates, dafür Sorge zu tragen, daß die in ihm aufwachsenden jungen Menschen so erzogen, gebildet, gefördert und auch gefordert werden, daß sie den künftigen Anforderungen in Arbeit und Beruf gerecht werden können, um die materiellen Grundlagen unseres gemeinsamen Lebens zu sichern, daß sie zweitens aber auch soziale und politische Verantwortung wahrnehmen können und wollen, um das Leben in unserer Gesellschaft mitzugestalten und auch Solidarität zu üben. Drittens sollen sie sich gebend und auch nehmend am kulturellen Leben unserer Gesellschaft beteiligen, durch das jede Gesellschaft erst ihr Selbstbewußtsein und eine Einschätzung ihrer künftigen Möglichkeiten gewinnt. Jugendpolitik hat ihre Schwerpunkte natürlich in der Bildungspolitik, in der Arbeitsmarktpolitik und in der Sozialpolitik.
Wir stehen am Ende einer Problemphase, in der drei Entwicklungen zusammenkamen, die jede für sich ausgereicht hätte, uns jugendpolitisch Sorgen zu bereiten. Zum Einbruch der wirtschaftlichen Konjunktur kamen die geburtenstarken Jahrgänge und die Einführung neuer Rationalisierungstechniken, so daß der Mangel an Arbeits- und Ausbildungsplätzen für uns eine Reihe von Jahren das jugendpolitische Hauptproblem darstellte. Der vor kurzem von der Bundesregierung vorgelegte Berufsbildungsbericht dokumentiert die gezielten Anstrengungen und zunehmenden Erfolge bei der Bewältigung dieses Problems. Es steht außer Zweifel, daß auch die Jugendhilfe in dieser sich nun langsam abbauenden Problemphase besonders gefordert wurde, jungen Menschen zu helfen, mit ihren Problemen fertig zu werden, oder, wo schnelle Abhilfe nicht möglich war, doch dazu beizutragen, die Probleme besser ertragen zu können.
Es kann, meine ich, niemanden verwundern, daß die unabhängige Kommission, die mit der Erarbeitung des Fünften Jugendberichts beauftragt war der ja heute hier auch zur Debatte steht -, besonders auf die Probleme hinweist, mit denen junge Menschen und vor allem Gruppen benachteiligter junger Leute in den letzten Jahren befaßt waren: im Bildungswesen, in der Arbeitswelt. Das wirkte sich natürlich auch auf die Jugendhilfe aus. Aber, Herr Kroll-Schlüter, der Fünfte Jugendbericht ist erstens kein Bericht der Bundesregierung, und zweitens haben nicht wir diese unabhängige Kommission als Anwalt der Jugend bezeichnet, sondern sie selber hat sich so bezeichnet. Der Auftrag zu diesem Bericht ist ergangen, lange bevor ich im Amt war.
Wenn Sie heute beklagen, daß ich diesen Bericht vorgelegt und nicht zurückgewiesen habe, so bedanke ich mich, daß Sie mir zur Seite treten wollen, wenn es darum geht, unangebrachte Kritik zurückzuweisen. Jedoch, Herr Kroll-Schlüter, Sie haben Zitate aus dem letzten und vorletzten Familienbericht und aus den letzten beiden Jugendberichten benutzt, um die Bundesregierung zu kritisieren. Wenn ich keinen Bericht vorlegte - was ich muß, weil der Deutsche Bundestag das so verlangt hat -, würden Sie sagen, ich hätte den Bericht nicht vorgelegt, weil ich Ihre Kritik scheute. Gerade diesen Eindruck möchte ich vermeiden.
Frau Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter?
Frau Minister, wenn Sie den Bericht so sehen, wäre es dann nicht angebracht gewesen, zu all diesen Punkten Stellung zu nehmen, und stehen Sie nach wie vor zu dem Satz - ich zitiere - „Die Bundesregierung respektiert es, daß die Kommission sich vorbehaltlos zum Anwalt der Jugend gemacht hat"?
Die Bundesregierung respektiert, daß die Kommission und jedes ihrer Mitglieder das so empfindet. Sie haben hier zitiert, daß es ein Minderheitenvotum gibt. Eines jedoch haben Sie überhaupt nicht zitiert, nämlich unsere Stellungnahme zum Jugendbericht und auch die Punkte, von denen wir uns deutlich distanziert haben. Es wäre fair gewesen, wenn Sie dies getan hätten.
({0})
Der Bundestag erteilt den Auftrag, und ich gebe Ihnen gern zu, Herr Kollege Kroll-Schlüter, daß in den letzten Jahren vielleicht zu viele Berichte vorgelegt wurden. In dieser Tatsache liegt auch ein bißchen mitbegründet, daß wir nicht in der Lage sind, sehr detailliert zu jedem einzelnen Punkt eines solchen Berichts hier eine Vorlage zu machen. Aber ich bin gern bereit, das mit Ihnen zu erörtern.
({1})
Die Kommission - das gebe ich Ihnen zu - schießt natürlich über das Ziel hinaus, wenn sie im historischen Vergleich in der gegenwärtigen Situation dramatisch schlechtere Chancen für die Integration unserer Jugendlichen in die Gesellschaft
sieht. Dies sehen wir ganz anders. So gesehen wird die Dimension der Probleme der früheren Jugend sicherlich sehr verkleinert und unterschätzt. Ich erinnere hier daran, daß der Bundesjugendplan ja einmal zu dem Zweck geschaffen wurde, die Jugendlichen nach dem Zweiten Weltkrieg von der Straße zu bringen. Auch dies zeigt, daß wir uns hier nicht in allen Punkten mit dem Bericht identifizieren. Ich habe diese Stelle hier heute extra deswegen angesprochen.
Die Bundesregierung begrüßt allerdings die Fragen der Kommission zu den Organisationsformen und zur Arbeitsweise der Jugendhilfe, wenn sie auch nicht die manchmal allzu pauschale Kritik an den freien Trägern teilt; das betone ich.
Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Fünften Jugendbericht erklärt, daß der vorliegende Gesetzentwurf für ein neues Jugendhilferecht sich gerade auf die Bereiche konzentriert, die auch der Kommission als besonders einschneidend für die Entwicklung unserer Jugendhilfe erschienen, nämlich Jugendarbeit, Hilfen für die Familie, besonders was die sozialen Dienste, die fachliche Beratung und das Pflegekinderwesen anlangt.
Die Probleme, mit denen sich die Jugendhilfe zu beschäftigen hat, meine Damen und Herren, sind groß. Der Bundesgesetzgeber kann sicher nicht alle diese Probleme lösen, aber auch der Beitrag, den er leisten kann, umfaßt ein Bündel schwerwiegender Fragen. Daß darauf auf allen Seiten dieses Hauses in allen Punkten die gleichen Antworten gefunden würden, konnte niemand erwarten. Wir - und mit uns viele Engagierte - hofften, daß sich die Beratung im Parlament aufeinander zu und nicht voneinander weg bewegen würde.
({2})
Diese Hoffnung hat sich nur in einigen Punkten erfüllt, die heute dankenswerterweise von Frau Karwatzki angeführt worden sind, jedoch mit der Konsequenz, daß man nun alles ablehnt. Wir dachten, in wichtigen Fragen seien schon Lösungen gefunden worden, die kompromißfähig sind. Dabei ist man sich in der Beratung wohl näher gewesen als bei der Abstimmung über die Anträge der Opposition.
Die Koalitionsfraktionen haben mit der Übernahme des Vorschlages des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Verhältnis der freien und öffentlichen Träger und mit der Übernahme zahlreicher Straffungs- und Vereinfachungsvorschläge sicherlich bedeutende Zugeständnisse gemacht. Mir ist sehr wohl klar, meine Damen und Herren, daß es in der Opposition sehr unterschiedliche Auffassungen gerade zur Jugendhilfe gibt, die die Bildung einer einheitlichen Meinung erschweren. Sie wissen ebenso, daß es in den Koalitionsfraktionen - allerdings mit einer ganz anderen Bandbreite des Meinungsspektrums - ebenso ist. Diese große Bandbreite der Kompromißzone muß realistisch gesehen werden. Mir wäre gleichwohl nicht bange um einen Kompromiß, wenn er wirklich an den Bedürfnissen der Praxis orientiert wäre.
Die Opposition sollte es nicht zulassen, daß eine praxisorientierte Weiterentwicklung schließlich allein von den Koalitionsfraktionen getragen wird. In den bisherigen Beratungen war das nicht der Fall. Wäre es in Zukunft so, meine Damen und Herren, so hätten dies vor allem die Fachleute und Praktiker der Jugendhilfe, die sich der Opposition verpflichtet fühlen und von denen viele hervorragende Arbeit geleistet und uns gute Anregungen gegeben haben, nicht verdient.
Koalition und Opposition haben in verschiedenen familien- und jugendpolitischen Debatten trotz vieler Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen immer gemeinsam die Auffassung vertreten, daß weder die Familie von heute noch die Jugend von heute schlechter sind, als sie es zu anderen Zeiten waren. Es gibt mannigfachen Funktionswandel in der Familie, aber doch keinen stichhaltigen Grund, von Funktionsverlust zu sprechen. Es gibt vielerlei problematische Entwicklungen heute für junge Familien, für junge Menschen, aber nach wie vor doch auch viele erfreuliche Entwicklungen. Es gibt überhaupt keinen Grund, Herr Kroll-Schlüter - da stimme ich Ihnen zu -, die Jugend heute als „Riesenphänomen" oder als „Sozialfall" zu bezeichnen. Deshalb müssen wir uns zuerst von den KassandraRufen distanzieren, wonach es nur noch Krisen um die Familie gibt und über die Jugend nichts Erfreuliches mehr zu sagen ist.
Auch eine reformierte Jugendhilfe will weder die Jugend noch die Familie als Patienten sehen. Jugendhilfe macht allgemeine Angebote an junge Menschen, auch an die Familie, doch nicht weil die Familie krank oder unfähig wäre, sondern weil sich manche vernünftige Aktivitäten in der Familie allein nicht oder doch nicht so gut wie im größeren Rahmen mit der Hilfestellung von freien und öffentlichen Trägern entwickeln lassen. Was hier geschieht, ist Förderung der Jugend und der Familie im Interesse der jungen Menschen und der Familien. Das ist alles andere als gegen die Familie gerichtet. Das vielfältige Angebot der freien Träger, der vielen Träger der Jugendhilfe mit ganz unterschiedlichen Wertorientierungen ist nicht zuletzt auch Verwirklichung des Elternwillens, der ja mehr umfaßt, als die Familie allein realisieren kann.
Es ist müßig, darüber zu reden, ob Jugendhilfe Hilfe für besondere Problemfälle für ein, zwei oder vier Prozent der Bevölkerung anbietet. Herr Kroll-Schlüter, es kann ja nicht ständige Betreuung sein, wenn ich von ein, zwei, drei Prozent der Kinder rede. „Ständige Betreuung" haben Sie gesagt. Wieviel Prozent es letztlich sind, wird wohl von der Frage abhängen, wie man „Problem" definiert. Es handelt sich jedenfalls hier um eine Hilfe für eine Minderheit von Familien und jungen Menschen. Solche Probleme können allerdings auch Eltern treffen, die sich gegenüber ihren Kindern liebevoll und aufopfernd verhalten. Dafür lassen sich viele Beispiele finden. Die Probleme dürfen deshalb nicht - ich habe das bereits in der ersten Lesung gesagt - unter dem Stichwort „elterliches Versagen" abgehandelt werden. Sie müssen im Gegenteil von Diskriminierungen frei gehalten werden.
Auf keinen Fall darf die Hilfeleistung etwa an die Voraussetzung geknüpft werden, daß Eltern ihrer
Erziehungspflicht nicht nachkommen, so wie es in der Diskussion im Bundesrat gesagt worden ist. Der Staat hat die persönliche Freiheit zu respektieren und nicht die Familie zu reglementieren mit einer Meßlatte von gut und böse oder von richtig und falsch.
Das Gesetz, meine Damen und Herren von der Opposition, ist aus diesem Grunde gerade familienfreundlich. Es betrachtet die Familie nicht als überwachungsbedürftig, Frau Karwatzki. Es artet nicht zu außerhäuslicher Erziehung aus, sondern im Gegenteil, es will Familien beieinander halten. Auch das habe ich hier schon gesagt.
Wenn jetzt jemand hier auftritt, Herr Stark, und sagt: Da kommt dann der Rechtsanwalt vom Vater gegen den Rechtsanwalt vom Sohn - solche schiefen Bilder bringen Aggressionen, stellen die Wirklichkeit völlig falsch dar und sind überhaupt nicht hilfreich für die Jugend.
({3})
Wir möchten gerne von dem Verständnis ausgehen, das jede vernünftige Beratungsstelle hat, nämlich dem, daß es gar nicht Sache des Staates oder der professionellen Jugendhilfe ist, sondern Sache der Betroffenen selbst, zunächst einmal zu formulieren, was denn nun ihr Problem ist und ob es einer außerfamiliären Hilfe bedarf. Wenn Menschen einen Problemdruck so stark empfinden, daß sie zu einer Beratungsstelle gehen, um über ihre Schwierigkeiten zu sprechen, dann ist es die Sache der Jugendhilfe,
Lösungen anzubieten, sich um Lösungen zu bemühen, die gerade von den Betroffenen auch als Lösung akzeptiert und so empfunden werden.
Es geht nicht darum, irgendeiner Familie oder einem Jugendlichen ein Angebot aufzudrängen, sondern darum, bei Bedarf - und das aus der Sicht des Betroffenen - wirksam zu helfen, allerdings ohne Wartelisten von sechs oder neun Monaten. Dazu muß das nötige Jugendhilfeangebot nun geschaffen werden, so wie es der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht.
Nun komme ich damit schon zum ersten Punkt der Meinungsverschiedenheiten zwischen der Koalition und der Opposition. Es ist die Frage, wie Jugendhilfe mit den betroffenen Familien und jungen Menschen umgeht, d. h., ob alle Jugendhilfeangebote zuallererst an den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet sind. Dies schreibt der Koalitionsentwurf vor. Das ist so, wie es in der Praxis realistisch erscheint, nämlich in der Jugendhilfeplanung bei der Entscheidung darüber, welcher Träger nun die Angebote machen soll, und bei der leistungsgerechten Ausformung des Jugendhilferechts einschließlich der Einräumung von Rechtsansprüchen. Er schreibt dies auch vor, wenn er den Betroffenen das Recht gibt, zwischen Angeboten verschiedener Träger der Jugendhilfe zu wählen und ihre Wünsche auch hinsichtlich der Auswahl und der Gestaltung der Jugendhilfeleistung geltend zu machen, wenn er Eltern und jungen Menschen Mitwirkungsrechte in Jugendvertretungen und Elternvertretungen von Einrichtungen gibt und wenn er Beratungs-, Unterstützungs- und Förderungsverpflichtungen von Eltern und jungen Menschen normiert und - was er tut - Verfahrensvereinfachungen schafft.
Der Entwurf schreibt schließlich vor, daß Jugendhilfe die von den Eltern bestimmte Grundrichtung der Erziehung auch dann zu beachten hat, wenn den Eltern die Personensorge entzogen worden ist. Wenn man dies nicht will, muß man wissen, daß der Wegfall dieser Regelungen auch ein Stück Elternrecht wegfallen läßt. Es entfällt dann nämlich die Möglichkeit für Eltern und natürlich auch für junge Menschen, mit den Trägern der Jugendhilfe auf gleicher Ebene zu reden. Es entfällt ferner nicht nur ein Stück Elternrecht, es entfällt auch ein Stück Selbstbestimmungsrecht der jungen Menschen, und es entfällt ein Stück Demokratie. An ihre Stelle tritt mehr Entscheidungsbefugnis für die Bürokratie oder meinetwegen auch für die Fachleute der Jugendhilfe.
Die von vielen beklagte Professionalisierung und Therapeutisierung der Jugendhilfe kommt nicht daher, daß das Gesetz ein qualifiziertes Fachwissen vorschreibt, sondern daher, daß man die Bestimmungs- und Mitwirkungsrechte der betroffenen Familien und jungen Menschen verkürzt. Man kann dies wollen, soll dann aber, meine Damen und Herren, nicht so tun, als sei man für mehr Elternrecht.
Frau Karwatzki, Sie halten die Eltern nicht für „Erziehungsamateure". Wir auch nicht! Aber warum haben Sie ihnen dann keine Mitwirkungsrechte eingeräumt? Ist das das hier beschworene Freiheitsverständnis?
Die Koalitionsfraktionen haben sich bereitgefunden, den freien Trägern nun einen stärkeren Funktionsschutz einzuräumen. Freie Träger sollen mit ihren Angeboten zum Zuge kommen und auch öffentlich gefördert werden, wenn ihre Angebote den Wünschen, Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen und natürlich auch bestimmten fachlichen Anforderungen entsprechen. Sie sollen im Zweifel auch dann zum Zuge kommen, wenn die Betroffenen keine ausgesprochene Trägerpräferenz haben. Sie sollen allerdings nicht zum Zuge kommen, wenn die Betroffenen eindeutig das Angebot des öffentlichen Trägers oder das eines anderen freien Trägers bevorzugen und wünschen.
Nach den uns vorliegenden Umfrageergebnissen sieht es - mit erheblichen regionalen Schwankungen - so aus: Ein knappes Viertel der Betroffenen zieht Angebote der öffentlichen Träger vor, ein gutes Viertel Angebote bestimmter freier Träger, und die übrigbleibende Hälfte hat eigentlich keine Präferenz. Das bedeutet, daß die hier vorgeschlagene Regelung für gut drei Viertel der Bevölkerung Angebote machen kann, die von den freien Trägern kommen, und daß diese dann auch öffentlich finanziell gefördert werden, was wiederum ihre Möglichkeiten, gute Angebote zu machen, verbessert.
Der Oppositionsentwurf enthält demgegenüber einen rigiden absoluten Vorrang jedes Angebots eines freien Trägers der Jugendhilfe vor dem eines öffentlichen Trägers. Der Wille der Eltern wird trotz der Beschwörungen, die wir hier immer hören, nicht
berücksichtigt. Wenn der freie Träger will, kommt eben sein Angebot zum Zuge, wenn es geeignet und ausreichend ist. Der öffentliche Träger verweist die Betroffenen dann auf ein zumutbares Angebot des freien Trägers. Aber was ist ein „zumutbares Angebot"? Nirgendwo findet sich der Gedanke der Vielfalt, der Pluralität, nirgendwo wird etwas zur Behandlung von Minderheiten gesagt, was doch wohl erforderlich gewesen wäre, da die freien Träger keinerlei Neutralitätspflicht unterliegen.
Was ist eigentlich zumutbar? Ist für einen der Tradition verhafteten Katholiken ein evangelischer Kindergarten zumutbar, einer der Arbeiterwohlfahrt, eine Eltern-Kind-Gruppe einer alternativen Gruppierung, ein Kinderladen? Wer prüft die Zumutbarkeit? Natürlich der Verwaltungsoberinspektor im Jugendamt. Kann er das? Ist das nicht eine neue Art der Gewissensprüfung, meine Damen und Herren? Es gibt sicher gute Gründe, die Stellung der freien Träger gegenüber den Kommunen - wie übrigens auch der ehrenamtlichen Tätigkeit - zu stärken. Das darf aber nicht nach dem Grundsatz geschehen: Trägerrecht bricht Elternrecht.
Vertreter der Opposition haben in den parlamentarischen Beratungen hier mit Recht darauf hingewiesen, daß der Grundsatz der Subsidiarität zuallererst im Verhältnis zwischen Familie und allen übrigen Institutionen gilt und dann erst im Verhältnis der Träger untereinander. Um Subsidiarität im ursprünglichen Sinne geht es auch bei der Frage, wie eine Erziehung außerhalb der eigenen Familie nötigenfalls geleistet werden soll. Das geschah früher in großen und straff durchorganisierten Anstalten. In den letzten Jahren hat sich vieles gebessert, aber an einem guten Ende der Entwicklung sind wir noch nicht angelangt. Ich sage hier nichts gegen die vielen Heime, die eine notwendige engagierte Arbeit leisten, für die wir Dank schulden. Ich sehe jetzt ab von den Heimen des heilpädagogischen Typs, in denen es um bestimmte Probleme bestimmter Kinder geht. Mir geht es jetzt um die Jugendlichen, die keine realistische Perspektive für eine Rückkehr in die eigene Familie haben, weil diese eigene Familie nicht existiert oder die Kinder nicht wiederhaben will. Diese Jugendlichen brauchen eine Umgebung, die an die Stelle der Familie treten kann. Ich bin sehr skeptisch, ob institutionalisierte Heime diese Aufgabe wirklich besser lösen als kleine Einheiten - wie der Ausschuß jetzt in das Gesetz aufgenommen hat - mit familienähnlicher Erziehung und Wohnform. Wenn die Praxis heute für Erziehungsheime im engeren Sinne noch anders ist, so doch deshalb, weil ein unterstelltes Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit, Schuldzuschreibungen, Traditionen usw. noch immer gang und gäbe sind und stärker wiegen als der Wunsch, mit aller Kraft das Schicksal dieser jungen Menschen ins Positive zu wenden. Dies wird wohl auch nur gelingen, wenn wir mehr Zuwendung an die Jugendlichen geben und nicht weniger. Sie müssen mehr Zuwendung haben als normale Jugendliche, und darum geht es hier. Das wird nicht leicht sein, aber es wäre eine schlechte Sache, wenn unsere Grundsätze - hier das Subsidiaritätsprinzip, nach dem die kleinen Einheiten vor den großen Einheiten kommen - immer
gerade dann versagen, wenn wir sie am nötigsten brauchen.
Was die Ausgestaltung der Jugendarbeit im Gesetz betrifft, sehe ich immer noch nicht klar, wie eigentlich die Auffassung der Opposition ist. Nach dem im federführenden Ausschuß gestellten Änderungsantrag der Opposition zu Art. 1 § 12 des Bundesratsentwurfs will die Opposition die gleichen Bereiche beispielhaft als Aufgabenbereiche der Jugendarbeit ausweisen wie der Entwurf in der Fassung der Koalitionsfraktionen. Wenn dies so ist, verstehe ich die Ablehnung dieses Entwurfs durch die Opposition nicht. Einerseits sagt die Begründung, die Opposition lehne eine Aufgliederung der Jugendarbeit in Fachbereiche ab, andererseits werden Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes laut. Wenn man Aufgabenbereiche aufzählt, kann es doch wohl keine Rolle mehr spielen, ob man sich mit einer kurzen Nennung begnügt oder sie näher umschreibt.
Nicht stichhaltig ist das Argument der Jugendpolitiker der Opposition, eine gesetzliche Beschreibung der einzelnen Bereiche gefährde die freie und vielfältige Weiterentwicklung der Jugendarbeit. Diese Weiterentwicklung darf auch nach Auffassung der Koalition nicht in Frage gestellt werden. Durch den Koalitionsentwurf geschieht dies auch nicht, weil Aufzählung und Beschreibung nur beispielhaft sind und Zielvorgaben gemacht werden, so daß für die Weiterentwicklung in sehr unterschiedlichen Bereichen und Ausprägungen je nach dem Selbstverständnis der Träger noch viel Raum bleibt. Wohl nicht umsonst sind inzwischen alle Hauptbetroffenen - die Jugendverbände, jetzt auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend - für eine Beschreibung. Sie sind dafür, weil sie sehen, daß eine solche Beschreibung nicht einengt, sondern eine verläßlichere Grundlage ist.
In der Frage, ob wir nun eigentlich mehr Angebote der Jugendarbeit brauchen oder ob uns sogar ein Überangebot ins Haus steht, ist die Haltung der Opposition ambivalent. Ich gebrauche dieses Wort deshalb, weil die „Ambivalenz des Regierungsentwurfs" inzwischen sozusagen zum Beratungsritual gehört. Im federführenden Ausschuß waren sich alle Seiten einig, daß die Jugendarbeit gestärkt werden muß, daß wir mehr Angebote brauchen, nicht nur für benachteiligte junge Menschen, sondern für alle jungen Menschen. Die Jugendpolitiker der Opposition haben uns ja oft darauf hingewiesen, daß wir einseitig die kompensatorischen Programme bevorzugten und nicht an allgemeine Jugendarbeit dächten. Tun wir das aber, so finden wir Ihre Zustimmung auch nicht. Im Rechtsausschuß und in vielen Diskussionen kam dagegen das Gespenst von der alles überwuchernden Jugendarbeit auf, die die Familie mit ihren Angeboten umdränge und belagere. Beides, meine Damen und Herren, kann ja wohl nicht richtig sein. Ich appelliere deshalb an die Jugendpolitiker, besonders an Ihre, meine Damen und Herren von der Opposition, sich mit ihrer Auffassung durchzusetzen und gemeinsam mit uns für gute, neue Angebote in der Jugendarbeit einzutreten.
Das, was ich bis jetzt gesagt habe, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesamtproblematik des Jugendhilferechts, derjenige, der die noch offenen Fragen betrifft. In den weitaus meisten Fragen ist Übereinstimmung erzielt worden. Da aber in der Öffentlichkeit immer das Streitige Vorrang genießt und über das andere wenig geschrieben wird, möchte ich dies hier ausdrücklich betonen: die breite Grundlage gemeinsamer Überzeugung hat ja vielen Punkten gegolten. Ich denke, die noch offenen Probleme sind lösbar, wenn auf beiden Seiten guter Wille eingesetzt wird. Lassen Sie uns deshalb keine ideologischen Auseinandersetzungen führen, sondern ein Gesetz machen, mit dem die Praxis arbeiten kann. Und die Praxis, das sind nicht nur die hauptberuflichen, sondern auch die ehrenamtlichen Kräfte, letztlich sind es die Familien und Jugendlichen, die hier betroffen sind.
Meine Damen und Herren, Jugendhilfe ist nur ein Teil der Jugendpolitik. Sie ist kein Generalkonzept zur Bewältigung aller Probleme der Jugend, die über die Grundbedürfnisse hinaus schicksalhaft von Wirtschaftsstruktur, Bildungsangebot, sozialem Standard und menschlichem Klima in einer Gesellschaft abhängen. Aber die Jugendhilfe leistet mit ihren Angeboten für Freizeit und soziales Lernen und ihren Bemühungen um Hilfe in konkreten Schwierigkeiten und Konflikten, die durch dieses Gesetz bedeutend verbessert werden, doch einen wichtigen Beitrag. Niemals kann eine Gesellschaft den Wandel, der sich aus neuen Empfindungen der jungen Generation vollzieht, niemals kann sie die veränderten Reaktionen auf vorgefundene Lebensstrukturen und das Neue, das daraus wächst, in Gesetzen schon im voraus einfangen. Die notwendigen Prozesse, die dafür sorgen, daß unsere Zukunft offene Perspektiven hat, lassen uns jedoch Raum für die Frage, wie wir erkennbar negative Entwicklungen angehen, gute Ansätze fortentwickeln, überholte Strukturen aufbrechen und insbesondere Kindern und Jugendlichen ohne Bevormundung der Eltern Fehlentwicklungen und seelische Probleme ersparen, die ihre Lebenschancen vermindern.
Daß schon seit 20 Jahren versucht wird, die Jugendhilfe zu reformieren, zeigt, daß genügend Einsicht in die Notwendigkeit vorhanden ist. Mehr Chancengleichheit von Kindern muß sich aber an Konkretem festmachen: an mehr Kindergartenplätzen, mehr Jugendarbeit, mehr Hilfe in kritischen Situationen. Mehr rechtzeitiger Rat, mehr Hilfe ist die Devise, nicht: mehr Heime bauen. Allein um dieses einen Zieles willen wäre dieses Gesetz schon wert, verabschiedet zu werden. Wer ehrlich ist - und das müssen Politiker bei Strafe des Scheiterns sein -, wird zugeben, daß Erziehung für morgen in einer so komplizierten Welt wie der unseren auch für Familien keine risikolose, im wahrsten Sinne des Wortes selbstverständliche Sache ist. Fehler für möglich zu halten und Rat bei Erziehungsberatungsstellen, die durch dieses Gesetz gestärkt werden sollen, und in Familienberatung und Kursangeboten zu suchen, die hier vorgesehen sind, damit Familien gemeinsam über Klippen kommen, ist Hoffnung und nicht Versagen. Unsere Fachleute wissen das, gleich wo und bei welchem Träger sie arbeiten. Sie haben dieses Gesetz dringend verlangt, nachdem kritische Einwände aller Beteiligten - auch der Kirchen - in mehrjährigen Gesprächen geprüft worden sind und schließlich ein breiter Konsens hergestellt worden ist.
Mit diesem Gesetz nimmt der Deutsche Bundestag heute seine Verantwortung für diesen Teil der Jugendpolitik wahr. Die Tatsache, daß sich auch die CDU/CSU schon in frühen Jahren um Reformansätze in der Jugendpolitik, in der Jugendhilfe bemüht hat, sollte Grund genug sein, das Gesetz nun auch im Bundesrat passieren zu lassen. Sie haben hier von sinnvollen Korrekturen gesprochen. Welcher Stolz, meine Damen und Herren, kann schon daraus erwachsen, das als notwendig Erkannte immer wieder scheitern zu lassen, immer wieder zu vereiteln und abzulehnen! Ich appelliere deshalb an alle politisch Verantwortlichen: Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen das neue Jugendhilferecht, besonders die, denen das Schicksal die Geborgenheit eines problemlosen Elternhauses versagt hat. Denken Sie jetzt bitte nicht an vier oder acht Wochen Wahlkampf, sondern denken Sie an die schicksalsbestimmenden Jahre dieser Kinder und an die Chancen, die wir allen unseren Kindern schuldig sind.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu Tagesordnungspunkt 27 a: Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Jugendhilfe - auf Drucksache 8/4010. Wir sind in der Einzelberatung.
Ich rufe den § 1 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 8/4102 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 1 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 3 und 4 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die §§ 3 und 4 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 5 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4103 unter Buchstabe a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Damit entfällt die Abstimmung über die Folgeänderung in Buchstabe b des Änderungsantrags auf Drucksache 8/4103.
Ich rufe § 5 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 5 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe § 6 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 6 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 7 auf. Dazu liegt auf Drucksache 8/4104 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 7 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 8 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 8 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Dazu liegt auf Drucksache 8/4105 unter Buchstabe a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 9 ist in der Ausschußfassung angenommen. Damit entfällt die Abstimmung über die Folgeänderungen in den Buchstaben b bis e des Änderungsantrags auf Drucksache 8/4105.
Ich rufe § 10 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 10 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 10 a und 11 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 13 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 13 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 14 und § 16 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 14 und § 16 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 17 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4106 unter Buchstabe a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 17 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 17 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe §§ 18 bis 21 und 23 bis 26 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4106 unter Buchstabe b ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer den §§ 18 bis 21 und 23 bis 26 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 27 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4107 unter Buchstabe a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer § 27 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - O 27 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 28 bis 30 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4107 unter Buchstabe b ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer den §§ 28 bis 30 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die §§ 28 bis 30 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 31 bis 33 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die §§ 31 bis 33 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 34 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4108 unter Buchstabe a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer § 34 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 34 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 35 bis 39 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4108 unter Buchstabe b ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer den §§ 35 bis 39 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die §§ 35 bis 39 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 40 bis 42 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So angenommen.
Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe § 43 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 43 ist angenommen.
Ich rufe § 44 auf. Hierzu liegt auf. Drucksache 8/4109 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer * 44 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 44 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 46, 50 bis 53 und 54 Abs. 1 in der Ausschußfassung auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Ich rufe § 54 Abs. 2 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 54 Abs. 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 55 bis 62 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Die aufgerufenen Vorschriften sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 63 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 63 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 64 und 65 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich. um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind so angenommen.
Ich rufe § 66 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 66 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 67 bis 89 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen. Vorschriften sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 90 und 91 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Die aufgerufenen Vorschriften sind in der Ausschußfassung so angenommen.
Ich rufe § 95 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 96 bis 101 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!- Enthaltungen? - In der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 102 auf. Hierzu liegen auf Drucksache 8/4110 und Drucksache 8/4111 zwei Änderungsanträge der CDU/CSU vor. Wer denen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anträge sind abgelehnt.
Wer § 102 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § .102 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 104 bis 109 und 111 bis 113 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So angenommen.
Ich rufe § 114 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 114 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 115, 118 a, 119, 119 a und 133 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So angenommen.
Ich rufe die §§ 134 und 135 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So angenommen.
Ich rufe die §§ 136, 138, 139, 139 a, 141 bis 150, 151 a, 152 bis 157, 159 und 161 bis 168, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Damit ist dieser Gesetzentwurf in der zweiten Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
Wir kommen jetzt zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Jugendhilfe, Drucksache 8/3108; Tagesordnungspunkt 27 b. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4010 unter III., diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Empfehlung des Ausschusses ist damit angenommen.
Es ist noch über zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/4010 unter II. die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt ferner auf Drucksache 8/4010 unter IV., die zum Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erkläVizepräsident Frau Renger
ren. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten 27 c und 27 d, Fünfter Jugendbericht, Drucksachen 8/3684 und 8/3685. Der Ältestenrat schlägt vor, die beiden Vorlagen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 3 der Tagesordnung auf:
1. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 8/4114 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({0}) Innenausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung Haushaltsausschuß gemäß f 96 GO
2. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Ergänzung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages ({1})
- Drucksache 8/4115 - Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({2}) Innenausschuß
Ausschuß für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung
3. Erste Beratung des von den Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Sprung, Spilker, Rapp.({3}), Gobrecht, Dr. Spöri, Kühbacher, Frau Matthäus-Maier, Schleifenbaum, Dr. Haussmann und den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften
- Drucksache 8/4082
Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 8/4082 und 8/4114 sowie den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 8/4115 an die Ausschüsse, die Sie aus der Tagesordnung ersehen können, zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? -- Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer Beratungen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 12. Juni 1980, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.