Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
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Ehe wir uns unserer Arbeit zuwenden, habe ich die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß unser Kollege Albert Tönjes verstorben ist. Er ist am 25. April im Alter von 60 Jahren an einem plötzlichen Herzversagen verstorben. Mit Ablauf dieser Legislaturperiode wollte er aus gesundheitlichen Gründen aus der aktiven Politik ausscheiden. Ein plötzlicher Tod hat sein Ausscheiden nun anders bestimmt.
Albert Tönjes wurde am 2. Januar 1920 in Oldenburg geboren. Nach Schulbesuch, Handwerkslehre und Absolvierung eines Ingenieurstudiums war er von 1942 bis 1945 zur Marine eingezogen. 1947 trat er in den Dienst der Deutschen Bundesbahn ein.
Nach dem Ende des Krieges wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Er wurde Mitglied des Rates der Stadt Rheine, dem er von 1956 bis 1965 angehörte. Ebenfalls, von 1956 bis 1979, war er Mitglied des Kreistages Steinfurt, dabei viele Jahre Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. Elf Jahre, von 1958 bis 1969, bekleidete er das Amt des Stellvertretenden Landrats des Kreises Steinfurt. In den Deutschen Bundestag wurde Albert Tönjes 1965 gewählt. Hier war er Mitglied des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
So hat sich der Verstorbene auf vielen Gebieten des politischen und des öffentlichen Lebens zum Wohle der Bürger unseres Landes eingesetzt. Sein verdienstvolles Wirken hat der Herr Bundespräsident mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt.
Den Familienangehörigen und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei spreche ich meine aufrichtige und herzliche Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird das Andenken von Albert Tönjes in Ehren bewahren.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich erhoben; ich danke Ihnen.
Für den verstorbenen Abgeordneten Tönjes hat mit Wirkung vom 5. Mai 1980 der Abgeordnete Schinzel die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich Begrüße den uns bekannten Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag.
({1})
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt eine Liste von Vorlagen - Stand: 23. April 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen.
Übereinkommen 149 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beschäftigung und die Arbeits- und Lebensbedingungen des Krankenpflegepersonals
Empfehlung 157 der Internationalen Arbeitsorganisation betreffend die Beschäftigung und die Arbeits- und Lebensbedingungen des Krankenpflegepersonals ({2})
zuständig:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({3}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1979 bis 31. März 1980 ({4})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({5}) Verteidigungsausschuß
Ich frage den Bundestag: Ist er damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann billigt der Bundestag dieses Vorgehen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 3 der Tagesordnung heute vor Punkt 2 um 9 Uhr aufgerufen werden.
Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die Beratungspunkte ergänzt werden, die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt sind:
1. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 31. Oktober 1979 sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen ({6})
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß ({7})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ({8})
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({9}) Finanzausschuß
Vizepräsident Leber
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Genfer Protokoll von 1979 zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({10})
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft ({11}) Finanzausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank ({12})
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({13}) Finanzausschuß
Haushaltsausschuß
Ist das Haus mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich darf weiter mitteilen, daß interfraktionell vorgeschlagen wird, nach § 127 unserer Geschäftsordnung folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde zu beschließen:
In der nächsten Sitzungswoche, der Woche vom 19. Mai 1980, finden wegen der eingeschränkten Sitzungsmöglichkeiten keine Fragestunden statt. Jedes Mitglied des Hauses ist jedoch berechtigt, für diese Sitzungswoche bis zu vier Fragen an die Bundesregierung zu richten, die schriftlich beantwortet werden. Auf diese Fragen findet Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde keine Anwendung.
Wer mit dieser Abweichung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Ich darf feststellen, daß das die Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Deutschen Bundestages ist.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Mai 1980 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über die Prozeßkostenhilfe
Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen ({14})
Gesetz zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 10. Mai 1979 zum Europäischen Obereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport
Gesetz zu dem Abkommen vom 25./29. Januar 1979 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Weltraumorganisation über die Anwendung des Artikels 20 des Protokolls vom 31. Oktober 1963 über die Vorrechte und Befreiungen der Organisation
Gesetz zu der Vereinbarung vom 25. August 1978 zur Durchführung des Abkommens vom 25. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit in der Fassung des Zusatzabkommens vom 9. September 1975
Gesetz zu dem Abkommen vom 7. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein über Soziale Sicherheit
Gesetz zum Übereinkommen vom 9. Dezember 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Osterreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der Sozialen Sicherheit und zu der Vereinbarung vom 28. März 1979 zur Durchführung dieses Obereinkommens.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Mai 1980 beschlossen, zu dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3989 verteilt
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 24. April 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Rühe, Lenzer, Frau Benedix-Engler, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Voigt ({15}), Berger ({16}), Frau Dr. Wilms, Frau Dr. Wisniewski, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Röhner und der Fraktion
der CDU/CSU betr. Aufwand öffentlicher Finanzmittel für Schulversuche mit Integrierten Gesamtschulen seit 1969 - Drucksache 8/3885 - beantwortet Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3957 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 25. April 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Dr. Häfele, Haase ({17}). Dr. Riedl ({18}), Dr. Voss, Carstens ({19}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kreditaufnahme des Bundes im Ausland - Drucksache 8/3894 - beantwortet Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3961 verteilt
Der Chef des Bundeskanzleramtes hat mit Schreiben vom 6. Mai 1980 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes - Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7842-1 - die vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu erlassene Verordnung über die Güteprüfung und Bezahlung der Anlieferungsmilch ({20}) mit Begründung übersandt Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Die in Drucksache 8/3834 unter Nr. 2 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über ein Sonderverfahren für die Erteilung von Gemeinschaftsbescheinigungen für gewerbliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern
wird als Drucksache 8/3971 verteilt
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 11. April 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung ({21}) des Rates über den Abschluß des Briefwechsels betr. Artikel 2 des Protokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik ({22})
Vorschlag einer Verordnung ({23}) des Rates zur Aufstockung des für 1979 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Rohmagnesium der Tarifstelle 77.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs ({24})
Vorschlag einer Verordnung ({25}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs und zur Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte andere Papiere ({26}) ({27})
Vorschlag einer Verordnung ({28}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Zollkontingenten für bestimmte Papiere und Pappen der Tarifstellen ex 48.01 C II und 48.01 F des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in Portugal ({29}) ({30})
Vorschlag einer Verordnung ({31}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Textilerzeugnisse der Tarifnummern 55.05 und 55.09 und der Tarifstelle ex 58.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Herkunft aus der Türkei ({32}) ({33})
Empfehlungen für eine Verordnung ({34}) des Rates
- zur Genehmigung eines Briefwechsels zur Änderung bestimmter zollfreier Kontingente für 1979, die das Vereinigte Königreich in Übereinstimmung mit Protokoll Nr. 1 des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland eröffnet hat
- über den Abschluß eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zur Änderung bestimmter zollfreier Kontingente, die das Vereinigte Königreich in Übereinstimmung mit Protokoll Nr. 1 des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland eröffnet hat ({35})
Vorschlag einer Verordnung ({36}) des Rates zur zeitweiligen und teilweisen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige Fischarten ({37})
Vorschlag einer Verordnung ({38}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren ({39}) ({40})
Vorschlag einer Verordnung ({41}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({42}) Nr. 950/68 des Gemeinsamen Zolltarifs ({43})
Entwürfe für Verordnungen ({44}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für
- Grège, weder gedreht noch gezwirnt. der Tarifnummer 50.02 des
Gemeinsamen Zolltarifs ({45})
- Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs ({46})
- Garne, ganz aus Schappseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifstelle 50.05 A des Gemeinsamen Zolltarifs ({47}) ({48})
Mitteilung betreffend den Beitritt Santa Lucias und der Republik Kiribati zum AKP/EWG-Abkommen von Lomé und Vorschläge für diesbezügliche Rechtsakte ({49})
Vorschlag einer Verordnung ({50}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren ({51})
Entwurf einer Verordnung ({52}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für einige industrielle Waren ({53})
Vizepräsident Leber
Vorschlag einer Verordnung ({54}) des Rates zur zweiten Aufstokkung des durch die Verordnungen ({55}) Nr. 2470/78 für das Jahr 1979 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifstelle ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs ({56})
Entwurf einer Verordnung ({57}) des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, die zur Verwendung beim Bau, bei der Instandhaltung oder der Instandsetzung von Luftfahrzeugen bestimmt sind ({58})
Entwurf eines Beschlusses des AKP-EWG-Ministerrats zur Abweichung von der Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren", um der besonderen Lage Malawis und Kenias in bezug auf bestimmte Angelgeräte ({59}) Rechnung zu tragen Vorschlag einer Verordnung ({60}) des Rates zur Durchführung des Beschlusses Nr. .../79 des AKP-EWG-Ministerrats über die Abweichung von der Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren", um der besonderen Lage Malawis und Kenias in bezug auf bestimmte Angelgeräte ({61}) Rechnung zu tragen Vorschlag einer Verordnung ({62}) des Rates zur Abweichung der Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren", um der besonderen Lage Malawis und Kenias in bezug auf bestimmte Angelgeräte ({63}) Rechnung zu tragen
Entwurf eines Beschlusses des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen AKP-EWG zur Abweichung von der Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren", um der besonderen Lage Malawis und Kenias in bezug auf bestimmte Angelgeräte ({64}) Rechnung zu tragen
Vorschlag einer Verordnung ({65}) des Rates zur Durchführung des Beschlusses Nr... ./80 des Ausschusses für Zusammenarbeit im Zollwesen AKP-EWG über die Abweichung von der Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren", um der besonderen Lage Malawis und Kenias in bezug auf bestimmte Angelgeräte ({66}) Rechnung zu tragen ({67}) Vorschläge für Verordnungen ({68}) des Rates
- zur Durchführung der Beschlüsse Nr. 1/79 und 2/79 des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich - Gemeinschaftliches Versandverfahren - zur Änderung der Anlagen II und II A des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren
- zur Durchführung der Beschlüsse Nr. 1/79 und 2/79 des Gemischten Ausschusses EWG-Schweiz - Gemeinschaftliches Versandverfahren - zur Änderung der Anlagen II und II A des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren ({69})
Vorschlag einer Verordnung ({70}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs ({71}) ({72})
Vorschläge für Verordnungen des Rates
- zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosilizium der Tarifstelle 73.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs ({73})
- zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrosiliziummangan der Tarifstelle 73.02 D des Gemeinsamen Zolltarifs ({74})
- zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom, mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 0,10 Gewichtshundertteilen oder weniger und an Chrom von mehr als 30 bis 90 Gewichtshundertteilen ({75}) der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs
({76}) ({77})
Vorschlag einer Verordnung des Rates ({78}) zur Festsetzung der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei für 1980 ({79})
Vorschlag einer Verordnung ({80}) des Rates zur Verlängerung der für die Republik Zypern geltenden Handelsregelung über den Fristablauf der ersten Stufe des Assoziierungsabkommens hinaus ({81})
Vorschlag einer Verordnung ({82}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({83}) Nr. 3059/78 über die gemeinsame Einfuhrregelung für bestimmte Textilwaren mit Ursprung in Drittländern ({84})
Vorschlag einer Verordnung ({85}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({86}) Nr. 2579/79 zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Weine mit Ursprungsbezeichnung der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Tunesien ({87}) ({88})
Vorschlag einer Verordnung ({89}) des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Portugal ({90}) ({91})
Empfehlung einer Verordnung ({92}) des Rates über den Abschluß eines zweiten Zusatzprotokolls zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel ({93})
Vorschlag einer Verordnung ({94}) des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls für Lithiumhydroxid mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion ({95})
Vorschlag einer Verordnung ({96}) zur Änderung der Verordnung ({97}) Nr. 2925/78 hinsichtlich des Zeitraums der Aussetzung der Preisbedingung für die Einfuhr bestimmter Zitrusfrüchte mit Ursprung in Spanien in die Gemeinschaft ({98})
Empfehlung einer Verordnung ({99}) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der portugiesischen Republik über zubereitete oder haltbar gemachte Tomaten der Tarifstelle 20.02 C des Gemeinsamen Zolltarifs ({100})
Vorschlag einer Verordnung ({101}) des Rates zur Eröffnung; Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den AKP-Staaten ({102}) ({103})
Empfehlung eines Beschlusses des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Abkommen in Form von Briefwechseln zur Berichtigung bestimmter Kontingente, die das Vereinigte Königreich gemäß Protokoll Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland, des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen sowie des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden eröffnet hat, auszuhandeln
Empfehlung einer Verordnung des Rates über den Abschluß von Abkommen in Form von Briefwechseln zur Änderung bestimmter zollfreier Kontingente, die das Vereinigte Königreich gemäß Protokoll Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Finnland, des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen sowie des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden eröffent hat ({104})
Vorschlag einer Verordnung ({105}) des Rates zur Änderung der Verordnungen ({106}) Nr. 3081/78, Nr. 3082/78 und Nr. 3083/78 über die Eröffnung. Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Weine der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal ({107}) ({108})
Vorschläge für Verordnungen ({109}) des Rates
- zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Tomaten, frisch oder gekühlt, der Tarifstelle ex 07.01 M 1 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean ({110})
- zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren von Karotten, Speisemöhren und Speisezwiebeln der Tarifstelle ex 07.01 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in den AKP-Staaten ({111}) ({112})
Empfehlung einer Verordnung ({113}) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zur Änderung des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Island zur Änderung einiger zolltariflicher Bezeichnungen ({114})
Entwurf eins Beschlusses des AKP-EWG-Ministerrats über eine Abweichung von der Definition des Begriffs „Ursprungswaren" zur Berücksichtigung der besonderen Lage von Mauritius bei haltbar gemachten Fischen
Vorschlag einer Verordnung ({115}) des Rates betreffend die Anwendung des Beschlusses Nr.... des AKP-EWG-Ministerrats über eine Abweichung von der Definition des Begriffs „Ursprungswaren" zur Berücksichtigung der besonderen Lage von Mauritius bei haltbar gemachten Thunfisch
Empfehlung einer Verordnung ({116}) des Rates über die Abweichung von der Definition des Begriffs „Ursprungswaren" zur Berücksichtigung der besonderen Lage von Mauritius bei haltbar gemachtem Thunfisch ({117})
Vorschlag einer Verordnung ({118}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C 1 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten Ländern und Gebieten ({119}) ({120})
Verordnung ({121}) Nr. 3019/79 des Rates vom 20. Dezember 1979 zur Verlängerung der derzeitigen Einfuhrregelung für bestimmte Juteerzeugnisse mit Ursprung in Bangladesch, Indien und Thailand ({122})
Verordnung ({123}) Nr. 120/80 des Rates vom 21. Januar 1980 über die Handelsregelung zwischen Südrhodesien und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ({124})
Vizepräsident Leber
Meine Damen und Herren, ich rufe nun Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches
- Drucksache 8/2677 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({125})
-- Drucksache 8/3726 Berichterstatter:
Abgeordnete Pensky Spranger
({126})
Wird von seiten der Berichterstatter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem dem Herrn Abgeordneten Dr. Dregger das Wort
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Union, den wir heute in zweiter Lesung beraten, hat durch die Vorgänge in Bremen erneut brennende Aktualität gewonnen. Worum geht es? Es geht einmal darum, es den Gewalttätern zu erschweren, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu mißbrauchen und dadurch zu diskreditieren, und es geht darum, es der Polizei zu erleichtern, die Gewalttäter von den friedlichen Demonstranten zu trennen.
Im einzelnen sollen die Vorschriften gegen das Mitführen von Waffen und ähnlichen Gegenständen bei Demonstrationen vervollständigt, die Maskierung und Vermummung von Demonstranten soll verboten, und den Gewalttätern soll es vor allem verwehrt werden, hinter der Kulisse wirklich oder scheinbar friedlicher Demonstranten Schutz und Deckung vor dem Zugriff der Polizei zu finden.
Ohne eine solche Vorschrift - das haben die Vorgänge in Bremen wie zuvor schon in Frankfurt und anderswo gezeigt -ist die Polizei nicht in der Lage, den friedlichen Ablauf einer Demonstration zu gewährleisten.
({0})
Entweder muß sie sich dann gewaltsam zu den durch die Kulisse gedeckten Gewalttätern durchschlagen - mit all den Folgen, die damit für Polizeibeamte und Demonstranten verbunden sind -, oder sie muß vor der Gewalt kapitulieren.
Sie, meine Damen und Herren der Koalition, haben zu unseren Gesetzesvorschlägen immer wieder nein gesagt.
({1})
Wollen Sie auch nach Bremen bei diesem Nein bleiben? Bedenken Sie: Die politische Verantwortung für die Vorgänge in Bremen tragen allein Sie. Sie haben nicht nur die gesetzgeberische Mehrheit hier in Bonn, Sie haben auch die alleinige Verfügung über die Exekutive in Bremen. Was wollen Sie also tun?
Zu unseren Vorschlägen nein zu sagen, genügt nicht. Ich fordere Sie auf, uns und der deutschen Öffentlichkeit zu erklären, wie Sie den Rechtsfrieden in unserem Land gewährleisten wollen.
({2})
Wollen Sie in der Gesetzgebung oder in der Exekutive etwas von unseren Vorschlägen Abweichendes tun, oder wollen Sie weiterhin nichts tun?
Nichts tun heißt, bewaffneten und vermummten Politrockern der übelsten Sorte die Straße zu überlassen.
({3})
Nichts tun heißt, unsere Polizei im Stich zu lassen.
({4})
Nichts tun heißt, den Rechtsstaat zum Gespött seiner selbst werden zu lassen.
({5})
Weder die Polizeibeamten in Bremen, die sich hilfesuchend am Senat vorbei an die Öffentlichkeit gewandt haben, noch die Christdemokraten in Bremen und in Bonn sind bereit, ihr Nichtstun widerspruchslos hinzunehmen.
({6})
Die Vorgänge in Bremen haben aber nicht nur erneut die Notwendigkeit unseres zur Debatte stehenden Gesetzes bestätigt. Bestürzend sind nicht nur die Untaten der Extremisten, gegen die sich unser Gesetzentwurf richtet, erschreckend ist auch das Versagen der in Bremen und Bonn für den Schutz der Bundeswehrveranstaltung Verantwortlichen.
Die Gewalttaten der Linksextremisten kamen ja nicht überraschend. Nach dem Brief des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 25. April an den Bundesverteidigungsminister war klar, daß eine „nachdrückliche Störung" der Bundeswehrveranstaltung bevorstand. Der Generalinspekteur hatte darin mitgeteilt, daß unter anderem SPD-Mitglieder gemeinsam mit der DKP, dem Kommunistischen Bund Westdeutschland und anderen zu Besprechungen über die geplanten Störungen zusammengetreten waren.
({7})
Er hatte ferner auf die ohnehin bekannte Tatsache hingewiesen, daß auf Grund der mit dem KBW gemachten Erfahrungen mit gewaltsamen Aktionen zu rechnen war. Die notwendigen Vorkehrungen unterblieben trotzdem. Die Folgen hatten zunächst Hunderte von Polizeibeamten zu tragen, die verletzt, teilweise schwer verletzt, wurden.
Wie die Polizei in Bremen darüber denkt, kommt in zwei Flugblättern zum Ausdruck. Das eine richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit, das zweite an die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft und an den Senat der Stadt Bremen. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten aus beiden Flugblättern einige Zitate bringen.
Im ersten Flugblatt der Polizei heißt es:
Blutige Krawalle am Weserstadion hatten 252
verletzte Polizeibeamte zur Folge, davon 20
schwere Verletzungen: Knochenbrüche, Schädelverletzungen. Molotow-Cocktails, Eisenstangen und ein Hagel von Pflastersteinen wurden von einem harten Kern von Chaoten in brutalster Weise gegen die Polizeibeamten eingesetzt. Fahrzeuge der Bundeswehr wurden in Brand gesetzt und Sachschäden von Hunderttausenden D-Mark verursacht.
Dann heißt es weiter:
Auch die Polizeibeamten haben ein Anrecht auf den Schutz ihrer Person.
({8})
Die grundgesetzlich geschützte Würde des Menschen gilt auch für Polizeibeamte.
({9})
Es kann nicht länger hingenommen werden, daß die Polizeibeamten diffamiert, angegriffen und verletzt werden.
({10})
Die GdP fragt auch nach den Ursachen solcher blutigen Krawalle. Ist der Literaturpreisverleihung an einen wegen Mordversuchs an Polizeibeamten Verurteilten nicht dazu angetan, den Boden für solche Ereignisse vorzubereiten?
({11})
Eine berechtigte Frage!
Ist nicht die Kritik am Polizeieinsatz in der Buchtstraße vom 1. Mai 1980 mit der Äußerung eines Senators, die Polizei beeinträchtige die Jugendarbeit, dazu geeignet, solche Vorgänge herbeizuführen?
({12})
Das ist eine weitere berechtigte Frage der Bremer Polizei! Weiter:
Ist die Forderung der Jusos nach Rücktritt des Innensenators nicht dazu angetan, den Boden für solche Ereignisse vorzubereiten? Wir stellen fest:
- so heißt es in dem Flugblatt der Polizei - So kann es nicht weitergehen!
Der Meinung sind wir auch.
({13})
Im zweiten Flugblatt der Gewerkschaft der Polizei, das sich an den Senat der Freien Hansestadt und die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft richtet, heißt es:
Die Gewerkschaft der Polizei fordert vom Senat ein klares Bekenntnis in der Öffentlichkeit zur Notwendigkeit der polizeilichen Maßnahmen.
Offensichtlich ist diese Aufforderung erforderlich.
({14})
Ferner:
Die Gewerkschaft fordert eine klare Absage an alle Personen und Organisationen, die durch ihr Verhalten direkt oder indirekt an den Krawallen beteiligt waren.
Weiter:
Die Gewerkschaft der Polizei fordert innerparteilich
- meine Damen und Herren von der SPD sicherzustellen, daß die Polizei nicht permanent unerträglichen Diffamierungen und voreiligen Verurteilungen ausgesetzt wird.
({15}) Schließlich:
Die Gewerkschaft der Polizei fordert, daß endlich Schluß gemacht wird mit der gezielt betriebenen Verunsicherung der Polizei, die ausschließlich zu Lasten des Bürgers geht und zu einer erheblichen Belastung der inneren Sicherheit führt.
Am Schluß dieses Flugblatts an den Senat heißt es:
Die Gewerkschaft der Polizei fordert alle politisch Verantwortlichen auf: Machen Sie Schluß mit Lippenbekenntnissen und bekennen Sie sich aktiv zur inneren Sicherheit zum Wohl der friedlichen Bürger unserer Stadt, indem Sie die Polizei unterstützen!
({16})
Man ist über diesen Aufruf der Polizei nicht verwundert, wenn man aus Pressenachrichten aus Bremen die Brutalität dieser Chaoten zur Kenntnis nimmt. So heißt es in den Bremer Nachrichten" vom B. Mai 1980:
Demonstranten hatten einen Bundeswehrbus gestürmt, den flüchtenden Fahrer, einen Gefreiten, mit einer Eisenstange in das Führerhaus zurückgeprügelt und dann das Fahrzeug angezündet.
({17})
Erst als der Bus lichterloh brannte, konnte der blutüberströmte schwerverletzte junge Mann befreit und in ein Krankenhaus gebracht werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört
Gleichzeitig flogen Molotow-Cocktails gegen postierte Beamte vor den Kassenhäuschen, prasselte Steinhagel von der Osterdeichböschung.
Bestürzend sind aber nicht nur die Untaten der Extremisten und das Versagen der in Bremen und Bonn politisch Verantwortlichen. Politisch noch bedrohlicher ist die Tatsache, daß bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Demonstrationen in Bremen Arbeitsgemeinschaften der SPD mit Linksextremisten verschiedenster Ausprägung
({18})
volksfrontartig zusammengearbeitet haben.
({19})
In der Initiative gegen die öffentliche Bundeswehrvereidigung am 6. Mai wirkten der Juso-Landesvor17294
stand, die Arbeitsgemeinschaft Sport in der SPD Bremen-Ost u. a. mit der Deutschen Kommunistischen Partei und ihren Hilfstruppen unmittelbar zusammen.
({20})
Diese Initiative, in der SPD-Mitglieder mitarbeiteten, hatte Kontakt zum Kommunistischen Bund Westdeutschland und der Bremer Bürgerinitiative gegen Atomtod, die bis in die Randszene des Terrorismus hineinreicht.
Die formal getrennten Aktionen beider Gruppen gingen nach Planung und Ablauf eng ineinander über. Für 16.30 Uhr hatten der KBW und die Antiatomtod-Gruppe eine Demonstration vom Hauptbahnhof zum Goetheplatz angemeldet Für 17.30 Uhr schloß sich die u. a. von der DKP und den Jusos getragene Demonstration vom Goetheplatz zum Weserstadion an.
({21})
Und für 20.30 Uhr hatte dann der KBW eine Demonstration am Weserstadion angemeldet Es griff alles ineinander: von den Jusos bis zu linken Politrockern übelster Sorte.
Da die Demonstrationen beim Senat angemeldet wurden, waren sie dem Bremer Senat bekannt. Der Bremer Senat wußte daher auch auf Grund dieser Anmeldung wie aus zahlreichen Flugblättern und Plakaten von der Mitwirkung von Teilen der Bremer SPD. Die Führung der Bremer SPD tat trotzdem nichts, um diesem volksfrontartigen Zusammengehen entgegenzutreten. Im Gegenteil! Der SPD-Landesvorstand reihte sich in die Gruppe derer ein, die gegen die geplante Bundeswehrveranstaltung polemisierten. Der SPD-Landesvorstand nahm in einem Beschluß Anstoß daran,
daß in der gegenwärtigen Situation die Vereidigung von über 10 000 Rekruten zu einer militärischen Großveranstaltung ausgeweitet wird.
Der SPD-Landesvorstand hat also diesen Demonstrationen. selbst Vorschub geleistet. In klarer Erkenntnis ihrer Zielsetzung, nämlich Frontstellung gegen eine Veranstaltung der Bundeswehr, an der neben dem der SPD angehörenden Bundesverteidigungsminister das Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, teilnahm, in klarer Erkenntnis auch des Zusammenwirkens von SPD-Mitgliedern und -Arbeitsgemeinschaften mit Linksextremisten verschiedenster Art reihte sich der SPD-Landesvorstand in die Front der Protestierer ein. In Bremen gab es im Protest gegen die Bundeswehrveranstaltung eine Einheitsfront der Linken: vom SPD-Landesvorstand bis zum KBW, meine Damen und Herren. Das ist die politische Tragödie.
({22})
Dabei kam es in Flugblättern der Initiative, an der die Jusos und andere Arbeitsgemeinschaften der SPD beteiligt sind, zu üblen Verleumdungen der Bundeswehr und des friedlichen Charakters unserer Verteidigungspolitik. Wenn es im Zusammenhang mit der Rekrutenvereidigung der Bundeswehr z. B. heißt „Nie wieder Krieg! Kampf dem Militarismus., dann wird damit doch suggeriert, daß diese
Veranstaltung ein Zeichen von Militarismus sei und daß die Bundeswehr dem nächsten Krieg Vorschub leiste.
({23})
Dieser letzte Aspekt, meine Damen und Herren, unterscheidet die Vorgänge in Bremen grundlegend von denen in Frankfurt, Brokdorf, Grohnde und anderswo. Die Vorgänge in Bremen haben nicht nur den inneren Frieden unseres Landes verletzt, sondern sie gefährden zugleich unsere äußere Sicherheit. Während die Sowjetunion Afghanistan überfällt, während sie in Europa jede Woche eine neue SS-20-Mittelstreckenrakete stationiert, die - mit vier Sprengköpfen ausgerüstet - jeden Punkt in Europa und damit auch in der Bundesrepublik Deutschland vernichten kann, nimmt der SPD-Landesvorstand in Bremen Anstoß an einer öffentlichen Rekrutenvereidigung.
({24})
Meine Damen und Herren, fragen Sie sich doch einmal: Wie soll Moskau angesichts dieser Haltung der stärksten Regierungspartei noch an die Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland glauben? Was sollen eigentlich die jungen Bundeswehrrekruten von einem Staat halten, dessen stärkste Regierungspartei Demonstrationen Vorschub leistet, die sich gegen ihre Vereidigung in Anwesenheit des Staatsoberhauptes richten?
({25})
Wie sollen unsere westlichen Alliierten noch an die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland glauben? Wie ernst kann der Bundeskanzler noch in Moskau genommen werden,
({26})
wenn er dort den Sowjets die Meinung wegen Afghanistan sagen will, wie er etwas großsprecherisch - ich glaube, in einer Mai-Veranstaltung - angekündigt hat, und sie zum Rückzug auffordern will?
({27})
Kann denn der Bundeskanzler angesichts dieser Vorgänge in seiner Partei noch etwas anderes erwarten, als daß er von den Sowjets in Moskau schlicht ausgelacht wird?
({28})
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat sich zu diesen Vorgängen nur sehr spät, nur sehr zurückhaltend und auch inhaltlich unbefriedigend geäußert.
({29})
Zunächst hat er einer Entschuldigung zugestimmt, die der Fraktionsvorsitzende der SPD an die Adresse der Bundeswehr gerichtet hatte.
({30})
Ich frage: Was ist diese Entschuldigung wert, wenn von der SPD aus dieser Entwicklung in den eigenen Reihen nicht endlich Konsequenzen gezogen werden?
({31})
Deshalb fragen wir: Wann wird endlich wieder eine klare Grenze zwischen der SPD und Kommunisten und anderen Linksextremisten gezogen, wie sie in früheren Jahren zu Zeiten Kurt Schumachers zweifelsfrei bestanden hat?
({32})
Wir fragen weiter: Wann endlich ist die SPD bereit, nicht nur den Posten des Verteidigungsministers zu besetzen, sondern sich als Ganze hinter die Bundeswehr zu stellen?
({33})
Wann ist sie bereit, nicht nur die Auswüchse, die Gewalttaten bei diesen Demonstrationen zu verurteilen, sondern diese Demonstrationen selbst zu verurteilen, und zwar deshalb zu verurteilen, weil sie sich gegen eine Staatsinstitution richten - die Bundeswehr -, die zusammen mit unseren Alliierten den Frieden und die Freiheit unseres Landes zu sichern hat? Diese Distanzierung erwarten wir.
({34})
Was Sie, Herr Bundeskanzler, gestern abend nach einer dpa-Meldung vor der Bundestagsfraktion der SPD gesagt haben, ist außerordentlich unbefriedigend.
({35})
Es heißt dort:
Bundeskanzler Helmut Schmidt hat am Vorabend der Bundestagsdebatte über die schweren Ausschreitungen bei der Verpflichtungsfeier für Bundeswehrsoldaten in Bremen erneut gewaltsame Störungen verurteilt.
({36})
Vor der SPD-Bundestagsfraktion sagte Schmidt am Montag mit Blick auf die Bremer Vorfälle, wer mit Sprechchören jemanden am Reden hindere oder Tomaten werfe, der sei sein Feind und sei Feind der Sozialdemokratie.
({37})
- So ist es.
Ich frage den Bundeskanzler: Wollen Sie sich nicht auch gegen das politische Ziel von Demonstrationen zur Wehr setzen, die Ihre Partei gegen die Bundeswehr und eine Bundeswehrveranstaltung mit dem Bundespräsidenten unternimmt?
({38})
Ich frage: Wissen die Wähler der SPD eigentlich, wem sie ihre Stimme geben,
({39})
wenn sie in Bund und Ländern auf Wahlplakaten aufgefordert werden, Helmut Schmidt zu wählen?
({40})
Wissen sie, daß sie damit eine Partei wählen, die immer mehr dabei ist, ihr inneres Gleichgewicht zu verlieren, und eine politische Führung, die nicht mehr in der Lage ist, ihren eigenen Einsichten zu folgen, sondern gezwungen ist, sich dem Druck in ihrer eigenen Partei zu beugen?
({41})
Die SPD-Linke übernimmt immer mehr die Führung in der Partei. Männer wie Bürgermeister Koschnik in Bremen und Bundeskanzler Schmidt in Bonn zaubern der Öffentlichkeit ein Bild vor, das mit der Wirklichkeit ihrer Partei nicht mehr viel gemein hat. Es ist im Grunde absurd, daß die SPD als Regierungspartei Wahlen gewinnt, obwohl sie in wichtigen Fragen der deutschen Politik regierungsunfähig ist.
({42})
Meine Damen und Herren, daß das so ist, ist nicht Ihre Schuld. Dafür tragen ein Teil der Medien und wir die Verantwortung. Wir müssen das Bild mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung bringen. Das ist unsere Aufgabe.
({43})
Ich sage das nicht nur mit dem Blick auf die Vorgänge in Bremen. Auch hier im Deutschen Bundestag ist die SPD-Fraktion wegen ihres linken Flügels nicht mehr in der Lage, zusammen mit ihrem Koalitionspartner FDP Mehrheiten in wichtigen Beschlüssen zu bilden. Das zeigte sich bei der Empfehlung für den Olympia-Boykott vor kurzem; das hat sich gezeigt bei der Verabschiedung des Kontaktsperregesetzes, eines der wichtigsten Antiterrorgesetze, die der Bundestag verabschiedet hat. In den Ländern wird die Energiepolitik der Bundesregierung nur noch von der Union vorbehaltlos unterstützt, während der Widerstand der Parteigliederungen der SPD nun schon seit Jahren zu einem völligen Stillstand im Kraftwerksbau geführt hat.
Der Ruhm des Bundeskanzlers in der Öffentlichkeit beruht weitgehend auf einer Täuschung. Er beruht nicht auf Taten, sondern auf Worten und Gesten, auf schauspielerischen Qualitäten.
({44})
Ich habe Sie, Herr Bundeskanzler, von diesem Pult aus schon einmal als den größten Staatsschauspieler aller Zeiten bezeichnet. Ich wiederhole das heute.
({45})
Wieviel Politik mit Schauspielkunst auch gemein hat, Politik ist nicht nur Spiel. In der Politik geht es, wie wir alle wissen,
({46})
auch um die Sicherheit unseres Landes, um das Leben und die Gesundheit von Polizeibeamten - wie
in diesem Gesetzentwurf -, um den inneren und äußeren Frieden unseres Landes.
Wenn wir nicht handeln, wenn die gesetzgeberische Mehrheit dieses Parlaments nicht handelt - und sie liegt heute bei Ihnen -, wenn die Regierung ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, dann können auch Polizei und Bundeswehr, dann können auch Wirtschaft und Wissenschaft nicht ihrer Verantwortung gerecht werden. Dann wird unser Staat handlungsunfähig, dann treibt er Gefahren entgegen, die nicht mehr beherrschbar sind.
Ihre Verantwortung, Herr Bundeskanzler, erwächst nicht nur aus Ihrem hohen Amt, sondern auch aus dem persönlichen Ansehen, das Sie in einer breiten - wenn auch wenig informierten - Öffentlichkeit genießen. Deshalb können Sie die Antwort auf Bremen weder gesetzgeberisch noch in der Exekutive noch in der innerparteilichen Situation der SPD, deren stellvertretender Vorsitzender Sie sind, anderen überlassen. Das Parlament und die deutsche Öffentlichkeit erwarten heute Ihre Antwort auf die Vorgänge in Bremen. Sie allein haben diese Antwort zu verantworten.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Erstens. Unser Gesetzentwurf, der heute zur zweiten Lesung ansteht, ist notwendig. Wir erwarten von der Koalition entweder Zustimmung oder echte Alternativen.
Zweitens. Das Versagen der für den Schutz der Bundeswehrveranstaltung politisch Verantwortlichen in Bremen und Bonn muß aufgeklärt, und es müssen daraus Konsequenzen gezogen werden.
Drittens. Wir fordern die SPD angesichts der Zustände in Bremen erneut auf, endlich wieder einen klaren Trennungsstrich zu den Kommunisten und Linksextremisten zu ziehen.
Viertens. Wir fordern die SPD auf, sich als Ganze eindeutig hinter die Bundeswehr zu stellen und sich nicht nur von Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen die Bundeswehr zu distanzieren, sondern von diesen Demonstrationen selbst.
Wir fordern schließlich die Wähler auf, bei künftigen Wahlen etwas genauer hinzusehen, was sie wählen, wenn sie aufgefordert werden, Helmut Schmidt zu wählen.'
({47})
Das Wort hat Herr Bürgermeister Koschnick.
Präsident des Senats Koschnick ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Beratung steht der von der CDU/CSU eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches. Aber zur Beratung stehen natürlich auch die Vorgänge in Bremen. Damit die beiden Probleme sehr wohl in Ihrem inneren Zusammenhang gesehen werden, gleichzeitig aber auch eine Sachaufklärung
über das erfolgt, was in Bremen geschehen ist, habe ich das Wort genommen.
({1})
- Ich höre den Zwischenruf: Das tut weh, der Sachzusammenhang. Ich sage: Sie haben recht; mir tut das weh.
({2})
- Lieber Freund, ich habe mich vom ersten Tage an, als die Bundeswehr den Antrag stellte, die Veranstaltung in Bremen durchzuführen, für diese Vereidigung eingesetzt, und ich stehe dazu.
({3})
Ich würde das morgen erneut so beschließen. Das war früher so, das ist heute so und bleibt auch morgen so.
({4})
Es geht zunächst einmal um einen Vorwurf gegen mich. - Nein, dazu gehört kein Mut, sondern ein Bekenntnis zu diesem Staat und zu denen, die diesen Staat zu schützen haben, nicht mehr und nicht weniger.
({5})
Aber ich freue mich, daß die Frage, ob dazu Mut gehöre, von der CDU gestellt wird. Von mir aus nicht; in dieser Frage gibt es für mich gar keinen Streit - früher nicht, heute nicht und morgen nicht.
({6})
- Ich stelle nur fest, Herr Präsident, daß meine persönliche Erklärung, die ich abgegeben habe, als „scheinheilig" bezeichnet wird. Ich frage ernsthaft nach der Qualität dieser Auseinandersetzung. Begreifen Sie eigentlich nicht, wo wir uns auseinandersetzen müssen und wo wir gemeinsam zusammenstehen müssen? Wie kann diese Erklärung zur Bundeswehr nur „scheinheilig" genannt werden?
({7})
Ich habe doch gar nichts dagegen, daß die Christlich Demokratische Union und die CSU mich angreifen; ich habe ja gar nichts dagegen, wenn Sie sagen: Dieses oder alles war falsch - ich stelle mich dieser Kritik -, aber ich kann erwarten, daß ich hier ausreden und deutlich machen darf, wie meine Position, die Position des Senates und die Position meiner Partei in Bremen ist.
({8})
Meine Damen und Herren, es gibt wohl niemanden, der ein bißchen Gefühl für Proportionen, insbesondere für die Position und die Aufgaben der Bundeswehr und für die Aufgaben der deutschen Politik im Rahmen des westlichen Bündnisses - sowohl im Rahmen der NATO als auch im Rahmen der politischen Bündnisse - hat, der nicht mit Bestürzung
Senatspräsident Koschnick ({9})
auf die Art und Weise der Ausschreitungen, die wir in Bremen erlebt haben, reagiert. Aber das sollte hier auch nicht untergehen: Die bremische Polizei hat dafür gesorgt, daß diese Veranstaltung in der vorgesehenen Form durchgeführt werden konnte.
({10})
- Bevor Sie weiterschreien, sage ich hier den bremischen und den niedersächsischen Polizeibeamten ganz eindeutig meinen Dank dafür, daß sie verhindert haben, daß uns Gewalttäter aufzwingen können, was wir tun oder lassen sollen.
({11})
Schließlich hoffe ich sehr, daß Sie in keiner anderen Stadt, gleich von wem sie regiert wird, wenn sie auch von anderen Mehrheiten regiert wird, ähnliche Ausschreitungen erleben, nicht nur mit denen, die in der Stadt leben, sondern auch mit denen, die zureisen, damit wir nicht das Geschäft derjenigen betreiben, die gern möchten, daß durch öffentliche Auseinandersetzung mit der staatlichen Gewalt, vornehmlich mit der Polizei, am Ende der Konsens, der zwischen den Demokraten besteht, diesen Staat gemeinsam zu schützen und zu verteidigen, völlig zerbrochen wird.
({12})
Dies ist keine Entschuldigung für Bremen, sondern das ist die Frage nach dem, was wir gemeinsam tun wollen und gemeinsam getan haben.
({13})
- Zu dem Zuruf „Bremer Universität" von seiten der CDU/CSU möchte ich nur mit einem einzigen Satz bemerken: Die Vollversammlung der Studenten der Bremer Universität hat am 6. Mai beschlossen, an keiner Demonstration gegen die Bundeswehr teilzunehmen, weil sie die Bundeswehr und sich selbst nicht in Mißkredit bringen wollten. Ich bitte, mit der alten Leier früherer Positionen aufzuhören.
({14})
Greifen Sie die Bremer Universität wegen ihrer Inhalte an, greifen Sie sie an wegen mancher Dinge, die geschehen sind, aber tun Sie es nicht in dieser Frage. Falls Sie es nicht erkennen können: In Bremen hören jetzt einige mit, die nach der Qualität auch der Zwischenrufe fragen.
({15})
Ich sage: Ich entschuldige nichts, denn da gibt es nichts zu entschuldigen. Aber ich bitte alle Damen und Herren dieses Hauses, auch nicht das Geschäft einer anderen Seite zu betreiben, die wir gemeinsam bekämpfen müssen.
({16})
Als die Bundeswehr Anfang Januar 1980 mit der Frage an mich herantrat, ob Bremen bereit sei, aus Anlaß des Jubiläums des Beitritts der Bundesrepublik zur NATO eine zentrale Gelöbnisveranstaltung für das Heer in den Mauern der Stadt durchführen zu lassen, habe ich sofort mit Ja geantwortet. Wir haben dann von Anfang Januar an, als auch die anderen Teilstreitkräfte Vorschläge gemacht haben,
geprüft, an wechem Ort in Bremen eine solche Veranstaltung am besten stattfinden könnte, und kamen einvernehmlich zu der Auffassung: Wenn sie in Bremen stattfinden sollte - die Entscheidung stand noch aus -, dann wäre das Weser-Stadion dafür geeignet. Das ist übrigens der Ort, wo 1967 mein Vorgänger Bürgermeister Dehnkamp unter den gleichen zeremoniellen Bedingungen wie am 6. Mai eine Vereidigung abgenommen hat. Die Bürgerweide, in der Bürgermeister Kaisen vor 23 Jahren erstmalig eine öffentliche Gelöbnisveranstaltung durchgeführt hat, konnten wir nicht nehmen, weil diese Bürgerweide durch eine Messeveranstaltung mit Zelten besetzt war.
Ende März ist dann offiziell der Wunsch des Bundesverteidigungsministeriums an uns herangetragen worden, Bremen zu wählen, und wir haben gleich nach Ostern entsprechend positiv reagiert. Wir haben allerdings bei unserer Zustimmung auch darauf hingewiesen, daß nach den Ereignissen von Flensburg, wo eine Gelöbnisrede in Schleswig-Holstein im Pfeifkonzert der Demonstranten unterging, auch die Bundeswehr daran denken möge, daß wir entsprechend das Stadion gemeinsam mit den Freunden der Bundeswehr füllen, um Störungen wie in Flensburg zu vermeiden. Der wesentliche Unterschied zwischen der Veranstaltung in Bremen und der in Flensburg ist allerdings, daß in Flensburg nur Krach geschlagen wurde, während in Bremen Gewalt angewandt worden ist. Ich sehe den Unterschied sehr wohl.
Wir haben dann gemeinsam mit der Bundeswehr - schon vor unserer Zustimmung und dann natürlich weiter nach der Zustimmung - die polizeitaktischen Sicherheitsüberlegungen angestellt. Das geschah in vielfältigen Gesprächen zwischen dem 8. April und dem 2. Mai. Wir haben bei gleicher Lageeinschätzung zwischen unserer Polizei den anderen Sicherheitsbehörden des Landes und den Dienstkräften des Bundesverteidigungsministeriums die entsprechenden Ablaufpläne aufgestellt und die entsprechenden Vorkehrungen getroffen, um die Veranstaltung im Weser-Stadion durchführen lassen zu können.
Wir hatten seit Anfang April Hinweise darauf, daß sich extremistische Gruppen bemühen würden, diese Veranstaltung zu stören. Wir hatten allerdings keinen Hinweis darauf, daß die Störungen gewalttätig, also anders als in Flensburg ablaufen sollten. Am Abend des 5. Mai haben wir zuerst von einem Hinweis auf eine mögliche gewaltsame Störung erfahren, und am frühen Morgen des 6. Mai haben wir erfahren, daß aus Hamburg, Oldenburg und anderen Teilen Gruppen zu den Demonstrationen in Bremen hinzustoßen wollten. Wir haben aus diesem Grunde die letzten Reserven der bremischen Polizei über den Einsatzplan vom 2. Mai hinaus zusammengezogen und gleichzeitig die niedersächsische Polizei gebeten, uns Kräfte zur Verfügung zu stellen. Hannover hat sofort gehandelt. Dies zum Sachablauf.
Wir haben dann drei Veranstaltungen zu schützen gehabt: die Veranstaltung des Herrn Bundespräsidenten im Rathaus, die Veranstaltung des Se17298
Senatspräsident Koschnick ({17})
nates im Rathaus und die Veranstaltung im WeserStadion. Die Veranstaltungen im Rathaus sind störungsfrei verlaufen; die Veranstaltung im Weser-Stadion konnte nur unter Einsatz körperlicher Gewalt durch die Polizei abgewickelt werden. Alle drei Veranstaltungen sind entsprechend der Planung und Konzeption durchgeführt worden.
Etwas anderes haben wir jedoch erlebt. Wir mußten erleben, daß sich nach Bekanntwerden der Veranstaltung in Bremen eine große Zahl von Gruppierungen, auch aus der SPD - das betone ich ausdrücklich -, gegen die Art und Weise der Gelöbnisveranstaltung gewandt hat und mich, zum Teil auch die Bundesregierung aufgefordert hat, alles daranzusetzen, damit diese Veranstaltung im Weser-Stadion nicht stattfindet. Das habe nicht nur ich abgelehnt, sondern das hat auch der Landesvorstand der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt. Dies ist vorhin von Herrn Dregger hier völlig falsch dargestellt worden. Das besagt nicht, daß die Entscheidung des Landesvorstands erst gefallen ist, nachdem vorher in Untergruppierungen der SPD andere Entschließungen gefaßt worden sind.
Nun frage ich allerdings Christdemokraten, Freie Demokraten, Sozialdemokraten, ob nicht die Entscheidungen der Landesorganisation die politisch verbindlichen sind und nicht die der Untergliederung. Ich spreche jetzt nicht von den politischen Wirkungen, sondern ich spreche von der politischen Verbindlichkeit. Hier, so muß ich sagen, können Sie dem Landesvorstand der SPD einen solchen Vorwurf nicht machen. Der Landesvorstand hat sich eindeutig zur Bundeswehr, eindeutig zum Verteidigungsauftrag, eindeutig auch dazu bekannt, daß diese Bundeswehr erst die Friedens- und Entspannungspolitik möglich macht, die wir in der Vergangenheit über einen Zeitraum von 25 Jahren, seitdem wir in der NATO sind, gemeinsam im Schutz des Bündnisses führen konnten.
({18})
- Sehen Sie: Ich stelle fest, was beschlossen worden ist; das paßt dann nicht in ein Konzept hinein, und hier kommt Unruhe auf.
({19})
- Ich bin doch nicht hier, um Beifall zu haschen. Die Sache ist für mich viel zu ernst und zum Teil auch so bitter, daß ich hier nicht um Beifall ringe. Ich stelle nur fest, daß der Landesvorstand sich sehr eindeutig geäußert und sich im übrigen nicht gegen die Gelöbnisveranstaltung ausgesprochen hat. Wohl aber hat er die Frage nach der zeremoniellen Umrahmung aufgeworfen. Hierzu sage ich: Ober diese Frage hätte ich gern in Ruhe - nicht unter Demonstrationsdruck - diskutiert. Ob diese oder andere Formen heute zeitgerechter sind, hätten wir auch quer durch die Fraktionen und quer durch die Truppe diskutieren können. Allerdings kann man nach den Ereignissen im Bremen kaum in diesem Jahr ernsthaft über diese Frage diskutieren. Denn ich lasse mir auch hier nicht durch öffentliche Ausschreitungen
vorschreiben, in welchen Formen wir Traditionspflege betreiben müssen.
({20})
Nun ein Wort zu der Frage: Haben bremische Sozialdemokraten das Klima für die Auseinandersetzung bereitet,
({21})
so wie es Herr Dregger darzustellen versuchte und wie es zum Teil auch in der Presse unterstellt worden ist. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß Sie ernsthaft einen solchen Vorwurf aufrechter- halten können, wenn Sie feststellen, daß sich die Landesregierung einstimmig und daß sich der Landesvorstand genauso eindeutig für die Veranstaltung ausgesprochen haben, daß sie sich - ebenso wie die Sozialdemokratische Partei - auch bei den Entscheidungen gegen die Veranstaltungen eindeutig zur Bundeswehr und zur Aufgabe der Bundeswehr bekannt haben. Zu sagen, die Beschlüsse in den Gliederungen seien die Vorbereitung für die Demonstrationen und Ausschreitungen gewesen, ist eine Überzeichnung, die ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen muß.
({22})
Weiterhin bitte ich auch zu sehen, wer damals in Bremen protestiert hatte, sogar unter sehr starker Unterstützung durch die örtliche Presse. Ich spreche dabei nicht von der schrecklichen Sendung von Radio Bremen; sie muß noch ein Extra-Nachspiel haben. Ich spreche im Blick auf das Vorfeld jetzt nur von den bremischen Zeitungen. Es war ein Drittel der Pastoren und Mitarbeiter der bremischen evangelischen Kirche, es war die evangelische Jugend, es war die katholische Jugend, es war der Landesjugendring, es waren Judos und Jusos, die alle sagten: Diese Form der Veranstaltung paßt nicht mehr in die heutige Zeit. Dagegen habe ich gehalten, daß die Frage der inneren Ausgestaltung von solchen Veranstaltungen in der Bundeswehr diskutiert werden muß, aber nicht mit Demonstrationen beantwortet werden kann.
({23})
Ferner habe ich mich frühzeitig dagegen gewehrt, daß im Vorfeld der Auseinandersetzung eine solche Gelöbnisveranstaltung so dargestellt worden ist, als sei sie eine Machtdemonstration der Bundeswehr, sozusagen Säbelrasseln. Die Verpflichtung von Soldaten zur Verteidigung der Heimat ist keine Machtdemonstration. Auch das ist vorher und nicht erst nach den Auseinandersetzungen gesagt worden.
({24})
Schließlich haben wir deutlich gemacht, daß - anders als Herr Dregger es hier darstellt - es keine Kontakte zwischen den demokratischen Jugendorganisationen, insbesondere nicht zwischen Jusos und Gewerkschaftsjugend und dem KBW gegeben hat.
({25})
Senatspräsident Koschnick ({26})
- Es wäre gut, wenn wir den Gegenstand der Auseinandersetzung so betrachteten, wie er ist: ernsthaft und kritisch. Sie werden in Bremen nicht eine Verbindung zwischen Chaoten und dem KBW einerseits und andererseits der sozialdemokratischen Jugend oder der Gewerkschaftsjugend herstellen können.
({27})
- Nein, das können Sie nicht. ({28})
Der Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr an den Bundesverteidigungsminister, den wir letzte Woche in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zur Kenntnis nehmen konnten, hat eine solche Verbindung hergestellt. Aber alle Untersuchungen unserer Sicherheitsbehörden haben bewiesen, daß der Bericht in diesem Teil falsch ist. Es gab zwei verschiedene Gruppierungen, die sich um eine Demonstration und Kundgebung bemühten. Ein Kreis gruppierte sich am Anfang um den KBW, betätigte sich dann aber, als der KBW nicht die Führung an sich reißen konnte, unter Leitung der BBA weiter. Diesen Kreis möchte ich nicht als eine zu dem Bereich der Kirche und der kritischen Jugend gehörende Gruppierung bezeichnen. Die andere Gruppierung wollte unter Federführung der Jusos und des Landesjugendringes zusammen mit den kirchlichen Gruppen eine friedliche Demonstration organisieren, eine friedliche Kundgebung mit einem kulturellen Alternativprogramm abhalten, um zu verhindern, daß ein Demonstrant in Konflikte mit anderen verwickelt werde.
({29})
Dies ist am 2. Mai in der abschließenden Lagebeurteilung von allen Teilen - einschließlich der Sicherheitskräfte der Bundeswehr - so eingeschätzt worden.
Es hat bei der klaren Trennung zwischen diesen beiden Gruppierungen Befürchtungen gegeben, daß eine andere Gruppierung, der KBW, in der Vorbereitung von solchen Aktionen auch Gewaltmaßnahmen fördern könnte, jedenfalls mußte man das bei ihm unterstellen - und zwar auch dann, wenn er nicht zur Gewalt auffordert, was er ja auch in Bremen nicht getan hat -, daß in seinem Umfeld eine politisch nicht einzugruppierende Struktur, eine Zahl von Tätern vorhanden ist, die brutale Gewalt nutzen, um ihren Willen - ich sage bewußt nicht: ihren politischen Willen - durchzusetzen.
Ich sage Ihnen: Überrascht worden sind wir nur in einer entscheidenden Frage: von der Zahl derjenigen, die sofort mit frontaler Gewalt von brutaler Qualität über die Polizei hergefallen sind. Überrascht worden sind wir auch vom Einsatz neuer Mittel gegen die Polizei, z. B. Molotow-Cocktails, Leuchtkugeln und anderen.
({30})
- Verzeihen Sie, dies waren die einzigen Mittel, die wir früher in diesem Zusammenhang nicht gesehen haben und die bisher auch noch nicht eingesetzt worden waren. Über die anderen Mittel der gewalttätigen Störer waren wir informiert. Sie haben nicht nur in Bremen Anwendung gefunden, sondern wir haben sie aus vielen anderen Veranstaltungen schon gekannt.
Der Herr Bundespräsident hat mich Ende April wissen lassen, daß er Wert darauf lege, daß es aus Anlaß dieser Veranstaltung im Weser-Stadion möglich sein müsse, daß in Bremen Leute mit anderen Auffassungen friedlich demonstrieren können, daß also die bremische Polizei auch eine solche friedliche Demonstration möglich mache.
Es war deswegen unser Versuch, sowohl die friedliche Bekundung eines anderen Willens als auch die deutliche Bekundung dessen, wofür der Senat einsteht, für die Gelöbnisleistung im Weser-Stadion möglich zu machen. Wir haben die Eskalationsschwellen niedrig gehalten, wir haben verhindert, daß es zu Auseinandersetzungen in den Straßen der Innenstadt kam, und haben zugleich durch die Polizei die Durchsetzung der Entscheidung möglich gemacht: Die Bundeswehr wird in Bremen in einem feierlichen Gelöbnis in die Pflicht genommen, und der Bundespräsident und der Generalinspekteur können im Weser-Stadion ungestört zu den Soldaten und zu den Anwesenden sprechen! Das verdanken wir - das sage ich noch einmal - den bremischen und den niedersächsischen Polizeibeamten. Wir verdanken es auch einigen Feldjägern, die im Stadion von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht haben.
Was noch viel wichtiger ist, meine Damen und Herren, ist, daß es jetzt darauf ankommt, zu analysieren: Erstens: Hatte die Polizei alles bedacht, und, falls sie nicht alles gesehen hat, wer trägt dafür die Verantwortung? Dazu sage ich: kein Polizeibeamter. Natürlich nicht, denn die Polizei ist ein Teil der bremischen Behörden. Hier stehe vielmehr ich mit dem Senat in der Pflicht.
Zweitens: Hat uns die Bundeswehr alle Informationen, die ihr zugänglich waren, geliefert? Ich sage: ja. Die regelmäßigen Kontaktgespräche zwischen Bundeswehr und Polizei haben bis zum Schluß funktioniert. Es gibt keinen Vorwurf der mangelnden Information.
Drittens haben wir ein politisches Umfeld geschaffen, das für die Bundeswehr deutlich macht, wo die Demokraten im Lande stehen. Hier kann ich nur für mich und die Freunde sprechen, die mit mir dafür eingetreten sind, diese Bundeswehrveranstaltung in einem würdigen Rahmen ablaufen zu lassen, und sagen: An unserer Bereitschaft, für die Bundeswehr jederzeit einzutreten, gibt es keine Zweifel.
Nur über eines müssen Sie sich im klaren sein: Sie können noch so viele positive Erklärungen als Demokraten, als Verantwortliche abgeben - eines werden Sie nie verhindern können: Wenn eine Gruppe gewalttätiger Krimineller eine Veranstaltung stören will, muß man sich auf die Störung vorbereiten, ob es einem lieb ist oder nicht. Das haben wir getan. Das werden wir morgen weiter tun.
({31})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß ich nach dem Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen sprechen kann, weil ich durch seinen Beitrag einige meiner Fragen, die ich im zweiten Teil meiner Ausführungen zu stellen gehabt hätte, schon beantwortet finde.
Ich darf aber einmal zu dem Ausgangspunkt zurückgehen. Wir sprechen zunächst und primär über die Vorlage der Opposition zur Änderung des Versammlungsrechts und, damit zusammenhängend, einiger Vorschriften des Strafrechts, also des Demonstrationsrechts. Niemand, meine Damen und Herren, hätte dieser Vorlage im März dieses Jahres, als wir im Innenausschuß über sie, die ja nicht neu war, beraten haben, für das heutige Plenum eine nennenswerte Publizität prophezeien können.
Dies scheint nun nach den Bremer Ereignissen in der Tat anders zu sein. Für meine Fraktion und mich kann ich - ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit; aber ich will es hier noch einmal sagen - gar keinen Zweifel daran lassen, daß das, was in Bremen geschehen ist, von uns sowohl bezüglich der Ursachen als auch bis in die Erscheinungsformen hinein absolut abgelehnt und verurteilt wird.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dennoch geht es zunächst darum, wie wir den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Demonstrationsrechts behandeln. Deswegen muß ich hier die Frage stellen: Ist die von der Opposition nun zum wiederholten Male vorgebrachte Verschärfungsvorlage zum Demonstrationsrecht, heute, also eine Woche nach Bremen, etwa anders zu beurteilen - auch von uns Liberalen - als etwa noch im März dieses Jahres? Ausnahmsweise stelle ich hier einmal sozusagen das Ergebnis an den Anfang; darin unterscheiden sich meine Freunde und ich fundamental von dem, was Herr Kollege Dregger zu diesem Teil der Debatte gesagt hat.
({1})
Herr Kollege Wendig, ich möchte Sie für einen Augenblick unterbrechen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Gespräche im Saal einzustellen und mit etwas Aufmerksamkeit dem Redner Gelegenheit zu geben, seine Ausführungen vor Ihnen auszubreiten.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident.
Dennoch: Keine der in dem Entwurf vorgesehenen Vorschriften hätte, wären sie in der vergangenen Woche geltendes Recht gewesen, das Entstehen der brutalen Gewaltaktionen in Bremen aus sich heraus verhindern können. Es ist also nicht so sehr eine Frage des Beschließens von Gesetzen durch das Parlament; hier geht es allenfalls - und darauf komme ich noch - darum, daß das Parlament zu einer bestimmten Situation seine politische Meinung hier und damit auch gegenüber den Bürgern im Lande demonstriert.
Ich frage, meine Damen und Herren von der Opposition: Was hätte ein Maskierungsverbot für sich schon bewirkt? Hätte die Verschärfung oder die tatbestandsmäßige Ausweitung der Vorschriften über Landfriedensbruch die Gewaltaktionen in Bremen verhindert? Damit spreche ich nur die beiden wichtigsten Bestandteile der Vorlage an. Sicher nicht.
Ich sage dies, meine Damen und Herren, um den Vorwurf zu entkräften, wir, die FDP, wollten uns von liebgewordenen früheren Entscheidungen zugunsten einer Liberalisierung des Demonstrationsrechts um keinen Preis trennen, auch nicht vor dem Hintergrund brutaler Mißbräuche des Demonstrationsrechts, wie sie ohne Zweifel in der vergangenen Woche in Bremen geschehen sind. Die Frage ist vielmehr anders zu stellen: Hätten nicht die bestehenden Vorschriften bei rechzeitigem Erkennen der Lage und entsprechendem Handeln die Entwicklung zu Terror und Gewalt zu verhindern vermocht?
Wir, die FDP, gehören nicht zu denen, die nach jeder brutalen Gewalttat und nach jedem groben Mißbrauch des Demonstrationsrechts das Heil in einer Verschärfung der Gesetze sehen - auch heute nicht. Die Liberalisierung des Demonstrationsrechts - manche mögen dieses Wort nicht gern hören, auch heute nicht - war für uns ein sehr wohldurchdachter Denk- und Entscheidungsprozeß. Dieser Prozeß beruhte auf der Erkenntnis, daß Sicherheit des Staates, Sicherheit seiner Organe, Sicherheit seiner Bürger nicht im Widerspruch zu den Rechten des Bürgers zu stehen braucht, daß sich beides in einem richtig konstruierten System sogar sinnvoll ergänzen kann.
Wir haben im übrigen bei der Beratung der Vorlage im Innenausschuß sehr genau gewußt, daß das geltende Versammlungsrecht und das geltende Strafrecht Bestimmungen enthalten, die bei richtiger Anwendung und rechter Beurteilung der Lage Ausschreitungen und Mißbräuche verhindern können. Deshalb haben wir keinen Anlaß gesehen, der Vorlage der Opposition zuzustimmen. Ich betone noch einmal: An dieser Grundeinstellung hat sich für uns nichts geändert. Auch die Ereignisse in Bremen, auf die ich gleich noch kurz zu sprechen kommen werde, führen zu keinem anderen Ergebnis. Wir warnen sogar vor einer Gesetzgebung um jeden Preis, die nur allzu leicht einen Sicherheitsgrad vortäuscht, den es im Grunde genommen so nicht gibt. Ein solches Vorgehen verhindert vielleicht sogar, daß die wirklichen Fehlerquellen und Ursachen, die durchaus in politischem und menschlichem Fehlverhalten liegen können, erkannt werden. Die Fraktion der FDP wird daher dem Gesetzentwurf der CDU/CSU auch in zweiter und dritter Lesung ihre Zustimmung versagen.
Gerade weil aber die zur Zeit geltende Fassung des Demonstrationsrechts ausreicht, gilt für uns Freie Demokraten auch etwas anderes: Wir wollen und wir werden nicht zulassen, daß dieses Recht durch Gruppen, die den Durchbruch zu brutalem, kriminellem Handeln nicht scheuen, in Mißkredit gebracht wird. Und hier, meine Damen und Herren, entlassen wir niemanden aus der Verantwortung.
Zur gegebenen Zeit können wir nur Fragen stellen. Einige dieser Fragen - ich habe es eingangs schon gesagt - sind von dem Bürgermeister der Stadt Bremen beantwortet worden. Wir begrüßen es, daß die Bremische Landesregierung eine Untersuchung der Krawalle der vergangenen Woche durch einen Prüfungsauftrag an den ehemaligen Senator Graf auf den Weg gebracht hat. Dennoch einige Fragen: Was war eigentlich im Kern geschehen, daß in Bremen die Gefahr offenbar nicht richtig eingeschätzt wurde? Warum wurde, soweit man dies als Außenstehender beurteilen kann, nicht richtig und nicht zur richtigen Zeit entschieden? Ich denke dabei u. a. auch an die Entscheidung bremischer Behörden, Polizeikräfte des benachbarten Landes Niedersachsen zur Unterstützung aufzufordern. Es kann und darf nicht sein - daran möchte ich gar keinen Zweifel lassen -, daß in unserem Lande Organe des Staates - der Bundespräsident, Mitglieder der Bundesregierung, der Regierungschef eines Bundeslandes - daran gehindert sind, sich zu jedem Zeitpunkt frei dorthin zu bewegen, wohin sie wollen.
({0})
Dies muß mit der gleichen Deutlichkeit ausgesprochen werden wie die soeben erwähnte Tatsache, daß wir in einer Verschärfung des Demonstrationsrechtes selbst keine Lösung dieser Probleme sehen. Dies alles gehört in den Bereich der richtigen Rechtsanwendung und einer richtigen politischen und polizeilichen Führung.
Auch das, was Sie, Herr Kollege Dregger, zum Schutz des Polizeibeamten gesagt haben, gehört ganz sicher mit in den Kontext hinein. Es geht nicht nur um den Schutz des Bürgers, sondern auch um den Schutz der Beamten, die für den Bürger tätig sind. Auch in diesem Zusammenhang spreche ich von richtiger Rechtsanwendung und richtiger polizeilicher und politischer Führung.
Meine Damen und Herren, vor diesen Fragen nach dem Demonstrationsrecht selbst stehen aber auch - das will ich nicht verkennen - eine Reihe eminent wichtiger politischer Fragen. Zu einem wesentlichen Teil wird darauf mein Kollege Möllemann nachher noch eingehen. Lassen Sie mich nur dieses eine sagen: Das Grundrecht auf Durchführung friedlicher Demonstrationen - gleich, zu welchem Gegenstand - bleibt für uns selbstverständlich unantastbar. Aber auch wenn die Demonstrationen in Bremen ausnahmslos friedlich gewesen wären, zwänge uns dies zu einer politischen Stellungnahme in der Sache selbst.
Diese Stellungnahme kann für uns Freie Demokraten nur in der Feststellung bestehen, daß das Bündnis, in dem wir uns befinden, und unser eigener Verteidigungsbeitrag in diesem Bündnis defensiven Charakter tragen, daß das Bündnis den Frieden schützt und daß alle Vorwürfe von Demonstranten und anderen, die sich an die Adresse der Bundeswehr richten und die da meinen, Aggressionen befürchten zu müssen, an die falsche Adresse gerichtet sind. Im Grunde genommen geht es ja, wenn man so demonstriert, nicht nur um die Existenz der Bundeswehr, sondern im Kern auch um
die Verteidigungspolitik dieser Bundesrepublik selbst.
({1})
Meine Damen und Herren, es mag sein, daß manch einem unserer Bürger die Vereidigung auf die Pflichten gegenüber dem freiheitlichen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland mit zuviel Aufwand veranstaltet erscheint, und das war ja auch eine der Fragen, die hier im Vorfeld eine Rolle gespielt haben. Aber wer so denkt, mag an andere Stellen der Welt schauen - und ich meine nicht nur den Ostblock -, an denen sich die Verteidigungskräfte sehr viel häufiger und sehr viel stärker ins Auge fallend der Öffentlichkeit zeigen. Der deutsche Verteidigungsbeitrag und die Bundeswehr mit ihren Angehörigen sind in ihrem Rollenverständnis in den letzten 25 Jahren immer eher zurückhaltend gewesen. Ich meine, daß das gute Gründe hatte, aber man mag das in der einen oder der anderen Frage auch bedauern.
Herr Bürgermeister Koschnick hatte durchaus recht, als er ausführte: Das, was hier im Weserstadion in Bremen als Vereidigung stattfand, war keine Machtdemonstration. Man kann darüber reden, wie man will: Daran läßt sich nicht deuteln.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bleibe noch immer beim Thema der friedlichen Demonstration und der Würdigung ihrer Motive: Trotz unserer positiven Einstellung zum Verteidigungsbeitrag der Bundeswehr sollte uns allen die Tatsache zu denken geben, daß es einen großen Teil der jüngeren Bürger gibt - ({3})
- Verehrter Herr Kohl, ich bin mitten im Satz. Lassen Sie mich doch diesen Satz zu Ende sprechen!
({4})
Es gibt einen größeren Teil jüngerer Bürger - und damit meine ich nicht Chaoten oder irgendwelche linksextremistischen Gruppen -, es gibt Bürger in unserem Lande, denen die Erkenntnis der richtigen Zusammenhänge und der elementaren Bedürfnisse der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Verteidigung oft nur schwer zu erschließen gewesen ist.
({5})
- Das liegt nicht etwa daran, daß nun von bestimmten Parteien, Gruppen oder von wem immer sie meinen Verteufelungen der Bundeswehr durchgeführt worden sind, sondern daran, daß heute, 30 Jahre nach dem Krieg, der junge Bürger in unserem Lande andere Fragen stellt, weil er aus einem anderen Erfahrungsbereich in diese Welt hineingewachsen ist. Ich meine jetzt wirklich nicht die Chaoten und ähnliche Leute, sondern die jungen Bürger selber, und deswegen bin ich der Überzeugung, daß hier eine der wichtigsten politischen Fragen vor uns liegt. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß es eine der
wichtigsten Fragen ist, die wir in diesem Zusammenhang im politischen Raum zu lösen haben, wie wir den Bürger für diese Erkenntnis bezüglich unserer Verteidigungsbereitschaft gewinnen können.
({6})
Meine Damen und Herren, wenn allerdings - und dies ist in Bremen geschehen - der Rahmen friedlicher Demonstration gesprengt wird, wenn brutale Aggression um sich greift, zwar vielleicht nur seitens kleiner Terrorgruppen, die aber offenbar ein ziemlich großes Feld von Sympathisanten finden, geht es primär um die richtige Anwendung des geltenden Rechts, auch des geltenden Strafrechts, und um die richtige politische und polizeiliche Führung.
Das geltende Recht bietet - damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück - hinreichende Handhabungen zur Bewältigung kritischer Situationen, wenn es - ich sage es noch einmal - richtig angewandt und wenn die Situation richtig erkannt wird. Änderungen des geltenden Versammlungs-
und Strafrechts sind somit - auch das wiederhole ich - auch heute nicht gefordert.
Wir sollten in einer sehr schwierigen weltpolitischen Situation diese grundlegenden Fragen, die auch Fragen unseres Selbstverständnisses im Hinblick auf die Verteidigung sind und über die im Prinzip, wie ich meine, Einigkeit besteht, nicht zum Gegenstand von lauten Streitigkeiten machen, die dann sehr schnell in Wahlkampfstreitigkeiten überleiten könnten. Der Bürger hat dafür kein Verständnis. Er erwartet richtiges und, wenn notwendig, schnelles Handeln. Er erwartet aber nicht um jeden Preis neue Gesetze. Er erwartet sicher auch vom Parlament eine klare politische Aussage in der Sache. Ich glaube, ich habe sie hier für meine Fraktion gemacht. Der Bürger erwartet aber nicht ein Gesetz um jeden Preis.
({7})
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg um Entschuldigung bitten, daß ich dieser Debatte unter Umständen nicht bis zu ihrem Ende folgen kann; denn gestern, heute und morgen tagen die NATO-Gremien in Brüssel, und ich bin als Vorsitzender der Eurogroup natürlich gehalten, an diesen sehr wichtigen Beratungen teilzunehmen.
Ich hoffe auch, daß mein amerikanischer Kollege Harold Brown Verständnis dafür hat, daß die hohe Auszeichnung, die ich ihm im Namen des Herrn Bundespräsidenten überreichen soll, erst im Laufe des Tages überreicht werden kann. Denn natürlich haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, Anspruch darauf, daß ich als Bundesminister der Verteidigung zu den Vorgängen Stellung nehme.
Herr Präsident, ich bitte auch um Verständnis und um Nachsicht dafür, daß ich zu diesem Tagesordnungspunkt auch grundsätzliche Ausführungen zur
Traditionspflege in der Bundeswehr mache, obwohl dies sicherlich nicht Teil des Tagesordnungspunktes ist.
Lassen Sie mich mit den Ereignissen in Bremen beginnen und in einigen Punkten darlegen, wie die Vorgeschichte gelaufen ist. Ich kann mich dabei weitgehend auf das abstützen, was Herr Bürgermeister Koschnick bereits erklärt hat.
Erstens. Der Senat und die Bundesregierung ebenso wie der Herr Bundespräsident waren sich einig, daß diese Veranstaltung in Bremen stattfinden sollte, daß wir uns von Demonstrationen oder Demonstranten welcher Art auch immer von dieser Veranstaltung nicht abbringen lassen würden.
Zweitens. Es hat von Anbeginn an eine sehr enge organisatorische Vorbereitung gegeben. Wir waren dabei auch davon ausgegangen, daß es zu geplanten Gegenaktionen kommen würde. Herr Bürgermeister Koschnick hat bereits in seinen Zeilen vom 11. April darauf aufmerksam gemacht, daß er auch die Bundeswehr bitte, im Bremer Weserstadion präsent zu sein, damit sich Ereignisse wie in Flensburg nicht wiederholen würden. Natürlich sind sowohl Bundeswehrführung, sprich: Bundesminister der Verteidigung, wie auch Bremer Senat stets vom gleichen Wissensstand ausgegangen.
Ich selbst habe mich - das ist mein dritter Punkt - am 23. April im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers mit einem Telegramm an den Unterbezirk Bremen-Ost der SPD gewandt, und aus diesem Telegramm, Herr Präsident, möchte ich gerne zwei Absätze zitieren:
Es handelt sich bei dieser Veranstaltung um die zentrale Feierstunde anläßlich der 25jährigen Wiederkehr des Beitritts der Bundesrepublik zur NATO. Die Bundesregierung hat dieser Veranstaltung anläßlich dieses Tages ausdrücklich zugestimmt. Der Bundeskanzler hat mich gebeten, den Herrn Bundespräsidenten bei dieser Veranstaltung zu begleiten.
Jede Demonstration gegen diese Veranstaltung verkennt ihren Charakter. Es handelt sich keineswegs um eine martialische Demonstration, sondern um eine Stunde, die unterstreicht, daß Wehrdienst Friedensdienst ist. Wir können unsere Friedens- und Entspannungspolitik nur auf der Basis unserer festen Verankerung im westlichen Bündnis und dem Gleichgewicht der Kräfte sichern und fortsetzen.
Im übrigen kann ich nur unterstreichen, was Herr Bürgermeister Koschnick anschließend erklärt hat:
Die Entschließung der Landesorganisation Bremen der SPD vom 27. April 1980 ist nicht zu beanstanden.
Zu beanstanden ist sicher die Erklärung des Unterbezirks. Nur, maßgeblich sind Beschlüsse der Landesorganisation!
Ich komme nun zu meinem vierten Punkt, dem bereits mehrmals angesprochenen Lagevermerk des Generalinspekteurs vom 25. April. Er hat in diesem Lagebericht zwei Elemente dargestellt.
Element Nummer eins: Es hätten sich eine Reihe von Vertretern Bremer Jugendorganisationen und andere getroffen, um Demonstrationen vorzubereiten. Ich habe Herrn Bürgermeister Koschnick angesichts einer Sitzung des Bundesvorstands der SPD am 25. April darauf aufmerksam gemacht. Im übrigen - auch dies nur zur Unterstreichung der unmißverständlichen Haltung der SPD -: Der Bundesvorstand hat sich an diesem Tag auf Grund meines Berichts einstimmig hinter diese Veranstaltung gestellt und einstimmig den Bremer Landesverband auf diese Probleme hingewiesen. Der Bremer Landesverband hat dann am Sonntag - das war zwei Tage danach - eindeutig und einwandfrei Stellung genommen. Im übrigen ist Herr Bürgermeister Koschnick - worauf er hingewiesen hat - den Hinweisen hinsichtlich der genannten Jugendorganisationen nachgegangen. Er hat festgestellt, daß die Aussage im Lagevermerk des Herrn Generalinspekteurs so nicht stimmt. Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß dort einzelne unter Mißbrauch des Namens ihrer Organisation aufgetreten sind. Dies mag sein. Dies wird zu untersuchen sein. Nur, die Positionen sind auch hier eindeutig.
Schließlich hat der Generalinspekteur darauf hingewiesen, daß mit anhaltenden Störungen zu rechnen sein wird. Dies war im übrigen weder für den Bremer Bürgermeister noch für uns neu. Denn wir waren uns bereits im Vorfeld klar darüber, daß wir mit Demonstrationen zu rechnen haben würden. Der Generalinspekteur hat gesagt, da der KBW und die Atomkraftgegner in Bremen mitmachen würden, würde von diesen beiden - von diesen beiden! die Gefahr gewaltsamer Aktionen ausgehen können. Dies ist rechtzeitig in Bremen erkannt worden.
Im übrigen ist es, denke ich, nicht Aufgabe der Bundesregierung und auch nicht des Deutschen Bundestages, zu dem Ablauf und den polizeilichen Aktionen in Bremen Stellung zu nehmen.
Staatssekretär Dr. Hiehle hat am selben Abend folgendes Fernschreiben in meinem Auftrag an - so denke ich - Herrn Weiß, den Chef der Bremer Senatskanzlei, gesandt:
Da es unter den sich abzeichnenden Umständen voraussichtlich unumgänglich wird, zu der Veranstaltung im Weserstadion die Bürger Bremens in großer Zahl einzuladen, den Zugang zum Stadion jedoch aus Sicherheitsgründen durch Ausgabe von Eintrittskarten unter Kontrolle zu nehmen, bitte ich, folgender Änderung der bisher getroffenen Regelung für die Zuständigkeit in Sicherheitsangelegenheiten zuzustimmen: Zuständig für alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen im Rathaus, in der Stadt und im Stadion ist die Stadt Bremen. Die Bundeswehr leistet jede in ihren Kräften liegende Amtshilfe.
Noch um Mitternacht des gleichen Tages ist der Eingang dieses Fernschreibens von Bremen fernmündlich bestätigt worden.
Was haben wir anschließend veranlaßt? Ich habe angeordnet, daß wir für das Bremer Weserstadion Eintrittskarten ausgeben und daß die Stehplatztraversen gesperrt werden. Im übrigen war dies vergleichsweise einfach, weil die Stehplatztraversen im Weserstadion statische Probleme haben und derzeit sowieso nicht benutzt werden dürfen. Wir haben weiter durch eine Vielzahl anwesender Angehöriger der Bundeswehr, die wir schachbrettartig im Stadion verteilt haben - wir haben jeweils nur zwei Eintrittskarten zusammenhängend ausgegeben -, dafür gesorgt, daß im Stadion selbst -- davon haben Sie sich alle überzeugen können - die Feierlichkeiten ordnungsgemäß abgelaufen sind.
Es war von vornherein klar und vom Bremer Senat in keiner Phase in Frage gezogen, daß außerhalb des Stadions und auch innerhalb des Stadions, obwohl das Hausrecht bei mir lag, für die Sicherheit die Bremer Polizei zuständig ist. Das war selbstverständlich niemals bestritten. Denn natürlich mußte es darum gehen, ein mögliches Ziel, die Verwicklung der Bundeswehr in innere Auseinandersetzungen, abzuwehren und zu verhindern. Dies sind meine Bemerkungen zum Ablauf der Veranstaltung in Bremen selbst.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Metz?
Ja, natürlich.
Herr Minister, können Sie sagen, ob nun der Brief des Generalinspekteurs aus Ihrem Haus nach Bremen übersandt worden ist oder nicht?
Der Brief des Herrn Generalinspekteurs ist eindeutig nicht nach Bremen übersandt worden.
({0})
Aber ich habe Herrn Koschnik von dem wesentlichen Teil eindeutig unterrichtet.
({1})
- Das habe ich erklärt, Herr Wörner. Ich bin dafür, daß dann genau zugehört wird.
({2})
- Na gut, dann sage ich Ihnen das noch einmal. Am 25. April ist mir dieser Aktenvermerk des Herrn Generalinspekteurs übergeben worden. Am 25. April nachmittags habe ich den Herrn Bürgermeister von Bremen - nicht nur ihn, sondern auch den Bundesvorstand meiner Partei - auf der Sitzung des SPD-Bundesvorstandes von einem Teil unterrichtet, von dem Teil nämlich, in dem die Organisationen aufgelistet waren. Über den anderen Teil haben wir dort auch gesprochen, weil wir beide - sowohl der Bremer Senat als auch wir - mit anhaltenden Störungen bereits vorher rechneten, wobei von vornherein klar war, daß die Verantwortung für die Sicherheit beim Land Bremen liegen würde.
Lassen Sie mich jetzt einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Wir haben Ihnen allen das Weißbuch der Bundeswehr 1979 zugestellt. In diesem Weißbuch haben wir in zehn Punkten Bemer17304
kungen zur Tradition und Traditionspflege gemacht. Ich möchte einige dieser Grundsätze hier wiederholen, um sie dann zu kommentieren.
Erstens. Die Tradition der Bundeswehr muß vor der Verfassung bestehen können. Zweitens. Die Tradition der Bundeswehr darf nicht im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Werten und Normsystemen unserer Demokratie stehen. Aber natürlich sind der Bundeswehr Eigentümlichkeiten gestattet. Drittens. Die Tradition der Bundeswehr muß auf den Frieden bezogen sein. Viertens. Sie bedarf der Anteilnahme der zivilen Staatsbürger und ist deswegen dem dauernden Dialog unterworfen.
Und damit bin ich beim Dialog. Ich kann nur das unterstreichen, was Herr Bürgermeister Koschnick zu dieser Frage gesagt hat. Natürlich steht auch die Tradition der Bundeswehr im Dialog. Sie ist nichts Festgeschriebenes, sie wird weiterentwickelt; sie steht deswegen auch im kritischen Dialog. Nur eins werde ich als Verteidigungsminister - das will ich hier in aller Deutlichkeit hinzufügen - natürlich nicht akzeptieren: daß der kritische Dialog über Traditionen nur bei der Bundeswehr stattfindet. Wenn kritischer Dialog, dann, bitte, kritischer Dialog über alle Traditionen!
({3})
Da gibt es auch bei anderen Traditionen, meine sehr geehrten Damen, meine Herren, einiges kritisch zu betrachten.
({4})
Ich möchte nach diesen Bemerkungen jetzt einige Kommentare anschließen. Wir werden es nicht zulassen, daß Radikalinskis, Gewalttäter und andere die Bundeswehr aus unserer Gesellschaft herausdrücken, in eine Ecke schieben. Die Bundeswehr ist Teil unserer Gesellschaft. Diejenigen, die Integration wollen - und wir wollen die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft -, müssen auch das öffentliche Gelöbnis auf unsere Demokratie wollen. Dieses Gelöbnis ist ein Bekenntnis zu unserem Grundgesetz und damit zu unserer freiheitlichen Grundordnung. Eben deswegen ist es auch unsinnig und falsch, wenn Veranstaltungen dieser Art mit Säbelrasseln verglichen werden. Wehrdienst in unserer Zeit ist Friedensdienst.
({5})
Ich habe bereits aus dem Telegramm zitiert: „Nur auf der Basis des Gleichgewichts kann sich Friedens-
und Entspannungspolitik fortsetzen."
Ich war deswegen einigermaßen betroffen, als ich am Freitagabend nach meiner Rückkehr aus Tunesien feststellen mußte, daß eine für Mittwoch geplante öffentliche Vereidigung mit Zapfenstreich in Emden ohne mein Wissen aus der Stadt in die Kaserne verlegt worden war. Ich habe das rückgängig gemacht, auf der Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir werden in Emden ein öffentliches Gelöbnis haben.
({6})
Ich füge hinzu: Angesichts der zugespitzten Situation werde ich selbst in Emden, was nicht geplant war, die Rede an die Rekruten halten, damit die Haltung der Bundesregierung und, wie ich denke, aller demokratischen Kräfte in unserem Lande zur Bundeswehr völlig unzweideutig ist und unzweideutig bleibt.
({7})
Wir werden im übrigen in Emden nicht als Trotzreaktion auf Bremen öffentlich auftreten. Hier geht es überhaupt nicht um Trotz, so nach der Devise „Wir wollen doch mal sehen, wer die Stärkeren sind". Darum geht es überhaupt nicht. Ich werde in meinen Ausführungen in Emden deutlich zu machen haben, daß wir a) der Gewalt nicht weichen und daß wir b) dem kritischen Dialog offen gegenüberstehen. Ich lade jeden ein, auch über diese Art von Tradition kritisch mit mir zu diskutieren. Ich stehe zu dieser Diskussion bereit. Demokratie lebt vom kritschen Dialog. Allerdings wird Gewalt abgelehnt; Gewalt wird zurückgewiesen.
({8})
Letzte Bemerkung: Auch in Emden und künftig bleibt es dabei, daß Art. 87 a der Verfassung gilt, d. h. die Bundeswehr wird sich - dafür habe ich gesorgt - in Emden in innere Auseinandersetzungen nicht hineinziehen lassen. Für die innere Ordnung, für die Sicherheit von Veranstaltungen wie öffentliche Gelöbnisse müssen die Polizeikräfte unseres Landes sorgen.
Ich kann mich dem anschließen, was viele in diesen Tagen gesagt haben, nämlich dem Dank an die Bremer Polizei. Ich füge meinen hohen Respekt vor den Soldaten der Bundeswehr hinzu, die sich in diesen schwierigen Stunden in Bremen so besonnen und so ordentlich verhalten haben - ein Beweis dafür, daß die übergroße Mehrheit unseres Volkes hinter der Bundeswehr steht. Die Bundeswehr weiß, daß sie eingebettet ist in unsere Demokratie und die Haltung unserer Bürger.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wörner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Debatte jetzt vom Bundesverteidigungsminister und vorher vom Bremer Bürgermeister zum Teil gute, zum Teil starke Worte gehört. Aber all diese Bekenntnisse können eben nicht die Tatsache verwischen, daß es der Führung der SPD und der Regierung als Ganzer und vor allen Dingen dem Bundeskanzler vor diesen Ereignissen am nötigen Mut gefehlt hat, dasselbe, was hier gesagt wurde, dort in derselben Deutlichkeit zu sagen und dafür einzustehen.
({0})
Was in Bremen passierte, war sicher ein Skandal.
({1})
Aber der eigentliche Skandal, der noch viel größere Skandal liegt in der Tatsache, daß die größte Regierungspartei - die SPD - mit Teilen den Boden für jenen Skandal bereitet hat und damit ganz direkt in der Verantwortung für die Geschehnisse in Bremen steht.
({2})
Der persönliche Referent des Polizeipräsidenten in Bremen Werner Martin, langjähriges SPD-Mitglied, ist wegen dieser Ereignisse mit folgender Bemerkung aus der SPD ausgetreten: Institutionen, Unterbezirke und einzelne Mandatsträger der SPD hätten mäßigend einwirken müssen, statt den Boden für die Krawalle zu bereiten.
({3})
Wie die wirkliche Stimmung in der SPD in Bremen war, die sich eben ganz anders darstellte, als der Bremer Bürgermeister das hier geschildert hat - dem ich persönlich seine Haltung durchaus abnehme -, zeigen einige Pressestimmen aus Bremen. Wenn etwa aus Versammlungen Stimmen von SPD-Mitgliedern dergestalt zitiert werden: „Solch eine Schweinerei hat einfach nicht im sozialdemokratisch regierten Bremen stattzufinden"
({4})
oder wenn unter der Überschrift „SPD: Nein zum Säbelrasseln'' über diese Veranstaltung berichtet wird, dann kann ich nur sagen: das gibt das wahre Stimmungsbild der SPD in Bremen wieder, die offensichtlich bis zum heutigen Tag die wirkliche Funktion und Aufgabe der Bundeswehr nicht zur Kenntnis genommen hat.
({5})
Wenn Sie dann fünf Minuten vor diesen Ereignissen eine Resolution Ihres SPD-Landesvorstands herbeiführen, kann das diese Stimmung in Ihrer Partei allenfalls vernebeln, aber sicher nicht beseitigen.
Ich persönlich meine, daß das Entscheidende dieser ganzen Geschichte in einer Kommentierung des Bonner „General-Anzeigers" zu lesen ist:
Keine Frage, - steht dort daß weder der Bundeskanzler noch der Verteidigungsminister ... Sympathie für jene Bremer Jung- und Altjusos haben, die nicht in der sowjetischen Afghanistan-Aggression eine Friedensgefahr erblicken, sondern in der Eidesleistung bundesrepublikanischer Rekruten.
Jetzt aber, Herr Bundeskanzler:
Bloß: Wo haben die führenden SPD-Politiker dies gesagt? Ihr Schweigen mußte von den Bremer SPD-Linken ja geradezu als eine stillschweigende Zustimmung zu dem angekündigten Demonstrationsbündnis mit orthodoxen DKP- und gewalttätigen K-Gruppen ausgelegt werden. Der Katzenjammer nach der Straßenschlacht kommt jetzt zu spät.
So ist es.
({6})
Herr Bürgermeister Koschnick hat die Behauptung aufgestellt, die Bremer Universität habe mit diesen Vorgängen nichts zu tun. Tatsache ist, daß am Nachmittag dieses Tages fast alle Vorlesungen abgesagt wurden und ausgefallen sind.
({7})
Tatsache ist, daß der Generalinspekteur der Bundeswehr - und zwar bis jetzt unwidersprochen - dem Herrn Bundesverteidigungsminister mitgeteilt hat, am 16. und am 23. April 1980 hätten auf Einladung des KBW - jener terroristischen Organisation, die vor Gewalttaten bekanntlich nirgendwo zurückschreckt - Vertreter folgender Organisationen in den Räumen der Universität Bremen getagt:
({8})
Vertreter der DGB-Jugend, der IG Metall, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, der Schülervertretung aus Bremen, der Betriebs- und Personalräte, der Jungsozialisten, der Bremer Bürgerinitiative gegen Atomkraftwerke,
({9})
der Alternativen Liste, der Grünen Liste und des KBW. Und da stellen Sie sich hierher, Herr Bürgermeister, und behaupten, die Bremer Universität habe mit diesen Vorgängen nichts zu tun.
({10})
Die Bremer Universität spielt eine entscheidende Rolle bei der psychologischen und klimatischen Vorbereitung dieser Aktionen gegen die Bundeswehr.
({11})
Es ist ganz deutlich erkennbar, daß man jetzt versucht, die Dinge von Ihrer Seite herunterzuspielen. Ich fürchte, Sie erweisen sich damit einen schlechten Dienst. Es genügt nicht, daß Sie darauf hinweisen, was da nun zwei, drei Vorstände beschlossen haben, wenn Sie nicht die Konsequenzen daraus ziehen, und das heißt, daß Sie in Ihrer eigenen Partei endlich einmal wirkliche Aufklärungsarbeit über die Rolle der Bundeswehr, über die Aufgabe der Verteidigung und über die sowjetische Bedrohung leisten müssen, meine Damen und Herren.
({12})
Hier, Herr Koschnick, ein Aufruf gegen die öffentliche Rekrutenvereidigung, der auch einige Unterschriften trägt. Sie sagten ja, Gliederungen der SPD hätten nie mit radikalen und extremistischen Gruppen zusammengearbeitet.
({13})
Dort steht beispielsweise: „Wir wehren uns gegen den schleichenden Militarismus." Dann wenden sich die Verfasser dagegen, daß die Bundesrepublik den „entspannungsfeindlichen NATO-Beschluß über Produktion und Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen zum Wohle der Rüstungsindu17306
strie" gefaßt hat. Dann geht es weiter: „Keine Mittelstreckenraketen in Europa"; „Kampf dem Militarismus". Unterschrieben ist dieses Flugblatt - es gibt zahllose andere - unter anderem von den deutschen Jungdemokraten. Herr Möllemann, es wäre vielleicht gut, wenn Sie hier aufstehen und auch einmal etwas zu Ihren deutschen Jungdemokraten sagen würden.
({14})
Herr Genscher, obwohl Sie persönlich mit aller Sicherheit hier anders denken: Es geht auch nicht, daß man die deutschen Jungdemokraten für solche Aktionen finanziert und sich dann hinterher, wenn es passiert ist, mit bloßen Worten distanziert.
({15})
Sofort nach den deutschen Jungdemokraten hat die Deutsche Kommunistische Partei unterschrieben, ferner: Bremer Juso-Schülergruppen, Juso-Hochschulgruppe, Jungsozialisten in der SPD ({16}), Unterbezirksvorstand der Jusos Bremen-West, -Nord und -Ost und Juso-AG Neustadt,
({17})
und dann kommt die Selbsthilfeorganisation der Zivildienstleistenden, Bremen. Ich will hier keine Pauschalurteile abgeben, aber eines muß gesagt werden: In dieser Demonstration befanden sich auch Wehrdienstverweigerer. Es wird nachzuprüfen sein, ob einige von ihnen Gewalt angewendet haben. Wenn sie Gewalt angewendet haben, dann kann ihr Bekenntnis zur Wehrdienstverweigerung nicht mehr ernst genommen werden, meine Damen und Herren.
({18})
Und dann folgt die Unterschrift: Detlev Albers, Konrektor, Universität Bremen.
({19})
Herr Koschnick, nach all dem wäre es gut, Sie würden Ihre Behauptung in der Öffentlichkeit nicht wiederholen, die Bremer Universität habe dabei keine Rolle gespielt. Ihre Versäumnisse auf diesem Gebiet, die Tatsache, daß wir einige Universitäten aus dem Rechtsbereich dieses Staates förmlich ausgeklammert haben, trägt hier Früchte. Daran besteht gar kein Zweifel.
({20})
Bis jetzt - jedenfalls bis zu dieser Sekunde - haben wir weder vom Bürgermeister Koschnick noch von dem Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland ein klares Wort der Distanzierung nicht nur von der Gewalttat, sondern auch von der Anti-Bundeswehr-Einstellung in Teilen ihrer eigenen Partei gehört. Das hätte hierhergehört, nicht nur die Krawalle gehörten hierher.
({21})
Die Frage interessiert nicht nur die SPD. Herr Bundeskanzler, wenn Sie noch nicht einmal junge und ältere Menschen in der SPD davon überzeugen können, daß und warum Landesverteidigung Sinn hat, wie wollen Sie dann die jungen Menschen in unserem Staat davon überzeugen, daß sie die Uniform des Soldaten anziehen und die Freiheit in diesem Staat schützen?
({22})
Es ist ganz klar, ohne diese Vorfälle überschätzen zu wollen, ohne diese Stimmung in Teilen der SPD überschätzen zu wollen, daß hier Vorläufer einer neuen Ohne-mich-Stimmung heraufkommen.
({23})
Meine Damen und Herren, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn nicht rechtzeitig von allen Parteien dieses Hohen Hauses deutlich gemacht wird, daß dieser Staat nur überleben kann, wenn diese Ohne-mich-Stimmung wieder überwunden wird, so sage ich Ihnen voraus, daß dann nicht nur die SPD Schaden nehmen wird, sondern daß dann die Bundesrepublik Deutschland und wir alle darunter zu leiden haben.
({24})
Herr Koschnick, hierzu hätte der Appell zur Gemeinsamkeit Sinn gehabt. An uns brauchen Sie nicht zu appellieren, wenn es um den Schutz dieses Staates, wenn es um das Eintreten für die Verteidigung, für die Bundeswehr geht. Da sind wir immer zur Stelle. Da Sie schon das Thema der Gemeinsamkeit ansprechen, muß ich darauf aufmerksam machen, daß Sie in Nordrhein-Westfalen einen Wahlkampf geführt haben, in dem Sie offen und unverhüllt einen Teil dieses Volkes, die CDU/CSU, der Kriegstreiberei beschuldigen.
({25})
Wer so handelt, Herr Koschnick, der hat das Recht verwirkt, anschließend an die Gemeinsamkeit zu appellieren.
({26})
Herr Brandt, ich sehe Sie jetzt lächeln oder gar lachen.
({27})
Sie sind als deutscher Bundeskanzler einmal mit dem Wort der guten Nachbarschaft angetreten.
({28})
Sie haben sich nicht mit einem Wort von dieser üblen Anzeige distanziert, wo 36 Kriegerwitwen unter der Überschrift „Nie wieder Krieg" zu sehen sind, und darunter steht: „deshalb Helmut Schmidt". Daneben stehen aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Dregger, von Hasselmann und von mir. Sie haben damit den inneren Frieden in diesem Volk in
einer schrecklichen Weise zerstört. Wie wollen Sie den äußeren Frieden retten?
({29})
Die Ereignisse in Bremen und die Stimmung in der SPD sind nicht von heute auf morgen entstanden. Die Stimmung in der SPD ist die Frucht, Herr Bundeskanzler, Herr Verteidigungsminister, zehnjähriger Versäumnisse in der Darstellung der Sicherheits- und der Verteidigungspolitik in diesem Volk. Wer die Bedrohung seit Jahren systematisch unterschlägt und verschweigt - denken Sie an das, was Sie jetzt als Programm für die Bundestagswahl herausgebracht haben, denken Sie an Ihren sicherheitspolitischen Kongreß, der in seiner Zusammenfassung das Wort „Bedrohung" überhaupt nicht mehr kennt, denken Sie daran, daß der Bundeskanzler als stellvertretender Parteivorsitzender den Nachrüstungsbeschluß zwar noch vor dem Parteirat
({30})
mit der Bedrohung erklärt, aber vor dem Parteitag gar nicht mehr den Mut hat oder haben kann,
({31})
von der Bedrohung zu reden, sondern den Nachrüstungsbeschluß mit der Notwendigkeit der Entspannung begründen muß, worauf die „FAZ" zu Recht hingewiesen hat -, wer Dutzende Male, wer Hunderte Male von Entspannung spricht und kaum noch von Verteidigung, wer die Anhänger gesicherter Verteidigung als Säbelraßler und Scharfmacher abstempelt, der braucht sich über die psychologischen Veränderungen, über die Bewußtseinsveränderungen in seiner eigenen Partei und im deutschen Volk nicht zu wundern. Das haben Sie zu verantworten.
({32})
Herr Verteidigungsminister, Sie haben hier Ausführungen zur Traditionspflege gemacht.
({33})
Das wird an anderer Stelle zu diskutieren sein. Ich mache bei diesem Ablenkungsmanöver nicht mit. Denn wenn wir über Tradition in der Bundeswehr diskutieren, dann lassen wir uns den Zeitpunkt und die Art dieser Diskussion nicht von Radikalen und Ihren Jungsozialisten vorschreiben - um das deutlich zu machen.
({34})
Herr Koschnick und Herr Apel haben eine merkwürdige Darstellung und eine beeindruckende Harmonie über die Frage gezeigt: Wer hat eigentlich wen über was rechtzeitig unterrichtet? Vor Tische las man s anders. Da war ein heftiger Streit im Gange.
({35})
- Nein, nicht den „Bayernkurier", sondern in den einschlägigen Bremer Zeitungen beispielsweise, von denen ich annehme, daß wenigstens ein paar davon einigermaßen objektive Informationen haben. Schließlich, Herr Ehmke, hat es offizielle Erklärungen sowohl der Pressestelle des Verteidigungsministeriums als auch der Pressestelle des Bürgermeisters von Bremen gegeben. Da zitiere ich - beispielsweise -: „Koschnick bestritt energisch, daß das Bundesverteidigungsministerium den Warnbrief, den Bundeswehrgeneralinspekteur Jürgen Brandt an Bundesverteidigungsminister Hans Apel gerichtet hatte, an den Bremer Senat weitergegeben habe.'' Und jetzt kommt es:
({36})
- Warten Sie doch mal, geben Sie mir doch die Chance, das auch noch zu sagen. - „Dieser Brief sei erst auf Anforderung Bremens nach den Ereignissen übersandt worden.'' Dann kann sich das nicht ganz so abgespielt haben, wie der Bundesverteidigungsminister es hier dargestellt hat. Sagen Sie doch bitte die volle Wahrheit! Die Wahrheit ist die, Herr Apel, daß Sie und Ihr Haus in dieser Frage glatt versagt haben. Sie haben Ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten der Bundeswehr vernachlässigt.
({37})
Den Schaden haben wir alle, den Schaden, den Sie damit im Bündnis anrichten, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika; der Kollege Dregger sprach davon.
({38})
- Ja, die Amerikaner fragen sich, ob in einer Zeit, in der Standfestigkeit, Mut und Entschlossenheit gefordert sind, die größte Regierungspartei den Mut hat, sich vor die Soldaten der Bundeswehr zu stellen. Das ist einer der Maßstäbe für die Bündnistreue, nicht nur Ihre Lippenbekenntnisse.
({39})
Vor allem aber - daran gibt es keinen Zweifel - muß sich die Bundeswehr im Stich gelassen vorkommen von der Partei, die den Bundesverteidigungsminister stellt, von der Partei, die die Regierungsverantwortung trägt, und von dem Bundeskanzler, der bei feierlichen Anlässen immer wieder von der Notwendigkeit der Verteidigung redet, und zwar im Ausland oder zur NATO, der es aber an rechtzeitigem und entschlossenem Handeln im Innern der Bundesrepublik Deutschland hat fehlen lassen. Darum erwarten wir Ihre Stellungnahme, Herr Bundeskanzler, zu diesen beschämenden Ereignissen innerhalb und außerhalb der SPD.
({40})
Das Wort hat nun der Abgeordnete Möllemann.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die eigentlich auf der Tagesordnung stehende Problematik einer Veränderung oder Beibehaltung des geltenden Demonstrations- und Versammlungsrechts ist von meinem Kollegen Dr. Wendig aus der Sicht der FDP behandelt worden. Ich möchte mich deswegen - wie der größere Teil meiner Vorredner - im Rahmen der Debatte mit den Vorgängen um die öffentliche Gelöbnisfeier der Bundeswehr in Bremen beschäftigen und dazu für die FDP feststellen:
Erstens. Es ist ein guter und beizubehaltender Brauch der Bundeswehr, daß sie in zahlreichen Fällen zur Ableistung des Gelöbnisse von Rekruten deren Angehörige sowie die Öffentlichkeit als Gäste und Zeugen einlädt.
Zweitens. Diese Verfahrensweise soll verdeutlichen, daß die Angehörigen unserer Streitkräfte einen Dienst für die gesamte Gesellschaft leisten, daß sie bei der Ableistung des in unserem Grundgesetz verankerten Wehrdienstes auch ihrerseits in der Gesellschaft verankert sind.
Drittens. Die Bundeswehr ist die erste deutsche Armee, die - durch das Grundgesetz - ausschließlich auf Verteidigungsaufgaben festgelegt ist. Auf diesen grundgesetzlichen Auftrag, der hier im Parlament zwischen allen Fraktionen unumstritten ist, werden die Rekruten bei der Ableistung ihres Gelöbnisses verpflichtet. Es gibt keinen Grund, jede Gelöbnisfeier in einer großen öffentlichen Veranstaltung durchzuführen, aber es gibt auch keinen Grund, die Ableistung des Gelöbnisses vor der Öffentlichkeit zu verbergen oder das öffentliche Gelöbnis der Rekruten, je nach innen- oder außenpolitischer Stimmungslage, als „entspannungsfeindliches Säbelgerassel" zu diskreditieren. Der Dienst in unserer Bundeswehr ist auf die Verteidigung festgelegter Friedensdienst. Diese Berwertung gilt grundsätzlich und ist nicht von dauernd sich ändernden außen- oder innenpolitischen Rahmenbedingungen abhängig.
Viertens. Das Grundgesetz und auch der Deutsche Bundestag verlangen von den jungen Männern in der Bundesrepublik Deutschland, daß sie zur Sicherung des Friedens und der Freiheit den Wehrdienst ableisten. Dieser Forderung der Gemeinschaft folgen manche Wehrpflichtige gern, manche - ich denke der größere Teil - ohne große Begeisterung, aber in realistischer Einschätzung der Notwendigkeiten, manche nur sehr widerwillig. Der Verzicht auf einen Teil ihrer Freiheit, auf berufliche Entwicklung und Einkommen, die Lösung aus dem sozialen Umfeld für eine bestimmte Zeit werden häufig, verständlicherweise, als Belastung empfunden, deren Sinn gegenüber den Wehrpflichtigen von uns hier, aber auch von der Bundeswehrführung, immer wieder neu überzeugend begründet werden muß. Das ist oft - wie wir alle wissen - nicht leicht.
Deshalb haben auch die im Parlament vertretenen Parteien die besondere Verpflichtung, alles zu unterlassen, was den Soldaten den Eindruck vermittelt,
die ihnen abverlangte Pflicht sei selbst bei denen umstritten, die sie festgelegt haben.
({0})
Anders gesagt: Die Staatsbürger in Uniform haben gerade gegenüber den Parteien in diesem Parlament einen besonderen Anspruch auf Solidarität. Im Bundestag besteht bei allen Fraktionen ganz offenkundig diese Solidarität. In Bremen allerdings hat es daran ganz offenkundig gefehlt.
({1})
- Natürlich, bei einigen. Aber das ist das eigentliche Problem.
Die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft von Bremen hat in einem Dringlichkeitsantrag dem Bremer Senat zehn Fragen vorgelegt, die in der zusätzlichen Sitzung der Bürgerschaft am 21. Mai beantwortet werden sollen. Ich möchte mich bei der Würdigung des Sachverhalts, was den Bremer Anteil angeht, bis zur Beantwortung und Klärung dieser Fragen folgerichtig zurückhalten. Meine Bremer FDP-Kollegen haben im übrigen erklärt, daß sie für den Fall, daß Fragen offenblieben, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen wollten. Schließlich hat der Landesvorsitzende der Bremer Freien Demokraten die Tatsache, daß überhaupt eine ernst zu nehmende Diskussion in den in der Bürgerschaft vertretenen Parteien über den Sinn und die Berechtigung dieser Veranstaltung aufkam, mit Recht als beschämend bezeichnet
Ich möchte mich daher heute an dieser Stelle auf die aus der Sicht des Bundesparlaments möglichen und notwendigen Feststellungen beschränken.
Fünftens. Die Form der öffentlichen Vereidigung mit großem Zapfenstreich halten wir Freien Demokraten bei besonderen Anlässen für durchaus angemessen. Der besondere Anlaß waren in diesem Fall des Jubiläum des Eintritts der Bundeswehr in die NATO und wenige Tage danach das 30jährige Bestehen der NATO. Dies ist für uns ein guter Anlaß für eine gemeinsame Feier von Soldaten und Zivilbürgern, die im westlichen Bündnis den Garanten von Frieden und Freiheit sehen.
Sechstens. Gewaltfreie Kritik und auch Demonstrationen gegen unsere Politik, auch gegen unsere Sicherheitspolitik, und natürlich erst recht gegen bestimmte Feiergestaltungen sind natürlich legitim. Sie grundsätzlich und von vornherein in die Nähe des Gewalttätigen oder auch nur des politisch Unzulässigen zu rücken ist nicht vertretbar.
Hier, Herr Kollege Wörner, möchte ich Ihnen sagen: Sie wissen doch sehr genau, daß Sie damit, uns eine Position anzulasten, die die FDP nicht einnimmt, einen unzulässigen Versuch unternommen haben. Die FDP hat von Anfang an in Bremen und auf Bundesebene unmißverständlich klargemacht, wie sie zu dieser Frage steht.
Siebtens. Die Ausschreitungen sind von extremistischen Gewalttätern durchgeführt worden. Hiergegen wird Überzeugungsarbeit nichts helfen. Wohl aber ist intensive Überzeugungsarbeit gegenüber denen notwendig, welche die gewaltlose DemonMöllemann
stration durchgeführt haben, und ebenso gegenüber all denen, die wie diese denken. Man muß sehen, daß immerhin 7 000 Menschen dort beteiligt waren. Hier ist noch viel zu wenig getan worden.
Der frühere Bundespräsident Walter Scheel hat in einer bereits hinreichend bekanntgewordenen Rede vor den Kommandeuren der Bundeswehr darauf hingewiesen, daß die auf Verteidigung und Entspannung beruhende Sicherheitspolitik der sozialliberalen Koalition politisch wie geistig immer noch nicht genügend verarbeitet worden ist. Es bedarf hier deswegen großer Anstrengungen, gerade von seiten der Parteien, auch von seiten der Gewerkschaftsführung, die sich hier engagiert, aber auch von allen anderen politischen und gesellschaftlichen Kräften, um diese Überzeugungsarbeit zu leisten.
Achtens. Es ist deswegen notwendig, daß mehr als bisher in den Bildungseinrichtungen, auch in den Schulen, die Grundlagen und Rahmenbedingungen unserer Außen- und Sicherheitspolitik zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden.
Darüber hinaus unterstreiche ich den Vorschlag des Bundesvorsitzenden der FDP und auch des Verteidigungsministers, daß namhafte Vertreter aus Politik und Gesellschaft möglichst häufig an solchen Gelöbnisfeiern teilnehmen sollten, gleich ob sie öffentlich sind oder nicht. Die Bundeswehr hat keinen Grund, sich in der Öffentlichkeit zu verstecken. Sie hat nichts zu verbergen. Ihr öffentliches und unbefangenes Auftreten trägt zu ihrer Integration in die Gesellschaft bei, die wir wollen.
Lassen Sie mich zum Abschluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, eine Bitte äußern. Es gab bislang immer die Überzeugung, daß es für unsere Sicherheitspolitik gut ist, wenn wir in den wesentlichen Grundlagen dieser Sicherheitspolitik gemeinsam auftreten. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, auch wenn der bevorstehende Bundestagswahlkampf zum Gegenteil verlockt, in diesem Bereich auf den gemeinsamen Grundlagen der Sicherheitspolitik zu beharren und die Bundeswehr aus dem Parteienstreit herauszunehmen. Dies dient unseren Interessen.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Grundsätzlichen ist seitens der Regierung und seitens der Regierungskoalition Ausreichendes gesagt worden, auch von Herrn Bürgermeister Koschnick. Ich melde mich nur zu Wort, weil einige in der Diskussion gefallene Bemerkungen der Opposition noch eine Erwiderung verdienen.
({0})
Herr Kollege Wörner hat u. a. gesagt, es habe dem Bundeskanzler an Mut gefehlt, vorher klar Stellung zu beziehen. Er hat dem Verteidigungsminister vorgeworfen, in seiner Fürsorgepflicht für die Soldaten
versagt zu haben. Beide Vorwürfe, Herr Wörner, weise ich zurück.
({1})
Und Sie wissen, daß beide Vorwürfe unbegründet sind, Herr Abgeordneter Wörner.
({2})
Sie haben gesprochen, nachdem Herr Kollege Apel Ihnen dargetan hat, wie er und - das füge ich hinzu - auch ich auf die Stellen in Bremen vor dem Ereignis eingewirkt haben. Daß wir dies nicht öffentlich hörbar getan haben, mögen Sie selber uns wahrscheinlich nicht vorwerfen wollen.
({3})
Wir haben dies in klarer Weise getan, und wenn Sie, Herr Abgeordneter Wörner, uns Mut oder Tapferkeit absprechen wollen, wenn Sie uns die Fürsorge absprechen wollen für die uns anvertrauten Menschen, dann reden sie unlauter und illoyal, Herr Oberstleutnant der Reserve.
({4})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wörner?
Ich werde dem Abgeordneten Wörner sofort gern eine Zwischenfrage erlauben, möchte aber, daß in dem Gebrüll zwei Worte gleichwohl sauber verstanden werden: illoyal und unlauter.
({0})
Nach dieser Qualifizierung wäre ich fast versucht zu sagen: Jawohl, Herr Feldwebel!
({0})
Aber ich frage Sie, ob angesichts der angekündigten Störungen, der zu erwartenden Gewalttaten und der feststellbaren Stimmung in einem Teil Ihrer Partei in Bremen das deutsche Volk nicht in der Tat von Ihnen hätte erwarten müssen, daß Sie öffentlich deutlich machen, warum diese Vereidigung auf Grund des 25jährigen Bestehens der NATO in Bremen stattfindet und was die Aufgabe der Bundeswehr in diesem Zusammenhang ist.
({1})
Ich antworte darauf zweierlei, Herr Wörner. Erstens. Meine Parteifreunde in Bremen hatten Anspruch darauf, im Vorwege von mir eine klare Stellungnahme zu hören, und die haben sie bekommen.
({0})
Zweitens. Das deutsche Volk hat Anspruch darauf, - ({1})
- Könnten Sie Ihren Zwischenruf wiederholen, damit wir ihn prüfen können?
({2})
- Er eignet sich offenbar nicht zur Wiederholung; also brauchen wir auch nicht darauf einzugehen.
({3})
Zweitens. Das deutsche Volk hat Anspruch darauf, Herr Abgeordneter Wörner, aus solchen Anlässen, auch ohne solche Anlässe, aus anderen Anlässen, auch ohne bestimmte Anlässe jederzeit von der Bundesregierung klaren Wein eingeschenkt zu bekommen darüber, welche Aufgaben die Bundeswehr innerhalb unseres Bündnisses und welche Aufgaben das Bündnis hat. Ich werfe mir hier keinerlei Unterlassung vor, und Sie können das, wenn Sie ehrlich sind, auch nicht tun.
({4})
Ich will aber im weiteren Verlauf meiner Ausführungen auf die Zwischenfrage von Herr Wörner noch einmal zurückkommen. Man kann auf eine kurze Frage leicht mit einer kurzen Antwort entgegnen. Das ist in der parlamentarischen Debatte so üblich. Ich will mir das aber nicht zu leicht machen; ich komme darauf noch einmal zurück.
Herr Kollege Dregger hat in seiner Diskussionsrede einen ähnlichen Vorwurf erhoben, allerdings zeitlich etwas anders bestimmt. Der Kollege Dregger hat, wie auch schon früher öffentlich der Kollege Kohl, den Vorwurf erhoben, daß wir uns nach den Vorkommnissen nicht sofort eindeutig geäußert hätten.
In diesem Zusammenhang, Herr Präsident, bitte ich um Ihre Zustimmung dazu, daß ich zwei Dokumente zitiere. Das eine stammt vom Vormittag des 7. Mai, keine 24 Stunden nach den Bremer Vorkommnissen. Die Bundesregierung hat am Vormittag des 7. Mai folgendes öffentlich erklärt:
Die Bundesregierung verurteilt die schweren Ausschreitungen in Bremen, mit denen Extremisten versucht haben, das öffentliche Gelöbnis von mehr als tausend wehrpflichtigen Soldaten der Bundeswehr im Weserstadion zu verhindern.
Bei diesen Ausschreitungen handelt es sich nicht um die Wahrnehmung des Grundrechtes der Demonstrationsfreiheit, das auch in diesem Fall ohne jede Einschränkung gewährleistet war, sondern um Gewalttaten, die den dringenden Verdacht auf schwere Landfriedensbrüche begründen.
Während hier noch vom dringenden Verdacht strafbarer Handlungen die Rede war, würde ich das inzwischen nach neuerer Erkenntnis noch etwas schärfer formulieren. Dies wurde, wie gesagt, innerhalb von weniger als 24 Stunden im Lichte der damaligen Kenntnisse formuliert: Dringender Verdacht auf schwere Landfriedensbrüche.
({5})
- Dies hat nicht Herr Bölling gesagt, sondern dies ist ein in zweistündiger Formulierungsarbeit durch das Kabinett erarbeiteter Beschluß der Bundesregierung.
({6})
Herr Abgeordneter Wörner, Sie haben ihn nur nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Herr Bölling hat ihn der Öffentlichkeit pflichtgemäß zur Kenntnis gebracht. Sie haben heute so getan, als wäre er überhaupt nicht gefaßt worden.
({7})
Auch Sie, Herr Abgeordneter Dregger, haben unlauter geredet.
({8})
Herr Präsident, ich darf in der Verlesung des Dokuments fortfahren. Es heißt im nächsten Absatz:
Die Bundeswehr als Bündnisarmee in der NATO ist unser unverzichtbarer Beitrag zur Sicherung des Friedens, in dem unser Land lebt. Ohne die Sicherung des Gleichgewichts der Kräfte hat die Entspannungspolitik zwischen West und Ost keine Grundlage.
Unsere Soldaten leisten Dienst für den Frieden. Sinnfälliger Ausdruck dafür ist ihr Gelöbnis auf unser Grundgesetz und damit auf unsere demokratische Lebensform. Die Soldaten der Bundeswehr sind Staatsbürger in Uniform. Sie leben mit und in unserer demokratischen Gesellschaft.
Die Bundesregierung teilt deshalb die Auffassung von Bundesverteidigungsminister Apel, daß es geboten erscheint, die Öffentlichkeit an der Ablegung des Gelöbnisses teilnehmen zu lassen. Die Bundesregierung hält es auch künftig für geboten, an der Einrichtung des öffentlichen Gelöbnisses festzuhalten, die vor 25 Jahren in der Freien Hansestadt Bremen durch Senatspräsident Wilhelm Kaisen begründet worden ist.
Die Bundesregierung dankt den Polizeibeamten aus Bremen und Niedersachsen und den Soldaten für ihren Einsatz. Sie versichert die verletzten Beamten und Soldaten ihres Mitgefühls und wünscht ihnen baldige Genesung. Sie spricht den Angehörigen der Bundeswehr für ihre besonnene Haltung ihre Anerkennung aus.
Die Bundesregierung dankt dem Bundespräsidenten, dem Senat der Freien Hansestadt und den Bürgern Bremens für ihr Bekenntnis zur Bundeswehr.
Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode. Bundeskanzler Schmidt
Dies ist am Mittwoch, dem 7. Mai, amtlich veröffentlicht worden. Herr Abgeordneter Wörner, Sie hätten es zur Kenntnis nehmen können, wenn Sie gewollt hätten.
({9})
Das ist jetzt fast eine Woche her; wenigstens inzwischen hätten Sie es zur Kenntnis nehmen können.
({10})
Ich habe selber zufällig am selben Tage abends eine öffentliche Rede gehalten - das war einen Abend nach den Bremer Vorkommnissen -, und ich möchte, Herr Präsident, auch hier aus der Tonbandnachschrift ausführlich zitieren dürfen. Ich habe am Mittwoch, dem 7. Mai, in Wuppertal auf einer Kundgebung, gemeinsam mit meinem Freunde, dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau, in einer langen Rede, die sich mit vielen Themen beschäftigte, folgendes gesagt. Es ist eine lange Passage über die Bremer Vorkommnisse:
Ich möchte ein Wort sagen zu einem mich sehr bedrückenden Ereignis, das gestern in Bremen stattgefunden hat. Unsere Soldaten, die Wehrpflichtigen genauso wie die Längerdienenden, die wir brauchen, um unsere Entspannungspolitik mit den östlichen Nachbarn tatsächlich in Sicherheit führen zu können, denn wenn sie militärisch sehr viel stärker würden als der Westen, würde ja ein Übergewicht entstehen können, wir brauchen unsere Soldaten. Wir geben mit ihnen nicht an, wir halten keine martialischen Reden, wir lassen auch am 1. Mai - in diesem Staate nicht - keine Panzer, keine Kanonen, keine Flugzeuge, keine Raketen auffahren, aber wir wissen, daß wir unsere Soldaten brauchen. Sie tragen zusammen mit ihren übrigen Kameraden dazu bei, daß wir uns sicher fühlen können und daß wir, gestützt auf diese Sicherheit, auf diese solidarische Sicherheit, mit unseren Nachbarn auch kompromißweise uns vertragen können; daß unsere Nachbarn sich nicht einbilden, sie könnten uns überfahren; und daß sie sich nicht ängstigen, wir könnten sie überfahren.
Gleichgewicht ist eine wichtige Voraussetzung! Ich denke., daß unter uns Sozialdemokraten darüber kein Zweifel besteht, ebensowenig wie es einen Zweifel geben kann über den Beitrag der Sozialdemokratischen Partei zum Aufbau demokratischer, innerlich demokratisch gesonnener Streitkräfte in unserem Staat.
Es ist dies das erste Mal in der preußisch-deutschen Militärgeschichte über Generationen, daß wir eine Armee haben, die nichts anderes sein will als ein Schutz des Volkes und die sich innerlich als ein Teil des Volkes fühlt und die nicht etwas Besonderes sein will. Ich bin sehr stolz darauf, daß die in früheren Zeiten der deutschen Geschichte vorhanden gewesenen Gräben zwischen der damaligen bewaffneten Macht und bestimmten Schichten und Klassen des Volkes, insbesondere der Arbeiterschaft, daß die Gräben, die damals klafften, inzwischen durch ständiges Bemühen von Sozialdemokraten, von Gewerkschaftern und von Soldaten der Bundeswehr ausgefüllt worden sind. Niemand wird zulassen wollen, daß diese Gräben wieder aufgerissen werden.
({11})
Ich fahre fort in der Verlesung dieses Dokuments, dieser Tonbandnachschrift:
Um so schlimmer ist es, wenn ein paar irregeleitete junge Menschen,
({12})
angeführt von Leuten, die Gewalttaten nicht scheuen, versuchen, das öffentliche Gelöbnis von mehr als tausend Wehrpflichtigen in einem Stadion in einer deutschen Großstadt zu verhindern. Bei den Ausschreitungen gestern in Bremen hat es sich nicht gehandelt um die Wahrnehmung des Grundrechtes zur Demonstration. Das Grundrecht zur Demonstration war und ist auch in Bremen jederzeit gewährleistet. Sondern es hat sich gehandelt um Gewalttaten, die den dringenden Verdacht strafbarer Handlungen nahelegen, insbesondere den Verdacht des Landfriedensbruchs.
Ich will das hier sehr deutlich sagen: Die Bundesregierung und ich selber auch, genau wie der Senat von Bremen und sein Bürgermeister Koschnick, genauso wie ein Vierteljahrhundert vorher sein Amtsvorgänger Wilhelm Kaisen, wir sind und wir bleiben der Meinung, daß auch in Zukunft an der Einrichtung des öffentlich gegebenen Gelöbnisses festgehalten werden soll. Wir danken den Polizeibeamten, auch den Soldaten für ihren Einsatz. Wir sprechen den Angehörigen der Bundeswehr für ihre besonnene Haltung Anerkennung aus und versichern die vielen verletzten Beamten und Soldaten unseres Mitgefühls und wünschen ihnen baldige Genesung.
Ich bin auch dankbar dafür, daß der Senat der Freien und Hansestadt, daß die Bürger Bremens und daß insbesondere der Bundespräsident bei dieser Gelegenheit sich zur Bundeswehr gestellt haben. Ich will hier eines ganz deutlich sagen, ob einer
- und nun kommt das Zitat, das Sie alleine aus dieser Rede herausgenommen haben, Herr Kollege Dregger, alles andere haben Sie weggestrichen und damit das Zitat völlig verfälscht; jetzt kommt der Satz ob einer mit großen Sprechchören einen politischen Gegner hindert, zu Gehör zu kommen, ob jemand Tomaten auf Herrn Strauß wirft oder ob er auf andere Weise Gewalt übt, das alles sind meine Feinde, das alles sind Feinde der deutschen Sozialdemokratie. Wir sind Demokraten und wir verabscheuen jede Form der Gewalt gegen den politischen Gegner. Ebenso verabscheuen wir jede Gewalt im Verkehr zwischen Staaten.
Hätten Sie nur vollständig zitiert!
({13})
Ich brauche kein einziges Wort und keinen einzigen Satz jener frei gehaltenen Rede, die erst nachträglich anhand eines Tonbands aufgeschrieben wurde, zu korrigieren. Ich habe auch dort nichts wesentlich Neues gesagt. Was ich dort gesagt habe, Herr Kollege Dregger, entspricht meiner Gesinnung seit 25 Jahren, seit ich im Deutschen Bundestag das Soldatengesetz mitformuliert und angenommen habe, auf dem das Gelöbnis unserer Dienstpflichtigen beruht.
({14})
Ich will im Zusammenhang mit der Zwischenfrage von Herrn Wörner noch etwas hinzufügen. Ich wende mich dabei besonders an einige meiner jüngeren Parteifreunde in der Stadt des Herrn Bürgermeisters Koschnick. Diese Jüngeren, die ich vor Augen habe, haben recht, wenn sie als Demokraten vom Wert öffentlicher Diskussionen und auch vom Wert öffentlicher Demonstrationen überzeugt sind. Auch ich bin davon überzeugt, daß öffentliche Demonstrationen einen großen Sinn haben können. Ich selber beteilige mich z. B. seit 30 Jahren an der öffentlichen Demonstration zum 1. Mai.
Zweitens. Sie haben offenkundig in klarer positiver Haltung zu unserem Grundgesetz, zu unserem Staat, zu unserer Bundeswehr und zu ihrem Auftrag eine Diskussion über die ideelle Zweckmäßigkeit oder über die gegenwärtige außenpolitische Zweckmäßigkeit des öffentlichen Gelöbnisses für angezeigt gehalten. Dies geschah, wie mir eindeutig ist, in lauterer Absicht und Gesinnung.
({15})
Drittens. Wir - als Bundeskanzler, als Bundesverteidigungsminister, als Bundesparteivorstand der SPD - haben ihnen rechtzeitig gewichtige Bedenken vorgetragen. Sie haben ihre Meinung nicht geändert. Das war ihr gutes Recht.
Mein gutes Recht ist es, und meine moralische Pflicht ist es, allen jungen Leuten, wie sie auch im einzelnen über diese Frage des öffentlichen Gelöbnisses oder über andere Streitfragen demokratischer Tradition oder über andere Streitfragen deutscher Innen- oder Außenpolitik denken mögen, zwei Kernsätze ans Herz zu legen:
Erstens. Wer keine feste Gesinnung hat, der soll uns in der Politik gestohlen bleiben. Eine feste, eine begründete Gesinnung ist für mich Voraussetzung dafür, daß ich eine Frau oder einen Mann als Politiker ernst nehme. Mit einem Wort: Politik ohne Gesinnung ist von Übel.
Zweitens aber: Gesinnung allein macht noch keinen Politiker, sondern Verantwortung kennzeichnet den Beruf des Politikers. Mit anderen Worten: Der Politiker muß die Folgen seines Tuns und Unterlassens, die Folgen seines Redens
({16})
und seines Schweigens verantworten. Er muß sogar die unbeabsichtigten und die unvorhergesehenen Nebenfolgen mitverantworten.
({17}) Gesinnung und Verantwortung
({18})
für das Ergebnis gehören zusammen!
({19})
- Ich bin tief gerührt, daß ich auch von der CDU/ CSU-Fraktion einmal Zustimmung erfahre.
({20})
Hoffentlich werden Sie alles verantworten können, was Herr Dregger und Herr Wörner heute gesagt haben.
({21})
Ich füge eine Bemerkung hinzu, die ich mehr für die öffentliche Diskussion, nicht gegenüber der Opposition, wie ich ausdrücklich sage, mache: So legitim es ist, sich öffentlich zu fragen, ob die Form des öffentlich gegebenen Gelöbnisses oder der öffentlichen Vereidigung für Berufssoldaten eine unserer Zeit angemessene Form ist, so sehr muß ich darauf hinweisen, daß es ein Mißverständnis wäre, dies etwa als eine „vordemokratische Form" anzusehen. Ich muß darauf hinweisen, daß die unbezweifelbaren Demokratien in unserer westlichen Nachbarschaft - ich weise hin auf unseren Bündnispartner Frankreich, unseren Bündnispartner England, unseren Bündnispartner Amerika, andere Bündnispartner - ihre eigenen Formen der öffentlichen Selbstdarstellung ihrer Streitkräfte für notwendig halten. Es kann nicht bezweifelt werden, daß es sich hier um demokratische Formen handelt. Deutsche müssen aufpassen, daß sie nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Das Gelöbnis der Bundeswehr lautet: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." So steht es seit 25 Jahren im Soldatengesetz. Ich selber habe daran mitgewirkt. Ich habe dieses Gesetz mitgestaltet und in diesem Parlament mit angenommen. Ich halte dies heute noch für richtig; ich stehe dazu. Auch in Zukunft stehe ich dafür ein, daß wir öffentlich Zeugnis ablegen von unserem Willen, das Recht und die Freiheit unseres Volkes zu verteidigen.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte, der Ablauf der Debatte des heutigen Tages macht den tatsächlichen Zustand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands deutlich.
({0})
Bis zur Stunde haben jene, Herr Bundeskanzler, von denen Sie genau wissen, daß sie das, was Sie hier soeben mit Emphase vorgetragen haben, überhaupt nicht als ihre Politik anerkennen, geschwiegen, wie ja die Fraktion bisher überhaupt geschwiegen hat.
({1})
Sie haben wieder das Bild einer politischen Position entworfen und dabei immer den Pluralis majestatis, das „Wir", verwandt. Wer sich aber hinter diesem „Wir" verbirgt, hat Ihre Rede keineswegs deutlich gemacht.
({2})
Herr Bundeskanzler, Sie sprachen von der Bundesregierung; davon sprach auch der Kollege Möllemann. Aber das, was der Kollege Möllemann gesagt hat, und das, was sicher auch der Kollege Genscher hier sagen würde, hat doch überhaupt nichts mit dem zu tun, was sich in Bremen aus vielfältigen sozialdemokratischen Quellen öffentlich geäußert hat.
({3})
Der Sonderfall „FDP und Jungdemokraten" soll hier nicht weiter erwähnt werden, obwohl es, Herr Möllemann, einmal gut wäre, wenn Sie in der Öffentlichkeit reinen Tisch machen würden angesichts der Tatsache, daß Sie sich zur linken Hand noch eine Spezialentwicklung halten, die schon am äußersten Rande Ihres politischen Spektrums stehen sollte.
Das hätten wir gern von Ihnen gehört. Sie sind sonst immer so forsch mit dem Wort; Sie sollten es hier einmal sagen.
({4})
Es beweist Mut, das Richtige auch dann zu sagen, wenn die Kandidatenaufstellung noch nicht erfolgt ist. Das will ich in diesem Zusammenhang nur beiläufig sagen.
({5}) Aber das ist wirklich nicht unser Thema.
Herr Bundeskanzler, unser Thema heute ist das Verhältnis der deutschen Sozialdemokraten zur Bundeswehr, und unser Thema heute ist die Frage danach, inwieweit Sie überhaupt von Ihrer eigenen Partei bezüglich der Ansichten getragen werden, wie Sie sie hier eben wieder vorgetragen haben.
({6})
Ich finde, wir sollten einmal Punkt für Punkt das durchgehen, was sich ereignet hat. Die erste Feststellung ist - dazu habe ich von Ihnen nichts gehört, Herr Bundeskanzler -: Zehn Jahre sind Sie nun an der Regierung.
({7})
Zehn Jahre gab es die Regierung Brandt und Schmidt. Am Ende dieser zehn Jahre ist nüchtern festzustellen:
({8})
Es ist in der Bundesrepublik nicht mehr möglich,
daß das feierliche Gelöbnis von Soldaten unserer
Bundeswehr ohne Polizeischutz ablaufen kann. Das ist doch die Erfahrung.
({9})
Das, meine Damen und Herren, ist doch das Ergebnis Ihrer zehn Jahre! Willy Brandt ist einmal ausgezogen mit dem Anspruch, mehr Demokratie zu wagen. Sie haben doch die Gewalt in diesem Lande großgezogen! Das ist doch die Erfahrung!
({10})
Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt - ({11})
- Meine Damen und Herren - ({12})
- Ich weiß, daß es Ihnen in der SPD-Fraktion schwerfällt, die Wahrheit zu ertragen. Sie werden in Zukunft noch ganz andere Wahrheiten ertragen müssen!
({13})
Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt, Sie sind stellvertretender Vorsitzender der SPD Deutschlands. Wo war denn Ihre Stimme, wo war denn die Stimme des Herrn Parteivorsitzenden Willy Brandt,
({14})
wo war denn die Stimme des Herrn Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner, wenn in der Vergangenheit von Jahr zu Jahr in steigendem Maße die Volksfront zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten an deutschen Universitäten möglich war?
({15})
Meine Damen und Herren, man kann nicht über die Bundeswehr reden, ohne über die junge Generation zu reden. Wer über die junge Generation redet, muß über den Zustand mancher deutscher Universität reden. Wenn es Dutzende von deutschen Universitäten gibt, in denen die Volksfront von Kommunisten, Chaoten und Sozialdemokraten besteht, dann ist das ein Skandal, den Sie zu verantworten haben!
({16})
- Herr Abgeordneter Wehner, wenn Sie dazwischenrufen, kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind ja einer jener Urväter dieser Volksfrontideologie!
({17})
Herr Bürgermeister Koschnick, was haben Sie als Landesvorsitzender der SPD denn dagegen getan, daß seit fast einem Jahrzehnt an der Bremer Universität Kommunisten und Sozialdemokraten zusammenarbeiten? Dürfen Sie sich wundern, daß nach diesen zehn Jahren der Lohn dieser Entwicklung jetzt von den Kommunisten kassiert wird?
({18})
Es war doch diese Saat der Diffamierung unserer Bundesrepublik,
({19})
die immer wieder aufgehen muß. Es war vor wenigen Monaten auf Ihrem Bundesparteitag in Berlin, als Herr Walter Jens unter frenetischem Beifall der Delegierten ausgeführt hat: „Die FdGO" - das ist diese linke Diffamierung des Begriffes freiheitliche demokratische Grundordnung - „ist längst zu einer Panzerfaust des Staates geworden." Von welchem Staat spricht Herr Walter Jens eigentlich? Wem haben Sie denn dabei Beifall geklatscht? Ist es nicht jener Staat, in dem Helmut Schmidt Kanzler ist? Der eigentliche Punkt ist doch der: Sie sind auf einen Weg aufgebrochen, der zu einer anderen Republik als der führt, die wir jetzt haben.
({20})
Herr Bundeskanzler, meine Frage an Sie ist ja ganz einfach: Wie wollen ,Sie Lehrern in unseren Schulen,
({21})
die über Wehrpflicht und Wehrdienst unterrichten, die die Schüler in unseren Gymnasien in staatsbürgerliche Tugenden einführen,
({22})
eine Hilfe sein - und das ist Ihres Amtes als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland -, wenn sie erleben, daß die junge Generation in Ihrer eigenen Partei dabei ist, das Ansehen und die Notwendigkeit unserer Bundeswehr systematisch herabzusetzen?
({23})
Herr Bundeskanzler, ich will Herbert Wehner gar nicht fragen: Wie groß wäre der Tumult in diesem Hause auf Ihrer Seite gewesen, wenn die Vorgänge in Bremen statt von linken von rechten Extremisten veranlaßt worden wären?
({24})
Wir sind weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind.
({25})
Aber das, was sich in Bremen zeigte, war die Spitze eines Eisbergs einer Entwicklung, die Sie zu verantworten haben.
({26})
Bremen ist nicht denkbar ohne die unklare Position der deutschen Sozialdemokraten in der Abgrenzung nach links. Herr Bundeskanzler, wenn Sie dann in der Ihnen eigenen Form der beleidigten Majestät vorhin meine Kollegen zurechtzuweisen versucht haben, kann ich nur sagen:
({27})
Ich habe von Ihnen gegenüber diesen linken Bereichen Ihrer Partei kein Wort gehört.
({28})
Aber, Herr Bundeskanzler, wir wollen jetzt nicht nur von den Jusos und von den Teilen der SPD sprechen, die sich in Bremen deutlich gemacht haben. Wir wollen von Ihrem ganz persönlichen Beitrag zu der Entwicklung des Diskussionsklimas in der Bundesrepublik sprechen.
({29})
Herr Bundeskanzler, Sie haben in den letzten Wochen, vor allem auch im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit Ihren politischen Freunden ein politisches Klima erzeugt, das zu einer immer größeren Entzweiung unserer Bürgerschaft führt und für das Sie persönlich die Verantwortung tragen.
({30})
Herr Bundeskanzler, Sie waren es, der die Kriegsangst zu einem Wahlkampfthema gemacht hat.
({31})
Herr Bundeskanzler, Sie dürfen sich nicht wundern
({32})
über Äußerungen, etwa aus der Frauenvereinigung SPD in Bremen, wenn Sie in dieser Form über das Thema Frieden reden, wie dies in den letzten Wochen geschehen ist. Herr Bundeskanzler, Sie wissen so gut wie ich, daß Frieden kein parteiisch Ding ist; Sie wissen so gut wie ich, daß es in Sachen Frieden keinen Unterschied zwischen FDP, SPD und CDU/CSU gibt.
({33})
- Meine Damen und Herren, das ist es ja. Sie sind in Ihrem parteiischen Fanatismus,
({34})
den Sie entwickelt haben, gar nicht mehr zur Gemeinsamkeit fähig.
({35})
Herr Bundeskanzler, ich möchte Sie ganz einfach fragen - ({36})
- Meine Damen und Herren, indem Sie hier im Saal herumschreien,
({37})
können Sie dieses Thema, das Sie zu verantworten haben, nicht vom Tisch bringen. Wir sind in diesem Bundestag noch nicht so weit, daß Sie den Ton bestimmen.
({38})
Herr Bundeskanzler, ich frage ganz einfach: Was, glauben Sie, geht in Menschen in der Bundesrepublik vor, die die Zeitung aufschlagen und ein Inserat mit der Überschrift vorfinden: „Wir wollen nie wieder Krieg, und deshalb entscheiden wir uns für Helmut Schmidt?" - In diesem Inserat werden Bilder von vielen älteren Mitbürgerinnen gezeigt, die dann darauf hinweisen: „Mein Sohn ist gefallen, mein Vater ist gefallen, mein Mann ist gefallen." - Herr Bundeskanzler, und dann werden Kollegen aus der CDU verfälscht zitiert,
({39})
und es wird ein Zusammenhang - das ist doch der Sinn des ganzen Inserats - hergestellt, daß derjenige, der Helmut Schmidt wählt, für den Frieden ist, und daß derjenige, der für die anderen ist, für den Krieg ist.
({40})
Genau das ist doch der Sinn; das ist doch ganz unstreitig.
Herr Bundeskanzler, ich will Ihnen ein Wort aus meiner sehr persönlichen Betroffenheit heraus sagen. Mein einziger Bruder ist am Ende des Krieges gefallen. Es war damals eine Sache, die meine Eltern und die wir Geschwister mit uns allein auszumachen hatten, so wie Millionen andere Familien. In jenem Inserat wird Alfred Dregger verfälscht zitiert. Sein einziger Bruder ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Hier sitzt mein Freund Philipp Jenninger; zwei seiner Brüder sind im Zweiten Weltkrieg gefallen. Meine Damen und Herren, ich hätte nie für möglich gehalten - nie! -, daß wir in der deutschen Politik einmal so weit herunterkommen könnten,
({41})
daß wir in Sachen der Kriegstoten im Wahlkampf miteinander reden müssen. Das sind unsere Toten, und wir müssen versuchen, aus der Geschichte zu lernen. Wir, die Deutschen, haben mehr Grund als andere Völker, dies zu tun, weil wir in zwei Kriegen mehr als andere erlebt haben, was die Heimsuchung des Krieges bedeutet.
Aber, Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihren Eid abgelegt. Sie wollen und Sie sollen für das Wohl unseres ganzen Volkes arbeiten. Ist es nicht auch Ihre Meinung - ich sage es zögerlich -, daß das Heraufbeschwören der Kriegstoten und ihre Inanspruchnahme im Wahlkampf zum Stimmengewinn, zu einem politischen Geschäft, außerhalb des Erträglichen liegt?
Jeder mag darüber denken, wie er will, aber, Herr Bundeskanzler, dies dient nicht dem inneren Frieden. Ich erwarte mindestens, daß Sie heute, wenigstens nach der Wahl, an dieses Pult gehen und sagen: Ich will mit diesem Inserat nichts zu tun haben,
das ist nicht meine Form der politischen Auseinandersetzung.
({42})
Herr Bundeskanzler, Sie können dies nicht tun, wenn Sie nicht gleichzeitig damit aufhören - ich sage das noch einmal -, ein politisches Geschäft mit der Angst der Menschen vor Krieg und Not zu betreiben.
({43})
Ich sage Ihnen dies wenige Monate vor der Bundestagswahl, weil uns die Erfahrung des Wahlkampfs in Nordrhein-Westfalen deutlich gemacht hat, was wir möglicherweise noch zu erwarten haben.
({44})
Herr Bundeskanzler, Sie können nicht dem äußeren Frieden dienen, wenn Sie nicht Ihren Beitrag zum inneren Frieden leisten. Es gibt so viele Möglichkeiten der politischen Auseinandersetzung, daß ich Ihnen sagen und Sie beschwören möchte: Hören Sie auf, an dem Punkt Krieg und Frieden einen Zwiespalt, eine tiefe Kluft, einen Graben ins Volk hineinzureden! Die Konsequenz wird sein, daß die destruktive Gesinnung, die heranwachsen wird, diese Republik zutiefst belasten wird. Wenn wir als Demokraten in Deutschland in diesen Grundfragen nicht mehr die gleiche Sprache sprechen, wenn wir uns nicht mehr gegenseitig unterstellen, daß wir gemeinsam den Frieden wollen, dann ist das Ende dieser Republik nahe.
({45})
Herr Bundeskanzler, deswegen kann ich Sie nur beschwören: Kehren Sie von diesem Weg zurück, den Sie in den letzten Wochen um des nackten Machterhalts willen beschritten haben!
({46})
Sie haben soeben gute Worte zur Bundeswehr gefunden. Das sind auch unsere Worte. Ich frage mich nur: Wenn dies unsere gemeinsamen Worte sind, warum ist diese Debatte dann überhaupt möglich und notwendig?
({47})
Warum haben Sie, meine Damen und Herren, nicht die Kraft, den Mut, die Entschlossenheit oder wie Sie es immer nennen wollen, einen klaren Trennungsstrich zu jenen zu ziehen, die, wenn sie die Bundeswehr angreifen, in Wahrheit nicht die Bundeswehr, sondern diese Republik treffen wollen, die einen ganz anderen Staat wollen, mit denen es gar keine Gemeinsamkeiten geben kann? Herr Bundeskanzler, Sie haben auf das hingewiesen, was Sie in den letzten Jahren zum Thema Bundeswehr gesagt haben. Das heißt aber auch, daß man der jungen Generation ein Beispiel geben muß, daß man der jun17316
gen Generation sagen muß, daß Freiheit ohne Bindung und Verantwortung nicht möglich ist. Dann muß man - das ist auch Ihr Auftrag -, etwa im Blick auf die laufende Diskussion über die Wehrpflichtnovelle in Sachen Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen, auch aus Ihrer Sicht klar davon reden, daß die Freiheit, daß das Bündnis in der NATO ohne Bundeswehr nicht möglich ist und daß die Bundeswehr die allgemeine Wehrpflicht zur Voraussetzung hat. Wenn ich zur allgemeinen Wehrpflicht ja sage, dann muß ich bei allem klaren Respekt vor jener Grundentscheidung unseres Grundgesetzes, betreffend das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen, dennoch klar sagen: Wir brauchen diese Bundeswehr, und wir brauchen junge Leute, die bereit sind, zur Bundeswehr zu gehen, die auch dieses Opfer für das Land übernehmen.
Herr Koschnick, lassen Sie mich folgendes mit Blick auf eine Ihrer Presseerklärungen sagen. Es ist - da muß man das Wort wiegen - in dieser Situation, auch in dieser psychologischen Situation, in der sich die Bundeswehr in der jungen Generation wiederfindet, ganz falsch, den Vergleich zur Reichswehr zu ziehen, selbst wenn das positiv gemeint war. Es gibt doch gar keinen Hinweis darauf, daß die Bundeswehr in irgendeiner Form oder hinsichtlich der Situation mit der Reichswehr in jener kritischen Zeit der Weimarer Republik vergleichbar ist. Es ist doch die große Leistung der deutschen Nachkriegsdemokratie, daß die Bundeswehr eine Institution unseres Staates geworden ist, deren demokratische Gesinnung und Zuverlässigkeit außer jedem Zweifel steht.
({48})
Wenn das so ist, Herr Bundeskanzler, dann genügt es nicht - wie Sie es heute wieder getan haben -, zu sagen: zur Freiheit gehört die Demonstrationsfreiheit. Natürlich gehört sie dazu. Aber es ist doch eine Sache, ob ich mich zum Grundrecht der Demonstrationsfreiheit bekenne, und es ist eine andere Sache, ob führende deutsche Politiker ein prägendes Beispiel geben. Dieses prägende Beispiel war doch in diesem Falle einfach notwendig von Ihrer Seite. Es kam nicht. Sie hätten klar und deutlich sagen sollen: Auch in meiner eigenen Partei, in der Sozialdemokratischen Partei, muß jeder wissen, daß wir die Bundeswehr brauchen und daß man sich dann nicht an Demonstrationen gegen die Bundeswehr beteiligen kann.
({49})
Aber, Herr Bundeskanzler, der Zusammenhang zwischen Bremen und Ihren Reden ist im Unbewußten bei vielen unserer Mitbürger schon da. Ich betone es noch einmal: Wer in einer so kritischen, schwierigen internationalen Lage, wo schon allein auf Grund der internationalen Faktoren die Angst ins Land strömt, die Kriegsangst noch dadurch schürt, daß er Beispiele bringt, die ganz und gar unzulässig sind - wie Sie es tun, Herr Bundeskanzler -, der darf sich über die Folgen nicht wundern.
Wenn Sie sich in dieser internationalen Lage hinstellen und den Vergleich mit dem Jahr 1914 bringen - Ihr Freund Bruno Kreisky hat Sie ja in dieser Sache zu Recht öffentlich zurechtgewiesen -, dann frage ich mich: was soll das? Wenn der Bürger vom Kanzler der Bundesrepublik hört, die Lage sei wie 1914, und wenn er etwas von Geschichte versteht, dann muß er den Eindruck haben, daß die jetzt Mächtigen förmlich hilflos in diese Entwicklung hineinstolpern. Sie wissen aber doch so gut wie ich, daß der Vergleich ganz falsch ist. Nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan haben wir doch nicht die Situation von 1914.
Wenn überhaupt Geschichte sich wiederholt, dann haben wir die Situation von 1938.
({50})
Herr Bundeskanzler, lesen Sie einmal im Tagebuch von Neville Chamberlain nach, was er am Abend dieses denkwürdigen Tages, als er mit dem französischen Ministerpräsidenten Edouard Daladier voll guten Willens, um den Frieden zu retten, nach München fuhr, niedergeschrieben hat nach seiner triumphalen Heimkehr, als Großbritannien glaubte, er ist der Friedensbringer. Und wie dann die Folgen waren! Lesen Sie nach, was wir aus Hitlers Tischgesprächen wissen, die später herauskamen, wie er diesen Tag bewertet hat. Wir denken nicht daran - ich beziehe mich ausdrücklich auf das, was zu diesem Punkt kürzlich Franz Josef Strauß gesagt hat -, den braunen Diktator mit den entscheidenden Männern im Kreml gleichzusetzen. Das ist nicht statthaft. Das sind keine Abenteurer. Das sind kalt rechnende Männer, die ein Leben lang auf Grund ihrer klaren, aber auch eiskalt getroffenen Entscheidung sich in dieser Position gehalten haben. Aber es waren immer Männer in der russischen und vor allem sowjetischen Geschichte, die ihren Vorteil dann wahrgenommen haben, wenn sie die andere Seite als schwach erkannt haben. Das ist der Vergleich. Nur dort sitzt der Vergleich mit 1939.
({51})
Wenn unsere Bürger Sie, Herr Bundeskanzler, jetzt hören, dann wäre es schon am Platz, daß Sie kompetent über den Stand der Bedrohung Auskunft geben und nicht mit derartigen Formulierungen das Ganze im Nebel entschwinden lassen.
Ein Zweites ist dazu zu sagen. Meine Damen und Herren, wenn man diese Vergleiche schon zieht, ist es ungewöhnlich, Herr Abgeordneter Wehner, daß Sie sich in diesen Tagen nach den Vorgängen in Bremen öffentlich bei der Bundeswehr entschuldigt haben. Ich hätte diese Entschuldigung sehr viel überzeugender gefunden, wenn Sie vor diese Entschuldigung eine Vorbemerkung gesetzt hätten, in der Sie persönlich Position zu jenen linken Gruppierungen Ihrer eigenen Partei bezogen hätten, die hier Volksfront gemacht haben. Das fehlt mir.
({52})
Meine Damen und Herren, Sie kommen nicht darum herum in den nächsten Jahren, eine klare Position in Sachen Abgrenzung zur linken Seite der
deutschen Politik zu ziehen. Wir werden sorgfältig darauf achten,
({53})
inwieweit Sie aus taktischen und Wahlkampfgründen immer wieder zur Zusammenarbeit außerhalb dessen, was der Bogen demokratischer Parteien ist, bereit sind. Wir sind nicht bereit, durchgehen zu lassen, daß Sie dann immer sagen: Das sind die Jusos oder die Studenten. Die Studenten von heute sind morgen die Abgeordneten der SPD-Fraktion.
({54})
Das werden jene sein, die den Kurs Ihrer Partei bestimmen. Das werden jene sein, meine Damen und Herren, die Ihre Parteitagsbeschlüsse herbeiführen. Sie können nicht sagen: Das sind die Jusos. Das ist die SPD von morgen.
({55})
Wenn die Führung der SPD nicht den Mut aufbringt, ganz klar eine Trennung zu ziehen, ist das ein Verlust an Substanz der deutschen Demokratie für die Zukunft.
Herr Bundeskanzler, um eines bitte ich Sie: Kommen Sie jetzt nicht ans Pult, nur um zu betonen, zu einer liberalen Partei gehöre, daß die Jugendorganisation dieses oder jenes beschließen könne. Das gehört selbstverständlich zu einer liberalen Partei. Aber Zusammenarbeit mit Kommunisten hat mit liberaler Gesinnung überhaupt nichts zu tun.
({56})
Zusammenarbeit mit Extremisten von rechts oder links, die diese Republik zerstören wollen, hat mit freiheitlicher Gesinnung überhaupt nichts zu tun.
({57})
Lesen Sie nach, was im nachhinein ein so bedeutender Mann wie der langjährige preußische Ministerpräsident Otto Braun, der so viel erleben mußte, über das zu späte Reagieren auf Radikale von rechts und links später im Exil niedergeschrieben hat.
Diese deutsche Demokratie, wir alle haben die innere Kraft, diese Anschläge gegen die Freiheit unserer Republik abzuwehren. Aber wir müssen dies wollen. Wir tun gut daran, wenn wir dies gemeinsam tun. Wir dürfen auch in Wahlkämpfen, wenn es um den Platzvorteil des Tages geht, das Eigentliche und das Wichtige, das, was bleibt und was notwendig ist, nicht vergessen.
Deswegen sage ich am Ende dieser Debatte von unserer Seite aus noch einmal: Wir sagen ja zur Freiheit und ja zum Bündnis, zu der Allianz mit dem Westen, mit den Amerikanern, mit der westlichen Welt. Weil wir ja sagen zu dieser Allianz, sagen wir ja zu unserer Bundeswehr, den Soldaten, die mitten aus unserem Volk, aus ihren Familien kommen, die ein Teil von uns allen sind, die nicht draußen vor der Tür in ein Getto getrieben werden dürfen, die ein Teil des ganzen Volkes sind und bleiben müssen.
({58})
Wir sagen ja zu unserer gemeinsamen Geschichte, zu den schrecklichen Kapiteln, die wir gemeinsam verantworten müssen, aber auch zu den Werken des
Friedens, die Deutsche mit einer kräftigen Schrift ins Buch der Geschichte eingeschrieben haben. Wir sagen ja dazu, daß wir gemeinsam diese Geschichte tragen und daraus lernen. Aber wir sagen ein hartes, ein schroffes, ein entschiedenes Nein dazu, daß auf dem Wege der Geschichtsklitterung - wie Sie es getan haben, Herr Bundeskanzler - versucht wird, aus dem Alltag von heute politisches Kapital zu schlagen. Wir sagen ein klares Nein dazu, daß der Versuch unternommen wird, die gemeinsame Sehnsucht aller Deutschen nach Frieden zu einer parteipolitischen Sache zu machen. Wir wollen gemeinsam den Frieden.
({59})
Ich erwarte von Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß Sie auch im Gedränge eines Wahlkampfs vor allem daran denken, daß gerade auch Sie von Amts wegen in einer besonderen Weise berufen sind, dem inneren Frieden zu dienen. Wenn dies so ist, dann gehen Sie bitte ans Pult und distanzieren Sie sich von diesen Dingen, die ich Ihnen hier vorhalten mußte.
({60})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Bemerkungen eingehen, die der Oppositionsführer eben gemacht hat.
Herr Abgeordneter Kohl, Sie haben die Frage aufgeworfen, warum diese Debatte heute nötig sei. Ich nehme an, wir sind beide der Meinung, daß sie nötig war. Man könnte die Frage umformulieren: Warum wurde sie von Ihnen nicht zu einem Zeitpunkt gewünscht, als vor einigen Wochen ein öffentliches feierliches Gelöbnis in Flensburg nachhaltig und erfolgreich gestört worden ist. Das war in einem CDU-regierten Land;
({0})
deswegen haben Sie das nicht zum Anlaß der Debatte genommen.
({1})
Das hätten wir aber genauso gut zum Anlaß einer Debatte nehmen können. Vielleicht wäre es richtig gewesen, gleich am Anfang miteinander darüber zu reden.
({2})
Nur bot Ihnen Flensburg keine Gelegenheit, das Vorkommnis den Sozialdemokraten anzuhängen, weil es sich dort um Gruppen der Kirche gehandelt hatte.
({3})
Ich bin Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, daß man darüber reden muß. Aber ich bin dann dafür, zu erkennen, daß sich Haltungen, wie sie in Bremen und vorher in Flensburg deutlich wurden, nicht auf die Junganhänger einer einzigen Gruppierung beschränken, und daß es deswegen unsere gemeinsame Aufgabe sein sollte, in all den Bereichen, wo solche Erscheinungen zutage treten, diesen entgegenzutreten.
({4})
Ich habe jüngst ein Wort des evangelischen Militärbischofs zu dieser Art von Auseinandersetzung, das sich wohl weniger auf Bremen als auf andere Erscheinungen bezog, gelesen. Ich will es nicht zitieren, weil ich den Bischof nicht über Gebühr in Anspruch nehmen will. Er hat sicher aus seiner bischöflichen Verantwortung gesprochen. Aber dieses Wort, das Sie sich noch einmal vorlegen lassen werden, gibt jedem recht, der meint, daß man insgesamt um Verständnis und Vertrauen für eine sehr komplizierte außen- und sicherheitspolitische Lage unseres Landes, unseres Kontinents und der ganzen Welt werben muß.
Sie haben mir eben in einer, wie Sie, wenn Sie es nachlesen, zugeben werden, vereinfachenden Form vorgeworfen, daß ich über die Lage im Sommer 1914 gesprochen habe. Was ich wirklich gesagt habe - nun habe ich das Tonband jener Rede zufällig nicht auch abschreiben lassen; aber ich kann es noch tun und werde Ihnen die Abschrift dann schicken, Herr Abgeordneter Kohl -,
({5})
war, daß ich jüngst einen Aufsatz eines amerikanischen Historikers, Professor Kahler aus Princeton, in „Foreign Affairs" gelesen habe. Es handelt sich um eine sehr angesehene Zeitschrift, um eine der angesehensten politischen Zeitschriften der Welt, in der dieser Mann Parallelen zum Juni 1914 zog. Ich habe dazu gesagt, ich hielte dies nicht für total falsch. Ich habe an einigen Punkten deutlich gemacht, was alles ganz anders sei als damals. Zum Beispiel habe es damals fünf Weltmächte gegeben und nicht - wie heute - zwei oder - demnächst - drei. Zum Beispiel war nicht der Balkan vorher jahrelang in Unordnung, sondern der Mittlere und der Nahe Osten ist es heute. Aber eines sei, so habe ich gesagt, mit dem Sommer 1914 vielleicht vergleichbar: daß die damaligen Weltmächte so wie die heutigen - damals fünf, heute zwei - den Weltkrieg nicht wollten; daß beide ihn heute nicht wollen, daß der Weltkrieg trotz 1914 ausgebrochen ist, weil es an einer ausreichenden Kriegsvermeidungsstrategie gefehlt habe.
Ich bin kritisiert worden - nicht nur von rechts, nicht nur von Ihnen, sondern auch aus anderer Himmelsrichtung -, weil es ja Historiker in unserem Lande gibt, die meinten, jedenfalls sei doch in Berlin 1914 ein erheblicher Kriegswille zu verspüren gewesen. Ich kenne alle diese Auseinandersetzungen. Ich kenne auch seit jetzt fast 20 Jahren die Forschungen von Fritz Fischer, damals - und ich glaube, heute noch - Historiker in Hamburg. Ich bin gleichwohl
der Meinung, daß die Mächte damals den Ersten Weltkrieg nicht gewollt haben, wie ich auch jetzt fest überzeugt bin, daß die heutigen Weltmächte einen Krieg nicht wollen.
Aber ich muß hinzufügen, Herr Abgeordneter Kohl, daß ich nur dieser Friedensgesinnung wegen noch nicht vollständig beruhigt bin. Die Friedensgesinnung allein wird den Frieden nicht bewahren, sondern es gehört aktives Handeln dazu.
({6}) Ich komme darauf gleich zurück.
Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte Kriegsangst geschürt.
({7})
Was ich viele Male gesagt habe, in Baden-Württemberg, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg, überall, wo ich öffentlich zu reden hatte - auch auf der Kundgebung zum 1. Mai, für die Bundesregierung sprechend, gemeinsam mit dem stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Gerd Muhr, weil Heinz Oskar Vetter schwer erkrankt im Krankenhaus lag -, ist dies: Angst muß man bekämpfen, Angst ist ein falscher Ratgeber. Es gibt zwei mögliche Folgen der Angst. Die eine ist, daß man den Kopf in den Sand steckt, alles über sich ergehen läßt, sozusagen resigniert, sich unterwirft; die andere mögliche Folge der Angst ist das, was die Psychologen eine Überreaktion nennen. Beides ist gefährlich; beide Attitüden können lebensgefährlich sein. Ich bin ein Gegner der Angst.
({8})
- Ich erzeuge keine Angst. Fragen Sie mal, wer es denn wohl war, der im Gespräch mit Golo Mann im Deutschen Fernsehen gesagt hat, wir befänden uns bereits mitten im dritten Weltkrieg!
({9})
Sie haben davon geredet, man müsse auch in Wahlkämpfen Beispiele für junge Leute geben. Ich stimme Ihnen zu. Nur, wenn Sie über eine Zeitungsanzeige sprechen, die ich vorher nicht gesehen hatte, die, wenn ich sie gesehen hätte, meine Befürwortung nicht erlangt hätte.
({10})
- Herr Abgeordneter Jenninger, Beispiele für junge Leute? Das haben wir doch heute morgen erlebt, wie wir an die Seite der Kommunisten gestellt und als moskauhörige Fraktion beschimpft worden sind. Beispiele für junge Leute, Herr Abgeordneter Kohl!
({11})
Ich habe im Gedränge der Wahlkämpfe - das ist ja
Ihr Ausdruck gewesen: „Gedränge des Wahlkampfs"
- kein böses Wort über Sie oder irgendeinen Ihrer wichtigen, maßgebenden Kollegen öffentlich ausgesprochen.
({12})
) Ich bin bereit, mir jeden Vorhalt anzuhören, den Sie begründeterweise machen können. Aber ich habe gehört, daß ich aus Ihrem Munde, Herr Abgeordneter Kohl, des Verrats beschuldigt wurde,
({13})
und ich habe aus dem Munde des bayerischen Ministerpräsidenten gehört, ich solle mich gefälligst in eine Nervenheilanstalt begeben. Beispiele für junge Leute, Herr Abgeordneter Kohl!
({14})
Es gab einen wichtigen Punkt in Ihrer Rede, in dem ich ausdrücklich zustimmen will - für Sie und für mich, wie ich glaube, ganz selbstverständlich. Sie haben es so ausgedrückt: Wir sollten vermeiden, in der Frage „Krieg oder Frieden?" im deutschen Volk einen Zwiespalt zu stiften. Ich stimme Ihnen zu.
({15})
- Es tut mir sehr leid, daß selbst eine Passage, von der ich ausdrücklich vorher ankündige, daß sie in Zustimmung zur Opposition, in Zustimmung zum Oppositionsführer ergehen soll, nicht ohne erregte Zwischenrufe angehört werden kann.
({16})
Ich bin fest davon überzeugt: Sie, Herr Kohl, den bayerischen Ministerpräsidenten, die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion wie die der FDP-Fraktion und die der sozialdemokratischen Fraktion, uns alle eint der Wille zum Frieden. Nur sage ich noch einmal: Die Gesinnung allein macht es nicht, sondern wir müssen auch die Folgen unseres Tuns verantworten.
({17})
Wir müssen die Folgen unseres Tuns und unseres Unterlassens, unseres Redens und unseres Schweigens verantworten. Lassen Sie es mich mit Immanuel Kant sagen. Er hat geschrieben, der Friede sei kein Naturzustand;
({18}) er müsse vielmehr gestiftet werden.
({19})
Ich sage, er muß immer wieder gestiftet werden,
({20})
in der kleinen Arbeit und in der großen Arbeit, am Montag und am Dienstag und am Mittwoch und am Donnerstag und am Freitag und am Wochenende auch.
Zum Stiften des Friedens gehört, daß man in dieser Weltsituation, von der Sie selbst gesagt haben, sie sei schwierig und kritisch, kein Öl in die vielen
Feuerchen gießt, die die Welt gegenwärtig bedrohen.
({21})
Es gehört dazu - und darum bemüht sich der Bundesminister des Auswärtigen, darum bemüht sich der Bundeskanzler, darum bemüht sich die ganze Bundesregierung seit Monaten, seit dem Herbst des vorigen Jahres, in einem ungeheuer intensiven Maße -, daß man, wenn man es kann, Beiträge zur Eindämmung dieser Feuer leistet, die uns an drei, vier Stellen der Welt bedrohen und von denen man die Besorgnis haben muß, daß sie sich vereinigen könnten.
Wer auf dem Felde der Sicherheitspolitik von dem Konzept ausgeht, daß das Gleichgewicht der militärischen Kräfte in Europa und das Gleichgewicht der von außen auf Europa wirkenden militärischen Kräfte eine notwendige Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens ist, die allein gleichwohl aber noch keine hinreichende Voraussetzung ist, wer also meint, daß zu der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Wille zur Verständigung, zur Zusammenarbeit hinzukommen muß, daß der Wille hinzukommen muß, die Lage und die Interessen der anderen Seite zu verstehen, daß - wie es seit 1969 geschehen ist, seit die Herren Brandt und Scheel unsere Ostpolitik eingeleitet haben - der Wille hinzukommen muß, sich auf dem Wege des Vertrages zu einigen, wer sich also vertragen will, der muß Verträge schließen, und wer Verträge schließen will, der muß Kompromisse schließen.
({22})
Dies ist das Feld, auf dem wir, Herr Abgeordneter Kohl, offenbar nicht übereinstimmen. Im Willen zum Frieden unterstellen Sie uns, so hoffe ich, keine Nebenabsichten; wir jedenfalls unterstellen Ihnen auch keine. Aber die Fähigkeit zum Frieden setzt die Fähigkeit zum Verstehen der Lage des anderen, des Nachbarn und den Willen zum Ausgleich mit dem Nachbarn voraus. Und hier sind wir, wie ich in zehn Jahren verstanden habe, nicht ganz einig.
({23})
Die sozialliberale Koalition hat über zehn Jahre lang bei jedem einzelnen Vertrag erlebt, daß Sie ihn abgelehnt haben, und das ist der Grund dafür, daß wir in der Tat glauben, daß Ihre Gesinnung zum Frieden völlig in Ordnung ist, Ihre Fähigkeit zum Frieden aber nicht ausreicht.
({24})
Daß dies so ist, meine Damen und Herren, wird auf der ganzen Welt verstanden. Wir haben es in Belgrad in vielen internationalen Begegnungen wiederum bestätigt gehört. Es wird auch von einer sehr breiten Mehrheit im eigenen Lande verstanden und gebilligt, ob an der Saar oder in Nordrhein-Westfalen oder anderswo.
({25})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Ich will nur zwei Bemerkungen machen, eine zweite Bemerkung zu dem Grundsätzlichen und eine erste Bemerkung zu dem letzten, was Sie sagten, als Sie uns in der Ihnen eigenen Weise und so ganz pauschal die Fähigkeit zur Friedenspolitik abgesprochen haben. Sie haben sich dabei auf die zehn Jahre der Regierungszeit Ihrer Koalition bezogen. Jetzt frage ich ganz einfach, Herr Bundeskanzler: Wenn diese zehn Jahre so waren,
({0})
wie Sie es eben beschrieben haben, dann muß doch am Ende dieser zehn Jahre eigentlich mehr Stabilität, mehr Frieden erreicht - der Frieden muß doch sicherer gemacht werden - sein.
({1})
Herr Bundeskanzler, dann frage ich mich, wie es möglich ist, daß Sie vor ein paar Wochen, als Sie von Ihrem letzten Amerikabesuch zurückkamen, darüber berichtet haben, daß das Gleichgewicht in der Welt gestört sei wie nie zuvor.
({2})
Wenn wir am Ende dieser zehn Jahre vor der Tatsache stehen, daß trotz wichtiger Verträge und Abmachungen - die auch die Unterschrift von Leonid Breschnew tragen -, daß in Zukunft die Händel der Völker nur noch auf friedlichem Wege und nicht mit kriegerischen Mitteln ausgetragen werden, die Sowjetunion in der Weihnachtswoche mit kriegerischer Gewalt über das kleine Afghanistan herfällt, dann können Sie doch nicht sagen, daß dies das friedliche Zeitalter sei.
({3})
Herr Bundeskanzler, ich nehme Ihnen ja ab, daß Sie es ehrlich meinen und daß Sie das auch wirklich so sehen.
({4})
- Meine Damen und Herren, ich weiß, daß es für Sie schwer ist, überhaupt noch eine andere Meinung zu ertragen.
({5})
Ich weiß, daß es inzwischen bei Ihnen so weit gekommen ist - dies ist ein Stück jener Verformung Ihres Demokratiebegriffes -, daß Sie andere gar nicht mehr ertragen können, daß eben Bremen symptomatisch für die deutsche Sozialdemokratie ist. Das ist die Erfahrung.
({6})
Herr Bundeskanzler, Sie haben doch in den letzten Wochen in der Öffentlichkeit oft genug gesagt,
({7})
daß Sie sich Sorgen machen, daß Sie schlaflose Nächte verbringen. Sie haben dazu ein sehr gutes Zitat gebraucht. Aber wenn dies doch alles wahr ist - und es ist wahr -, dann können Sie doch nicht am Ende dieser zehnjährigen Politik, an dem Ihre Illusionen von der Sowjetunion zerstört wurden, und zwar so zerstört, wie überhaupt nur etwas zerstört werden kann, hierher kommen und sagen: Wir haben den Willen zum Ausgleich, Ihr habt die Gesinnung zum Frieden, aber die Fähigkeit zum Frieden haben nur wir, wobei Sie unter „wir" den Pluralis majestatis verstehen. Sie meinen ja sich selbst.
({8})
Ich muß Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler: Wie können Sie das von Ihrem Stuhl aus sagen, wo Sie sich doch in der Reihenfolge, in der Genealogie der deutschen Bundeskanzler befinden? Es war doch kein sozialdemokratischer Bundeskanzler, der in jener Progromstimmung des Kampfes „ohne mich" in den 50er Jahren die notwendigen Verteidigungsbeiträge durchgesetzt hat. Es war doch Konrad Adenauer, der diese Entscheidung gegen den erbitterten Widerstand der deutschen Sozialdemokratie getroffen hat.
({9})
Sie sind doch heute überhaupt nur in der Lage, Westpolitik in dem von Ihnen eben beschriebenen Sinne zu betreiben, weil es Adenauer, Erhard und Kiesinger gab. Sie waren doch gegen die Bundeswehr.
({10})
Ich habe nicht vergessen, daß es jetzt die Kinder der Leute sind, die damals „ohne mich" sagten, welche die Zustände in Bremen herbeigeführt haben. Das ist doch unübersehbar.
({11})
Nun zu dem, was Sie heute als Ihre staatsmännische Leistung in den Wahlkampf einführen. Zunächst zum deutsch-französischen Verhältnis: Es war doch kein Sozialdemokrat; es waren doch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die in Reims in der Kathedrale den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterschrieben haben. Es war doch die Union, die damals in der Koalition mit der FDP den Weg nach Europa durch den Eintritt in den Europarat beschritten hat. Und welche Diffamierung haben der Kanzler Adenauer und der Verteidigungsminister Franz Josef Strauß für diesen notwendigen Beitrag von Ihrer Seite in jenen Jahren erfahren!
({12})
Und dann kommt der Bundeskanzler, der die Früchte dieser Politik an jedem Tag ernten kann,
({13})
heute, 1980, hierher und sagt: Sie haben zwar die Gesinnung, aber nicht die Fähigkeit zum Frieden.
({14})
Ein Letztes will ich nur noch sagen. Wer ist denn eigentlich - ich sage es sehr ruhig - der Richter darüber,
({15})
wer hat wirklich das moralische Gewicht und den moralischen Anspruch, darüber zu urteilen, wer von uns mehr Gesinnung und mehr Fähigkeit zum Frieden besitzt? Wir, die CDU/CSU, überlassen dies gern der deutschen Geschichte.
({16})
- Das ist genau der Punkt, den Sie jetzt genannt haben. Sie glauben, wegen eines Wahlerfolgs haben Sie die Wahrheit der Geschichte.
({17})
Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts hat großartige Beispiele von sozialdemokratischen Beiträgen erlebt, vor denen ich allen Respekt habe. Aber glauben Sie: Mehrheitsentscheidung und geschichtliche Wahrheit haben nahezu nichts miteinander zu tun. Auch das ist Erfahrung.
({18})
Als einer, der Wahlen gewonnen und Wahlen verloren hat, füge ich hinzu: Pflegen Sie in dieser Stunde nicht die Hoffart! Sie werden sich schneller, als Sie es sich heute denken können, wieder in der Niederlage finden. Schon aus diesem Grund sollten Sie ein so ernstes Thema nicht aus der Tagespolitik heraus zu gestalten versuchen. Ich sage noch einmal: Wir, die CDU/CSU, überlassen es getrost dem Urteil der Geschichte unsers Volkes, wie in der Vergangenheit und heute und morgen unser Beitrag zu den Werken des Friedens aussieht.
Ich kann nur noch einmal sagen: Ich bedauere, daß auch der zweite Beitrag des Bundeskanzlers eben in jenem Punkte kein entscheidender Beitrag war. Es war kein Beitrag zum inneren Frieden, sondern nur die Fortsetzung des Wahlkampfs. Meine Damen und Herren von der SPD, ich rufe Ihnen zu: Sie werden erleben, daß wir Sie genau an diesem Punkt stellen, wo Sie über eine Vergiftung der Atmosphäre Wahlerfolge erreichen wollen.
Wer dem Frieden dient, darf im Wahlkampf nicht die Gemeinsamkeit unserer Republik untergraben. Wer dem Frieden dient, muß gerade in Wahlkampfzeiten die moralische Kraft haben, das Gemeinsame zu pflegen. Dazu sind Sie ganz und gar unfähig geworden.
({19})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Sonntagabend, nachdem das Ergebnis der Landtagswahl bekanntgegeben worden war, hat Franz Josef Strauß über das deutsche Fernsehen angeordnet: Eine härtere
Gangart! Herr Dr. Kohl, Sie können ihn anrufen und ihm mitteilen: Befehl ausgeführt!
({0})
Herr Kollege Dr. Kohl, Sie haben gefragt, wer denn eigentlich hinter dem Bundeskanzler stehe. Deshalb möchte ich Ihnen dazu eine ganz deutliche Auskunft geben: Hinter dem Bundeskanzler und seiner Politik stehen nahezu eine Million sozialdemokratische Parteimitglieder und viele Millionen Wähler, und das wird auch so bleiben.
({1})
Sie haben am Sonntag 580 000 Wähler verloren. Da ist es für Sie natürlich schwierig; dafür habe ich großes Verständnis. Nur, wenn Sie noch eine Rede halten wie die, die Sie zu Beginn gehalten haben, dann werden Sie noch erheblich mehr verlieren - und das mit vollem Recht!
({2})
Sie haben sich hier über Volksfrontfragen ausgelassen. Herr Dr. Kohl, ich fordere Sie auf, diese Behauptungen zurückzunehmen.
({3})
Sie haben nicht das Recht, Ihre italienischen Erfahrungen auf die Bundesrepublik Deutschland zu übertragen.
({4})
Hier in der Bundesrepublik Deutschland haben die Kommunisten - alle kommunistischen Parteien zusammen - weniger als 0,3 % der Stimmen. Dies ist eine Leistung dieser Regierung und der sie tragenden Koalition, insbesondere der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Marx?
Ich habe nicht die Absicht, zuzulassen, daß die wenigen Minuten, die mir an Zeit bleiben, durch Zwischenfragen verkürzt werden.
({0})
Ich möchte hier gern einen weiteren Punkt ansprechen. Sie haben behauptet - diese Behauptung ist vor allen Dingen in einem Beitrag vorher aufgestellt worden -, daß die Sozialdemokraten zu den Ereignissen in Bremen geschwiegen hätten. Das, was seitens der Bundesregierung dazu zu sagen ist, ist durch den Bundeskanzler erfreulicherweise klargestellt worden. Ich stelle hier fest, daß sich der Par17322
teivorsitzende, der Fraktionsvorsitzende - besonders einprägsam, wie ich finde - und der Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei zu den Vorgängen in Bremen klar und eindeutig geäußert haben. Wir bedürfen Ihrer Anregungen in dieser Hinsicht nicht.
({1})
Der Kollege Dr. Wörner hat sich darüber beklagt, daß CDU/CSU-Politiker der Kriegstreiberei bezichtigt würden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen: Wenn die CDU oder die CSU in dieser Weise behandelt wird, dann werden wir sie - innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik - verteidigen; das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die: Wenn CDU-Politiker verlangen, daß es deutsche Soldaten am Golf geben solle, dann werden wir auf die Lebensgefährlichkeit dieser Forderung auch für die Zukunft hinweisen.
({2})
Herr Abgeordneter Wischnewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wörner?
Herr Kollege Wischnewski, sind Sie bereit, erstens Beweise für diese ungeheuerliche Behauptung vorzulegen und zweitens zur Kenntnis zu nehmen, daß sämtliche Politiker der CDU/CSU, und zwar wiederholt, deutlich und vom ersten Tage an, zum Ausdruck gebracht haben, daß ein Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Gebiets der NATO nicht in Frage komme? Ich frage Sie drittens, was Sie veranlaßt, entgegen diesen Tatsachen die Wahlkampfvergiftung im Lande NordrheinWestfalen hier fortzusetzen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin gern bereit, den Beweis dafür anzutreten. Es gibt ja z. B. auch einen Brief, den einer Ihrer Kollegen in dieser Angelegenheit geschrieben hat und nach dem er sich falsch zitiert fühlt wegen der Anzeige, von der hier bereits die Rede war. Jedenfalls gibt es solche Formulierungen, die Anlaß geben, auf die Gefährlichkeit solcher Formulierungen hinzuweisen.
({0})
Ein zweiter Punkt, um gleich bei diesem Thema zu bleiben: Es ist ganz unbestritten,
({1})
daß verlangt worden ist ({2})
- Ich kann ja verstehen, daß man jetzt mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun haben will. Dann sollen diejenigen, die die Formulierungen gebraucht haben, sagen: Wir nehmen das zurück, wir sind heute anderer Meinung. - Dann ist die Sache in Ordnung.
({3})
- Ich brauche gar nichts zurückzunehmen, Herr Kollege Marx.
({4})
Die Politiker der CDU/CSU, die die Ausweitung der NATO verlangt haben, müssen sich darüber im klaren sein, daß das lebensgefährlicher Sprengstoff für das Bündnis in seiner Gesamtheit ist.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Stauffenberg?
Nein, jetzt bitte nicht mehr.
Es lag mir daran, dieses klarzustellen, damit hier keine Mißverständnisse vorhanden sind. Diejenigen, die solche Forderungen aufgestellt haben, haben selbstverständlich das Recht, sich zu revidieren. Das sollte doch gar kein Problem sein.
({0})
- Der Bundeskanzler hat zu dieser Anzeige das Notwendige gesagt.
({1})
-- Jetzt muß ich folgendes sagen. Ich hoffe, daß keine Mißverständnisse entstehen, was die Anzeige betrifft. Ich distanziere mich von den Bildern und dieser Seite. Ich distanziere mich nicht davon - ich hoffe nicht, daß ich anderer Auffassung bin als der Bundeskanzler -, daß etwas zitiert wird, was den Tatsachen entspricht. Das kann ich nicht machen.
({2})
- Ich habe einen Artikel im „Express" gelesen, in dem die Aussagen klar und eindeutig sind. Derjenige, der es geschrieben hat, soll die Sache in Ordnung bringen. Dann kann man neu über die Dinge reden.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Thema zurück. Wir haben über Bremen geredet. Dazu kann ich Ihnen sagen: Da habe ich Anzeigen gelesen und Flugblätter gesehen, auch danach noch, bis zur Landtagswahl im Lande NordrheinWestfalen. Da hat man sich rücksichtslos und unter Umgehung der Wahrheit darum bemüht, dieses in
brutalster Weise für die Landtagswahlen im Lande Nordrhein-Westfalen auszunutzen. Ich habe eine ganze Sammlung von Flugblättern, die ich Ihnen gern zur Verfügung stelle. Ich stelle nur fest: Das Ergebnis ist eindeutig. Offensichtlich hat man damit nicht das notwendige Ziel erreicht.
Die Sozialdemokratische Partei hat in ihrem Godesberger Programm - das war 1959; es ist jetzt mehr als 20 Jahre her - eine klare und eindeutige Aussage gemacht. Ich zitiere: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie bejaht die Landesverteidigung.
Dieses Wort des Godesberger Programms gilt für die Sozialdemokratie in ihrer Gesamtheit heute und morgen. Sie sollten nicht den gringsten Zweifel in diese Programmatik der Sozialdemokratischen Partei setzen.
({4})
Das zweite: Es ist in der Tat so gewesen, daß früher, vor allen Dingen auch in der Weimarer Zeit, zwischen den Streitkräften und insbesondere der Arbeiterschaft eine tiefe Kluft gegeben war. Nach Wiedereinführung einer Armee, nach dem Aufbau der Bundeswehr haben sich die Sozialdemokraten darum bemüht, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, bestehende Gräben zuzuschütten, um auf diese Art und Weise dafür Sorge zu tragen, daß mit unserer Unterstützung die Bundeswehr ein voll integrierter Bestandteil unserer Gesellschaft insgesamt ist.
Die Sozialdemokraten haben die Vorgänge in Bremen sehr ernst genommen. Wir haben uns gestern in unserem Parteivorstand sehr intensiv damit beschäftigt. Ich will es Ihnen ersparen, Sie jetzt im einzelnen mit dem vertraut zu machen, was der Parteivorstand dazu gesagt hat. Jedenfalls sind diese Aussagen völlig klar und eindeutig.
Ich möchte ein Wort an jene richten, die aus sehr unterschiedlichen Gründen dort zu Demonstrationen aufgerufen haben und die hier auch angesprochen worden sind.
Erstens. Denjenigen, die vielleicht in guter Absicht etwas getan haben und deren Aufruf sich gar nicht gegen die Bundeswehr gerichtet hat,
({5})
sondern die Sorgen in bezug auf Form und Zeitpunkt der Veranstaltung hatten, möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Sie haben dazu beigetragen, daß Mißverständnisse entstanden sind. Zweitens. Sie haben der Bundeswehr trotz ihrer vielleicht guten Absichten - ich spreche von denjenigen, die um eine friedliche Bekanntgabe ihrer Meinung bemüht waren ({6})
damit nicht den geringsten Dienst erwiesen, sondern ihr im Gegenteil geschadet. Drittens. Ihr guter Wille ist von Gewalttätern mißbraucht worden, und deshalb hat das Wort, das der Bundeskanzler in bezug auf die Verantwortung gesagt hat, seine ganz besondere Bedeutung.
Zum anderen: Sie haben an mehreren Stellen über Zusammenarbeit und Zusammenkünfte von KBW und Jungsozialisten gesprochen. Hier gibt es eine klare und eindeutige Feststellung, daß an einem Treffen, das stattgefunden hat, Jungsozialisten nicht teilgenommen haben. Aber ich sage eins in aller Deutlichkeit: Die Sozialdemokratische Partei hat 1 Million Mitglieder. Die CDU ist ebenfalls eine große Partei, und Sie können auch nicht überall die Garantie dafür übernehmen, daß nicht hier und da eine Panne passiert.
({7})
Diese Vorgänge werden sehr genau geprüft werden. Wenn es Dinge gibt, die mit der Politik der Sozialdemokratischen Partei nicht in Einklang zu bringen sind, werden daraus auch die notwendigen Konsequenzen gezogen.
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Aber ich wehre mich dagegen, daß man am laufenden Band darum bemüht ist, pauschal eine Gruppe von jüngeren Menschen in der Sozialdemokratischen Partei zu diffamieren. Das wird mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen.
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Ein letztes Wort, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mehr als zehn Jahre steht die Bundeswehr unter sozialdemokratischer Führung in der sozialliberalen Koalition. Der erste Verteidigungsminister in der sozialliberalen Koalition war der Bundeskanzler. Ihm folgte der jetzige Vizepräsident des Deutschen Bundestages Georg Leber; jetzt ist es Hans Apel. Die Bundeswehr genießt in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland hohes Ansehen; die Bundeswehr genießt bei unseren Verbündeten hohes Ansehen. Die Bundeswehr ist hervorragend ausgebildet, ist hervorragend ausgerüstet; sie ist ein Bestandteil unserer Gesellschaft insgesamt. Wir werden niemandem gestatten, zwischen der Bundeswehr und uns einen Graben aufzureißen. Wir stehen solidarisch zu den Soldaten in unserer Bundeswehr.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben die Vorgänge in Bremen sowohl durch die Vertreter der Bundespartei als auch durch unsere Kollegen in Bremen in aller Deutlichkeit verurteilt. Wir sind gegen Gewalt in der Politik, und wir werden immer gegen Gewalt in der Politik sein; das galt früher, das gilt heute, das gilt morgen. Unser klares Bekenntnis zur Bundeswehr konnte zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise in Zweifel gezogen werden.
Was ich allerdings bedauere, ist, daß hier vom Kollegen Kohl so getan wird, als wäre Gewalt bei Demonstrationen eine Sache des Jahres 1980. Ich habe mich von dieser Stelle aus gegen Gewalt bei Demonstrationen zu einer Zeit gewandt, als Bundeskanzler Kiesinger hier der Regierungschef gewesen ist. Damals sind wir nicht auf die Idee gekommen, zu unterstellen, daß der Kanzler Kiesinger Gewalt gesät hat.
({0})
Ich bitte Sie dringend darum, hier nicht die Dinge zu verfälschen und damit Kluften und Gräben aufzureißen, die diesem jungen demokratischen Staat Schaden zufügen können.
({1})
Daß wir gemeinsam gegen Gewaltanwendung sind, war so, ist so und wird so bleiben, und wer glaubt, Gewalt als politisches Kampfmittel benutzen zu sollen, wird sehr schnell merken, daß es gegen ihn selbst zurückschlägt.
Der Herr Bundeskanzler hat sich hier eindeutig von der Anzeige distanziert. Auch wir hätten eine solche Anzeige nicht gebracht. Allerdings füge ich hinzu: Wir hätten auch nicht in der verbalen Form reagiert, wie es hier heute von der Union geschehen ist, was ja nur deutlich macht: Man schlägt den einen, um für sich Grund zu finden, in der gleichen Weise zu reagieren. Ich kann nur sagen: Ein besseres Beispiel dafür, wie gefährlich es für diesen demokratischen Staat ist, wenn zwei hier allein aufeinanderschlagen, als das, was heute vormittag hier geschehen ist, kann es nicht geben.
({2})
Ich kann nur hoffen, daß die Wähler draußen sehr genau registrieren, welche Gefahr besteht, wenn dieses gegenseitige Anheizen, wie es von Herrn Strauß am Sonntag verkündet worden ist, allgemeine Erscheinung dieses Wahlkampfes werden würde.
Hier ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß alle bestrebt sind, den Frieden für unser Land zu sichern. Dies ist richtig. Aber wenn dann der Kollege Kohl beklagt, daß ein Vergleich mit dem Jahr 1914 nicht richtig sei, und sagt, eher sei ein Vergleich mit dem Jahr 1938 angebracht, dann kann ich nur sagen: Welcher große Unterschied besteht denn dann? Denn auf das Jahr 1938 folgte natürlich eine kriegerische Auseinandersetzung. Dann erscheint es mir schon scheinheilig, wenn Vergleiche solcher Art gezogen werden. Dann sollte man wenigstens ganz klar sagen und sich dazu bekennen: Jeder dieser Vergleiche ist eben problematisch.
Wir sind der Meinung, daß die Sicherung des Friedens die entscheidende Aufgabe der nächsten Monate sein wird, nicht um Kriegsangst zu schüren, sondern um unseren Beitrag dazu zu leisten, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen in anderen Teilen der Welt nicht auf Mitteleuropa übergreifen.
({3})
Das ist der Sinn unserer Sorgen, die wir hier äußern.
Der Herr Kollege Kohl hat darauf hingewiesen, wie wichtig die deutsch-französische Freundschaft, die Westverträge für unsere heutige Position sind, und das ist in diesem Haus unbestritten. Aber zur Sicherung des Friedens gehörte auch, daß danach zur Ergänzung die Ostverträge kamen, um ein Geflecht zustande zu bringen, das in Mitteleuropa die heutige Situation geschaffen hat, die sicherer als die frühere ist. Es gibt keinen Zweifel daran, daß wir heute hier in Mitteleuropa, in Europa mit einer gewissen Befriedigung feststellen können, daß das Entspannungskonzept, der Entspannungswille nach wie vor tragfähig sind. Dies ist ausschließlich der Tatsache zu verdanken, daß es uns gelungen ist, ein Geflecht von Verträgen und Vereinbarungen zu schaffen, die dies absichern. Dies zu erhalten und auszubauen ist unser gemeinsames Bemühen in der Bundesregierung und der Koalition bei all dem, was der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister in diesen Tagen und Wochen tun.
Deshalb ist mit Recht darauf hingewiesen worden, wie gefährlich die Töne von Kollegen aus den Unionsfraktionen waren, beispielsweise den Einsatz der Bundeswehr auch außerhalb der NATO zu überlegen. Das ist von manchen Kollegen inzwischen Gott sei Dank wieder korrigiert worden. Aber der Tatbestand ist nicht wegzuleugnen, daß diese Reaktionen in den ersten Tagen kamen, und das macht uns so sorgenvoll. Besteht morgen oder übermorgen nicht die gleiche Gefahr, wenn eine ähnliche oder sich weiterentwickelnde Situation entsteht, daß aus Ihren Reihen sofort wieder solche Schnellschüsse aus der Hüfte kommen, die nicht den Frieden sichern, sondern die Gefahr beinhalten, daß mehr Kriegsangst geschürt wird?
({4})
Natürlich nehmen wir gern zur Kenntnis, wenn hier aus Reisen in diese Gebiete bessere Erkenntnisse und bessere Überlegungen entstanden sind. Wir wissen aber auch, daß die Reaktionen in den ersten Tagen nach Afghanistan befürchten ließen, daß manches aus dem Ruder läuft und nicht mit Augenmaß und mit dem Blick für das Notwendige geschieht. Wir sind als Bündnispartner ganz klar auf der Seite der Vereinigten Staaten, der NATO. Wir wissen aber auch, daß jedes Bündnis nur dann voll funktionsfähig ist, wenn jeder Partner von jedem Partner weiß, daß er dieses Bündnis nicht nur als ein Nachlaufen, sondern als eine Gemeinschaft betrachtet, die aus der Beurteilung der Situation zu gemeinsamen Entschlüssen kommt und nicht mit einsamen Entschlüssen operiert.
({5})
Deshalb haben wir mahnend auf manche Entwicklungen hingewiesen, die hier geschehen sind.
Lassen Sie mich als letzte Bemerkung nur noch folgendes zum Ausdruck bringen. Wenn die Bundeswehr in diesen Tagen in der Öffentlichkeit bei manchen in eine unnötige Auseinandersetzung geraten ist, so ist die Mahnung berechtigt, daß wir alle dazu beizutragen haben, daß nicht zunächst vielleicht positiv gemeinte Dinge in ein falsches Fahrwasser kommen. Vorher zu überlegen, welche negativen Folgen vielleicht am Ende entstehen können,
gilt nicht nur für das, was bei dieser Demonstration geschehen ist, sondern das gilt für jede außen- und wehrpolitische Entscheidung, die wir in diesen Tagen oder in den nächsten Wochen und Monaten zu fällen haben. Deshalb wäre es gut, wenn dieses Thema, wenn diese Punkte nicht als Mittel der verbalen Wahlkampfauseinandersetzung benutzt würden, sondern als Mittel, eine gemeinsame praktische Politik zu betreiben, die auf der Basis unserer Vertragspolitik, auf der Basis unserer Entspannungspolitik auch für die Zukunft sicherstellt, daß hier in Mitteleuropa nicht die Krisen entstehen, die wir in Afghanistan beklagen.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3726 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf auf Drucksache 8/2677 abzulehnen. Ich nehme an, daß Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung gewünscht wird? - Wird nicht gewünscht.
Dann können wir über diese Beschlußempfehlung abstimmen. Ich wiederhole: der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3726 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches auf Drucksache 8/2677 abzulehnen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mehrheitlich angenommen.
Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche unsere Sitzung bis 14 Uhr.
({0})
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksachen 8/3981, 8/3986, 8/3991 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - Drucksache 8/3986 -. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Staatssekretär Fröhlich zur Verfügung.
Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Welche Sofortmaßnahmen unternimmt die Bundesregierung angesichts der vom Vertreter der PLO in Bonn, A. Franghi, im Saarländischen Rundfunk in bezug auf die vom bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß in Israel gemachten Aussagen ausgesprochenen Drohung ,,... die PLO werde dem nicht tatenlos zusehen, und wertet sie dies als Verlautbarung einer offiziellen Vertretung in Bonn?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat auf ein Schreiben des Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Herrn Dr. Zimmermann, an den Bundeskanzler vom 8. Mai 1980 noch am gleichen Abend in einem Gespräch mit Herrn Franghi von diesem die Erklärung erhalten, eine persönliche Bedrohung von Herrn Ministerpräsident Strauß durch die PLO sei gänzlich
ausgeschlossen. Mit dem Satz - Zitat - „Wenn Herr Strauß z. B. diese feindliche Haltung gegen uns annimmt, dann muß er damit rechnen, daß die Palästinenser nicht tatenlos zusehen" seien ausschließlich politische Reaktionen gemeint gewesen. Eine gleichlautende Erklärung hat Herr Franghi im übrigen am Wochenende öffentlich wiederholt.
Übereinstimmend damit hat eine sofort eingeleitete Recherche der Sicherheitsbehörden des Bundes ergeben, daß derzeit keine Hinweise auf eine Gefährdung von Herrn Ministerpräsident Strauß durch die PLO vorliegen.
Herrn Franghi ist in einem persönlichen Gespräch im Auswärtigen Amt die Mißverständlichkeit seiner Äußerungen deutlich gemacht worden.
Angesichts der dargelegten Situation, Herr Abgeordneter, sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, den zuständigen Landesbehörden ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Herrn Franghi zu empfehlen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob an irgendeinem terroristischen Vorgang im Inland oder im Ausland der eben von Ihnen zitierte Herr Franghi in irgendeiner Weise direkt oder indirekt beteiligt war?
Die Bundesregierung hat ziemlich genaue Erkenntnisse über die Aktivitäten des Herrn Franghi, die sich vorwiegend auf eine politisch-propagandistische Betätigung im Sinne der Palästinenser-Sache erstrecken. Die Bundesregierung hat, jedenfalls aus neuerer Zeit, keine Erkenntnisse darüber, daß sich Herr Franghi entgegen seinen Erklärungen in der Bundesrepublik Deutschland in irgendeinen Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten begeben hat.
Zusatzfrage.
Herr Staaatssekretär, wären Sie bereit, den Teil Ihrer Antwort „in neuerer Zeit" etwas zu präzisieren? Ist durch Ihre Aussage - darf ich es noch einmal konkretisieren, Herr Präsident? - z. B. auch der Zeitraum der Durchführung der Olympiade in München mit erfaßt oder nicht?
Diesen Zeitraum habe ich nicht mit erfaßt.
Sie wissen, daß Herr Franghi, wie zahlreiche Palästinenser, nach den Münchener Ereignissen ausgewiesen worden ist. Das beruhte damals nicht auf einem individuellen Nachweis einer Mitwirkung bei dem Terrorakt in München, sondern war eine allgemeine Sicherheitsvorkehrung gegenüber Angehörigen arabischer Staaten und Palästinensern.
Herr Abgeordneter, bin ich objektiv nicht in der Lage, auf die Frage, die sich auf eine weit zurückliegende Zeit bezieht, eine Auskunft zu geben. Unsinteressiert hier der Zeitraum der letzten Jahre.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die PLO in der Vergangenheit zahlreiche Terroranschläge auch als politische Aktionen deklariert hat, und kann die Bundesregierung deswegen auf Grund der Aussage des Herrn Franghi in diesem Fall ausschließen, daß nicht doch Gewaltakte gegen Franz Josef Strauß geplant sind?
Sie wissen, Herr Abgeordneter, daß die PLO in ihre, zugegebenermaßen, außerordentlich nachdrückliche Auseinandersetzung vor allem mit den Israelis selbstverständlich Gewaltanwendung einbezieht und daß sie insoweit den Begriff Terrorismus anders definiert, als wir das tun.
Aber wir haben derzeit keine Informationen darüber, daß, entgegen Informationen, die uns vorliegen und auf die wir uns bisher eigentlich verlassen konnten, solche Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden - jedenfalls nicht, soweit es die PLO betrifft.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause mitteilen, wie - wie Sie sich angesichts der Mißverständlichkeit der Äußerungen ausgedrückt haben - nachdrücklich die Bundesregierung auf die Mißverständlichkeit der Äußerungen- um Ihren Terminus zu gebrauchen - hingewiesen hat angesichts der terroristischen Aktivität der PLO in mehreren Regionen der Welt?
Auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen fachlichen Bereichen haben verschiedene Kontakte mit Herrn Franghi stattgefunden. Die offizielle oder, wenn Sie so wollen, offiziöse Schiene lief über den Beauftragten für Nah- und Mittel-Ost-Politik des Auswärtigen Amts. Herr Franghi ist zu einem Gespräch dorthin gebeten worden. Dieser Sachverhalt ist mit ihm eingehend durchgesprochen worden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß in den öffentlichen Äußerungen des Herrn Franghi, die Sie eben zitiert haben, von legalen Widerstandsakten die Rede ist, und ist die Bundesregierung der Meinung, daß zu diesen legalen Widerstandsakten auch so etwas gehört, was Herr Franghi in seiner Äußerung mit „nicht tatenlos zusehen" qualifiziert hat?
Mit Sicherheit gehört zu legalen Widerstandsakten nichts, Herr Abgeordneter, was auf Gewaltanwendung gegen Deutsche oder in der Bundesrepublik Deutschland hinausläuft. Herr Franghi selber hat das so interpretiert. Er sagte, eine feindselige Haltung, wie er sie aus den Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten
entnehmen will, würde dazu führen, daß die arabischen Staaten z. B. von Einladungen absehen oder politische Maßnahmen allgemeiner Art ergreifen würden, um sich dagegen zu wehren. Dazu gehören sicher nicht Gewalt und Terror.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß sich der hier mehrfach erwähnte Herr Franghi als eine Art Sprecher einer Organisation bekennt und als solcher tätig sein zu müssen glaubt, die immer noch nicht weg ist von der Übernahme der Mitverantwortung für Terrorakte, frage ich Sie: Glauben Sie nicht, daß auch solche Äußerungen, wie sie in dem hier in Rede stehenden Fall Herr Franghi getan hat, außerordentlich ernst zu nehmen sind und einer dringenden und gründlichen Prüfung bedürfen?
({0})
Herr Abgeordneter, mit Sicherheit sind solche Äußerungen ernst zu nehmen. Das Auswärtige Amt, das in diesem Fall die Gespräche führt, nimmt sie ja auch ernst und hat mit allem Nachdruck auf eine Klarstellung gedrängt. Auf der anderen Seite wissen Sie, daß über Herrn Franghi bestimmte Gesprächskontakte laufen. Er ist zwar eine Privatperson, aber Interessen der Bundesrepublik Deutschland sprechen durchaus dafür, daß man sich diesen Gesprächsfaden erhält.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, sind solche Drohungen eines Ausländers nicht eine schwere Einmischung in die freiheitliche Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland? Und erfordert es nicht ein entsprechendes Vorgehen der Bundesregierung, um diese unzulässige Einmischung abzuwenden?
Herr Abgeordneter, wenn ich davon ausgehe, daß mit dem von mir zitierten Satz in der Tat gemeint war, daß die Palästinenser auf solche, wie sie es ansehen, feindseligen Erklärungen politisch reagieren würden, dann nimmt Herr Franghi damit als Privatmann das Recht der freien Meinungsäußerung in Anspruch, das auch ihm als Ausländer so lange zusteht, als er nicht gegen Strafgesetze verstößt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über das Zusammenwirken der PLO und deutschen Terroristen vor? Und welche Schlußfolgerungen können aus solchen vorliegenden Erkenntnissen auf Grund der Drohung des Herrn Franghi eventuell gezogen werden?
Herr Abgeordneter, es gibt aus einer zurückliegenden Zeit Erkenntnisse von der Art, die Sie ansprechen. Aber wir haben
gute Gründe für die Annahme, daß sich insoweit eine gewisse in unserem Interesse liegende Veränderung vollzogen hat. Wir haben derzeit keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß die PLO eine Zusage, sich in der Bundesrepublik Deutschland solcher Tätigkeiten und eines Zusammenwirkens mit deutschen Terroristen zu enthalten, bis dato tatsächlich honoriert hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung trotz dieser Äußerungen gegenwärtig in der Tat keine Veranlassung zu verschärftem Schutz der Betroffenen oder Bedrohten, oder aber sieht sie keine Veranlassung zu verschärfter Beobachtung derer, die für. einen Täterkreis oder einen Kreis derjenigen, die Taten auslösen könnten, in Frage kommen?
Herr Abgeordneter, ich habe ausgeführt, daß wir zunächst einmal auf geeignetem Wege festgestellt haben, ob aus dieser Erklärung entnommen werden kann, daß in der Tat von PLO-Seite mit einer Bedrohung, z. B. von Herrn Ministerpräsidenten Strauß, zu rechnen ist. Ich habe soeben ausgeführt, daß unsere Sicherheitsanalyse zu dem Ergebnis kommt: das ist nicht der Fall. Selbstverständlich wissen wir alle, daß Herr Ministerpräsident Strauß wie zahlreiche andere Bundes-und Landespolitiker zu dem Kreis von potentiell gefährdeten Personen gehört. Es gibt hier einen Kontakt mit den bayerischen Sicherheitsbehörden. Wir haben diese Angelegenheit zum Anlaß genommen, beim bayerischen Innenministerium nachzufragen, ob irgendwelche Wünsche bestehen, daß wir uns einschalten sollen. Das bayerische Innenministerium hat uns erklärt, es sei sehr wohl selber in der Lage, den Schutz des bayerischen Ministerpräsidenten zu gewährleisten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie wegen des Zusammenhangs zwischen dem deutschen Terrorismus und dem der Palästinenser fragen, woher die 200 kg Sprengstoff stammen, die bei den jüngst in Paris verhafteten deutschen Terroristen gefunden worden sind?
({0})
Herr Abgeordneter, darauf könnte ich Ihnen keine Antwort geben, die Sie in der Vermutung bestärkt, daß Herr Franghi damit etwas zu tun hat.
({0})
Einen Moment! Erstens bitte keine Zwischengespräche, und zweitens, Herr Abgeordneter Becker, entscheidet der Präsident. Und
ich halte dies für im Zusammenhang mit der Frage stehend.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Linde.
({0})
Herr Staatssekretär, unter Bezugnahme auf die Antwort, die Sie dem Kollegen Ey gegeben haben, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung eigentlich für den Schutz des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Strauß, zuständig ist?
Nein. Ich habe das, glaube ich, mindestens indirekt schon beantwortet, Herr Abgeordneter: Der persönliche Schutz des bayerischen Ministerpräsidenten ist Sache der zuständigen bayerischen Landesbehörden und wird von diesen, wie ich nicht zweifle, effektiv wahrgenommen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.
Herr Staatssekretär, ich wollte Sie im Anschluß an die Antwort, die Sie dem Kollegen Czaja gegeben haben, fragen, ob die Drohung, Gewalt anzuwenden, nicht das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland bricht und ein Tatbestand ist, der nach dem Strafgesetzbuch zu ahnden wäre.
Wenn eine solche Drohung ausgesprochen worden wäre, würde man darüber nachdenken müssen, Herr Abgeordneter. Aber der Satz, um den es hier geht, enthält ja keineswegs die Ankündigung einer Gewaltanwendung, sondern die Feststellung, man werde das nicht tatenlos hinnehmen, und die Interpretation des Herrn Franghi, der sich darauf beruft, daß er als Ausländer sich nicht mit letzter Delikatesse auszudrücken vermag, war eben die, daß damit eine rein politische Aktivität gemeint war, und das ist ihm nicht zu widerlegen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Frau Abgeordnete Dr. Balser, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten die Gespräche, von denen Sie gerade gesagt haben, sie seien für die Bundesrepublik Deutschland nützlich, nicht vielleicht auch mit einer anderen Privatperson geführt werden?
Frau Abgeordnete, es gibt verschiedene Gesprächskontakte mit verschiedenen Personen, aber es gibt spezielle Sicherheitsinteressen, die es uns nützlich erscheinen lassen, diese spezielle Möglichkeit auszunützen, und das hat sich im Interesse der Sicherheit dieses Landes bisher, glaube ich, bezahlt gemacht.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Dringliche Frage 2 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Präsident Stücklen
Sieht die Bundesregierung insbesondere angesichts dieser Gewaltandrohung gegen deutsche Politiker und Parteien die Notwendigkeit, dem Vertreter der PLO unverzüglich die Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu entziehen?
Herr Abgeordneter, ich habe diese Frage, glaube ich, schon beantwortet. Bei dem von mir mitgeteilten Sachverhalt sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, den zuständigen Landesbehörden ausländerrechtliche Maßnahmen zu empfehlen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie in Vervollständigung Ihrer vorhin angedeuteten Antwort eine Aussage darüber machen, welche Aufgaben die Vertretung der PLO in Bonn wahrnimmt, welche Tätigkeiten sie ausübt, und liegen darüber der Bundesregierung umfassende Erkenntnisse vor?
Ja, Herr Abgeordneter, die Tätigkeit dieser Bonner Stelle vollzieht sich in aller Öffentlichkeit, und diese Stelle legt ja sogar Wert auf Öffentlichkeit, weil sie eine Institution zur Propagierung der palästinensischen Interessen ist.
Das Büro der PLO ist, wie Sie wahrscheinlich wissen, bei der „Informationsstelle Palästina" in Bonn untergebracht. Es ist mit sechs hauptamtlichen Mitarbeitern besetzt und entfaltet eine sehr rege propagandistische Tätigkeit. Was sich hier vollzieht, ist für jedermann offenkundig, und auch die Interessenlage ist für jedermann offenkundig.
Einen offiziellen Status - das darf ich vielleicht noch hinzufügen - hat diese Institution nicht. Herr Franghi als Leiter des Büros ist ein Privatmann, obwohl wir natürlich wissen, in wessen Interesse er arbeitet und von wem er angeleitet wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich, einen Teil meiner Frage wiederholend, noch einmal um eine Präzisierung bitten. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse umfassender Art über die gesamte Tätigkeit dieser Einrichtung vor?
Ich bin davon überzeugt, daß die Bundesregierung einen befriedigenden Stand der Information über die Tätigkeit dieses Büros hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, woher nehmen Sie die Gewißheit, die Interpretation seiner Drohung durch Herrn Franghi sei dahin zu verstehen, daß seitens der PLO Terrorakte auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht geplant sind, und ist damit auch ausgeschlossen, daß deutsche Terroristen im Auftrage der PLO derartige Terrorakte unternehmen?
Herr Abgeordneter Spranger, wir haben gute Gründe, diese Interpretation und auch die Absichtserklärung für glaubwürdig zu halten. Jetzt den Gesamtzusammenhang und
die Umstände darzulegen, auf die wir diese relative Zuversicht stützen, würde, so glaube ich, den Rahmen einer Fragestunde überschreiten, und es würde mich auch nötigen, Dinge offenzulegen, über die ich hier nicht sprechen will.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß Herr Franghi in dem Interview, das er dem „Südwestfunk" gegeben hat, die jüngsten Vorkommnisse in Hebron, die man ja nur als Terror- und Gewaltakte bezeichnen kann, als „Akte des Widerstands" bezeichnet hat, so daß es doch schwerfällt, Ihren Ausführungen dahin gehend zu folgen, daß darunter nur politische Aktionen zu verstehen wären?
Herr Abgeordneter, man muß hier einen deutlichen Unterschied machen: Die Einstellung, die Franghi und die PLO, deren Sprachrohr er ja ist, zu dem vertreten, was sie als einen legitimen Kampf gegen den Staat Israel betrachten, ist uns bekannt. Da werden Dinge, die wir für schlimm und unmenschlich halten, nach unserem Verständnis Terroreinsätze, in einem ganz anderen Zusammenhang gesehen. Wir haben uns im Augenblick nur Gedanken darüber gemacht, welche Sicherheitsbedrohung in unserem Land besteht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, nachdem Sie bestätigt haben, daß auch nach Auffassung der Bundesregierung die Äußerungen des Herrn Franghi, wie Sie sich ausgedrückt haben, mißverständlich sind, frage ich Sie: Kann nicht eine bewußt erzeugte Mißverständlichkeit solcher Äußerungen eine Drohung und damit den strafrechtlich relevanten Tatbestand einer Nötigung darstellen, was dazu ausreichen könnte, um einem solchen Mann die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen?
({0})
Herr Abgeordneter, ich muß Ihnen noch einmal den Satz vor Augen halten, um den es hier geht. Er hat gesagt, die Palästinenser würden eine solche feindselige Haltung nicht tatenlos hinnehmen. Das Mißverständnis liegt, wenn Sie so wollen, also darin, daß man etwas herausliest, was Franghi nicht gesagt hat und nicht gesagt haben will.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Staatssekretär, da ich wohl davon ausgehen kann, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, diese Organisation, für die Herr Franghi hier tätig ist, anzuerkennen, frage ich Sie:
Wie machen Sie es, daß Sie einem solchen Menschen, der hier privat als Ausländer als Mitglied einer Organisation tätig ist, offiziell und deutlich mitteilen, daß die Bundesregierung solche Äußerungen, wie sie hier gefallen sind, eigentlich für unsere Lage nicht erträglich findet?
Herr Abgeordneter Westphal, ich habe erläutert, wie das die Bundesregierung gemacht hat. Das ist auf dem formellen Weg dadurch geschehen, daß Herr Franghi ins Auswärtige Amt gebeten worden ist und dort ein Gespräch mit dem Beauftragten für Nah- und Mittelostfragen des Auswärtigen Amts geführt hat. Das Auswärtige Amt hat, wenn ich dies hier in Parenthese sagen darf, Kontakte auch zu nichtoffiziellen und nichtoffiziösen Organisationen verschiedener Art. Dazu gehört auch ein gewisser Gesprächsfaden zu Herrn Franghi.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Äußerungen des Herrn Minsterpräsidenten Strauß und die sich ergebenden Fragen an die Bundesregierung im Zusammenhang mit „Terror" und „Palästinenser" nicht besser in eine außenpolitische Debatte statt in eine Fragestunde gehörten?
({0})
Einen Moment! - Welche Fragen in eine Fragestunde - Moment, Herr Staatssekretär! - gehören und welche nicht, gehört nicht in die Zuständigkeit des Staatssekretärs des Innern. Das unterliegt vielmehr der geschäftsordnungsmäßigen Handhabung dieses Parlaments.
Ich würde es mir nie anmaßen, Herr Präsident, diese Zuständigkeit in Anspruch zu nehmen.
Das habe ich damit auch nicht unterstellen wollen.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jaeger.
Herr Staatsekretär, seit wann besitzt der Herr Franghi eine Aufenthaltserlaubnis, ist sie zeitlich begrenzt oder unbegrenzt, ist sie widerruflich oder unwiderruflich?
Herr Abgeordneter Jaeger, Herr Franghi, der übrigens mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, was seinen aufenthaltsrechtlichen Status mit einer gewissen Besonderheit ausstattet, hat seit dem 30. November 1962 Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat diese unter anderem auch deshalb, weil eine Ausweisungsverfügung, die früher einmal ergangen ist - sie stand im Zusammenhang mit den Geschehnissen in München - von den Verwaltungsgerichten aufgehoben worden ist. Er hat
eine Aufenthaltserlaubnis und lebt hier nicht auf Abruf.
({0})
- Unbefristet.
({1})
- Ich bitte, mich auf dieses ausländerrechtliche Detail nicht festzulegen. Ich werde es Ihnen gerne mitteilen, Herr Abgeordneter. Nachdem er aber mit einer deutschen Frau verheiratet ist, hat er hier ohnehin einen besonders gesicherten Aufenthaltsstatus.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Herrn Franghi für den Fall der Wiederholung dieser oder einer ähnlichen Äußerung wenigstens den unmittelbaren Entzug der Aufenthaltserlaubnis angedroht?
({0})
Die Bundesregierung könnte das deswegen nicht tun, weil eine solche Maßnahme von der zuständigen Landesbehörde verfügt werden müßte. Ich habe aber auf Grund meines Gesprächs mit dem zuständigen Kollegen im Auswärtigen Amt den Eindruck, daß die Wiederholung einer solchen mißverständlichen Formulierung nicht befürchtet wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, die ausgesprochene Drohung hieß, die PLO werde dem nicht tatenlos zusehen. In der zweiten Frage des Herrn Röhner heißt es „angesichts dieser Gewaltandrohung". Wären Sie nicht auch der Auffassung, wenn man dem Herrn Franghi anriete, er möge Herrn Strauß zur Klarstellung einen Brief schreiben, daß das auch eine Tat wäre, aber ohne Gewalt?
Ich werde diese Anregung gerne weitergeben, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, läßt die Formulierung „nicht tatenlos zusehen'' nicht alle Deutungen der Tat offen?
Herr Abgeordneter, sie läßt aber nicht die Interpretation zu, daß hier mit Gewaltanwendung gedroht ist. Sicher wäre Tatenlosigkeit auch der Verzicht auf nur politische Aktionen. Er will politisch agieren, so sagt er.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Dringliche Frage - Drucksache 8/3991 - aus dem Geschäftsbereich des Bundesmi17330
Präsident Stücklen
nisters für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zu Verfügung. Herr Abgeordneter Böhm ({0}) hat diese Frage gestellt:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß deutsche Bürger, die auf Grund der politischen Entwicklung ihre bei Reiseunternehmen gebuchten Reisen zu den Olympischen Spielen in Moskau nicht antreten wollen und dieses bis zum Freitag, dem 16. Mai 1980, den Reiseunternehmen mitteilen müssen, eine Erstattung der ihnen entstandenen Kosten erhalten, wenn sie dies wünschen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat bereits Anfang dieses Jahres darauf hingewiesen, daß nach ihrer Auffassung eine Teilnahme einer deutschen Olympiamannschaft an den Olympischen Spielen an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, die bisher nicht eingetreten sind. Daher haben der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung dem NOK empfohlen, auf die Teilnahme einer Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland an den Olympischen Spielen zu verzichten. Das Nationale Olympische Komitee wird darüber am 15. Mai 1980 entscheiden.
Bei dieser Sachlage sieht die Bundesregierung keine rechtliche Verpflichtung, Bürgern, die ihre gebuchte Reise zu den Olympischen Spielen nicht antreten wollen, Kosten zu erstatten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung es begrüßen würde, daß die Bürger, die bisher eine Reise zu den Olympischen Spielen nach Moskau unternehmen wollten, das nicht zu tun, und daß sie sich als loyale Staatsbürger verhalten, wenn sie auf diese geplante Reise verzichten?
Herr Abgeordneter Böhm, nur bei großzügiger Auslegung kann diese Frage noch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausgangsfrage stehen.
({0})
Das hatten wir soeben auch gemacht. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Ich habe es nicht mitbekommen. Soll ich die Frage beantworten, Herr Präsident?
Das steht in Ihrem Ermessen.
Herr Kollege, eine Entscheidung der Bürger, die Spiele nicht zu besuchen und gegebenenfalls auf eine Reise ganz zu verzichten, läge ausschließlich in der Sphäre jedes einzelnen.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, da Sie zwar als Vertreter des Wirtschaftsministers hier stehen, aber doch die ganze Bundesregierung
vertreten und da außerdem der Kollege Böhme neben Ihnen sitzt, frage ich, ob die Bundesregierung den Verzicht eines Bürgers angesichts der Empfehlung des Deutschen Bundestages zum jetzigen Zeitpunkt für ein Opfer hält, das der Bürger der allgemeinen politischen Grundauffassung der Bundesrepublik bringt, so daß unter Umständen eine gewisse steuerliche Großzügigkeit in solchen Fällen bei schwereren Einbußen von seiten der Bundesregierung den Landesbehörden empfohlen werden könnte.
Herr Kollege, ich habe die Rechtslage dargelegt. Sie gibt keine Grundlage, auch nicht in diesem Bereich. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Schritte zu unternehmen, um eine etwaige Entschädigungserwartung durch Vorschläge an das Parlament rechtlich zu begründen. Es ist eine andere Frage, ob das Parlament oder Teile des Parlaments etwa eine solche Initiative ergreifen wollen.
Herr Dr. Linde, bitte, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die von der Entscheidung, nach Moskau zu reisen oder zu Hause zu bleiben, betroffenen Bürger nicht schutzlos ihrem Schicksal überlassen sind, sondern daß gerade die Bestimmungen des geltenden Reisevertragsrechts, die ja in dieser Wahlperiode erst neu geschaffen worden sind, die Rechtsposition des Bürgers hier außerordentlich verbessert haben?
Das ist richtig, Herr Kollege. Etwaige rechtliche Ansprüche, die natürlich in jedem Einzelfall sehr differenziert zu betrachten sind, müßten auf der Grundlage des Reiseveranstaltervertrags durch die ordentlichen Gerichte beurteilt werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf.
Die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kreutzmann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Besch auf:
Hat das Bundeskanzleramt den Mitgliedern der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, die auf Anträgen zur Einreise in die DDR ihre Staatsangehörigkeit mit „BRD" bezeichnet haben sollen, einen entsprechenden Rat, eine Empfehlung oder dergleichen gegeben, und wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls diesen Vorgang?
Dr. Kreutzmann, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege, das Bundeskanzleramt hat keinen entsprechenden Hinweis gegeben. Nachdem die von Ihnen
erwähnte Angelegenheit der Bundesregierung bekanntgeworden ist, hat Bundesminister Franke in einem Schreiben an den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Herrn Bundesminister a. D. Ravens, noch einmal den Standpunkt der Bundesregierung erläutert. Der Grundlagenvertrag hat Fragen der Staatsangehörigkeit offengelassen, so daß die Ausfüllung der diesbezüglichen Spalte mit „deutsch" unserer Rechtsposition entspricht.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind also Pressemeldungen falsch, denenzufolge die SPDFraktion im Niedersächsischen Landtag sich vorher im Bundeskanzleramt abgesichert oder abgestimmt hat?
({0})
Herr Kollege Besch, dies ist die Auskunft, die mir seitens des Bundeskanzleramts zuteil geworden ist. Ich kann Ihnen keine andere Auskunft geben.
Im übrigen kann ich darauf hinweisen, daß Herr Ravens in der Zwischenzeit erklärt hat, er bedaure, daß die ganze Geschichte in dieser Hinsicht nicht gründlicher vorbereitet worden sei. Ich glaube, er hat damit deutlich gemacht, daß er die Auseinandersetzungen, die hier entstanden sind, bedauert, zumal sich in der Zwischenzeit angesichts der Steigerung der Reisen um mehr als 20 % in diesem Frühjahr gezeigt hat, daß die Reisen im allgemeinen ziemlich reibungslos verlaufen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in der Fragestunde am 25. April dankenswerterweise mitgeteilt haben, daß die Regierung der DDR erneut zugesagt hat, an der korrekten Bezeichnung „deutsche Staatsbürgerschaft" keinen Anstoß zu nehmen, frage ich Sie, ob Sie Erkenntnisse darüber haben, warum die SPD-Fraktion im Landtag von Niedersachsen eigentlich ohne jede Not und Veranlassung an dieser nicht korrekten Bezeichnung „BRD-Staatsbürgerschaft" festgehalten hat.
Herr Kollege Besch, die Reise ist über ein Reisebüro organisiert worden, und dieses hat die Formulare der Landtagsfraktion zugeschickt. Die meisten Abgeordneten haben lediglich ihre Paß-Nummer angegeben, und die Formulare sind zum Teil von Sekretärinnen ausgefüllt worden, so daß es dazu gekommen ist, daß einige Abgeordnete „deutsch" eingetragen haben und bei anderen die Bezeichnung „BRD" eingetragen wurde.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer ersten Antwort gesagt, daß der Grundlagenvertrag die Staatsangehörigkeitsfrage offenlasse. Stimmen Sie mir also zu, daß die Bundesregierung und alle Verfassungs- und Staatsorgane deshalb an Art. 16 und 116 des Grundgesetzes und die verbindliche Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht gebunden sind?
Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß nach ihrer Meinung die Eintragung „deutsch" lauten muß und daß sie nur eine deutsche Staatsangehörigkeit kennt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung diesen Vorfall zum Anlaß genommen, um die davon betroffenen Personen darauf hinzuweisen, daß sie sich künftig bei Reisen dieser Art, die ja erwünscht sind und die wir alle bejahen, korrekt an das halten mögen, was sowohl die Auffassung der Bundesregierung wie aller Parteien dieses Hauses ist?
Herr Kollege Jäger, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß Herr Bundesminister Franke einen ausführlichen Brief in dieser Angelegenheit an den Vorsitzenden der niedersächsischen Landtagsfraktion geschrieben hat, in dem er noch einmal ganz klar den Standpunkt der Bundestagsfraktion dargelegt hat. Die Reaktion von Herrn Ravens beweist ja, daß er das auch entsprechend verstanden hat.
Sie meinten doch den Standpunkt der Bundesregierung, nicht der Fraktion?
Ja.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Stockleben auf:
Welche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fördert die Bundesregierung zur Verbesserung von Aufbereitungsverfahren für Schweröl?
Stahl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie: Herr Kollege Stockleben, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie werden zur Zeit sechs Forschungs-' und Entwicklungsvorhaben gefördert, die im Zusammenhang mit der Aufbereitung von Schweröl, Schwerstöl und Bitumen stehen:
Erstens. Technische und wirtschaftliche Untersuchungen zur Durchführbarkeit der Aufarbeitung von stark schwefel-, metall- und asphalthaltigen Schwerstölen.
Zweitens. Durchführbarkeitsstudie über ein integriertes System der Gewinnung und Verarbeitung von venezolanischem Schweröl.
Drittens. Ermittlung der technischen Durchführbarkeit sowie Entwicklung eines Konzeptes für die Energieversorgung eines Gesamtsystems zur Förderung und Aufarbeitung von Schwerölen.
Viertens. Grundlagen des thermischen Hydrocrackens von Kohlenwasserstoffen im Hinblick auf die Hydropyrolyse von Schwerölen.
Fünftens. Hydropyrolyse von Modell- und Schwerölen mit Wärmezufuhr durch Teilverbrennung.
Sechstens. Analytik von Schwerstölen aus venezolanischen Ölsanden unter Berücksichtigung ihrer Verarbeitung durch Hydropyrolyse und Analytik der gewonnenen Produkte.
Darüber hinaus wird sich das Bundesministerium für Forschung und Technologie finanziell am Aufbau eines Zentrums für die Gewinnung und Aufarbeitung von Schweröl/Bitumen der VEBA-Öl-AG beteiligen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, im Rahmen des Energieprogramms könnten sich interessante Substitutionsmöglichkeiten im Hinblick auf den Treibstoffverbrauch und damit bezüglich des Energiemarktes ergeben. Wann rechnet die Bundesregierung damit, daß die ersten Anlagen ihren Betrieb aufnehmen?
Herr Kollege Stockleben, wir haben Studien durchgeführt, und es werden Versuche gefahren. Wann diese Versuche im großen Maßstab eingesetzt werden, ist terminlich derzeit nicht genau festlegbar. Wir gehen davon aus, daß z. B. die VEBA-Öl in den nächsten Jahren ein derartiges Projekt in der Bundesrepublik erstellt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, von welchen Wiederverwendungsmengen gehen die Studien aus? Man könnte auf diese Weise deutlich machen, welche Möglichkeiten der Weiterverwendung insgesamt bestehen.
Herr Kollege Stockleben, darauf kann ich Ihnen keine präzise Antwort geben. Wir haben zweierlei vor. Ich habe eben bereits das Land Venezuela und die dort vorhandenen Ölsande angesprochen. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dem deutschen Anlagenbau die Chance zu eröffnen, die Technologien für die entsprechende Aufarbeitung der ölhaltigen Sande zu entwickeln.
Der zweite Punkt betrifft das Inland. Hier versuchen wir, mittels der Forschung und, wie ich eben sagte, auch mit Hilfe von Versuchsanlagen einen Schritt zur Verwertung des Schweröls weiterzukommen. Über die Höhe der Substituierung, d. h. des Ersatzes von leichtem Erdöl kann ich hier keine Aussage machen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Möglichkeiten der Energiegewinnung aus dem Meer ({0}), und welche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden von ihr gefördert?
Herr Kollege Stockleben, die Bundesregierung untersucht im Rahmen des Programms „Energieforschung und Energietechnologien" auch die Möglichkeiten der Energiegewinnung aus dem Meer.
Die Nutzung der Gezeitenenergie an den deutschen Küsten ist unter anderem hauptsächlich wegen des geringen Tidenhubes und der topographischen Gegebenheiten nicht sinnvoll; ebenso die Nutzung der Wellenenergie wegen der zu geringen nutzbaren Küstenlänge und der zu geringen durchschnittlichen Wellenhöhe.
Unabhängig von dieser Gegebenheit im nationalen Küstenbereich verfolgt die Bundesregierung die internationale Entwicklung der Nutzung der Meeresenergie, insbesondere der Wellenenergie, im Rahmen der Aktivitäten der Internationalen Energieagentur aufmerksam. In diesem Zusammenhang hat sie eine Systemstudie - Dornier-System, Kernforschungsanlage Jülich, TH Aachen, Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt, Geesthacht - durchführen lassen mit dem Ziel, die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Wellenenergie des Meeres besonders im Hinblick auf die dezentrale Energieversorgung in Entwicklungsländern zu prüfen. Dieser Studie entsprechend werden Anlagenkonzepte unter 100 KW für aussichtsreich gehalten für die Energieproduktion oder die Trink- und Brauchwassergewinnung durch Entsalzung.
Der Nutzung -der Temperaturunterschiede werden in warmen Meeren gute Realisierungschancen zugesprochen, während die Nutzung der Unterschiede im Salzgehalt noch unbestimmt ist. Die Nutzung der Salzgehaltsunterschiede ist an große Umsätze von Süß- und Brackwasser gebunden. Die Bundesregierung verfolgt diese Konzepte zur Zeit nur auf dem Wege der wissenschaftlichen Information. Da die Nutzung von Temperaturunterschieden möglicherweise für Entwicklungsländer interessant werden könnte, ist für die Zukunft eventuell ein gemeinsames Projekt mit einem Entwicklungsland geplant.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn diese Chance für die eigene nationale Energieversorgung nicht zur Verfügung steht, sondern nur für andere Länder - beispielsweise für Entwicklungsländer -, und für uns dabei eigentlich nur der Anlagenbau interessant ist: Mit wieviel Bundesmitteln fördert das Bundesministerium für Forschung und Technologie diese Bereiche des Anlagenbaus und die Forschung im Haushaltsjahr 1980? .
Herr Kollege Stockleben, ich habe eben von einer Studie gesprochen. Es wurden etwa 406 000 DM für diese Systemuntersuchung zum Thema „Technologie und Nutzung der Wellenenergie". ausgegeben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Laufs.
Herr Staatssekretär, lassen sich die Kosten der Energiegewinnung aus Meereswellen im Vergleich zu konventionellen Energieerzeugungsarten heute schon in etwa abschätzen?
Herr Kollege Laufs, sie lassen sich nicht präzise abschätzen. Es hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Auf Spekulationen möchte ich mich nicht einlassen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 8 der Abgeordneten Frau Simonis wird auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Welche Nachweise wissenschaftlicher Qualifikation lagen der Entscheidung der Bundesregierung zugrunde, dem Institut für Energie- und Umweltforschung e. V. Heidelberg ({0}), vormals Tutorium Umweltschutz, einen mit über 800 000 DM ausgestatteten Forschungsauftrag zum Thema Sekundärkreislaufemissionen von Druckwasserreaktoren zu erteilen?
Herr Kollege Dr. Laufs, die Bundesregierung ist nach wie vor bemüht, die öffentliche Kernenergiediskussion zu versachlichen und zu entspannen. Ein Beitrag dazu kann ihrer Einschätzung nach darin liegen, Wissenschaftler, die der Kernenergie gegenüber skeptisch eingestellt sind, an der Durchführung des Forschungsprogramms „Reaktorsicherheit" zu beteiligen.
Das Vorhaben des Instituts für Energie- und Umweltforschung - IFEU - wird im übrigen nicht als Auftrag durchgeführt, wie von Ihnen angenommen, sondern im Rahmen einer Zuwendung gefördert. Die dafür eingeplanten finanziellen Mittel betragen 800 000 DM.
Im weiteren darf ich aus der Antwort an den Kollegen Dr. Riesenhuber vor diesem Hohen Hause vom 7. November 1979 nochmals in Erinnerung rufen und zitieren:
Bei der Vergabe von Forschungsaufträgen achtet die Bundesregierung darauf, daß die technischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für die sachgerechte Durchführung gegeben sind und somit ein erfolgreicher Abschluß des Auftrages erwartet werden kann. In dem hier vorliegenden Fall wurden diese Voraussetzungen vom Projektträger GRS ({0}) geprüft. Allerdings wurde hierbei die wissenschaftliche Qualifikation jedes einzelnen Mitarbeiters des Instituts ebensowenig wie in vergleichbaren anderen Fällen untersucht.
Die GRS hat die sicherheitstechnische Relevanz des Forschungsthemas bescheinigt und die Durchführung der beantragten Arbeiten empfohlen.
Das dreijährige Vorhaben wird vom Projektträger während der gesamten Laufzeit wissenschaftlich begleitet und die Forschungsergebnisse ebenso kritisch hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Aussage geprüft, wie dies auch in anderen Fällen üblich ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung also nicht die Tatsache berücksichtigt, daß gerade die radioökologischen Gutachten und Arbeiten von maßgeblichen IFEU-Mitarbeitern in den vergangenen Jahren von Verwaltungsgerichten als unerheblich betrachtet und in Stellungnahmen von Universitätsinstituten, der Strahlenschutzkommission sowie Wissenschaftlern an Forschungsanlagen als Elaborate beurteilt wurden, die fachlich nicht haltbar sind, krasses Unwissen offenbaren und gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen?
({0})
Herr Kollege Dr. Laufs, ich habe eben dargestellt, die Bundesregierung ist der Meinung, daß wir uns darum bemühen müssen, die öffentliche Kernenergiediskussion wesentlich zu versachlichen und zu entspannen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß hier der Projektträger, die GRS, die Beurteilung vorgenommen hat. Der Antrag wurde dort von dem in Rede stehenden Institut gestellt. Er paßte in den gesamten Rahmenkatalog, der für die Untersuchungen aufgestellt wurde. Das Vorhaben wurde uns dann in einer Sammelliste zur Zustimmung vorgelegt. Dies ist wie bei vergleichbaren Anträgen üblich. Hier haben vorher Fachleute ihr Urteil abgegeben. Wir glauben, daß das dann auch so in Ordnung ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich dieser Ihrer Antwort entnehmen, daß es der Bundesregierung bei der Vergabe dieser Forschungszuwendungen nicht um die zu erwartenden
wissenschaftlichen Ergebnisse, sondern um die Begünstigung von Kernenergiegegnern ging?
Herr Kollege Laufs, das können Sie aus meiner Antwort nicht entnehmen. Ich verwahre mich gegen das, was Sie eben dargestellt haben.
Sie wissen genausogut wie ich, daß der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen in einem sehr großen, sehr offen geführten und meines Erachtens sehr verdienstvollen Hearing Befürworter und Kritiker der Kernenergie hat zu Wort kommen lassen. Wir glauben, daß es notwendig ist, z. B. auch in diesem Bereich so etwas durchzuführen.
Was die wissenschaftliche Qualifikation des einzelnen Wissenschaftlers des Instituts betrifft, Herr Dr. Laufs, habe ich ja soeben ausgeführt, daß bei vergleichbaren Projekten eine Überprüfung nicht stattgefunden hat und auch in Zukunft nicht stattfinden wird. Hier hat der Projektträger die Prüfung des Zu17334
wendungsempfängers im Auftrage des Bundesministers für Forschung und Technologie durchgeführt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe Frage 39 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:
Hält die Bundesregierung die Ungleichbehandlung von Autofahrern mit gleicher Fahrvergangenheit durch Regionalklassen und Berufsgruppentarife in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für gerechtfertigt, und sieht sie gegebenenfalls Möglichkeiten, das Prinzip des sozialen Ausgleichs in einer solchen Pflichtversicherung durch Unterbindung von regionalen oder beruflichen Versichertengemeinschaften zu gewährleisten?
Die regionale und berufsständische Gliederung der Tarife in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ergibt sich aus der Anwendung des Pflichtversicherungsgesetzes. Die Prämienunterschiede entsprechen den Unterschieden im Schadensbedarf der jeweiligen Berufsgruppen bzw. Regionen. Der Schadensbedarf wird für alle Gruppen und Regionen nach den gleichen Grundsätzen ermittelt.
Die individuelle Fahrvergangenheit wird bei allen Versicherungsnehmern einheitlich durch den Beitragssatz berücksichtigt, der nach der Dauer der Schadensfreiheit gestaffelt ist. Die Prämienunterschiede führen daher nicht zu einer Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer.
Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, das geltende System der Tarife in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zu ändern. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 des Pflichtversicherungsgesetzes soll in der Haftpflichtversicherung sichergestellt werden, daß der Versicherungsschutz zu einem angemessenen Beitrag gewährt wird. Es liegt im Interesse einer möglichst gerechten, am Umfang des zu deckenden Risikos ausgerichteten Prämiengestaltung, daß abgrenzbaren Personengruppen mit einem nachweislich geringeren Schadensbedarf eine Deckung ihres Haftpflichtrisikos in besonderen Versichertengemeinschaften gestattet wird.
Diese Regelung widerspricht nicht dem Prinzip des sozialen Ausgleichs, weil jede abgrenzbare Personengruppe, bei der solche Voraussetzungen vorliegen, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen kann.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung auf die Dauer für gerechtfertigt, wenn heute in der Bundesrepublik, je nachdem, in welcher Region der Betreffende seinen Wohnsitz hat, trotz gleichen Schadensanfalls und gleicher Fahrleistung Beitragsunterschiede von über 50 v. H. bestehen und wenn das gleiche auch für bestimmte Berufsgruppen gilt?
Herr Kollege, ich möchte eigentlich nur noch einmal auf meine Antwort verweisen und betonen, daß wir dieses System für gerecht halten und daß es uns nicht möglich ist, ein gerechteres System zu entwickeln. Wir sind aber selbstverständlich auch jederzeit bereit, veränderten Erkenntnisse Rechnung zu tragen, wenn sie auf einer entsprechend gesicherten Basis einer Neuregelung zugrunde gelegt werden könnten. Das ist im Augenblick nicht der Fall.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung selbst bemühen, entsprechende Basisdaten zu ermitteln, damit bundesweit Vergleiche zwischen den einzelnen Regionen und den einzelnen Berufsgruppen möglich werden?
Das geschieht.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny.
Herr Staatssekretär, ich verstehe, daß man am Ende einer Legislaturperiode mit einer so heiklen Frage wie der Kfz-Versicherung äußerst vorsichtig umgeht. Darf ich trotzdem versuchen, Sie etwas herauszufordern, und fragen: Was machen Sie denn mit einer großen Gruppe von Kraftfahrern, nämlich den Frauen, bei denen die Schadenshäufigkeit erwiesenermaßen geringer ist als bei den Männern? Müßte man hier nicht eine besondere Autoversicherung für Frauen einführen, die günstiger gestaltet ist als die für Männer?
Frau Kollegin Martiny, ich habe gedacht, Sie streben die Gleichberechtigung an.
({0})
Frau Kollegin, in meiner Eigenschaft als Junggeselle würde ich Ihnen gern zustimmen, aber als Vertreter der Bundesregierung sehe ich keinen Ansatzpunkt dafür.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 40 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Versicherungsunternehmen im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Verwaltungskosten durch Risikoüberschüsse und Zinsgewinne aus Kapitalanlagen finanzieren, und welche Möglichkeiten sieht sie, den Versicherten die ihnen zustehenden Überschüsse zukommen zu lassen?
Die Verwaltungskosten der Versicherungsunternehmen werden im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht durch Risikoüberschüsse und Zinsgewinne aus Kapitalanlagen finanziert. Die Versicherungsunternehmen sind nach der Verordnung über die Tarife in der Kraftfahrtversicherung verpflichtet, für jedes Kalenderjahr eine Gegenüberstellung ihrer Erträge und Aufwendungen der Genehmigungsbehörde vorzulegen und einen sich daraus ergebenden technischen Überschuß, soweit er 3 v. H. der verdienten Beiträge überschreitet, nach bestimmten
Modalitäten an die Versicherungsnehmer zurückzuvergüten. Bei der Ermittlung des technischen Überschusses oder Fehlbetrages dürfen keine höheren als die im Tarif kalkulierten Verwaltungskosten berücksichtigt werden.
Die Versicherungsunternehmen sind in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bereits seit 1978 nach der Tarif-Verordnung verpflichtet, bestimmte Reinzinserträge aus Schadensrückstellungen und Beitragsüberträgen an die Versicherungsnehmer auszuschütten. Auf Grund dieser Vorschriften haben die Versicherungsnehmer im Jahre 1979 von den Reinzinserträgen des Jahres 1978 insgesamt 122 Millionen DM erhalten. Dieser Betrag ist bis auf Restbeträge an die Versicherungsnehmer ausgeschüttet worden. Die Restbeträge werden bei den Versicherungsunternehmen für künftige Ausschüttungen angesammelt. Die Verwendung der Zinserträge im einzelnen ist im Bundesanzeiger Nr. 38 vom 23. Februar 1980 veröffentlicht.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß das gegenwärtige Verfahren wenig transparent ist und daß es für den Versicherten am Markt überschaubarer wäre, wenn es eine Trennung nach Dienstleistungskosten und nach wirklich benötigter Prämie für die eigentliche Versicherung geben würde?
Ich meine, daß das Verfahren so transparent wie möglich gestaltet ist, daß es aber sehr kompliziert ist und daß deshalb für den einzelnen Versicherungsnehmer hinsichtlich der Transparenz sicherlich Probleme entstehen. Wir haben uns jedenfalls sehr darum bemüht, hier eine faire Regelung zu finden. Ich meine, sie ist damit gefunden worden. Auf die Spezialfrage, die Sie stellen, muß ich aus Mangel an detaillierter Kenntnis die Antwort schuldig bleiben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es richtig wäre, von seiten der Bundesregierung, die sehr um Markttransparenz bemüht ist, entsprechende Überlegungen mit dem Ziel anzustellen, die Übersichtlichkeit für den Verbraucher, für den Kunden noch zu verbessern?
Ich werde diese Frage gern zum Anlaß nehmen, darüber im Ministerium noch einmal zu sprechen. Ich werde Ihnen das Ergebnis unserer Überlegungen darüber, ob noch mehr Transparenz geschaffen werden kann, in einer Stellungnahme zugehen lassen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny-Glotz, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Japan die Versicherungsprämien bei der Kraftfahrzeugversicherung in der Weise ausgewiesen werden, wie es der Kollege Heyenn hier angesprochen hat, und könnten Sie sich vorstellen, daß man diese Regelung vielleicht
auch auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen kann?
Mir ist die japanische Regelung nicht bekannt, aber ich werde diese Information ebenfalls im Ministerium untersuchen lassen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Czaja auf:
Kann der Bundeswirtschaftsminister nach den Gesprächen mit dem Vizeministerpräsidenten der Volksrepublik Polen zu den Forderungen nach weiteren Kreditbürgschaften ({0}) versichern, daß der Bürge vor Verlusten weiterhin gesichert ist, trotzdem die Volksrepublik Polen durch 40 Milliarden DM Auslandsschulden sowie einem 1980 fälligen Schuldendienst von mindestens 8 Milliarden DM überbelastet ist ({1}), und hat er als Voraussetzung für die schweren Risiken die von der Bundesregierung wiederholt in Aussicht gestellte und völkerrechtlich berechtigte Gewährleistung des menschenrechtlichen Mindeststandards für Deutsche durch die polnische Verwaltung zugesichert erhalten?
Der Bundesminister für Wirtschaft hat nach seinen Gesprächen mit Vertretern der polnischen Regierung im März und April dieses Jahres keinen Anlaß, zu vermuten, daß Polen Kreditbürgschaften in Anspruch nehmen möchte, ohne den daraus erwachsenden Verpflichtungen nachkommen zu wollen und zu können. Im übrigen beziehen sich die von Ihnen genannten Zahlen in erster Linie auf Kredite der Banken, die ohne Bürgschaften in eigener Verantwortung und nach gründlicher Abwägung des Risikos gewährt werden.
Über die im zweiten Teil Ihrer Frage angesprochene Problematik der Behandlung von Deutschen durch die polnische Administration hat der Bundeswirtschaftsminister bei seinem Treffen, bei dem es um Wirtschaftsfragen ging, nicht gesprochen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da es keinem Zweifel unterliegt, daß die Staatsbürgschaften der Bundesrepublik Deutschland für die Volksrepublik Polen bzw. die Banken, die Kredite geben, 4 Milliarden DM übersteigen und andererseits der Schuldendienst der Volksrepublik Polen nach auch von Ihnen unwidersprochenen Darlegungen der „Financial Times" im Jahre 1980 8 bis 14 Milliarden DM beträgt, frage ich Sie, ob das bei Umschuldungen nicht zu Kollisionen der Lieferungsverpflichtungen und zu Bankrottsituationen führt, deren Kosten über die Bürgschaften auch vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden müssen.
Herr Kollege, ich kann keine der Zahlen, die Sie hier genannt haben, bestätigen. Entnehmen Sie also meinem Schweigen nicht meine Zustimmung! Die wirtschaftliche Zukunft Polens beurteilen wir trotz der gegenwärtigen Verschuldensprobleme mittelfristig gerade auf Grund des großen Rohstoffreichtums Polens positiv, und deshalb sehen wir bei Anlegung. des üblichen Maßstabes bei der Bürgschaftsgewährung für die von Ihnen geäußerten Befürchtungen keinen be17336
gründeten Anlaß. Ich weise darauf hin, daß das Thema „Umschuldung" nicht zur Diskussion steht und auch nicht Gegenstand der Gespräche der polnischen Regierung mit dem Bundeswirtschaftsminister war.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, zum zweiten Teil der Frage: Warum scheut sich die Bundesregierung, die nach internationalem Deliktsrecht zulässige und nach dem Grundgesetz gebotene Nutzung des wirtschaftlichen Gewichts zugunsten des menschenrechtlichen . Mindeststandards Deutscher in die Waagschale zu werfen, angesichts der Schutzpflicht, die das Grundgesetz gebietet, und der Verpflichtung des Politischen Menschenrechtspaktes?
Weil wir der Überzeugung sind, daß die Verknüpfung dieser Fragen uns wirtschaftliche Nachteile eintragen und trotzdem den Menschen nicht helfen würde. Wir haben ein eigenes großes Interesse an diesen wirtschaftlichen Beziehungen. Wir verfolgen unabhängig davon mit großem Nachdruck die humanitären Zielsetzungen, die wir hier mehrfach dargelegt haben.
Im übrigen verweise ich darauf, daß einige wesentliche andere Industrieländer der westlichen Welt hinsichtlich der Gewährung von Krediten an Polen der Zahl nach über uns liegen, daß also die Risikoeinschätzung auch in anderen Ländern ähnlich gesehen wird wie in der Bundesrepublik, nämlich mit der Zuversicht, daß Polen seine derzeitigen Schwierigkeiten überwinden wird und daß es sich um Schwierigkeiten handelt, die sich vor allem in den Jahren 1980 und 1981 konzentrieren werden, daß aber in der Zukunft mit einer Aufwärtsentwicklung zu rechnen ist, die sich in vielen Bereichen, gerade auch im Handel mit der Bundesrepublik Deutschland, schon abzeichnet, nämlich Abbau des sehr hohen Handelsbilanzdefizites, das bisher die Beziehungen zu Polen gekennzeichnet hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 42, 43, 4 und 5 sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir haben noch drei Minuten.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Fröhlich zur Verfügung.
Die Fragen 15, 18, 19, 24 und 25 sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 10 - des Herrn Abgeordneten Bühling - auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Praxis zu überprüfen, wonach Staatsangehörige von Entwicklungsländern ({0}) trotz Erfüllung aller übrigen Voraussetzungen dann nicht eingebürgert werden können, wenn sie innerhalb von fünf Jahren nach Einreise eine Berufsausbildung oder -weiterbildung aufgenommen haben?
Herr Abgeordneter, ich bitte wegen des Sachzusammenhangs, beide Fragen zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Einverstanden?
({0}) Dann rufe ich auch Frage 11 auf:
Wird die Bundesregierung dabei gegebenenfalls auch den Umstand berücksichtigen, daß die in Betracht kommenden Ausländer bei Kenntnis dieser Praxis fünf Jahre an einer Aus- oder Weiterbildung gehindert werden oder bei Unkenntnis dieser Praxis viele Jahre später durch Verweigerung der Einbürgerung für ihren - grundsätzlich anzuerkennenden und nützlichen - Willen zur beruflichen Qualifizierung und Weiterbildung „bestraft" werden?
Sie greifen mit Ihrer Frage aus dem sehr komplexen Bereich der Berücksichtigung entwicklungspolitischer Belange im Einbürgerungsverfahren eine Detailregelung heraus, deren Verständnis die Darlegung des Gesamtzusammenhangs erfordern würde. Das würde den Rahmen dieser Fragestunde sprengen. Ich bin gerne bereit, Ihnen dazu eine schriftliche Gesamtinformation zustellen zu lassen. Ich beschränke mich auf die Darstellung einiger grundsätzlicher Positionen.
Herr Abgeordneter, die derzeitige Einbürgerungspraxis ist zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Sie geht davon aus, daß der Einbürgerung von Angehörigen aus Entwicklungsländern entwicklungspolitische Bedenken entgegenstehen, wenn diese hier im Rahmen der personellen Entwicklungshilfe eine Aus- oder Weiterbildung erfahren haben.
Dieser Grundsatz gilt aber nicht in folgenden Fällen: 1. für Angehörige der sogenannten zweiten Ausländergeneration, 2. für eine lediglich berufsbegleitende Aus- oder Weiterbildung, 3. für Personen, die die Aus- oder Weiterbildung erst nach Heirat mit einem Deutschen aufgenommen haben, und schließlich nicht für den Fall, daß die Aus- oder Weiterbildung nach fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet begonnen wurde.
Durch die letztgenannte Regelung werden, wie ersichtlich, schon gar nicht die Angehörigen der zweiten Ausländergeneration, aber auch nicht die Angehörigen der ersten Generation aus den Entwicklungsländern an der Aus- oder Weiterbildung gehindert. Allerdings ist die Inanspruchnahme von Aus- oder Fortbildungsplätzen gegenüber deutschen Mitbewerbern und nicht zuletzt auch gegenüber den Entwicklungsländern selber nur dann zu rechtfertigen, wenn die Betreffenden entsprechend den Zielen der Entwicklungshilfe in ihre Heimatländer zurückkehren.
Wenn von diesen Grundsätzen nach einem fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet generell eine Ausnahme gemacht wird, kann hierin keine Bestrafung, sondern nur ein Entgegenkommen gegenüber dem betroffenen Personenkreis gesehen werden. Eine Änderung dieser Praxis hält die Bundesregierung daher derzeit für nicht erforderlich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht - auch angesichts des komplexen Sachverhalts, den Sie hervorheben -, daß es besser wäre, die Grundsätze, die Sie eben zum Teil vorgetragen haben, einmal im Zusammenhang zu veröffentlichen, damit sie nicht nur Abgeordnete verstehen, für die das offenbar schon schwierig ist, sondern auch die Betroffenen?
Ich halte das für eine dankenswerte Anregung, Herr Abgeordneter. Wir werden darüber nachdenken.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann schließe ich die Fragestunde.
Meine Damen und Herren, bevor ich den Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, muß ich zu Punkt 3 der Tagesordnung noch etwas nachholen. Am Schluß der Beratungen des Punktes 3 der Tagesordnung ist kein Beschluß über die Nr. 2 der Beschlußempfehlung des Ausschusses gefaßt worden. Darin empfiehlt der Ausschuß, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Kein Widerspruch. Es ist also so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Pieroth, Vogt ({0}), Dr. Barzel, Dr. Biedenkopf, Dr. von Bismarck, Dr. Blüm, Breidbach, Dr. Dregger, Feinendegen, Dr. George, Hasinger, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Höpfinger, Katzer, Kraus, Dr. Kunz ({1}), Link, Dr. Möller, Müller ({2}), Müller ({3}), Dr. Pinger, Prangenberg, Schmidhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Sprung, Dr. Waffenschmidt, Frau Will-Feld, Dr. Zeitel, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger betrieblicher Gewinn- und Kapitalbeteiligung
- Drucksache 8/1565 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/3916 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({5})
- Drucksache 8/3915 Berichterstatter:
Abgeordnete Rapp ({6}) Pieroth
({7})
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Hemmnisse für die Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer
- Drucksache 8/1418 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/3916 -
Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({9})
- Drucksache 8/3915 Berichterstatter:
Abgeordnete Rapp ({10}) Pieroth
({11})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Pieroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der schriftliche Ausschußbericht bringt eine ausführliche Darstellung des Ergebnisses der Beratungen der Ausschüsse. Der Verlauf der Beratungen, die in nicht unerheblichen Teilen grundsätzliche Kontroversen brachten, sowie die Position der Ausschußminderheit im Verlauf dieser Beratungen konnten naturgemäß im schriftlichen Ausschußbericht nicht ausführlich behandelt werden. Ich möchte deshalb einige Ergänzungen dazu bringen.
Der Ausschußminderheit war von der Ausschußmehrheit ein eigener Gesetzentwurf angekündigt worden. Ursprünglich wurde die Vorlage der Ausschußminderheit mit dem Hinweis abgelehnt, man bereite eine bessere Alternative vor. Dazu ist es dann nicht gekommen. Zuletzt wurden die Gesetzentwürfe der Ausschußminderheit mit dem Argument abgelehnt, sie seien nicht finanzierbar - so im schriftlichen Auschußbericht.
Dieser Auffassung hat sich die Minderheit nicht angeschlossen. Vielmehr - erklärte die Minderheit - wolle sie ihre Tradition der Eigentumspolitik fortführen und jetzt die Lücke schließen, die nach der Förderung des Geldsparens, des Bausparens und der Belegschaftsaktien noch zu schließen sei. Die Minderheit sieht es als die große Aufgabe an, durch Gewinn- und Kapitalbeteiligung, durch Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand eine zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft zu beginnen. Nach Wohlstand für alle gehe es jetzt um Eigentum für jeden.
Die Minderheit hat immer wieder betont, daß so das sozial Erwünschte mit dem wirtschaftlich Notwendigen verbunden werden könne. Wirtschaftlich Notwendiges, das ist die Beseitigung - erstens - der Benachteiligung der kleinen und mittleren Un17338
ternehmen gegenüber den großen durch Ausdehnung des Belegschaftsaktienprivilegs auch auf die mittleren und kleinen Unternehmen. Wirtschaftlich notwendig ist eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung und der Risikotragfähigkeit unserer Unternehmen, also eine Stärkung des Wettbewerbs, der konjunkturellen Unempfindlichkeit und damit die Entschärfung der Verteilungskämpfe, d. h. eine Entlastung der Lohnpolitik, wie es der Sachverständigenrat vorgeschlagen habe, mit der Folge größerer Sicherheit der Arbeitsplätze.
Bezüglich des sozialpolitisch Gewünschten wurde gesagt, die Sozialpartnerschaft im Betrieb und die Sozialpartnerschaft zwischen den Tarifvertragsparteien könnten verbessert werden. Die Versuchung zu einem neuen Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital könne so abgewehrt werden. Die Interessen beider Seiten könnten zusammengeführt werden. Es gebe mehr Kapital für die Unternehmen, mehr Sicherheit für die Arbeitsplätze, zugleich mehr Einkommen für die Arbeitnehmer. Im Rahmen einer solchen Partnerschaft könne der Vorteil des einen auch der Vorteil des anderen sein, und alle hätten am Ende mehr davon.
Die Ausschußminderheit hat betont, daß grundsätzlich alle Arbeitnehmer in allen Unternehmen in möglichst allen gesellschaftsrechtlichen Formen beteiligt werden sollten, wenn auch nicht alle von heute auf morgen und nicht alle in gleichen Beträgen. Es solle keinerlei Druck auf die Betriebsräte, die Unternehmensleitungen und die Tarifpartner ausgeübt werden. Vielmehr solle ein Suchprozeß verstärkt werden, den rund 800 Unternehmen mit über 800 000 Arbeitskräften mit großem Erfolg bereits beschritten hätten.
Die Ausschußmehrheit hat im wesentlichen drei Einwände. Erstens bestünden ungelöste Bewertungsprobleme bei den nicht börsennotierten Beteiligungen. Die Minderheit wies darauf hin, daß der Verkauf von Unternehmensanteilen am Markt seit Jahrzehnten problemlos laufe. Die Mehrheit im Ausschuß hat nicht vorgetragen, warum angesichts der steuerlichen Korrekturen, die die Minderheit vorgeschlagen hat, solche Bewertungen in Zukunft nicht auch für Arbeitnehmer möglich sein könnten. Die Ausschußmehrheit hat auch nicht vorgetragen, warum für die große Zahl der daraus entstehenden Fälle auf Dauer durch die Praxis keine Vereinfachungen gefunden werden könnten.
Die Ausschußminderheit kam dann der Mehrheit einen Schritt entgegen, indem sie vorschlug, die ganz wenigen strittigen Fälle aus der Initiative herauszunehmen und wenigstens die vielen unstrittigen Fälle zu verabschieden. Darauf war die Ausschußmehrheit nicht eingegangen.
Der zweite Einwand, die Tariffähigkeit sei nicht gegeben, wurde von der Minderheit dadurch beantwortet, daß nach dem 624-DM-Gesetz schon heute grundsätzlich Tariffähigkeit gegeben sei, zumindest bezüglich Beteiligungen in Kapitalanlagegesellschaften. Solche Beteiligungen seien gemäß § 2 Abs. 1 a des 624-DM-Gesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Sparprämiengesetzes bereits nach
der heutigen Rechtslage förderungsfähig. Durch Beseitigung der steuerlichen Hürden und durch Aufnahme der stillen Beteiligungen anderer gesellschaftsrechtlicher Formen in den Katalog des 624-DM-Gesetzes würde so der Spielraum für die Tarifvertragsparteien noch erweitert.
Das werde, wie die Ausschußminderheit sagte, auch von den Tarifvertragsparteien so gesehen. Die Minderheit konnte deshalb darauf hinweisen, daß z. B. aus der Bauwirtschaft die Bereitschaft signalisiert wurde, tarifvertragliche Rahmenvereinbarungen zur Vermögensbildung zu treffen, wenn nur die entsprechenden rechtlichen Schritte im Sinne der Gesetzgebungsinitiative der Minderheit eingeleitet würden.
Dagegen stand, wie von der Minderheit vorgetragen, die konsequente Ablehnung dieser Gesetzesinitiative der Minderheit durch eine andere Industriegewerkschaft. Die Minderheit erklärte, nicht die fehlende Tariffähigkeit, sondern der fehlende Wille einer großen Industriegewerkschaft sei dafür verantwortlich, wenn es in dem vorliegenden schriftlichen Ausschußbericht heiße - ich zitiere -, „die Mehrheit strebe ein Alternativkonzept an, das den Belangen der Gewerkschaften Rechnung trage".
Auf diesen Einwand hin mußte die Minderheit darauf hinweisen, daß das ein eigenartiges Parlamentsverständnis sei, daß das Parlament nicht den Belangen einer Gewerkschaft Rechnung zu tragen habe, zumal es keine einheitliche Gewerkschaftsmeinung gebe; das Parlament habe vielmehr die Aufgabe, den Willen des Volkes zu repräsentieren und die Wünsche der Bürger zu realisieren. Die Minderheit hob hervor, daß, wie eine Befragung ergeben habe, 75 % der deutschen Arbeitnehmer solche Beteiligungen, wie von der Minderheit vorgeschlagen, wollten und daß dem deshalb Rechnung zu tragen sei.
Die Minderheit hat auch vorgerechnet, daß allein in den zwei Jahren, in denen die Gesetzentwürfe der Minderheit hier im Hohen Hause beraten wurden, pro Arbeitnehmer im Durchschnitt 1 024 DM verlorengegangen seien.
Der dritte und letzte Einwand schließlich, der neue offizielle Hauptgrund für die Ablehnung, war das Schreiben des Finanzministers, die Vermögensbildung sei nicht finanzierbar. Damit hat die Mehrheit eindeutig klargestellt, wie die Minderheit in den Ausschußberatungen vorbrachte, daß die Ankündigung der Regierungskoalition vom 16. Dezember 1976 nicht mehr realisiert werden könne. In dieser Regierungserklärung des Bundeskanzlers war angekündigt worden, man werde den Anlagekatalog des 624-DM-Gesetzes erweitern, „um verstärkt auch Beteiligungen an Unternehmen zu ermöglichen".
Die Minderheit nannte die Berufung auf finanzielle Risiken eine Ausrede. Sie machte geltend, hier würde schließlich kein neuer Sozialtransfer geschaffen, sondern nur eine neue notwendige Sparform unterstützt. Die Minderheit im Ausschuß trug vor, die Steuerausfälle blieben in Grenzen, wenn man berücksichtigt, daß allein die Firma Hoesch
in Dortmund einmalig die Hälfte des Betrages gegeben werde, den nach Berechnungen des Finanzministers diese Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand in einem Jahr kosten würde. Außerdem wurde dargetan, daß die Sicherung der Arbeitsplätze durch Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand sinnvoller erscheine als eine regelmäßige Subvention von Großunternehmen.
Die Minderheit hat klargestellt, daß die Belastungen in Folge der Afghanistan-Krise kein stichhaltiger, Grund seien; die Vermögensbildung - so die Minderheit - sollte gerade jetzt die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die Sozialpartnerschaft stärken und sei so ein Stück sozialer Friedenspolitik.
({0})
Wünscht noch ein weiterer Berichterstatter das Wort. - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter von der Heydt.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Fiasko der SPD/FDP-Regierung auf dem Gebiete der Vermögenspolitik ist nach meiner Erberzeugung in mehrfacher Hinsicht ein Skandal. Über Jahre - inzwischen ist es ein Jahrzehnt - hat man verbale Versprechungen, Ankündigungen, herzenserwärmende Bekenntnisse von sich gegeben, die heute, an diesem 13. Mai, nun zu Grabe getragen werden, und zwar in zweiter Lesung hier im Plenum vor schwach besetztem Hause; es sind fast mehr Zuschauer auf der Tribüne als Abgeordnete im Saal.
({1})
- Herr Kollege Kühbacher, ich bedaure, daß dieses wichtige Thema hier -
Herr Abgeordneter Kühbacher war es nicht.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Wir haben Regierungserklärungen gehört, die ich hier nicht im einzelnen zitieren möchte, aber zitieren könnte, ausgehend von der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt 1969 bis zu der letzten Regierungserklärung von Bundeskanzler Schmidt am 16. Dezember 1976. Wir haben Koalitionsbeschlüsse gehört, wir haben etwas über Ressortgespräche erfahren, wir haben von Chefgesprächen gehört, wir haben Interviews gelesen, wir haben öffentliche Reden vor allen möglichen Gremien gehört,
({1})
und immer wieder ist zehn Jahre lang beteuert worden: Wir werden das machen, wir brauchen eine Verbreiterung des Produktivkapitals in Arbeitnehmerhand, das ist eine sehr wichtige sozialpolitische Aufgabe. Und jetzt: nichts. Haben Sie uns, haben Sie sich selbst oder haben Sie alle miteinander getäuscht? Das ist die Frage.
Die Vermögenspolitik ist nicht nur Sozialpolitik. Gute Sozialpolitik besteht eben auch nicht nur in staatlicher Transferpolitik, sondern besteht zunächst einmal vor allem in einer guten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik aus einer Hand, und das trifft ganz besonders für die Vermögenspolitik zu.
Die Ziele der Vermögenspolitik sind: verbesserte Existenzsicherung, Erweiterung des individuellen Freiheitsspielraums, Verbesserung der Lebensverhältnisse des einzelnen, größere soziale Gerechtigkeit der Wirtschaftsordnung, damit sich jeder Bürger mit dieser Gesellschaftsordnung zu identifizieren vermag. Sie bedeutet bessere Sicherung der Arbeitsplätze, bessere Investitionsfähigkeit sowie Steigerung der Produktivität und der Innovationsbereitschaft. Dies sind im Grunde genau dieselben Zielsetzungen, die auch als Argumente für den Ausbau des Netzes der sozialen Sicherung in unserem Lande angeführt werden.
Nun müssen wir Sie ja an Ihren Taten messen und können es nicht dabei bewenden lassen, uns an den schönen Worten zu ergötzen. Was sind - über das ganze Jahrzehnt - die Taten? Gesetz zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, 1970. Dann erhält das Zweite Gesetz die Bezeichnung „Drittes Gesetz", eine fabelhaft glorreiche Tat, eine große Reform. Dann: Einbeziehung der Versicherungssparer. Dann haben wir die Einführung von Einkommensgrenzen - 24 000 DM, 48 000 DM - gehabt, die seither unverändert geblieben sind. Dann haben wir die Beseitigung der früheren Steuerfreiheit der vermögenswirksamen Leistungen und statt dessen die Einführung der Sparzulagen - „einen Akt der Gleichmacherei" - bekommen, und dann haben wir die Erhöhung der begünstigten Höchstbeträge auf 624 DM, wie auch von uns gefordert, bekommen. Letzteres war im Grunde die einzige vermögenspolitische Leistung, die diese Regierung für sich in Anspruch nehmen kann, eine Leistung, die im übrigen auch unbestritten war.
Weiter könnte ich aufführen: Einkommensteuerreformgesetz, Einführung der Einkommensgrenzen auch bei der Sparförderung und bei der Wohnungsbauprämie; dann 1974 Einführung der Kinderadditive, dann 1977 das Steueränderungsgesetz 1977 mit der Abkürzung der Festlegungsfristen bei Arbeitslosigkeit; schließlich 1978 das Steueränderungsgesetz 1979 mit der Halbteilung der Kinderadditive bei nicht intakten Familien. Das ist, gemessen an allen Ankündigungen dieser beiden Regierungen und ihrer Mitglieder zu den verschiedensten Zeiten, ein ganz schmähliches Ergebnis.
Vergleichen Sie das einmal mit den gesetzgeberischen Initiativen meiner Fraktion in dieser Zeit. Wir haben 1970 den Gesetzentwurf über den Beteiligungslohn eingebracht, ein umfassendes Gesetz, über das man zugegebenermaßen streiten kann, das aber ein wirklich konzeptionelles Angebot war, was auf diesem Gebiet an Schritten nach vorn hätte getan werden können. 1972: Entwurf eines Gesetzes
von der Heydt Freiherr von Massenbach
zur Förderung der Unternehmensbeteiligung, Antrag betreffend betriebliche Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer. 1975: Antrag betreffend Förderung der betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer, ein weiterer Gesetzentwurf. Und jetzt werden auch diese beiden letzten Gesetzentwürfe meiner Fraktion und des Bundesrates abgelehnt.
Erst dann, wenn man einmal von den munteren Reden absieht und diese Taten miteinander vergleicht, wird richtig deutlich, wie fundamental wir uns in diesen Dingen in Wahrheit voneinander unterscheiden. Ich glaube nicht, daß nur das Unvermögen, sich zu einigen, bewirkt hat, daß die .Ankündigungen der SPD/FDP-Regierung nicht verwirklicht worden sind. Ich glaube vielmehr, daß die Bundesregierung nach ihrem jahrelangen Gackern nicht imstande war, ein Ei zu legen, weil sie einfach fundamentale Vorbehalte hat und sie von Anfang an hatte, sie sich aber nicht eingestanden hat.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Kühbacher, bitte.
Herr Kollege von der Heydt, würden Sie mir zustimmen, daß die Gesetzentwürfe, die Sie für die Opposition reklamiert haben, in jedem Fall Steuerausfälle für die öffentliche Hand - Bund, Länder und Gemeinden - zum Inhalt hatten, und würden Sie die Frage beantworten, warum die von Ihnen gewollte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen immer zu Ausfällen bei der öffentlichen Hand führen muß, d. h. Umverteilung - eine halbe Milliarde DM - von Staatseinnahmen unter dem Etikett „Beteiligung am Produktivvermögen" in Richtung Arbeitnehmer? Warum geht das nicht direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem die Arbeitgeber etwas abgeben und die Arbeitnehmer etwas bekommen, ohne daß der Staat hieran mit finanziellen Verlusten beteiligt werden muß?
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Kühbacher, lassen Sie mich meine Ausführungen machen. Ich komme auf diese Frage zu sprechen. Ich glaube, daß Ihr Ansatz im Denken völlig falsch ist. Das ist wahrscheinlich ein Grund dafür, warum Sie mit all diesen Konzepten nicht zu Potte kommen. Es geht nicht um Umverteilen, es geht nicht darum, Wohltaten auszustreuen, sondern es geht darum, eine andere Struktur anzulegen, die in sich produktiver ist. Ich bestreite Ihnen einfach, daß das, was Sie ausrechnen, was Herr Matthöfer angibt und was der Grund dafür sein soll, daß das jetzt nicht gemacht werden kann, weil es für die Bundeskasse zu teuer sei, tatsächlich stimmt. Wenn Sie tatsächlich die Investitionsfähigkeit steigern, indem Sie die Eigenkapitalquote stärken, indem Sie dadurch auch den Einfluß der Banken auf die Unternehmen senken und damit eine Stärkung der Investitionsfähigkeit bei den Unternehmen herbeiführen, die
Arbeitsplätze sichern, dann werden Sie eine größere Wachstumsrate bekommen und wahrscheinlich auch sehr viel mehr Steuereinnahmen für den Staat. Sie können das nicht immer nur in der Primärwirkung rechnen,
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sondern Sie müssen das in der Auswirkung auf das volkswirtschaftliche Gesamtgeschehen sehen.
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Ich will hier im übrigen anfügen, weil Sie danach fragen: Es ist keine Sache von Wohltaten, es ist auch nicht etwas, was der Staat in erster Linie prämieren sollte. Unser Gesetzentwurf will nichts anderes als die Möglichkeit, daß zwischen Unternehmen und ihren Belegschaftsmitgliedern, aber, wenn es recht ist, auch zwischen den Tarifparteien, freiwillig Regelungen getroffen werden, die von beiden Seiten gewollt sind. Alle steuerlichen und sonstigen dagegen bestehenden rechtlichen Hindernisse sollen weg. Sie könnten dem doch auch in Frieden zustimmen, wenn Sie bei dem Konzept, in dessen Richtung, wie ich glaube, im Grunde auch Herr Rosenthal möchte, nicht fundamentale Machtprobleme auch mit einzelnen Gewerkschaften hätten und wenn Sie das Ganze nicht durch die Brille betrachteten, wie es eben in Ihrer Frage durchgeklungen ist.
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Ich bin davon überzeugt, daß Ihr Nein zu diesen beiden Gesetzentwürfen auch ein Nein zu fundamentalen Interessen der Arbeitnehmer ist.
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Ich bin überhaupt nicht davon überzeugt, daß Sie diese Arbeitnehmerinteressen von denen der Wirtschaft insgesamt und von ominösen Kapitalinteressen trennen können. Wir trinken in dieser Hinsicht alle aus demselben Faß. Wir leben alle davon, daß wir eine florierende, vorwärtsgehende, innovative, investierende Wirtschaft haben, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, die produktiv sind und die sich im nationalen und im internationalen Wettbewerb halten können.
Wir leben davon, daß sich Arbeitnehmer soweit wie möglich mit ihrem Unternehmen identifizieren. Es gibt viele Beispiele dieser Art. Es gibt 800 Unternehmen, in denen 800 000 Arbeitnehmer - außerhalb der Aktiengesellschaften - freiwillig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, trotz all dieser Schwierigkeiten und Hindernisse, die das Steuergesetz und andere rechtliche Normen dem entgegenstellen. Wir möchten einfach, daß die Vorzüge der Belegschaftsaktionäre auch für die Arbeitnehmer gelten sollen, die in Unternehmen arbeiten, die eine andere Rechtsform haben.
Der einzelne Arbeitnehmer soll nach Ihrer Vorstellung, dessen bin ich sicher, überhaupt kein Produktivvermögen bilden, über das er frei verfügen kann; deswegen ja auch die Ideen mit diesen ominösen Fonds. Die Verbundenheit des Arbeitnehmers mit seinem Betrieb soll gar nicht gestärkt werden. Die SPD will vielmehr anonyme Fonds haben, auf die der einzelne Arbeitnehmer praktisch keinen
von der Heydt Freiherr von Massenbach
Einfluß hat. Er soll empfänglich bleiben für gewisse Parolen, die auf seine Solidarität zielen. Gleichzeitig soll ein Instrument geschaffen werden, mit dem man von außen noch stärker in die Betriebe hineinregieren kann. Es soll ein Instrument geschaffen werden, durch das man dem alten Ziel der SPD, nämlich der zentralen Investitionslenkung, wieder ein Stück näherkommt. Der SPD geht es nur um dieses Ziel. Die Interessen der einzelnen Arbeitnehmer sind ihr hierbei gleichgültig, sie bleiben auch auf der Strecke.
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Das wird aus Erklärungen besonders deutlich, die ich gar nicht einmal hier aus der SPD-Fraktion, sondern von einem berühmten Mann namens Eugen Loderer gehört habe. Er hat die Pläne zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer ein „soziales Täuschungsmanöver'' genannt. Mein Kollege Wolfgang Vogt hat ihm darauf, wie ich finde, sehr richtig geantwortet und sehr klar widersprochen mit dem Hinweis, daß abgesehen von dem diffamierenden Nebenton, der in dieser Äußerung liegt, die Behauptung, die da aufgestellt wird, von einem bedauerlichen Mißverständnis der Bedeutung zeugt, die die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital für die gesellschaftliche Stellung des Arbeitnehmers und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt in Wirklichkeit hat:
Wohlstand, also hohes Einkommen und hohe Löhne, sowie der Ausbau des Systems sozialer Sicherung setzen voraus, daß Kapital gebildet und produktiv investiert wird. Vollbeschäftigung setzt voraus, daß genug Arbeitsplätze geschaffen werden. Kapitalbildung und Investitionen sind hierfür die wirtschaftlichen Hebel. Die Bedingungen für eine breitere Kapitalbeteiligung und Eigenkapitalausstattung der Unternehmen müssen grundlegend verbessert werden. Das erfordert zugleich eine echte Vermögenspolitik, die zu mehr Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital führt. Persönlich verfügbares Eigentum erhöht zugleich die Freiheit und die Unabhängigkeit jedes einzelnen Arbeitnehmers.
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Nun versucht man mit jedem Schritt auf dem Weg einer individuellen Beteiligung am Produktivvermögen, das zu verhindern. Man weigert sich sogar, steuerliche Hemmnisse, die der individuellen Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrem Unternehmen oder an ihrer Unternehmensgruppe im Wege stehen, endlich zu beseitigen.
Der Bundesrats-Entwurf und, in etwas weitergehendem Maß, auch der Gesetzentwurf meiner Fraktion sind Versuche, auf dem bisherigen Weg einer individuellen Beteiligung am Produktivvermögen etwas weiterzukommen. Sie sind Versuche, diesen Weg von steuerlichen Dornen und von Hemmnissen zu befreien. Zugegebenermaßen sind sie noch keine allumfassende Lösung. Aber sie sind ein Schritt auf dem richtigen Weg und in die richtige Richtung, der mit der Begünstigung der Belegschaftsaktien von der CDU/CSU schon in den 50er Jahren - am 30. Dezember 1959 - gegen den Widerstand der SPD beschritten wurde. Diesen Weg
wollen wir - ich sagte es soeben schon - für alle Arbeitnehmer öffnen, zunächst einmal für die, die in wirtschaftlichen Unternehmen tätig sind, aber in der Hoffnung, das auf Bedienstete des öffentlichen Dienstes ausdehnen zu können, die etwa bei Wasserwerken und sonstigen Unternehmen tätig sind, an deren Kapital man sich nicht beteiligen kann.
Wir wären durchaus bereit gewesen, über weitere Verbesserungen der Gesetzentwürfe zu reden, etwa über die Einbeziehung von Investmentanteilen, wie sie von der FDP ins Gespräch gebracht worden ist. Wir wären auch bereit gewesen, über die Möglichkeit von Investmentfonds zu sprechen, die auch in stillen Beteiligungen anlegen dürfen - wenngleich ich persönlich diesen Weg für problematisch halte. Damit hätte man dem Gedanken der Risikostreuung Rechnung tragen können, der natürlich auch von uns gesehen wird. Wir haben in unserem Gesetzentwurf eine Risikoabsicherung der Arbeitnehmer ausdrücklich vorgesehen.
Zeit genug wäre in der Tat gewesen. Mehr als eineinhalb Jahre liegen diese Gesetzentwürfe dem Bundestag vor. Immer wenn wir sie auf die Tagesordnung des Finanzausschusses gesetzt hatten, kam der Gegenvorschlag: Ach laßt das doch noch einmal ein bißchen; wir sind noch nicht soweit; aber in vierzehn Tagen; die Chefs treffen sich wieder; jetzt sind wir nahe dran; da gibt es nur noch ein ganz kleines Problemchen usw. Wir haben dadurch viel Zeit verloren, auf der Ebene des Ausschusses die tatsächlichen technischen und sonstigen Probleme und Verfeinerungen so auszudiskutieren, wie es im Grund unsere Pflicht als deutsches Parlament wäre. Sie haben uns im Grund mit Ihren Ankündigungen hinters Licht geführt. Ich war immer davon überzeugt - viele von Ihnen wissen das; ich habe es Ihnen oft gesagt -, daß Sie über den Einwand der IG-Metall in Wirklichkeit nicht hinwegkommen.
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Wir wären auch bereit gewesen, über die angeblichen Bewertungsprobleme zu reden. Der Berichterstatter, mein Freund Pieroth, hat vorhin davon gesprochen, daß in der Praxis der Personengesellschaften ein Austausch von Kapitalanteilen unter Kommanditisten und stillen Gesellschaftern reibungslos funktioniert. Es ist ein Scheinargument, wenn hier gesagt wird, daß das ein Grund sei, warum man das nicht machen könne.
Ich sehe, das rote Licht leuchtet auf. Ich will Sie nicht länger mit meinen Ausführungen behelligen und zum Abschluß kommen. Ich will, Herr Präsident, wenn Sie mir ein oder zwei Abschlußsätze erlauben, noch eines abschließend sagen.
Die Soziale Marktwirtschaft, die ein Maximum an individueller Betätigungs- und Engagementmöglichkeit jedes einzelnen, aber auch jeder organisierten Gruppe ermöglicht, wird erst komplett, wenn wir auf dem Gebiete der Vermögenspolitik von unseren ewigen Reden wegkommen - damit meine ich insbesondere Sie hier auf der linken Seite des Hauses ({8})
von der Heydt Freiherr von Massenbach
und zu Taten übergehen, die sich an die Worte und Ankündigungen endlich anschließen: Wir werden nicht müde werden, dieses wichtige Thema, von dem wir glauben, daß es für alle Gruppen der Gesellschaft wichtig ist, weiter zu fördern, weiter Vorschläge zu machen und Sie aufzufordern, in dieser Frage endlich Farbe zu bekennen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Rapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst, Herr Kollege von der Heydt, meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß Sie sich bei Ihrer Rede nicht von der Regieanweisung haben leiten lassen, die am Sonntagabend an Sie ergangen ist. Nach der Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden heute früh hätte es auch anders kommen können.
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Ihre Polemik war maßvoll, Ihre Kritik war sachlich, wenngleich kaum stichhaltig. Es lohnt, sich mit Ihrer Rede auseinanderzusetzen.
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Ehe ich mich den Gesetzentwürfen zuwende, möchte ich eine orientierende Vorbemerkung machen.
Ich teile das Bedauern, daß wir die steuergesetzliche Flankierung der Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer im achten Bundestag nicht geschafft haben. Einsehbare Gründe sprechen dafür; ich gehe nachher darauf ein.
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Wenn jedoch die Opposition - nicht Sie, Herr von der Heydt immer wieder so tut, als liege es am Gesetzgeber, Produktivvermögensbildung in Arbeitnehmerhand überhaupt erst zu ermöglichen, als habe der Gesetzgeber sie zu gewähren oder zu versagen, dann ist das als Unsinn zurückzuweisen. Der Gesetzgeber ist lediglich zur steuerpolitischen Flankierung eines Vorgangs gefordert, der in der Tat ja stattfindet. Sie, Herr von der Heydt, haben die bemerkenswerten Erfolgszahlen dazu genannt.
Wer da meint, daß dieser Vorgang in noch größerem Umfang stattfinden sollte - der Meinung bin ich auch -, der möge sich fragen, ob dem nicht vielleicht gewisse Strukturprobleme unseres Kapitalmarkts - zum Beispiel die übermäßige Geldmarktabhängigkeit unseres Kapitalmarkts - viel stärker hemmend entgegenstehen, als meinetwegen die Enge des § 8 des Kapitalerhöhungssteuergesetzes, von dem hier die Rede ist. Ich finde es schon etwas merkwürdig, daß in keiner der beiden Reden auf diesen Sachverhalt und auf diesen Gesichtspunkt eingegangen worden ist. Wer über das Thema angemessen reden will, muß zum Beispiel die Kapitalmarktprobleme mit ansprechen.
Die Gesetzentwürfe des Bundesrates und der Opposition sind in einer ganzen Reihe von Punkten mangelhaft.
Erstens. Aus den Erfahrungen mit der Sparförderung wissen wir, daß nur tarifvertragsfähige Modelle breitenwirksam werden können. Die beiden Gesetzentwürfe von Opposition und Bundesrat bieten dazu keinen brauchbaren Ansatz.
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Wenn Sie für Ihr Modell Tarifvertragsfähigkeit behaupten, so kann es sich dabei nur um eine formale in dem Sinne handeln, daß Tarifverträge nicht geradezu ausgeschlossen sind. Greifen wird das nicht, weil sich die Gesetzentwürfe - zweitens - auf Formen betrieblicher Vermögensbeteiligung beschränken. Formale Tariffähigkeit wird nur dann von den Gewerkschaften als für sie attraktiv tatsächlich genutzt werden, wenn die Palette ein überzeugendes überbetriebliches Angebot enthält und damit echte Wahlmöglichkeit schafft.
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Drittens. Nur über überbetriebliche Lösungsansätze ist zu verhindern, daß ausgerechnet solche Arbeitnehmer von der Förderung ausgeschlossen bleiben, die ohnehin schon in ertragsschwachen Branchen und Firmen tätig sind.
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Viertens muß die Kumulation von Arbeitsplatz-
und Vermögensrisiko wirksamer begrenzt werden, als das in den beiden Gesetzentwürfen vorgesehen war.
Fünftens sehen diese Gesetzentwürfe auch Zuwendungen von GmbH- und Kommanditanteilen vor. Da solche Zuwendungen Arbeitslohn sind, müssen die Anteile wegen der enthaltenen stillen Reserven einkommensteuerlich bewertet werden. Beide Vorredner haben dazu langatmige Ausführungen gemacht. Aber die Antwort auf die naheliegende Frage, wie die Bewertung in einem Massenverfahren technisch machbar sein soll, sind sie schuldig geblieben.
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Sechstens. Für unlösbar halten wir auch das Problem, das sich daraus ergibt, daß jeder Kommanditist ist - folglich auch der Arbeitnehmerkommanditist - aus seinen gesamten Einkünften Gewerbesteuer zahlen muß. Nähme man die Arbeitslöhne aus, käme es mit Sicherheit in all den vielen anderen Fällen zu Berufungen, in denen ein Kommanditist auf Grund besonderer Rechtsverhältnisse für die Gesellschaft besondere Leistungen erbringt. Wie wollte man verhindern, daß Bezüge sogenannter normaler Kommanditisten in Arbeitnehmereinkünfte umfunktioniert werden? Es wäre dies gar nicht möglich. Vielleicht ist das Ganze als ein Umweg zu der auf direktem Weg nicht zu habenden Abschaffung der Gewerbesteuer gedacht.
Siebtens. Die Gesetzentwürfe sehen keine Einkommensgrenze vor. Wenn die Sache vermögenspoRapp ({7})
litischen Sinn machen soll, müßten die knappen staatlichen Fördermittel auf die Bezieher Meiner und mittlerer Einkommen konzentriert werden.
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Der Schlüsselbegriff zu verstärkter Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer aber heißt - ich wiederhole mich - Tarifvertragsfähigkeit. Um klipp und klar zur Sache zu kommen - Sie haben es mehrfach angesprochen -: Ob da überhaupt etwas läuft, hängt davon ab, wie sich die großen Gewerkschaften zur Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer stellen. Tarifvertragsfähigkeit heißt, daß zwei Unterschriften unter dem Vertrag stehen müssen.
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- Herr Pieroth, ich denke, daß ich Ihre Frage - ich glaube sie zu kennen - im Laufe meiner Ausführungen beantworten werde.
Herr Abgeordneter Rapp, sind Sie sicher, daß Herr Abgeordneter Pieroth das fragen wird, worauf Sie eingehen werden?
Würden Sie noch ein bißchen warten, Herr Pieroth, vielleicht erübrigt es sich.
Alles hängt davon ab, wie sich die Gewerkschaften zu dem Vorhaben einstellen. Daß sie gegen lediglich betriebsbezogene Modelle Vorbehalte haben, ist allgemein bekannt. Auch die anderen Gewerkschaften, die im Prinzip mitmachen, haben gegen lediglich betriebsbezogene Modelle Einwendungen.
Der Abbau steuerlicher Hemmnisse, über den allein hier gesprochen worden ist, ist eine Randfrage im Vergleich zu dem hier schlicht und einfach festzuhaltenden Faktum, daß die Gewerkschaften den Verdacht nicht loswerden, betriebsbezogene Beteiligungsmodelle hätten auch oder gar in erster Linie die Funktion, gewerkschaftliches Engagement der Belegschaften zu schwächen.
Man mag diese Befürchtung, diese Sorge für berechtigt halten oder auch nicht: Wer die Bedeutung starker und selbstbewußter Gewerkschaften für unsere Sozialordnung und die Arbeitsbeziehungen kennt, wird sie jedenfalls nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Aufarbeitung dieser Sorgen und Befürchtungen ist die eigentliche Aufgabe, die zum Ziel der Tarifvertragsfähigkeit der Gewinn- und Vermögensbeteiligung noch zu leisten ist. Wir Sozialdemokraten standen und stehen darüber mit den Gewerkschaften im Gespräch. Gerade darin läßt uns die Opposition leider im Stich.
({0})
Es kommt noch schlimmer: Wer die Arbeitnehmer eines Betriebs durch die Statuierung einer eigenständigen Vertretung sogenannter leitender Angestellter - „sogenannt" bezieht sich auf die vorgesehenen Merkmale - auseinanderdividieren und so die gewerkschaftlich-solidarische Vertretung aller Arbeitnehmer bewußt schwächen will,
darf sich nicht wundern, wenn Gewerkschafter auch hinter der betrieblichen Gewinn- und Vermögensbeteiligung, mit welchem inneren Recht auch immer, letztlich die Absicht wittern, daß sich das Ganze gegen sie, die Gewerkschaften, richtet.
({1})
Zum Abbau dieses Mißtrauens - die Grenzen zum Mißverständnis sind fließend - sind Sie mit aufgerufen. Dazu bedarf es eines rundum vertrauensbildenden Verhaltens gegenüber den Gewerkschaften. Sprecherausschüsse in der Betriebsverfassung oder auch ein gewisser bayerischer Gesetzentwurf der jüngsten Zeit sind nicht geeignet, dieses Vertrauen der Gewerkschaften z. B. auch in die betriebliche Vermögensbildung zu fördern.
Herr Abgeordneter Rapp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth?
Bitte schön.
Herr Kollege Rapp, da Ihre prophetische Gabe, zu wissen, was ich fragen würde, Ihnen offensichtlich diesmal nicht Beistand geleistet hat und Sie uns jetzt vorwerfen, wir hätten das Gespräch mit den Gewerkschaften nicht gesucht, obwohl Sie doch wissen, daß uns z. B. Rudi Sperner - ich leite die Frage ein, Herr Präsident; vielen Dank für Ihren Hinweis -, der Führer der Gewerkschaft Bau-Steine-Erden, gebeten hat, genau unsere Vorstellung durchzusetzen, damit endlich Tarifverträge auf der Grundlage unserer Gesetzesinitiative durchgeführt werden können, frage ich Sie, ob nicht der Hauptgrund, weshalb Sie sich in der Koalition nicht einigen konnten, der Hinweis der IG Metall, verkündet im „Sozialdemokratischen Pressedienst" vom 7. Februar 1980, war, daß, selbst wenn solche Tarifverträge durchzusetzen wären, eine nicht ganz unbedeutende Gewerkschaft wie die IG Metall sie gar nicht wolle.
({0})
Herr Kollege Pieroth, alle Ihre Fragen habe ich eigentlich mitbeantwortet. Ich habe darauf hingewiesen, daß die großen Gewerkschaften dagegen sind, daß wir uns bemühen, Vertrauen zu bilden, so daß die Gewerkschaften die Sorge los werden, das richte sich im Grunde gegen sie. Wir haben auch mit den kleineren Gewerkschaften geredet. Auch die kleineren Gewerkschaften, die sehr wohl einen ersten Schritt wünschen, fügen hinzu: Uns wäre es lieber, wir hätten ein Gesamtangebot, das auch das überbetriebliche Element enthält.
({0})
Das ist das, was wir im Gespräch gehört haben. Aber
gegen die großen Gewerkschaften und deren einst17344
Rapp ({1})
weilen nicht überwundenen Vorbehalt läuft da nichts.
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- Wir bemühen uns wenigstens darum, diese Vorbehalte abzubauen, während Sie Sprecherausschüsse einrichten und damit jenes Mißtrauen verstärken, das dort besteht. Darum handelt es sich.
({3})
Zu den Gesetzentwürfen von Bundesrat und Opposition abschließend noch einmal das Fazit: Wir müssen sie ablehnen. Wir können Ihnen deshalb nicht zustimmen, weil sie nicht den Kern des Problems erreichen, die Komplettierung des Angebots durch eine überbetriebliche Komponente. Zu diesem Kern des Problems sind wir Sozialdemokraten und die Freien Demokraten vorgestoßen, als wir uns einigten, gemeinsame Einrichtungen nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer in die steuerliche Förderung einzubeziehen. Es ist ja schon bezeichnend, daß gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien von Ihnen als kollektivistisch denunziert werden.
Wohlgemerkt geht es uns dabei nicht um ein uniformes und ausschließliches Modell, sondern um die Anreicherung des Gesamtangebots um eben diese Komponente der überbetrieblichen Lösung. Die Eckwerte der Vorstellungen, die wir hierzu entwikkeln und auf die sich die Koalition einigen konnte, sind die folgenden. Erstens. Der Katalog der geförderten Beteiligungsformen wird erweitert um Anteile an eben diesen Sondervermögen. Im übrigen folgen wir hinsichtlich der zu fördernden Beteiligungsformen dem Bundesratsentwurf.
Zweitens. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich die Wahlfreiheit zwischen betrieblichen und überbetrieblichen Beteiligungsformen haben. Besteht eine Gemeinsame Einrichtung, soll das Angebot an die Arbeitnehmer immer auch diese Komponente mit enthalten.
Drittens. Für Anteile an gemeinsamen Einrichtungen muß gesetzlicher Einlegerschutz bestehen. Es soll das Kapitalanlagegesetz gelten. Bei stillen Beteiligungen muß die Einlage des Arbeitnehmers in Höhe von 75 v. H. durch Bankbürgschaft gegen Insolvenz gesichert sein.
Viertens. Die Förderung der Vermögensbeteiligung sollte auf Einkommensbezieher abstellen, die ohne staatliche Förderung nicht in der Lage sind, Beteiligungen am Produktivkapital zu erwerben. Das ist für uns unverzichtbar. Die Entscheidung über die Höhe der Einkommensgrenze muß nach Maßgabe der bei der Einführung gegebenen Haushaltslage und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Einkommenstransferkommission getroffen werden.
Herr Abgeordneter Rapp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt?
Bitte schön.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Rapp, ich bin völlig verwirrt; denn jetzt tragen Sie vor, was Sie unbedingt machen wollen. Aber Sie machen es ja nicht, weil es zu teuer ist. Warum haben Sie, Herr Rapp, diese Mittel, die den Hauhalt angeblich zu sehr belasten, nicht aus der gesamten Sparförderung zugunsten dieser wichtigen Sache umgeschichtet, bei der Sie so tun, als verträten Sie sie wirklich?
({1})
Weil uns daran liegt - ich wiederhole, was ich sagte -, eine Gesamtpalette vorlegen zu können, die von vornherein ein überbetriebliches Angebot mit enthält. Das und nur das kann die Akzeptanz im gewerkschaftlichen Lager erhöhen.
({0})
Nun sind wir - ich gestehe es - mit der Konkretisierung und Ausformulierung des Tariffondsmodells nicht mehr so weit gekommen, daß wir im 8. Bundestag gesetzgeberisch hätten tätig werden können. Wir arbeiten an diesen Modellvorstellungen weiter. Wir hoffen, dabei die Befürchtung weiter abbauen zu können, die Produktivvermögensbeteiligung der Arbeitnehmer könnte oder müßte gar auf Kosten der Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften gehen. Vielleicht bauen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mittlerweile die Vorbehalte auf der Unternehmensseite mit ab, die es ja gegen eine stärkere Demokratisierung der Eigentumsstruktur unserer Wirtschaft dort auch gibt.
({1})
- Demokratisierung heißt breite Streuung auch in der Eigentumsstruktur unserer Wirtschaft. Demokratisierung erfolgt in der Kommandostruktur über die Mitbestimmung und in der Eigentumsstruktur durch die Vermögensbeteiligung.
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Ich wiederhole: Endlich gewinnen wir gemeinsam Zeit, vertieft auch über die kreislauftheoretischen Zusammenhänge nachzudenken, von denen in dieser Runde überhaupt nicht die Rede war. Alle Modelle, bei denen die Ertrags- und Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer zusätzlich wie Lohnkosten in die Preise einkalkuliert wird, nehmen dem gleichen Arbeitnehmer wieder ab, was man ihm zuvor gegeben hat. Es geht darum, die interpersonale Verteilung der als Resteinkommen bestimmten Gewinne zu organisieren und nicht ein neues Kostenelement zu schaffen.
({3})
Rapp ({4})
Vertieft nachzudenken ist des weiteren über die Frage, wie sich künftig die staatliche Förderung der Geldvermögensbildung zu der der Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer verhalten soll. Beides in gleichem Umfang zu fördern würde die finanziellen Möglichkeiten bei weitem übersteigen. Eben deswegen müssen wir ja die Gesetzentwürfe von Bundesrat und Opposition auch aus finanzwirtschaftlichen Gründen ablehnen. Die daraus resultierenden Steuerausfälle allein des Bundes würden sich im Jahre 1981 auf 400 bis 500 Millionen DM belaufen; im Laufe der Jahre stiegen sie auf etwa 1,5 Milliarden DM an. Das ist einfach zu viel Geld für zu wenig Effekt, für zu wenig Substanz.
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Herrn Pieroth blieb es vorbehalten, in den Ausschußbericht hineinzuschreiben, die von den Koalitionsfraktionen vorgebrachten Haushaltsgesichtspunkte seien lediglich vorgeschoben. Wer unsere Einwendungen aus der Haushaltssituation kurzerhand unter dieser Rubrik wegsteckt, entwertet das sonst so großartig intonierte Thema von der Haushaltskonsolidierung zum bloß taktisch gemeinten Lamento. Die Opposition scheint bereit zu sein - genaues weiß man ja nicht -, vom Steuerentlastungsprogramm 1981 mit seinen steuertarifpolitischen und seinen familienfördernden Maßnahmen starke Abstriche zu machen, aber die Förderung der Vermögensbeteiligung muß jetzt und nach Ihren Vorstellungen so sein. Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmer setzen die Prioritäten anders, und wir setzen sie auch anders. Dabei bleiben wir bemüht - wir bleiben darüber mit den Gewerkschaften im Gespräch -, eine Lösung dieses in der Tat der Lösung bedürftigen Problems zu erarbeiten, die dann auch ihr Geld, d. h. die Haushaltsbelastung, wert sein wird.
Den Gesetzentwürfen auf den Bundestagsdrucksachen 8/1418 und 8/1565 können wir nicht zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß ich momentan als einziger Liberaler hier im Plenum anwesend bin,
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dürfen Sie natürlich nicht darauf zurückführen, daß uns das Landtagswahlergebnis derart deprimiert hat, daß wir hier im Bundestag nicht mehr präsent sind. Wir bekennen bei diesem Thema hier selbstverständlich Farbe, und wir werden bei der Behandlung dieses Themas wahrscheinlich in der nächsten Legislaturperiode vermehrt präsent sein.
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Die Forderung nach der Beteiligung der Arbeitnehmer am Zuwachs des Produktivvermögens ist ein politisches Ziel, dem sich die FDP seit 1971, nämlich nach der Verfassung der Freiburger Thesen, verschrieben hat und das auf den sozial begründeten Liberalismus eines Friedrich Naumann und anderer zurückgeht. Der Weg dorthin führt über viele Hürden und an vielen Wegegabelungen vorbei. Deshalb obliegen dem Gesetzgeber eine große Sorgfaltspflicht und die Abwägung aller möglichen Folgen.
Mögliche Irrwege wären meines Erachtens: Vergesellschaftung und Sozialisierung, Staats- oder Gewerkschaftskapitalismus, Auszehrung des Eigenkapitals und der Liquidität der Unternehmen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen anonymen Kapitalgesellschaften und personenbezogenen Unternehmen, Fremdbestimmung der Unternehmen, marktwirtschaftsfremde Strukturveränderungen im Hinblick auf Arbeits- und Kapitalintensität, Demobilisierung der Arbeitnehmer und Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Arbeitnehmer.
Bei allem muß deshalb von folgendem Grundansatz ausgegangen werden. Es geht um die Identifikation von Kapital und Arbeit auf ein gemeinsames Unternehmensziel. In dieser Beziehung hat das im übrigen bewährte System der Sozialen Marktwirtschaft ein Reformdefizit. Karl-Hermann Flach und Werner Maihofer haben in diesem Sinne von einer notwendigen Reform des Kapitalismus gesprochen.
Die Verteilungskämpfe sind in der Bundesrepublik Deutschland bisher weitgehend glimpflich abgelaufen. Es gab in einer stark wachsenden Wirtschaft auch immer etwas zu verteilen; und es wurde meistens ein Zuwachs der realen Einkommen erreicht, was insbesondere durch den stetigen Produktivitätszuwachs möglich war. Aber es gab auch bedenkliche Signale, so z. B. unangemessene Arbeitskampfmethoden oder das vorübergehende Nachlassen der Investitionsbereitschaft und der Investitionsfähigkeit der Wirtschaft.
Ich glaube, wir müssen in den 80er Jahren umdenken. Es ist durchaus denkbar, daß sich die Verteilungskämpfe verschärfen: Wenn sich das Wachstum unserer Wirtschaft weiter verlangsamt, wenn der Staat dem Bürger zur Finanzierung seiner Aufgaben mehr Opfer abverlangen muß. So könnte das Gezerre um den Unternehmensertrag Liquidität und Innovationskraft der Unternehmen lähmen und damit die Grundlagen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Frage stellen. Dem gilt es rechtzeitig vorzubeugen.
Die Bundesrepublik Deutschland war bisher eine Oase der Stabilität und Quelle weltweiter Wettbewerbsfähigkeit. Dazu haben insbesondere die Tarifautonomie als Instrument und die Vernunft der Tarifpartner als Talent beigetragen. Wir müssen aber etwas tun, um die Akzeptanz und Leistungsfähig17346
keit des Systems der Sozialen Marktwirtschaft auch in schwierigen Zeiten zu sichern.
Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Zuwachs des Produktivvermögens setzt einerseits voraus, daß dem Risikokapital eine angemessene Verzinsung zugebilligt wird, die sich z. B. aus Marktzins plus Risikozins plus Unternehmerlohn zusammensetzen kann; und sie setzt andererseits voraus, daß der Arbeitnehmer ein an der Produktivität der Unternehmen orientiertes, frei verfügbares Einkommen beanspruchen kann.
Ein möglicherweise darüber hinaus verbleibender Unternehmensertrag ist meines Erachtens die Manövriermasse, aus der Gewinn- und Kapitalbeteiligungssysteme gespeist werden können. Meines Erachtens handelt es sich dabei aber in der Regel um Mittel, die dem Unternehmen nicht entzogen werden dürfen, bzw. um im Unternehmen anzusammelndes Kapital, dessen Eigentums- und Ertragsanspruch zwischen Altkapitaleignern und Arbeitnehmern auszuhandeln sind. Eine in diese Richtung gehende Reform der Kapital- und Bilanzstruktur der Unternehmen würde die in den Unternehmen zusammenwirkenden und sich bedingenden Faktoren - Kapital, Disposition, Arbeit - mit größerer Selbstverständlichkeit und spannungsfreier als bisher auf den größtmöglichen Erfolg des Unternehmens verpflichten. Hier setzt die Aufgabe des Gesetzgebers ein, die Verwirklichung solcher Modelle durch den Abbau bestehender steuerlicher Hemmnisse zu fördern.
Ich mache diese grundsätzlichen Ausführungen, um zu verdeutlichen, daß die Lösung des Problems nicht für Schauanträge à la Pieroth und Partner geeignet ist. Daß dies ein Schauantrag ist, möchte ich durch ein Zitat aus Ihren Reihen belegen. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Beteiligung am Produktivvermögen, eine der dümmsten Vorstellungen, die man haben kann, den Arbeitnehmer am Produktivkapital unbedingt beteiligen zu müssen." Das ist aus der Rede von Franz Josef Strauß in Sonthofen im November 1974.
Eine gesetzliche Regelung mit dem Anspruch der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen darf weder den Makel eines „Lohnvorenthaltungsgesetzes" haben noch zur reinen „Sparförderung" denaturieren.
Eine gesetzliche Regelung dieser Art - mit diesem Anspruch - sollte im übrigen innerhalb aller gesellschaftlichen Gruppen konsensfähig gemacht werden. Zu einer knappen Mehrheitsentscheidung eignet sich so etwas nicht. Insbesondere ist natürlich gegenüber dem DGB noch erhebliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen wird ja aus innerer Logik heraus zu einer natürlichen Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrem Unternehmen führen. Erkämpfte Mitbestimmung wird durch vereinbarte Mitverantwortung und Mithaftung abgelöst. Das wird beim DGB zu einer gewissen Änderung seines Selbst- und Rollenverständnisses führen müssen. Indessen scheint es noch lange nicht so weit zu sein. Denn der DGB plädiert für die Abschaffung des § 8 des Kapitalerhöhungsgesetzes. Die Erweiterung des
Anlagenkataloges dieses Gesetzes ist aber gerade der wichtigste Einstieg zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen.
Die FDP widersteht aber auch der verführerischen Versuchung der Opposition, den für uns zum großen Teil akzeptablen Vorschlägen zuzustimmen.
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- Daran ändert auch nichts das Gezwitscher eines Pirol im Wonnemonat Mai.
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Denn es handelt sich eben nicht um den großen Wurf, der der Gesamtproblematik gerecht wird. Zur Konsensfähigkeit ist die Aufnahme von tariffähigen Lösungen erforderlich. Bedenken wegen Bewertungsproblemen bei GmbH- und Kommanditanteilen sind nach wie vor nicht ausgeräumt. Im übrigen möchte ich nicht die weiteren Bedenken des Finanzausschusses aus der Drucksache 8/3915 vom 18. April 1980, die ich teile, nachbeten.
Die FDP hätte zusammen mit dem Koalitionspartner SPD sehr wohl einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen können. Die Vorarbeiten hierzu waren bereits sehr weit gediehen, wenngleich auch hier der Teufel im Detail steckt. Stichworte: Einkommensgrenzen, Wahlfreiheit. Der Kollege Rapp hat aber die Eckwerte zutreffend wiedergegeben, auf die wir uns bisher einigen konnten. Auf Grund der Intervention des Finanzministers mußten unter Hinweis auf die Haushaltslage weitere Verhandlungen gestoppt werden. Die FDP ist fest entschlossen, in der nächsten Legislaturperiode neue Initiativen zu ergreifen,
({4})
und wird - das ist in dieser Lage wichtig - entsprechende haushalts- und finanzpolitische Prioritäten befürworten.
({5})
- Sie befürworten ja alles. Sie suchen sich jede Gruppe der Gesellschaft aus, präsentieren ihr alles, was zu wünschen ist, und verlangen dann von der Regierung und der sie tragenden Koalition, alles das zu finanzieren, möglichst ohne Schulden zu machen. Deswegen geht es eben auch hier darum, Prioritäten zu setzen.
({6})
Die FDP wird sich überbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Modellen nicht verschließen. Priorität wird aber die Förderung der betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung haben, und zwar wegen der Praktikabilität und wegen des verfolgten Grundanliegens.
Die FDP begrüßt die Vielzahl bereits bestehender und geplanter betrieblicher Modelle. Die FDP wird sich dafür einsetzen, daß die damit gezeigten EigenSchleifenbaum
initiativen nicht durch den Gesetzgeber konterkariert werden. Die Arbeitnehmer in diesen Unternehmen und die Unternehmen selber können sich hierbei auf die FDP verlassen.
({7})
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Böhme hat um das Wort gebeten. Ich bitte um Nachsicht, Herr Abgeordneter Kraus, Sie kommen unverzüglich nach dem Parlamentarischen Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte, für die Bundesregierung eine kurze Stellungnahme abgeben zu dürfen. Ich bedanke mich, Herr Kollege Kraus.
Die Bundesregierung lehnt, ebenso wie die Koalitionsfraktionen, die Gesetzentwürfe der Opposition zur Vermögensbildung ab. Diese Vorschläge der CDU/CSU sind überwiegend steuertechnisch undurchführbar, in der Beschränkung auf die reine betriebliche Vermögensbildung im Ansatz zu eng und dadurch in gleicher Weise ungerecht gegenüber Arbeitnehmern und Unternehmern, insbesondere mittelständischen Betrieben.
Die Gründe für die Ablehnung der Entwürfe der Opposition brauche ich nicht mehr im einzelnen darzustellen. Herr Abgeordneter Rapp hat dies getan.
Ich möchte hier nur das Stichwort aufnehmen, daß sich die Entwürfe der Opposition auf die reine betriebliche Vermögensbildung beschränken, damit keine tariffähige Lösung anbieten und deshalb die Erfahrungen mit dem 624-DM-Gesetz nicht nutzen, wonach allein der Tarifvertrag das eigentliche Schwungrad der Vermögensbildung ist. Heute sparen rund 18 Millionen Arbeitnehmer über Tarifvertrag nach diesem Gesetz, Herr Kollege von der Heydt, einem Gesetz der sozialliberalen Koalition - sicher ein großer Erfolg in der Geldvermögensbildung.
({0})
Wenn ähnliche Ergebnisse bei der Beteiligung am Produktivvermögen erreicht werden sollen, müssen überbetriebliche Beteiligungsformen ebenfalls in den staatlichen Förderungskatalog einbezogen werden. Dies ist bei den Entwürfen der Opposition gerade nicht der Fall.
({1})
- Ich höre dies. Jedenfalls ist es nicht in Ihren Entwürfen enthalten.
In Wahrheit hat somit die Opposition nach den hier vorgelegten und hier ausschließlich zu diskutierenden Entwürfen kein realistisches und erfolgversprechendes Konzept zur Vermögensbildung anzubieten.
Eine Vermögensbildung, die diesen Namen echt verdient und es ernst mit der Sache meint, muß daher andere Wege gehen als die vorliegenden Gesetzentwürfe. Konkret heißt dies: Die Gewerkschaften und die Tarifpolitik dürfen dabei nicht außen vorgelassen werden.
({2})
Es ist unrichtig, wenn hier pauschal dargestellt wird, die Gewerkschaften würden eine derartige Lösung nicht mittragen. Es gibt Beschlüsse des DGB, die eine Vermögensbildung auf überbetrieblicher Basis nicht nur befürworten und unterstützen, sondern im Interesse der sozialen Gerechtigkeit und auch im Interesse einer modernen Tarifpolitik fordern. Das ist die Situation. Sie haben dies vorhin hier nicht richtig dargestellt.
({3})
({4})
Wer also Vermögenspolitik an den Gewerkschaften vorbei oder gar gegen die Gewerkschaften betreiben will, wird keinen Erfolg haben. Zuletzt muß er sich fragen lassen, ob er es mit seinem Anliegen überhaupt ernst meint. Hier will ich klar sagen, daß die Entwürfe der Opposition Scheinlösungen beinhalten, nicht realistisch und im Grunde deswegen auch nicht ernst zu nehmen sind. Eigentlich haben diese Entwürfe die Funktion, die Bundesregierung zu kritisieren. Es war auch typisch in der bisherigen Diskussion, daß viel mehr Zeit auf die Kritik an der Bundesregierung verwendet wurde als zur Begründung der eigenen Anträge.
({5})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth?
Bitte sehr.
Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß es falsch ist, einheitlich von den Gewerkschaften zu sprechen, daß Sie einerseits Schwierigkeiten, mit der IG Metall zurechtzukommen, haben, weil diese überhaupt keine solche Vermögensbildung will, und daß andererseits die IG Bau-Steine-Erden genau das will, was wir im Gesetzentwurf vorschlagen, damit die IG Bau-Steine-Erden mit den Tarifpartnern abschließen kann, und können Sie mir außerdem bestätigen, daß notfalls auch ein Überzeugungsprozeß im Blick auf die Gewerkschaften eingeleitet werden müßte, wenn 75 % der Arbeitnehmer die Vermögensbildung wollen, die wir wollen, da sich die Gewerkschaften, wenn sie für die Arbeitnehmer sind und die Vermögensbildung
wollen, nicht gegen die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand stellen dürfen?
({0})
Herr Kollege Pieroth, ich weiß, daß Sie ein engagierter Vermögenspolitiker sind
({0})
und will Ihre Frage so ernst nehmen, wie sie von Ihnen hier gestellt wird. Es ist richtig, daß die größte Einzelgewerkschaft, die IG Metall, starke Vorbehalte gegen die Vermögensbildung insgesamt hat. Genauso ist es richtig, daß es andere Einzelgewerkschaften gibt - ich könnte sie einzeln aufzählen -, welche diese Vorbehalte nicht haben, sondern große Befürworter der Vermögensbildung sind. Der Beschluß, den ich vorhin angesprochen habe, war ein Beschluß des DGB insgesamt. Dort gibt es ebenso wie bei den Parteien Bundeskongresse. Der Beschluß, den ich zitiert habe, war die Mehrheitsmeinung der Gewerkschaften, die in der Einheitsgewerkschaft des DGB zusammengefaßt sind. Und dieses Votum ist positiv.
({1})
Die Bundesregierung hat eine Diskussion, wie wir sie hier kritisch und mit viel Berechtigung und Verständnis führen, nicht zu scheuen. Die Bundesregierung hat inzwischen ein Konzept erarbeitet. Es ist richtig, daß die Ausarbeitung des Konzepts zur Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer kein einfaches Unterfangen war und ist. Es erforderte viel Detailarbeit und wird diese auch künftig noch erfordern, z. B. bei der Regelung des Anlegerschutzes im bestehenden Investmentrecht. Die Arbeiten haben auch bisher mehr Zeit in Anspruch genommen, als ursprünglich erwartet worden war. Es kann und muß offen ausgesprochen werden, daß bei den Koalitionsfraktionen unterschiedliche Ausgangspositionen bestanden haben und in puncto Einkommensgrenzen - Herr Kollege Schleifenbaum hat das völlig zu Recht dargestellt - noch bestehen.
Schließlich ist - auch das wurde hier mit Recht von beiden Abgeordneten der Koalition hervorgehoben - in Kernpunkten eine Einigung zustande gekommen, welche in vielen Gesprächen, wie auch Sie, Herr Pieroth, wissen, mit Vertretern des DGB, der Einzelgewerkschaften und auch Verbandsvertretern, z. B. der Banken oder der Versicherungen, diskutiert und geprüft worden ist. Wir haben also nicht nur theoretisch, am Grünen Tisch, diskutiert, sondern unsere Vorstellungen mit den zuständigen Verbandsvertretern bereits erörtert.
Dieses Konzept der Bundesregierung beabsichtigt einen breit angelegten Ausbau der Vermögensbeteiligung. Es soll eine Lösung sein, die sowohl betriebliche als auch überbetriebliche Beteiligungsformen in die staatliche Förderung einbezieht. Die staatliche Förderung von Produktivkapitalbeteiligungen soll grundsätzlich allen Arbeitnehmern offenstehen. Diese Breitenwirkung wird eben nur dadurch erreicht, daß neben der betrieblichen Vermögensbildung, die ihren Platz haben soll, auch überbetriebliche Beteiligungsformen in den Anlagekatalog einbezogen werden sollen. Der staatliche Förderkatalog soll daher auch überbetriebliche Beteiligungsformen wie die genannten Anteile an Sondervermögen von gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, die der Vermögensbildung dienen, also Tariffonds, umfassen.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach?
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, jetzt machen Sie schon wieder Zukunftsmusik. Uns interessiert doch eine ganz andere Frage. Daß es schwierig ist, wissen wir. Hat der Bundeskanzler am 16. Dezember 1976 nicht gewußt, daß das alles kompliziert und schwierig ist? Warum hat er angekündigt, daß in dieser Legislaturperiode der Anlagekatalog des § 8 erweitert wird, daß etwas geschehen soll, daß die steuerlichen Hemmnisse wegkommen? Und warum ist das nicht geschehen?
({1})
Das ist aus den Gründen, die ich eben darstelle, nicht geschehen. Zum einen mußte das Konzept erarbeitet werden.
({0})
- Ich schildere eben dieses Konzept. Ich werde noch speziell darauf zurückkommen. Am Schluß gab es fiskalische Gründe. Sie brauchen hier doch nicht zu lachen. In der nächsten Woche werden wir eine Diskussion darüber führen, welche Möglichkeiten der Staat hat, Steuerentlastungen zu finanzieren. Sie sind es doch, die bei jeder Diskussion sagen: Das ist zuviel, der Staat macht zuviel Schulden.
({1})
Das ist es doch, was wir hier hören. Sie können hier doch nicht Einzelteile herausbrechen und Lippenbekenntnisse zum Subventionsabbau ablegen, während Sie, wenn es um ein Gesetz geht, so tun, als wenn hier kein Zusammenhang bestünde. So ist doch der Sachverhalt.
({2})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach?
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, dies ist meine letzte Frage; das verspreche ich Ihnen. Wenn jetzt die fiskalischen Gründe die ausschlaggebenden Gründe sind und nicht die vielen Schwierigkeiten mit der IG Metall usw., warum haben Sie - ich stelle Ihnen die gleiche Frage wie Herrn Rapp - dann nicht innerhalb des Teiles „Sparförderung" eine Umschichtung vorgenommen, um sich so aus der Haushaltsproblematik herauszuwinden?
Das ist eine sehr berechtigte Frage. Das ist nicht nur geprüft worden, sondern war auch Gegenstand der politischen Gespräche. Wir haben Modelle entwickelt und geprüft, welche Möglichkeiten bestehen, hier zu einer zusätzlichen Finanzmasse zu kommen. Wir haben letztlich von Maßnahmen abgesehen, weil die Tatsache, daß hier in bestehende Verträge eingeschnitten werden müßte, uns im Moment nicht verantwortbar erschien. Deshalb haben wir gesagt: Wir suchen jetzt eine Lösung, die nicht diesen Teil insgesamt beschränkt, sondern einen Ausbau darstellt. Das war letztlich die Grundsatzdebatte, die wir geführt haben. Wir haben gesagt: Wir wollen jetzt nicht in das Bestehende einschneiden, sondern wir wollen einen Ausbau, einen Schritt in die Produktivvermögensbildung. Ich füge hinzu, daß wir jetzt, nachdem wir den ganzen Teil zurückstellen mußten, Zeit finden, über diese Frage weiter nachzudenken. Ich entnehme dieser Debatte hier, daß Sie offensichtlich in dieser Richtung denken. Ich hoffe nur, daß Sie dann auch entsprechende Vorschläge vortragen werden. Abschließend zu diesem Punkt stelle ich fest, daß dies eine berechtigte Frage ist, daß Sie in Ihren Entwürfen aber nicht vorgesehen haben, durch eine Einschränkung der Sparförderung Ihre Modelle, die auch erheblich teuer sind, zu finanzieren. Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns, der Bundesregierung, schuldig.
({0})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pieroth?
Eigentlich möchte ich nur eine kurze Stellungnahme abgeben. Aber bitte, Herr Kollege Pieroth.
Herr Staatssekretär, wenn in den ersten drei Jahren nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976 technisch-politische Schwierigkeiten der Grund dafür waren, daß Sie keine Initiative vorgelegt haben, in den letzten drei Monaten jedoch plötzlich finanzielle Schwierigkeiten, wie konnte es dann geschehen, daß am 14. März dieses Jahres, d. h. zwölf Wochen nach dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan, der Finanzminister mitteilen konnte, es sei kein Geld mehr da, daß aber sechs Wochen nach dem Einmarsch in Afghanistan, am 6. Februar, der Finanzminister - zusammen mit dem Wirtschaftsminister - erklärt hat: Wir haben uns jetzt geeinigt, und binnen zwei Wochen wird eine Gesetzesvorlage kommen?
({0})
Herr Kollege Pieroth, wir werden sicher Gelegenheit haben, über diese Aspekte der
Finanzen und die verschiedenen Vorschläge aus diesem Hohen Hause in der nächsten Woche bei der großen Steuerdebatte zu diskutieren.
({0})
- Ja, da ging es ja nicht nur um ein paar hundert Millionen, sondern um Milliarden. Wenn Sie sich recht erinnern: Wir, Bundesregierung und Koalition, haben hier im Dezember eine unpopuläre Debatte geführt. Wir haben plädiert, die Entwürfe der Opposition auf Steuerentlastung in Höhe von gut 10 Milliarden DM zurückzuweisen, weil wir schon damals gewußt haben, daß außenpolitische Ereignisse anstanden, die außenwirtschaftliche und letztlich binnenwirtschaftliche Folgen haben werden, daß wir also vorsichtig agieren mußten. Deswegen haben wir, was unpopulär war, Ihre Forderung auf Steuerentlastung zum 1. Januar 1980 zurückgewiesen. Auf der gleichen vorsichtigen Linie liegt es doch jetzt, wenn die Bundesregierung Fiskalgesichtspunkte auch bei diesem Punkt geltend macht.
Erlauben Sie bitte, daß ich noch kurz, um die Glaubwürdigkeit darzustellen,
({1})
darauf eingehe, daß die Tariffonds, von denen ich gesprochen habe, in den Förderkatalog eingeführt werden sollen und daß ein Wahlrecht der Arbeitnehmer bestehen soll, für welche der einzelnen Beteiligungen sie sich entscheiden. Es war für mich und für uns in der Koalition ein wichtiger Grundsatz, daß jeder Arbeitnehmer selbst entscheiden kann, ob er Anteile des Tariffonds oder eine Beteiligung am Betrieb oder an anderen überbetrieblichen Formen einer Beteiligung haben will. Diese Regelungen sind viel liberaler als z. B. Ihre Gesetzentwürfe, nach denen der Arbeitnehmer nur ja oder nein sagen kann; sagt er nein, bekommt er eben gar keine betriebliche Beteiligung. Bei uns bestand ein klares Einverständnis, dem Arbeitnehmer ein grundsätzliches Recht einzuräumen, zwischen mehreren Formen des Beteiligungsangebots zu wählen.
Entscheidend war, daß mit dem Eckpunkt der Einigung über diesen Tariffonds erreicht worden ist, daß dadurch das Instrument des Tarifvertrages zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen eingesetzt werden und nur auf diesem Wege ein Durchbruch zur Vermögensbildung auf breiter Front erfolgen kann. Dies haben die Erfahrungen des 624-DM-Gesetzes gezeigt. Diese Erfahrungen gilt es zu nutzen. Die Bundesregierung will dies in ihrem Konzept tun.
Ich sagte vorhin, daß wir in der Koalition in den Eckpunkten Einigung erzielt haben - außer in der Frage der Einkommensgrenze. Ich bin sicher, daß man auch über diesen Punkt hinweggekommen wäre, wenn nicht zusätzliche, nämlich finanzielle Gründe der Verwirklichung des Konzeptes in dieser Legislaturperiode entgegenstünden.
Wenn Maßnahmen zur Verbesserung der Vermögensbeteiligung in Angriff genommen werden, die
diesen Namen verdienen, wird das Geld kosten. Die öffentlichen Haushalte würden bereits im ersten Jahr des Anlaufens solcher Maßnahmen nach heutigen Schätzungen mit etwa 500 Millionen DM belastet, und es gäbe eine Tendenz zur schnellen Steigerung dieses Betrages. Solche zusätzlichen Ausgaben können wegen der bekannten Belastungen und Haushaltsrisiken, die die gegenwärtige Situation mit sich bringt und auch für die unmittelbare Zukunft erkennen läßt, jetzt nicht in Kauf genommen werden. Der Bundesfinanzminister mußte und muß in den letzten Monaten leider oftmals diesen Standpunkt vertreten, daß nicht alles Wünschenswerte zugleich finanzierbar und machbar ist. Dieser Standpunkt muß auch gegenüber der Vermögensbildung und den dort anfallenden Kosten geltend gemacht werden.
({2})
- Ich möchte zum Schluß kommen.
Die Opposition müßte für diesen Standpunkt eigentlich Verständnis haben, da sie ständig von Ausgabenkürzungen und vom Abbau der Subventionen spricht. Ich nehme aus dieser Debatte mit, daß Sie hier offensichtlich an eine Kürzung der Sparförderung im Austausch mit einer Vermögensbildung beim Produktivvermögen denken.
({3})
Offizielle und konkrete Vorschläge liegen noch nicht vor; wir warten ab, ob Sie sich tatsächlich zu diesen Vorschlägen bekennen.
({4})
Meine Damen und Herren, die engagierten Vermögenspolitiker, die es in allen Fraktionen gibt,
({5})
werden sich durch dieses zeitliche Zurückstellen nicht entmutigen lassen. Ich hoffe es jedenfalls und bin auch sehr glücklich darüber, daß sich in dieser Debatte alle Sprecher klar für die Vermögensbildung ausgesprochen haben.
({6})
Ich bin davon überzeugt, daß die Vermögensbildung kommen wird, aus wirtschaftspolitischen Gründen, um Risikokapital zu mobilisieren und damit einen Beitrag zur Finanzierung der Kosten für eine Modernisierung unserer Volkswirtschaft in den nächsten Jahrzehnten zu leisten. Vor allem aber, meine Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, daß aus verteilungspolitischen Gründen eine Vermögensbildung am Produktivvermögen für Arbeitnehmer kommen muß. Die Vermögensbildung ist notwendig, um die ungleiche Verteilung des Produktivvermögens in der Bundesrepublik zu beseitigen und damit Gerechtigkeit und sozialen Frieden in unserem Lande zu erhalten.
({7})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Kraus.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war für mich durchaus beeindruckend, wie Herr Rapp von der SPD hier auf eine sehr lautstarke Art und Weise sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß es in dieser Legislaturperiode bisher nicht gelungen ist, etwas Positives in Richtung Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu betreiben.
({0})
Herr Rapp, Sie gleichen damit aber einem Trauergast, der zwar den Verblichenen laut beweint, aber zu dessen Lebzeiten überhaupt nichts getan hat, um ihm zu einem wirklichen Wohlergehen zu verhelfen.
({1})
Es gibt überhaupt keinen Vorschlag von Ihnen, der in irgendeiner Weise weitergeholfen hätte, der etwa in dem von Ihnen vorgetragenen Sinne Änderungen unseres Antrages gebracht hätte. Sie haben sich in dieser Frage überhaupt nicht ernsthaft darum bemüht, in dieser Legislaturperiode etwas zuwege zu bringen.
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rapp?
Ich habe nur zehn Minuten und möchte zunächst einmal anfangen, überhaupt etwas zu sagen.
Also keine Zwischenfrage, Herr Kollege.
Herr Rapp, zwar haben Sie hier auf eine sehr schulmeisterliche Art und Weise an unserem Gesetzentwurf herumgemäkelt, aber ich stelle fest, daß eben diese Mäkelei nicht dazu geführt hat, rechtzeitig etwa Verbesserungsvorschläge vorzulegen.
({0})
Wir wären in der Vergangenheit gerade hier bereit gewesen, um der Sache willen wirklich Kompromisse zu schließen. Wir wären etwa in der von Ihnen angesprochenen Frage der KG-Anteile bereit gewesen, Ihren Ansichten entgegenzukommen, wenn auch nur die geringste Aussicht bestanden hätte, daß wir etwas weiterkommen.
Grotesk wird Ihre Kritik an unserem Gesetzesvorschlag dann, wenn Sie uns einreden wollen daß die Gewerkschaften ihre Meinung geändert hätten, wenn wir nur rechtzeitig für den DGB genügend
Streicheleinheiten übrig gehabt hätten. Ich glaube nicht, daß die Mehrheit in der DGB-Spitze bereit ist, wegen kleiner Freundlichkeiten etwa grundsätzliche Positionen aufzugeben.
Zum Kollegen von der FDP möchte ich nur sagen: Für mich war es geradezu peinlich, wie Sie am Schluß bei denen, die an einer Vermögensbildung interessiert sind, aus Ihrer Situation heraus noch um Vertrauen bitten wollten. Bis vor kurzem waren es gesetzestechnische und steuerrechtliche Bewertungsfragen, die z. B. Ihre Partei, die FDP, daran hinderten, zusammen mit uns die steuerlichen und die rechtlichen Hemmnisse zu beseitigen, die einer breiten Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital entgegenstehen. Jetzt plötzlich, seit wenigen Wochen, sind diese Fragen überhaupt nicht mehr so wichtig. Nunmehr müssen unsere Vorschläge - Vorschläge übrigens, die seit Jahren fester Bestandteil des Wahlkampfarsenals der FDP sind - der Afghanistan-Krise geopfert werden. Für Vermögensbildung ist plötzlich kein Geld mehr da. Diese Ausrede ist zu einfach. Sie kann deshalb nicht verfangen. Sie ist zu glatt, zu sehr auf die Tagespolitik abgestimmt, und sie paßt einfach zu gut.
Die Wahrheit ist vielmehr auch hier, daß sich die FDP gegenüber dem Koalitionspartner SPD nicht durchsetzen konnte, sich wieder einmal nicht durchsetzen konnte. Wesentlich ehrlicher ist dabei die Haltung der Sozialdemokraten, die offensichtlich mit der Haltung der Mehrheit des DGB übereinstimmt. Heinz Oskar Vetter sagt es schließlich ganz offen: Wir wollen ganz einfach keine Kleinkapitalisten. Auch der DGB-Nachrichtendienst aus dem Jahre 1978 sprach es ganz deutlich aus: nur eine überbetriebliche Beteiligung. Gemeint ist dabei: Nur ein DGB-kontrollierter Fonds ist für den DGB letztlich akzeptabel. Dabei hat man natürlich nicht das einzelne Gewerkschaftsmitglied und dessen Verfügungsfreiheit über seine Anteile im Auge, sondern derartige Fonds geben zunächst einmal dem Funktionärsapparat angesichts der zu erwartenden erheblichen Kapitalmittel den Hebel in die Hand, massiven Einfluß auf die Wirtschaft zu nehmen. Ich bin mir bewußt, daß das keineswegs für alle Gewerkschaften zutrifft, aber dort ist es eben die herrschende Meinung.
Uns dagegen geht es darum, das Produktivvermögen nicht nur in der Hand weniger Großkapitalisten zu wissen, sondern breit gestreut im Besitz vieler Kapitaleigner aus allen Schichten der Bevölkerung. „Eigentum für alle" ist ein alter Grundsatz der C-Parteien. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung der Vermögensbildung stellt nichts anderes dar als die konsequente Weiterentwicklung eines der Hauptanliegen christlich-sozialer Politik. Eine breit gestreute, individuell gestaltete Vermögensbildung ist in besonderem Maße eine wirtschafts-, gesellschafts- und staatspolitische Notwendigkeit unserer Zeit. Eine angemessene Teilhabe der Arbeitnehmer und der freiberuflich Tätigen am neu entstehenden Vermögenszuwachs, insbesondere am Produktivkapital, hat auch nichts mit leistungsfeindlichen Nivellierungstendenzen, unbegründeten Neidkomplexen, sozialistischen Enteignungsbestrebungen oder karitativer Mildtätigkeit zu tun. Die Identifizierung christlich-sozialer Politik mit den Grundwerten der Würde des Menschen, der personalen Freiheit, der sozialen Gerechtigkeit und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfordert eine angemessene Teilhabe aller Bürger am Privateigentum, vor allem auch am Produktivkapital. Erlebbares Eigentum ist die beste Garantie zur Stärkung der Unabhängigkeit und Ausweitung des Freiheitsraums der Bürger. Es bietet auch die Chance, die Eigeninitiative und Selbstverantwortung zu stärken, und wirkt kollektivistischen Tendenzen entgegen. Eigentum ermöglicht Partnerschaft und sichert den sozialen Frieden. Es führt zu einem gerechten Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und ist damit wesentliche Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Eigentum ist damit der beste Garant gegen alle Kräfte der Radikalisierung und Sozialisierung.
({1})
Eine Gesellschaft von Teilhabern und ein Volk von Eigentümern identifiziert sich in starkem Maße mit unserer freiheitlichen, gleichzeitig aber sozial verpflichteten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
Worum geht es in diesem Gesetzentwurf im wesentlichen? Nach bisher geltendem Recht genießt nur die sogenannte Belegschaftsaktie den Vorzug steuerlicher Förderung. Nach dem Willen der CDU/CSU sollen in Zukunft auch andere Beteiligungsformen, etwa die Anteile stiller Gesellschafter und Kommanditanteile, mit gleicher steuerlicher Präferenz ausgestattet werden. Heute haben Arbeitnehmer, die in einem großen Betrieb, einer Aktiengesellschaft arbeiten, und die Möglichkeit haben, Belegschaftsaktien zu beziehen, einen echten Vorteil gegenüber ihren Kollegen aus anderen Betrieben. Das ist so nicht gerecht. Schon unter diesen Gesichtspunkten der Gerechtigkeit und um der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer willen wäre es dringend erforderlich gewesen, jetzt eine entsprechende Änderung durchzuführen.
({2})
Die Beteiligungen sollen dabei auf den personenrechtlichen Komponenten des Arbeitsverhältnisses aufbauen, weil dies dem Partnerschaftsgedanken am besten entspricht, der nach Auffassung der CDU/CSU das Arbeitsleben beherrschen sollte. Ein Zwang zur Vermögensbeteiligung wird auf keine der beiden Seiten ausgeübt. Im Gegenteil. Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird ein breiter Spielraum zur insbesondere tarifvertraglichen Gestaltung und Regelung der Beteiligungsverhältnisse eingeräumt. Klein- und Mittelbetrieben werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar direkte Finanzhilfen gewährt. Dem Argument des Doppelrisikos - Arbeitsplätze- und Vermögenswagnis durch eine Beteiligung am arbeitgebenden Betrieb - wird durch die Einführung einer Insolvenzsicherung der Arbeitnehmerbeteiligung begegnet. Damit sind diese Beteiligungen letztlich sicherer als alle anderen unternehmerischen Anlageformen und haben die Inhaber dennoch das gleiche Mitspracherecht wie alle anderen Kapitaleigner. Damit ist in hohem
Maß dem Gedanken einer unternehmensbezogenen Mitbestimmung Rechnung getragen.
Viele erwarten für die kommenden Jahre eine Abschwächung der Konjunktur. Seit Jahren verharrt die Jahresdurchschnittsarbeitslosigkeit bei einer Zahl um 1 Million. In den nächsten Jahren drängen die geburtenstarken Jahrgänge in den Arbeitsprozeß. Um beide Probleme bewältigen zu können, ist es notwendig, eine große Zahl neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür sind ungeheure Summen aufzubringen. Der einzelne Arbeitsplatz kostet immer mehr. Ohne die Beteiligung der Arbeitnehmer kann dieser Kapitalbedarf letztlich nicht gedeckt werden. Nach den heute erkennbaren Bedingungen ist eine hohe Beschäftigungslage nur zu erreichen und längerfristig zu sichern, wenn Jahr für Jahr ein stabiles Wachstum erzielt wird. Voraussetzung dafür ist eine Steigerung der Nettoinvestitionen. An diesen Investitionen müssen die Arbeitnehmer beteiligt werden und sich beteiligen.
({3})
- Das ist zu vermuten, sonst wäre das Verhalten in der Vergangenheit wahrscheinlich etwas anders gewesen.
Der Abbau dieser Hemmnisse, von denen vorher die Rede war, die einer Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand entgegenstehen, ist einer der Beiträge, die der Gesetzgeber leisten muß, und zwar jetzt leisten muß, um die für die Schaffung von Arbeitsplätzen notwendigen Investitionen zu ermöglichen und zu fördern.
({4})
Die FDP bekennt sich nicht erst in ihren Freiburger Thesen, sondern schon früher zur Vermögensbildung am Produktivkapital in Arbeitnehmerhand. In den Koalitionsverhandlungen wurde, wie schon gesagt, konkret die Absicht formuliert, zu einer Regelung noch in dieser Wahlperiode zu kommen. Dem Wähler sind konkrete Versprechungen gemacht worden. Eingehalten wurden sie letztlich nicht.
({5})
Ich muß zum Ende kommen. Wir sind der Meinung, daß der Förderung der personenbezogenen Kapitalbeteiligung im Rahmen der gesellschafts-
und sozialpolitischen Aufgaben eine entscheidende Rolle zukommt. Sie kann dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und die bestehenden Spannungen zwischen den Tarifvertragsparteien abzubauen.
Die Realisierung unserer Vorstellungen ist gesellschaftspolitisch notwendig, um eine weitere Stabilisierung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu erreichen. Sie sollen dazu beitragen, den Freiheitsraum des einzelnen zu erweitern und eine Entschärfung des Verteilungskampfs zu bringen. Die Arbeitnehmer sollen am Zuwachs des Produktivkapitals teilhaben. Niemand soll dabei in seinen
Rechten als Arbeitnehmer eingeschränkt werden. Unsere Vorschläge sind, so verstanden, vor allem ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Spöri.
Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verlauf dieser vermögenspolitischen Debatte gibt Anlaß, aus der Sicht meiner Fraktion zu zwei Gesichtspunkten, die hier umstritten waren, noch einige Anmerkungen zu machen, vor allem vor dem Hintergrund der Äußerungen des Kollegen von der Heydt. Sie haben ja mit Begriffen wie Täuschung und Skandal operiert - ausnahmsweise abweichend von ihrem sonstigen dezenten Stil.
({0})
- Ach ja, gestern abend war ja die Kommandozentrale in Aktion.
({1})
- Ich habe es ein bißchen stärker nuanciert als der Herr Rapp aufgenommen, Herr Kollege von der Heydt.
({2})
Ich will zunächst zum konkreten Konzept etwas sagen. Die Bundesregierung hat aus der Sicht unserer Fraktion Grundzüge eines Konzepts entwickelt, die tragfähig und besser als das, was Sie heute vorgelegt haben, sind.
({3})
Dieser Gesetzentwurf ist nicht vorgelegt worden - das ist klar -,
({4})
und zwar aus einem haushaltspolitischen Grund, auf den ich in Punkt zwei meiner Ausführungen eingehen werde.
({5})
- Ich komme gleich darauf. Ein bißchen Geduld!
Zunächst ist festzuhalten, daß dieses Grobkonzept der Regierung in dem zentralen Punkt für uns weit besser aussieht als Ihr Gesetzentwurf, weil es eine überbetriebliche Komponente beinhaltet und wir als SPD-Fraktion der Ansicht sind, daß man Vermögenspolitik und Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand nicht von der konkreten zufälligen betrieblichen Situation, von der konkreten Branchensituation abhängig machen kann.
({6})
Wir dürfen dieses wichtige gesellschaftspolitische Ziel der Vermögensbildung nicht zu einer Art Lotteriespiel machen, bei dem der Arbeitnehmer bessergestellt wird, der in einer strukturell guten Branche angesiedelt ist, und bei dem ein anderer, der in einer wachstumsschwachen, in einer fußkranken Branche angesiedelt ist, Nachteile erleidet. Deswegen hat in diesem Punkt Ihr Entwurf einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem Konzept, das die Bundesregierung entwickelt hat. Ich komme gleich noch darauf, warum sie den Gesetzentwurf nicht vorgelegt hat.
Sie haben auch recht, wenn Sie einwenden, daß zwischen den Koalitionspartnern über die Einkommensgrenzen diskutiert worden ist. Wir Sozialdemokraten waren zu Beginn der Diskussion etwas anderer Auffassung.
({7})
- Bitte schön!
Herr Pieroth.
Da Sie schildern, daß die einen Arbeitnehmer in fußkranken Branchen tätig sein würden, also Pech hätten, und die anderen in gut strukturierten, und ich befürchte, daß Sie so lange nach gleichen Ergebnissen suchen, bis Sie auch in 30 Jahren noch keine Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand begonnen haben werden
Bitte, seien Sie so nett, und stellen Sie Ihre Frage.
Jetzt komme ich zu der Frage, Frau Präsidentin. - Ist Ihnen nicht bekannt, daß das jeweils nur Augenblicksaufnahmen sind, daß der eine in einem gewinnstarken, der anderen in einem gewinnlosen Betrieb ist? Ist es nicht so, daß nicht zu befürchten ist, daß ein Arbeitnehmer lebenslang Pech hat, weil sein Betrieb nichts verdient, weil ein Betrieb, der nichts verdient, nicht lange lebt?
Lieber Herr Kollege Pieroth, ich muß diese Frage kurz beantworten, weil wir nur zehn Minuten Redezeit zugebilligt bekommen haben. Über das, was Sie gesagt haben, daß einer über die Branchen hinweg oder zwischen den Betrieben wechseln würde, kann man lange spekulieren. Ich habe in letzter Zeit eine Statistik gelesen, nach der 40 % der Arbeitnehmer im gleichen Betrieb bleiben. Auf diese Arbeitnehmer trifft jedenfalls Ihre Hypothese, Ihre Spekulation nicht zu, daß ein Risikoausgleich im Zeitablauf sicher ist. Wahr ist, daß die Strukturentwicklung in unserer Volkswirtschaft so verläuft, daß über lange Zeiträume hinweg gewisse Branchen eine weit schlechtere Betriebs-, Gewinn-
und Absatzsituation haben als andere Branchen. Das ist ein strukturelles Phänomen, das man nicht kurzfristig ausgleichen kann. Das ist ein Aspekt, den man hier länger diskutieren müßte, wofür wir aber keine Zeit haben.
Lassen Sie mich noch auf die Einkommensgrenzen eingehen. Hier war eine Dissonanz vorhanden; das ist ganz klar. Wir sind ja keine Einheitspartei in
der Koalition. Das hat auch nie jemand behauptet. Wir haben Meinungsunterschiede; wahrscheinlich weniger als Sie in der Opposition. Wir hätten diese Differenz sicherlich gemeistert, wenn die haushaltspolitischen Bedenken ausgeräumt worden wären. Zu diesen haushaltspolitischen Bedenken möchte ich jetzt etwas sagen.
Ich finde es wirklich atemberaubend, daß die Opposition die Stirn hat, hier zu behaupten, wir würden haushaltspolitische Gründe vorschützen, weil wir nicht in der Lage seien, dieses vermögenspolitische Konzept vorzulegen.
({0})
- Herr Kollege Pieroth, Ihre Fraktion macht uns in diesem Hause permanent in jeder finanzpolitischen Debatte durch Ihren Sprecher, den Herrn Häfele, oder auch höher angesiedelt, durch den Kanzlerkandidaten, ein großes generöses Angebot, wir sollten uns alle versammeln, die Haushalte durchforsten und alle haushaltsrelevanten Entscheidungen in der Bundespolitik durchgehen, um sicherzustellen, daß die steigenden internationalen Belastungen aus der gegebenen Masse ohne Steigerung der Nettokreditaufnahme finanziert werden können. Dies ist die Lage. Wenn wir nun in einem konkreten Punkt mit dieser Haltung Ernst machen, nämlich in der Vermögenspolitik, weil dies die Haushalte belasten würde, dann sagen Sie: April, April! So geht es wirklich nicht. Das ist widersprüchlich.
({1})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth? Sie haben noch drei Minuten Redezeit, Herr Kollege.
Bitte sehr.
Halten Sie es wirklich für teurer, wenige 100 Millionen DM - wie ausgerechnet - für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zur Sicherung der Arbeitsplätze auszugeben, als viele Milliarden an Subventionen auszugeben, wenn allein die Hoesch-Subvention die Hälfte dessen ausgemacht hat, was die Vermögensbildung im ganzen Jahr ausgemacht hätte?
({0})
Wir sollten hier nicht in ein wachstumspolitisches und investitionspolitisches Seminar abgleiten; dazu haben wir nicht die Zeit. Der Finanzminister, Herr Kollege Pieroth, hat seine Haushalte nicht auf der Basis irgendwelcher Wachstumsspekulationen oder von irgendwelchen volkswirtschaftlichen Theorien aufzubauen, die hier auch von dem Kollegen von der Heydt vorgetragen wurden, so etwa, daß man nur ein bißchen mehr Vermögenspolitik treiben müßte, dann würde die Kapital17354
bildung stärker, dann würde das Wachstum stärker - so einfach ist das alles! -,
({0})
und anschließend würden die Steuerquellen munter plätschern. Das ist ein nationalökonomisches Sandkastenspiel. Der Finanzminister hat seriös die Bücher dieser Nation zu führen. Auf solche Spekulationen kann er sich bei seiner Haushaltspolitik nicht verlassen.
({1})
Sie haben uns ein Angebot gemacht, z. B. das Steuerpaket, das auf die Arbeitnehmer ausgerichtet ist, zusammenzustreichen oder zu vertagen. Für unsere Fraktion gilt folgendes: Für uns liegt eine ganz klare Priorität bei der Dämpfung der Progression für die Arbeitnehmer im nächsten Jahr. Wenn wir Mittel einsparen müssen, um die internationalen Zusatzbelastungen abzudecken, dann gehen wir nicht an das Steuerpaket für die Arbeitnehmer heran, sondern dann durchforsten wir die anderen haushaltswirksamen Positionen. Das haben wir in diesem Fall seriös gemacht.
({2})
Lieber Herr Kollege von der Heydt, wir werden uns daran gewöhnen müssen, auf Grund der aktuellen Lage vieles von dem abzuschminken oder kurzfristig zurückzustellen,
({3})
was wir geplant haben und was wir als notwendig erachtet haben. Natürlich haben wir länger zur Entwicklung unserer Konzeption gebraucht als Sie. Sie sind immer schnell dabei, hier im Parlament Anträge einzureichen. Dafür ist aber die Grundsatzkonzeption der Bundesregierung weit besser und verteilungspolitisch gerechter.
({4})
- Herr Staatssekretär Böhme hat eben vorgetragen, wie die Grundstrukturen dieses Konzepts aussehen. Wir haben eben darüber diskutiert, daß ein ganz entscheidender Vorteil darin liegt, daß wir eine überbetriebliche vermögenspolitische Komponente planen.
({5})
Ich darf abschließend sagen: Wenn wir in der nächsten Legislaturperiode in diesem Parlament tatsächlich erfolgreich einen Entwurf verabschieden wollen, müssen wir uns den Stil hier abgewöhnen, mit Unterstellungen wie „Täuschung" oder „Skandal" zu argumentieren, wie Sie das heute gemacht haben, Herr von der Heydt.
({6})
Ihre Vorlage legitimiert Sie zu diesen Vorwürfen nicht, weil diese Vorlage technisch in der Bewertungsfrage nicht praktikabel ist - dies wurde hier belegt - und weil sie politisch nicht vertretbar ist.
({7})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3915 unter Ziffer 1, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 8/1565 und 8/1418 abzulehnen. Können wir über diese Beschlußempfehlung abstimmen, oder wünschen Sie die Einzelabstimmung über Ihren Antrag? - Wir können über die Beschlußempfehlung abstimmen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den Entwurf der CDU/CSU-Fraktion sowie den des Bundesrates abzulehnen, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir müssen jetzt noch die Petitionen für erledigt erklären. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch? - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Broll, Spranger, Berger ({0}), Regenspurger, Dr. Miltner, Schwarz, Krey, Dr. Laufs, Biechele, Volmer, Dr. Langguth, Sauer ({1}), Ey, Metz, Löher, Hanz, Dr. Unland, de Terra, Dr. Hüsch, Dreyer, Dr. Hubrig, Erpenbeck, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Sprung, Dr. George, Rühe, Francke ({2}), Dr. Stavenhagen, Dr. von Geldern, Pohlmann, Dr. Hoffacker eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Abgeltung besonderer Erschwernisse bei Polizeivollzugsbeamten im Wechselschichtdienst
- Drucksache 8/3842 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß ({3})
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Es ist eine Debatte mit jeweils einem Kurzbeitrag vereinbart worden. Das Wort zur Begründung und in der Aussprache hat der Abgeordnete Broll.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Länge des Titels, den vorzulesen selbst die Präsidentin bei anerkannter Wortgewalt eben Schwierigkeiten hatte, deutet eigentlich darauf hin, daß ein umfangreiches Werk vorliegt. Sie dürfen sich aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Gesetzentwurf eine vergleichsweise belanglose Materie beinhaltet.
Zugrunde liegt die Tatsache, daß allen öffentlich Bediensteten für Dienst zu ungünstigen Zeiten eine sogenannte Erschwerniszulage gegeben wird, die den fürstlichen Umfang von 75 Pf und zu ganz
Broll
besonders schwierigen Zeiten - sprich: an Feiertagen - von 1,25 DM hat. Nun wissen wir aus der Kommunalpolitik, daß der Eifer und die Akribie bei Politikern um so größer werden, je kleiner die Beträge sind, um die es sich jeweils handelt. Als ich mich in dieser Angelegenheit bei verschiedenen Behörden umgesehen habe, war ich doch recht überrascht, zu sehen, daß auch in Behörden diese Unart weit verbreitet ist.
Zweck dieses Gesetzentwurfes ist es nun, statt einer Einzelabrechnung für jeden Beamten, die z. B. in einem Polizeirevier mit etwa 70 bis 80 Beamten vom stellvertretenden Revierchef vollzogen werden muß - dort muß der Mann wirklich tagelang sitzen, um für jeden Beamten die einzelnen zu ungünstigen Zeiten geleisteten Stunden aufzulisten, und dabei noch nach den „steuerfreien Stunden" und den Stunden unterscheiden, die „als steuerpflichtig" zu behandeln sind -, eine Pauschalierung dieser Erschwerniszulage vorzunehmen. Pauschalierung bedeutet in diesem Fall nicht, daß es sich um eine Erhöhung der Erschwerniszulage handeln soll. Es geht wirklich nur darum, eine Pauschalierung vorzunehmen, um den Ablauf der Verwaltung zu erleichtern.
Daß wir bei der Polizei angefangen haben, hat den Grund, daß die Dinge hier in zweifacher Hinsicht besonders einfach zu regeln sind. Erstens gibt es die bekannte Polizeizulage, die eine echte Laufbahnzulage ist. Ursprünglich ist sie allerdings auch aus einer Abgeltung bestimmter Erschwernisse hervorgegangen; zwar nicht solcher, die speziell zur Nachtzeit eintreten, sondern solcher, die allgemein mit dem Pólizeidienst verbunden sind. Welche Erschwernisse das sein können, haben wir ja jüngst wieder in Bremen erfahren müssen. Zweitens handelt es sich bei den Polizeibeamten zum allergrößten Teil um solche, die im Wechselschichtdienst eingesetzt sind, d. h. um solche Beamte, die in der Regel alle die gleiche Zeit Dienst zu ungünstigen Zeiten zu leisten haben.
Die pauschalierte Zulage, wie wir sie in dem Gesetzentwurf vorsehen, ist im Unterschied zu der bisherigen Abgeltung steuerpflichtig. Ich gebe zu, daß das ein Problem dieses Gesetzentwurfes und vielleicht nicht ganz systematisch, ist. Ich meine aber, wenn wir schon Bürokratie vereinfachen wollen, dann sollte auch die Abrechnung der einzelnen 75Pf-Beträge nach steuerpflichtig und nicht steuerpflichtig wegfallen. - Das vorneweg zu dem Ziel des Gesetzentwurfes.
Es ist nicht - ich sage das noch einmal - das Ziel, eine Erhöhung der Erschwerniszulage zu erreichen. Das stände auch ganz im Gegensatz zu dem, was z. B. die Gewerkschaften im Augenblick bei ihrer Debatte über die Schichtarbeit wünschen. Sie wünschen ja nicht, daß jemand durch mehr Geld für Schichtdienst zusätzlich angereizt werden sollte, Schichtarbeit zu leisten, sie wünschen nur eine die gesundheitlichen Schäden berücksichtigende Behandlung dieser Angelegenheit durch den Dienstherrn. Nun bin ich allerdings der Meinung, daß sich durch noch so viele 75-Pf-Beträge, die im Monat herauskommen können - es handelt sich um zwischen
60, 70 und maximal 80 Stunden -, d. h. durch ein paar Pfennig mehr oder weniger, kein Beamter bemüßigt fühlen könnte, mehr Stunden zu leisten, als ihm ohnehin im Augenblick pflichtgemäß auferlegt werden. Dies alles wollen wir bei der Betrachtung also außer acht lassen.
Der Zweck dieses Gesetzentwurfes ist es hauptsächlich, einen Anstoß dafür zu geben, daß auch in anderen Bereichen die Erschwerniszulagen pauschaliert, vereinfacht und ohne großen bürokratischen Aufwand in den Dienststellen und bei den Abrechnungsstellen weitergegeben werden können. Ich erkläre schon hier, daß wir bei den Beratungen im Innenausschuß vom Innenministerium Hilfe erbitten werden, wie wir in anderen Bereichen die Pauschalierung der Erschwerniszulage vornehmen können. Es gäbe da ohne weiteres die Möglichkeit, diese Dinge in Form eines Stufenkataloges zu vollziehen. Der eigentliche Zweck dieses Gesetzentwurfes ist es, eine Anregung zu geben. Denn bis zum Jahre 1973 haben einige Länder, z. B. Hamburg, diese Erschwerniszulage ohnehin nur pauschaliert ausgezahlt. Erst seit 1973 haben wir diese aus dem Befürfnis nach großer Gerechtigkeit und großer Fürsorge des Dienstherrn geschaffene Einzelabrechnung. Wie so oft im sozialen Bereich sehen wir auch hier: Der Wille, übermäßig gerecht und übermäßig korrekt zu sein, schafft eine Menge von Verwaltungsaufwand, der den Staat im Endeffekt vielleicht mehr kostet, als für den einzelnen insgesamt herauskommt. Das schafft auch dem einzelnen Beamten eine Belastung bei der Abrechnung, die wir ihm nicht zumuten wollen.
Nun bin ich phantasiereich genug, um mir die Bedenken vorzustellen, die von seiten der in diesen Dingen erfahrenen Bürokratie erhoben werden. Man wird sagen: Es geht doch nicht, daß wir in einem Bereich, etwa bei der Polizei, diese Pauschalierung vornehmen, wenn wir es bei anderen Bereichen noch nicht können. - Es ist in gewissem Sinne eine Frage der politischen Philosophie, ob wir etwas Gutes tun können, auch wenn wir es nicht allen gleichzeitig geben können, die eventuell Anspruch darauf hätten. Ich meine, wir sollten beim Wechselschichtdienst der Polizeivollzugsbeamten den Anfang machen. Ich gebe aber zu - ich biete auch die Möglichkeit an -, daß es vielleicht sinnvoll wäre, die Pauschalierung nicht bei der Polizeizulage anzuhängen, sondern in der Erschwerniszulagenverordnung unterzubringen. Dann würden z. B. auch die Sicherungskräfte dieses Hauses aus einer Pauschalierung Nutzen ziehen können, die sie nach diesem Gesetz noch nicht haben können, weil sie ja keine Polizeizulage, sondern eine andere Zulage erhalten.
Ich kann mir auch denken, daß die Ministerien Schwierigkeiten haben, die steuerliche Komponente zu berücksichtigen. Ziel müßte es für uns sein, die unterschiedliche Behandlung von Erschwerniszulagen - a) steuerpflichtig und b) steuerfrei - bei dieser Gelegenheit zu beseitigen. Wenn uns die Finanzpolitiker da eine Hilfe geben könnten, dann wären wir ein großes Stück weiter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Behandlung dieses Themas im Innenausschuß wird
Broll
auch die Gelegenheit bieten, mit dem Blick auf andere Bereiche wie Bahn und Post, Feuerwehr usw., das Problem der Schichtarbeit - speziell auch des Wechselschichtdienstes - einmal umfassend zu behandeln, und zwar nicht nur, weil sich im Augenblick die Verbände dieser Beamten besonders dieses Themas angenommen haben, sondern deswegen, weil wir sehen, daß in Zukunft allgemeine Verbesserungen für den öffentlichen Dienst wahrscheinlich noch schwerer als bisher zu erreichen sein werden. Wenn man die finanziellen Aufgaben betrachtet, die auf uns - auf die Länder und auf den Bund - zukommen, dann braucht man nicht viel Phantasie, um zu sagen: Wir werden von dem pauschalen Austeilen von Vergünstigungen etwas wegkommen müssen. Wir werden davon wegkommen müssen, daß sich die Verbände hauptsächlich nach den Interessen der breiten Masse ihrer Mitglieder richten. Wir werden dazu kommen müssen, für die Bediensteten der öffentlichen Hand diejenigen Verbesserungen zu bewirken, die ihnen auf Grund besonderer Erschwernisse ihres Dienstes zustehen. Diese Erschwernisse - sowohl gesundheitlicher als auch familiärer 'Art sind besonders bei den Beamten zu beachten, die Schichtdienst leisten. Dieses Gesetz wird auch der Anlaß dafür sein, daß wir, die für die öffentlichen Dienste zuständigen Politiker, uns im Innenausschuß mit dieser Problematik beschäftigen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittmann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf, ein Gruppenantrag von CDU/CSUAbgeordneten, hätte zweifellos eine Vereinfachung zur Folge; denn Buchführung und Abrechnung für die Erschwerniszulage würden bei der Polizei entfallen. Aber wer den Ausführungen des Kollegen Broll aufmerksam zugehört hat, wird gemerkt haben, warum sich die CDU-Fraktion nicht voll hinter den Antrag gestellt hat: weil zu viele Wenn und Aber hinter dieser Frage stehen. Ich meine, Sie haben richtig erkannt, daß mit Ihrem Antrag eine Vielzahl von Beamtengruppen vorerst ausgenommen werden. Sie haben ebenfalls erkannt, daß eine Änderung der Erschwerniszulage in eine Polizeizulage - die bisherige Erschwerniszulage ist steuerfrei, die Polizeizulage würde steuerpflichtig sein - bei ungleicher Ausgangssituation bedeuten würde, daß z. B. der Ledige bei gleicher Pauschalisierung weniger als der Verheiratete erhalten würde, was sich entsprechend fortentwickeln würde. Das wären schon einige der Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen.
Dazu käme, daß das unterschiedliche Ausmaß, in dem der einzelne Beamte Schichtdienst leistet, mit der pauschalen Polizeizulage nicht berücksichtigt wird. Die Polizeigewerkschaft weist in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf gerade auf diesen Punkt hin. Selbst wenn man aber Ihrer Begründung des Gesetzentwurfs folgen könnte, daß die einzelnen im Wechseldienst eingesetzten Beamten, von kleinen, zufälligen Schwankungen abgesehen, alle
den gleichen Dienst leisten, blieben weitere Fragen offen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgendes hinweisen. Bei der Verabschiedung des § 47 des Bundesbesoldungsgesetzes, der Ermächtigung zum Erlaß der Erschwerniszulagenverordnung, haben wir durchaus gesehen, daß es vielfach gleiche und gleichbleibende Erschwernisse gibt. Wir waren der Auffassung - dies ist in der Begründung zum Gesetzentwurf des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts nachzulesen -, daß eine Erschwerniszulage systemgerecht auch in diesen Fällen zu zahlen ist. Genauer gesagt: Wir haben die Ermächtigungsvorschrift in diesem Gesetz ausdrücklich und in Abänderung der bis dahin geltenden Vorschrift auf diese Fälle gleichbleibender Erschwernisse ausgeweitet. Wir haben daraus aber nicht den Schluß gezogen, daß eine unterschiedliche Abgeltungsweise für wechselnde Erschwernisse einerseits und im wesentlichen gleiche und gleichbleibende Erschwernisse andererseits vorgenommen werden soll. Wenn wir eine derartige Differenzierung für sinnvoll halten sollten, müßten wir uns zunächst einmal über die tatsächliche Abgrenzung der Gruppen bemühen und uns möglicherweise auch über die Ermächtigungsvorschrift des § 47 des Bundesbesoldungsgesetzes Gedanken machen.
Hier und auch anderswo zeigt sich, daß die Rechtsvereinfachung meist auch zu einer Rechtsänderung führt, bei der Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden müssen. Wir werden die Frage im Ausschuß prüfen. Gegen den Gesetzentwurf in der bisherigen Fassung gibt es natürlich eine Menge von Bedenken.
Lassen Sie mich eine allgemeine Bemerkung zum Wechseldienst anschließen. Wir wissen, daß der Wechseldienst bei der Polizei - wie anderswo im öffentlichen Dienst oder in der Wirtschaft - mit erheblichen gesundheitlichen und sozialen Belastungen verbunden ist. Wechseldienst gibt es im öffentlichen Dienst beim Bund vor allem im Bereich der Bundesbahn, der Bundespost, beim Bundesgrenzschutz und beim Zoll, in den Ländern und in den Gemeinden im Bereich des Gesundheitsdienstes, der inneren Sicherheit, der Polizei, der Feuerwehr und im Versorgungsbereich.
Der Polizeidienst zum Schutze unserer Mitbürger muß notwendigerweise 24 Stunden am Tag aufrechterhalten werden. Nur so kann die Polizei dem Anspruch des Bürgers auf Gewährleistung der inneren Sicherheit gerecht werden. Schichtarbeit ist für die Polizei berufstypisch. Gerade im Schichtdienst muß sich der Polizeibeamte in ständig wechselnden Einsatzsituationen bewähren. Dem muß die Bewertung dieses Dienstes Rechnung tragen.
Wir sind weiter der Auffassung, daß ein Schwerpunkt zur Humanisierung des Arbeitslebens in der Minderung von Belastungen durch den Wechseldienst liegen muß. Nicht das Entgelt darf im Vordergrund der Überlegungen stehen. Gesundheit kann nicht durch Geld aufgewogen werden.
Es ist zu begrüßen, daß die mit dem Wechselschichtdienst verbundenen gesundheitlichen und
Wittmann ({0})
sozialen Auswirkungen als Grundlage für Maßnahmen zur Verringerung der Belastung derzeit umfassend untersucht werden. Wir haben heute noch einen weiteren Tagesordnungspunkt betreffend die Humanisierung des Arbeitslebens zu beraten, der sich sehr intensiv mit der Frage des Schichtdienstes beschäftigt.
In diesem Monat werden die Verhandlungen über den Mantelvertrag für den öffentlichen Dienst aufgenommen, bei denen die Fragen des Wechselschichtdienstes von besonderem Gewicht sind. Im Interesse der Gleichbehandlung aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen parallel Verbesserungen auch für die Beamten angestrebt werden.
Ich denke, daß wir gerade auch den Polizeibeamten, die rund um die Uhr für unsere Sicherheit sorgen, die möglichen Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen schulden. Mir kommt es jetzt darauf an, daß alle betroffenen Beamtengruppen gleich und gerecht behandelt werden. Darauf werden wir bei der Beratung im Ausschuß entsprechend achten.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Broll, ich glaube, nicht alle guten Absichten - die will ich Ihnen gerne unterstellen - führen auf den richtigen und begehbaren Weg. Ich habe den Eindruck, dies ist ein solcher Fall.
({0})
Es ist sicher nützlich, wenn man - das haben Sie in Ihrem Entwurf ausgeführt - bürokratische Positionen abbauen kann, ein Zuviel an Formularen. Aber auf der anderen Seite führt Vereinfachung, führt Pauschalierung auch zur Ungerechtigkeit. Wir wissen das aus der Steuerfrage. Ich meine, daß gerade das, was mit der Erschwerniszulage im Einzelfall abgegolten werden soll, ein so wichtiger Punkt ist, daß die Frage der Pauschalierung sehr sorgfältig geprüft werden muß. Bei uns stehen eine Menge von Bedenken im Vordergrund. Einmal könnten wir die Pauschalierung nicht auf den Polizeivollzugsdienst beschränken. Kollege Wittmann hat das schon vorgetragen. Es gibt eine Fülle von Betriebsverwaltungen des Bundes und der Länder, die ebenfalls im Wechselschichtdienst arbeiten, und wir werden hier keine Differenzierung grundsätzlicher Natur vornehmen können.
Der zweite Punkt - das scheint wir ein sehr wichtiger zu sein - ist die Frage: Wird das von den Betroffenen selbst gewünscht? Ich meine, wenn wir Gesetze beraten und uns Verbesserungen vorstellen, müssen wir doch davon ausgehen, daß das eine etwas ist, was von den Betroffenen auch selbst gewünscht wird. Ich höre und sehe aber, daß die Gewerkschaft der Polizei andere Vorstellungen hat, nämlich die, daß eine intensive gesundheitliche Betreuung im Vordergrund steht, eine Begrenzung des
Schichtdienstes auf das 50. Lebensjahr, ein zusätzlicher Jahresurlaub,
({1})
eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit und eine optimale Ausgestaltung der Arbeitsplätze.
({2})
- Lieber Kollege, Sie haben in Ihren Gesetzentwurf überhaupt nicht einbezogen, daß schon Überlegungen im Gange sind, den Schichtdienst durch Zusatzurlaub und andere Verbesserungen abzugelten. Das ist ein Punkt, der in den Forderungen der GdP mit einbezogen ist.
({3})
Wir werden Ihren Antrag im Ausschuß sehr sorgfältig beraten. Das ist die Sache sicher wert. Wir haben aber ernste Bedenken. Wir meinen, daß das Anliegen in dieser Form nicht ausgegoren ist. Wir wollen die Lage der Polizeibeamten nicht verschlechtern; wir werden das Richtige und das Beste für die Polizeibeamten tun.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, dem Gesetzentwurf auf Drucksache 8/3842 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verkehrszentralregister ({0})
- Drucksache 8/3900 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({1})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Von der Bundesregierung wird das Wort nicht gewünscht.
({2})
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schulte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beruht in der Sache auf einem Antrag der CDU/CSU, der im Jahre 1977 einstimmig von diesem Hause angenommen wurde. Bei der Beratung im Jahre 1977 hat Herr Kollege Daubertshäuser für die SPD-Fraktion erklärt, man arbeite an der Reform des Flensburger Punktekatalogs bereits seit einem Dreivierteljahr. Für die FDPFraktion erklärte der Abgeordnete Hoffie, dies alles
Dr. Schulte ({0})
sei längst in Bearbeitung. So wörtlich. Alle vier Monate ging die Bundesregierung mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit und verkündete Wohltaten für den Kraftfahrer. Sie lebte damit bis heute eigentlich ganz gut. Jetzt endlich hat sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings im Eilverfahren durch das Parlament gehen muß. Würden wir uns, meine Damen und Herren, so viel Zeit lassen wie die Bundesregierung, dann würde die Bundestagswahl nur alle acht Jahre stattfinden.
({1})
Der Gesetzentwurf sieht eine Entschlackung in der Flensburger Kartei vor. Die CDU/CSU-Fraktion sagt dazu ja. Dies war auch ein wesentlicher Teil unseres Antrags aus dem Jahre 1977. Denn die Wahrscheinlichkeit des Führerscheinentzugs auf Grund eines Eintrags in Flensburg ist für den einmal Eingetragenen nur 1:1000. Allerdings hat die Bundesregierung den angestrebten Entschlackungseffekt innerhalb weniger Wochen von 45 % auf nunmehr 33 korrigiert. Die Bundesregierung setzt beim Ausmaß der Entschlackung an. Dies ist für sie also der methodische Ansatzpunkt, um das Punktesystem zu reformieren. Sie durchforstet allerdings den Punktekatalog in der Sache kaum,
({2})
und sie beachtet damit den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1977 nicht, der gerade eine gründliche Durchforstung der einzelnen Verkehrsverstöße und ihrer Bepunktung forderte. Das heißt, daß wir über den methodischen Ansatzpunkt der Bundesregierung reden müssen. Wenn in Flensburg über die Geeignetheit eines Kraftfahrers mitentschieden wird, dann muß der Punktekatalog auch Punkt für Punkt durchgegangen werden. Nicht von ungefähr hat auch der Präsident der Deutschen Verkehrswacht erklärt, mit diesem Gesetzentwurf werde das Pferd von hinten aufgezäumt.
Die erfreuliche Verringerung der Zahl der Einträge in Flensburg, meine Damen und Herren, geht Hand in Hand mit einer Erhöhung von Bußgeldern. Fünf Deliktsfälle sind bereits im Gesetz vorgesehen. Hier muß die Bundesregierung noch sagen, um wieviel die Zahl der Einträge in Flensburg erhöht werden wird, und sie muß auch sagen, um wieviel die Bußgeldeinnahmen der Verwaltung steigen werden. Allein im letzten Jahr gab es in Nordrhein-Westfalen fast 100 Millionen DM an Bußgeldern wegen Verkehrsverstöße. Wenn aber die Bußgelder erhöht werden, dann ist dies das genaue Gegenteil von dem, was wir im Jahre 1977 vorhatten; wir wollten den Kraftfahrer entlasten und nicht belasten.
Durch diesen methodischen Ansatzpunkt der Bundesregierung, daß man nur danach schaut, um wieviel Prozent man die Zahl der Einträge senken könnte, blieb es auch nicht aus, daß zusätzliche Vorschläge zur Erhöhung der Bußgelder kamen. Die Stellungnahme des Bundesrates ist dem Hause bekannt. Nur darf ich zur Aufhellung des Vorgangs noch sagen, daß die Stellungnahmen bei den vorausgegangenen Länderbesprechungen fast durchweg einstimmig beschlossen wurden. Es gab bei einigen Verkehrsverstößen jeweils nur eine Gegenstimme von Nordrhein-Westfalen oder von Schleswig-Holstein oder von Rheinland-Pfalz. Dies ist im Protokoll vom 6. und 7. August des letzten Jahres nachzulesen. Ich sage dies deswegen, weil die Redner der Koalition darauf sicher zu sprechen kommen werden.
Meine Damen und Herren, diese Analyse beweist, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit heißer Nadel genäht wurde. Auf die simpelste Lösung ist man nicht gekommen, nämlich über die Eintragungswürdigkeit des Verkehrsverstoßes gleich im Gesetz zu entscheiden und den Eintrag gleich auf dem Bußgeldbescheid zu vermerken. Dadurch wäre es den Kraftfahrern erspart geblieben, daß sie erst in Flensburg anfragen müssen, wie ihr Kontostand aussieht. Es wäre ihnen erspart geblieben, daß sie erst einmal ihre Unterschrift beim Notar beglaubigen lassen müssen.
Die CDU/CSU will deswegen ein Gesetz ohne Bußgelderhöhungen und eine Verwaltungsvereinfachung. Gemessen an dem, was das Haus im Jahre 1977 einmütig gefordert hat, fehlt im Gesetzentwurf auch die Berücksichtigung der Fahrleistung eines Kraftfahrers. Dies hat auch der Kollege Daubertshäuser in seinem damaligen Redebeitrag ausdrücklich gefordert. Ich meine, hier müssen wir den Gesetzentwurf noch abändern. Er enthält Verbesserungen bei der Tilgungsregelung, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie wir es gerne hätten. Hier werden wir noch eine Nachbesserung vornehmen müssen. Auf die Vereinfachung des Verfahrens habe ich vorhin bereits hingewiesen.
Auf dieser Grundlage fordert die CDU/CSU die Koalition auf, darüber nachzudenken, ob wir den Gesetzentwurf nicht noch so abändern können, daß wir zum Konsens des Jahres 1977 zurückkommen.
({3})
Vizepräsident Frau Renger Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz über das Verkehrszentralregister hat nach Bekanntwerden eine sehr breite Zustimmung in der Öffentlichkeit erfahren. Kompetente Verbände, wie jüngst der ADAC auf seiner Hauptversammlung am 4. Mai, haben einmütig diesen Gesetzentwurf begrüßt und sehen in ihm ein wirksames Entlastungsinstrument für Verkehrsteilnehmer und Verwaltung, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.
Bei der heutigen Flensburger Verkehrssünderkartei ist mittlerweile ein vernünftiges Verhältnis zwischen Aufwand und Erfolg nicht mehr vorhanden. So steht z. B. der Erfassung von fast 5 Millionen Bürgern und über 1,6 Millionen registrierten Unfällen pro Jahr lediglich die Zahl von 5 400 Führerscheinentzügen durch die Verwaltungsbehörden auf Grund der Eintragungen im Verkehrszentralregister gegenüber. Dies sind nur 3,3 % der insgesamt entzogenen Führerscheine, während ca. 90 % der
Entziehungen von den Gerichten vorgenommen werden.
Daß . der ursprünglich beabsichtigte Abschrekkungseffekt hier nicht mehr vorhanden ist, sollte jedermann klar sein. Wenn ein Viertel der aktiven Verkehrsteilnehmer in Flensburg eingetragen sind, wird dies vom einzelnen nicht mehr als verkehrserzieherische Maßnahme gesehen, sondern als unvermeidliches Pech beim „Flensburger Roulett". Der gewünschte positive Einfluß auf das Verkehrsverhalten ist mit der stetig steigenden Zahl der Eintragungen geschwunden und ist einhergegangen mit einem ständig steigenden Verwaltungsaufwand, der letztlich auch wieder vom Steuerzahler finanziert werden muß.
Die dringende Notwendigkeit einer Reform des Verkehrszentralregisters ist bereits vor gut zweieinhalb Jahren in der Debatte über das Mehrfachtäterpunktsystem von allen Fraktionen geäußert worden. Ich habe damals darum gebeten, bei den Reformarbeiten nach dem Motto zu verfahren: Qualität geht vor Schnelligkeit.
Nach dem nun vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung können wir feststellen, daß diese damalige Hoffnung erfreulicherweise Gewißheit geworden ist. Die Zahl der Eintragungen im Verkehrszentralregister macht deutlich: Unsere Führerscheininhaber sind auf dem Wege, eine geschlossene Gruppe von Straftätern zu werden. Damit verliert die Flensburger Verkehrssünderkartei eben diesen Abschreckungseffekt, den sie im Interesse einer stärkeren Verkehrssicherheit benötigt.
Durch das Registrieren von zu vielen Bagatellfällen wird die Waffe Verkehrssünderkartei stumpf, und den Verkehrsteilnehmern in unserem Lande wird ein schlechteres Zeugnis ausgestellt, als sie in Wirklichkeit verdienen. Deshalb begrüßen wir es, daß die Bundesregierung die zunächst vorgesehene Überarbeitung des Punktsystems, von dem auch Herr Kollege Dr. Schulte gesprochen hat, zugunsten einer weitergehenden grundlegenden Neugestaltung des Verkehrszentralregisters vorerst zurückgestellt hat und nunmehr mit dem heutigen Gesetzentwurf eine grundsätzliche Neuregelung der Eintragung und Tilgung von Verkehrszuwiderhandlungen im Flensburger Zentralregister vorlegt.
Die Neuregelung des Verkehrszentralregisters hängt natürlich mit der Reform des Mehrfachtäterpunktsystems und natürlich auch mit dem geänderten Bußgeldkatalog eng zusammen.
Wir begrüßen die Zusage der Bundesregierung, das gesamte Reformpaket frühzeitig vor der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzentwurfes für weitere Beratungen zur Verfügung zu stellen.
Ziel und Zweck des Verkehrszentralregisters ist vorrangig der Gedanke der Sicherung, das heißt Stärkung der Verkehrssicherheit durch rechtzeitiges Erkennen gefährlicher Verkehrsteilnehmer. Dies geschieht eben durch das Konzentrieren auf die wesentlichen, auf die unfallträchtigen Verkehrsverstöße.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird nicht nur der Flensburger Amtsschimmel um ein Drittel abgespeckt, sondern das gesamte Verfahren wird auch für die Verkehrsteilnehmer überschaubarer. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, daß das Verkehrszentralregister stärker als bisher zu einem schlagkräftigen Mittel zur Verbesserung der allgemeinen Sicherheit ausgebaut werden kann.
Nach fast fünfjährigen Erfahrungen mit dem alten System sind die in der Praxis gemachten Erfahrungen nunmehr in eine Reihe von wesentlichen Verbesserungen umgesetzt worden, ohne daß die positiven und auch von den kompetenten Interessenverbänden anerkannten Grundlinien des Mehrfachtäterpunktsystems verlassen worden wären. Es geht nach wie vor darum, eine bundesweite einheitliche Verwaltungspraxis bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und den vorausgehenden Maßnahmen zu erreichen. Deshalb haben wir es nicht nur mit einem technischen Durchforstungsvorgang im Flensburger Datendschungel zu tun, sondern hier wird auch der Verkehrssicherheit und der Vernunft eine neue Schneise geschlagen. Der Abbau und die Eindämmung der Strafpunkteinflation schaffen wieder ein wirkungsvolles Verkehrssicherheitsinstrument. In diesem Zusammenhang werden wir bei den vor uns liegenden Beratungen auch darüber nachdenken müssen, wie man das Auskunftsverfahren der Flensburger Verkehrssünderkartei mit einem wirkungsvollen verkehrserzieherischen Effekt verbinden kann.
Die unionsregierten Länder haben im Bundesrat dem vorliegenden Gesetzentwurf entgegengehalten, er gefährde durch den Abbau des Registerbestandes die Verkehrssicherheit. Meine Damen und Herren, wer die Zahlen kennt, kann dieser Aussage nicht folgen. Es würde sich bei 1,6 Millionen bekanntgewordenen Unfällen und 5 400 sogenannten Vielfachtätern, die über Flensburg aus dem Verkehr gezogen wurden, unterstellt man, daß jeder dieser 5 400 im Jahr einen Unfall verursacht hat - was ja nicht der Fall ist -, die Zahl der Unfälle gerade um 0,3 % verringern. Ich glaube, allein an diesem Zahlenbeispiel wird veranschaulicht, daß durch den Abbau des Registerbestandes die Verkehrssicherheit keinesfalls gefährdet wird.
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die umfassende neue Regelung der Tilgungsbestimmungen, die ebenfalls auf dem Grundgedanken der Bewährung beruhen. Für die Neuregelung der Tilgungsfristen wurde durch eine Verkürzung und Vereinfachung für die Bewährungszeit ein angemessener Zeitrahmen gefunden. Die Tilgungsbestimmungen und die Tilgungsfristen orientieren sich an den Prinzipien der Verkehrssicherheit. Dies ist gut so, denn wir wollen keine „Kriminalisierung" der Kraftfahrer, aber wir wollen auch keinen allzu durchlässigen „Schüttelrost" für unfähige Verkehrssünder.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt weiterhin unsere Auffassung, daß im Verkehrszentralregister eine Konzentration auf die Verkehrsverstöße erfolgen muß. Die wesentliche Frage in diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Eignung des Kraft17360
fahrers und somit die Bewertung nach dem Kriterium der Verkehrsgefährdung und der Verkehrsgefährlichkeit. Das heißt im Konkreten, daß z. B. bei fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung als Folge eines Verkehrsverstoßes weniger auf Grund der bedauerlichen Folge bewertet als daß vielmehr der Verkehrsverstoß als solcher qualifiziert und dann natürlich auch bepunktet wird.
Bereits bei der Debatte über das Mehrfachtäterpunktsystem haben wir gefordert, bei den sogenannten Halterverstößen statt verkehrsrechtliche Maßnahmen gewerberechtliche Lösungen anzustreben, die allerdings nach unserer Auffassung wirkungsvoll genug sein müssen, um die Verkehrssicherheit zu stärken. In den weiteren Beratungen ist zu prüfen, ob die Anhebung des Bußgeldrahmens für Halterverstöße von 1 000 DM auf 3 000 DM ausreichend ist, um die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Verstöße zu erfassen.
Die Verstöße gegen technische Vorschriften machen in Flensburg immerhin fast 10 % des Registerbestandes aus, haben jedoch einen Unfallanteil von nur 1,5 %. In diesem Zusammenhang ist mir im übrigen völlig unverständlich, warum die Bundesratsmehrheit nur die Fahrer, nicht aber die Halter eingetragen haben will. Dies wäre doch eine völlige Verkennung der sozialen Wirklichkeit. Auf Grund seiner materiellen Abhängigkeit hat gerade der Berufskraftfahrer keine Möglichkeit, gegen den Willen des Unternehmers auf den Zustand des Fahrzeugs Einfluß zu nehmen. Hier ist es doch der Halter, der die Verantwortung tragen muß.
Die Bundesratsmehrheit sieht weiter die Anhebung der Eintragungsgrenze auf nur 60 DM und die Hinzunahme 17 weiterer Verstöße in den Eintragungskatalog vor. Damit - darüber muß man sich im klaren sein - wird der Reformeffekt gegenstandslos.
({0})
- Herr Kollege Dr. Schulte, für uns ist immer noch das ausschlaggebend, was der Bundesrat in seiner Mehrheit festlegt. Dort sind die Mehrheitsverhältnisse mit 6 : 5 klar gewesen, unabhängig von dem, was vorher diskutiert wurde. Auch wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren schon unterschiedlich diskutiert. Es ist sicher auch unbestritten, daß man dann eben nicht mehr von einem nennenswerten Abbau des Registerbestandes sprechen kann.
Unser Ziel bei den parlamentarischen Beratungen wird es deshalb sein, Ideen zu entwickeln, die den Abbau der Eintragungen weiter vorantreiben. Deshalb werden wir dem Votum der Bundesratsmehrheit nicht folgen. Wir wollen weniger Paragraphen und wir wollen mehr Selbstverantwortung. Es ist schon eigenartig: da werden sogenannte Entbürokratisierungskongresse abgehalten, und wenn es dann zum Schwur kommt, wenn man wirklich einmal Ernst machen könnte mit weniger Verwaltung
und mehr Selbstverantwortung, dann kneift man oder schiebt fadenscheinige Ausreden vor.
({1})
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich deshalb im Interesse der 28 Millionen Führerscheininhaber für eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes ein. Wir appellieren jedoch an die Verkehrsteilnehmer, die Einschränkung der Verkehrssünderkartei nicht als Freibrief zu betrachten.
({2})
Die Anhebung der Eintragungsgrenze ist ein weiterer Vertrauensvorschuß, Herr Kollege Dr. Schulte, für die Kraftfahrer. Er sollte im Sinne der persönlichen Verantwortung genutzt werden. Wir jedenfalls werden bei den vor uns liegenden Ausschußberatungen durch eine Reihe von Fragen und Anregungen verdeutlichen, daß wir auf das Verantwortungsbewußtsein der Verkehrsteilnehmer setzen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Die Mehrheit des Bundesrates sollte im Interesse der Verkehrsteilnehmer, die auf eine längst fällige Verbesserung und Vereinfachung hoffen, schleunigst ihren Widerstand aufgeben. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ist für die SPD-Bundestagsfraktion lediglich das Mindestmaß an Einschränkungen bei den Flensburger Eintragungen. Wir wollen nicht, daß ein perfektionistisches System um seiner selbst willen und ohne erkennbare verkehrserzieherische Wirkung eines Tages die Verkehrsteilnehmer stranguliert. Die Mehrheit des Bundesrates hat offensichtlich den Ehrgeiz, den Perfektionismus auf die Spitze zu treiben.
({3})
Wir wollen nicht, daß jeder Deutsche in der Verkehrssünderkartei steht, Herr Kollege Dr. Schulte. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
({4})
- Sie müssen mir zugeben, Qualität geht vor Quantität, Herr Kollege.
({5})
Wir treten jedenfalls dafür ein, daß einige der lautlos aufgestellten „Geßler-Hüte" wieder von Deutschlands Straßen verschwinden sollen, Herr Pfeffermann.
({6})
- Sie können doch bei den Ausschußberatungen alle Ihre Ideen einbringen. Ich kann Ihnen sagen, wir sind dankbar für jede Idee, die mithilft,
({7})
daß wir zu weniger Eintragungen kommen. Verschwenden Sie deshalb hier nicht Ihre Energie. Ich bin gespannt, was Sie im Ausschuß alles präsentieren werden.
({8})
- Herr Pfeffermann, das müssen Sie gerade sagen.
Wir werden auf jeden Fall bei diesen Ausschußberatungen versuchen, die Eintragungsgrenze dort ziehen zu lassen, wo z. B. Gerichte Tatbestände fixiert haben. Es ist doch sicher einmalig in der Bundesrepublik, daß Bürger, deren Verstöße lediglich durch eine Verwaltungsinstanz festgestellt wurden, als Täter registriert wurden. Deshalb werden wir sehr ernsthaft die Möglichkeiten prüfen, diesem Zustand ein Ende zu bereiten. Dieser Gesetzentwurf und die noch von uns einzubringenden Anregungen werden auf jeden Fall eine schärfere Trennungslinie zwischen den Verkehrsrowdies und dem Durchschnittsfahrer ziehen. Wir hoffen auf Ihre Mitarbeit und daß Sie sich gegen Ihre Freunde im Bundesrat durchsetzen können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt sicher überhaupt keinen Zweifel: Die Reform des Verkehrszentralregistergesetzes ist ein längst überfälliger Vorgang.
Seit Jahren bereits fordern alle eine Liberalisierung des Verkehrsstrafrechts und damit eine Veränderung des Registrierungssystems in Flensburg. Denn ein Verkehrszentralregister, in dem sich mittlerweile jeder vierte Kraftfahrer wiederfindet - es sind knapp 5 Millionen, und jedes Jahr kommen mehr als 300 000 hinzu - hat seinen Sinn verfehlt. Bei einer jährlichen Neueintragung von 1 Million Autofahrern und einer Löschung von jährlich 700 000 kann sich eigentlich überhaupt kein Bürger mehr des Eindrucks erwehren, es handle sich dabei mehr um eine bürokratische Beschäftigungstherapie.
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Freie Demokraten meinen es ernst, wenn sie sagen: So wenig Bürokratie wie möglich, und statt dessen mehr Bürgernähe.
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Beides aber gilt nicht für jenes Massenregister, das von einem Amt geführt wird, das mittlerweile auf fast 1 000 Beamte und Angestellte gewachsen ist.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf folgt in sehr wesentlichen Punkten den von der FDP seit langem vertretenen Forderungen. Er ist, von wenigen Änderungswünschen abgesehen, die richtige Lösung.
Nun hat der Kollege Schulte gesagt: Auf das Einfachste ist man nicht gekommen, weil man mit heißer Nadel genäht hat. Man drucke z. B. auf dem Bußgeldbescheid nicht gleich aus, wie viele Punkte es ausmacht. Das ist natürlich eine hervorragende Anregung. Bayern ist, glaube ich, dem Beispiel schon mal im Vorgriff gefolgt. Nur, wenn ich richtig unterrichtet bin, hat eine Umfrage bei den Landesjustizverwaltungen gezeigt, daß man - wohl bis auf Hessen - ausgerechnet dort einem solchen sicher diskutablen Vorschlag, Herr Kollege Schulte, nicht folgen will.
Wir sollten also im Ausschuß sehr besonnen, mit großem Ernst und auch im Schlagabtausch mit denen, die das juristisch für nicht möglich halten, eine solche Möglichkeit durchaus prüfen. Wir jedenfalls sind dazu bereit.
Eine Anhebung der Grenze für die Eintragung von Ordnungswidrigkeiten auf die Bußgeldhöhe von 100 DM hat zur Folge, daß die Zahl der eingetragenen Personen um mehr als 20 % und die Eintragungen um mehr als ein Viertel und zudem die Eintragung von Ordnungswidrigkeiten um fast die Hälfte gesenkt würden. Dies würde einen Stopp der Inflation der Eintragung von Verkehrsverstößen bedeuten. Sie hat bei der hohen Anzahl für den Bürger ohnehin kaum noch abschreckende Wirkung. Im Gegenteil, es besteht vielmehr die Gefahr, daß bei der hohen Wahrscheinlichkeit, in Flensburg zu landen, eine Eintragung mehr als unvermeidbares Pech angesehen wird. Wenn es aber soweit gekommen ist, daß die Registrierung in Flensburg nur noch quasi als Kavaliersdelikt gewertet wird, ist der Sinn einer Zentralkartei verfehlt. Schon deshalb ist hier ein Umdenken erforderlich und eine Reform unvermeidlich.
Hinzu kommt, daß ein Zusammenhang zwischen Eintragungszahl und Verkehrssicherheit nicht ohne weiteres gegeben ist. Denn während die Zahl der Eintragungen laufend zunimmt, sinkt die Zahl der Verkehrsunfälle. Die Zahl der Verkehrstoten ist in einem Jahr um mehr als 10 % zurückgegangen. Das ist ein Indiz dafür, daß der deutsche Autofahrer sich doch wohl verkehrssicherer verhält, als bei einem Blick in die Flensburger Kartei vermutet werden kann.
Lassen Sie mich zu der Struktur der Eintragung und deren Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen nur einige Fakten nennen, die deutlich machen, daß der Sinn durch den jetzigen Zustand teilweise verfehlt wird. Im Zentralregister nehmen die Verstöße gegen Vorschriften über den technischen Zustand der Fahrzeuge einen Raum von 10 % ein, obwohl der Anteil am Unfallgeschehen nur 1 % beträgt. Der Anteil der Führerscheinentzüge auf Grund der Eintragung in Flensburg beträgt etwas über 3 % der Geamtzahl. Das sind Beispiele, die sich für andere Bereiche beliebig fortsetzen ließen.
Wenn der Bezug zwischen der Häufigkeit von Eintragungen und ursprünglich beabsichtigten Verbesserungen der Verkehrssicherheit aber nicht mehr gegeben ist, dann ist der Sinn verfehlt und eine Änderung in der Tat dringend notwendig. Die eindeutige Anhebung der Eintragungsgrenze von zur Zeit 40 DM auf vorgeschlagene 100 DM ist realistisch und entspricht einer alten Forderung der
FDP-Bundestagsfraktion. Entkriminalisierung und Verwaltungsvereinfachung sind nach unserer Auffassung nur durch eine drastische Erhöhung möglich.
Dabei bestreite ich nicht die Notwendigkeit, den Bußgeldkatalog zu aktualisieren und dem veränderten Verkehrsverhalten anzupassen. Es kann zwar aus Vereinfachungsgründen eine gewisse Schematisierung durchaus hingenommen werden, jedoch generell die Bußgeldhöhe bei einigen Verstößen um bis zu 100 % anzuheben, um sie dadurch wieder eintragungsfähig zu machen, hieße diese Reform ad absurdum führen zu wollen. Hierdurch würde einem Teil der Verkehrssünder eine unverhältnismäßig hohe Geldbuße auferlegt. Ich befürchte, daß dies dann auch zu einer Zunahme der Einsprüche und damit zu einer noch stärkeren Belastung der Gerichte führen würde. Wenn Verkehrspolitik glaubhaft bleiben soll, darf durch eine Änderung des Bußgeldkatalogs die durch die Reform des Mehrfachtäterpunktsystems beabsichtige Liberalisierung nicht im nächsten Atemzuge bereits wieder zunichte gemacht werden. Doch dies droht zumindest bei einigen Überlegungen über die vorgesehene Anhebung der Bußgeldsätze. Überproportionale Erhöhungen der Regelbußgelder dürfen kein fiskalisches Mittel von Ländern und Kommunen sein; denn sie dienen nicht der Verkehrssicherheit.
Eine weitere Forderung der Freien Demokraten ist die flexiblere Regelung der Verjährung von Registereintragungen. Wir sind seit längerem, wie Sie wissen, dafür eingetreten, die Eintragungen grundsätzlich spätestens nach fünf Jahren aus der Flensburger Kartei zu löschen, wobei Verkehrsstraftaten auszunehmen sind. Denn nur so kann verhindert werden, daß einige Verkehrsteilnehmer weiterhin zu Verkehrssündern auf Lebenszeit gestempelt und darüber hinaus neben Bußgeldstrafe und Punkten auch noch mit unbilligen wirtschaftlichen und sozialen Härten bestraft werden.
Nach der gegenwärtig geltenden Vorschrift ist eine Tilgung von Bußgeldentscheidungen unmöglich, wenn während einer zweijährigen Frist weitere Ordnungswidrigkeiten oder Verkehrsstraftaten eingetragen werden. Damit besteht beim jetzigen Zustand die Gefahr, daß selbst leichte Verkehrsverstöße, wenn sie zum ungünstigen Zeitpunkt geschehen, zu einem Punktekonto führen können, das nur wenig über die tatsächliche Eignung zum Führen von Fahrzeugen aussagt. Ich halte die gegenwärtige Vorschrift auch deshalb für untragbar, weil insbesondere Berufskraftfahrer und Vielfahrer schnell Gefahr laufen, auf Grund der Verjährungshemmung durch neu hinzukommende sogenannte Bagatellpunkte den für sie unentbehrlichen Führerschein zu verlieren. Das hat häufig dazu geführt, daß gerade der Personengruppe, die auf ihren Führerschein besonders angewiesen ist, eine Berufsausübung unmöglich wird. Das ist nach Auffassung meiner Fraktion eine unzumutbare Härte, weil sie tief in die Existenz des betroffenen Bürgers eingreift.
Lassen Sie mich zu einem Punkt der Reform kommen, der nicht unsere Zustimmung findet. Es handelt sich um die zukünftige Behandlung der Halterverstöße. So begrüßenswert auch die Tatsache ist, daß in Zukunft auf die Eintragung der Halterverstöße für das Verkehrsgewerbe in das Flensburger Verkehrszentralregister verzichtet wird, so wenig einsichtig ist die exorbitante Strafverschärfung, die nunmehr vorgenommen werden soll. Der Ausgangspunkt ist richtig. Technische Mängel, Überschreitung der zulässigen Abmessung, Achslasten und Überladung sagen wenig oder gar nichts über die persönliche Fahreignung des Lkw-Halters aus. Aus diesem Grund ist es auch richtig, daß das Führen eines Fahrzeugs mit den genannten Mängeln nicht mehr in die Flensburger Kartei eingetragen wird. Nicht richtig erscheint nach unserer Auffassung aber die Absicht, auf der anderen Seite den Bußgeldrahmen für Halterverstöße von bislang 1 000 DM auf sage und schreibe 3 000 DM anzuheben. Auch die Begründung, daß im gewerblichen Bereich, der hier im wesentlichen angesprochen ist, die Fahrer auf Grund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit oft nicht in voller Entscheidungsfreiheit handeln und somit die Gewerbetreibenden, d. h. die Halter, entsprechend mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt werden müssen, erscheint bei dieser immensen Steigerung nicht mehr einsichtig; denn nunmehr droht statt Führerscheinentzug dem Fahrzeughalter nicht nur ein dreifach höhers Bußgeld und somit gerade kleinen Unternehmen auch eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz, weil die Zahlung von 3 000 DM für manch kleines Unternehmen einen ganz schwerwiegenden Eingriff in die Liquidität bedeuten muß, sondern es kommt hinzu, daß vorgesehen ist, die Halterverstöße festzuhalten und bei der gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung zu berücksichtigen.
Ich bin der Auffassung, daß wir die vorgesehene Behandlung der Halterverstöße noch einmal sehr gründlich überdenken sollten mit dem Ziel, den Bußgeldrahmen für diese Verstöße gegenüber dem Entwurf zu verringern.
Lassen Sie mich aber abschließend den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Verkehrszentralregistergesetzes insgesamt begrüßen. Es besteht nun die berechtigte Hoffnung, daß damit die längst fällige Reform bald Wirklichkeit wird. Wir sollten sie im Interesse unser aller Glaubwürdigkeit jetzt trotz der gebotenen Gründlichkeit zügig beraten. Die Bürger, insbesondere zahllose Kraftfahrer, warten zu Recht darauf. Ich hoffe, daß wir nicht nur im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages, sondern auch bei der notwendigen Zustimmung der Länder nicht vor vergeblichen Bemühungen stehen werden.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß vor. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Präsident Frau Renger
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 8/1347 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({0})
- Drucksache 8/3908 Berichterstatter:
Abgeordnete Lambinus Helmrich
({1})
Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lambinus.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reformüberlegungen zum GmbH-Recht haben eine lange Tradition, wie man fast sagen kann. Das 1892 verkündete Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung schuf die neue Rechtsform gleichsam aus dem Nichts. Sie hatte kein geschichtlich gewachsenes Vorbild.
Rechtspolitische Leitlinie war die Schaffung einer Gesellschaftsform zwischen der neuen Aktiengesellschaft und den handelsrechtlichen Personengesellschaften OHG und KG. Bei einer solchen Neuschöpfung zeigen sich erst bei der späteren Anwendung Mängel der Regelung bzw. Lücken auf Gebieten, die bei der Errichtung dieses Rechtsinstituts nicht vorhersehbar waren.
Alle Reformüberlegungen, die teilweise bis in die 30er Jahre zurückreichen, kamen nicht zum Abschluß. Deswegen ist bisher ungeachtet der wirtschaftspolitischen und organisationsrechtlichen grundlegenden Wandlungen dieses Gesetz in seinem Kern im wesentlichen unverändert geblieben. Eine seitens der Bundesregierung geplante umfassende Reform des GmbH-Rechts konnte weder in der 6. noch in der 7. Legislaturperiode verwirklicht werden.
Diesen Entwürfen mit jeweils 300 Paragraphen gegenüber nimmt sich der äußere Umfang der Novelle zum GmbH-Gesetz und anderen handelsrechtlichen Vorschriften äußerst bescheiden aus. Es muß aber festgestellt werden, daß es uns gelungen ist, mit wenigen zentralen Änderungen die seit langem als notwendig angerkannten Anpassungen vorzunehmen und die Gesellschaftsform GmbH den heutigen Wirtschaftsverhältnissen entsprechend auszugestalten. Unsere Bemühungen haben dazu geführt, daß die Rechtsform GmbH als Unternehmensform vorrangig des gewerblichen Mittelstandes nicht ausgehöhlt worden ist.
Der Rechtsausschuß hat bei der Reform des GmbH-Rechts, wie ich meine, Fingerspitzengefühl bewiesen. Vor allem die Beschlüsse der Arbeitsgruppe des Rechtsausschusses haben dazu geführt, daß die haftungsbeschränkende Organisationsform auch für kleinere Unternehmen und Gewerbetreibende offengehalten wird. Aus diesem Grund haben wir auch während der Beratung eine sachlich nicht gebotene Anlehnung an das Aktienrecht abgelehnt. Andererseits war aber Sorge zu tragen, daß ein größtmöglicher Schutz Dritter gewährleistet wird.
An dieser Stelle möchte ich meinen Kollegen Berichterstattern, Herrn Helmrich und Herrn Kleinert, aber auch den Beamten im Justizministerium für die äußerst faire und am bestmöglichen Ergebnis orientierte Mitarbeit sehr herzlich danken.
Wir sind bei der Reform des GmbH-Rechtes zu Lösungen gekommen, die der Rechtswirklichkeit gerecht werden, ohne daß die GmbH ihre Elastizität - eines ihrer hervorstechendsten Merkmale - eingebüßt hat.
Mittelpunkt und Hauptanliegen des Änderungsgesetzes ist die Verbesserung des Gläubigerschutzes. Ferner wird die Stellung der Gesellschafterminderheiten wirksam gestärkt, indem einzelnen Gesellschaftern ein Auskunfts- und Einsichtsrecht gegeben wird.
Die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung wird künftig im Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung geregelt sein. Während bisher nur die Verschmelzung einer GmbH mit einer Aktiengesellschaft durch Aufnahme in die Aktiengesellschaft und die Verschmelzung mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien durch Aufnahme in die KGaA geregelt ist, ergänzen die neuen Verschmelzungsvorschriften diese Regelung entsprechend den Bedürfnissen der Praxis. Dabei wird entsprechend der aktienrechtlichen Lösung zwischen der Verschmelzung durch Aufnahme in eine bestehende Gesellschaft und der Verschmelzung durch Neubildung unterschieden. So kann eine GmbH in eine andere GmbH oder eine Aktiengesellschaft in eine GmbH aufgenommen werden. Die Verschmelzung durch Neubildung wird nur dann zugelassen, wenn sich zwei GmbH durch Neubildung zu einer GmbH miteinander verbinden.
Die Novelle geht insoweit über frühere Entwürfe hinaus, als die offenen Fragen bezüglich der EinMann-GmbH und der GmbH & Co KG normiert werden.
Entsprechend ihrer bewährten Zielsetzung trifft die Novelle Schutzvorkehrungen zugunsten der Gesellschaftsgläubiger bei der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, während ihres Bestehens und bei ihrem Zusammenbruch, also im Ernstfall des Konkurses.
Jede Reformdiskussion zur Neugestaltung des GmbH-Rechts beginnt mit der Frage der richtigen Bemessung des Mindeststammkapitals; denn die GmbH begrenzt das persönliche Risiko der Gesellschafter auf das Stammkapital. Bisher reichte ein Mindestkapital von 20000 DM aus. Die Gesellschaft konnte mit einem Barvermögen von nur 5 000 DM ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen. Die GmbH war damit in der Tat zu einer leicht zugänglichen Gesell17364
schaftsform für jedermann geworden. Die geringe Kapitalausstattung der GmbH war daher ein wesentlicher Grund für den Siegeszug, den diese Gesellschaftsform durch die ganze Welt angetreten hat. Tiber 20 Länder haben diese Rechtsform übernommen.
Aber schon früh sind schwerwiegende Bedenken gegen die Zulassung der GmbH erhoben worden. Insbesondere wurde kritisiert, daß die Risikobegrenzung auf 20 000 DM von vornherein zu einer Risiko-abwälzung führe. So hat bereits bei der Schaffung der neuen Gesellschaftsform der berühmte Rechtsgelehrte Bähr festgestellt - ich darf zitieren -: „Was sind denn unter. den heutigen Verhältnissen 20 000 Mark" - es waren Goldmark gemeint - „von denen ohnehin nur 5 000 Mark eingezahlt zu sein brauchen."
Die Diskussion ist seitdem nicht mehr verstummt. Hier ist es hochinteressant, daß bereits Klausing in seinem ersten Arbeitsbericht zur GmbH-Reform im Jahre 1938 ausführte, daß gerade Wirtschaftspraktiker schon damals die Heraufsetzung des Mindeststammkapitals auf 70 000 RM forderten, und darauf hinwies, daß es „durchaus nicht etwa sozial" sei und daß der Gesetzgeber dem kleinen Gewerbetreibenden keinen Dienst erweise, wenn die ungenügende finanzielle Erstausstattung beibehalten bleibe. Diesen Ausführungen ist an und für sich nichts hinzuzufügen.
In unserer Rechtsordnung ist die Haftungsbeschränkung gegenüber der grundsätzlich unbeschränkten Haftung mit dem gesamten Vermögen eine privilegierte Ausnahme. Es ist daher die rechts-
und wirtschaftspolitische Pflicht des Gesetzgebers, wie ich meine, eine Haftungsgrundlage zu schaffen, die so zu bemessen ist, daß sie eine Haftungsbeschränkung rechtfertigt. Ein erhöhtes Mindestkapital hat zum einen eine wichtige ordnungspolitische Aufgabe, nämlich das Haftungsprivileg soll nur derjenige in Anspruch nehmen können, der als Ausgleich einen fühlbaren Betrag aus seinem Vermögen einsetzt, sich sozusagen die Eintrittskarte in die Haftungsbeschränkung redlich erwirbt. Dadurch werden von vornherein unzureichend fundierte und wettbewerbsunfähige Gründungen verhindert. Das erzieherische Element einer spürbaren Anhebung des Mindestkapitals darf dabei nicht unterschätzt werden.
Das bedeutet aber auch, daß das Mindeststammkapital von 50000 DM, das die Novelle fordert, wobei mindestens 25 000 DM Bar- und Sachvermögen zu leisten sind, eine wichtige Bedeutung für den Gläubigerschutz hat. Es wäre nur vordergründing argumentiert, wenn man allein auf den Mehrbetrag von 30 000 DM abstellen wollte. Bei einem durchschnittlichen Forderungsausfall je Konkurs einer GmbH von etwa 400 000 DM sind 30 000 DM nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein - das ist sicherlich richtig -; die Abwehrfunktion eines erhöh- ten Mindeststammkapitals wird aber mit dazu beitragen, daß die Konkursanfälligkeit gerade kleinerer Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die mit einem Stammkapital von weniger als 50 000 DM ausgestattet sind, erheblich reduziert wird.
50 000 DM Mindestgarantie sind ein durchaus angemessener Preis für die Haftungsbeschränkung. Wer also künftig das Haftungsprivileg in Anspruch nehmen will, weil er bei einem schlechtem Geschäftsgang seine Gläubiger auf die beschränkte Haftungsmasse verweisen will - ich sage bewußt nicht: „schädigen will" -, der soll zumindest einen angemessenen Einsatz aus seinem eigenen Vermögen leisten. Diese Regelung sichert den' Gläubigern also einen gewissen Mindestschutz, und die Gesellschafter werden an dem geschäftlichen Risiko der eigenen Unternehmung beteiligt. Auf Grund des erhöhten Mindeststammkapitals wird das Haftungsprivileg also in Zukunft nicht mehr dazu führen, daß das Betriebsrisiko von vornherein auf die Gläubiger überwälzt wird.
Es ist ein grundlegender Einwand gegen die Erhöhung des Mindeststammkapitals auf 50 000 DM, daß eine große Anzahl von Gesellschaften mit beschränkter Haftung existiert, für die typischerweise ein erhöhtes Stammkapital nicht erforderlich sei, z. B. für Verwaltungsgesellschaften, Beteiligungsgesellschaften, die die Haftung in der berühmten GmbH & Co. KG übernommen haben, und insbesondere für die Gesellschaften mit ideellen oder gemeinnützigen bzw. kulturellen Zwecken. Dies scheint mir kein durchschlagendes Gegenargument zu sein.
Was können diese Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit 20 000 DM tatsächlich anfangen? Ich möchte hier nur auf die 1961 erfolgte Gründung der Fernsehanstalt „Freies Fernsehen GmbH" hinweisen, die mit einem Betriebskapital von 20 000 DM ausgestattet war. Gründer waren der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer für die Bundesrepublik Deutschland und der damalige Bundesjustizminister Schäffer für die Länder. Diese GmbH wird wohl als kulturelles Unternehmen anzusehen sein. Nach Volleinzahlung und Registereintragung ließ sie sich jedoch einen Kredit von 120 000 Millionen DM einräumen. Ein plastisches Beispiel für ein eklatantes Mißverhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital ist mir nicht bekannt. Ich glaube, es ist notwendig, an dieser Stelle daran zu erinnern: Der Bund mußte aus Haushaltsmitteln gerade bei der Liquidierung dieser GmbH 75 Millionen DM zur Abdekkung von Ausfällen übernehmen.
Da aber die Erhöhung des Mindeststammkapitals nur dann den gewünschten Erfolg hat, wenn auch die Aufbringung des Kapitals gesichert ist, sieht die Novelle über das geltende Recht hinausgehende Schutzvorschriften bei Sachgründungen vor. Die Arbeitsgruppe des Rechtsausschusses war der Ansicht, daß Sachgründungen auch weiterhin zulässig sein sollten. Es bestand aber Einvernehmen darüber, daß die Gesellschaften ihre Einlagen in der Regel in bar leisten sollten. Damit Sacheinlagen nicht durch eine falsche Bewertung zu einer Umgehung der Mindestgarantie führen können, sind die Gesellschafter verpflichtet, einen Sachgründungsbericht und Unterlagen über die angemessene Bewertung der Einlagen bei der Anmeldung vorzulegen, für deren Richtigkeit die Gesellschafter und Geschäftsführer gesamtschuldnerisch haften.
Die Redezeit geht zu Ende; aber ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß wir in der Novelle die Ein-Mann-GmbH legalisiert haben, was allerdings durch eine verschärfte Regelung für das aufzubringende Stammkapital abgesichert wird.
Die sozialdemokratische Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu und ist der Auffassung, daß mit dieser - wenn auch klein geratenen - Reform die wesentlichen Anliegen, die Anlaß zu dieser Reform waren, erfüllt sind.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Helmrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reform des GmbH-Gesetzes. Über wenige Reformgesetze ist so lange gesprochen worden wie über die Reform dieses Gesetzes. Ich darf zunächst, ehe ich zu Einzelheiten komme, Herrn Kollegen Lambinus den Dank zurückerstatten, ebenso an den Kollegen Kleinert und an die Damen und Herren aus den Ministerien, die in unserer Arbeitsgruppe mit uns über ein Jahr lang diskutiert und gerungen und, wie ich glaube, gemeinsam ein Ergebnis gefunden haben, das sich sehen lassen kann.
In einer Zeitschrift wurde in der letzten Woche dieses Ergebnis als „kümmerliche Reste" apostrophiert. Aber gerade deshalb glauben wir, daß unsere Beratungen von Erfolg gekrönt waren. Wir haben nämlich von den vorgeschlagenen 1 138 Zeilen immerhin zwei Drittel gestrichen und nur 380 stehengelassen.
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Vielleicht wäre es manchem lieber gewesen, wir hätten einen großen Baum aufgerichtet mit vielen kleinen Ästen, und an jedem dritten Ast eine gesetzgeberische Stilblüte. Aber wir haben uns großer Zurückhaltung befleißigt. Wir haben versucht, die Grundstruktur des GmbH-Gesetzes zu erhalten. Deshalb sind zwei Drittel der in dem Entwurf der Novelle enthaltenen Vorschläge von uns nicht ins Gesetz aufgenommen worden.
Zunächst kurz eine Zusammenstellung dessen, was wir stehengelassen haben:
Das erste und vielleicht auch Bekannteste draußen im Lande: Das Stammkapital wird von 20 000 auf 50000 angehoben. Die schon bestehenden Gesellschaften, die ein Stammkapital von weniger als 50 000 DM haben, müssen dies in einer Fünf-JahreFrist bis zum 31. Dezember 1985 aufstocken. Die Mindesteinzahlung beträgt künftig 25 000 DM gegenüber bisher 5 000 DM.
Zweitens. Künftig wird auch schon bei der Gründung die Ein-Mann-GmbH zugelassen. Ich glaube, das war eine längst überfällige Notwendigkeit. Allerdings verkennen wir nicht, daß wir damit in manchen Fragen in rechtssystematische Schwierigkeiten geraten. Das Bedürfnis der Praxis haben wir hier aber höher eingeschätzt als die rechtssystematischen Schwierigkeiten.
Drittens. Personen, die wegen Konkursdelikts bestraft oder mit einem Berufsverbot belegt worden sind, werden jetzt durch das Gesetz für eine bestimmte Zeit von der Geschäftsführung in einer GmbH ausgeschlossen. Auch das ist eine notwendige Regelung. Es hat draußen immer wieder zu Unruhe geführt, daß jemand, der Geschäftsführer einer Pleite-GmbH war, möglicherweise sogar betrügerischen Konkurs gemacht hat, morgen wieder Geschäftsführer bei einer Ersatz-GmbH werden konnte.
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Viertens. Bei Sachgründungen soll es künftig einen Sachgründungsbericht geben. Beim Gericht sollen ferner Unterlagen über die Bewertung der eingebrachten Sachen eingereicht werden. Das Registergericht hat die Ordnungsgemäßheit dieser Anmeldungen und dieser Sachgründungen zu prüfen.
Fünftens. Die Haftung und die Strafbarkeit für falsche Angaben gegenüber dem Gericht sind verschärft worden.
Sechstens. Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen werden in Zukunft im Konkursfalle wie haftendes Kapital behandelt. Teilweise war das nach der Rechtsprechung bisher schon der Fall. Insbesondere sollen aber auch Umgehungsgeschäfte für diejenigen, die einen Konkursbetrug begehen wollen oder sich selber besserstellen wollen als andere Gläubiger, unmöglich gemacht werden; diese Leute sollen sich nicht mehr hinter einem Gesellschafterdarlehen verkriechen können.
Siebentens. Auskunfts- und Informationsrechte der einzelnen Gesellschafter sind jetzt erstmals gesetzlich geregelt.
Achtens. Die Verschmelzungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit anderen Gesellschaften, auf die Herr Lambinus schon hingewiesen hat, sind künftig auch geregelt. Allerdings haben wir das nicht ins GmbH-Gesetz hineingenommen, sondern es wird in einem anderen Gesetz stehen.
Was ist nicht ins Gesetz gekommen? Was haben wir aus den Vorschlägen, die die Regierung gemacht hat, herausgestrichen? Das waren erstens die Prüfungsverfahren bei Sachgründungen, zweitens Anmeldungsformalitäten gegenüber dem Gericht, drittens die Nachgründungsvorschriften, die den Prüfungsvorschriften bei Sachgründungen entsprechen, viertens Verfahren bei Streitigkeiten über das Auskunftsrecht - hier haben wir auf ein Verfahren verwiesen, das im Aktiengesetz schon vorhanden ist. Fünftens haben wir das Sonderprüfungsverfahren in den §§ 51 c, 51 d und 51 e gestrichen. An anderen Stellen haben wir erheblich gekürzt.
Sie sehen daraus, was wir weggelassen haben: Prüfungsverfahren, Anmeldeformalitäten und Kontrollvorschriften.
Wir haben uns bei jeder Regelung - und das ist vielleicht die Besonderheit bei unseren Bemühungen in diesem Gesetzgebungsverfahren gewesen - zwei Fragen, die an sich selbstverständlich sind,
noch einmal ganz ernst gestellt: Erstens. Was muß zwingend in das Gesetz hinein? Zweitens. Wie muß es hineingeschrieben werden?
Zur ersten Frage, was zwingend in ein Gesetz hinein muß, ein Beispiel: Bei dem Gründungsprüfungsverfahren sollte festgelegt werden, daß die Gründungsprüfer durch das Gericht bestellt werden, daß, wenn Buchführungsfragen geprüft werden müssen, Buchprüfer bestellt werden sollen, die darin ausreichend vorgebildet und erfahren sein sollen. Sie sollten ihren Bericht schriftlich machen, der Bericht sollte bestimmten Personen zugehen. Bei Meinungsverschiedenheiten sollte ein Gericht entscheiden. Die Prüfer sollten Anspruch auf Ersatz haben. Meine Damen und Herren, das alles ist im Gesetz zum Teil schon geregelt, zum Teil ist es selbstverständlich. Deswegen brauchte eine erneute Regelung nicht zu erfolgen. Daher haben wir gesagt: Es ist schlicht überflüssig. Die Beispiele dafür ließen sich vermehren.
Bei der ersten Frage, was zwingend in ein Gesetz hinein muß, haben wir nach dem Grundsatz gehandelt: Was nicht unbedingt hinein muß, soll auch unbedingt draußen bleiben. Nur so kann garantiert werden, daß wir nicht ständig längere und detailliertere Gesetze bekommen.
Zu der Frage: Wie muß es ins Gesetz hineingeschrieben werden? Hier wird am meisten gesündigt. Hier ist es sicherlich auch besonders schwierig. Das Problem ist bekannt: schlechte Formulierungen, zu lange Paragraphen, zu lange Absätze, zu lange Sätze. Wir haben uns an den § 35 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien gehalten, wo es heißt - ich zitiere -:
Gesetze müssen sprachlich einwandfrei und soweit wie möglich für jedermann verständlich gefaßt sein.
Wir haben - so ungewöhnlich das in diesem Hause auch sein mag - versucht, diese Grundsätze ernst zu nehmen. Wir haben dabei erfreulicherweise eine alte Regel wiederentdeckt: Den Stil verbessern heißt, den Gedanken verbessern. Lange Schachtelsätze,, häufige Bezugnahmen auf andere Absätze und Paragraphen machen ein Gesetz unleserlich und schwer verständlich, etwa der vorgeschlagene § 32 a Abs. 1 mit seinen 35 Zeilen. Er ist völlig unleserlich und gesetzgeberisch für unsere Begriffe, so haben wir in der Arbeitsgruppe gemeint, eine Mißgeburt.
Wir haben hier nach einer Faustregel gearbeitet. Sie ist sicher nicht immer einzuhalten. Aber wir haben zunächst einmal den Versuch gemacht, festzustellen, welche Paragraphen wir so zusammenstreichen könnten. Wir haben gesagt: Kein Paragraph mehr als drei Absätze; kein Absatz mehr als drei Sätze und kein Satz mehr als drei Zeilen. Kürze zwingt zur Klarheit.
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- Das liegt an der Länge der Zeile, Herr Kollege Emmerlich.
Aber warum rede ich hier über solche Selbstverständlichkeiten?
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- Es freut mich, daß Sie das fragen. Es müßten jedenfalls Selbstverständlichkeiten sein. Ich nehme dieses Gesetz zum Anlaß, darüber zu reden, weil diese Dinge in diesem Hause keine Selbstverständlichkeiten mehr sind, ja, weil sie hier im Hause geradezu mit Füßen getreten werden, während wir draußen nicht mehr verstanden werden. Alle Welt redet über Bürokratisierung, über zu viele Gesetze, zu lange Gesetze, zu komplizierte Gesetze. Aber wir sind diejenigen, die sie machen. Die Hauptverantwortlichen sind Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichte. In diesem Hause wird letztendlich entschieden, ob wir uns mehr und mehr in einem Paragraphengestrüpp verirren oder ob es uns gelingt, wieder einfachere und bessere Gesetze zu machen.
Lassen Sie mich nach draußen noch folgendes sagen: Wir werden in diesem Bemühen sowohl von der Presse als auch von Verbänden, als auch von der Wissenschaft nur unzureichend unterstützt. Die meisten Stellungnahmen zu Gesetzen, die wir bekommen, sagen zu derartigen Fragen fast nichts.
Schwierig ist es natürlich, nach dem Grundsatz zu handeln, daß Gesetze möglichst für jedermann verständlich gefaßt sein sollen. Ich weiß, daß wir in der Begriffsjurisprudenz, wie Professor Wiacker einmal sagte, dem Zwang der Hauptwörterei unterliegen. Dennoch müssen wir den Versuch machen, und zwar bei jedem Gesetz immer wieder, nicht die eigene Gesetzes- oder Juristensprache, nicht die Sprache der Verwaltung, nicht die Sprache der Privilegierten Oberhand gewinnen zu lassen, sondern wir müssen zurück zu einer Sprache, die für alle verständlich wird.
Deshalb lassen Sie mich Luther, der auch gegen die Gelehrtensprache kämpfte, aus seinem Sendbrief vom Dolmetschen zitieren. Dort hat er geschrieben:
Denn man muß nicht die Buchstaben fragen, wie man deutsch reden soll, sondern man muß die Mutter im Hause und die Kinder auf der Gasse und den gemeinen Mann auf dem Markt darum fragen und ihnen auf das Maul sehen, wie sie reden, und danach übersetzen und dann verstehen sie es auch, und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.
Sie können bei Luther nachlesen, wie er manchmal um Worte und Ausdrücke mit seinen Freunden 14 Tage lang gerungen hat, um eine klare Sprache zu sprechen.
Hier im Hause wird manchmal Monate gefeilscht, um in faulen Kompromissen Begriffe und Formulierungen zu finden, die mehr verschleiern als klären. Ich sage das nicht als Träumer, weil ich auf schnelle Besserung hoffe, sondern ich sage es deshalb, weil ich hier immer wieder erlebt habe, daß wir den Adressaten unserer Gesetze aus den Augen verlieren. Die Männer und Frauen draußen in unseren Wahlkreisen und die Jugendlichen als heranwachsende Staatsbürger sind die Adressaten unserer Gesetze. Ich verlange auch von einem GmbH-Gesetz,
daß ein Maurer, ein Polier und ein Meister, die sich zusammentun und selbständig machen und eine GmbH gründen wollen, zumindest sprachlich Zugang zu diesem Gesetz haben und zweitens nicht von der Kompliziertheit der Regelungen abgeschreckt werden.
In diesem Sinne soll unsere Arbeit an diesem Gesetz ein bescheidener Versuch sein, den Verwaltungsmoloch Staat in erträglichen Grenzen zu halten, der sich als Leistungs- und Kontrollinstanz mitlerweile für alles Verantwortung anmaßt, sich in alles einmischt und dann auch noch staunt, wenn alle immer gleich nach dem Staat rufen. Ich hoffe, daß uns bei dieser Gesetzgebung einiges in diesem Sinne gelungen ist. Für Kritik und weitere Anregungen auf diesem Wege wären wir dankbar. - Ich danke Ihnen, aber wenn noch eine Zwischenfrage ist, bitte.
Herr Kollege Helmrich, können Sie mir erklären, was die Sprache eines Gesetzes mit den Kompetenzen, die es staatlichen Organen verleiht, zu tun hat?
Sprache ist - das sollten Sie wissen - ein Mittel von Herrschaft. Je komplizierter und undurchsichtiger Sprache ist, desto leichter ist es, an der Bevölkerung vorbeizuregieren. Das haben Sprachen, Gesetze und Regieren gegenüber der Bevölkerung miteinander zu tun.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich weiß nicht, ob uns die Formulierung so gelungen ist, Herr Helmrich, wie Luther es gerne gehabt hätte, und ich glaube, auch wenn man sich noch soviel Mühe gibt, lassen sich die modernen Sachverhalte so nicht regeln. Ich bedanke mich, wie Sie auch, bei Herrn Lambinus und bei Herrn Helmrich als Mitberichterstattern für die angenehme Art einer von Hause aus ja gar nicht so angenehmen Zusammenarbeit. Ich bedanke mich genauso herzlich bei den Damen und Herren des Bundesministeriums der Justiz und auch des Sekretariats des Rechtsausschusses für die gute Zusammenarbeit, die wir hier gehabt haben.
Tatsächlich halte auch ich für das Wesentliche bei dieser Arbeit - und so hat es der Rechtsausschuß ja auch gesehen - nicht das, was hier an materiellen Regelungen zustande gekommen ist. Ich behaupte im Gegensatz zu der eben schon angesprochenen Zeitung - ich meine, es wäre so eine Art Magazin -, daß der Regelungsgehalt der Regierungsvorlage in vollem Umfang erhalten geblieben ist. All das, was im Interesse der Bürger, der Gläubiger, der Partner einer GmbH hier von der Regierung für regelungswürdig gehalten worden ist, ist erhalten geblieben. Wir haben aber mit einem nicht ganz unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand - in welcher Reihenfolge auch immer - versucht, diesen Regelungsinhalt auf die kleinstmögliche sprachliche Form zu bringen. Wir haben das nicht deshalb getan, weil das gerade bei dem GmbH-Gesetz so wichtig wäre, sondern weil in der Arbeitsgruppe ganz grundsätzlich die Meinung war, man müsse das einmal versuchen und richtig bis in die letzte Einzelheit durchexerzieren, um damit auch für andere Gesetze ein Beispiel zu geben.
Wir haben hier im Hause im Jahre 1969 einen Entwurf mit etwa 300 Paragraphen gehabt. Wir haben jetzt einen viel weniger umfangreichen Entwurf mit immerhin noch 44 zusätzlichen Paragraphen gehabt; davon haben wir 14 wieder gestrichen. Das ist nur das äußere Gerüst des Gesetzes. Zum Sprachlichen und dem, was das für den Umfang des Gesetzes ausmacht, hat Herr Helmrich hier schon Zahlen genannt, die meiner Meinung nach eindrucksvoll sind.
Nun sollte man nicht in die Manie verfallen, Zeilen schinden zu wollen, wenn es darum geht, verständliche Gesetze zu machen. Dabei können auch manche nützliche Hinweise in einem Gesetz auf der Strecke bleiben, die an sich für die Rechtsanwendung, z. B. durch den Richter, nicht erforderlich wären. Wir meinen allerdings, daß wir und auch unsere Vorgänger in diesem Hause bei dem Bemühen, immer weitere Hinweise zu geben und immer mehr Detailregelungen zu schaffen, damit ja niemand auch nur einen Millimeter vom Willen des jeweiligen Gesetzgebers abweicht, zu weit gegangen sind und daß hier nicht nur Einhalt, sondern Umkehr geboten ist. Wir können uns das ganze Gerede an Sonntagen in der breiteren Öffentlichkeit über die Gesetzesflut schenken, wenn wir nicht an Einzelfällen vormachen, wie es statt dessen sein soll.
({0})
Wenn wir dann so mißverstanden werden wie in der letzten Woche in der erwähnten Zeitung, dann ist das sehr bedauerlich. Es sind doch die gleichen Journalisten, die von uns mehr Knappheit und Klarheit verlangen, sich aber nicht die Mühe nehmen, das Ergebnis einer solchen Arbeit in einem Einzelfall - wie ich fürchte, sogar in einem Ausnahmefall - so weit zur Kenntnis zu nehmen, daß sie sich dann nicht einfach enttäuscht darüber äußern und sagen, es sei so wenig geworden. Wir sind - wiederum im Gegensatz zu jener Berichterstattung - der Meinung, jetzt alles Regelungsbedürftige geregelt und nicht nur einfach eine Zwischenregelung getroffen zu haben, der alsbald eine weitere folgen muß. Das einzige, was ausgenommen werden mußte, sind die Regelungen, die auf europäischer Ebene von uns verlangt werden, denen wir nicht vorgreifen und die wir zu gegebener Zeit nachvollziehen werden müssen. Alles andere ist unserer Auffassung nach aufgearbeitet.
Auf die Einzelheiten brauche ich nach dem, was die Herren Kollegen ausgeführt haben, nicht weiter einzugehen. Ich möchte nur noch nachtragen, daß es bei der Frage der Kapitalausstattung auch eine wichtige Rolle gespielt hat, daß Darlehen der Gesellschafter im Konkursfall wie Eigenkapital zu behandeln sind, wenn sie vernünftigerweise von soliden Geschäftsleuten als Eigenkapital gegeben worden wären, so daß eine unterkapitalisierte Gesellschaft nicht über Darlehen lange Zeit scheinbar gesund er17368
halten werden kann und im Konkursfall die Gesellschafter selbst als erste auf Grund irgendwelcher Sicherungen dieses Geld den Gläubigern vor der Nase weg zurückziehen können. Das halte ich vom Wert der Gesellschaft und vom Zugriffswert der Gesellschaft her für eine wichtigere Regelung als die geschilderte Erhöhung des Stammkapitals. Mit dieser Erhöhung des Stammkapitals werden im wesentlichen wohl mehr die Verantwortung der Gründer - ihr Verantwortungsbewußtsein - angesprochen und weniger eine tatsächliche Grundlage für ein florierendes Unternehmen im Sinne einer Haftungsgrundlage geschaffen.
Wir haben im übrigen auch § 7 des Regierungsentwurfs entfallen lassen - das möchte ich am Rande noch anmerken -, der sich mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien befaßte, weil wir eine solche Regelung nicht für nötig hielten.
Das Entscheidende aber, meine Damen und Herren, ist - ich komme darauf noch einmal zurück, weil es wirklich der Kern unserer Bemühungen war -: Wir hoffen, daß diejenigen, die sich überhaupt mit Gesetzgebung und Gesetzgebungstechnik befassen, wenn sie dieses und jenes nachlesen und sich die synoptische Darstellung dieser Bundestagsdrucksache vor Augen führen, sehen, daß es doch möglich ist, mit weit weniger Worten - und damit von Hause aus verständlicher - auszukommen, als man das gemeinhin glaubt.
Ich war immer der Meinung, daß das Aktiengesetz in seiner letzten umfangreichen und in einem sehr großen Reformvorhaben dieses Hauses gefundenen Gestalt ein gutes Recht wäre. Ich bin nach unserer Befassung mit diesem GmbH-Gesetz nicht mehr so ungeschränkt dieser Meinung. Ich habe nämlich festgestellt, daß man sich dort auf dem Höhepunkt einer gesetzgebungstechnischen Welle befand, bei der man glaubte, lieber etwas noch klarer, noch deutlicher und deshalb auch ausführlicher darstellen zu müssen, damit ja kein Zweifel entstehen kann, als etwas, was an sich nach der Gesetzessprache mindestens für den Richter klar ist, so auch dem Richter anheimzugeben. Dieses Bemühen hat, wie ich mir habe erzählen lassen, dazu geführt, daß tatsächlich weniger Firmen in den letzten Jahren die Form der Aktiengesellschaft gewählt haben, als es vielleicht Firmen getan hätten, wenn das Aktienrecht etwas einfacher und überschaubarer geblieben wäre. Wir haben uns deshalb sehr bewußt von der Vorlage des Aktiengesetzes losgelöst, die ursprünglich einmal bei den früheren GmbH-Gesetzesnovellen ganz deutlich Pate gestanden hatte, und haben gemeint, diese Form der einfachen anonymen Gesellschaft, der anonymen Gesellschaft für den kleineren Unternehmer, so überschaubar, wie es heute nur irgend möglich ist, erhalten zu müssen.
Die Dinge haben auch verwaltungstechnische Komponenten; ich darf das noch anfügen. - Die moderne Technik ist etwas ganz Schlimmes; ich kann aus dieser Uhr hier überhaupt nichts mehr ersehen.
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Früher konnte man erkennen, wie weit die Zeit abgelaufen war.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt noch 5 Minuten und 20 Sekunden.
Herzlichen Dank! Sie scheinen ein besseres Instrument zu haben, Herr Präsident.
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Jedenfalls werde ich diese fünf Minuten Ihnen allen zuliebe, die Sie die Liebenswürdigkeit hatten, sich ausgerechnet zur Beratung dieser Materie hier einzufinden, nicht mehr voll in Anspruch nehmen.
Ich möchte nur noch folgendes sagen. Wenn man schon an die Beratung eines solchen Gesetzes geht, sollte man sich auch einmal überlegen, wie Verwaltungsabläufe aussehen, die durch ein solches Gesetz hervorgerufen werden, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt, der uns rein formal auf allen Bundestagsdrucksachen begegnet. Meistens steht hier: „Kosten - keine." Es gibt überhaupt nichts auf der Welt, das irgendeine Bedeutung hat, was nichts kostet. Insofern handelt es sich bei dieser Angabe auf den Vorblättern von Bundestagsdrucksachen mit Sicherheit in aller Regel um eine Gedankenlosigkeit oder um mangelndes volkswirtschaftliches Vorstellungsvermögen. Denn die Tatsache, daß der Bund keine Kosten hat, ist ja für den Steuerzahler und die sonst von einem Gesetz Betroffenen völlig uninteressant. Es interessiert, welche volkswirtschaftlichen Kosten irgendwo in diesem Land entstehen, wenn ein solches Gesetz gemacht wird.
({1})
Darauf sollte man bei jedem Gesetz achten.
Wir haben im Laufe unserer Beratungen nur einige Kleinigkeiten ausgeräumt und sind dabei z. B. in Widerspruch zum Finanzausschuß dieses Hohen Hauses geraten. Ich darf einmal ein Beispiel nennen, weil es mir als Praktiker wirklich Freude macht. Es gibt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, die Voraussetzung dafür ist, daß eine GmbH vom Richter überhaupt in das Handelsregister eingetragen werden darf. Diese gibt es seit altersher; darum hat wahrscheinlich auch niemand mehr darüber nachgedacht. Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung hat keinen anderen Zweck als den, die Zahlung der Gesellschaftssteuer, die nach heutigem Recht in aller Regel 125 DM beträgt und in Zukunft 500 DM betragen wird, zu sichern. Das ist also sozusagen eine qualifizierte Quittung des Finanzamtes, die aber die Eintragung einer Gesellschaft, zu der sich Kaufleute nach langen Erwägungen und Beratungen entschlossen haben, weil sie ein Unternehmen betreiben wollen, weil sie etwas unternehmen wollen, im Durchschnitt um mindestens vier Wochen verzögert.
Wenn nun jemand, der sich entschlossen hat, etwas zu unternehmen, gleich zu Beginn sieht, was der Staat darunter versteht, etwas zu unternehmen, etwas zu tun und darauf zu drängen, daß etwas geschieht, indem er vier Wochen auf diese qualifiKleinert
zierte Quittung wartet, dann ist ihm bei der Gründung seiner Gesellschaft die Hälfte des Unternehmergeistes schon wieder abhandengekommen,
({2}) und das wegen 500 DM.
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Deshalb haben wir gesagt: Dann wollen wir das doch einfach einmal streichen. Daraufhin hat der Finanzausschuß - vom Bundesfinanzministerium offenbar trefflich beraten - gesagt: Von dieser Streichung raten wir ab, denn es gibt ja keine Zeitverzögerung.
Auch das ist ein reiner Formularbescheid ohne jedes Nachdenken. Sie werden in diesem Lande keinen Notar finden, der diese Behauptung nicht für abwegig hält, weil er es aus der Praxis besser weiß. Erfahrung ist offenbar doch etwas sehr Wichtiges. Dies gilt am Rande auch für die Zusammensetzung des Parlaments.
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Gegen einen weiteren Punkt haben wir auch sehr starke Einwendungen von einem anderen Hause als dem Bundesministerium der Justiz entgegennehmen müssen. Es handelt sich dabei nämlich darum, daß die Aufsichtsräte, die bei GmbHs gebildet werden können, aber keineswegs gebildet werden müssen, im Gegensatz zu allen anderen Aufsichtsräten von GmbHs das Recht haben sollen, ihre Verschwiegenheitspflicht, die nach diesem Gesetz statuiert ist, dann zu durchbrechen, wenn sie von öffentlichen Händen entsandt worden sind. Dies konnten wir allerdings nicht einsehen. Eine solche Sondervorschrift ist von Hause aus unsinnig. Wenn die öffentliche Hand meint - aus sehr unterschiedlichen Gründen -, sich privatrechtlicher Formen bedienen zu müssen, dann soll sie sich so behandeln lassen wie jeder andere Bürger auch.
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Wenn es Komplikationen geben sollte, dann kann ich nur empfehlen, die paar Tagegelder der Aufsichtsräte dranzugeben, die Aufsichtsräte wegzulassen und sich den Geschäftsführer bei Gelegenheit ins Haus zu zitieren, wo der Anteilseigner sitzt. Dann spart man noch viel mehr Aufwand.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsidentl Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GmbH hat sich als Gesellschaftsform bewährt; sie ist fast 90 Jahre alt. Ihre Beliebtheit wächst ständig. Die Zahl der Gesellschaften mit beschränkter Haftung hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Sie beträgt jetzt 225 000. Ihre Vorzüge sind auch im Ausland anerkannt. Viele ausländische Rechtsordnungen haben die deutsche GmbH - in mäßig abgewandelter Form - übernommen.
Das, was wir heute verabschieden, ist nicht die große Reform, die im 6. Deutschen Bundestag einmal in Angriff genommen worden ist. Eine solche Reform würde die Lösung unternehmensverfassungsrechtlicher Fragen voraussetzen. Deren Diskussion hat aber, gestützt auf den Bericht der Unternehmensrechtskommission, in der Öffentlichkeit jetzt überhaupt erst begonnen.
Das, was diese Novelle bietet, sind Verbesserungen, die erläutert worden sind. Es sind dies eine Verstärkung des Gläubigerschutzes sowie eine Verstärkung des Individualschutzes, der einzelnen Gesellschafter. Bestimmte wirtschaftliche Bedürfnisse werden befriedigt. Die Ein-Mann-GmbH - eine Entwicklung der Rechtsprechung - wird im Gesetz nunmehr förmlich geregelt; die Verschmelzung ist erwähnt worden. Schließlich wird bei der immer wieder ein bißchen in den Nebel geratenen GmbH und Co. der Gläubigerschutz durch eine Reihe von Bestimmungen verbessert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in erster Linie den drei Mitgliedern der Arbeitsgruppe des Rechtsausschusses, die mit meinen drei Vorrednern identisch ist, für die große Mühe und Intensität zu danken, mit der sie in der Tat eine wesentliche Vereinfachung und eine wesentliche Verkürzung des Textes erreicht haben. Dies setzte allerdings ein bewundernswertes und in diesem Umfang sonst wahrscheinlich gar nicht mögliches zeitliches Engagement voraus. Ich habe den Herren meines Ministeriums dafür zu danken, daß sie nicht in verliebtem Autorenstolz jeden Satz bis zur letzten Möglichkeit verteidigt, sondern in einer Arbeitsgemeinschaft mit den Abgeordneten einen Beitrag zu eben diesem Ergebnis geleistet haben, das wir jetzt erreicht haben.
({0})
Hier war von vorbildlicher Gesetzgebungstechnik die Rede. Dabei wurden sogar Luther und die „Herrschaft der Worte" zitiert, ein Begriff, den Hannah Arendt ganz besonders stark unterstrichen hat. Etwas bescheidener würde ich sagen: Die Chance, dies zu leisten, hängt ganz entscheidend davon ab, daß jeder, der daran beteiligt ist, nicht meint, das, was er erstmals zu Papier gebracht hat, sei mit seinem persönlichen Prestige und mit seiner persönlichen Anerkennung unlösbar verbunden.
Ich hoffe sehr, daß das, was dazu gesagt wurde, nun auch beim zweiten Durchgang durch den Bundesrat Bestand hat. Denn es - dies wird insbesondere den Kollegen von der Opposition interessieren - zeichnet sich bereits wieder ab - ich würde fast sagen: leider -, daß die vereinfachten Formulierungen im Unterausschuß des Rechtsausschusses des Bundesrates in Frage gestellt werden und neuerdings durch die komplizierteren Fassungen ersetzt werden sollen, über die unsere gemeinsame Arbeit bereits hinweggeschritten war. Ich werde mir erlauben, dem Bundesrat Auszüge aus dem heutigen Protokoll zur Verfügung zu stellen, und zwar bereits dem Rechtsausschuß, und hoffe, daß die Überzeugungskraft, die sich hier Bahn gebrochen hat, ihren Eindruck auch im Bundesrat - quer durch die elf Länder und quer durch die jeweiligen Stimmführer - nicht verfehlt.
Ich bitte um einstimmige Billigung dieser Vorlage.
({1})
Vizepräsident von Weizsäcker: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung.
Ich rufe auf die Art. 1 bis 5, die Art. 5 a bis 5 f, die Art. 6 und 7, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Vielen Dank. Bitte die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Wir haben noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3908 unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes ({2})
- Drucksache 8/3218 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache 8/3857 Berichterstatter:
Abgeordnete Hartmann
({4})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hartmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich einem Petitum des Kollegen Kleinert anschließen, was diese Uhr hier betrifft. Das schöne, runde, altertümliche Ding war etwas sehr Übersichtliches und Einprägsames. Diese digitale Technik entspricht dem bei weitem nicht. Deshalb wäre ich mit dem Kollegen Kleinert dankbar, wenn die alte Uhr wieder installiert werden könnte.
Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte nochmals ins Gedächtnis zurückrufen, daß der vorliegende Gesetzentwurf im Prinzip, nicht in seiner
letztlichen Ausgestaltung, auf einem verfassungsgerichtlichen Auftrag beruht. In seinem Urteil zur Vereinbarkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe mit dem Grundgesetz vom 21. Juni 1977 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter anderem entschieden, daß zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung allein sei nicht ausreichend. Vielmehr gebiete das Rechtsstaatsprinzip, die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.
Die von der Koalitionsmehrheit beschlossene Ausschußfassung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung nimmt nun diesen verfassungsgerichtlichen Auftrag zum Anlaß, die lebenslange Freiheitsstrafe in ihrer Sühne- und Abschreckungswirkung zu entwerten und eine Entlassungsautomatik zu programmieren.
({0})
Dies geschieht dadurch, daß die Mindestverbüßungsdauer einer verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe lediglich 15 Jahre betragen soll und daß als weitere Voraussetzung für die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung lediglich vorgesehen ist - neben einigen anderen Voraussetzungen, die unstreitig sind -, daß verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Beide Voraussetzungen laufen darauf hinaus, daß die lebenslange Freiheitsstrafe künftig nicht mehr länger dauert und unter den gleichen Voraussetzungen ausgesetzt werden kann, wie die längste zeitige Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
Meine Fraktion hat im Rechtsausschuß demgegenüber beantragt, eine Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren festzusetzen und die materiellen Voraussetzungen der Strafrestaussetzung durch eine bessere Prognoseklausel zu verschärfen. Dabei sind wir soweit gegangen, daß wir uns sogar einen Vorschlag des Kollegen Engelhard von der FDP zu eigen gemacht haben. Das Wort „sogar" bezieht sich nicht auf Ihre Person, Herr Engelhard, sondern auf den Umstand, daß der Kollege Engelhard gewiß nicht in dem Verdacht steht, uns unangemessen weit entgegenzukommen.
Leider kam es nicht zu diesem Kompromiß, da eine Einigung schon an der Frage der Mindestverbüßungsdauer scheiterte. Die Koalition war nicht bereit, sich unseren Vorstellungen anzunähern.
({1})
- Ich brauche jetzt nicht alles aufzublättern, was wir in schöner Vertraulichkeit beraten haben. Daß es diese Vertraulichkeit gibt, ist etwas, was wir uns in diesem Parlament auch in diesen turbulenten Zeiten
bewahren sollten. Ich will nicht alles ausbreiten, aber Sie wissen genau, wo und wieweit wir noch auseinander waren.
Die 20 Jahre, die auch der Bundesrat fordert, haben wir uns ja nicht aus den Fingern gesogen. Sie sind der Mittelwert der tatsächlichen Verbüßungszeiten, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil mitgeteilt hat.
Dagegen wurde vorgebracht, daß sich die durchschnittlichen Verbüßungszeiten seit 1977, seit dem Zeitpunkt dieses Urteils, weiter verringert hätten. Es wurden auch ausländische Beispiele für geringere Verbüßungszeiten angeführt.
Meine Damen und Herren, solche statistischen Ermittlungen - das haben wir im Rechtsausschuß immer wieder gesagt - können aber kein verbindlicher Maßstab für die hier zu treffende Regelung sein; denn entscheidend ist der Gedanke, daß die Mindestverbüßungsdauer der lebenslänglichen Freiheitsstrafe sich deutlich und nicht nur marginal vom Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe abheben muß,
({2})
um die Abschreckungskraft der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zu entwerten, nicht herabzustufen, um das bisher in der Praxis zugrunde gelegte Strafgefüge nicht insgesamt ins Wanken zu bringen.
Herr Bundesminister Dr. Vogel, ich habe hier schon die Presseerklärung über Ihre Rede. Sie war dankenswerterweise bereits heute nachmittag in den Fächern. Als Sperrfrist ist der Redebeginn angegeben. Wenn Sie sich an diese Presseerklärung über Ihre zu haltende Rede halten, werden Sie auf eine Entschließung des Ministerkomitees des Europarats von 1976 verweisen, nach der die Möglichkeit einer Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe spätestens nach einer Haftzeit von 14 Jahren geprüft werden sollte. Dazu ist im Hinblick auf das von mir zitierte Strafgefüge zu sagen, daß in anderen Staaten ein anderes Strafgefüge herrscht und daß diese Relation nicht so synchron und parallel zu bewerten ist, wie Sie das in Ihrer Argumentation tun.
Ferner werden Sie vermutlich sagen - wenn man dem hier in direkter Rede Zitierten folgen will:
Oder will man wirklich glauben, daß unsere deutsche Bevölkerung einer stärkeren Abschreckung durch die Strafrechtspflege bedarf als unsere westeuropäischen Nachbarn?
Sie werden ferner auf die Kriminalstatistik verweisen, nach der für 1978 gegenüber 1974 eine Abnahme der Mordfälle um 20,6 % ausgewiesen ist. Allein gegenüber 1976 sei die Zahl der bekanntgewordenen Mordfälle innerhalb eines Jahres um 6,7 % zurückgegangen. Da muß ich etwas sarkastisch werden: Sie können ja auch eine Hochrechnung vornehmen und sich ausrechnen, wann Mord überhaupt nicht mehr stattfindet und wann Sie den § 211 StGB ganz abschaffen können.
Wir bleiben deshalb bei einer Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren, und wir fordern weiterhin eine strengere Prognoseklausel, als sie die Verantwortungsklausel des Regierungsentwurfs darstellt. Es ist bei einem zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilten zuwenig, daß lediglich verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Eine solche Erprobung ist einfach zu riskant für die Allgemeinheit, und zwar auch in denjenigen Fällen, in denen - wie es der Regierungsentwurf immerhin vorsieht - nicht ohnehin die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet.
Der Mainzer Ordinarius für Soziologie, Professor Helmut Schoeck, hat nach einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten" vom 19. März dieses Jahres von der Gefahr gesprochen, die von vorzeitig aus dem Strafvollzug entlassenen Gewalttätern ausgehen und diese zu „menschlichen Zeitbomben" werden lassen kann.
Aus diesem Grunde muß, wenn man schon keine Gewährleistungsklausel vorsieht, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hat, zumindest eine Erwartensklausel in das Gesetz eingefügt werden.
Welche Lösung wir diesbezüglich für angemessen halten, haben wir in dem vorliegenden Änderungsantrag zur zweiten Beratung formuliert. Danach soll das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung nur aussetzen dürfen, wenn neben einer Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren und den übrigen materiellen Voraussetzungen, wie sie in der Ausschußfassung enthalten sind, bei sorgfältiger Würdigung der Persönlichkeit des Verurteilten, seines Vorlebens, der Umstände seiner Tat, seines Verhaltens im Vollzug und seiner Lebensverhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß er in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. Eine De-facto-Probezeit, bei deren Nichtbestehen, etwa wegen eines neuerlichen Mordes, die Strafaussetzung eben zu widerrufen sei, lehnen wir als eine unangemessene Vergünstigung mit zu hohem Risiko für potentielle weitere Verbrechensopfer ab.
Beides zusammen, die zu geringe Mindestverbüßungsdauer und die zu schwache Prognoseklausel, führt nach unserer Auffassung, die im übrigen vom Deutschen Richterbund geteilt wird, zu einer Entlassungsautomatik, welche die lebenslängliche Freiheitsstrafe in rechtspolitisch unerträglicher Weise entwertet. Die Höchststrafe für das schwerste aller Verbrechen darf nicht zum zeitlich kalkulierbaren Risiko herabgestuft werden.
Koalition und Bundesregierung lassen im übrigen auch außer acht, was das Bundesverfassungsgericht in dem zitierten Urteil hauptsächlich entschieden hat. Es ist ein wichtiger Rechtsgedanke, der in dem Urteil enthalten ist, nämlich daß nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse nicht festgestellt werden kann, ob der Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes und unter Berücksichtigung der seitherigen Gnadenpraxis zwangsläufig zu irreparablen Schäden psychischer und physischer Art führt, welche die Würde des Menschen, wie sie Art. 1 des Grundgesetzes schützt, verletzen wür17372
den. Das Bundesverfassungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, daß die Verfassungsgrundsätze der Würde und der Eigenverantwortlichkeit des Menschen auch das Schuldprinzip beinhalten. Tatbestand und Rechtsfolge müssen, gemessen an der Idee der Gerechtigkeit, sachgerecht aufeinander abgestimmt sein.
Die lebenslange Freiheitsstrafe steht an der Spitze des Strafenkatalogs unseres Strafrechts. Als relativ schwerste Strafe soll sie nicht nur de jure, sondern auch de facto der Verletzung des höchsten Rechtsgutes, des Lebens, entsprechen.
In Ansehnung aller von der Rechtsprechung erkannten Abgrenzungsprobleme gilt im übrigen die Erfahrung, daß der Richter im allgemeinen milder als der Gesetzgeber ist. Auch diese Erkenntnis teilt das Bundesverfassungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung mit. Ich habe bereits einmal darauf hingewiesen, daß die Gerichte in stetig geringer werdendem Umfang auf die lebenslängliche Freiheitsstrafe erkennen. Diese Erfahrungstatsache wird sich auch bei der richterlichen Entscheidung über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestätigen.
Wir müssen auch bedenken: Der Richter befindet sich ja in einer ganz anderen Entscheidungssituation als der bisherige sogenannte „Gnadenherr", nämlich der politisch verantwortliche Ministerpräsident, dessen Entscheidung irreversibel war und ist. Gnadenentscheidungen - wir wissen das alle, die wir damit jemals praktisch zu tun hatten - sind wohl die ausgereiftesten und bestvorbereiteten Entscheidungen im Rechtswesen. Nicht von ungefähr dauern Gnadenverfahren so lange.
Der Richer kann sich demgegenüber der Nachprüfung und Nachprüfbarkeit seiner Entscheidung durch eine obere Instanz - wenn auch nicht ad infinitum - sicher sein. Er entscheidet gewissermaßen über dem Netz der Rechtsmittelinstanz, mit dem eine mögliche Fehlentscheidung aufgefangen werden kann.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, nichts liegt mir ferner, als unseren Richtern Oberflächlichkeit zu unterstellen, aber auch unsere Richter sind - wie wir alle - nur Menschen. Es entscheidet sich eben leichter, wenn man weiß, daß noch eine Korrektur im Rahmen des rechtlich geordneten, gesetzlich vorgeschriebenen Gesamtverfahrens vorgenommen werden kann.
Ich darf Sie, meine verehrten Damen und Herren Kollegen, bitten, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Er stellt einen vernünftigeren und ausgewogeneren Kompromiß zwischen dem Resozialisierungsgedanken, dem Sühnegedanken und dem Schutzgedanken unseres Strafrechts dar als der Regierungsentwurf, auch in der Ausschußfassung.
Noch ein weiterer Punkt unseres Änderungsantrages: Unser Änderungsantrag greift -den im Rechtsausschuß abgelehnten Antrag des Herrn Kollegen Erhard wieder auf, den § 152 der Strafprozeßordnung durch eine Opportunitätsregelung zu ergänzen. Danach soll die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Anklage mit Zustimmung des Oberlandesgerichts absehen können, wenn erstens seit Begehung der Tat 20 Jahre verstrichen sind und die Strafverfolgung nicht gehemmt war, zweitens das seitherige Verhalten des Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten läßt, daß er keine Straftat mehr begehen wird, und drittens nicht die Schuld des Beschuldigten, soweit dies nach dem Ergebnis der Ermittlungen anzunehmen ist, die Strafverfolgung gebietet.
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- Verehrter Herr Kollege Emmerlich, lassen Sie mich doch ausreden. Sie sind doch im Rechtsausschuß ein so geduldiger Dialogpartner; wir hören Ihnen doch auch geduldig zu. Bitte lassen Sie mich doch ausreden.
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Diese Opportunitätsregelung ist hauptsächlich deshalb von der Ausschußmehrheit abgelehnt worden, weil sie angeblich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage der Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe stehe. Dieses Argument halten wir nicht für zutreffend. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß bei der Festlegung der materiellen Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes das Merkmal der Verteidigung der Rechtsordnung mehrheitlich gestrichen worden ist, weil es nicht eine Bestimmung geben dürfe, auf die sich zu irgendeinem Zeitpunkt jemand berufen könne, um etwa - um mit Herrn Kollegen Engelhard zu sprechen - einem in die Terrorszene geratenen Verurteilten nach Ablauf der gesetzlichen Mindestverbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu sagen: Du bist aber einer gewesen, der unseren Staat von links her mit Terrormitteln unterlaufen wollte; du kommst deswegen nicht mehr aus dem Gefängnis heraus. - Originalton Engelhard. Meine Damen und Herren, exakt diesem Gedanken, welchem sich die Ausschußmehrheit angeschlossen hat, entspricht der Vorschlag des Herrn Kollegen Erhard, nach Ablauf von 20 Jahren seit Begehung der Tat und bei Vorliegen der genannten weiteren Voraussetzungen eine Opportunitätsregelung zu ermöglichen, wie sie bereits nach geltendem Recht bei Staatsschutzdelikten besteht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen, daß unser Änderungsantrag insgesamt die Zustimmung des Hauses findet, weil wir bei seiner totalen Ablehnung dem vorliegenden Regierungsentwurf auch in der Ausschußfassung unsere Zustimmung versagen müßten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lambinus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das von der Bundesregierung eingebrachte 19. Strafrechtsänderungsgesetz soll die Voraussetzungen, unter denen eine lebenslage Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann - und das in einem aufwendigen VerLambinus
fahren -, künftig regeln. Der Rechtsausschuß hat mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD und FDP gegen die Stimmen der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion die Annahme dieses Gesetzentwurfes in der im Rechtsausschuß vorgeschlagenen geänderten Fassung empfohlen.
Bisher kann die lebenslange Freiheitsstrafe nur im Gnadenweg gemildert werden. Gerichte können sie nicht zur Bewährung aussetzen; dies ist nach dem geltenden Strafrecht nur für zeitige Freiheitsstrafen möglich. Wegen der uneinheitlichen und ungleichmäßigen Handhabung des Begnadigungsrechts in den Bundesländern war die Gnadenpraxis in den vergangenen Jahren häufiger Gegenstand der Kritik. Schon vor vielen Jahren haben immer wieder namhafte Wissenschaftler und Praktiker des Strafvollzugs auf eine notwendige gesetzliche Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung bei lebenslanger Freiheitsstrafe hingewiesen.
Schließlich hat der Erste Senat das Bundesverfassungsgerichts mit seiner Entscheidung vom 21. Juni 1977 zur lebenslangen Freiheitsstrafe einen weiteren, zwingend zu beachtenden Anstoß gegeben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung in diesem Bereich zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Ziffer 3 seiner Leitsätze zum Urteil ausgeführt - ich darf zitieren -:
Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung alleine ist nicht ausreichend; vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.
Soweit das Bundesverfassungsgericht.
Als Gewinn an Rechtsstaatlichkeit ist es deshalb anzusehen, daß nach dem vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr die Gerichte in einem rechtlich überprüfbaren Verfahren über die Strafaussetzung zur Bewährung bei Lebenslänglichen zu entscheiden haben. Die lebenslange Freiheitsstrafe darf kein „Schrecken ohne Ende" sein, sondern sie muß in einer demokratischen und humanen Gesellschaft, die nach ihrer Verfassung die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt, ihre notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug finden. Dies gilt auch für Lebenslängliche. Auch für sie muß der Vollzug auf ihre Resozialisierung hinwirken, sie lebenstüchtig erhalten und schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs und damit auch deformierenden Persönlichkeitsveränderungen entgegenwirken. Für Lebenslängliche muß, wenngleich auch nach langer Strafverbüßung, die Aussicht bestehen, sich auf ein Leben in Freiheit einrichten zu müssen und zu können.
Das seit langem kritisierte Gnadenverfahren ist den Ansprüchen, die ein demokratischer Rechtsstaat stellt, nicht gerecht geworden. Ich möchte
nicht darauf verweisen, daß Begnadigungen durch politische Instanzen mit ihren häufig vorhandenen Abhängigkeiten getroffen werden. Begnadigungen unterliegen keiner gerichtlichen Kontrolle, und sie erfolgen vertraulich. Die Gutachter haben sich keiner Kritik zu stellen.
Nicht nur für die Verurteilten in den einzelnen Bundesländern war es wenig einsehbar, daß die unterschiedliche Gnadenpraxis zu unterschiedlich langen Verbüßungszeiten geführt hat, bevor die Verurteilten mit einer gnadenweisen Entlassung aus dem Freiheitsentzug rechnen konnten. Die durchschnittliche Vollzugsdauer lag in Hamburg bei ungefähr 16 Jahren, in Bremen bei 17,5 Jahren, in Baden-Württemberg bei 18 Jahren, im Saarland und in Schleswig-Holstein zwischen 20 und 21 Jahren und in Rheinland-Pfalz bei etwas über 22 Jahren. Eine solche Ungleichheit erweckt zumal bei den stärksten Eingriffen, die es in die Freiheitssphäre einer Person gibt, größte rechtsstaatliche Bedenken, wie ich meine. Vor allem für diejenigen Gefangenen, die, aus verschiedenen Bundesländern kommend, in einer gemeinsamen Haftanstalt untergebracht sind, müssen Zweifel an der Gerechtigkeit aufkommen, wenn die Haftdauer erkennbar unterschiedlich lang ist. Deshalb kann nur durch eine Verrechtlichung und Vereinheitlichung der Entlassungspraxis dem Gerechtigkeitsanspruch, den auch der Lebenslange hat, Genüge getan werden.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt dieser Erkenntnis Rechnung und hat zum Inhalt, das künftig die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzt, wenn erstens mindestens 15 Jahre der Strafe verbüßt sind, zweitens nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten eine weitere Vollstreckung gebietet, drittens verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, und viertens der Verurteilte einwilligt.
Dieser Entwurf für einen § 57 a des Strafgesetzbuches ist vom Rechtsausschuß gegen die Stimmen der Opposition - bis auf eine Veränderung - gutgeheißen worden. Nach Ansicht der Mehrheit der Mitglieder im Rechtsausschuß reicht es aus, wenn die besonders schwere Schuld des Verurteilten eine weitere Vollstreckung gebietet.
Auf den Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung sollte nach Meinung der Mehrheit des Rechtsausschusses verzichtet werden. Es ergibt sich quasi von selbst, daß die Gerichte bei der zu treffenden Sozialprognose, aber auch bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld ebenfalls den Gesichtspunkt der Verteidigung unserer Rechtsordnung im Auge haben.
Der Rechtsausschuß hat zusätzlich empfohlen, die Widerrufsvoraussetzungen der Bewährungsaussetzung nach § 56 f Abs. 2 zu ändern. Dadurch soll eine Verlängerung der Bewährungszeit über die Dauer von fünf Jahren hinaus zugelassen werden, damit Spannungen zur Strafaussetzung bei zeitigen Freiheitsstrafen vermieden werden.
Es hat uns nicht überrascht, daß die Opposition diesem Reformvorhaben ablehnend gegenübersteht. Wenig überraschend sind auch die Form und der Inhalt ihrer ablehnenden Ansicht. Es wird von einer Aushöhlung der lebenslangen Freiheitsstrafe und, Herr Kollege Hartmann, von einer „Regelentlassung von Lebenslänglichen nach 15 Jahren" geredet.
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Sie befürchtet Schaden für die Abschreckungswirkung der lebenslangen Freiheitsstrafe. All dies sind keine stichhaltigen Argumente, wie ich meine. Denn zunächst bleibt der Strafrahmen der lebenslangen Freiheitsstrafe für bestimmte Delikte weiterhin bestehen. Es geht allerdings darum, ob an Stelle der Begnadigungspraxis künftig feste Rechtsgrundlagen für eine Strafaussetzung und damit ein Mehr an Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit geschaffen werden soll.
Im einzelnen sehen die Voraussetzungen der Bewährungsaussetzung folgende Sicherungen vor. Erstens. Eine Aussetzung kommt nicht in Betracht, solange der Allgemeinheit eine Gefahr von seiten des Verurteilten droht. Es muß vielmehr eine positive Sozialprognose für ihn erstellt werden. Zu diesem Zweck hat die zuständige Strafvollzugskammer ein Sachverständigengutachten über den Verurteilten einzuholen. In diesem ist über die Persönlichkeit des Täters Auskunft zu geben. Ferner muß dazu Stellung genommen werden, ob zu erwarten ist, daß er nach der Entlassung auf Bewährung keine weiteren Straftaten mehr begehen wird.
Zweitens. Zu einer automatischen Entlassung des Gefangenen führt auch eine günstige Sozialprognose nicht. Denn daneben muß festgestellt werden, ob die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten eine weitere Vollstreckung gebietet. Diese Regulative soll jede Art von Entlassungsautomatik ausschließen.
Drittens. Die Bewährungszeit soll fünf Jahre betragen und verlängert werden können. Die überwiegende Mehrheit der zu lebenslangen Freiheitsstrafen Verurteilten wird im übrigen auch heute schon mit Gnadenerweisen bedingt entlassen. Dies ist nicht etwas grundsätzlich Neues, sondern es geht um die oben geschilderte rechtsstaatliche Ausformung des Verfahrens. Der Vorschlag des Bundesrates - wir finden ihn im Änderungsantrag der Opposition wieder -, als Mindestverbüßungszeit 20 Jahre vorzusehen, und auch die Anregung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eine wesentlich über 15 Jahre liegende Zeitdauer einzuführen, mußten im Rechtsausschuß zurückgewiesen werden. Insbesondere der Vorschlag des Bundesrates beinhaltet eine Verschärfung des Vollzugs gegenüber der bisherigen Gnadenpraxis, weil in einigen Ländern bereits wesentlich früher der Gnadenerweis erteilt wird.
Ich habe im Eingang schon darauf hingewiesen: Die durchschnittliche Verbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe beträgt derzeit 17,8 Jahre.
Ein Blick über unsere nationalen Grenzen hinweg, den zu werfen häufig ein Vorteil ist, weil er die „juristischen Horizonte" erweitert, zeigt, daß in unseren Nachbarländern die Strafaussetzung nach einer viel kürzeren Mindestverbüßungszeit vorgenommen werden kann: Belgien: 10 Jahre, Großbritannien: 11 Jahre, Norwegen: 12 Jahre, Osterreich und Schweiz: 15 Jahre, Dänemark: durchschnittlich 13 Jahre.
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß das Ministerkomitee des Europarates in seiner Entschließung vom Februar 1976 den Mitgliedstaaten empfohlen hat, spätestens nach einer Haftzeit von 8 bis 14 Jahren zu prüfen, ob der Lebenslängliche bedingt entlassen werden kann. Ob Täter, insbesondere Konflikttäter, ohne zwingenden Grund weitere Jahre im Strafvollzug gehalten werden sollen, wird in diesen europäischen Nachbarländern möglicherweise verantwortungsbewußter gewertet. Auch deshalb muß sich die Opposition, die viel von der Abschreckungskraft des Strafrechts und des Strafvollzugs hält, fragen lassen, ob unsere Straftäter einer stärkeren Abschreckung bedürfen als etwa die in den westeuropäischen Nachbarländern.
Die Opposition hat im Rechtsausschuß eine engere Fassung für die Voraussetzungen einer günstigen Sozialprognose vorgeschlagen. Danach sollte eine Aussetzung zur Bewährung nur in Betracht kommen, wenn nicht zu befürchten ist, daß die durch die Tat angezeigte Gefährlichkeit fortbesteht und auch sonst verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Diese vorgeschlagene Fassung wurde von der Koalition abgelehnt; denn sie würde in der Praxis wegen der bereits festen Rechtsprechung zur Aussetzung auf Bewährung im Zusammenhang mit anderen Straftaten zu Schwierigkeiten führen. Die enge Fassung der vorgeschlagenen Prognoseklausel hätte es den Gerichten auch schwerlich möglich machen können, eine Aussetzung auf Bewährung guten Gewissens vorzunehmen. Wir hätten somit den Spruch des Bundesverfassungsgerichts unterlaufen.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat im übrigen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, auch außerhalb des Parlaments, stets an Zustimmung hinzugewonnen. So haben sich nach einer vom Kommissariat der deutschen Bischöfe verbreiteten Erklärung auch die katholischen Geistlichen bei den Justizvollzugsanstalten der Bundesrepublik Deutschland auf ihrer Konferenz im Frühjahr dieses Jahres positiv zum Gesetzgebungsvorhaben ausgesprochen. Die katholischen Geistlichen begrüßen nach ihrer Presseverlautbarung vom 3. Januar 1980 wörtlich den Entwurf der Bundesregierung und schließen sich - ich zitiere -voll der Auffassung an, daß nach 15 Jahren überprüft werden soll, ob verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Auch vom Gedanken der Sühne her, den wir als Seelsorger niemals aus dem Auge verlieren dürfen, scheint uns der Zeitraum von 15 Jahren als angemessen und vertretbar.
Weiter heißt es in der Presseerklärung - und dies sollte nicht unterschlagen werden -:
Die Schwere der Schuld soll in angemessener Weise berücksichtigt werden. Bei günstiger Sozialprognose und fortgeschrittenem Alter soll aber jedem Lebenslänglichen die Chance, die Freiheit zu erhalten, offenstehen. Es widerspricht der Würde des Menschen, nur wegen der Verteidigung der Rechtsordnung eine Bewährung für immer zu versagen.
In gleicher Weise wird der Gesetzentwurf auch von der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe, der der Deutsche Caritasverband und der Sozialdienst katholischer Männer und Frauen angehören, begrüßt. Die CDU/CSU-Opposition teilt anscheinend diese humane und rechtsstaatliche Position der katholischen Kirche nicht. Die CDU/CSUOpposition bewegt sich offensichtlich, gefangen in ihrem konservativen Denken, in den üblichen alttestamentarischen Strickmustern: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Von einer solchen Strafrechtspolitik sind meine Fraktion, die Fraktion der Sozialdemokraten, und auch die Fraktion der FDP weit entfernt. Wir empfehlen daher die unveränderte Annahme des vorliegenden Regierungsentwurfs in der Ausschußfassung.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag auf Drucksache 8/3997 machen. Zu Ziffer 1 habe ich bereits das Notwendige ausgeführt. Zu Ziffer 2 wäre zu sagen, daß das Gesetz, das wir heute verabschieden werden, keine Gelgenheit bietet, erneut in eine Diskussion einzutreten, wie wir sie über die Problematik der Unverjährbarkeit des Mordes geführt haben. Was zu Ziffer 2 zu sagen war, ist bei der damaligen Debatte gesagt worden. Es erübrigt sich deshalb, heute dazu noch einmal Stellung zu nehmen.
Ich bitte deshalb sehr herzlich darum, den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU abzulehnen und den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschußfassung anzunehmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Erfüllung des Gebots des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 21. Juni 1977. Ich habe bei der ersten Lesung am 19. Oktober des vergangenen Jahres dazu eine ganze Reihe grundsätzlicher Ausführungen gemacht, die ich hier nicht zu wiederholen brauche. Zu den Einzelheiten, wie wir sie bei den Beratungen im Rechtsausschuß festgelegt haben, hat soeben Herr Kollege Lambinus eingehende Ausführungen gemacht.
Ich beschränke mich deshalb auf die beiden wesentlichen Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit das Gericht den Rest einer lebenslangen Frei- heitsstrafe zur Bewährung aussetzen kann. Diese beiden Kernbestimmungen, nämlich erstens die Bestimmung über die Zeitdauer der mindestens zu verbüßenden Strafe und zum zweiten die Formulierung
der Sozialprognose, sind, wie ich meine, völlig überflüssigerweise kontrovers geblieben.
Über die Mindestverbüßungsdauer konnte inhaltlich keine Einigung erzielt werden. Ganz anders war es bei der Sozialprognose, wo wir uns interfraktionell auf eine gemeinsame Formulierung geeinigt hatten. Nur ist der Kompromiß letztlich daran gescheitert, daß die Opposition in Verkennung der Situation glaubte, einen Gesamtkompromiß damit belasten zu können, daß sie bei der Bemessung der Mindestverbüßungsdauer in ihrem Antrag weit über das hinausgegangen ist, was für uns diskussionswürdig ist.
Ich habe bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß eine Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren für die Beratungen ein vernünftiger und sachgerechter Ausgangspunkt ist. Ich meine, die Beratungen haben auch ergeben, daß dies richtig war. Ich räume ja durchaus ein, daß es sich dogmatisch nicht festlegen lassen wird, ob nun 14 oder 16 oder die hier gewählten 15 Jahre Mindestverbüßungsdauer das einzig und allein richtige Ergebnis ist.
Nur, eines ist für mich klar: 20 Jahre, Herr Kollege Hartmann, wie sie der Bundesrat bereits in seiner Gegenäußerung vorgeschlagen hatte und wie Sie sie im Ausschuß und auch heute in Ihrem Änderungsantrag wieder übernommen haben, sind unangemessen und völlig überzogen; denn die Umfrage bei den Landesjustizministern hat ja ergeben, daß heute die durchschnittliche Verbüßungsdauer 17,8 Jahre beträgt. Kann es der Sinn einer neu zu schaffenden Aussetzungsregelung sein, daß auch künftig Gnade vor Recht ergehen wird? Ich meine nicht Gnade vor Recht wie bisher: weil wir die rechtliche Regelung nicht hatten - nur die Gnadenregelung -, sondern ich meine Gnade vor Recht, zeitlich gesprochen. Stellen Sie sich vor, daß die Gnadeninstanz auch künftig genötigt wäre, das zu ihrer Korrektur geschaffene förmliche Rechtsverfahren nun ihrerseits zu korrigieren, weil längst, zu einem Zeitpunkt, wo nach Ihrem Votum überhaupt noch nicht begonnen werden dürfte, nachzudenken, ob in einem rechtsförmlichen Verfahren Strafaussetzung zur Bewährung zu gewähren wäre, Gnadenerwägungen angestellt worden sind. Ich meine, das wäre ein fatales Ergebnis. Das kann nicht der Sinn sein, und das entspricht ganz sicherlich nicht dem, was das Bundesverfassungsgericht uns in seiner Entscheidung zu tun aufgegeben hat.
Es ist auch nicht richtig, wenn Sie sagen, hier werde die lebenslange Freiheitsstrafe in unzulässiger Weise auf das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe verkürzt. Sie vergleichen ganz einfach Unvergleichbares. Es ist nicht möglich, die voll verbüßte zeitige Höchststrafe von 15 Jahren gleichzusetzen oder zu vergleichen mit der lebenslangen Freiheitsstrafe, bei der erstmals nach 15 Jahren die Prüfung einsetzen kann, ob Strafaussetzung zu gewähren ist.
Ich gehe einen Schritt weiter und sage: Es grenzt fast schon an einen Taschenspielertrick, den Versuch zu unternehmen, einen zum Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren Verurteilten, für den eine schlechte Sozialprognose gilt, zu ver17376
gleichen mit einem Lebenslänglichen mit guter Prognose, bei dem nach 15 Jahren die Prüfung auf eine bedingte Entlassung einzusetzen hat.
Ich habe bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß mir eine vernünftige und gute und an der Sache orientierte Formulierung der Prognoseklausel weit wichtiger erscheint. Wir waren uns klar darüber, daß das, was der Bundesrat angeboten hat, nicht Gesetz werden sollte, denn dieser Vorschlag ist undifferenziert. Er unterscheidet nicht zwischen der Fülle aller möglichen Straftaten; die ein Entlassener nach der Entlassung begehen könnte, und dem, was die Öffentlichkeit im Kern zunächst interessiert, ob nämlich auch nur im mindesten die Gefahr besteht, daß sich ein solcher Entlassener erneut eines Tötungsdelikts schuldig macht.
Die Bundesregierung hat demgegenüber die geltende Prognoseklausel für die zeitige Freiheitsstrafe übernommen, und ganz sicherlich hat sich diese Regelung in der bisherigen Praxis auch bewährt. Es ist auch ganz klar und wird zu Recht im Bericht des Rechtsausschusses hervorgehoben, daß bei der Prüfung, ob ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter bedingt entlassen werden kann, von den Gerichten ein schärferer Maßstab als in anderen Fällen angelegt werden wird.
Trotzdem halte ich an dem, was ich in der ersten Lesung ausgeführt habe, fest. Mir erschiene es besser, dies auch im Text des Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, also hier zwischen der Tat, wegen der die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe erfolgt ist, oder einem Tötungsdelikt anderer Art und allen übrigen Straftaten, für die gleichfalls vom Gericht die Sozialprognose gestellt werden muß, zu differenzieren.
Bei den Beratungen habe ich mich dementsprechend um eine Formulierung bemüht. Eine große Hilfe war dabei der Vorschlag des Deutschen Richterbundes, der nur insoweit auf Widerspruch stoßen mußte, als er auch mit dem Begriff des Gewährleistens arbeitet. Und gewährleisten wird keiner können; das ist ganz einfach eine Überforderung jedes Gerichts, das hierzu eine Entscheidung zu treffen hat.
Ich habe schließlich vorgeschlagen, wie folgt zu formulieren:
Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt, wenn nicht zu befürchten ist, daß die durch die Tat angezeigte Gefährlichkeit fortbesteht, und auch sonst verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
Auf diesen Vorschlag haben sich, wie erwähnt, alle drei Fraktionen zunächst verständigt. Der Vorschlag ist, wenn ich es richtig deute, auch heute noch allgemeine und übereinstimmende Meinung; jedenfalls galt das, bis ich Ihren Änderungsantrag gesehen habe. Nur ist mein Vorschlag im Ausschuß nicht zum Gegenstand eines Mehrheitsvotums geworden, und ich habe bereits angedeutet, warum dies nicht geschehen ist: weil Sie den Gesamtkompromiß durch Ihr völlig verstiegenes Begehren, auf
einer Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren zu beharren, zerstört und unmöglich gemacht haben.
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- Ich möchte dies - ich bitte um Verständnis, Herr Kollege - gern zu Ende bringen, weil ich weiß - und auch Sie wissen das aus Ihrer Praxis nur allzugut -, daß dies ein Muster- und Lehrbeispiel dafür ist, daß man die im Ausschuß vorhandenen Kompromißmöglichkeiten nicht ausschöpft, wohl wissend, daß es qua Bundesrat einen Vermittlungsausschuß gibt, von dem man meint, man könne ihm die gesamte Arbeit aufhalsen und aufbürden.
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Dies ist auch Politik, dies ist auch ein Weg. Ich meine, es ist manchmal ein allzu bequemer Weg, den man nicht gehen sollte. Vielmehr sollte man sich der Möglichkeiten, die im Ausschuß selbst vorhanden sind, bedienen und sollte versuchen, zu Ergebnissen zu kommen. Dies wäre bei vernünftiger Betrachtung von allen Seiten her durchaus möglich gewesen.
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Es ist nicht üblich, Herr Kollege, daß man über künftige gesetzgeberische Ereignisse eine Prognose abgibt. Ich habe aber nach dem Abschluß der Beratungen im Rechtsausschuß diesen Grundsatz einmal durchbrochen und habe folgendes erklärt - und ich will dies heute hier wiederholen -: Es ist ja wohl voraussehbar, daß im Bundesgesetzblatt I nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens die Prognoseklausel nach meinem Vorschlag, keinesfalls aber die von Ihnen gewünschte Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren ihren Platz finden wird. Ich will diese Prognose einmal wagen, um auch Ihnen noch einmal deutlich zu machen, wie gut es vielleicht gewesen wäre - kräftesparend und im Sinne der Beschleunigung der Sache -, wenn man sich bereits im Ausschuß zusammengefunden hätte.
Aber jetzt lesen wir zur großen Überraschung, daß Sie eine neue Formulierung für die Prognoseklausel gefunden haben, die niemals Gegenstand der Beratung im Ausschuß war.
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Ich will es mir wirklich ersparen, allzu boshaft zu werden. Aber was haben Sie sich eigentlich gedacht, wenn Sie formulieren, daß „mit hoher Wahrscheinlichkeit" zu erwarten sein muß, daß künftig ein gesetzmäßiges Leben geführt wird? Das gilt ja nun nicht nur für die ganze Fülle der Delikte, die einem Entlassenen in die Quere kommen und über die er stolpern kann, sondern nach Ihrer undifferenzierten Betrachtung auch für Mord und andere Tötungsdelikte. Und hier verlangen Sie nur die Schwelle einer hohen Wahrscheinlichkeit! Ich glaube, es zeigt, daß Sie diese Dinge nicht zu Ende gedacht haben.
Wir werden diesem Gesetzentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses zustimmen und die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens in Ruhe abwarten. Im übrigen werden wir Ihren ÄnderungsEngelhard
antrag ablehnen, auch soweit er sich mit den Fragen einer Änderung der Strafprozeßordnung befaßt, weil wir der Meinung sind, daß diese sicherlich wichtige Frage nicht so beiläufig gelegentlich dieses Entwurfs erledigt werden sollte.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hartmann hat liebenswürdigerweise als teilzeitfreiwilliger Helfer der Bundesregierung bereits Teile aus meinen vorbereiteten Notizen verlesen. Ich hoffe, daß ihm diese Unterstützung der Bundesregierung zu Hause keine Schwierigkeiten bereitet. Ich bin deswegen in der Lage, meine Ausführungen abzukürzen.
Es ist einmal mehr der Eindruck entstanden oder auch erweckt worden, als wenn in den hier zur Entscheidung stehenden Fragen unüberwindliche, fast antagonistische Gegensätze bestünden. Davon kann jedoch im Ernst keine Rede sein. In allen wesentlichen Punkten stimmt die Opposition mit der Vorlage der Regierung überein. Es gibt einen wesentlichen Streitpunkt. Ferner ist ein zweiter Streitpunkt geblieben, der allerdings gerade nach den Ausführungen von Herrn Kollegen Engelhard, meinem Vorredner, nicht als der zentrale, nicht noch zu überwindende Punkt angesehen werden kann. Der wichtige Streitpunkt ist der, ob die Prüfung der Aussetzung zur Bewährung, nicht die Aussetzung selbst - dies ist eine mißverständliche Verkürzung der Darstellung, der wir immer wieder begegnen -, nach 15 oder nach 20 Jahren erfolgen soll.
Herr Kollege Hartmann, unter Verweisung auf Ihre Vorlesertätigkeit für die Bundesregierung darf ich mich jetzt beschränken ({0})
- Nein, ich finde es wirklich chevaleresk. Wir sollten dies gegenseitig in einem noch zu vereinbarenden Verfahren festlegen. Es würde unheimlich viel Zeit sparen.
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Ich würde dann gerne gelegentlich auch einmal Passagen aus Ihren Ausführungen übernehmen. Wir hätten dann vielleicht in der ersten und zweiten Runde immer nur noch einen Sprecher, der dies, gewandt nach dieser oder jener Seite, verliest.
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- Da hätten Sie aber Schwierigkeiten wegen der Wortwahl mit Herrn Kollegen Helmrich. Er hat gerade an Luther erinnert. Das sind keine Lutherworte. Sie waren beim letzten Punkt, glaube ich, vorübergehend nicht da, Herr Kollege Lenz.
Aber zurück zur Sache. Ich beschränke mich auf den Hinweis, Herr Kollege Hartmann, daß die Schweiz und auch Österreich nach 15 Jahren prüfen und entlassen. Sie können doch wirklich nicht
im Ernst behaupten, daß für die Bundesrepublik kriminalpolitisch etwas anderes als für Osterreich und die Schweiz notwendig sei. Ihre Behauptung
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- langsam, Herr Kollege Hartmann; ich will Sie vor einem Irrtum bewahren -, es hänge mit der Systematik der Strafen zusammen, ist doch ganz falsch. Osterreich und die Schweiz haben zeitliche Höchststrafen von 20 Jahren. Dennoch prüfen und entlassen sie nach 15 Jahren, aus zwingenden logischen Gründen: weil Sie doch nicht den günstigsten Fall bei günstiger Sozialprognose mit dem ungünstigsten Fall bei ungünstiger Sozialprognose gleichsetzen können.
Sie müssen sich also die Frage gefallen lassen, die Sie ganz zutreffend hier schon verlesen haben, warum eigentlich Ihre Partei glaubt, daß ausgerechnet die Menschen in der Bundesrepublik stärkerer Abschreckung als die Menschen in der Schweiz und die Menschen in Osterreich bedürfen. Auf diese schlüssige Frage sind Sie, weil Sie leider bei mir nicht weitergelesen haben, die Antwort schuldig geblieben.
Nun kommt ein Punkt, den ich nicht so humorvoll finde. Wenn hier sachlich und mit aller Ruhe festgestellt werden kann, daß die Mordkriminalität seit 1974 um 20,6 % gesunken ist - 1974 waren es 1 306 Morde, 1978 waren es 1 037 -, was einen Rückgang um 269 Fälle im Jahr bedeutet, dann, Herr Kollege Hartmann, verstehe ich nicht, daß Sie leichthin die Bemerkung anknüpfen, man könne ja Hochrechnungen - dieses Wort ist Ihnen offenbar in den letzten 48 Stunden noch geläufiger geworden - veranstalten, die dann bei der Mordquote Null enden. Lieber Herr Kollege Hartmann, ich will jetzt nicht pathetisch werden. Aber hier geht es um Menschenleben. Wenn die Mordquote um 20 % sinkt, bedeutet das eben, daß 269 Menschen leben, die bei gleicher Kriminalitätsrate und Mordrate tot wären.
({4})
- Herr Kollege Hartmann, wenn ich Mitglied der CSU wäre, würde ich mich einer so einfachen und schlichten Argumentation bedienen. Ich tue dies nicht. Ich trete nur der planmäßigen Darstellung entgegen, als ob Mord und Todschlag seit 1969 von Jahr zu Jahr zunehmen würden und es immer schlimmer würde. Das Gegenteil ist richtig.
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- Aber, lieber Herr Kollege Hartmann: Erstens bin ich überhaupt kein Freund von Schießen. Und wenn ich Sie so vor mir sehe, würde ich den Begriff „Pappkamerad" bei Ihrem äußeren Erscheinungsbild für unangemessen halten.
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Aber zurück zum Kernpunkt. Ich weiß nicht, warum eigentlich dieses Haus nicht quer durch die Parteien ohne Zwischenrufe dieser Art, die das eine oder das andere akzentuieren wollen, seiner Befriedigung darüber Ausdruck geben kann, daß in der
Bundesrepublik Deutschland die Mordrate seit Jahren kontinuierlich sinkt. Das ist doch eigentlich ein Grund, daß alle zufrieden sein können.
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Selbst die Opposition, glaube ich, ist doch im Grund zufrieden, das dies so ist.
Vor diesem Hintergrund ermangelt Ihre Beweisführung, wir bräuchten eine schärfere Abschrekkung als die Osterreicher und die Schweizer, der inneren Rechtfertigung, selbst wenn man es von der Statistik her betrachtet.
Ich meine, man darf nicht nur bei feierlichen Gelegenheiten von Europa reden, Herr Kollege Hartmann. Wenn sich der Europarat auf gewisse Empfehlungen einigt und vorschlägt: zwischen 8 und 14 Jahren - so lautet ja die Empfehlung -, dann kann man doch nicht mit einer Handbewegung sagen: Europa ist für uns in diesem Punkt völlig unmaßgeblich; wir sind der Meinung: 20 Jahre.
Jetzt kommt der zweite Punkt. Das ist die Frage der Prognoseklausel. Die Regierung hatte dieselben Klauseln vorgeschlagen, die jetzt beispielsweise bei Totschlag gilt. Wenn einer wegen zweier Verbrechen des Totschlags 15 Jahre bekommen hat, dann gilt die gleiche Klausel. Man hat im Ausschuß verhandelt. Ich verhehle nicht, daß, wenn man noch einmal in eine Diskussion eintritt, mir dann immer noch die Klausel, die Herr Kollege Engelhard gerade noch einmal vorgetragen hat, systemgerechter erscheint, weil sie auf die allgemeine Klausel aufbaut und an sie anschließt und die weggefallene Gefährlichkeit besonders betont, als das, was Sie machen. Ihre Klausel ist gar nicht neu. Sie haben einfach - wenn ich dies in aller Ehrerbietung sagen darf - die Klausel des § 26 alter Fassung, der jetzt durch § 57 abgelöst ist, abgeschrieben und wieder hervorgezogen. Dies führt doch nun wirklich zu MiBinterpretationen. Ich bitte Sie, sich noch einmal zu überlegen, ob dies eine Lösung ist, die tatsächlich weiterführt und mit der die Gerichte arbeiten können.
Ob es verantwortet werden kann zu erproben, hängt doch jeweils von der Schwere der Straftat ab. Es kann unter Umständen verantwortet werden, zu erproben, ob der Betreffende ein Straßenverkehrsvergehen begeht. Es kann aber absolut nicht verantwortet werden - das ist die einheitliche Rechtsprechung -, zu erproben, ob er neuerdings einen Menschen tötet.
In diesem Zusammenhang noch einen Hinweis. Draußen wird manchmal mit den Sorgen und Befürchtungen der Menschen nicht ganz korrekt umgegangen. Ich verstehe jeden, der die Sorge hat, daß ein so Entlassener neuerdings straffällig wird. Aber es würde, glaube ich, manche Sorge mindern, wenn wir uns aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Seite 22, noch einmal vor Augen führten, daß von den 702, die bis zum 31. Dezember 1975 von den Ministerpräsidenten begnadigt wurden, ganze vier wegen eines Tötungsdeliktes rückfällig geworden sind; ein Mord und drei andere Tötungsdelikte, wobei in einem Fall die Beweislage noch offen ist. Jeder Mord ist zuviel. Aber bei einer Verhältniszahl von 702 : 1 bzw. 702 : 4 ist es meiner Ansicht nach nicht vertretbar, in den Menschen Angst zu wecken, Sorgen hervorzurufen, die mit der Realität nicht in Einklang stehen.
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Auch die Ministerpräsidenten haben den Vorwurf, der darin steckt, sie hätten von den Möglichkeiten einen übertriebenen Gebrauch gemacht, nicht verdient.
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- Entschuldigung, ich habe doch gerade gesagt: Jeder einzelne ist zuviel.
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- Herr Kollege, Sie werden aber auch keine Formel wählen oder vorschlagen können, bei der das Ergebnis 702 : 0 lautet. Sie haben ja die Ministerpräsidentenlösung gerade selber als eine gute und vertretenswürdige dargestellt.
Der letzte Punkt, auf den ich nur kurz eingehe, ist der in Ihrem Antrag noch einmal aufgegriffene Gedanke aus der Verjährungsdebatte, dem O 152 der Strafprozeßordnung einen Abs. 3 anzufügen. Meine Damen und Herren, es kann hier nicht auf die Fragen der juristischen Systematik ankommen. Jeder weiß, daß wir im Grunde die Verjährungsdebatte in der Sache ein zweitesmal führen würden.
({11})
- In der Sache ein zweitesmal führen würden! Dafür spricht ja schon, Herr Kollege Erhard, daß wir genau den gleichen Gedanken im Rechtsausschuß bei der Debatte über die Aufhebung der Verjährung tagelang auf das sorgfältigste behandelt haben. Natürlich ist es eine Wiederholung.
Zum zweiten - dies sage ich aber nur mit aller Vorsicht -: Mich wundert ein bißchen, Herr Kollege Erhard, daß engagierte Anhänger des Legalitätsprinzips, die etwa bei den Drogensüchtigen schon leichte Durchbrechungen des Legalitätsprinzips für außerordentlich bedenklich erklären und sich nur mit Mühe entschließen können, hier einen Schritt zu tun - Sie gehören dazu, Herr Kollege Erhard -, beim schwersten Verbrechen, nämlich bei Mord, die Durchbrechung des Legalitätsprinzips selber in Vorschlag bringen und zum Antrag erheben. Hier scheint mir eine noch nicht ausdiskutierte Widersprüchlichkeit zu liegen, und auch dies rechtfertigt es, dem Antrag keine Folge zu leisten.
Ich wäre dankbar, wenn der Vorlage in der Fassung der Ausschußberatung unter Ablehnung der Änderungsanträge die Zustimmung gegeben würde. Ich glaube, es ist ein rechtspolitischer Fortschritt. Es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, den uns das Grundgesetz für unsere Kriminalpolitik und unsere Strafpolitik, für unseren Umgang mit den Menschen, die wir zu schützen haben, aber auch für unseren Umgang mit den Menschen, die schuldig geworden sind, gewiesen hat. Ich bitte im Zustimmung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Erhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, einiges von dem, was Sie gesagt haben, kann man nicht unwidersprochen „im Raum stehenlassen'', wie man zu sagen pflegt.
Erstens. Sie haben mit der gesunkenen Mordquote nach der Kriminalstatistik argumentiert. Sie wissen aber doch, daß Totschlag oder Tötung oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge in der Kriminalstatistik mit dem gleichbehandelt wird, was juridisch nachher im Ergebnis Mord sein könnte. Schauen Sie sich doch bitte einmal die Kriminalstatistik an und fragen Sie die Kriminalbeamten, wie das aussieht! Die einen registrieren etwas als Körperverletzung mit Todesfolge und die anderen als Mord. Das wird in der Kriminalstatistik nicht unterschieden. Diesen Fehler sollte man nicht begehen. Es sind nicht weniger Tötungen erfolgt, sondern weniger nach Meinung der Kriminalpolizei als Mord qualifizierte.
Zweitens. Sie sagen: Das Gericht prüft erst nach 15 Jahren. - Nein, das Gericht darf bereits nach 13 Jahren oder sogar schon vorher prüfen. Das schreibt der Gesetzentwurf auch vor. Außerdem ist das Gericht nicht nur zur Prüfung da, sondern der Gesetzentwurf besagt ausdrücklich: Das Gericht setzt die Strafe aus. Das Gericht ist also dazu verpflichtet, wenn die Voraussetzungen in den drei oder vier Punkten vorliegen. Hier ist kein Spielraum mehr. Das ist der große Unterschied zur Gnade.
Drittens. Wir haben den Antrag II vorgelegt, weil wir der Auffassung sind, daß das Recht in sich stimmig bleiben sollte, wenn es irgend geht. Das ist der Problemkreis mit einem gewissen Durchbrechen des Legalitätsprinzips, was wir im übrigen bei den Staatsschutzdelikten längst haben, wie Sie auch ganz genau wissen.
Ein Letztes. Herr Kollege Engelhard, jetzt soll die CDU auch noch daran schuld sein, daß Sie im Rechtsausschuß bei der Prognoseklausel gegen Ihren eigenen Antrag gestimmt haben! Wir hatten doch die Prognoseklausel verabschieden können, wenn Sie nur Ihrem eigenen Antrag zugestimmt hätten. Das haben Sie aber nicht getan, weil Sie gedacht haben, Sie könnten dann Druck auf die vorher abgestimmte Frage 20 oder 15 Jahre ausüben. Das ist die Quadratur des Kreises, die Sie noch irgend jemandem klarmachen müssen, nämlich warum Sie im Rechtsausschuß gegen Ihren eigenen Antrag, dem wir zugestimmt haben, gestimmt haben. Sie waren derjenige, der im Vermittlungsausschuß etwas zu erreichen sucht, nicht wir.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Kollege Erhard, die gegenseitige Hochachtung verpflichtet zu einer sofortigen Anwort. Sie haben, wenn ich es richtig sehe, in einem Punkt recht - das konzediere ich -, in zweien allerdings nicht.
Nicht recht haben Sie mit der Behauptung, daß die Kriminalstatistik keinen Unterschied zwischen Mord, Tötungshandlungen und Körperverletzungen mit Todesfolge kenne. Das Gegenteil ist richtig. Ihnen wird nachher ein Exemplar der Kriminalstatistik zugestellt werden. Natürlich kennt die Statistik diese Unterscheidung. Was die Tötungsdelikte insgesamt, nicht nur den Mord, betrifft, so gilt der Rückgang auch für Mord, Totschlag und Kindestötung. Hier beträgt er beispielsweise im Jahre 1978 gegenüber dem Jahr 1977 3 %. Also auch wenn man sich auf Ihre Grundlage stellt, nimmt die Zahl ab.
Im übrigen ist es eine logische Operation, Herr Kollege Erhard: Wenn die Statistik eine Unbestimmtheit enthält, dann gilt das natürlich für jedes Jahr; dann ist sie in der Relation genau gleich. Sie können doch nicht sagen, daß sich die Polizeibeamten jetzt häufiger irrten als in der Vergangenheit.
Im zweiten Punkt haben Sie recht; es ist wahr, das Gericht beginnt mit der Prüfung nach 13 Jahren. Ich bleibe bei der altmodischen Übung, einen solchen Irrtum oder Fehler sofort, auf der Stelle, einzuräumen.
Im dritten Punkt haben Sie natürlich nicht recht, Herr Kollege Erhard; denn eine Durchbrechung des Legalitätsprinzips für Mord oder auch für mehrere Morde beispielsweise, wie Sie sie vorschlagen, gibt es im geltenden Recht nicht.
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- Ja, gut! Dies ist das Novum, und das war meine Sorge, der Sie zu Unrecht widersprochen haben. Ich bleibe dabei: Eine so massive Durchbrechung des Legalitätsprinzips, über die man reden kann, wundert mich bei denjenigen, die bei kleineren Delikten und kleineren Zuwiderhandlungen das Legalitätsprinzip sehr hochhalten. Wir werden bei der Debatte über das Betäubungsmittelgesetz darauf zurückkommen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 und 2 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 3 auf. Hierzu liegt in der Drucksache 8/3997 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 3 ist in der Ausschußfassung mit Mehrheit angenommen.
Vizepräsident Dr. von Weizsäcker
Ich rufe Art. 1 Nr. 4 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 2 auf. Hier liegt auf Drucksache 8/3997 unter Ziffer 2 ebenfalls ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer Art. 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 2 ist damit in der Ausschußfassung mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Art. 3 bis 8, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind einstimmig angenommen.
Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3857 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Fortentwicklung des Strafvollzugs - Erstes Strafvollzugs-Fortentwicklungsgesetz ({0})
- Drucksache 8/3335 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4003 -
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
b) Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses ({2})
- Drucksache 8/3958 - Berichterstatter:
Abgeordnete Hartmann Heyenn
({3})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Für die Aussprache ist interfraktionell je Fraktion ein Kurzbeitrag vereinbart worden. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es innerhalb der vereinbarten Kurzdebatte noch kürzer als kurz machen.
Erstens. Die kriminal-, sozial- und familienpolitischen Zielsetzungen des Gesetzentwurfs, nämlich die Verbesserung der sozialen Situation der Gefangenen und ihrer Familien durch Erhöhung des Arbeitsentgelts und durch die Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung im Hinblick auf die Resozialisierung, werden von meiner Fraktion uneingeschränkt bejaht. Unter diesen Aspekten werden wir zustimmen. Im übrigen entspricht dies dem einstimmigen Petitum des mitberatenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung. Dies sind die Kriterien, die wir als Bundesgesetzgeber zu beachten haben.
Zweitens. Im Gesetzentwurf und im Ausschußbericht hierzu findet sich der schlichte Satz:
Der Bund wird durch die Ausführung dieses Gesetzes mit Kosten nicht belastet.
Es handelt sich also um eine Reform auf Kosten der Länder. Deren Belastung - Sie können sie im einzelnen aus dem Bericht des Haushaltsausschusses entnehmen - wird in der Gesetzesbegründung lapidar wie folgt in Ansatz gebracht:
Für die Länder entstehen laufende Mehrausgaben, die, bezogen auf 1981, mit etwa 109 Millionen DM und, bezogen auf 1986, mit weiteren etwa 236 Millionen DM zu veranschlagen sind.
In Wahrheit sind diese „weiteren 236 Millionen DM" etwa schon ab 1985 zu veranschlagen, weil die Ausschußmehrheit den Zeitpunkt des Inkrafttretens der einschlägigen Vorschriften um ein Jahr vorverlegt hat. Es ist Sache der Bundesländer, meine Damen und Herren, die Kostenfrage im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufzugreifen und über ein eventuelles Vermittlungsverfahren einer befriedigenden Regelung zuzuführen.
Die Länder halten mehrheitlich nur eine Erhöhung des Arbeitsentgelts auf 7 v. H. der Bemessungsgrundlage, nämlich des durchschnittlichen Arbeitsentgelts, für finanzierbar. Die Einbeziehung der Gefangenen in die gesetzliche Krankenversicherung akzeptieren sie, hingegen halten sie die Einbeziehung M die Rentenversicherung zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht für finanzierbar. Wir haben im Rechtsausschuß vergebens versucht, diese finanzwirtschaftlichen Bedenken des Bundesrates durchzusetzen und schon in diesem Stadium die Kompromißmöglichkeiten zwischen Bund und LänHartmann
dern auszuschöpfen. - Herr Kollege Engelhard, Sie haben uns bei dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt vorgeworfen, wir hätten die Kompromißmöglichkeiten im Ausschuß nicht ausgeschöpft. Diesen Vorwurf gebe ich Ihnen hiermit in diesem anderen Zusammenhang zurück.
Drittens. In der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates findet sich der wirklich schöne Satz - er ist direkt lyrisch, so schön ist er -:
Finanzielle Erwägungen dürfen in unserem sozialen Rechtsstaat nicht dazu führen, daß verbüßte Freiheitsstrafen lebenslange soziale Benachteiligungen für den Betroffenen und seine Familie nach sich ziehen.
Wie wahr! Man schreibe diesen Grundsatz - jetzt einmal losgelöst von dem Bezug auf die Gefangenen - sinngemäß auch über das Kapitel „Anrechnung von Erziehungsjahren als Beitragszeiten in der Rentenversicherung", oder man denke an die Benachteiligung ehemaliger Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangener durch gewisse Pauschalierungen zu ihren Lasten bei der Rentenberechnung!
Als mein Kollege Biehle die Bundesregierung danach fragte, wie man es denn mit dem Gebot der sozialen Gerechtigkeit gegenüber ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen im Vergleich zu den vorgesehenen Regelungen dieses StrafvollzugsFortentwicklungsgesetzes halte, erhielt er die Antwort - ich zitiere auszugsweise -:
Die Frage, auf welche Weise Nachteile in Einzelfällen vermieden werden können, ist in den letzten Jahren sehr eingehend diskutiert worden. Dabei hat sich eine realisierbare Möglichkeit zur Lösung dieser Frage im Bereich der Rentenversicherung - auch wegen deren Finanzlage - nicht gezeigt.
Wie wahr!
Es besteht daher Anlaß, meine Damen und Herren Kollegen, die Bundesregierung - unbeschadet unserer signalisierten Zustimmung - nicht nur an ihre finanzwirtschaftliche Verantwortung gegenüber den Ländern zu erinnern, sondern auch an das Gebot der sozialen Gerechtigkeit gegenüber allen Bevölkerungsgruppen. Der schöne Satz, daß finanzwirtschaftliche Erwägungen in unserem sozialen Rechtsstaat nicht zu sozialen Benachteiligungen führen dürfen, darf nicht nur auf die Strafgefangenen, welche immerhin gegen Gesetze verstoßen haben, angewendet werden, sondern muß genauso für alle anderen sozial benachteiligten Bürger und ihre Familien gelten, vor allem, wenn sie ohne ihr eigenes Zutun Nachteile erlitten haben, wie die ehemaligen Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangenen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe in der Ankündigung der CDU/CSU, hier heute im Gegensatz zum Ausschuß zustimmen zu wollen, bereits einen Fortschritt. Vielleicht ist dies ein Stufenplan, der den Bundesrat veranlassen wird, seine Bedenken ebenfalls fallenzulassen.
({0})
Herr Kollege Hartmann, aber eines muß ich Ihnen sagen: Sie wollen offenkundig mit der sozialen Sicherheit der Strafgefangenen erst dann beginnen, wenn Sie jede kleine Lücke in unserem so dicht gespannten sozialen Netz insgesamt geschlossen haben. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das für mich nichts zu tun. Wir müssen das soziale Netz ausbauen, aber nicht mit so illusionären Forderungen wie der nach der Anrechnung von fünf oder sechs Jahren Zeiten der Kindererziehung. Wenn Sie schon diesen bedenklichen Vergleich anstellen, muß ich Ihnen sagen: Ein Jahr Kindererziehung für alle wird 3,5 Milliarden DM kosten, und das wird der Bund zahlen. Die Einbeziehung der Strafgefangenen in die Rentenversicherung wird 236 Millionen DM kosten, und das wollen die Länder nicht zahlen. Das halte ich in der Tat für beschämend.
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Die Zeiten des Kriegsdienstes werden in der Rentenversicherung angerechnet. Es gibt besondere Leistungen für Spätheimkehrer, und für die Strafgefangenen gibt es überhaupt noch keine Rentenversicherung. Ich glaube, Herr Kollege Hartmann, Sie wollen mit Ihren Vergleichen an gewisse Emotionen appellieren, Sie wollen gewisse Vorbehalte gegen die Strafgefangenen wieder hervorholen. Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Ich habe den Eindruck, Sie wollen auch diejenigen desavouieren, die sich aufopferungsvoll lange Zeit beharrlich für mehr Verständnis für die Strafgefangenen eingesetzt haben. Ihr Vergleich hat meines Erachtens - lassen Sie mich das sagen - mit dem „C" im Namen Ihrer Partei nicht viel zu tun.
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Der Bundestag und die Bundesregierung hatten den Auftrag, das Arbeitsentgelt für die Strafgefangenen bis 1980 zu überprüfen. Demzufolge sieht der Entwurf der Bundesregierung eine Erhöhung von 5 auf 10 v. H. vor. Das bedeutet in der Praxis eine durchschnittliche Erhöhung von 5 auf 10 DM pro Arbeitstag. Gleichzeitig sollen die Strafgefangenen in die Kranken- und Rentenversicherung einbezogen werden. Von 5 auf 10 % ist ein kleiner Schritt, von 5 auf 7 %, wie es der Bundesrat möchte, das ist noch nicht einmal so, als ob man einen Fuß direkt vor den anderen setzt. Arbeitsentgelt für Strafgefangene ist für uns ein Instrument zur Wiedereingliederung, und Wiedereingliederung ist vordringliche Aufgabe des Strafvollzuges. Wenn es stimmt, daß Reformen Prozeßcharakter haben, daß sie einen Weg öffnen, dann liegt die Verfahrensdauer des Prozesses der Fortentwicklung des Strafvollzuges wesentlich über den häufig schon zu langen Verfahren unserer Justiz. Es wird ein Prozeß ohne erkennbares
Ende in diesem Jahrtausend, wenn wir den Vorstellungen der CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat folgen.
Wir wollen mit der Erhöhung des Arbeitsentgeltes die Stärkung der Selbstverantwortlichkeit. Wir wollen die Möglichkeit für die Strafgefangenen, etwas für den Unterhalt ihrer Familien zu tun, und wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, zumindest teilweise das wiedergutzumachen, was sie an ihren Opfern angerichtet haben.
Der Strafgefangene soll im Vollzug befähigt werden, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen. Dazu gehört auch, daß er stärker als bisher in die Lage versetzt wird, Geld insbesondere zur Überbrückung der ersten Zeit nach der Entlassung, die häufig mit Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche verbunden ist, anzusparen. Die Kosten von 56 Millionen DM sind tragbar. Die Fortentwicklung des Strafvollzuges kann nicht, wie beim Kollegen Hartmann geschehen, nur Lippenbekenntnisse zur Resozialisierung und dann Verweigerung der erforderlichen Mittel bedeuten.
Eine Senkung der Rückfallquote um 10 v. H., die gegenwärtig bei über 60 v. H. liegt, bedeutet im übrigen mindestens 10 000 mittelschwere oder schwere Straftaten weniger. Eine Rückfalltat kostet die Gesellschaft zwischen 50 000 und 250 000 DM. Diese Zahlen geben zu denken. Wir knüpfen an diese Verbesserung der Erhöhung des Arbeitsentgeltes von 5 auf 10 % die Hoffnung, daß der häufig fatale Kreislauf eines Gefangenen, der erneut straffällig wird, weil ihm nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, leichter durchbrochen wird.
Über die Einbeziehung der Strafgefangenen in die Krankenversicherung will ich nicht reden. Hier herrscht Einvernehmen zwischen allen Parteien und auch mit dem Bundesrat.
Die Öffnung der Rentenversicherung für die Strafgefangenen beseitigt große Ungerechtigkeiten, insbesondere für Frauen und Kinder der Strafgefangenen. Wir haben keinerlei Verständnis für die Haltung der CDU-Mehrheit im Bundesrat, die aus finanziellen Gründen die Rentenversicherung für Strafgefangene auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben will. Im Vollzug wird gearbeitet, und dafür müssen Beitragszeiten angerechnet werden.
Nicht unerheblich handelt es sich um eine Umschichtung von Leistungen aus der Sozialhilfe, die die angegebenen Kosten im Anfangsstadium um jährlich mindestens 10 Millionen DM verringert.
Das Verfassungsgericht hat wiederholt betont, daß das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft verlangt, die auf Grund persönlicher Schwäche, Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen oder sozialen Entfaltung behindert sind. Das Gericht hat ausdrücklich festgesetellt, daß dazu auch die Strafgefangenen gehören, deren Resozialisierung dem Schutz der Gemeinschaft selber dient. Entscheidend für den Strafvollzug darf nicht der von den Ländern angeführte erheblich eingeengte finanzpolitische Spielraum sein. Die Verwirklichung des SozialStaatsprinzips im Strafvollzug sollte bei den angegebenen Kosten Vorrang haben. Die Glaubwürdigkeit unserer Sozialpolitik darf nicht vor den Gefängnistoren halt machen.
Wir berücksichtigen - lassen Sie mich das abschließend sagen - im übrigen die finanzielle Situation der Länder, indem wir eine Erhöhung des Arbeitsentgelts von 5 auf 10 % des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten vornehmen und die Einbeziehung in die Rentenversicherung erst zum 1. Januar 1985 vorsehen. Wir appellieren an den Bundesrat, sich seiner Verantwortung bewußt zu sein.
Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetz.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der sich abzeichnenden Einigkeit im Hause kann ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken.
Die große Strafrechtsreform hat am Schuldprinzip festgehalten, hat aber gleichzeitig Gesichtspunkte der Resozialisierung entscheidend mit in den Vordergrund gerückt. Das Bemühen um Resozialisierung mußte unvollständig bleiben, bis das Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 verabschiedet werden konnte. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 1977 in Kraft getreten. Wir wissen, daß es heute zwangsläufig noch Stückwerk ist, weil wichtige Teile dieses Gesetzes in einem Stufenplan erst durch weitere Bundesgesetze ausgestaltet und in Kraft gesetzt werden.
Das vorliegende erste Gesetz zur Fortentwicklung des Strafvollzugs ist ein wichtiger Schritt auf diesem Wege, den Absichten des Strafvollzugsgesetzes Rechnung zu tragen und diese Absichten vom Papier stärker in die Tat umzusetzen. Es ist ein Kernpunkt des Strafvollzugsgesetzes, daß der Gefangene für sich und seine Familie durch Zahlung eines angemessenen Arbeitsentgelts und durch Einbeziehung in Kranken- und Rentenversicherung sozial abgesichert werden soll. Ihm soll weiterhin die Eingliederung nach der Entlassung erleichtert werden, einschließlich der Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung. Wir wissen alle, daß wir hier erst am Anfang stehen. Um so unverständlicher erscheint es mir, daß sich der Bundesrat bereits diesen Anfangsschritten widersetzt.
Es ist nicht zu verkennen, daß diese Regelung die Länder eine Menge Geld kosten wird. Aber diese Belastungen waren absehbar, und das Strafvollzugsgesetz ist mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedet worden.
Was wir, wenn wir dieses Gesetz heute verabschieden, verlangen, ist nicht unbillig; denn - ich darf daran erinnern - kurzfristig sind die Länder schon ehedem durch Zurückdrängung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe finanziell erheblich entlastet worden, und längerfristig wird man sehen müssen,
daß den heute anstehenden Ausgaben erhebliche Einsparungen gegenüberstehen werden.
Wir werden deswegen dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
({0})
Den Weg des Bundesrates, die Realisierung des Strafvollzugsgesetzes auf die lange Bank vieler, vieler Jahre schieben zu wollen, können wir nicht gutheißen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Verzeihung, das Wort hat Herr Minister Dr. Vogel.
Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In aller Kürze: Ich glaube, wir alle sind einig, daß die - ({0})
- Es ist immer besser, wenn man gebeten wird, den Titel etwas zu mildern, als wenn man aufgefordert wird, noch ein paar Silben hinzuzufügen, Herr Kollege parlamentarischer Sekretär der Oppositionsfraktion. Ich hoffe, es war korrekt.
({1})
Verzeihen Sie, Herr Bundesminister, ich darf hier vielleicht eine Bemerkung machen: Der Herr Bundesminister war hier nicht als Redner angemeldet. Es ist also nicht mein Versehen.
Nein, ich habe es auch nachgeholt, Herr Präsident.
Ich schlage vor, daß wir trotz der fortgeschrittenen Stunde zur Beratung zurückkehren. Ich glaube, wir sind uns alle einig, daß die Wiedereingliederung eines straffällig Gewordenen den wirksamsten Schutz gegen künftige Straftaten darstellt.
Die Divergenz, die tatsächlich besteht, ist eine Divergenz um einen Millionenbetrag. Das, was Herr Kollege Hartmann vertritt, würde allen elf Ländern im Jahre 1981 29 Millionen DM sparen. Ich bitte, zu überlegen, ob diese Ersparnis von 29 Millionen DM tatsächlich der entscheidende Gesichtspunkt sein kann.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gerne.
Würden Sie bitte davon absehen, mir hier, wie schon bei einem früheren Tagesordnungspunkt, Äußerungen - eine Richtung - zu unterstellen, die ich gar nicht gebraucht habe? Sie haben mir soeben unterstellt, ich hätte irgend etwas vertreten. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich
die Zustimmung meiner Fraktion signalisiert habe. Aber scheinbar stimmt Ihr Feindbild immer dann nicht, wenn wir bei irgend etwas zustimmen.
Herr Kollege, dann bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung. Dann stehe ich noch unter dem Eindruck der Beschlußfassung im Bundesrat.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen ein zweites Mal die Möglichkeit, von mir die Erklärung entgegenzunehmen, daß ich mich getäuscht habe.
({1})
Ich begrüße ausdrücklich Ihre Zustimmung. Ich begrüße die Einstimmigkeit und hoffe, daß Sie im Bundesrat dahin wirken können, die Einstimmigkeit auch dort sicherzustellen.
({2})
In diesem Sinne freue ich mich, daß die Vorlage der Bundesregierung die einstimmige Billigung dieses Hauses bekommt, und hoffe, allen denen ein freundliches Gefühl verschafft zu haben, die sich gerne darüber ergötzen, daß sich ein hier redendes Mitglied der Bundesregierung geirrt hat und dies zugibt. Herzlichen Dank.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3958 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Vizepräsident Wurbs
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
- Drucksache 8/3301 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4004 -
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1})
- Drucksache 8/3972 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Emmerlich Dr. Bötsch
({2})
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
- Drucksache 8/3312 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses
({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4004 -
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({4})
- Drucksache 8/3972 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Emmerlich Dr. Bötsch
({5})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bötsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute bei den beiden Ihnen auf den genannten Drucksachen vorliegenden Gesetzenwürfen in der zweiten und dritten Lesung in diesem Hause voraussichtlich zu einer streitigen Abstimmung kommen, so muß das auch auf seiten der CDU/CSU-Fraktion bedauert werden, und zwar deshalb, weil wir in den Ausschußberatungen einem Kompromiß sehr nahe gewesen zu sein schienen, der jedoch, wie ich am Ende erläutern werde, daran scheiterte, daß die Bundesregierung zum wiederholten Mal versucht hat, nachdem schon in den letzten Jahren erhebliche Kompetenzerweiterungen zu Lasten der Länder durch viele Gesetze zu verzeichnen waren, auch hier eine Änderung in der Weise einzuführen, daß Zuständigkeiten von den Ländern auf den Bund ohne Notwendigkeit verlagert werden sollten.
Der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes enthält im wesentlichen, kurzgefaßt, eine Verlängerung der sogenannten Experimentierklausel um fünf Jahre. Die Bundesregierung und nach den Ausschußberatungen auch die Koalitionsfraktionen sind der Auffassung, daß die bisherige zehnjährige Erprobungszeit für eine Änderung der herkömmlichen zweistufigen Juristenausbildung nicht ausreiche und deshalb eine fünfjährige Verlängerung geboten sei.
Die Skepsis, die ich schon in der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs im November 1979 geäußert habe, konnte durch die Ausschußberatungen nicht entkräftet werden, insbesondere bezüglich der Vorlage, wie sie heute zur Abstimmung steht, wonach nämlich die Experimentierklausel um ganze fünf Jahre verlängert werden soll. Das von allen hier im Hause verbal angestrebte Ziel, möglichst bald wieder zu einer einheitlichen Juristenausbildung zurückzukehren, wird auf jeden Fall bei einer Verlängerung um fünf Jahre um genau diesen Zeitraum hinausgeschoben. Dieses Hinausschieben ist nicht notwendig, da zum Hauptanliegen des § 5 b des Deutschen Richtergesetzes, der engeren Verbindung von Studium und praktischer Ausbildung, hinreichende Erfahrungen vorliegen.
Ohne im Detail hier auf die Inhalte der Ausbildung bzw. einer neuen Ausbildungsordnung eingehen zu wollen - dies muß einer späteren Beratung vorbehalten bleiben -, kann festgestellt werden, daß aussagekräftige Gesamtvergleiche zwischen den Kenntnissen und Fähigkeiten des herkömmlich Ausgebildeten und des im Experiment ausgebildeten Juristen über das bereits heute erkennbare Maß hinaus kaum zu erwarten sind. Ohne gemeinsame Leistungsbewertung werden Qualitätsvergleiche zwischen den herkömmlich und den einstufig ausgebildeten Juristen im Hinblick auf die unterschiedlichen Ausbildungsziele auch nach einer Verlängerung der Experimentierphase nur sehr bedingt möglich sein. Zu sonstigen bedeutenden Fragen in diesem Bereich wie Lehrinhalte, Curricula, Spezialisierung, Stoffentlastung, Konzentration und Beschleunigung sind in den vergangenen Jahren umfangreiche und auswertungsfähige Erfahrungen gemacht worden, und zwar sowohl in den Experimentiermodellen als auch in der herkömmlichen Ausbildung. Verbesserungen in diesen Bereichen sind eine ständige Aufgabe aller Beteiligten und rechtfertigen keine Verlängerung der Experimentierphase. Das von uns angeregte Hearing hat insoweit auch keine neuen Erkenntnisse gebracht; dort wurde sowohl für als auch gegen die Verlängerung argumentiert. Wir lehnen deshalb den von der Bundesregierung vorgelegten und von der Mehrheit des Rechtsausschusses beschlossenen Entwurf ab.
Auf der anderen Seite bitten wir Sie, dem Gesetzentwurf des Bundesrates zuzustimmen. Diese Zustimmung erbitte ich auch unter der Voraussetzung, daß die Experimentierphase verlängert wird; denn die Erfahrungen sprechen bei der herkömmlichen Ausbildung eindeutig für eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes. Der verlängerte Vorbereitungsdienst ist nicht nur im Interesse größerer Berufsfertigkeit erforderlich, sondern eine notwendige
Ergänzung der theoretischen Ausbildung. Die Realität des Rechts, die Schwierigkeiten seiner Anwendung, seine praktische Brauchbarkeit, sein gesellschaftlicher Kontext und seine Auswirkungen auf das Rechts- und Sozialleben können nur durch praktische Anschauung in Ergänzung der theoretischen Ausbildung, und zwar durch ausreichende praktische Ausbildung, erfahren werden.
Die derzeitige Lage ist durch ein erhebliches Defizit an praktischer Ausbildung gekennzeichnet, während früher beide Ausbildungsstadien jedenfalls zeitlich gleichwertig waren. Bedenken, daß eine wesentliche Frage der späteren - gleichgültig, ob mit oder ohne Experimentierphase - neuen Ordnung präjudiziert werde, bestehen unseres Erachtens nicht; denn eine Verlängerung der praktischen Ausbildung ist bei einer jeden, wie auch immer gestalteten Neuordnung unumgänglich.
Auch das Anliegen des Bundesrats, eine Anrechnung von Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst auf die Gesamtnote der zweiten Prüfung auszuschließen, zumindest rechnerisch, halten wir für dringend geboten. Die unterschiedliche Handhabung dieser sogenannten Vorstellungsnoten führt zu einer Verzerrung des Leistungsgedankens in diesem Bereich, die unseres Erachtens nicht länger hingenommen werden kann. Die Statistik über die Ergebnisse der zweiten juristischen Staatsprüfung weist aus, daß sich die Noten in den Bundesländern in den vergangenen Jahren erheblich, zum Teil sogar in extremer Weise, auseinanderentwickelt haben. Daß manche Länder dann sogar dazu übergegangen sind, die Examensnoten nochmals nach ihren eigenen Methoden durchzuschütteln und nur solche Bewerber in den Staatsdienst in ihrem Land aufzunehmen, die den eigenen Prüfungsanforderungen entsprechen, ist ein aus der Sicht dieser Länder notwendiger Notbehelf. Es ist aber sicherlich nicht im Sinne der Chancengleichheit und einer Ausbildung von einheitlichen Bewertungsmaßstäben.
Auch sollte der Anteil der mündlichen Prüfungsleistungen an der Gesamtnote tatsächlich auf 40 v. H., wie es der Bundesratsentwurf vorsieht, begrenzt werden. Wie soll eigentlich eine objektive Lösung gefunden werden, wenn die mündliche Note noch mehr zählt als diese 40 %? Kommt es denn eigentlich im Endergebnis darauf an, ob einer vor oder in der Prüfung freundlich grüßt oder sich vielleicht auch nur gewandter ausdrücken kann, während derjenige, der diese Gewandtheit im mündlichen Ausdruck vielleicht nicht in gleicher Weise hat, aber die weitaus besseren Rechtskenntnisse besitzt, vielleicht benachteiligt wird?
Ich habe eingangs meiner Ausführungen erwähnt, daß während der Beratung des Rechtsausschusses auch ein Kompromiß in der Form erörtert wurde, daß Teile des Regierungsentwurfs und Teile des Bundesrats-Entwurfs zu einem Gesetz zusammengefaßt werden sollten, um möglicherweise ein einstimmiges Ergebnis zu erzielen. In diesem Kompromißvorschlag war allerdings vorgesehen, daß im Hinblick auf die Prüfungen eine Ermächtigung zugunsten des Bundesministers der Justiz ausgesprochen werden sollte, das Nähere durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Dadurch wären ganz erhebliche Kompetenzen der Länder auf den Bund übertragen worden, weshalb wir nicht zustimmen konnten. Ohne Bedeutung ist es dabei, ob der Bund dann sofort oder erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hätte.
Aus diesem Grunde bittet die CDU/CSU-Fraktion jetzt darum, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fassung der Ausschußvorlage nicht zuzustimmen und dem Gesetzentwurf des Bundesrates die Zustimmung zu erteilen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie eine allgemeine Bemerkung vorweg. Die herkömmliche Juristenausbildung ist dadurch gekennzeichnet, daß sich der theoretische Teil der Ausbildung vorab und getrennt vom praktischen Ausbildungsteil vollzieht. Seit den 60er Jahren ist es allgemeine Überzeugung, daß diese herkömmliche Juristenausbildung in hohem Maße reformbedürftig ist und daß es dabei insbesondere darauf ankommt, zu einer Verzahnung zwischen theoretischen und praktischen Ausbildungsteilen zu kommen. Das würde eine Steigerung der Effektivität der Ausbildung und auch einer Verkürzung bringen.
Im übrigen kommt es bei der Juristenausbildung nicht nur darauf an, den Juristen bloße juristische Technik, pure Juristerei zu vermitteln. Worauf Wert gelegt werden muß, ist, daß Juristen in der Lage sind, zu erfassen, aus welchen Motiven und mit welchen Zielen eine Rechtsnorm gesetzt worden ist, und daß Juristen abschätzen können und bei der Rechtsanwendung berücksichtigen können, welche Auswirkungen sich bei einer bestimmten Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung auf die soziale Wirklichkeit ergeben. Auch das gehört zu den Zielvorstellungen der Reform.
Um eine bessere Ausgangsbasis für die Reform der Juristenausbildung zu gewinnen, ist es den Ländern 1971 für die Dauer von zehn Jahren ermöglicht worden, einstufige Ausbildungsmodelle, die diese Verzahnung von theoretischen und praktischen Ausbildungsteilen vorsehen, zu erproben. Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch gemacht worden, von den meisten Ländern allerdings bedauerlicherweise nicht unmittelbar nach Erlaß dieser sogenannten Experimentierklausel, sondern erst im weiteren Verlauf der Jahre. In Bayreuth z. B. ist mit solchen neuen Ausbildungsmodellen erst 1977 begonnen worden. Das hat zur Folge, daß nur wenige Jahrgänge diese einstufigen Ausbildungsmodelle durchlaufen haben, daß infolgedessen keine hinreichenden Erfahrungen mit diesen neuen Ausbildungsmodellen vorliegen und diese Erfahrungen infolgedessen auch noch nicht ausgewertet sind. Selbst Herr Bötsch hat von „auswertungsfähigen" Erfahrungen gesprochen; das bedeutet, eine Auswertung selbst liegt nach seiner eigenen Auffassung nicht vor. Es ist aber, wenn wir eine neue Juristenausbildung konzipieren wollen, unerläßlich, daß wir die Erfah17386
rangen und die Bewertung dieser Erprobungsmodelle berücksichtigen. Diese Erfahrungen und ihre Bewertung müssen - das ist unverzichtbar - in die neue Juristenausbildung einfließen.
Um Mißverständnissen von vornherein entgegenzutreten, füge ich hier hinzu: Es gibt keine einheitliche Juristenausbildung, wenn hinter dieser Forderung das Bestreben steht, zur traditionellen, zur herkömmlichen Juristenausbildung zurückzukehren.
Die Nichtverlängerung, die die Opposition für die Experimentierklausel vorschlägt, bedeutet, daß ab Wintersemester 1981 keine neuen Studienanfänger die reformierten Ausbildungsgänge beginnen könnten und daß dann an den Universitäten mit reformierter Juristenausbildung in herkömmlicher Weise ausgebildet werden müßte. Dies halten wir für unakzeptabel. Es ist für die Reformuniversitäten unzumutbar, für wenige Jahre - bis zur neuen Juristenausbildung - in die traditionellen Ausbildungsgänge zurückzufallen. Nach Einführung der neuen Juristenausbildung würden dann an diesen Universitäten drei verschiedene Ausbildungen nebeneinander angeboten werden müssen. Das übersteigt die Leistungsfähigkeit dieser Universitäten bei weitem. Eine Nichtverlängerung der Experimentierklausel - das ist der entscheidende Punkt - in der gegenwärtigen Situation würde als Abschied von der reformierten Juristenausbildung verstanden werden. Das würde allen, die sich in diesem Bereich engagiert haben, den Mut und die Motivation nehmen und der neuen, der endgültig reformierten Juristenausbildung den Dampf, der erforderlich ist, damit sie in diesem Lande überhaupt zustande kommt.
Nun zu den Vorschlägen des Bundesrates. Der erste Vorschlag betrifft die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes. Wenn 1986/87 eine neue Juristenausbildung zu erwarten ist, dann ist es unzweckmäßig, punktuell vorab Änderungen vorzunehmen, insbesondere dann, wenn es sich um einen zentralen Punkt handelt, nämlich das Verhältnis zwischen theoretischer und praktischer Ausbildungszeit. Diese Verlängerung der Referendarzeit wäre im Ergebnis eine Vorabentscheidung zur Reform der Juristenausbildung. Sie kommt aus unserer Sicht auch deshalb nicht in Betracht, weil eine solche Änderung erst nach längerer Übergangszeit praktisch wirksam werden könnte. Hinzu kommt, daß die Länder uns nicht sagen können, wofür sie diese zusätzlichen sechs Monate verwenden wollen. Es ist nicht gewährleistet, daß diese sechs Monate in solchen Ausbildungsstationen verwandt werden, die zu einer wirklichen Qualitätsverbesserung der Referendarausbildung führen. Ihre Verlängerung würde ferner eine weitere Divergenz in bezug auf die Ausbildungszeit zwischen herkömmlichen und reformierten Ausbildungsgängen zur Folge haben.
Der zweite Vorschlag des Bundesrates betrifft die Nichtanrechnung der Ausbildungsnote auf die Examensnote, allerdings kombiniert damit, daß jede einzelne Prüfungskommission nach ihrem pflichtgemäßen, man könnte auch sagen, freien Ermessen von der sich aus den einzelnen Prüfungsnoten ergebenden Gesamtnote abweichen und dabei die Ausbildungsleistungen heranziehen kann. Dieser Vorschlag des Bundesrates wird bezeichnenderweise unter der Überschrift „Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung" eingebracht. Zwischen dieser Überschrift und dem, was vorgeschlagen ist, klafft ein unübersehbarer Widerspruch.
Im übrigen ist es so, daß jedes Examen naturgemäß nur eine Momentaufnahme des Leistungsstandes ergibt mit allen Unsicherheiten, die darin liegen. Es ist deshalb richtig und vernünftig, daß man eine Korrekturmöglichkeit schafft, die diese Momentaufnahme in Richtung auf mehr Urteilssicherheit korrigieren kann. Was gibt es besseres als Korrekturmöglichkeit als die Leistungen während der Ausbildung!
Ich bedaure, daß unser gemeinsamer Versuch, zu einem für alle Seiten - Koalition, Opposition und Bundesrat - tragfähigen Kompromiß zu gelangen, nicht gelungen ist. Das hat nicht an der Mehrheit - jetzt spreche ich nicht nur von der Koalition - des Rechtsausschusses gelegen, sondern das kam aus Süddeutschland, um das hier einmal ganz klar festzustellen. Ich fürchte, daß diejenigen, die den Kompromiß zum Scheitern gebracht haben, das noch bedauern werden. Ich glaube nicht, daß mehr als dieser Kompromiß erzielbar sein wird. Sie werden möglicherweise in den nächsten Wochen noch bemerken, welcher Fehler gemacht wurde.
Zum Schluß möchte ich noch einmal herausstellen: Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß es erforderlich ist, so schnell wie möglich zu einer einheitlichen Juristenausbildung zurückzukehren. Derjenige - ich wiederhole mich da bewußt noch einmal - täuscht sich, der glaubt, unsere Zustimmung dazu gewinnen zu können, daß diese einheitliche Juristenausbildung dann die traditionelle Juristenausbildung sein wird. Ein Zurück zu ihr wird es nicht geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zum sachlichen Inhalt der scheinbar kontroversen Vorschläge ist hier schon das Wesentliche gesagt worden. Das Merkwürdigste, glaube ich, ist heute das Verfahren. Ich halte es für etwas eigentümlich und für etwas Besonderes, daß wir ausgerechnet bei der Frage der Juristenausbildung ein Lehrstück darüber exerzieren, wie man den normalen Gang der Gesetzgebung aus mancherlei taktischen Erwägungen, Hoffnungen und Befürchtungen konterkarieren kann, und dies alles sozusagen ausbildungshalber. Denn klar ist ja, daß sich hier eine breite Mehrheit gefunden hatte, um im Sinn dessen, was die beiden Herren Vorredner im Kern als wünschenswert herausgestellt haben, zu einem Kompromiß zu kommen, und daß dies dann an Einflüssen gescheitert ist, auf die Herr Emmerlich schon mit dem zarten Hinweis auf den Süden der Bundesrepublik hingedeutet hat. Ich möchte sagen: Das kam eindeutig aus Bayern. Ich frage mich, wie lange Sie, meine sehr verehrten DaKleinert
men und Herren von der CDU, dieses Interregnum noch dulden wollen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Gern.
Herr Kollege Kleinert, könnten Sie uns verdeutlichen, was Sie und die Mehrheit hier in diesem Haus daran hindert, das, was Sie für besser halten, in Form eines Gesetzes zu verabschieden?
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Nein, das ist so schwierig nicht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht lediglich darauf aus, für die, die heute studieren - das ist das Wichtigere -, und die, die lehren - das ist das Zweitwichtige -, Sicherheit über Ihre tägliche Arbeit zu schaffen. Wenn wir hier alle zusammen im Jahr 1971 diese Experimentierklausel eröffnet, es aber bis zum heutigen Tag nicht geschafft haben, die erhofften Auswertungen zustande zu bringen - und das gilt wohl für alle Seiten des Hauses -, dann haben wir zunächst einmal die Pflicht, denen die sich in einem verhältnismäßig kurzen Zeitabstand, nämlich im nächsten Jahr, vor einem Zustand absoluter Unsicherheit über den weiteren Gang ihrer Ausbildung oder ihrer beruflichen Tätigkeit sehen, wieder Klarheit zu verschaffen. Denn die Studierenden und die Lehrenden haben es nicht zu verantworten, daß wir hier noch nicht so rasch, wie wir es alle gehofft hatten, zu Konsequenzen aus dieser Experimentierklausel, nämlich zu einer neuen, einheitlichen und moderneren Juristenausbildung gekommen sind.
Das ist der Vorschlag der Bundesregierung. Dahinter verbirgt sich, Herr Erhard, bei den Koalitionsfraktionen genauso wie bei Ihrer Fraktion die Unfähigkeit, zu entscheiden und ausformulierte Entwürfe vorzulegen, bevor diese Auswertung stattgefunden hat. Herr Bötsch hat es doch ausgeführt, und auch Herr Emmerlich hat schon darauf hingewiesen, daß auswertungsfähige Ergebnisse jetzt vielleicht vorliegen, daß sie aber noch nicht ausgewertet sind und noch nicht ausgewertet werden konnten. Es wäre ja hochgradig unseriös, wenn wir jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen würden, der die neue einheitliche Juristenausbildung total vorsieht, ohne daß wir die entsprechenden Untersuchungen angestellt haben.
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Herr Erhard, Sie wissen das genausogut wie ich. Deshalb unterhalten wir beide uns hier nicht so sehr persönlich, sondern Sie versuchen nur, uns etwas madig zu machen. Wir haben lange über die Dinge vernünftig verhandelt und waren dicht davor, den allein vernünftigen Kompromiß aus der gegebenen Situation zu finden, nämlich eine kürzere als die von der Bundesregierung vorgesehene Frist zu nehmen, damit Druck auf der Entwicklung eines neuen einheitlichen Ausbildungssystems liegt, dann gleichzeitig diese Frist mit konkreten Absichten und Planungen auszufüllen, was in dieser Zeit zu geschehen hat, damit man am Ende nicht wieder mit leeren Händen dasteht, was wiederum die Frist relativiert. Denn wenn ich hier von fünf Jahren spreche und bin nach fünf Jahren wirklich mit einem längst verabschiedeten Gesetzentwurf zur Stelle und inzwischen haben die Länder diesen Gesetzentwurf umgesetzt, dann sind fünf Jahre nicht sehr viel. Wenn ich aber heute nur rein deklamatorisch eine dreijährige Frist vorlege und am Ende dieser Dreijahresfrist mit Uberlegungen beginne, dann kann ich leicht bei acht Jahren landen. Insofern kann man hier mit den Zahlen kräftig hin und her jonglieren.
Deshalb haben wir versucht, uns gemeinsam auf eine kürzere Frist und auf den in dieser Zeit zu erbringenden Inhalt zu verständigen. Ich hatte das Gefühl, daß die Opposition in diesem Hause auf die Erwägungen durchaus sachlich eingegangen ist - wir sind auch dankbar dafür -, und ich hatte weiter das Gefühl - darauf habe ich vorhin verwiesen; im Grunde stehen wir immer noch an dem Punkt -, daß schließlich aus Bayern der Hinweis gekommen ist, man solle nun auch an dieser Stelle mal zeigen, was eine Harke ist und sagen: „Jetzt machen wir erst mal irgendwie ein halbes Jahr länger." Vorschläge dazu liegen übrigens nicht vor. Wenn Sie mich nach Konkretisierung fragen, dann darf ich Sie fragen, was Ihre Freunde in der Mehrheit des Bundesrates sich unter diesem halben Jahr vorgestellt haben. Davon ist hier keine Rede gewesen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenz?
Bitte sehr, Herr Lenz.
Kollege Kleinert, was hindert Sie und die Koalitionsparteien eigentlich daran, den von Ihnen hier in den höchsten Tönen gelobten Kompromißantrag in Form eines Änderungsantrags dem Bundestag zur Annahme vorzulegen?
Das, Herr Lenz, hätte ich als Frage von Ihnen nicht erwartet, weil ich immer davon ausgegangen bin, daß Sie es schon wußten;
({0})
denn es ist ganz offensichtlich, daß sich inzwischen die Dinge so eigentümlich entwickelt haben, daß jeder auf den bisher nicht erwähnten Vermittlungsausschuß peilt, statt die Auseinandersetzung da zu Ende zu führen, wo sie hingehört, nämlich im Bundestag. Deshalb haben wir zum Schluß im Rechtsausschuß streitig abgestimmt, und nun denkt jeder, er hätte im Vermittlungsausschuß den längeren Hebel. Ich bin der Meinung, diejenigen, die über den Vermittlungsausschuß als Obergesetzgeber mit Recht - gelinde gesagt - nachdenkliche Erwägungen anstellen, die sollten diesen Weg nicht gehen, sondern sie sollten an dem, was hier weitestgehend
vereinbart war und an dem, was möglich ist, auch festhalten. Da Herr Lenz das alles weiß, ist es wirklich eine zusätzliche Freundlichkeit, daß er mich das auch noch mal ausdrücklich fragt.
Im übrigen bin ich zum Inhalt der Meinung, daß allerdings eine Verlängerung der Referendarzeit geboten ist. Ich möchte sie aber lieber sehen - möglichst bald jedenfalls - als Verlängerung einer einphasigen Ausbildung, weil ich ein Anhänger einer praxisdurchdrungenen theoretischen Ausbildung bin.
An dieser Stelle möchte ich wiederholen, was ich heute morgen beim Deutschen Richterbund gesagt habe: Leider ist diese Debatte in der Öffentlichkeit sehr zu Unrecht mit der Idee belastet, einstufig wäre links und zweistufig wäre rechts. Das ist eine Idee, die nur aus der Berufungspraxis an einigen wenigen ausbildenden Einrichtungen zu erklären ist, die ich allerdings auch für bedauerlich halte, weil sie dem vernünftigen Gedanken mindestens zu schaden geeignet war. Das ist aber eine Idee, die zum Beispiel durch das Institut in Augsburg, wie Herr Bötsch sofort freudig zugeben wird, glänzend widerlegt wird, so daß wir uns in Zukunft auch insofern unbelastet über eine mehr praxisbezogene, vernünftigere und möglichst schnellere Juristenausbildung unterhalten können.
Bei der Anhörung im Rechtsausschuß hat mich insbesondere gewundert, daß die Fachleute aus den Ländern, die wir eingeladen hatten, ohne Rücksicht auf die jeweils in den Ländern regierende Partei nicht so recht wußten, was sie mit einem zusätzlichen Halbjahr überhaupt anfangen sollten. Ich wies auf Grund Ihrer freundlichen Frage, Herr Erhard, vorhin schon einmal darauf hin. Ich wüßte ganz genau, was man damit anfangen sollte; denn ich bin der Meinung, daß ein Kernwissen in der Rechtswissenschaft das Wichtigste ist, was dem zukünftigen Volljuristen vermittelt werden soll, daß die korrekte und genaue Rechtsanwendung am besten im bürgerlich-rechtlichen Bereich erlernt werden kann und daß hierzu insbesondere die leider in den meisten Ländern weggefallene oder nur noch fakultativ gegebene OLG-Station wertvoll ist. Deshalb wäre ich nicht so sehr wie die Fachleute aus den Ländern ins Zögern gekommen, wenn man mich gefragt hätte, was man eigentlich mit dem zu gewinnenden Halbjahr anfangen will.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ja, Herr Präsident.
Nur dann, wenn der zukünftige Jurist erst einmal gelernt hat, das Recht, das nun einmal gesetzt ist und um das wir uns in diesem Hause mit mehr und gelegentlich leider auch mit weniger Erfolg bemühen, korrekt anzuwenden, wird die richtige Teilung zwischen der rechtsetzenden und der rechtsprechenden Gewalt wieder deutlich. Dann ersparen wir uns eine immer mehr und bedrohlicher ansteigende Zahl von Fällen, in denen diese Verantwortung sehr
zum Nachteil des rechtsuchenden Bürgers leider verwischt ist.
({0})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zum Schluß nur noch ein Dreifaches zu sagen.
Erstens. Ich habe den Mitgliedern des Rechtsausschusses, insonderheit den Berichterstattern, für die doch recht gründliche Diskussion zu danken.
Zweitens. Ich kann erfreut zu einem wichtigen Punkt etwas Gemeinsames feststellen, nämlich daß eigentlich alle eine baldige vereinheitlichte Juristenausbildung wollen und dies für die nächste Legislaturperiode anstreben.
Drittens. Seinerzeit hat der Rechtsausschuß in seinem Bericht einmütig folgendes ausgeführt:
Nach Ablauf dieser zehn Jahre muß entweder die Experimentierzeit verlängert oder eine bundeseinheitliche Ausbildungsordnung für Juristen verabschiedet sein.
Ich kann nicht finden, daß diese Aussage heute falsch ist. Wir haben nichts verabschiedet und überdies bricht man eine Experimentierphase nur ab, wenn man entweder weiß, die Sache ist hundertprozentig gescheitert, oder weiß, daß man wirklich nichts hinzulernen kann. Weil dem nicht so ist und weil wir leider zu einem Kompromiß nicht gekommen sind, bitte ich, der Regierungsvorlage zu folgen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes auf Drucksache 8/3301. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3972 unter Ziffer 2, den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes auf Drucksache 8/3312 abzulehnen. Können wir über die Beschlußempfehlung abstimmen, oder wird Einzelberatung und AbVizepräsident Wurbs
stimmung in zweiter Beratung gewünscht? - Wir können also über die Beschlußempfehlung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Wir haben noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3972 unter Ziffer 3, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes
({0})
- Drucksache 8/3911 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({1}) Innenausschuß
Auch hier wurde interfraktionell für die Aussprache ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir angesichts der Reaktion des Herrn Bundesministers der Justiz zu einem vorhergehenden Tagesordnungspunkt zunächst nicht die Vorbemerkung verkneifen, daß er immer dann in Irritation und Konfusion verfällt, wenn wir einmal einer Regierungsvorlage zustimmen, obwohl wir gewagt haben, vorher bei den Ausschußberatungen eine kritische Meinung dazu zu vertreten. Da gerät sein Feindbild durcheinander, wie ich vorhin schon in einer Zwischenfrage feststellte. Nun, in dieser Sache will ich gerne dafür sorgen, daß das Feindbild wieder stimmt.
§ 88 a ist durch das 14. Strafrechtsänderungsgesetz, das am 1. Mai -1976 in Kraft getreten ist, eingefügt worden. Das entsprach einem Vorschlag der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder vom Juni 1972, der damit begründet worden war, daß eine zunehmende Radikalisierung der Meinungen und eine wachsende Verwilderung der Methoden politischer Auseinandersetzungen festzustellen sei - das ist ein Zitat -, die einen Mißbrauch der grundgesetzlich garantierten Meinungs- und Redefreiheit darstellten und im Interesse des öffentlichen Friedens zusätzliche Strafbestimmungen erforderlich machten. Ich will einmal aufblättern, was danach strafbar ist: wenn Gewaltverbrechen wie Mord, Totschlag, Völkermord, Geiselnahme, Luftpiraterie, schwerer Landfriedensbruch, beabsichtigte schwere Körperverletzung, Raub oder räuberische Erpressung, Störung öffentlicher Verkehrseinrichtungen und Versorgungsanlagen oder schwere Brandstiftung propagiert werden, um die Bereitschaft anderer
zu fördern, sich durch die Begehung solcher Verbrechen für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einzusetzen.
In der seinerzeitigen Gesetzesbegründung heißt es wörtlich: „Der Grund der Vorschrift liegt ... in der Gefährdung der Allgemeinheit durch die Schaffung eines psychischen Klimas, in dem schwere Gewalttaten gedeihen und nachgeahmt werden." Diese seinerzeit vom Bundestag einstimmig beschlossene Strafvorschrift soll nunmehr vier Jahre nach ihrem Inkrafttreten wieder beseitigt werden. Treibende Kraft hierfür war anfangs die FDP; die SPD zog nach.
Als Gründe für die als Liberalisierungsmaßnahme verkaufte Streichungsabsicht werden angeführt: § 88 a habe sein kriminalpolitisches Ziel verfehlt. Er sei eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und führe zur Quasi-Zensur. Auch gebe es Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen. Man reibt sich die Augen. Vor fast genau - oder auch: vor nur - einem Jahr, in der Fragestunde am 9. Mai 1979, hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz die Frage der Frau Kollegin Matthäus-Maier nach den Erkenntnissen der Bundesregierung über die Erfahrungen nach Einführung des § 88 a mit der Auskunft beantwortet - Zitat -: „Bisher haben sich keine Erkenntnisse ergeben, nach denen die Vorschrift gestrichen werden sollte.''
Das Protokoll der Fragestunde - ich habe es dabei - für die Beantwortung dieser Fragen umfaßt drei Druckseiten. Darauf ist festgehalten, daß sich Herr Staatssekretär de With durch noch so hartnäkkige Fragen und Zusatzfragen sowohl der Fragestellerin wie auch der Kollegen Gansel, Thüsing, Hansen und Meinike nicht von seiner ursprünglichen Antwort, die er mehrfach stereotyp wiederholt hat, hat abbringen lassen. Ich zitiere:
Ich kann nicht sehen, daß die Meinungsfreiheit durch diese Vorschrift beeinträchtigt worden ist.
Und:
Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, die anders lauteten als die, die damals galten, als diese Vorschrift vornehmlich auf Vorstellung der Innenministerkonferenz vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde.
Zwischenkommentar meinerseits: Gibt es denn heute solche Erkenntnisse, ein Jahr danach? - Und wieder wörtliches Zitat:
Der Wert einer Vorschrift liegt auch darin, daß sie eine gewisse Abschreckungswirkung hat. Von Zeit zu Zeit ist das daran ersichtlich, daß entsprechende Delikte abnehmen.
Meine Damen und Herren, quod erat demonstrandum, denn Sie begründen doch Ihr Streichungsbegehren auch damit, daß angeblich zu wenig Strafverfahren angefallen seien. Das spricht doch meines Erachtens eher dafür, daß eine Abschreckungswirkung stattgefunden hat, als für das Gegenteil.
Dann geht es weiter - wieder wörtliches Zitat aus der Fragestunde -:
Ich sagte schon und betone nochmals: Bisher liegen auch von seiten der Innenministerkonferenz, die in erster Linie der Initiator dieser Vorschrift war - keine Erkenntnisse vor, die es rechtfertigen, diese Vorschrift zu streichen.
Noch einmal:
Ich wiederhole mich - mir bleibt nichts anderes übrig -, indem ich Ihnen sage, daß bisher keine Erkenntnisse vorliegen, die es rechtfertigen, diese Vorschrift aus den genannten Gründen zu streichen. Ich kann jedenfalls bei den Strafverfolgungsbehörden nicht feststellen, daß sie diese Vorschrift falsch anwendeten oder nicht verstünden.
Meine Damen und Herren, damit nicht genug. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und der FDP nach den Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus führt die Bundesregierung zu § 88 a aus, und zwar im Januar 1980:
Zu den Erfahrungen mit der Anwendung dieser Bestimmung hat sich die Bundesregierung mehrfach, zuletzt bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier am 9. Mai 1979, geäußert. An dem dort geschilderten Sachstand haben sich seitdem keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Weiter bestätigt die Bundesregierung in dieser Antwort, daß nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs der § 88 a nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes verstößt, die Meinungsfreiheit nicht unzulässig einschränkt und auch nicht zu einer Verwirkung von Grundrechten führt. Der Bundesgerichtshof habe damit die Auffassung der Bundesregierung, § 88 a sei verfassungskonform, bestätigt.
Dann, verehrte Damen und Herren Kollegen, kriegt die Bundesregierung die Kurve zur FDP. Der Bundesminister des Innern, nicht der der Justiz, sei der Auffassung, daß sich die seinerzeit gehegten Erwartungen nicht erfüllt hätten, und spreche sich deshalb für eine Streichung des § 88 a aus. Und dann die gequälte, gewundene, geradezu schmerzhafte Schlußfolgerung: Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte erhebe die Bundesregierung gegen eine Streichung der Vorschrift keine Bedenken.
Meine Damen und Herren, das muß man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Fürwahr die richtige Begleitmusik zu den Bremer Krawallen. Wie hieß es doch in der seinerzeitigen Gesetzesbegründung - ich habe bereits daran erinnert -:
Der Grund der Vorschrift liegt ... in der Gefährdung der Allgemeinheit durch die Schaffung eines psychischen Klimas, in dem schwere Gewalttaten gedeihen und nachgeahmt werden.
Meine Damen und Herren, Strafvorschriften gegen die Auswüchse des Freiheitsmißbrauchs dürfen nach unserer Auffassung keine rechtspolitischen Eintagsfliegen sein. Sie bringen ja auch das
Unwerturteil des Staates über ein bestimmtes Verhalten zum Ausdruck, welches nicht nach dem Motto: „Rein in die Kartoffeln - raus aus denselben" zur ständigen opportunistischen Disposition gestellt werden darf.
Welche Wertmaßstäbe sind das eigentlich, nach welchen die ungestrafte Gewaltbefürwortung ein höherwertiges Rechtsgut ist als der innere Frieden in unserem Land oder der Schutz von Personen, die von Gewalt bedroht sind?
Die Streichung des § 88 a wäre auf alle Fälle ein Freibrief für die Drahtzieher und geistigen Wegbereiter hinter und vor den Chaoten a la Bremen. Die straflose verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten ist ein Stück Demontage unseres inneren Friedens.
({0})
Der Bundeskanzler hat heute das bösartige Wort von der Unfähigkeit zum Frieden auf uns gemünzt. Unfähig zur Bewahrung des inneren Friedens sind auf alle Fälle diejenigen, welche dem Freiheitsmißbrauch nicht entgegentreten, sondern ihm in falsch verstandener Liberalität auch noch Vorschub leisten.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Linde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hartmann, nun wollen wir doch einmal die Kirche im Dorf lassen. Außerdem wollen wir auch nicht die Debatte von heute morgen auf dem Felde des Strafrechts wieder eröffnen. Hier geht es um die exakten Regeln des Strafrechts.
Ein Drittes wollte ich Ihnen gerne sagen. Sie haben hier Herrn Dr. de With lang und breit zitiert. Bloß: das Ganze stammt vom 9. Mai 1979, und Sie haben vergessen, das zu erwähnen, was Herr Dr. de With in der Fragestunde des Deutschen Bundestages ausdrücklich gesagt hat, nämlich daß die Untersuchungen laufen. Sie sind dann erst auf Grund der Kleinen Anfrage richtig in Gang gekommen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sehen anders aus. Ein Ergebnis lautet, daß § 88a, wie Sie der Antwort auf die Kleine Anfrage entnommen haben, seinen Zweck nicht erfüllt hat.
Nun will ich noch etwas sehr deutlich sagen. Die Bundesregierung und diese Koalition haben sehr große Anstrengungen darauf verwandt, alles rechtsstaatlich Erforderliche zur Gewährleistung der inneren Sicherheit zu tun, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
({0})
Die Praxis - auf diese müssen wir, Herr Kollege Erhard, auch einmal ein bißchen abheben; darauf leDr. Linde
gen Sie ja im Ausschuß immer sehr großen Wert - hat gezeigt, daß sich § 88 a auf die Strafverfolgung nicht nennenswert ausgewirkt hat. So steht es auch in der Antwort der Regierung.
({1})
Daraus haben wir die parlamentarische Konsequenz gezogen.
Da sich Herr Hartmann in der Zeit Mai 1979 bewegte, will ich mich einmal in die Zeit Mai 1980 begeben und ein bißchen aus der Kleinen Anfrage zitieren. Bitte, das ist doch die Bilanz: gegen 111 Personen sind wegen des Verdachts einer verfassungsfeindlichen Befürwortung von Straftaten Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
({2})
Gegen elf Personen ist Anklage erhoben worden. Sechs Angeklagte sind zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Davon erging ein Urteil nach § 140 StGB, nur eine Verurteilung ist rechtskräftig, und drei Verfahren sind noch anhängig.
({3})
- Drei Ermittlungsverfahren sind noch anhängig. Das Bild wird erst richtig vollständig - das hat mich sehr beeindruckt, Herr Kollege Erhard -, wenn man bedenkt, daß davon 92 Verfahren auch wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a und neun weitere wegen anderer Delikte betrieben worden sind. Das sind zusammen 101 Verfahren, für die der § 88 a - das muß man ganz nüchtern feststellen - nicht benötigt worden wäre. Darauf heben wir ab.
Alle Verfahren - es wird noch schlimmer - betrafen im übrigen Zeitschriften, Broschüren und Bücher, also § 88 a Abs. 1, und in keinem Fall die mündliche öffentliche Befürwortung von Gewalt, also § 88a Abs. 2.
Die Gründe für den Aufhebungsvorschlag möchte ich kurz nennen; es sind drei.
Erstens. In der Mehrzahl der Fälle decken andere Straftatbestände die eingeleiteten Ermittlungsverfahren ab. Das habe ich soeben schon erläutert.
Zweitens. Es gab Anwendungsschwierigkeiten besonders im Zusammenhang mit Durchsuchungen und Beschlagnahmen.
Drittens - hier haben Sie, Herr Kollege Hartmann, recht - hat insbesondere der Bundesinnenminister zusätzlich auf die durch die Strafvorschrift entstandene Rechtsunsicherheit verwiesen. Das können wir uns von dieser Seite auch einmal zu eigen machen.
Die Vorschrift war von Anfang an - das brauchen wir gar nicht zu leugnen; das weiß jeder; ich erinnere z. B. an die Diskussionen auf dem Parteitag meiner Partei 1975 in Mannheim abends um elf - heftig umstritten, aber nicht nur in unseren Reihen.
Sie ist danach - auch wenn das sachlich nicht zutrifft, so müssen wir doch die negativen und über den Zweck hinausgehenden Wirkungen in Rechnung stellen - zum Symbol für die Einschränkung der Meinungsfreiheit insbesondere im Bereich von Kunst und Wissenschaft sowie der Publizistik in bezug auf Geschichte und Zeitgeschehen geworden; nicht die Vorschrift selbst, aber das, was in der öffentlichen Meinung mit dieser Vorschrift passiert ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Dr. Lenz.
Die Aufhebung der Vorschrift wird die strafrechtliche Bekämpfung der Gewaltbefürwortung - das ist unsere Überzeugung - nicht behindern, weil dafür nämlich, wie die Praxis gezeigt hat, ganz andere Vorschriften zur Verfügung stehen. § 111 StGB - öffentliche Aufforderung zu Straftaten -, § 126 - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten -, § 131 - Verherrlichung von Gewalt -, § 140 - Billigung von Straftaten -, § 241 - Bedrohung - und zusätzlich geschaffene Spezialvorschriften, nämlich § 21 i. V. m. § 6 des Jugendschutzgesetzes und § 53 Abs. 1 Nr. 5 des Waffengesetzes, eine Spezialregelung gegen die Herstellung von sogenannten Molotow-Cocktails. Bei sämtlichen Delikten - daß muß einen Juristen ja auch betreffen - handelt es sich um Äußerungsdelikte in Idealkonkurrenz zu § 88 a StGB.
Die Anwendungsschwierigkeiten, von denen ich gesprochen habe, beziehen sich darauf, daß in mehr als 90% der Fälle Ermittlungsverfahren - ganz anders als im sonstigen Strafrecht - ins Leere gegangen sind, also nicht zur Anklage geführt haben, und nur ein Täter verurteilt wurde. Das ist ein so niedriger Prozentsatz, daß man ihn unter kriminologischen und rechtspolitischen Gesichtspunkten eben doch sehr mit in die Betrachtung einbeziehen muß. Derartige Mißverhältnisse sind in der klassischen Kriminalität ja unbekannt. Bei der Erfolgskontrolle unserer eigenen Arbeit müssen wir uns solche Prozentzahlen wohl sehr zu Herzen nehmen. Was soll im übrigen - das muß man sich rein praktisch fragen - die Durchsuchung eines Buchladens, in dem man Gewaltliteratur vermutet oder das sogar weiß, wenn sich der Händler dann hinstellt und sagt, er kenne die Bücher nicht und billige auch deren Inhalt nicht? Dann ist das Ermittlungsverfahren zwar in Gang, aber das Strafverfahren platzt aus subjektiven Gründen.
Befürchtungen hinsichtlich der jetzt entstandenen Rechtsunsicherheit hat es schon im Gesetzgebungsverfahren gegeben. Das liegt insbesondere an dem Tatbestandsmerkmal „befürworten", das neu hinzugekommen ist. Ein weiterer Grund liegt darin, daß das Kunstprivileg des § 86 Abs. 3 Schwierigkeiten gebracht hat. Wenn man nämlich Läden durchsucht und sich dann die Bücher genauer angeguckt hat, dann hat man festgestellt, daß das Kunst, Literatur, Geschichte oder Zeitgeschehen war. Und auch
dann wiederum war das Ermittlungsverfahren geplatzt. Aber die große Verärgerung war da, weil die Leute gesagt haben: Die Staatsorgane schnüffeln in normaler Literatur herum. Und eben diese Verunsicherung wollen wir nicht. Nicht das gesetzgeberische Ziel - das war gut gemeint -, wohl aber die Praxis - das ist leider zu beklagen - hat zur Verschlechterung des Meinungsklimas und dazu geführt, daß andere Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung - völlig zu Unrecht - wegen dieses Negativsymbols § 88a nicht in ausreichendem Maße in der breiten, sehr breiten Öffentlichkeit akzeptiert wurden. Die Übereinstimmung möglichst aller Bürger, meine Damen und Herren, ist aber notwendig. Sie ist auch für den weiteren Erfolg der Terrorismusbekämpfung wichtig. Um das Übel Gewalt an der Wurzel zu packen, ist § 88 a StGB wirklich nicht erforderlich. Es wäre gut, wenn der Aufhebungsvorschlag der Koalition eine möglichst breite Zustimmung finden könnte. Darum bitte ich, und darum werden wir uns auch in der Diskussion im Rechtsausschuß bemühen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Linde hat eigentlich ganz zutreffend das Wesentliche dessen geschildert, was uns zu diesem gemeinsamen Antrag bewegt hat. Ich habe dem nur wenig hinzuzufügen.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir Freien Demokraten im Laufe der letzten drei Legislaturperioden größten Wert darauf gelegt haben, neue Erscheinungsformen des Verbrechens, insbesondere des angeblich politisch motivierten Verbrechens, die unter dem Schlagwort „Terrorismus" zusammengefaßt werden, mit zusätzlichen gesetzlichen Maßnahmen nur dann zu bekämpfen, wenn es unbedingt erforderlich ist.
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hartmann?
Bitte schön.
Herr Kollege Kleinert, da Sie Herrn Linde bereits mit Ihrem ersten Satz reichlich beigepflichtet haben, frage ich Sie, ob Sie seine
Konnten Sie das vorhin nicht loswerden?
Der hat ja keine Fragen zugelassen. - Herr Kollege Kleinert, pflichten Sie ihm auch insoweit bei, als er behauptet hat, zwischen dem 9. Mai 1979 und der Beantwortung der Kleinen Anfrage hätten sich wesentliche neue Erkenntnisse ergeben? Wie verträgt sich dies mit der Auskunft der Bundesregierung - ich zitiere wörtlich -: „Zu den Erfahrungen mit der Anwendbarkeit der Bestimmung
Herr Abgeordneter, ich bitte, eine Frage zu stellen.
({0})
Unterstreichen Sie dies angesichts der Antwort der Bundesregierung, an dem dort geschilderten Sachstand hätten sich keine wesentlichen Änderungen ergeben?
Ich wollte diese abendliche Sitzung gar nicht so sehr aufhalten, sondern nur einige Bemerkungen machen, die mir wichtig erscheinen. Hätten Sie noch ein bißchen abgewartet, dann wäre Ihre Frage wahrscheinlich beantwortet gewesen.
Ich habe gesagt: Wir als Freie Demokraten - und das festzustellen, ist in diesem Falle besonders wichtig für mich - haben immer versucht, zusätzliche Vorschriften im engstmöglichen Rahmen zu halten und jede auch nur irgendwie entbehrliche Vorschrift nicht - auch nicht unter dem Eindruck noch so schrecklicher Vorfälle - in unser Strafrecht gelangen zu lassen. Das haben wir in den letzten Jahren an Hand wichtigerer Vorschriften als dieser sehr oft sehr gründlich miteinander diskutiert.
Die Opposition war im Zweifel immer dafür, noch irgendwo ein paar Strafvorschriften oder Strafverfahrensvorschriften dazuzulegen, um ja das Äußerste zu tun.
({0})
Die Opposition hat damit unserer Ansicht nach etwas Falsches getan; denn der Rechtsstaat kann sich nur wirksam und glaubwürdig verteidigen - auch für die nachwachsenden Generationen -, wenn er sich an das äußerste rechtsstaatliche Prinzip, die Selbstbeschränkung des Staates, hält.
Weil wir so an die Dinge herangegangen sind, hat uns dieser § 88 a - wie übrigens auch noch einige andere Bestimmungen, die heute nicht zur Debatte stehen - nie gefallen. Wir haben ihn im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen verabschiedet, obwohl wir von seiner Nützlichkeit keineswegs überzeugt waren. Schließlich muß man an irgendeiner Stelle einmal nachgeben, um in größerem Zusammenhang Gesetze zustande bringen zu können. Wir hatten dabei aus der Grundhaltung heraus, die darzulegen ich eben versucht habe, mit Sicherheit die Absicht, die Wirksamkeit dieser Vorschrift in der Praxis ständig zu überprüfen und sie bei der erstmöglichen Gelegenheit wieder zu beseitigen. Diese Vorschrift gehört in einen größeren Rahmen anderer Vorschriften. Sie mögen sich wahrscheinlich selbst gar nicht mehr gerne daran erinnern, was alles z. B. im Bereich der sogenannten Pornographie von Ihnen in diesem Hause angesichts von Strafvorschriften, die wir gegen Ihren erbitterten Widerstand gestrichen haben, gesagt worden ist.
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- Herr Dr. Lenz, es gibt - und das wissen Sie wiederum ganz genau - in beiden Fällen ein Bindeglied, nämlich daß sich Richter unterschiedlichster Geschmacksrichtung, Provenienz und Bildung - strafrechtlich mögen sie gleich gebildet sein; das will ich noch unterstellen - unter anderen mit der für uns ganz wichtigen Frage, was in diesem Lande Kunst ist, befassen sollen. Wir haben eine Fülle von Urteilen in dem von mir genannten Bereich der Pornographie - und darum habe ich ihn genannt -, die gesagt haben: Gerade das, was hier für strafwürdig erklärt worden ist, ist nach höherer gerichtlicher Einsicht eben nicht strafwürdig.
Genau auf dieses Gebiet haben wir uns in einem anderen strafrechtlichen Zusammenhang - ich habe das keineswegs verkannt - begeben, als wir diesen § 88 a eingeführt haben, wobei die Frage nach der Kunst genauso wie auf dem anderen Sektor auftaucht. In beiden Fällen sind Sie geneigt, die Bedenken hinsichtlich der Freiheit von Kunst und Wissenschaft zurückzustellen, wenn es darum geht, vorsichtshalber noch einige Strafvorschriften, noch einige Zugriffsmöglichkeiten bereitzuhalten.
({2})
Dazu sind wir nach unserer Grundeinstellung eben nicht geneigt.
Deshalb - und da kommt die Antwort auf die Frage von Herrn Hartmann ganz zwangsläufig - haben wit die Sache verfolgt. Es gibt heute umfangreichere Statistiken als noch im Mai vergangenen Jahres zur Zeit der Beantwortung Ihrer Frage durch Herrn Staatssekretär de With. Diese Statistiken weisen aber im wesentlichen dieselben Zahlen aus. Es sind nämlich immerhin knapp über hundert Verfahren eingeleitet. Davon sind heute noch drei Ermittlungsverfahren übriggeblieben. Dabei ist es nicht zu der geringsten Verurteilung gekommen.
({3})
- Meine eigene Ansicht in dieser Frage ist Ihnen bekannt. Deshalb führt das nun wirklich nicht weiter, weil da die Fronten, wie schon am Abstimmungsergebnis deutlich geworden ist, anders gewesen sind. Das ist also eine unzulässige Parallele gewesen, während ich glaube, meine Parallele noch begründet vorgetragen zu haben.
Aber wenn die wichtige Frage auf dem Spiel steht, daß Bürger dieses Landes, insbesondere Schriftsteller, Künstler - ({4})
- Das gibt es, Herr Erhard. Mögen sich manchmal Bürger für Künstler auch nur halten; das mag ja gelegentlich der Fall sein. Aber es ist nicht meines Amtes, darüber zu urteilen; dazu habe ich zuviel Respekt vor diesen Dingen. Ich habe sowieso Respekt vor Dingen, von denen ich nichts verstehe oder jedenfalls im Einzelfall nichts verstehe. Wenn sich aber solche Bürger durch die blanke Existenz einer solchen Vorschrift bedrückt fühlen - bezeichnenderweise ist hier ja auch das Wort von der „Vorbeugung" gebraucht worden - und wenn sie hier in eine Unsicherheit hineinkommen und wenn all das, was Herr Linde hier präzise ausgeführt und über Durchsuchungen geschildert hat, vorgekommen ist, dann verstehe ich eine gewisse Unruhe.
Ich gebe Ihnen zum Schluß folgendes zu. Natürlich ist es eine ambivalente Aussage, wenn ich sage: Auf Grund dieser Vorschrift hat es fast keine Bestrafung gegeben. Daraus kann ich nämlich zwei entgegengesetzte Schlüsse ziehen. Einmal kann ich den Schluß ziehen: Es schadet nichts, wenn die Vorschrift drinbleibt. Und ich kann den Schluß ziehen, daß man die Vorschrift herausstreichen kann. Wer das jedoch so oberflächlich ambivalent sieht, verkennt, was Herr Linde schon ausgeführt hat, nämlich die Bedrohung, die in einer solchen Bestimmung liegt, die zusätzliche Unsicherheit, die darin liegt, und die Grundtatsache, daß man in einem liberalen Rechtsstaat grundsätzlich jeden strafrechtlichen Eingriff zu vermeiden hat, dessen dringende Notwendigkeit nicht ausdrücklich bewiesen ist. Da das hier nicht bewiesen ist, sind wir zusammen mit unserem Koalitionspartner zunächst einmal für Streichung dieser Vorschrift.
({5})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisungen des Gesetzentwurfs auf Drucksache 8/3911 an den Rechtsausschuß - federführend - sowie an den Innenausschuß zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte
- Drucksache 8/3748 - Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und
Fernmeldewesen ({0})
- Drucksache 8/3990 Berichterstatter:
Abgeordneter Feinendegen
({1})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird anderweitig das Wort gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Wurbs
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3990 unter Ziffer 2 die Annahme einer EntschlieBung. Wer dieser Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte
- Drucksache 8/3749 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2})
- Drucksache 8/3943 Berichterstatter: Abgeordneter Feinendegen
({3})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und überschrift auf. Die Abstimmung hierüber in zweiter Beratung wird mit der .Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Beherbergung im Reiseverkehr ({4})
- Drucksache 8/3623 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/4005 -
Berichterstatter: Abgeordneter Glos
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({6})
- Drucksache 8/3970 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
({7})
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit einer Gegenstimme in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Das Wort wird offensichtlich nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3970 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Mai 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Befreiung öffentlicher Urkunden von der Legalisation
- Drucksache 8/1544 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({8})
- Drucksache 8/3983 Berichterstatter:
Abgeordnete Schmidt ({9}) Dr. Wittmann ({10})
({11})
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
Vizepräsident Wurbs
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 7 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Schiffsregisterordnung
- Drucksache 8/2515 - Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({12})
- Drucksache 8/3979 Berichterstatter:
Abgeordnete Lambinus
Wimmer ({13})
({14})
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung, Ich rufe die Art. 1 bis 5 sowie Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß auf der Drucksache 8/3979 empfohlenen Änderungen auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 bis 21
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland
- Drucksache 8/3922 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß ({15}) Rechtsausschuß
17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und des Europäischen übereinkommens vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland
- Drucksache 8/3923 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß ({16}) Rechtsausschuß
18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Oktober 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Neuseeland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und einigen anderen Steuern
- Drucksache 8/3918 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
- Drucksache 8/3920 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Finanzausschuß ({17}) Ausschuß für Wirtschaft
20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 8/3919 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({18}) Auswärtiger Ausschuß
21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Wiener Abkommen vom 12. Juni 1973 über den Schutz typographischer Schriftzeichen und ihre internationale Hinterlegung ({19})
- Drucksache 8/3951 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Vizepräsident Wurbs
und die Zusatzpunkte 1 bis 4 auf:
1. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 31. Oktober 1979 sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen
- Drucksache 8/3927 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß ({20})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des BundesfinanzhofsQL
- Drucksache 8/3949 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({21}) Finanzausschuß
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Genfer Protokoll von 1979 zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
- Drucksache 8/3985 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft ({22}) Finanzausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank
- Drucksache 8/3984 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({23})
Finanzausschuß
Haushaltsausschuß
Es handelt sich hierbei um erste Beratungen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe. Das Wort wird nicht begehrt.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 8/3922, 8/3923, 8/3918, 8/3920, 8/3919 und 8/3951 an die Ausschüsse vor. Außerdem ist interfraktionell vereinbart worden, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 8/3927, 8/3949, 8/3985 und 8/3984 ebenfalls an die Ausschüsse zu überweisen. Die Überweisungsvorschläge ersehen Sie aus der Tagesordnung. Zusätzlich soll die Vorlage auf Drucksache 8/3927 - AKPEWG-Abkommen von Lomé - zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Vorlage eines Berichts des Petitionsausschusses
- Drucksache 8/3913 -
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem interfraktionellen Antrag auf Drucksache 8/3913 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 67 des Petitionsausschusses ({24}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/3932 -
b) Beratung der Sammelübersicht 68 des Petitionsausschusses ({25}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/3941 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 8/3932 und 8/3941, die in den Sammelübersichten 67 und 68 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
Veräußerung einer 13,2 ha großen Teilfläche des ehem. Heereszeugamts ({26}) in München an die Bayerischen Motoren Werke AG
- Drucksache 8/3933 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Haushaltsausschuß
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({27}) zu der UnterVizepräsident Wurbs
richtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1979 bei Kap. 60 04 Tit. 698 01 - Zahlungen nach dem Spar-Prämiengesetz - Drucksachen 8/3739, 8/3934 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3934, von der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen auf Drucksache 8/3739 Kenntnis zu nehmen. - Ich stelle fest, daß das Haus Kenntnis genommen hat.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.