Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 15. April 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 28. Januar bis 1. Februar 1980 in Straßburg ({0})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß
Bericht der Bundesregierung über die Förderung der Solartechnik in der Bundesrepublik Deutschland ({1})
zuständig:
Ausschuß für Forschung und Technologie ({2}) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Achten Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Wettbewerbspolitik ({3})
zuständig:
Ausschuß für Wirtschaft ({4}) Rechtsausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Notwendigkeit und zur Festlegung einer gemeinsamen Haltung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Rahmen der III. Seerechtskonferenz ({5}) der Vereinten Nationen sowie zur Beteiligung der Gemeinschaft als solcher an den auf Grund der Arbeiten der Konferenz zu schließenden Abkommen ({6})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({7})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Einführung eines europäischen Passes ({8})
zuständig: Innenausschuß
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den nach den Wahlen in Zimbabwe-Rhodesien zu ergreifenden unterstützenden Maßnahmen ({9})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({10}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1979 ({11})
zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 19. März bis 15. April 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/3907 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 15. April 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim Handelsverkehr mit frischem Geflügelfleisch hinsichtlich der ärztlichen Untersuchung der in der Geflügelfleischerzeugung beschäftigten Personen ({12})
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen hinsichtlich der ärztlichen Untersuchung des mit der Herstellung von Fleischerzeugnissen beschäftigten Personals ({13})
Vorschlag einer Verordnung ({14}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({15}) Nr. 351/79 über den Zusatz von Alkohol zu Erzeugnissen des Weinsektors ({16})
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur zweiten Änderung der Richtlinie 75/726 EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Fruchtsäfte und einige derartige Erzeugnisse ({17})
Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
und dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP
Drucksachen 8/1470, 8/1473, 8/3835 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Linde
Dr. Riedl ({18})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort?
({19})
- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Linde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die entsprechende Tätigkeit des Verteidigungsausschusses nicht mitrechnet, ist dies der 20. Untersuchungsausschuß in der Geschichte des Deutschen Bundestages. Er war - da werden Sie mir zustimmen - bereits von der Durchführung seines Auftrages her ein gewisses Kuriosum. Das spiegelt sich auch in- dem Bericht wider.
In der zeitlichen Dauer der Arbeit wird dieser Ausschuß nur von dem nicht zum Abschluß gekommenen John-Ausschuß der 2. Wahlperiode übertroffen, und was die Zahl seiner Sitzungen anlangt, kann nur der HS-30-Ausschuß der 5. Wahlperiode mehr, nämlich 90 Sitzungen, aufweisen. Immer noch eine Sitzung weniger als dieser Untersuchungsausschuß, nämlich 51, hatte dann der Steiner-Ausschuß der 7. Wahlperiode durchgeführt.
Man kann das alles wohl nur damit entschuldigen, daß niemals zuvor ein Untersuchungsauftrag so bis ins Detail - 33 Einzelpunkte - und damit auch so bis ins erwünschte und erhoffte Ergebnis vorformuliert war wie bei diesem 1. Untersuchungsausschuß der 8. Wahlperiode.
Im Vergleich zum Aufwand ist das Untersuchungsergebnis bescheiden. Das politische Phänomen und damit der Aufwand werden dadurch gekennzeichnet, daß die Minderheit im Ausschuß einen vollständigen Gegenbericht vorgelegt hat, der den eigentlichen Bericht an Länge beträchtlich übertrifft.
({0})
Wenn man es in Zahlen ausdrückt, wie Sie, Herr Riedl, das ja aus dem Fußball kennen, lautet das Verhältnis 23 : 35.
({1})
Dieses im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdige Resultat liegt an der politischen Struktur und an der inneren Gesetzmäßigkeit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, wie unser Verfassungsrecht und unser Parlamentsrecht es nun einmal anbieten. Auf der einen Seite handelt es sich um ein klares Minderheitenrecht und wird deshalb überwiegend von der jeweiligen Opposition - ich sage ausdrücklich: der jeweiligen Opposition - in Anspruch genommen. Zum anderen hat ein auf einen solchen Minderheitsantrag hin eingesetzter Untersuchungsausschuß, jedenfalls nach geltendem Recht, die Verfahrensgrundsätze der Strafprozeßordnung - einschließlich ihrer Unschuldsvermutung - einzuhalten. Die wohl unvermeidliche Subjektivität bei der Verfolgung politischer Ziele muß sich damit zwangsweise an der verlangten Objektivität des Verfahrens reiben.
Das ist ein Problem, das ja auch schon die Enquete-Kommission Verfassungsreform in der vergangenen Wahlperiode lange beschäftigt hat. Es war auch das Grundproblem unserer Arbeit in den vergangenen zwei Jahren. Vielleicht darf ich es so formulieren: Das Untersuchungsverfahren ist, wenn es nicht
Parlament und Öffentlichkeit weiter verdrießen soll, dringend reformbedürftig.
({2})
Dies sollten wir uns aus Anlaß der Debatte über die Arbeit dieses Ausschusses noch einmal vor Augen führen.
Tiber den Anlaß für diesen Untersuchungsausschuß und dessen Bewertung gibt es wohl keinen Streit. Wenn die Niederschrift eines Telefongesprächs, das ein bekannter Politiker mit dem Chefredakteur der von ihm herausgegebenen Wochenzeitung führt, plötzlich anonym einer Tageszeitung zugeht, wenn die beiden Gesprächspartner übereinstimmend behaupten, daß eine ganz bestimmte Passage darin gefälscht sei, und wenn dann das Papier auch noch den Eindruck erweckt, es stamme aus den Beständen eines Nachrichtendienstes, dann, meine Damen und Herren, haben Parlament und Öffentlichkeit, aber auch die Dienste selbst einen Anspruch darauf, Täter und Hintermänner zu erfahren.
Wenn aber schon Polizei, wenn aber schon Staatsanwaltschaft und eine unabhängige Untersuchungskommission sich hierum vergebens bemüht haben, wenn es bereits im Vorfeld der Ausschußeinsetzung von Verdächtigungen, Beschuldigungen nur so wimmelte, wenn die Betroffenheit über die Rechtsverletzung hinter das Bestreben zurücktritt, daraus möglichst viel politisches Kapital zu schlagen, auch auf die Gefahr hin, daß mehr kaputtgeht als nur Porzellan,
({3})
dann ist ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß dringend erforderlich.
Einen Augenblick, bitte.
Ich bitte, den Berichterstatter nicht in dieser Form zu unterbrechen.
In seiner Gesamtheit und mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium vermag der Untersuchungsausschuß selbst bei bestem Willen nicht das zu leisten, wozu die vereinigten Ermittlungsbehörden mit all ihren technischen Möglichkeiten nicht in der Lage waren. Die Minderheit, die die Einsetzung beantragt hat, ist zudem vor allem dort, wo es gegen die Regierung geht, Gefangene ihrer eigenen Einsetzungsbeschlüsse und ihrer eigenen ursprünglich aufgestellten Behauptungen.
({0})
Deshalb ist das konkrete Ergebnis unserer Tätigkeit - ich sage das durchaus selbstkritisch - eigentlich nur bei der kritischen Durchleuchtung der Nachrichtendienste einigermaßen befriedigend. Gerade dieser Teil stand aber nicht im Zentrum des Interesses der Antragsteller, die ursprünglich mit dem Vorwurf unberechtigten Abhörens nur die im
Ergebnis nicht haltbaren Vorwürfe gegen die Regierung stützen wollten.
({1})
Über die Lauschmitteleinsätze, die tatsächlich vom Militärischen Abschirmdienst zu verantworten sind, hat sich der Ausschuß in mühevoller, aber auch im Verhältnis zur Regierung nicht spannungsfreier Arbeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht einen lückenlosen Überblick verschafft. Das Ergebnis findet sich in dem Schriftlichen Bericht wieder und läßt sich nachlesen. Insoweit weichen auch die Darstellungen von Minderheit und Mehrheit nicht voneinander ab.
Bei dem eigentlichen Anlaßfall, dem Telefongespräch Strauß/Scharnagl, zeigen sich aber die Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens besonders deutlich. Jedes Mitglied dieses Ausschusses, das ehrlich ist, muß zugeben, daß es uns nicht gelungen ist, den oder die Täter dieses Abhörvorganges zu entdecken. Jedes Mitglied muß aber auch zugeben, daß wir keinerlei Nachweis dafür gefunden haben, daß etwa ein Dienst des Bundes, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst oder MAD, sei es legal, vielleicht auf höchste Weisung, oder illegal und ohne Wissen der politisch Verantwortlichen tätig geworden ist.
({2})
Cui-bono-Theorien nach dem Motto: „Wem es nützt, der wird es dann wohl auch gewesen sein", wie sie der Hauptbetroffene als Zeuge vor dem Ausschuß aufgestellt hat und die dann auch in der Debatte aufgenommen worden sind, können zwar Ausgangspunkt kriminalistischer Untersuchungen sein, sie können aber nicht das Ergebnis von Untersuchungen mit dem Anspruch auf objektiven Wahrheitsgehalt nach der Strafprozeßordnung bestimmen.
Wegen der Unbeweisbarkeit des tatsächlichen Herganges enthält der Bericht in dem Teil, der sich dem eigentlichen Vorgang Strauß/Scharnagl widmet - wie schon der Einsetzungsbeschluß -, immer noch mehr Fragen als Antworten. Konkret, d. h. faßbar und politisch umsetzbar, ist er nur in den Randbereichen, in die der Ausschuß bei seiner Suche einsteigen mußte. Diese Randbereiche sind die technischen Seiten modernen Telefonierens, die Beschaffenheit der Apparate, die Führung der Leitungen und die Sicherung der Anschlüsse. Hier gibt es, wie der Bericht deutlich macht, ebenfalls keine Unterschiede in der Bewertung zwischen Koalition und Opposition.
Wo es aber vom abstrakten Aufbau des Fernsprechnetzes zum konreten Telefongespräch am Vormittag des 26. September 1976 zwischen Franz Josef Strauß und Wilfried Scharnagl geht, wird aus Wissen leider Spekulation. Deshalb gebietet die intellektuelle wie die politische Redlichkeit, die unbewiesenen Verdächtigungen endlich einzustellen
und hier objektiv festzustellen, daß der oder die Täter nicht festgestellt werden konnten.
({3})
- Ich sage das nicht - schon gar nicht als Berichterstatter, lieber Herr Riedl - in der Absicht billiger Polemik.
Einen Moment bitte, Herr Abgeordneter Dr. Linde. Sie haben das Wort als Berichterstatter. Wenn der Abschlußbericht eines Ausschusses vorliegt, ist die bevorrechtigte Worterteilung an den Berichterstatter nur so zu begründen, daß der Berichterstatter zu dem vorgelegten Bericht noch Ergänzungen oder Änderungen vorschlägt, aber nicht eine Aussprache in der Form einleitet, Herr Kollege Dr. Linde, wie es teilweise bei Ihnen der Fall ist. Das muß dann Bestandteil der Aussprache sein. Ich bitte Sie also, daß wir nach Möglichkeit - ich weiß, wie schwer die Abgrenzung ist - einen für alle tragbaren Weg finden. -- Bitte, Herr Dr. Linde, fahren Sie fort.
Herr Präsident, gestatten Sie mir dazu eine Bemerkung: Wenn ein Untersuchungsbericht aus einem Mehrheitsbericht und einem vollständigen Minderheitsbericht besteht, muß es dem Berichterstatter gestattet sein, die Hintergründe so zu erläutern, daß die gegenseitigen Positionen, die sich während der Untersuchungen herausgestellt haben, zum Ausdruck kommen.
({0})
Herr Dr. Linde, es ist eine Ausnahme, daß sich hier der Redner und der Präsident unterhalten. Sicherlich kann und wird dies Bestandteil der Aussprache sein. Es ist aber nicht die originäre Aufgabe des Berichterstatters. - Herr Dr. Linde, bitte fahren Sie fort.
({0})
Herr Präsident, ich werde mich sehr sorgfältig bemühen, die Geschäftsordnung hier einzuhalten. Ich habe das nicht gesagt - schon gar nicht als Berichterstatter - in der Absicht irgendeiner Polemik. Nur erscheint es mir an dieser Stelle erforderlich, einen Eindruck zurechtzurücken, der beim flüchtigen Vergleich der entsprechenden Passagen im Bericht des Ausschusses und in dem Bericht der Minderheit vielleicht entstehen kann, und dem auch eine durchaus seriöse Wochenzeitung leider erlegen ist.
Was sich in diesem Bericht leider immer noch an durch bunte Bilder aufgemachten technischen Bemerkungen zeigt, sind Andeutungen über Telefonleitungen am und im Haus Listseeweg 7. Dies alles ist im Grunde genommen durch den objektiven Hergang der Untersuchung nicht gedeckt. Es wäre hier, wie an anderer Stelle, einfacher und sicherlich nützlicher gewesen, den detaillierten und nüchternen Prüfbericht der Deutschen Bundespost bzw. den Bericht des Fernmeldetechnischen Zentralamtes
abzudrucken. Dieser Prüfbericht ist aber - nach meiner Meinung und nach Meinung der Mehrheit zu Recht - wie alle derartigen Untersuchungen der Post als Verschlußsache eingestuft. Die exakte, offene Schilderung der Aufspürung von Schwachstellen und der zu Ihrer Überprüfung angewandten Mittel und Methoden stellt nämlich immer zugleich auch eine technische Anleitung zum Bruch des Fernmeldegeheimnisses dar. Dazu wollten und sollten wir von dieser Stelle nicht beitragen.
Die Ausschußmehrheit hat sich deshalb sehr intensiv bemüht, diesen Teil des Berichts, d. h. also die Weitergabe des Wissens an den Deutschen Bundestag und die gesamte Öffentlichkeit, so abstrakt, aber auch so nahe am tatsächlichen Befund der Untersuchungen wie möglich zu formulieren. Theoretisch, meine Damen und Herren, wäre es sicherlich am leichtesten gewesen, das Telefongespräch im Haus Listseeweg 7 abzuhören. Ob aber überhaupt und wirklich an dieser Stelle und technisch so, wie die Minderheit zu wissen glaubt, abgehört worden ist, war, ist und bleibt weiterhin ungewiß.
Die Ausschußminderheit konnte sich dieser vorsichtigen Bewertung leider nicht anschließen. Sie hat aus dem Prüfbericht das herausgenommen, was in ihr politisches Konzept paßte. Sie hat das - ich bitte, dies zu akzeptieren - ohne Rücksicht auf die Sicherheitsbedürfnisse der Deutschen Bundespost getan. Die dazu passenden Illustrationen stammen von der Staatsanwaltschaft in München. Der Ausschuß hat diese Fotos, die ja auch in dem Bericht enthalten sind, offiziell nie gesehen, geschweige denn zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht.
({0})
Erstmals aufgetaucht sind sie übrigens bei einer Pressekonferenz der CDU/CSU am 25. Januar 1980, auf der unter Verstoß gegen die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages und darüber hinaus auch unter Verstoß gegen klare Absprachen der Entwurf für den Minderheitsteil der Öffentlichkeit übergeben wurde. Übrigens steht immer noch die Antwort des Herrn Präsidenten auf einen entsprechenden Brief von mir in dieser Sache aus.
Das alles ist nicht in Ordnung und beschwert natürlich das Untersuchungsverfahren. Es bestärkt das, was ich allgemein zu dem Recht der parlamentarischen Untersuchungsverfahren gesagt habe.
Das Parlament - oder hier eine Fraktion - kann sich doch nicht über den leichtfertigen Umgang mit der Wahrheit beschweren, insbesondere über einen Umgang mit der Wahrheit, die aus triftigen Gründen als geheim geschützt ist, z. B. durch Beamte oder Journalisten, wenn in diesem Parlament selber keine Bereitschaft besteht, sich an die selbst gesetzten Regeln zu halten. Am bedenklichsten stimmt dabei, daß dies auch von Personen geschehen ist, die mit den Verfahren der Deutschen Bundespost ganz besonders vertraut sind.
Da sich jenes Telefongespräch nun einmal, gleich, wie sein tatsächlicher Wortlaut war, auch mit Lockheed befaßte, ist es verständlich, daß die Opposition in ihrem Einsetzungsantrag der Aufarbeitung des
gesamten Lockheed-Komplexes und seiner Rolle im Bundestagswahlkampf 1976 großen Raum vorbehielt.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte auch hier um Verständnis für das schmale Untersuchungsergebnis. Es ist unmöglich, politische Vorgänge nachträglich mit Hilfe parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zu bewältigen.
({1})
- Wir haben uns bemüht, der Wahrheit sehr weit nachzugehen. Aber es gelten die strafprozessualen Unschuldsvermutungen. Damit ist die Grenze des Untersuchungsverfahrens gegeben.
Erst sollte der Bericht einer Arbeitsgruppe der Bundesregierung, die seit Herbst 1976 die amerikanischen Lockheed-Papiere auswertete, das Motiv für die Übersendung der Gesprächsniederschrift an die „Süddeutsche Zeitung" geliefert haben. Als der Inhalt dieses Berichts dann im Zuge der Arbeit des Untersuchungsausschusses der Öffentlichkeit bekannt wurde, sprach niemand mehr davon. Offensichtlich ist im deutschen Parlamentswesen sowieso das Geheimgehaltene interessanter als das, was in Verfahren zutage gefördert wird.
({2})
Deshalb hat sich die Ausschußmehrheit bemüht, das objektiv Nachweisbare offenzulegen und für spätere Diskussionen festzuhalten. Wir befürchten, daß diese späteren Diskussionen durchaus kommen werden, wenn sich die Akteure nicht ändern oder einer uns eines Tages den oder die Täter präsentieren wird, wenn es ihm politisch genehm erscheint.
Die Spekulationen führen zu einem besonders trüben Kapitel in der Geschichte des Untersuchungsausschusses. Ich halte es für erforderlich, auch dies hier deutlich zu sagen. Mehrfach, zuletzt nach den abschließenden Anhörungen der Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, ist aus besonders vertraulichen, nichtöffentlichen Ausschußsitzungen in einem Teil - ich möchte sagen: in einem bestimmten Teil - der Presse berichtet worden. Es waren überwiegend die Organe, die sich bereits nach dem Auftauchen der Niederschrift des Telefongesprächs zwischen Herrn Strauß und seinem Chefredakteur befleißigt haben, Gerüchte zu verbreiten. Als Quelle wurde immer wieder ein Nachrichtendienstexperte der Oppostion genannt.
({3})
- Aber sehr wohl.
({4})
Es mag sein, daß die Arbeit des Untersuchungsausschusses wie vorher bereits die parlamentarische Auseinandersetzung mit dem Fall Traube dazu geführt hat, das Unrechtsbewußtsein der VerfasDr. Linde
sungsschutzbehörden des Bundes und der Länder im Umgang mit Lauschmitteln zu schärfen. Die Art und Weise, wie öffentlich über die Arbeit der Dienste geredet worden ist, hat leider letztlich aber auch erheblich zu einer Verunsicherung der Dienste beigetragen.
({5})
Das hat die Aufgabe der Dienste, die niemand in diesem Lande missen möchte, erheblich behindert. Diese bedauerliche und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigende Wirkung des Telefonprotokolls weist schließlich auch in die Richtung der gegnerischen Nachrichtendienste. Sie haben zum Schaden deutscher Abwehrinteressen von der Auseinandersetzung - unvermeidlich - profitiert. Die Ausschußminderheit hat leider diese Wirkung im Gegensatz zu der Haltung der Opposition bei der Beratung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste nicht immer ausreichend berücksichtigt.
({6})
Der Ausschußbericht, wie er von den Abgeordneten der SPD und der FDP getragen wird, hat sich be-. müht, dem Spannungsverhältnis zwischen der grundgesetzlichen Freiheitsgarantie des Bürgers auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Anspruch, die gesamtstaatlichen Sicherheitsinteressen zu verwirklichen, gerecht zu werden. In seiner Bewertung der Lauschmitteleinsätze des MAD zeigt die Mehrheit die Grenzen auf, die die Verfassung auch den Diensten setzt. Damit schließt der Berichtsteil an die öffentliche Diskussion an, die seit Monaten in Wissenschaft und Verwaltung in dieser Sache geführt wird. Die im Auftrage des Bundesinnenministeriums angestellten Überlegungen zur Amtshilfeproblematik liegen, soweit dies jedenfalls bisher zu erkennen ist, wohl auf der gleichen Linie. Der Minderheitsbericht der CDU/CSU setzt leider die Verunsicherungen fort.
({7})
In bezug auf ein Abhören des Bürgers Strauß werden zwischen den Zeilen weiter die Dienste verdächtigt. Denselben Diensten sollen aber an anderer Stelle des Berichts für das Abhören mehr und stärkere, nach unserer Auffassung verfassungsrechtlich bedenkliche Rechte an die Hand gegeben werden.
({8})
Wer es mit den Bürgerrechten und dem Sicherheitsauftrag der Dienste in diesem Staat ernst meint, muß darum besorgt sein, jede Verletzung derartiger Rechte auszuschließen. Rechtlich fragwürdige Konstruktionen nützen weder dem Bürger noch den Diensten. Sie öffnen nur neuen, fruchtlosen und schädlichen Diskussionen Tür und Tor. Der Bürger muß Aufgabe und Auftrag der Dienste kennen. Er muß sie als Instrumente einer abwehrbereiten Demokratie kennen und sie akzeptieren. Die Dienste wiederum müssen in die Grenzen rechtsstaatlichen Handelns eingebunden sein. Das verlangen Geist, Sinn und Text unserer Verfassung.
Abgesehen von der verfassungsrechtlich schwierigen Einordnung der Dienste und vieler politisch motivierter Kontroversen bleibt eine erfreuliche Grundübereinstimmung von Koalition und Opposition bei den Folgerungen aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses in dem wichtigen Kapitel „Vorschläge und Forderungen". Ich bin den Kollegen von der Opposition außerordentlich dankbar - und auch dem Herrn Vorsitzenden - dafür, daß es dazu gekommen ist, die gemeinsamen Vorschläge und Forderungen zu erarbeiten. Sie sollten auch den Deutschen Bundestag weiter beschäftigen. Die Länge des Verfahrens und der Umfang des Untersuchungsberichts dürfen diesen Grad, ich darf wohl sagen, schwer errungener Gemeinsamkeit nicht verdecken.
Denn auch bei den sachlichen Feststellungen, die dem Bericht in Kurzform an Hand des Einsetzungsbeschlusses zusammenfassend vorangestellt sind, gibt es ebenfalls Übereinstimmung - bis auf vier Punkte, die sich nur in der Bewertung unterscheiden.
Diese vier Punkte sind erstens die Bewertung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Abschluß der Lockheed-Untersuchungen und dem Erscheinen des Abhörprotokolls, zweitens die Einschätzung der Person des Adressaten des Protokolls, der es zugesandt bekommen hat, drittens die Frage, ob die Untersuchung der Lockheed-Vorgänge verzögert wurde, und viertens die Feststellung, daß auch schon früher Bundesdienststellen bei Abhörfällen zu Unrecht verdächtigt worden sind. Nur hier gibt es ausweislich des Berichts wirklich Kontroversen.
Das parlamentarische Untersuchungsverfahren kann und will der Opposition nicht das Recht nehmen, in diesen Punkten auf ihrer Ansicht zu beharren. Deshalb bleibt letztlich jeder selbst aufgefordert, sich aus dem Text des Berichtes seine eigene Meinung zu bilden. Wir - und damit meine ich alle Beteiligten - haben uns jedenfalls Mühe gegeben, dem Parlament und der Öffentlichkeit diese Meinungsbildung zu erleichtern. Dazu werden hoffentlich auch mein Kollege mit seinem Minderheitenbericht und die nachfolgende Aussprache beitragen.
({9})
Wünscht der zweite Berichterstatter das Wort?
({0})
- Als Berichterstatter? Ich würde in der gleichen großzügigen Auslegung diese Berichterstattung hinnehmen müssen.
Präsident Stücklen
Aber diese Berichterstattung zeigt, daß der Geschäftsordnungsausschuß sich mit dieser Frage befassen muß. Wir werden eine Aussprache zur Novellierung der Geschäftsordnung haben; dort muß konkret darüber gesprochen werden.
Für den Präsidenten ist es nun außerordentlich schwierig, wenn er dann nach einem Satz, der bereits gesprochen ist - also dem Parlament und damit der Öffentlichkeit mitgeteilt worden ist -, sagen muß: dies hätte gar nicht hineingedurft. Das ist die Schwierigkeit, die jeder Präsident hat, der hier oben sitzt. Deshalb auch der durchaus verständliche Unmut von der anderen Seite. Es muß also im Geschäftsordnungsausschuß versucht werden, dies so einzugrenzen, daß ein Mißbrauch nicht möglich ist.
Da von den Berichterstattern keine Wortmeldungen mehr vorliegen, eröffne ich die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
({1})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zwei Anmerkungen zu dem, was der Kollege Linde als Berichterstatter hier vorgetragen hat. Der Kollege Linde hat darauf hingewiesen, daß die CDU/CSU sich mit dem Problem der Abhörpraxis der Dienste nicht so ausführlich befaßt habe. Ich darf Sie darauf hinweisen, Herr Kollege Linde, daß in unserem Antrag auf Einsetzung des Ausschusses dieser Komplex als Untersuchungsgegenstand genannt war und daß sich der Ausschuß sehr ausführlich mit diesem Komplex befaßt hat.
Zum zweiten. Mir ist auch unverständlich, daß der Kollege Linde eine Rüge hinsichtlich dessen angebracht hat, was in dem Bericht veröffentlicht worden ist. Denn wenn dem so gewesen wäre, hätte er ja diesen Bericht nicht unterschreiben dürfen.
({0}) So weit die Vorbemerkungen.
Der Untersuchungsausschuß hat nach zweijähriger Arbeit, nach der Vernehmung von 60 Zeugen in 52 Sitzungen und nach der Auswertung umfangreicher Akten dem Parlament einen 120 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht über drei Komplexe vorgelegt: erstens über die illegale Abhörung von Franz Josef Strauß, zweitens - damit in Zusammenhang stehend - über den Rufmordversuch in der Lockheed-Affäre und drittens über die Abhörpraktiken des MAD, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle zunächst den ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern des 1. Untersuchungsausschusses meinen Dank aussprechen. Ganz besonders möchte ich meinem Stellvertreter, dem Kollegen Bayerl, danken, dem ich herzliche Genesungswünsche übermittle. Er kann heute aus Krankheitsgründen nicht hier sein.
({1})
Mein Dank gilt auch den Damen und Herren des Ausschußsekretariats, den Mitarbeitern aus den drei Bundestagsfraktionen und den Bediensteten der Bundesministerien und der anderen Dienststellen des Bundes und der Länder.
Mit der Vorlage dieses Berichts und der Beschlußempfehlung ist die Arbeit des Ausschusses beendet. Ich nehme deshalb zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion jetzt politisch Stellung. Es ist vielfach die Befürchtung geäußert worden, daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die weitere Arbeit der Dienste lähmen oder zumindest beeinträchtigen würde. Ich bin aber der t Überzeugung, daß das Parlament nach all dem, was in den letzten Jahren an Abhöraffären bekanntgeworden ist, überhaupt nicht untätig bleiben konnte. Nicht diejenigen gefährden die Dienste, die Rechtsverletzungen untersuchen, sondern die Schuldigen sind diejenigen, die unsere Dienste in eine solche Situation gebracht haben.
({2})
Seit dem Jahre 1969 - genauer: seit dem unheilvollen Wirken des Herrn Ehmke im Bundeskanzleramt ({3})
sind die Arbeit und das Ansehen der Dienste zunehmend herabgewürdigt worden.
({4})
Die CDU/CSU möchte diese tief bedauerliche Entwicklung so schnell wie möglich beenden, in den Diensten für klare rechtsstaatliche Verhältnisse sorgen und die Mitarbeiter für ihre verantwortungsvolle Arbeit motivieren. Ein Staat, der seine Dienste so derangiert, wie dies seit 1969 unter der Verantwortung von SPD und FDP geschehen ist, macht sich selbst blind und wehrlos.
({5})
Kanzler und Minister, die dies zulassen oder bei der Verunsicherung der Dienste gar noch selbst aktiv mitwirken, handeln verantwortungslos,
({6})
gerade in der gegenwärtigen, schwierigen weltpolitischen Situation, Herr Kollege.
Die CDU/CSU hat die Untersuchungen so geführt, daß kein weiterer Schaden für die Dienste und unser Land eingetreten ist. Sie nahm dabei in Kauf, daß vieles nicht in öffentlicher, sondern in geheimer oder streng geheimer Sitzung behandelt wurde und deshalb auch nicht im Untersuchungsbericht dargelegt werden kann. Wären SPD und FDP in der Opposition und außerhalb der Regierungsverantwortung
gewesen und hätten Politiker der CDU/CSU das Vorgefallene zu vertreten gehabt, dann wären die legitimen Interessen der Dienste sicher nicht so geschont worden,
({7})
wie dies hier seitens der CDU/CSU der Fall gewesen ist.
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/ CSU hat deshalb aber auch darauf gedrängt, daß gemeinsame Vorschläge des Untersuchungsausschusses zum besseren Schutz der Bürger gegen Telefonabhörungen und illegale Lauschangriffe und zur rechtsstaatlichen Absicherung der Angehörigen der Dienste in ihrer Arbeit gemacht wurden. Die CDU/ CSU hofft, daß die Verantwortlichen diese Vorschläge so rasch wie möglich verwirklichen.
Zu den drei Untersuchungskomplexen habe ich folgendes festzustellen. Zum Komplex eins: Die umfangreiche Beweisaufnahme hat den dringenden Tatverdacht nicht entkräften können, daß sachkundige Angehörige oder ehemalige Angehörige eines der drei deutschen Dienste an der illegalen Abhöraktion gegen Franz Josef Strauß beteiligt waren.
({9})
Ich möchte dies in acht Punkten untermauern.
Erstens. Der Ausschuß stellt mit den Stimmen von SPD und FDP folgendes fest:
Bei der Abhöraktion gegen Dr. h. c. Franz Josef Strauß muß es sich um ein von langer Hand vorbereitetes Unternehmen gehandelt haben, dessen Urheber nicht nur über technisches Spezialkönnen, sondern auch über erhebliches Wissen aus dem Bereich der Nachrichtendienste verfügen. Deshalb kann es sich bei den ausführenden Personen nur um konspirativ vorgehende, fernmeldetechnisch ausgebildete Spezialisten gehandelt haben.
Weiter sagt der Ausschuß in seinen gemeinsamen Feststellungen:
Haben fremde Nachrichtendienste die Möglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland Telefongespräche abzuhören, und liegen konkrete Anhaltspunkte vor, daß sie ein Gespräch zwischen Dr. h. c. Strauß und Chefredakteur Scharnagl abgehört haben?
Legal nicht. Für ein illegales Vorgehen gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.
Zweitens. Nach Auffassung der CDU/CSU ist es außerordentlich verdächtig, daß regierungsamtliche Stellen, die bereits am 2. Januar 1978 von der Existenz eines verfälschten, auf amtlichem G-10-Formular fixierten Telefonabhörprotokolls über ein Telefonat zwischen Franz Josef Strauß und Scharnagl erfahren hatten, zehn Tage lang, bis zum 12. Januar 1978, völlig untätig geblieben sind. Es wurden weder Nachforschungen angestellt noch die in ihrem Grundrecht betroffenen und verletzten Personen Strauß und Scharnagl benachrichtigt. Erst auf ausdrückliche Nachfrage von Journalisten und Abgeordneten reagierte nach zehn Tagen der Staatssekretär im Kanzleramt, Manfred Schüler.
Es drängt sich die Frage auf: Wollte man den verleumderischen Inhalt des verfälschten Abhörprotokolls erst seine Wirkung tun lassen? Sollte sich in der deutschen Öffentlichkeit erst der beabsichtigte Verdacht festfressen, Strauß habe Lockheed-Akten vernichtet und freue sich jetzt, daß man ihn nicht erwischt habe? Die betroffenen Personen beim Bundeskanzleramt und beim BND konnten nicht erklären, warum sie vom 2. bis 12. Januar 1978 nichts unternommen hatten.
({10})
Drittens. Plötzlich, am 12. Januar 1978, nach zehntägigem Schweigen, stellte Staatssekretär Schüler nach wenigen Stunden Ermittlungen fest, daß Dienststellen des Bundes weder legal noch illegal mit der Abhörung von Franz Josef Strauß etwas zu tun gehabt hätten. Daß keine legale G-10-Maßnahme gegen den Vorsitzenden der CSU erfolgt war, versteht sich. Konnte aber in wenigen Stunden festgestellt werden, daß sich kein Angehöriger der Dienste illegale Handlungen habe zuschulden kommen lassen? Oder verfuhr der Herr Staatssekretär Schüler nach der Maxime von Palmström: Weil, so folgert er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf?
({11})
Die verantwortlichen Leiter des Bundeskanzleramts hatten am 12. Januar 1978 eine folgenschwere, voreilige Festlegung vorgenommen, die alle späteren Erkenntnisse amtlicher Stellen fragwürdig erscheinen läßt.
Viertens. Die Bundesregierung hat trotz dringender Aufforderung durch die CDU/CSU die nicht geheimhaltungsbedürftigen Teile des sogenannten Ernst-Berichts nicht zur Veröffentlichung freigegeben. In einer Presseerklärung wurden nur einige für die Bundesregierung günstige Feststellungen bekanntgegeben. Die CDU/CSU ist deshalb gehindert, schwerwiegende Indizien zu dokumentieren, die für ihre Verdachtsgründe von Bedeutung sind.
Was die Regierung hier getan hat, ist kein sauberes Verfahren. Es entsteht der Eindruck, daß die Regierung belastende Tatsachen unterdrückt werden sollen.
Fünftens. Die Bundesregierung hat die Arbeit des Untersuchungsausschusses auch dadurch erschwert, daß sie bei wichtigen Zeugen die Aussagegenehmigung ungerechtfertigt eingeschränkt hat. Außerdem war die Bundesregierung nicht bereit, allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses volle Akteneinsicht zu gewähren. Selbst Akten, die der Staatsanwaltschaft Bonn vorgelegt wurden, sollten den Ausschußmitgliedern vorenthalten werden. Es bedurfte mehrmaliger Drohungen mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die Aus16984
schußminderheit, bis endlich - und selbst dann nur eingeschränkt - Akteneinsicht gewährt wurde.
({12})
Sechstens. Den gravierendsten Eingriff in die Arbeit des Untersuchungsausschusses versuchte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner. Am 7. November 1978 schrieb er einen Brief an den Vorsitzenden der parlamentarischen Kontrollkommission,
({13})
in dem er forderte, daß der Untersuchungsausschuß lediglich den schriftlichen Bericht über elf Lauschaktionen des MAD zur Kenntnis nehmen sollte, der längst in allen Zeitungen veröffentlicht war,
({14})
und darüber hinaus zum Fragenkomplex III nichts untersuchen dürfe.
({15})
Der Untersuchungsauftrag des Parlaments zu Komplex III lautet aber wörtlich:
... zu prüfen, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen derartige Abhörmaßnahmen von amtlichen Stellen durchgeführt werden.
Außerdem bestimmt das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes in § 1 Abs. 2, daß die Rechte des Parlaments und seiner Ausschüsse unberührt bleiben.
Trotz dieser klaren Rechtslage und wider besseres eigenes Wissen versuchten die Mitglieder der SPD im Untersuchungsausschuß, die Durchführung des Untersuchungsauftrags getreu den Anweisungen ihres Vorsitzenden Wehner zu verhindern.
({16})
Zur Ehre des damaligen Mitgliedes der FDP im Untersuchungsausschuß muß festgestellt werden, daß dieser Kollege nach diesem Pressionsversuch Wehners seinen Rücktritt erklärt hat. Die CDU/CSU mußte hier wieder mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts drohen, damit der Auftrag des Untersuchungsaussschusses durchgeführt werden konnte.
({17})
Es stellt sich die Frage, warum Herbert Wehner, der als Sicherheitsbeauftragter seiner Fraktion ja seit Nollaus Zeiten engste Kontakte zu den Diensten unterhält und der auch bei dem Untersuchungsausschuß im Fall Guillaume eine sehr wesentliche Rolle spielte, diese Untersuchungen hindern wollte.
Siebtens. Die Untersuchungen des Ausschusses haben ergeben, daß der MAD unter der Amtszeit des persönlichen Vertrauensmannes von Helmut Schmidt, General Scherer, elf illegale Abhöroperationen durchgeführt hatte. Auch in Fällen, in denen Brigadegeneral Scherer, den der heutige Bundeskanzler und frühere Verteidigungsminister in dieses Amt gehievt hatte, mangels hinreichender Verdachtsgründe mehrmals einen Antrag auf Telefonüberwachung abgelehnt erhalten hatte, trug dieser MAD-Chef keine Bedenken, nach Ablehnung eines Antrages nach G 10 andere Lauschmittel einzusetzen. Den Vertrauensmann von Helmut Schmidt trifft die Hauptschuld daran, daß der MAD durch elf illegale Abhöroperationen ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten ist.
({18})
Wenn schon rechtsstaatliche Grenzen in diesem Ausmaß verletzt worden sind, wie will man dann guten Gewissens behaupten, daß nicht auch gegen Franz Josef Strauß illegale Aktionen durchgeführt worden sind?
Achtens. Schließlich erhärtet die Zielrichtung der illegalen Abhöraktionen den Verdacht gegen Leute, die der SPD wohlgesonnen sind. Am 22. Dezember 1977 war der Untersuchungsbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Lockheed-Untersuchungskommission endgültig abgeschlossen. Dieser gründliche und objektive Bericht erwies, daß alle im Wahljahr 1976 gegen Strauß erhobenen Verleumdungen im Zusammenhang mit Lockheed-Geschäften haltlos waren. Um alle die Politiker der SPD und FDP, die diese Verleumdungskampagne mitgemacht oder wider besseres Wissen geduldet hatten - dazu gehören Helmut Schmidt, Willy Brandt, Egon Bahr und Jürgen Möllemann -, zu entlasten und Franz Josef Strauß trotz des Untersuchungsberichtes im Zwielicht zu lassen, war das verfälschte Protokoll an die Presse lanciert worden. Wäre die Rechnung der illegalen Abhörer und Protokollfälscher aufgegangen, wäre Franz Josef Strauß in dem Verdacht geblieben, Lockheed-Akten eigenhändig beiseite geschafft zu haben.
Nun zum Komplex zwei, zu dem versuchten Rufmord in der Lockheed-Affäre. Die Bundesregierung macht auch hier keine gute Figur. Sie tat alles, um im Wahljahr 1976. den Vorsitzenden der CSU in dem Verdacht zu belassen, er habe von der Firma Lockheed Bestechungsgelder angenommen und Akten beiseite geschafft. Die Bundesregierung ließ es zu, daß sich sogenannte Kronzeugen im Fernsehen produzierten, die einschlägig vorbestraft waren und im Bundesverteidigungsministerium Hausverbot erhalten hatten. Die Bundesregierung verhinderte vorsätzlich, daß vorhandenes Beweismaterial, das die völlige Unschuld von Franz Josef Strauß dokumentierte, rechtzeitig ausgewertet und die Ergebnisse publiziert wurden.
({19})
Mein Kollege Möller wird auf diesen Sachkomplex noch im einzelnen eingehen.
Es gibt Zyniker, die sagen, die Verleumdungskampagne habe 1976 ihren Zweck erfüllt; was nach dem Wahlsonntag passiert sei, sei uninteressant. Wer sich so verhält, kann sich dann aber nicht mehr mit treuherzigem Augenaufschlag als fairer politischer Wahlkämpfer gebärden.
Wenn jetzt, im Jahre 1980, wieder mit solchen Methoden gegen Franz Josef Strauß gearbeitet wird, sollen sich Bürger und Wähler an die Vorgänge des Wahljahres 1976 erinnern.
({20})
Wer aber seiner Sorge über die zunehmende Distanzierung vieler junger Menschen von den etablierten politischen Parteien immer wieder laut Ausdruck verleiht, sollte sich fragen, ob nicht Erfahrungen wie dieser versuchte Rufmord an Franz Josef Strauß ein gerüttelt Maß Schuld daran haben.
({21})
Es bleibt noch anzumerken, daß bewährte Beamte. in einen Loyalitätskonflikt gebracht werden, wenn sie miterleben müssen, wie entgegen offenkundigen Beweislagen solche Schmutzkampagnen von Kanzler, Verteidigungsminister und Staatssekretären gefördert werden.
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Nun zur Frage der Abhörpraxis der Dienste des Bundes. Es war notwendig, daß ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß sich um die Abhörpraktiken der drei Dienste des Bundes gekümmert hat. Hier ergibt sich die Chance, daß künftig nach streng rechtsstaatlichen Grundsätzen verfahren wird. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß unter dem Kanzler-Vertrauensmann General Scherer die Dinge beim MAD aus dem Lot geraten sind. In der Zeit vor 1972 sind illegale Abhöroperationen nicht vorgekommen. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf eine Äußerung des damaligen Verteidigungsministers Leber, der am 26. Januar 1978 im Deutschen Bundestag erklärt hatte, er brauche nur die früheren Abhörfälle aus den Schubladen herauszugreifen.
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Auf Grund der Ermittlungen des Ausschusses ist festzustellen, daß diese Äußerung des damals verantwortlichen Bundesverteidigungsministers eine Irreführung der Öffentlichkeit darstellt.
({24})
Der Untersuchungsausschuß hat sich bemüht, in zweifacher Richtung auf Grund seiner Ermittlungsergebnisse konstruktive Verbesserungsvorschläge zu machen. Erstens. Die Bürger unseres Landes sollen künftig gegen Telefonabhören und Lauschangriffe besser geschützt werden. Die Forderungen an die Deutsche Bundespost sind in den gemeinsamen Vorschlägen niedergelegt, ebenso wie die übrigen Forderungen des Untersuchungsausschusses.
In den letzten Jahren hat aber auch der Vertrieb nicht telefongebundener Abhöranlagen mehr und mehr zugenommen. Diese Abhörgeräte sind technisch immer leistungsfähiger und raffinierter geworden. Die Abhörgefährdung im privaten, wirtschaftlichen und politischen Bereich wird damit immer stärker. Deshalb haben die der CDU/CSU angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses schon vor langer Zeit einen Gesetzentwurf zur Verhinderung des Mißbrauchs von Abhörgeräten erarbeitet. Der Bundesrat hat einen weniger weitgehenden Gesetzentwurf ebenfalls eingebracht. Der Untersuchungsausschuß stellt in seinem Bericht dazu gemeinsam fest:
Der Ausschuß hält einen baldigen Abschluß der parlamentarischen Beratungen dieser Entwürfe für dringend notwendig.
Der federführende Bundestagsausschuß wollte die Untersuchungen dieses Untersuchungsausschusses noch abwarten. Das Gesetz, das den Bürger gegen Abhören sichern soll, müßte noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden.
Zweitens. Ebenso wichtig ist es aber auch, den Diensten für ihre vom gesamten Ausschuß für unverzichtbar erklärte Arbeit eine rechtsstaatlich saubere Grundlage zu geben. Der amtierende Verteidigungsminister Apel hat in seiner öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuß am 31. Mai 1979 zur Situation des MAD wörtlich folgendes erklärt - ich zitiere -:
Deswegen sind wir in unseren Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, daß der MAD eine gesetzliche Grundlage braucht.
Und weiter:
Dies würde bedeuten, daß eine gesetzgeberische Initiative vonnöten wäre, wenn wir nicht den MAD ungebührlich beschränken wollen oder auch Risiken aussetzen wollten, die wir im Interesse des Dienstes nicht laufen lassen dürften.
Die CDU/CSU zog im Untersuchungsbericht die Konsequenz aus dieser unmißverständlichen Erklärung des Ministers. Eine gestrige Rückfrage hat ergeben, daß Bemühungen der Bundesregierung immer noch im Stadium eines Referentenentwurfs sind. Ich möchte aber mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß hier eine gesetzgeberische Verpflichtung vorliegt.
Wir wollen den Diensten keinen Freibrief geben. Es muß den Geboten des Rechtsstaats bei ihrer Arbeit Rechnung getragen werden. Wie das in rechtsstaatlich gesicherten Formen geschieht, war nicht vom Ausschuß zu beantworten. Der Gesetzgeber muß sich seiner Verpflichtung gegenüber den Bürgern in ihrem grundgesetzlich geschützten Freiheitsraum und gegenüber den Bediensteten, die in dem schwierigen Bereich der Spionageabwehr, des Verfassungsschutzes und des Nachrichtendienstes arbeiten, bewußt sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, immer wenn Gewaltakte verübt werden, wie z. B. beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan, wird in der Öffentlichkeit die Frage gestellt, ob die Nachrichtendienste nicht so frühzeitig gewarnt hätten, daß dagegen noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen möglich gewesen wären. Wenn Terroristen brutale Anschläge verüben, wird gefragt, ob die Si16986
cherheitsorgane denn keinen Einblick in diese Szene hätten und Verbrechen verhindern könnten.
Wer aber will, daß die Bürger sicher leben, daß die Regierungen frühzeitig informiert werden, daß radikale Entwicklungen beobachtet und Unterwanderungen von staatlichen Einrichtungen und gesellschaftlichen Organisationen aufgedeckt werden, der muß den Diensten ausreichende Arbeitsmöglichkeiten garantieren. Wir müssen die Arbeit der Angehörigen der Dienste, die weder spätpubertäre James-Bond-Spielereien betreiben noch einen Schnüffelstaat etablieren, anerkennen. Sie setzen sich ein für die äußere und innere Sicherheit unseres Landes.
Aus gutem Grund sind in einem demokratischen Rechtsstaat der Arbeit der Dienste Grenzen gesetzt. Es liegt in der Verantwortung des Parlaments, Rechtssicherheit für den Bürger und für die Mitarbeiter der Dienste zu schaffen. Der Bericht des Untersuchungsausschusses möchte dazu Anstöße geben.
({25})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nächst eine Vorbemerkung. Erstens weise ich den durch Herrn Althammer geäußerten ungeheuerlichen Verdacht, der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herbert Wehner, habe mit seinem Brief den Untersuchungsausschuß in seiner Arbeit behindern wollen, als eine infame Unterstellung ausdrücklich zurück.
({0})
Zweitens, meine Damen und Herren, hat es gerade die CDU/CSU nötig, sich hier als Gralshüter rechtsstaatlichen Verhaltens aufzuspielen und insoweit mahnende Worte an die Koalition zu richten.
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Damit machen Sie sich auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens, das man hier der Reihe nach darstellen könnte, unglaubwürdig.
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Herr Abgeordneter Pensky, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Riedl, bitte schön.
Sie gestatten. - Bitte schön.
Herr Kollege Pensky, hätten Sie die Liebenswürdigkeit, das Schreiben des Fraktionsvorsitzenden, des Herrn Wehner, hier in diesem Hohen Hause einmal wörtlich vorzulesen?
({0})
Wir haben uns darüber im Untersuchungsausschuß unterhalten und festgestellt, daß beispielsweise nach Einsetzung unseres Untersuchungsausschusses diese Parlamentarische Kontrollkommission durch Gesetz geschaffen worden ist und daß wir uns bemühen wollten, eine Abgrenzung dieser Aufgaben herbeizuführen. Ich lasse jetzt in dem Zusammenhang keine Zwischenfragen mehr zu, weil ich meine Darlegungen zusammenhängend vortragen will. Sie werden dazu noch einiges hören, meine Damen und Herren; denn wer diese Debatte heute verfolgt, insbesondere das, was der Herr Kollege Althammer soeben gesagt hat, der muß den Eindruck gewinnen, die CDU/CSU - das ist kein Versprecher, sondern gibt lediglich die Interessenlage und das Engagement auch in dieser Auseinandersetzung korrekt wieder - spreche von einem ganz anderen Untersuchungsausschuß als dem, dem unter anderem auch ich jetzt mehr als zwei Jahre lang und in insgesamt 52 Sitzungen als ordentliches, d. h. zur regelmäßigen Teilnahme und Mitwirkung verpflichtetes Mitglied angehört habe.
Für mich, meine Damen und Herren, ist das ein doppeltes Ärgernis - das sage ich hier ganz offen -, weil ich mich schon während dieser zwei Jahre häufig gefragt habe, ob ich überhaupt noch an der Veranstaltung teilnehme, zu der mich meine Fraktion ursprünglich entsandt hatte; denn auch als Bundestagsabgeordneter legt man nicht - oder sollte es jedenfalls nicht tun, meine ich - den Beruf ab, den man einmal erlernt und ausgeübt hat. Das ist bei mir die kriminalpolizeiliche Ermittlungstätigkeit. Mit deren Handwerkszeug glaubte ich auch an die Arbeit in diesem Untersuchungsausschuß gehen zu können. Nur hatte das, was dort geschah, selten etwas mit objektiver Ermittlung zu tun.
Ich sage deshalb ganz ausdrücklich: Nach dem Nebelschießen muß man immer wieder den eigentlichen Anlaßfall und damit den eigentlichen Auftrag für unsere Untersuchung ins Gedächtnis zurückrufen: Ende September 1976, nämlich in der Schlußphase des Bundestagswahlkampfes, telefoniert der Herausgeber des „Bayernkurier", Franz Josef Strauß, damals noch nicht bayerischer Ministerpräsident oder gar Kanzlerkandidat der Unionsparteien, sondern lediglich CSU-Vorsitzender,
({0})
Mit seinem verhältnismäßig neuen Chefredakteur - von dessen Vorgänger hatte er sich unter nie veröffentlichten oder öffentlich erörterten Umständen überraschend getrennt -,
({1})
um dessen Leitartikel für die Ausgabe unmittelbar vor dem Wahltag zu diktieren. Daß die Wahl selbst bereits verloren gegeben wird, läßt sich an dem Inhalt erahnen, denn wieder einmal wird eine durch ein gigantisches Komplott irregeleitete Öffentlichkeit für die ausgebliebene Sympathie des Wählers verantwortlich gemacht. Der Artikel wird auch geschrieben, und er erscheint. Dann ist erst einmal eine ganze Weile Ruhe.
Eineinviertel Jahr später, um Weihnachten 1977, geht eine Niederschrift eben dieses Telefongesprächs nach einem Umweg über eine Münchner Zentralredaktion anonym einem Bonner Journalisten zu, an dessen Berichterstattung Franz Josef Strauß sich in der Vergangenheit verschiedentlich gestoßen und mit dem er dann auch einen seiner bekannten Zivilprozesse geführt hatte. Das Ganze ist mit Stempeln und Aufdruck so aufgemacht, als ob hier ein Nachrichtendienst des Bundes tätig geworden und heimlich Telefongespräche des CSU-Vorsitzenden abgehört habe. In den Händen eines Mitarbeiters von „Bild" oder der „Welt" oder auch des „Regensburger Bistumsblattes" wäre daraus sofort eine Sensationsmeldung und Sensationsdarstellung geworden. Dieser Bonner Journalist dagegen reagierte vernünftig, besonnen und verantwortungsbewußt, obwohl, vielleicht aber auch weil er und ein weiterer Kollege in diesem Telefongespräch auf die rüdeste Art beschimpft und verunglimpft wurden,
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in einer Passage übrigens, Herr Kollege Miltner, die beide Gesprächspartner, nämlich Strauß und Scharnagl, später nie bestritten haben. Dieser Journalist tat nun das, was ich auch getan hätte, nämlich er informierte seinen Chefredakteur über diesen ihm in den Schoß gefallenen Wechselbalg, teilte ihm seine Skepsis in bezug auf die vorgespielte wie die tatsächliche Herkunft mit und bat die Zentralredaktion, zunächst von München aus - wie er selbst in Bonn es auch tat - weiter zu recherchieren, was es mit dem seltsamen Papier auf sich haben könnte. Dabei elektrisierte ihn wie seine Kollegen allein der Gedanke, ob tatsächlich ein deutscher Nachrichtendienst - und dann noch im Wege einer streng formalisierten, mehrere öffentliche Instanzen in die Entscheidung und Durchführung einbeziehenden Telefonkontrollmaßnahme - gewagt haben könne, einen prominenten deutschen Politiker abzuhören.
Gerade weil die Erinnerung an die Zeit vor 1969, als z. B. in einem bekannten Münchener Vorort durchaus Dossiers über Politiker der damaligen Opposition angelegt wurden, noch nicht verblaßt war, trat hinter dieser Frage der Inhalt des Telefongesprächs als Schnee von gestern völlig zurück. Anfragen und Nachforschungen von München aus beim BND und beim Bundesamt für Verfassungsschutz und von Bonn aus bei der G-10-Kommission, der die Überwachung legaler amtlicher Eingriffe in das Post- und Fernmeldewesen obliegt, ergaben ganz eindeutig: Fehlanzeige.
Als dann in München mit Strauß der Hauptbetroffene und in Bonn mit Staatssekretär Schüler vom Bundeskanzleramt der politisch möglicherweise am
ehesten Verantwortliche in die Recherchen um die Echtheit dieses dubiosen Dokuments einbezogen wurden, zeigte sich plötzlich, daß die Interessenlagen grundsätzlich verschieden waren. Während die „Süddeutsche Zeitung" mit ihren Journalisten vom Chefredakteur bis zu den Korrespondenten in Bonn ebenso wie der Chef des Bundeskanzleramtes und mit ihm die Chefs der drei Nachrichtendienste des Bundes vor allem aufzuklären versuchten, ob Franz Josef Strauß wirklich heimlich abgehört worden sein könnte, erschütterte diesen nach dem Eindruck aller an den Nachforschungen Beteiligten die Tatsache als solche kaum, wohl aber der in dem Protokoll wiedergegebene Inhalt jenes Telefongesprächs und darin besonders eine Passage, die - ich füge hinzu: nur für Eingeweihte nachträglich verständlich und interpretierbar - Hinweise auf eine bestimmte Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt im Bundestagswahlkampf 1976 enthielt.
Meine Damen und Herren, bevor nun über den Inhalt des Abhörprotokolls etwas an die Öffentlichkeit gedrungen war - die „Süddeutsche Zeitung" dachte nämlich nie daran, dieses Papier zu veröffentlichen, und hat das auch später nicht getan -, erklärten Franz Josef Strauß und seine Umgebung - ich muß sagen: pikanterweise im Anschluß an jenes denkwürdige Treffen in Kreuth - 75 bis 80 % davon für authentisch, jedoch jene Passage, die sie dann auch noch erläutern mußten, für absichtlich und zielgerichtet verfälscht.
Nur an dieser Passage, die natürlich mit Lockheed zu tun hatte, wie sich ja seinerzeit das gesamte Telefongespräch und in seiner Folge der Leitartikel im „Bayernkurier" nur um Lockheed drehten, entzündeten sich die öffentlichen und die weniger öffentlichen Spekulationen, mit denen ohne Rücksicht auf mögliche Schäden in anderen Bereichen ein Brei aus Verdächtigungen und Anwürfen gekocht werden sollte, aus dem dann Franz Josef Strauß nachträglich als der unschuldig verfolgte,
({3})
nur durch widerliche Manipulation des Wählers um seinen Sieg gebrachte strahlende Held hätte auftauchen können.
Wer das heute nicht mehr wahrhaben will, der lese doch einmal die einschlägigen Interviews, Erklärungen und Presseberichte von vor zwei Jahren. Während sich die Bundesregierung bemühte, schnell und unbürokratisch Licht in das Dunkel um das Auftauchen dieses Abhörprotokolls zu bringen, spann die Garde um Strauß an ihrer Verschwörungstheorie weiter.
({4})
Dies trieb immer skurrilere Blüten, meine Damen und Herren, bis hin zu jener ungenannt bleibenden Quelle aus dem Bundesnachrichtendienst, die hinter vorgehaltener Hand wissen ließ, diesmal sei man nicht beteiligt gewesen, und es möge doch einmal beim MAD nachgeforscht werden. Ich muß sagen: eine wahrhaft staatsmännische Haltung des Herrn
Strauß, der solches kolportierte, statt sich zu bemühen, zu einer solchen Aufklärung seine tätige Mithilfe beizusteuern.
({5})
Meine Damen und Herren, nicht nur beim MAD, sondern auch beim BW und beim BND als allen drei der Verantwortung des Bundes unterstehenden Diensten wurde im Auftrag der Bundesregierung nachgeschaut, zuletzt ja sogar durch einen ehemaligen Staatssekretär, der - das war eine gute Entscheidung - nun wirklich nicht unbedingt zu den Sympathisanten der sozialliberalen Koalition gehören dürfte, ohne daß sich auch nur einer dieser angeblich todsicheren Beweise als stichhaltig erwiesen hätte.
Als dann die CDU/CSU ihren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsauschusses einbrachte, war klar, wo Sie und Ihr bayerischer Oberbefehlshaber sich getroffen fühlten. Die Tatsache nämlich, daß jemand Drittes Ihr Telefongespräch heimlich abgehört haben muß, wenn Strauß und Scharnagl beide, wie sie auch als Zeugen vor dem Ausschuß noch einmal erklärten, keine Aufzeichnungen davon angefertigt haben, spielte nur eine marginale Rolle. Im Mittelpunkt des Fragenkatalogs standen noch einmal die amerikanischen Lockheed-Akten und die sich um ihre Überlassung im Wahlkampf 1976 rankenden Erwartungen und Gerüchte, obwohl gerade über ihre Auswertung inzwischen der Bericht einer unabhängigen Arbeitsgruppe vorgelegt worden war.
({6})
Der noch rasch nachgeschobene Antrag in bezug auf gerade bekanntgewordene Lauschaktionen des MAD sollte dem Ganzen anscheinend nur Farbe geben, die einem längst verblühten Thema nun einmal fehlt.
Meine Damen und Herren, wie der Staatssekretärausschuß unter Leitung des Chefs des Bundeskanzleramtes, wie die Arbeitsgruppe von Staatssekretär a. D. Professor Ernst und wie die Staatsanwaltschaft in München, in deren Zuständigkeitsbereich die Lauschaktion geschehen sein muß, haben wir den oder die Täter, die das Telefongespräch heimlich abgehört, davon eine Niederschrift angefertigt, diese auf Formblätter, wie sie der BND verwendet, aufgebracht und das Ganze fotografiert und fotokopiert anonym versandt haben, nicht entlarven können. Etwas anderes vermochte auch der Bericht nicht festzustellen, und etwas anderes vermochte auch der Kollege Althammer nicht festzustellen.
Meine Damen und Herren, ein solches Ergebnis muß einen Kriminalbeamten wie mich schmerzen, zumal wenn die Grenzen zwischen Spekulationen und Tatsachen, wenn die Grenzen zwischen Phantasie und Wissen sich immer mehr verwischten, je tiefer man in jenen Filz aus CSU-Landesleitung, bestimmten bayerischen Behörden und der Gerüchteküche um den BND einzudringen versucht.
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- Das mögen Sie so halten, aber dafür gibt es eine Reihe von Anhaltspunkten, die auch aus den Vernehmungen nachträglich nachzuvollziehen sind.
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Meine Damen und Herren, da ist es auch kein Trost, daß die Kollegen im bayerischen Landtag bereits ähnliche Erfahrungen machen mußten, als es um ein anderes Dossier aus demselben Dunstkreis ging, das damals allerdings dem heutigen bayerischen Landtagspräsidenten galt.
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Da findet man doch immer etwas wieder, was in diesem Bereich symptomatisch ist.
({10})
Es ist doch ein Dunstkreis, von dem ich hier deshalb sicherlich nicht unberechtigt spreche.
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Es ist auch kein Trost, meine Damen und Herren, sondern ein weiterer Nachweis für die Gewissenlosigkeit im Umgang mit unseren Nachrichtendiensten,
({12})
wenn man sich ins Gedächtnis zurückruft, daß schon einmal, Herr Kollege Möller, lauthals an die Adresse deutscher Nachrichtendienste nach der Methode „Haltet den Dieb" gerufen wurde, als - ich meine den Fall Kohl/Biedenkopf - der Text eines vertraulichen Telefonats zwischen zwei Unionspolitikern in die Öffentlichkeit gespielt wurde. Auch damals - das muß ich an dieser Stelle in Erinnerung rufen - wiesen die Spuren letztlich in das Unionslager zurück.
({13})
- Das ist wohl wahr, Herr Kollege Miltner.
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- Sie haben da doch einiges bremsen wollen, Herr Kollege Riedl. Hören Sie doch mal auf! - Was ist das überhaupt für ein Stil, wenn man damals wie heute nie ein Wort der Entschuldigung gehört hat?
({15})
Insbesondere für die CSU scheint gerade der BND nur solange von Nutzen und damit unterstützensPensky
und lobenswert zu sein, wie er diese Partei und ihre politischen Akteure für ihre Zwecke munitioniert.
({16})
Anders läßt sich das Dossier auch nicht interpretieren, das wieder einmal der „Spiegel" dankenswerterweise vor kurzem an die Öffentlichkeit brachte.
Nur als Nebenprodukt unserer Untersuchungen sind die Erkenntnisse und Bewertungen etwa für den fernmeldetechnischen Bereich abgefallen, bei denen es dann auch keine Divergenz zur CDU/CSU gibt. Die umfangreichen Ausführungen der CDU/ CSU zum sogenannten Lockheed-Komplex sind dagegen nicht nur inhaltlich an vielen Stellen tendenziös oder gar falsch, sondern auch schlicht überflüssig,
({17})
weil seit mehr als zwei Jahren der wohltuend nüchterne Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe unter Leitung eines pensionierten Bundesrichters vorliegt, in dem die ganzen Zusammenhänge noch einmal ausführlich und klar dargestellt sind.
Meine Damen und Herren, es ist schon schizophren, meine ich, daß man einen Bericht, dessen positive Wirkung bei seiner Fertigstellung angeblich durch die Veröffentlichung eines gefälschten Telefonprotokolls unterlaufen werden sollte, dadurch relativiert, daß man seinen Inhalt, nachdem er bekannt ist, einfach umschreibt, unliebsame Stellen fortläßt und sich nur das herauspickt, was ins eigene vorgefaßte Weltbild, zu den im vorhinein aufgestellten Theorien und zur eigenen Märtyrerrolle paßt.
Das kommt nun einmal dabei heraus, wenn man die Bundestagswahl von 1976 nach zwei bzw. jetzt vier Jahren im Nachhinein gewinnen will. Ein wenig erinnert das an jene alten Generäle, die ihre verlorenen Schlachten im Sandkasten noch einmal nachspielen und sich dabei nicht scheuen, ein wenig die Wirklichkeit von gestern zu verbiegen.
Deshalb muß bei der CDU/CSU jedes Wort dazu fehlen, daß z. B. die Verhandlungen mit den USA über die Überlassung der dort beschlagnahmten Unterlagen der Firma Lockheed so zäh und schwierig waren, weil sich für kein anderes Land die Verjährungsproblematik stellte. Diese anderen Länder konnten also die von den Amerikanern vorgeschlagenen Verträge sofort akzeptieren.
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Was hätten Beweise genutzt, so frage ich, die in Ermittlungs- und Strafverfahren nicht mehr hätten verwertet werden können?
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Dieses Argument, das sich wie ein roter Faden durch sämtliche Aktenvermerke, Besprechungsniederschriften und Berichte zieht, wird von der CDU/ CSU einfach unterschlagen, weil es wieder nicht in eine Theorie, diesmal die der einen Wahlkampf lang wider besseres Wissen verleumdeten und in den Augen des Wählers herabgesetzten Unschuld, paßt. Von daher ist dieser Teil des Minderheitsberichts auch ein Lehrstück pathologischen Verfolgungswahns.
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Nun bleibt der dritte und letzte Komplex, meine Damen und Herren, der eigentlich eher zufällig hinzukam, weil die aufgedeckten Lauschmitteleinsätze des MAD so schön in das Verschwörungsbild paßten. Das zeigt sich auch an der Lieblosigkeit der Formulierung des Untersuchungsauftrags in diesem Teil. Während bei dem Abhörskandal und erst recht beim Lockheed-Komplex bis ins feinste ziseliert die Vorurteile in Frageform gebracht wurden, reicht hier ein einziger Satz. Dabei hätte gerade dieser Bereich, in dem es um die Möglichkeiten und Grenzen nachrichtendienstlicher Tätigkeit im Inland geht, eine emotionsfreie Erörterung verdient.
Es ist nicht das erste Mal, meine Damen und Herren, daß sich der Deutsche Bundestag damit beschäftigt, ja, damit beschäftigen muß. In unsere Arbeit ist nicht von ungefähr die Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes gefallen. Herr Kollege Riedl und Herr Kollege Althammer, das ist der Punkt, den Sie übersehen haben und übersehen wollten und den Sie unterlaufen wollten.
({21})
Aber statt die parlamentarische Kontrollkommission, die mit diesem Gesetz eingerichtet wurde, gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit mit diesen wichtigen, weil grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen, lief die CDU/CSU auch hier wieder ihren Vorurteilen nach, nur weil ihr irgend jemand geflüstert hatte, diesmal sei nicht der BND, sondern der MAD beteiligt. Hieran knüpfen sich dann auch immer neue Maschen der Verschwörungstheorie, von denen schließlich nur das übrigblieb, was Sie in dürren Worten in unserem Bericht wiedergegeben finden.
Meine Damen und Herren, stellt man jetzt am Schluß, bezogen auf unsere Tätigkeit, noch einmal nüchtern die Frage, die durch die Aussage von Franz Josef Strauß zum Synonym für politische Phantasterei geworden ist, nämlich „cui bono?" - wem hat das genützt? -, so läßt sich festhalten, daß es in der Biographie jenes Mannes, der Skandale und trübe Geschäfte anzuziehen scheint wie das Aas die von ihm selber so gern beschworenen Schmeißfliegen, ein weiteres ungeklärtes Kapitel gibt.
({22})
Dies ist übrigens ebenso ungeklärt, Herr Kollege Möller, wie die Ereignisse um die Person jenes Dieter Huber, dessen Tätigkeit für Franz Josef Strauß
durch jüngste Presseveröffentlichungen wieder in Erinnerung gebracht worden ist.
({23})
Oder war es nicht etwa Strauß - Herr Kollege Möller, wenn Sie sich dazu schon ereifern -, der Herrn Huber aus dem Dienst des Auswärtigen Amts abgeworben, ihn zu seinem Reisemarschall und Sendboten in Sachen rechtsradikaler Auslandskontakte gemacht und dann wie eine heiße Kartoffel fallengelassen hat, als er das Opfer einer bis heute ungeklärten Entführung geworden ist?
Huber bestreitet heute trotz seiner verständlichen Enttäuschung über das Verhalten seines früheren CSU-Arbeitgebers,
({24})
daß er die nicht nur entsprechenden, sondern wirklich sprechenden Unterlagen dem „Spiegel" zur Verfügung gestellt habe. Glaubhaft dementiert worden, meine Herren von der CSU, ist deren Inhalt deshalb bis heute noch nicht.
Wenn unser Ausschuß mit dem Ziel eingesetzt worden ist, nicht nur das Kapitel um jenes wirklich entlarvende Telefonat im September 1976, sondern zugleich damit alle dunklen Flecken der Vergangenheit von Franz Josef Strauß auszuräumen, so stelle ich fest, daß wir unseren Auftrag nicht haben erfüllen können. Daran ändert auch der Buchstabenbrei nichts, den die CDU/CSU in ihrem umfangreichen Minderheitenbericht über die tatsächlichen Ergebnisse unserer Untersuchungen ausgießt.
Wir haben, sozusagen am Rande, jedoch eine Reihe von wichtigen Erkenntnissen gewonnen, die auch zu konkreten Maßnahmen, insbesondere im Post- und Fernmeldebereich führen sollten. Wir werden mit dafür Sorge tragen, daß es dazu kommt. Schließlich dürften die Nachrichtendienste des Bundes in der Diskussion mit dem Ausschuß ein schärferes Gespür für die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen ihres Tätigwerdens erlangt haben.
Dies sind Feststellungen, die ohne jede Polemik getroffen werden können. Daß das nicht auch der CDU/CSU möglich war und ist, läßt sich nur mit Begriffen aus der klinischen Pathologie erklären.
({25})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte liefern wir schließlich auch den Beweis dafür, daß es den 1. Untersuchungsausschuß noch gibt. Schon immer haben in der Vergangenheit Karikaturisten die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen mit langen weißen Bärten ausgestattet zu Papier gebracht.
({0})
Diesmal ist es fast schlimmer; denn in der Öffentlichkeit hat kaum jemand mehr von der Arbeit dieses Ausschusses Notiz genommen, die Öffentlichkeit gar nicht und kaum noch die politischen Insider, die Journalisten und auch nicht die Mitglieder dieses Hauses.
Herr Kollege Dr. Linde hat zutreffend das Mißverhältnis zwischen dem Arbeitsaufwand und den konkreten Ergebnissen dieses Ausschusses geschildert, insbesondere was den Ausgangsfall betrifft. Herr Kollege Dr. Linde hat einen Abriß der Feststellungen gegeben, die wir getroffen haben, und ich habe dem aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.
Ich wende mich vielmehr einigen grundsätzlichen Fragen zu, die parlamentarische Untersuchungsausschüsse im allgemeinen und diesen Ausschuß im besonderen betreffen. Ich will auch einiges zu jenem ursprünglichen Randbereich unserer Untersuchungsarbeit sagen, der heute, aber, wie ich meine, auch morgen, noch von höchster Aktualität ist, wenn die Abhöraffäre Strauß/Scharnagl und auch der gesamte Lookheed-Komplex Geschichte sind.
Untersuchungsausschüsse sind im Ablauf und im Ergebnis meist deswegen so unbefriedigend, weil sie fälschlich als Fortsetzung der parlamentarischen Auseinandersetzung mit anderen Mitteln angesehen werden. Ich erinnere an unsere Debatte vom 15. Dezember 1977, wo wir uns mit der Neuordnung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens beschäftigt haben. Leider haben wir aus dieser Debatte bis heute noch keine gesetzgeberischen Konsequenzen ziehen können.
({1})
Ich habe damals darauf hingewiesen, das parlamentarische Untersuchungsverfahren müsse ganz einfach mehr als die Verlegung der Debatten in einen anderen Sitzungssaal sein, mit denselben Akteuren, denselben Zielen, zusätzlich aber mit dem Recht und dem Anspruch, in einer gerichtsförmigen Beweiserhebung ein inquisitionsähnliches Verfahren durchzuführen, ohne sich aber gleichzeitig dem verpflichtenden Bemühen ausgesetzt zu sehen, Objektivität anzustreben.
Der erste Untersuchungsausschuß war dafür ja ein Musterbeispiel. Denn am Anfang des Ausschusses stand die grobschlächtige, ja rüde Unterstellung durch die Antragsteller. Und was steht jetzt am Ende? Das ist in weiten Bereichen immer noch die beharrende, manchmal vielleicht variierte, manchmal etwas verschleierte, aber dennoch vorhandene Unterstellung der ehemaligen Antragsteller und heutigen Ausschußminderheit.
({2})
Ich stelle die Frage, ob das der Sinn einer zweijährigen mühevollen Prozedur sein kann oder gar sein soll. Ich meine, nein.
Der Verdacht ist ja immer der Anlaß für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Aber die Aufrechterhaltung eines Verdachts sollte niemals das Ergebnis einer solchen Ausschußuntersuchung sein. Wir waren immer der Auffassung, daß nach den Grundsätzen unserer Strafprozeßordnung
durchgängig prozediert werden muß auch bezüglich der Schlußfolgerungen: Verurteilung oder Freispruch. Dazwischen gibt es nichts. Diesen richtigen Grundsatz hat der Ausschuß insgesamt auch seinen Feststellungen zugrunde gelegt.
Die Minderheit hat, was ihr gutes Recht ist, selbstverständlich diesen Grundsatz auch für sich in Anspruch genommen; aber ich meine: nicht durchgängig. Sie hat diesen Grundsatz immer dort in Anspruch genommen, wo er ihr zupaß gekommen ist, und an anderer Stelle nicht.
Ich will nur einige wenige Beispiele geben. So heißt es etwa im Minderheitenvotum:
Damit ist festzustellen, daß über Zuwendungen in Deutschland bei der Auswahl der Beschaffung der Starfighter zwar viele Gerüchte und Spekulationen umlaufen, aber keine Beweise verfügbar sind.
Fazit: Das bedeutet Freispruch. Es ist ganz in Ordnung, daß im Minderheitenvotum dieser Grundsatz von der Opposition in Anspruch genommen wird.
({3})
Ich habe der Einfachheit halber den strafrechtlichen Begriff, Herr Kollege, gebraucht.
Ein weiteres Beispiel. Herr Dr. Strauß hat erklärt, von dem mit Herrn Scharnagl geführten Telefongespräch seien zirka 75 % des Gesprächs tatsächlich so geführt worden, während etwa 25 % gefälscht worden seien. Für das letzte gibt er als Indiz unter anderem an, daß die Vokabel „gelüftet" nicht seiner Diktion entspreche.
Wer wäre nun im Ausschuß etwa auf den Gedanken gekommen, unter Heranziehung von Sprachwissenschaftlern breite Erwägungen etwa in folgendem Sinne anzustellen: Es war ein außergewöhnlicher Vorgang. Hat ein außergewöhnlicher Vorgang bei Herrn Dr. Strauß nicht etwa auch die Anwendung einer außergewöhnlichen, von ihm sonst nicht benutzten Vokabel gerechtfertigt? Oder umgekehrt: Wie konnte der Fälscher so aufsitzen und eine von Strauß niemals gebrauchte Vokabel verwenden, wo doch hinlänglich schriftlich wie mündlich Zeugnisse der Beredsamkeit von Dr. Strauß jedermann zur Verfügung stehen? - Niemand hat solche etwas verworrenen und verwinkelten Gedankengänge im Ausschuß angestellt. Die Sache war ganz klar. Der Zeuge Dr. Strauß hat aus seiner Erinnerung eine klare Bekundung gemacht. Es war überhaupt nicht die Frage, daß der Ausschuß dieser Bekundung lieber glaubt als einer anonymen Wanze.
Aber jetzt kommen wir zum Umgekehrten: Hier muß auffallen, daß die Minderheit diese Grundsätze dort, wo es ihr nicht gepaßt hat, nicht durchgängig angewandt hat, sondern ganz anderen Verfahrensgrundsätzen zu huldigen scheint. So hat nach Angaben von Dr. Strauß ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes einem Bundestagskollegen erklärt, daß er - Strauß - auf dem Holzwege sei, wenn er einen Verdacht gegen den Bundesnachrichtendienst hege. Er solle sich bei anderen Diensten umsehen, insbesondere beim Militärischen Abschirmdienst. Dr. Strauß erklärte weiter, er sei schon früher
gewarnt worden, daß sein Telefon abgehört werde.
({4})
Den Namen des Informanten hat Dr. Strauß nicht genannt und sich insoweit auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
({5})
- Dies ist rechtlich in Ordnung, Herr Kollege Dr. Riedl. Nur: Wenn dies wiederum im Minderheitenvotum auftaucht, so soll damit der Verdacht lebendig erhalten werden, ohne daß man dem Ausschuß die Möglichkeit gibt, diesem Verdacht nachzugehen und zu einem Ergebnis zu kommen.
({6}) Dies - und nur dies - ist zu beanstanden.
Weiter heißt es im Minderheitenvotum aufschlußreich:
Nach Ansicht der CDU/CSU konnte der Verdacht nicht entkräftet werden, daß die Observation gegen eine nicht existente Verdachtsperson konstruiert wurde, um die Beobachtung der CSU-Landesleitung besser tarnen zu können.
Das ist genau wiederum die Perpetuierung des Verdachts, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, und weil die vorgefaßte Meinung ihre Bestätigung finden muß, sei es auch nur im Minderheitenvotum.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir an folgendem Punkt angelangt: Der Untersuchungsausschuß ist vorrangig eine Waffe der politischen Minderheit. Ich halte das für gut so. Das ist das gute Recht der politischen Minderheit.
({7})
- Auf den Punkt komme ich in einem anderen Zusammenhang, der tiefenpsychologische Einblicke ermöglicht, die nicht uninteressant sind. - Es liegt völlig bei der Ausschußminderheit, wie sie die Ermittlungsergebnisse würdigen will. Nur muß man immer sehen: Diesem Recht der Minderheit korrespondiert ja auch das ungeschriebene Recht auf Selbstdarstellung. Jeder kann sich selbst so darstellen, wie er es für das Beste hält. Ja, vielleicht ist es auch das Recht auf Selbstverwirklichung, das es jedermann gestattet, sich so zu blamieren, wie er dies vielleicht - im nachhinein betrachtet - gar nicht so gerne hat.
({8})
Es ist - umgekehrt - das Recht der Öffentlichkeit, daß sie aus diesem nun durch eine Bundestagsdrucksache dokumentierten politischen Verfolgungswahn ihre Schlüsse zieht.
Ich verstehe nicht, Herr Dr. Althammer - aber das ist Ihre Angelegenheit -, warum Sie den Ausgang der Bundestagswahl 1976 hier erneut ins Gespräch gebracht haben. Wie immer dies ja sein mag, Sie werden mir doch einräumen, daß es politisch
kurzsichtig ist, sich heute, zu diesem Zeitpunkt, im Frühsommer 1980, mit der Aufarbeitung der Wahlniederlage 1976 auseinanderzusetzen.
({9})
Vielmehr müssen Sie sich doch für den Fall des Falles schon heute darüber Gedanken machen, was Sie mit dem möglichen Ergebnis vom 5. Oktober 1980 anfangen wollen.
({10})
Ich möchte einiges zu den Forderungen und den Vorschlägen sagen, die - von zwei Ausnahmen abgesehen - der Ausschuß dem Parlament und der Öffentlichkeit einmütig unterbreitet hat. Wir haben Vorschläge gemacht, wie unser Telefonnetz besser gesichert werden kann. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß wir wissen, daß dies bei der heutigen technischen Entwicklung auch bei Verwirklichung dieser Vorschläge Flickwerk bleiben muß. Wir haben uns bemüht, bei unseren Beratungen das Verhältnis zwischen Sicherungsbedürfnis und Kostenaufwand nie aus dem Auge zu verlieren. Ich sage ganz offen, daß ich mit Verve dagegen angetreten bin, daß Telefonapparate, die die Manipulation am Apparat nicht mehr zulassen, auf Kosten aller Postkunden generell eingeführt werden sollen.
Wir sollten nicht aus dem Auge verlieren, daß die Bevölkerung durch viele Vorgänge in diesem Bereich zu Recht weit sensibler geworden ist. Wir sollten aber auch nicht übersehen, daß in der Bevölkerung auch heute die meisten sich nicht bedroht fühlen. Wir haben, so wachsam wir sein müssen, immer auch darauf zu sehen, daß keine allgemeine Verunsicherung Platz greift und keine Abhörhysterie durch unser Land geht, als könnten die üblichen harmlosen Mitteilungen aus dem privaten Lebensbereich der vielen in diesem Land nicht mehr übermittelt werden, ohne daß irgendwo einer sitzt und dies alles auf Band nimmt.
({11})
- Herr Kollege Dr. Voss, das ist keine Frage der Regierung, sondern ein allgemeines Problem.
({12})
Aber es paßt natürlich in Ihr Denkschema, daß Sie nur in Regierung und Opposition zu denken wissen und wohl nicht sehen,
({13}) und des Abg. Dr. Riedl [München] [CDU/CSU])
daß wir Probleme haben, die in allem Ernst allen gemeinsam sein sollten.
({14})
Mir scheint bei den Abhörgeräten die Entwicklung fast bedrohlicher zu sein. Bei der Herstellung, dem Erwerb und dem Besitz solcher Abhörgeräte ist dem Mißbrauch heute Tür und Tor geöffnet, auch von privater Seite her. Ich stimme Herrn Dr. Althammer und anderen Rednern zu, daß die hierzu vorliegenden Entwürfe ganz dringend beraten werden müssen.
Für uns waren weiter die festgestellten Übergriffe im nachrichtendienstlichen Bereich Anlaß, uns sehr deutlich dahin festzulegen, daß die Befugnis zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel niemals eine Ermächtigung zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten sein kann. Es kommt auch nicht von ungefähr, daß wir allen theoretisch denkbaren Erwägungen widersprochen haben, etwa neben dem G 10 weitere Regelungen einzuführen, etwa ein G 13, das den Einbruch in die Unverletzlichkeit der Wohnung sanktionieren würde. Dabei wissen wir: In einem Einzelfall, der schon heute theoretisch denkbar sein mag, ist nicht auszuschließen, daß ein solcher Eingriff erfolgt und dann nach der Bestimmung des § 34 unseres Strafgesetzbuches seine Rechtfertigung erfährt.
({15})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Bitte schön.
Herr Kollege Engelhard, ist Ihnen bekannt, daß in den gemeinsamen Beschlüssen des Ausschusses ausdrücklich festgehalten worden ist, daß dieser Paragraph keinen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in das Grundrecht nach Art. 13 enthält? Wenn Sie es nicht mehr in Erinnerung haben, lesen Sie es bitte nach.
Ich werde Ihrer Bitte gern folgen, Herr Kollege. Nur ist dort von Grundlagen für Eingriffe die Rede, von denen ich hier nicht gesprochen habe.
({0})
Im übrigen wissen Sie genau, daß in diesem Bereich eine Fülle abweichender Meinungen besteht.
({1})
Es kann - und das ist der Kern der Sache - allenfalls eine Rechtfertigung im nachhinein sein. Was wir nicht wollen, ist - das wäre ein gefährlicher Weg - die gesetzliche Absegnung eines solchen Eingriffs im voraus. Wer in Ausübung seines Amtes in diesem Land einen solchen Eingriff vornimmt, muß wissen, daß er hierfür die volle politische Verantwortung mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen hat.
({2})
Warum die Union im Ausschuß die Streichung dieses Passus aus der Vorlage beantragt hat, ist offenEngelhard
geblieben und mir - und wohl auch den anderen Kollegen - nicht klargeworden.
Ein letzter Punkt. Es ist das trübste Kapitel dieses 1. Untersuchungsausschusses, daß mehrfach schwere Indiskretionen vorgekommen sind. Ich meine, es ist notwendig, zu einem öffentlich gewordenen Vorgang auch ein offenes Wort zu sagen.
Wir halten die Existenz und die Arbeit unserer Nachrichtendienste im Interesse der Sicherheit unseres Landes für unverzichtbar. Wir erwarten, daß die Dienste ihre Arbeit im Rahmen der Gesetze und innerhalb des Rahmens der Verfassung erfüllen.
Auch die Dienste unterliegen in ihrem Tun der parlamentarischen Kontrolle. Diese parlamentarische Kontrolle kann im Einzelfall, auf einen bestimmten Sachverhalt wie hier beim 1. Untersuchungsausschuß bezogen, auch Aufgabe eines Untersuchungsausschusses sein. Wenn aber dann, wie hier geschehen, aus zwei als „geheim" bzw. „streng geheim" klassifizierten Sitzungen, und zwar in unmittelbarer Aufeinanderfolge, umgehend umfangreiche Informationen, deren vollen Wahrheitsgehalt ich dahingestellt sein lasse, einer Zeitung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt werden, dann hat das weitreichende und über den Tag hinaus wirkende Folgen.
({3})
- Mit Ihnen setze ich mich auf diesem Niveau nicht weiter auseinander, Herr Kollege.
({4})
Der Informant offenbart im günstigsten Falle eine Art von Geschwätzigkeit, von Wichtigtuerei, von Profilierungssucht, die, wen immer es angeht, einen Charakterfehler offenbart, der ihn als Teilnehmer an einem parlamentarischen Kontrollgremium disqualifiziert.
({5})
Ein solcher Teilnehmer belastet Klima und Arbeit eines solchen Kontrollorgans, weil sich Mißtrauen breitmacht. Wer kann es sich schon zur Ehre anrechnen, einem solchen Organ unter diesen Umständen anzugehören? Wer daraus die Konsequenzen ziehen und den Sitzungen aus Protest fernbleiben will, der begibt sich in die Hand jenes Informanten, der beim nächstenmal vielleicht - gewollt oder ungewollt - dicht hält und damit den Verdacht zwangsläufig auf die an der Sitzung plötzlich nicht teilnehmenden Mitglieder lenkt.
Ich meine, Indiskretionen - das ist ein weiterer ernster Punkt in diesem Zusammenhang - dieser Art scheinen im nachhinein auch zu rechtfertigen, daß nur sehr beschränkte Aussagegenehmigungen erteilt wurden, daß dem Untersuchungsausschuß Akten vorenthalten wurden. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, war das auch ein wesentlicher Punkt der tiefen Sorge des Herrn Kollegen Wehner in diesem Zusammenhang. Es war nicht seine Absicht, hier die Aufklärung zu verhindern, sondern
die Funktionsfähigkeit des Staates in diesem Bereich aufrechtzuerhalten.
({6})
Wer aus welchen Gründen von seiten unserer Fraktion im Ausschuß nicht weiter mitgewirkt hat, Herr Dr. Althammer, sollten Sie unserer Beurteilung überlassen. Ich stelle fest, daß ich zunächst als stellvertretendes Mitglied und dann als ordentliches Mitglied von Anfang an an der Arbeit dieses Ausschusses mitgewirkt habe.
({7})
Die Verunsicherungen, von denen ich gesprochen habe, belasten weiter die Dienste und ihre Mitarbeiter. Es wird gefährlich, wenn die Mutmaßung umgeht, daß man mit der parlamentarischen Kontrolle den Bock zum Gärtner gemacht habe; denn das verletzt die Wirksamkeit und die Autorität dieser parlamentarischen Kontrolle.
({8})
Damit ist gleichzeitig die Bewahrung rechtsstaatlicher Prinzipien in Frage gestellt.
Das so deutlich zu sagen war mir ein politisches und persönliches Bedürfnis. Ich weiß, daß auch andere Mitglieder dieses Ausschusses so denken. Ich glaube, es sollte die Frucht dieses Ausschusses sein, daß wir vertieft gerade über diese Frage weiter nachdenken und daraus Konsequenzen zu ziehen suchen, soweit dies möglich ist.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Riedl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Engelhard, ich gebe Ihnen recht mit Ihrer Kritik an den Indiskretionen, wie sie im ersten Untersuchungsausschuß geschehen sind, wie sie aber auch in anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages leider Gottes immer wieder geschehen. Aber wenn man fast Woche für Woche im „Stern”, im „Spiegel" und in anderen der Regierung nahestehenden Zeitungen Originaldokumente über geheimdienstliche, über geheimzuhaltende und über im Interesses unseres Staates der Geheimhaltung unterliegende Vorgänge veröffentlicht sieht und vor Augen geführt bekommt,
({0})
dann wäre es besser, wenn Sie als Mitglied der Fraktion der FDP Ihrem Parteifreund Herrn Innenminister Baum und Ihrem Koalitionskollegen, dem Herrn Bundeskanzler, und den Verantwortlichen im Kanzleramt einmal die Vorschriften über die Geheimhaltung von Staatsvorgängen vor Augen hielten.
({1})
Dr. Riedl ({2})
Ich möchte eine kurze Vorbemerkung machen. Berichte über parlamentarische Untersuchungsausschüsse werden in der Öffentlichkeit nicht von vornherein immer nur positiv, sondern meist - dies wird auch nach dieser Diskussion heute der Fall sein - sogar skeptisch aufgenommen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Zum einen kann das Ergebnis der Arbeit von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen meist nicht den hochgespannten Erwartungen vor allem derer dienen, die sich die bis in Detail gehende restlose Klärung eines politischen Skandals, eines schwerwiegenden politischen Geschehens erhoffen. Dazu reichen ganz einfach die Mittel und die Methoden, die, Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestags zur Verfügung stehen, leider nicht aus. Ich habe in den mehr als zwei Jahren meiner Mitarbeit im 1. Untersuchungsausschuß manchmal sehr neidvoll an die Möglichkeiten des amerikanischen Kongresses gedacht, die mit den Möglichkeiten dieses Hauses fast nicht zu vergleichen sind. Zum anderen wird allzu häufig erkennbar, daß Untersuchungsausschüsse in der Regel auch - und dies beweist die heutige Debatte - Mittel der politischen Auseinandersetzung sind - dies ist in einer lebendigen Demokratie auch gut so
- und daß Untersuchungsausschüsse nicht nur der reinen Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung dienen, sondern eben auch der politischen Auseinandersetzung.
Auf keinen Falll sollten wir aber wegen dieser Mängel auf die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen ganz generell verzichten. Wir sollten uns nur überlegen, ob wir die Untersuchungsausschüsse in ihren Möglichkeiten stärken. Sie sind, so meinen wir von der CDU/CSU, ein wichtiger Bestandteil der Kontrollbefugnis dieses Parlaments. Sie sind oft die einzige Möglichkeit, vor allem für eine Minderheit - deshalb kommt ja auch in diesem Bericht so oft das von Ihnen heute vielfach angesprochene und auch kritisierte Votum der Minderheit zum Ausdruck -, das ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, was eine Mehrheit verständlicherweise gern verschleiern und ganz oder teilweise unterdrücken möchte. Solche Versuche - die Beiträge von Herrn Pensky und Herrn Linde haben uns das kundgetan; es hat gar keinen Sinn, dies abzustreiten - hat es in dem vorliegenden Abhörfall Strauß/Scharnagl in großer Zahl gegeben.
Der Kollege Pensky hat hier vom Dunstkreis gesprochen. Dabei stand er selber mitten im Dunstkreis drin. Herr Kollege Pensky, ich habe Sie heute gar nicht mehr am Rednerpult erkannt, weil Sie so verschwommen geredet haben.
({3})
- Die Sache Huber, Herr Pensky, würde ich an Ihrer Stelle nicht bringen; denn da haben Sie sich im 1. Untersuchungsausschuß unglaublich blamiert. Sie waren nämlich der einzige, der das Märchen erzählt hat, Herr Huber habe dieses Tonbandschnitzel mit dem zweiten abgehörten Telefongespräch in Frankfurt in den Briefkasten geworfen.
({4})
Ich habe zu Ihnen gesagt: Herr Pensky, stellen Sie doch einen Beweisantrag, und holen wir Herrn Huber. Das haben Sie nicht gemacht. Das ist doch ein Grimmsches Märchen gewesen, das Sie erfunden haben. Sie und niemand anders sind hier der Märchenerzähler und der Erzeuger von Dunst.
({5})
Ich komme zu den Ergebnissen dieses 1. Untersuchungsausschusses. Sie sind, was die Übereinstimmung anbetrifft - Herr Kollege Dr. Linde, da gebe ich Ihnen recht -, mager; was aber die elementaren Unterschiede in den Auffassungen der CDU/CSU auf der einen Seite und SPD und FDP auf der anderen Seite anbetrifft, sind diese unwahrscheinlich groß und gravierend.
({6})
- Herr Dr. Linde, wir sind im Prinzip von den Ergebnissen her weiter auseinander, als es in diesem Bericht zum Ausdruck kommt.
({7})
Ich möchte dies auch in der Zusammenfassung meiner Ausführungen hier noch einmal verdeutlichen.
Um das Ergebnis in vier Punkten zusammenzufassen, steht für uns folgendes fest:
Erstens. Telefongespräche von Franz Josef Strauß
- und nicht nur das eine genannte vom 14. Januar 1978 mit Herrn Scharnagl - sind nach dem übereinstimmenden Ergebnis unserer Untersuchungen über einen längeren Zeitraum illegal abgehört worden.
({8})
Der oder die Täter wurden bisher nicht ermittelt.
Zweitens. Der Verdacht, daß deutsche Nachrichtendienste an der illegalen Abhöraktion gegen Franz Josef Strauß beteiligt waren, ist nicht ausgeräumt.
Drittens. Mitglieder der Bundesregierung förderten gezielt die Diffamierungskampagne gegen Franz Josef Strauß im Zusammenhang mit Lockheed - und dies, obwohl sie wußten, daß er mit der Lockheed-Affäre nichts zu tun hatte.
({9})
Viertens. In der Bundesrepublik Deutschland wurde - und ich bin eigentlich sehr verwundert, wie Politiker von SPD und FDP, die 1969 ausgezogen sind mit dem Wahlslogan „Mehr Demokratie in diesem Land", „Jetzt fangen wir erst richtig an mit der Demokratie", die illegalen Lauschangriffe des Militärischen Abschirmdienstes, der unter der SPD/ FDP-Bundesregierung verantwortlich arbeitet, gegen Bürger der Bundesrepublik Deutschland in derartiger Weise bagatellisieren in den letzten Jahren von amtlichen Stellen - vom MAD in mindestens in elf Fällen - illegal abgehört. Dadurch wurden die Grundrechte von Bürgern beeinträchtigt.
Diese Feststellungen werden - ich sagte es eben schon - von der Koalition weitgehend verschwiegen oder verharmlost. Daß ein Freier Demokrat wie Sie, Herr Engelhard, sie so verharmlost, ist nicht
Dr. Riedl ({10})
richtig. Das ist ein Verstoß gegen die Prinzipien Ihrer eigenen Weltanschauung.
({11})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in zwei Punkten, zu denen die Auffassungen kontrovers geblieben sind - Herr Linde hat sie als Berichterstatter selbst kontrovers gebliebene Bereiche genannt -, zusammenfassen, was nach Auffassung der CDU/CSU nach den Ergebnissen des 1. Untersuchungsausschusses zu sagen ist.
Erstens zu dem Bereich der illegalen Abhöraktion, die wir als in der Verantwortung der Nachrichtendienste liegend sehen: Bei dieser illegalen Abhöraktion handelt es sich nach Auffassung der CDU/CSU um ein von langer Hand vorbereitetes Unternehmen, dessen Urheber nicht nur über technisches Spezialkönnen, sondern über erhebliches Wissen aus dem Bereich der Nachrichtendienste verfügten.
Zweitens. Das veröffentlichte Abhörprotokoll ließ von Anfang an auf einen Nachrichtendienst als Urheber dieser Aktion schließen.
Drittens. Die Hersteller des Abhörprotokolls haben nachweislich Originalvorgänge des Bundesnachrichtendienstes sowie die Arbeitsweise dieses Dienstes gekannt. Dafür. spricht insbesondere, daß das Abhörprotokoll eine auf der Grundlage eines Originalformulars oder durch Ablichtung und Fotomontage auf der Grundlage eines vom Bundesnachrichtendienst benutzten Formulars erstellte Fälschung ist.
Viertens. Nur Insider in den Nachrichtendiensten - und nicht Klosterschwestern, Herr Kollege Pensky - mit besonderen Zugangsmöglichkeiten in den Nachrichtendiensten können in den Besitz dieser Formulare gelangen.
Fünftens. Die Bundesregierung hatte zunächst wahrheitswidrig - das hätten Sie heute auch einmal zugeben können, aber von der Regierung sind ja diejenigen, die dies zu verantworten haben, heute vormittag nicht hier - behauptet, das von den Tätern benutzte Formular sei beim Bundesnachrichtendienst nicht mehr im Gebrauch. Genau das Gegenteil war der Fall: Das haben wir im 1. Untersuchungsausschuß festgestellt.
Sechstens. Die CDU/CSU ist auf Grund der zahlreichen Verdachtshinweise auf einen Nachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor der Auffassung, daß eine Beteiligung von Mitarbeitern der Nachrichtendienste an dieser illegalen Abhöraktion wahrscheinlich ist.
Siebtens. Diese Vermutung wird durch einen vertraulichen Hinweis - der Kollege Engelhard hat ihn schon angesprochen - aus dem Bundesnachrichtendienst bestärkt, nach dem der Militärische Abschirmdienst an dieser Aktion beteiligt gewesen sei.
({12})
Achtens. Dieser Hinweis gewann weiter an Gewicht, als Anfang 1978 bekannt wurde, daß der Militärische Abschirmdienst rechtswidrige Lauschoperationen durchgeführt hatte, auf die mein Kollege Dr. Miltner im einzelnen noch eingehen wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun Tatsachen zu dem zweiten Bereich nennen, der kontrovers geblieben ist und der eine Mitwirkung des Bundeskanzlers und von Verantwortlichen der SPD/ FDP-Koalition an der Diffamierungskampagne gegen Franz Josef Strauß belegt.
Erstens. Bereits im Bundestagswahlkampf 1976 - das tut Ihnen natürlich weh, das verstehe ich; aber in einer Demokratie wie der unseren muß man auch den Mut aufbringen, sich solche Dinge, auch wenn sie zwei oder drei Jahre zurückliegen, einmal sagen zu lassen - hatte die Bundesregierung wider besseres Wissen Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit der Firma Lockheed durch gezielte Desinformationspolitik und mit gekonnter Diffamierungsmethodik gegen Franz Josef Strauß geschürt. Es gibt ganze Leitzordner voll mit Originaldokumenten der Bundesregierung, die diese Pressekampagne unterstrichen haben.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung die ihr von der amerikanischen Regierung bereits im Herbst 1975 angebotene Möglichkeit, die entsprechenden Unterlagen selbst zu prüfen, sabotiert, indem sie die Verhandlungen mit der US-Regierung über die Überlassung der Akten bis kurz vor dem Bundestagswahltermin hinausgezögert hat. Das war das Ergebnis der Ermittlungen im 1. Untersuchungsausschuß.
({13})
Zweitens. Auf Anweisung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt wurde der Lockheed-Vertrag mit den USA so lange wie möglich verzögert. Die Verleumdung von Franz Josef Strauß sollte und mußte über den Wahltag 1976 hinaus bestehen bleiben. Sonst hätte sie ja für Sie politisch überhaupt keinen Wert gehabt.
({14})
Bundeskanzler Helmut Schmidt wußte, daß Franz Josef Strauß nichts, aber auch gar nichts mit der Lockheed-Affäre zu tun hatte. Er ließ es trotzdem zu, daß die Bundesrepublik Deutschland, Franz Josef Strauß und die CSU ins Zwielicht gerieten und im Zwielicht blieben. Er hat dies eines billigen Wahlvorteils wegen in Kauf genommen.
({15})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Kollege Dr. Riedl, würden Sie das Fernbleiben der Regierung bei dieser wichtigen Debatte als ein Mißverhalten gegenüber dem Parlament oder als Ausdruck des schlechten Gewissens beurteilen?
Herr Kollege, wenn heute nur die Hälfte derer da wäre, die an der Diffamierungskampagne gegen Strauß beteiligt gewesen sind, müßten wir die Regierungsbank wegen Überfüllung schließen.
({0})
Drittens. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs zwischen Franz Josef Strauß und Wilfried Scharnagl vom „Bayernkurier" ist in einer entscheidenden Passage gefälscht worden, offenbar um Franz Josef Strauß erneut dem Vorwurf auszusetzen, er habe belastende Papiere im Zusammenhang mit Bestechungsvorwürfen gegen die Firma Lockheed vernichtet.
Viertens. Zwischen der Veröffentlichung des Abhörprotokolls und der Diffamierungskampagne von SPD und FDP gegen Franz Josef Strauß im Bundestagswahlkampf 1976 besteht ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang.
Fünftens. Exakt an dem Tag nämlich, an dem das Abhörprotokoll versandt wurde - es war der 22. Dezember 1977 -, hatte die interministerielle Arbeitsgruppe ,,Lockheed-Dokumente" der Bundesregierung nach l 1/2jähriger Prüfungsdauer ihren umfangreichen Abschlußbericht übergeben. In diesem Abschlußbericht wird festgestellt, daß sich nach Prüfung aller Unterlagen keinerlei Beweise dafür ergeben hätten, daß die Firma Lockheed direkt oder indirekt an Personen oder Parteien in der Bundesrepublik Deutschland Schmiergelder gezahlt habe. Damit waren Franz Josef Strauß und die CSU voll rehabilitiert. In Deutschland hatte mit der Bestechungsaffäre niemand etwas zu tun.
({1})
Diese Tatsache sollte aber - und das, meine Damen und Herren, ist das Schäbige ({2})
durch die Veröffentlichung dieses Abhörprotokolls erneut verschleiert werden.
({3})
Sechstens. Mit der bewußten Verfälschung des Gesprächsinhalts sollte die Lockheed-Diffamierungskampagne von SPD und FDP aus dem Bundestagswahlkampf 1976 wiederaufgenommen werden.
Siebentens. Die Motive derer, die Franz Josef Strauß abgehört und das verfälschte Abhörprotokoll an die Öffentlichkeit gebracht haben, sind deshalb nach Auffassung der CDU/CSU eindeutig parteipolitischer Natur, und das ist unsere Antwort auf Ihre Frage „cui bono?".
Meine Damen und Herren, es ist beschämend, daß in unserer noch jungen Republik bekanntermaßen bereits mindestens zwei Fälle von massiver illegaler Beeinflussung von Wahlen auf Bundesebene vorgekommen sind.
Da sind einmal die Vorgänge anläßlich des gescheiterten konstruktiven Mißtrauensvotums 1972, über die in diesem Hohen Hause heute offensichtlich der SPD-Fraktionsvorsitzende, Herr Wehner, als einziger genau Bescheid weiß. Er nämlich sagte am 5. Januar 1980 im dritten Fernsehprogramm des Norddeutschen Rundfunks: „Ich kenne zwei Leute, die das wirklich bewerkstelligt haben. Der eine bin ich, der andere ist nicht mehr im Parlament."
Meine Damen und Herren, da sind zum zweiten die Lockheed-Verleumdungen gegen Franz Josef Strauß und die CSU vor der Bundestagswahl 1976,
({4})
mit denen in gleich schmutziger Weise massiv auf das Wahlergebnis Einfluß genommen werden sollte.
Im ersten Falle war es Bestechung, im zweiten Falle war es Verleumdung - beides strafbare Handlungen, deren sich die Verantwortlichen schuldig gemacht haben.
({5})
Beides ist das Werk der Abteilung - ich will sie einmal so nennen - „schmutzige Dienste" der politischen Gegner von Franz Josef Strauß und der CSU, die vor nichts, vor gar nichts zurückschrecken, um schmutzigen politischen Lorbeer zu ernten.
Ich würde Sie, Herr Wehner, nicht hören mögen, wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn unter einer CDU/CSU-Bundesregierung Ihrem Parteivorsitzenden diese uns von Ihnen gemachten Lockheed-Vorwürfe gemacht worden wären und wenn die Bundestagswahl 1976 dann so knapp ausgegangen wäre, wie sie ausgegangen ist, weil nämlich knapp 300 000 Stimmen, für das andere politische Lager abgegeben, eine völlig andere Mehrheit in diesem Deutschen Bundestag erbracht hätten. Sie, Herr Wehner, hätten zu Recht bis heute die Legitimation dieser Bundesregierung wegen einer Mehrheit angezweifelt, die auf Manipulation und massiven Täuschungsmanövern beruht.
Meine Damen und Herren, diese Fakten müssen den Deutschen Bundestag bestürzen. Wir sollten rasch und gemeinsam alles daransetzen, Maßnahmen zu ergreifen, die künftig Willkür verhindern, Menschen in diesem Land vor Grundgesetzverletzungen dieser Art schützen können und geeignet sind, zerstörtes Vertrauen wiederherzustellen. Die CDU/CSU hat nach sorgfältiger Beratung eine Reihe von Vorschlägen gemacht, von denen die folgenden die wichtigsten sind.
Erstens. Die Bundesregierung soll beauftragt werden, ein Gesetz für den MAD vorzulegen. Meine Damen und Herren, die wehrhafte Demokratie braucht die Nachrichtendienste, die Nachrichtendienste aber brauchen das Vertrauen des Bürgers. Sie können es nur dann erhalten, wenn der Bürger über die Aufgaben der Dienste informiert ist und sich vor Willkür geschützt weiß. Eine klare Abgrenzung der Dienste gegeneinander ist erforderlich.
Zweitens. Die Deutsche Bundespost wird beauftragt, ihr Telefonnetz - ich freue mich, daß Herr Staatssekretär Elias da ist, der uns im Untersuchungsausschuß sehr geholfen hat und dem ich an dieser Stelle den Dank der CDU/CSU an das Postministerium übermitteln möchte - sicherer auszuDr. Riedl ({6})
bauen und die Entwicklung abhörsicherer Telefone zügig voranzutreiben.
Drittens. Allgemein muß es eine vordringliche Aufgabe der technischen Forschung sein, den Schutz des Bürgers gegen das unberechtigte Einbrechen in seine Privatsphäre zu verstärken. Wir müssen den Kampf gegen den Unfug mit den Minispionen aufnehmen. Es ist aber nicht so, Herr Kollege Engelhard, wie Sie sagen, daß wir hier im Parlament eine Hysterie hinsichtlich der Minispione oder des Abhörens erzeugen, sondern daß draußen in der Gesellschaft Vorgänge stattfinden, die wir vom Gesetz her regeln müssen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir natürlich durch ein noch so eindeutiges und detailliertes Gesetz im Deutschen Bundestag beim besten Willen nicht regeln können, ist, daß wir uns künftig mehr um die Regeln des politischen Anstandes bemühen
({7})
und daß Diffamierungskampagnen, wie sie von Ihnen gegen Herrn Strauß und die CSU ausgegangen sind, von Ihnen künftig unterbleiben.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuß hat in Sachen Lockheed-Komplex drei wesentliche Ergebnisse gebracht, die der Berichterstatter, Herr Dr. Linde, leider heute ein wenig vernachlässigt hat. Ich will das deswegen hier nachholen.
({0})
Erstens. Der Verdacht, die ständig genährte Verdächtigung der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit deutscher Beamter, deutscher Dienststellen, deutscher Parteien und insbesondere die persönlichen Anschuldigungen gegen Franz Josef Strauß sind völlig in sich zusammengebrochen.
({1})
Alle diese Behauptungen, diese Verdächtigungen, auch das Aufrechterhalten von Zweifeln haben sich als unwahr, als Fälschungen, als reine Erfindungen und - ich muß es so sagen - als bösartige Verunglimpfung erwiesen.
({2})
Damit sollte insbesondere der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Strauß in seiner Ehre getroffen und abqualifiziert, er sollte, kurz gesagt, diffamiert werden. Jetzt ist festgestellt - das ist in den Ausschußprotokollen und im Ausschußbericht so festgehalten -: Es hat sich auch nicht der geringste Nachweis, nicht einmal der Verdacht ergeben, daß Schmiergeldzahlungen an Empfänger aus der Bundesrepublik Deutschland geflossen sind. Das gilt insbesondere für Franz Josef Strauß.
({3})
Wenn es das Rechtsinstitut noch gäbe, wäre Franz Josef Strauß wegen erwiesener Unschuld von jedem deutschen Gericht freigesprochen worden.
({4})
Franz Josef Stauß ist voll rehabilitiert. Es ist jetzt an der Zeit, daß auch der Bundeskanzler vor aller Öffentlichkeit eine solche Feststellung trifft.
({5})
Zweitens. Das zweite Ergebnis dieser sorgfältigen Erhebungen des Ausschusses ist: Die Ankläger, die Verdächtiger, die Verunglimpfer sind jetzt Angeklagte geworden. Diejenigen, die über Jahre den in jeder Weise unrichtigen Verdacht der Bestechlichkeit aufgebracht, aufrechterhalten, genährt haben, oder diejenigen, die trotz besseren Wissens nichts gegen die Flut von Anschuldigungen und Verdächtigungen unternommen haben, müssen sich heute entgegenhalten lassen, üble Nachrede und Verleumdung begangen zu haben.
({6})
Drittens. Bundeskanzler Helmut Schmidt hat seine verfassungsmäßige Pflicht gegenüber einem langjährigen Regierungsmitglied in hohem Maße dadurch verletzt, daß er gegen die Diffamierungskampagne gegen Franz Josef Strauß nichts getan, vielmehr über Monate bis über den Wahltermin 1976 hinaus aufrechthalten und genährt hat.
({7})
Gerade der Bundeskanzler wußte - und ich sage das - zumindest seit Frühjahr 1976, wie aus Aktenvermerken des Bundeskanzleramtes bewiesen ist, daß der einzige „Zeuge" in jeder Weise unglaubwürdig war und deshalb alle Gerüchte in sich zusammengebrochen waren.
({8})
Gleichwohl hat er trotz gegenteiliger Vorschläge und Empfehlungen des Justizministeriums die Untersuchungen durch fadenscheinige Argumente in die Länge ziehen lassen, damit der Verdacht ja nicht vor der Wahl offiziell ausgeräumt werden konnte.
({9})
Hierin liegt das eigentlich Verwerfliche dieses beängstigenden Vorgangs. Was soll man von einem Regierungschef halten, der um der Wahl willen einen Bürger in dem Verdacht strafrechtlicher, krimineller Vergehen stehen läßt,
({10})
obwohl er die Haltlosigkeit dieser Vorwürfe genau kennt. Ein solcher Mann ist für mich verantwortungslos.
({11})
- Wir sprechen jetzt vom Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses und über diesen Bundeskanzler, Herr Kollege Dr. Schäfer.
Lassen Sie mich diese Feststellung minuziös begründen.
Erstens. Schon 1961 tauchten Gerüchte auf, daß bei der Auftragsvergabe zur Anschaffung der F-104
- allgemein als Starfighter bekannt - Bestechungsgelder geflossen seien. Diese Gerüchte gin-gen bis 1966 weiter: Die F-104 sei deshalb ausgewählt worden, weil die Firma Lockheed angeblich die höchsten Schmiergelder an Beamte, Soldaten und an politische Parteien gezahlt habe. Alle diese Gerüchte erwiesen sich schon damals - nach sehr intensiven und sorgfältigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und einer eigens zu der Aufdekkung eingesetzten Ermittlungsstelle im Verteidigungsministerium - als absolut unhaltbar und als reine Spekulation. Schon damals war eindeutig nachgewiesen, daß in keinem Fall von der Firma Lockheed irgendwelche Bestechungsgelder an Deutsche geflossen waren.
Gerade Verteidigungsminister Strauß hatte bereits 1961 Weisung gegeben, die Vorwürfe zügig und vorbehaltlos aufzuklären. Er, Franz Josef Strauß, konnte darauf hinweisen, daß er sich zusammen mit Bundeskanzler Adenauer im Interesse der deutschfranzösischen Zusammenarbeit für die Mirage und nicht für den Starfighter ausgesprochen habe. Die F104 sei erst auf Grund einer Forderung der NATO und seiner militärischen Fachleute für deutsche Zwecke als geeigneter angesehen worden. Allein dieser Sachverhalt widerlegt die damaligen Gerüchte und Vermutungen aufs deutlichste.
Deshalb und nach vielen gewissenhaften Untersuchungen stellte das dafür eingesetzte Referat ES mit Vermerk vom 18. November 1966 das Verfahren förmlich und endgültig ein. Auch die Staatsanwaltschaft kam wiederholt zum gleichen Ergebnis, daß nämlich überhaupt kein Nachweis für Bestechungen erbracht werden könne.
Meine Damen und Herren, anstatt dieses für Deutschland, für die deutschen Beamten, Soldaten, Politiker und für das Ansehen dieser Menschen erfreuliche und positive Ergebnis zu akzeptieren und mit Freude zu begrüßen, wurde in der Folgezeit der Vorgang immer wieder aufgeweckt oder gezielten weiteren Gerüchten bereitwilligst nachgegangen.
({12})
So ließ sich im November 1971 - die Wahlen standen ja auch schon wieder vor der Tür - der Staatssekretär von Verteidigungsminister Schmidt, Birckholtz, ohne konkreten Anlaß über den angeblichen Korruptionsverdacht berichten. Als 1975 aus den USA berichtet wurde, daß die Firma Lockheed in
den Jahren 1970 bis 1975 etwa 25 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern ins Ausland gezahlt habe, nahm man natürlich auch diese Hinweise sofort wieder gerne auf. Dabei ignorierten Sie wohlweislich, Herr Kollege Pensky, daß Franz Josef Strauß ja schon lange nicht mehr
({13})
für die Anschaffung des Starfighters verantwortlich war, weil der Zeitraum von 1970 bis 1975 in die Verantwortlichkeit von Helmut Schmidt fällt, als dieser, nämlich bis 1972, dieses Amt inne hatte.
({14})
Meine Damen und Herren, der für die erneuten Verdächtigungen benannte „Zeuge" Hauser war schon damals in den vergangenen langwährenden Ermittlungen als unbedingt unglaubwürdig erkannt und der Verleumdung überführt worden. Irgendwelche Beweise konnten erneut nicht beigebracht werden.
Deshalb empfahl der zuständige Beamte des Verteidigungsministeriums - hören Sie zu, Herr Pensky -, der diesen Komplex schon bei der Staatsanwaltschaft Koblenz und dann über Jahre im Verteidigungsministerium geprüft hatte, diesen Gerüchten nicht weiter nachzugehen. Gleichwohl wies Staatssekretär Fingerhut den Beamten an, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.
({15})
Dieser Beamte mußte dann zweimal in die USA reisen, nahm an den dortigen Anhörungen im Senat teil, wirkte sogar bei der Formulierung und Ausarbeitung der Deutschland betreffenden Fragen mit
({16})
und kam - wie konnte es anders sein - mit Fehlanzeige zurück.
({17})
Am 10. März1976 unterrichtete er dann schriftlich die Leitung des Verteidigungsministeriums
({18})
und den ersten Mitarbeiter von Bundeskanzler Schmidt, nämlich Herrn Staatssekretär Schüler, darüber - ich zitiere ihn -, daß keinerlei Beweise für Beanstandungen oder Bestechungen Deutscher gefunden worden seien; kein einziger Zeuge habe Zahlungen im F-104-Geschäft an Deutsche bestätigt; die vorgelegten Unterlagen hätten sich als eindeutig gefälscht herausgestellt. - Soweit der Bericht dieses Beamten.
Es ist also, meine sehr verehrten Damen und Herren, erwiesen, daß Bundeskanzler Schmidt spätestens ab März 1976 die absolute Haltlosigkeit der
Vorwürfe und Verdächtigungen gekannt hat. Durch verschiedene Vermerke des Bundeskanzleramts wurde diese Kenntnis der Wahrheit noch bekräftigt.
Zweitens. Wenn man diese Tatsachen wertet, ist das weitere Verfahren der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien um so verwerflicher. Sie haben alles getan, um den Verdacht der Bestechung von Deutschen aufrechtzuerhalten, in die Länge zu ziehen und über den Wahltermin Oktober 1976 zu retten. Das will ich in drei Punkten beweisen.
Erstens. Die Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler Schmidt, hat die Beiziehung von Akten amerikanischer Stellen durch formaljuristische Tricks, durch juristische Spitzfindigkeiten und verlogene Argumente verzögert.
({19})
Während andere Staaten, z. B. Japan, die Niederlande und Belgien, spätestens am 20. Mai 1976 in den Besitz der gewünschten amerikanischen Unterlagen kommen konnten, wurde der Abschluß des deutsch-amerikanischen Abkommens bis zum 24. September, also bis kurz vor dem Wahltermin, verhindert und hinausgezögert. Bundeskanzler Schmidt hatte durch diese Praktiken das Ziel erreicht, daß die Bestechungsvorwürfe gegen Franz Josef Strauß und die CSU den ganzen Wahlkampf hindurch bewegendes Thema blieben.
Zweitens. Gegen diese amtliche Verzögerung der Aufklärung erscheint das Märchen von den verschwundenen Akten wie ein ganz billiges Schmierentheater.
({20})
Irgend jemand im Verteidigungsministerium war wieder eingefallen, daß vor vielen Jahren einige Akten nicht auffindbar gewesen waren. Da lag es natürlich nahe, von „verschwundenen Akten" zu sprechen und dies wiederum Franz Josef Strauß in die Schuhe zu schieben. Theatralisch wie ein Schmierenkomödiant rief Willy Brandt auf einer Wahlkundgebung: „Franz, Franz, wo sind die Akten?"
({21})
Andere fielen in diesen Ruf mit ein. Natürlich durfte auch hier Herr Möllemann nicht fehlen, der auch hier wieder einmal schneller reden als denken konnte.
Meine Damen und Herren, das Untersuchungsergebnis hat nun erwiesen, daß keine Akten verschwunden waren
({22})
und daß stets Lockheed-Akten vorhanden gewesen sind. - Herr Schäfer, lesen Sie den Bericht, und lesen Sie die Zeugenaussagen! Gleichwohl hat der damalige Verteidigungsminister Leber entgegen der Warnung des zuständigen Referenten das Märchen
von den verschwundenen Akten bewußt in eine Mitteilung für die Presse aufnehmen lassen. Dadurch sollte das angebliche Verschwinden der Akten als ein Verdachtshinweis auf Unregelmäßigkeiten gewertet werden. Wohlgemerkt, das war wiederum vierzehn Tage vor den Wahlen. Sein zuständiger Referent riet-damals dringend davon ab, weil der „Mißverständnisse" - so Zitat - zu Lasten von Franz Josef Strauß befürchtete.
Es ist deshalb besonders schlimm, daß trotz dieser objektiven Hinweise des Beamten die Presseerklärung verteilt wurde, obwohl er mit den Worten gewarnt hatte - ich darf ihn zitieren -, daß es „die amtliche Pflicht zur Wahrheit und Sachlichkeit" gebiete, „solchen Spekulationen, woher sie auch immer kommen mögen, entgegenzutreten". Trotz dieser Warnung wurde diese amtliche Pressemitteilung 14 Tage vor den Wahlen herausgegeben.
({23})
Ein weiteres Märchen wurde aufgetischt: Die Durchsicht der amerikanischen Unterlagen werde Monate in Anspruch nehmen, weil 30 000 Blatt zu sichten seien. In Wirklichkeit, so stellte sich später heraus, waren es nur knapp 5 000 Blätter.
({24})
Lassen Sie mich das Ergebnis zusammenfassen. Die Bundesregierung und ihre Helfershelfer in den Ressorts und in den ihr nahestehenden Presseorganen haben nach der Devise gehandelt: Beharrlichkeit im Verschweigen und Verschleiern kann die Realität aufheben und neue Realität schaffen. Durch das Ergebnis des Untersuchungsausschusses ist diese Absicht und diese Methode nun als perfider Versuch entlarvt, einen der Regierung unbequemen Bürger kaputtzumachen. Die Behandlung der Bestechungsvorwürfe durch die Bundesregierung ist ein trauriges Musterbeispiel für Verleumdung, für den Verfall der politischen Sitten und den Rufmord an einem Politiker.
Mitglieder der Bundesregierung, voran der Bundeskanzler, haben ihre Amtspflichten einem ehemaligen Mitglied der Bundesregierung gegenüber zu Gerechtigkeit, Wahrheit und Fürsorge fortlaufend verletzt. Sie haben diesem dadurch Schaden zugefügt und zugleich eine Minderung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in Kauf genommen. Bundeskanzler Schmidt trägt für diese skandalöse Kampagne gegen die Integrität eines Oppositionspolitikers nicht nur die Verantwortung als Regierungschef, sondern vor allem auch persönliche Schuld, weil er trotz umfassender Kenntnisse über die Vorgänge die amtliche Aufklärung der Vorwürfe verhindert hat.
Die Verleumdung ist eine Gewalt, die dem Opfer keinerlei Möglichkeiten zu wirksamer Gegenwehr läßt. Sie verletzt deshalb die persönlichen und die politischen Rechte und die Würde eines Bürgers in
ganz besonderem Maße. Die Lockheed-Affäre wird so zu einer Affäre dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien. Erleben wir doch hier die berechnete, minuziös durchgeführte Demontage und die Verhöhnung moralischer Prinzipien in der Politik. Die Gerechtigkeit und die Wahrheit gegenüber Franz Josef Strauß
({25})
ist hier auf der Strecke geblieben.
Jetzt, genau vier Jahre später, ist es endlich an der Zeit, daß der Bundeskanzler, der geschworen hat, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben, dies anerkennt, den angerichteten Schaden wiedergutmacht und sich, wenn er einen Funken von Anstand besitzt, bei Franz Josef Strauß entschuldigt.
({26})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miltner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 1. Untersuchungsausschuß hatte in einem dritten Sachkomplex die Aufgabe zu prüfen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen von amtlichen Stellen Abhörmaßnahmen durchgeführt werden. Die Untersuchung konzentrierte sich in erster Linie auf den MAD, weil Lauschoperationen aus dem Bereich des Bundesverteidigungsministeriums in der Presse veröffentlicht wurden.
Der Ausschuß konnte diesen Auftrag nur in beschränktem Maße erfüllen - ich sage das sine ira et studio -, weil der Bundesverteidigungsminister die Aussagegenehmigung für Brigadegeneral a. D. Scherer und alle Mitarbeiter des MAD dahin beschränkt hat, daß Informationen, die dem MAD unter Zusicherung der Vertraulichkeit gegeben worden waren, dem Ausschuß vorenthalten wurden und daß außerdem Angelegenheiten, die die Zusammenarbeit mit befreundeten ausländischen Nachrichtendiensten berührten, ebenfalls nicht von der Aussagegenehmigung erfaßt waren. Bei dieser Aussagebeschränkung mußte das Ergebnis des Untersuchungsausschusses in diesem Punkt unvollständig und unzulänglich sein.
Zur Informationspolitik der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex ist folgendes zu sagen. Der damalige Bundesverteidigungsminister Leber hat am 16. März 1977 vor dem Deutschen Bundestag geschwiegen, als der damalige Bundesinnenminister Professor Maihofer erklärte, bei der Lauschoperation gegen den Atomwissenschaftler Dr. Traube habe es sich um eine einmalige Operation dieser Art gehandelt. Bundesminister Leber gab dann am 26. Januar 1978 dem Deutschen Bundestag eine falsche Auskunft, als er erklärte, die Abhöroperation gegen seine Sekretärin sei der einzige Fall, in dem Lauschmittel in rechtlich unzulässiger Weise eingesetzt worden seien. Denn zu diesem Zeitpunkt waren ihm ja weitere Abhörmaßnahmen des MAD bekannt.
In den folgenden Wochen berichtete dann die Presse über immer neue Lauschoperationen des MAD. Der Untersuchungsausschuß sah mangels konkreter Anhaltspunkte letztlich keine Möglichkeit, Zweifel an der Anzahl der Abhörfälle auszuräumen, und ging deshalb von den vom ASBw ermittelten elf Abhöroperationen aus.
Die Beweiserhebungen haben eine erschreckende Rechtsunsicherheit und bedauerliche Unkenntnis über die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen des Dienstes, besonders beim Chef des MAD, erkennen lassen.
({0})
- Des damaligen Chefs, Brigadegeneral Scherer. - Mit großer Unbekümmertheit ist man über die verfassungsrechtliche Barriere des Art. 13 hinweggegangen. Das gilt besonders für einen Fall, bei dem zunächst ein Antrag auf Anordnung einer Telefonkontrolle durch den Bundesinnenminister abgelehnt worden war und erst danach der stärkere Eingriff in die Privatsphäre durch Einsatz eines Lauschmittels in einer Wohnung angeordnet und durchgeführt wurde. Die Verantwortlichen hätten hier sehr leicht erkennen können, daß die rechtlichen Voraussetzungen hierzu nicht vorlagen. Auch wurde festgestellt, daß der Rechtsberater des ASBw vor den Entscheidungen über die Durchführung solcher Lauschoperationen nicht in einem einzigen Fall zu einer Stellungnahme oder Bewertung aufgefordert wurde.
Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung dieser elf Lauschoperationen gilt nach unserer Auffassung folgendes. In der Praxis ging man beim MAD bislang davon aus, daß der MAD im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung befugt ist, etwa analog dem Verfassungsschutzgesetz nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Diese Tätigkeit bedarf, soweit sie Personen betrifft, nach herrschender Rechtsauffassung jedoch einer gesetzlichen Grundlage. Auf eine solche gesetzliche Ermächtigung kann sich der MAD jedoch nicht stützen. Aber selbst wenn man der Auffassung wäre, der MAD könne analog dem Verfassungsschutzgesetz tätig werden, dann hätte auch das nicht ausgereicht, um die Durchführung der Lauschoperationen in Wohnungen zu rechtfertigen.
Was das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung betrifft, regelt Art. 13 die Zulässigkeit von Eingriffen abschließend. Verfassungsschutz und MAD können nach geltendem Recht nicht auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 3 zweite Alternative Grundgesetz tätig werden, da es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder können zur Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung schon deshalb nicht ermächtigen, weil sie Art. 13 nicht nennen, was bekanntlich in Art. 19 vorgeschrieben ist. Deshalb hätte auch ein etwaiges MAD-Gesetz entsprechend dem Verfassungsschutzgesetz die Abhöroperationen des MAD, soweit sie in Wohnungen erfolgt sind, nicht rechtfertigen können. Dagegen wäre der Einsatz von Abhörgeräten in Wohnungen zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne
Personen im Sinne von Art. 13 Abs. 3 erste Alternative gerechtfertigt. Aber es muß festgestellt werden: In den elf Abhöroperationen des MAD lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Nach all dem verstieß in den bekanntgewordenen Fällen der Einsatz von Abhörmitteln durch den MAD in Wohnungen ohne Wissen der Wohnungsinhaber gegen Art. 13 GG und war damit verfassungswidrig.
({1})
Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß der MAD zur Erfüllung seiner Aufgaben ein Gesetz braucht. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Aufgabe, daß der MAD personenbezogene Daten und Vorgänge auch unter Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel sammelt, speichert und auswertet. Die Koalition lehnt ein Gesetz für den MAD - entgegen der Auffassung von Bundesverteidigungsminister Apel
- ab.
({2})
- Nein, eben nicht. Sie verstehen es gar nicht.
({3})
Für diese Haltung gibt es keine Rechtfertigung und kein Verständnis. So hat z. B. der Untersuchungsausschuß in seinem Bericht festgestellt, daß der MAD in rechtlich zweifelhafter Weise Lauschmittel eingesetzt und in grundrechtlich geschützte Positionen eingegriffen hat. Der Grund lag - ich zitiere jetzt wörtlich - „außerdem zumindest teilweise in der fehlenden gesetzlichen Umschreibung des Auftrags des MAD". Ebenso hat der ganze Ausschuß im Bericht die im Verfahren vorgetragene Meinung abgelehnt, daß eine Institution auf Grund ihrer Errichtung und kraft der ihr zugewiesenen Aufgaben bereits alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen in der Lage und befugt sei. Schon aus dieser von SPD und FDP mitgetroffenen Feststellung heraus hätte die Koalition logischerweise ebenfalls ein MAD-Gesetz fordern müssen.
Noch unverständlicher wird dieses Verhalten, wenn man z. B. an die verbalen Kraftakte der Koalition beim Datenschutz denkt. So haben die Mitglieder von SPD und FDP im Innenausschuß erst kürzlich ein Hearing zum Thema „Grundrecht Datenschutz" gefordert. Im Sozialgesetzbuch sollen Bestimmungen über die Wahrung des Sozialgeheimnisses aufgenommen werden.
({4})
Und schließlich hat die Koalition der Forderung des Datenschutzbeauftragten, wonach die Befugnisse der Nachrichtendienste gesetzlich geregelt sein müssen, überhaupt nicht widersprochen. Ich kann nur feststellen: Hier liegt eine widersprüchliche Haltung der Koalition vor; sie büßt jede Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet ein.
({5})
Hinzu kommt die Tatsache, daß die Mitarbeiter des MAD weiter in einer unerträglichen Unsicherheit gehalten werden, weil ihre Aufgabenerfüllung rechtlich nicht abgesichert ist. Es ist schon ein starkes Stück gewesen, daß sich 14 Mitarbeiter des MAD über Monate hinweg in einem Ermittlungsverfahren vor der Staatsanwaltschaft wegen eines Lauschmitteleinsatzes verantworten mußten und Regierung und Koalition daraus keine Konsequenzen ziehen wollen. Wo bleibt da eigentlich die Fürsorgepflicht des Staates? Einerseits soll der MAD seine Aufgaben erfüllen, andererseits fehlen ihm die Rechtsgrundlagen dazu.
Was den speziellen Einsatz von Lauschmitteln in Wohnungen betrifft, so muß hier klargestellt werden: Die CDU/CSU fordert kein Gesetz nach Art. 13 Abs. 3 - zweite Alternative - des Grundgesetzes. Sie ist allerdings der Auffassung, daß dann ein Gesetz erforderlich wäre - ich betone: wäre -, wenn den Nachrichtendiensten der Einsatz von Lauschmitteln in Wohnungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht werden sollte. Ich sage diesen Satz im Konjunktiv, weil ich mich an die Aussagen der Chefs der Nachrichtendienste im Ausschuß erinnere.
In diesem wichtigen Punkt besteht auf Regierungsseite Unklarheit: Verteidigungsminister Apel hob vor dem Untersuchungsausschuß hervor, daß für die Zukunft Fälle denkbar seien, in denen die Notwendigkeit einer Abhörmaßnahme bejaht werden müsse. Für eine derartige Abhöroperation sei jedoch wegen des gravierenden Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre eine ministerielle Prüfung und Zustimmung notwendig. Im gleichen Sinn hat bereits sein Vorgänger nach Bekanntwerden der Abhöroperationen durch den MAD am 21. März 1977 angeordnet, daß Abhörmaßnahmen, einschließlich etwaiger Eingriffe in den privaten Bereich, nur mit seiner Zustimmung durchgeführt werden können. Staatssekretär Hiehle änderte nach der Amtsübernahme von Verteidigungsminister Apel den genannten Erlaß ab, wonach dann er als Staatssekretär zuständig sein soll. Aber diese Erlasse vermitteln den falschen Eindruck, solche Abhörmaßnahmen seien dann rechtlich zulässig, wenn sie auf höchster Ebene genehmigt werden. Nach Auffassung der CDU/CSU vermag jedoch eine Entscheidung der politischen Leitung eines Ministeriums solche Lauschoperationen außerhalb des G-10-Verfahrens nicht zu rechtfertigen. Die genannten Erlasse sind nach unserer Auffassung beschämende Zeugnisse der Inkompetenz dieser Regierung. Wenn schon die Rechtsfindungskräfte in der Spitze der Regierung so unterentwickelt sind, kann man den an den Lauschoperationen Beteiligten diese rechtswidrigen Tätigkeiten nur bedingt vorwerfen.
Die Ursachen für diese gravierenden Rechtsverstöße in einer Sicherheitsbehörde des Bundes sind auch auf eine zum Teil völlig fehlende oder unzulängliche Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Verteidigung zurückzuführen. Verantwortlich für diese Fehlleistung war der zuständige Minister, der seiner politischen Führungsaufgabe nicht gerecht geworden ist und damit seine Amtspflichten verletzt hat. Mit seinem Rücktritt am
3. Februar 1978 zog Bundesminister Leber aus diesen Vorgängen die Konsequenz.
Verantwortlich für diese Fehlleistungen ist zu einem Teil aber auch der Beauftragte für die Nachrichtendienste, der Chef des Bundeskanzleramts, Staatssekretär Dr. Schüler, der seine Aufsichts- und Koordinierungspflicht grob vernachlässigt hat. Nach dem Organisationserlaß des Bundeskanzlers zur Einsetzung eines Beauftragten für die Nachrichtendienste vom 29. Januar 1975 gehört zu den Aufgaben des Beauftragten die Abstimmung von Grundsatzangelegenheiten im operativen Bereich. Die für die Nachrichtendienste rechtlich überaus empfindlichen Fragen des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere des Einsatzes von Lauschmitteln, gehören zu diesen Grundsatzangelegenheiten im operativen Bereich. Diese Fragen hätten im Rahmen z. B_ der Amtsleiterbesprechungen für alle drei Nachrichtendienste auch rechtlich geklärt werden müssen. Gerade die Mitarbeiter des MAD wurden durch die Vernachlässigung der Dienst- und Fachaufsicht und durch die unterlassene Abstimmung in Grundsatzangelegenheiten bei schwierigen, rechtlich sensiblen operativen Maßnahmen allein gelassen.
Die CDU/CSU fordert daher für den MAD ein MAD-Gesetz. Die CDU/CSU hält es weiter angesichts der zutage getretenen Mängel und angesichts der schwierigen Aufgaben des MAD für dringend geboten, der Personalauswahl besondere Beachtung zu schenken und nur bestqualifizierte Soldaten und Offiziere mit dieser wichtigen Tätigkeit zu betrauen. Das Bundesverteidigungsministerium muß von seiner Dienst- und Fachaufsicht auch Gebrauch machen. Die Grundsatzangelegenheiten für die Nachrichtendienste müssen zwischen den Nachrichtendiensten unter der Führung des Beauftragten auch auf diesem rechtlichen Gebiet abgestimmt werden. Für die Zukunft kommt es entscheidend darauf an, daß unsere Nachrichtendienste auf einwandfreier rechtlicher Grundlage tätig sein können und voll funktionsfähig sind. Daran hat die Koalition im Ausschuß kein sachgerechtes Interesse gezeigt.
({6})
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Vogel.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Bericht der Ausschußminderheit und in den heutigen Ausführungen der Sprecher der Opposition ist der Vorwurf erhoben worden, das Bundesministerium der Justiz habe Amtspflichtverletzungen dadurch begangen, daß es die Aufklärung der Vorwürfe nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben, ja sogar verzögert habe. Es ist dann der Versuch unternommen worden, in diesen Vorwurf der Amtspflichtverletzung den Herrn Bundeskanzler einzubeziehen. Ich weise diese Vorwürfe mit aller Entschiedenheit zurück und führe dazu folgendes aus:
Sie stützen den Vorwurf der Amtspflichtverletzung zunächst einmal auf die Erwägung, daß das Bundesjustizministerium im April 1976 überhaupt
Material bei den amerikanischen Stellen angefordert habe. Sie sagen, die Glaubwürdigkeit von Herrn Hauser sei in diesem Zeitpunkt bereits erschüttert gewesen. Es unterliege Ihrer Meinung nach Bedenken, daß man bei den amerikanischen Stellen überhaupt noch einmal vorstellig geworden sei.
Dem halte ich entgegen: Bei der Anforderung weiteren Materials ging es um Material der amerikanischen Börsenaufsicht, das unbekannt war, das bis zu diesem Zeitpunkt weder den von Ihnen genannten Beamten noch irgendeiner Stelle zugänglich gewesen ist.
({0})
- Das war zu Beginn des Jahres 1976.
({1})
Daß es sich um Material der Börsenaufsicht handelte, ergab sich sogar erst in einem späteren Zeitpunkt.
Zum gleichen Zeitpunkt, in dem das Vorhandensein dieses Materials bekannt und auch in der deutschen Öffentlichkeit erörtert wurde, wurde bekannt, daß sich aus amerikanischem Material Verdachtsmomente für Bestechungsvorwürfe gegen Verantwortliche in anderen Ländern ergaben. Diese Verdachtsmomente waren im übrigen so gravierend, daß sie in Italien, in Japan, in den Niederlanden - wie Ihnen allen wohl bekannt ist - zu Verfahren, auch zu Verurteilungen, auch zu Rücktritten und öffentlichen Konsequenzen geführt haben. Es war die selbstverständliche Pflicht der Bundesregierung, dem nachzugehen und dieses Material anzufordern.
({2})
Die Bundesregierung hätte sich tatsächlich dem Vorwurf der Pflichtverletzung ausgesetzt, wenn sie das nicht getan hätte.
({3})
Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, die Sie gesprochen haben, berufen sich doch zum Nachweis Ihrer Auffassung, daß alle Vorwürfe unbegründet seien, gerade auf den Bericht der von mir eingesetzten unabhängigen Kommission, die dieses Material geprüft hat. Die Behauptung, es bestehe kein Verdacht mehr, die hier aufgestellte Behauptung, es liege für alle Beteiligten ein Freispruch - so hörte ich - wegen erwiesener Unschuld vor
({4})
- Sie haben das durch Zuruf gerade noch einmal bestätigt -, alle diese Behauptungen können doch nur aufgestellt werden, weil die Bundesregierung dieses Material pflichtgemäß angefordert und diese Prüfung ermöglicht hat.
({5})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Nein. Ich möchte im Zusammenhang vortragen und bitte um Verständnis, Herr Kollege Althammer, wenn ich diese Gedankenführung ohne Unterbrechung abschließen möchte.
({0})
- Das kommt ja noch; das ist der zweite Vorwurf. Es ist sicher sinnvoll, die Darlegungen im Zusammenhang zu hören.
Nachdem Sie sich gerade auf diesen so erst möglich gewordenen Bericht berufen, möchte ich die entscheidenden Passagen aus dem allseits anerkannten, wegen seiner Sachlichkeit gerühmten Bericht in der Zusammenfassung - Seiten 124 ff. - verlesen:
Die Arbeitsgruppe hat festgestellt, daß Lockheed zunächst in die Leitung der Lufthansa und später in den militärischen Bereich, in den Beamtenapparat und in die politischen Parteien massiv hineingewirkt hat. Aus den bisher bekannten Unterlagen ergibt sich jedoch kein Beweis dafür, daß Lockheed dabei direkt oder indirekt an Personen oder Parteien Schmiergelder bezahlt hat.
Dann geht es weiter - Seite 127 -:
Die Arbeitsgruppe hält es für unwahrscheinlich, daß durch weitere Ermittlungen geklärt werden kann, ob von Lockheed im deutschen Starfighter-Geschäft Schmiergelder gezahlt worden sind.
Dann heißt es weiter:
Spekulationen, Gerüchte, Verdächtigungen und Vermutungen, politische und persönliche Interessen sind so verwoben, daß nach so langer Zeit ein sicherer Nachweis nur noch durch Urkunden geführt werden könnte. Daß solche Urkunden durch systematische Suche noch gefunden werden, ist unwahrscheinlich. Mit Geständnissen ist nicht zu rechnen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt deshalb, den Gerüchten, im Starfighter-Geschäft seien von Lockheed Zuwendungen an politische Parteien, an Politiker, an Beamte oder Offiziere in der Bundesrepublik gemacht worden, nicht mehr weiter nachzugehen.
Ich erspare mir jetzt juristische Darlegungen, ob die Qualifikation Freispruch wegen erwiesener Unschuld der Prüfung durch alle Instanzen tatsächlich standhielte.
({1})
- Entschuldigung; ich zitiere aus dem Bericht, dessen Objektivität der Ausschuß unter Vorsitz von Herrn Althammer und alle Redner von allen Seiten anerkannt haben.
({2})
Diese Feststellungen, aus denen Sie doch die für Sie
günstigen Folgerungen ableiten, können Sie überhaupt nur treffen, weil die Bundesregierung das getan hat, was Sie kritisieren, weil sie nämlich das Material angefordert hat.
({3})
Leider macht es Ihnen Schwierigkeiten, meinem Ratschlag zu folgen, nämlich die Argumente und Vorwürfe mit mir in zeitlich geordneter Reihenfolge durchzugehen. Ich habe jetzt Ihren ersten Vorwurf widerlegt, infolge der Unglaubwürdigkeit von Hauser sei es schon eine Manipulation gewesen, das Material überhaupt anzufordern. Es ging hier übrigens gar nicht mehr um Herrn Hauser, es ging auch nicht um Herrn Strauß allein. Es ging auch darum, daß andere Beamte und Offiziere nicht noch nach Jahr und Tag unter Hinweis auf dieses ungeprüfte Material in Anspruch genommen werden können. Darum ging es.
({4})
Jetzt kommt der zweite Vorwurf, den Sie auch durch Zwischenrufe noch einmal erneuert haben, nämlich die Verhandlungen hätten zu lange gedauert. Die Verhandlungen haben im April begonnen und haben im September 1976 - genau gesagt: am 24. September 1976 - mit der Unterzeichnung des Ressortabkommens geendet. Die Unterzeichnung wäre am 9. Juli möglich gewesen - am 9. Juli, Herr Möller -, aber um den Preis, daß gerade das nicht gesichert war, was doch für Ihre Arbeit wesentlich gewesen ist,
({5})
nämlich die Zusage, daß dieses Material auf Anforderung auch einem Untersuchungsausschuß dieses Parlaments zur Verfügung steht.
({6})
Ich vermag wirklich nicht zu erkennen, warum die Bundesregierung dafür kritisiert wird, daß sie durch ihre Verhandlungen erreicht hat, daß Sie als Ausschuß überhaupt erst das Material bekommen haben.
({7})
Ich will die vereinbarte Niederschrift über das Ergebnis der Verhandlungen hier nicht vorlesen. Herr Althammer und die Mitglieder des Ausschusses kennen es ohnehin; wer sich sonst Gewißheit verschaffen will, möge bitte Einblick nehmen und es hier lesen.
Ich muß sagen: Schon nach den Geboten der Logik macht es mir die größten Schwierigkeiten, zu erkennen, daß man sich als Amtspflichtsverletzung vorhalten lassen muß, daß man in Verhandlungen, die noch einmal etwa zwei Monate in Anspruch genommen haben, durchgesetzt hat, daß das Parla17004
ment seiner grundgesetzlichen Verpflichtung und Befugnis nachgehen kann.
({8})
Ich hätte einmal die Vorwürfe hören wollen, die der Bundesregierung gemacht worden wären, wenn sie dies nicht durchgesetzt hätte, wenn das Material bei uns gelegen hätte, und Sie hätten es nicht bekommen können.
({9})
- Vielleicht haben wir über die Verpflichtungen eines Justizministers sehr unterschiedliche Auffassungen, Herr Möller. Meine beruhen auf sechsjähriger Praxis. Ich weiß nicht, auf welche Erfahrungen Sie Ihr Urteil über die Pflichten des Justizministers stützen.
({10})
Im übrigen sind mir der Vorwurf und die Erregung auch aus einem anderen Grund unverständlich. Wenn Sie wirklich meinen, diese gut zwei Monate vom 9. Juli bis zum 24. September - ({11})
- Entschuldigung, Sie können doch nicht die Zeit mit einrechnen, in der zunächst einmal das erste Schreiben hinausging. Das tun Sie auch in Ihrem Minderheitenbericht nicht.
Ich wiederhole: Ihr Vorwurf ist mir auch deshalb unverständlich, weil sich mit den zweieinhalb Monaten folgende Rechnung ergibt. Die Kommission hat am 11. November 1976 mit ihrer Arbeit begonnen. Sie hat sie am 27. April 1977 vorläufig und, wie mit Recht betont wurde, am 22. Dezember 1977 endgültig abgeschlossen. Hätten wir schon am 9. Juli unterzeichnet und in Kauf genommen, daß der Untersuchungsausschuß das Material nicht bekommt, dann wäre doch selbstverständlich die Tätigkeit dieser Kommission auch erst nach dem Wahltermin, und zwar lange nach dem Wahltermin, zu Ende gegangen. Daß, wie Sie ständig behaupten, vor dem Wahltermin die eben verlesenen Passagen festgestellt worden wären, ist doch schon rein zeitlich und logisch nicht schlüssig, sondern falsch. Deswegen verstehe ich den Vorwurf auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.
({12})
- Es ist leider eine schlechte Übung des Hauses, daß man dem anderen sofort Böswilligkeit oder ähnliches vorwirft. So weit will ich nicht gehen.
({13})
- Herr Möller, Sie haben es nach Ihrem Beitrag von dieser Stelle, in dem Sie dem Bundeskanzler bewußte bösartige Amtspflichtverletzung vorwarfen, nötig, Herrn Kollegen Schäfer zu kritisieren!
({14})
Da sitzen Sie in einem Glashaus.
({15})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Opposition hat durch ihre Redner beklagt, daß Herrn Strauß im Zusammenhang mit der Starfighter-Beschaffung und den weltweiten Vorwürfen Schwierigkeiten und Mißhelligkeiten entstanden sind. Sie hat daran erinnert, daß sich Herr Strauß solchen Schwierigkeiten und Mißhelligkeiten auch schon in früheren Jahren ausgesetzt sah. Sie sind den Ursachen, wie sie sich Ihnen darstellen, nachgegangen. Mit einer von Ihnen behaupteten Ursache, Pflichtverletzung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers sowie des Bundesjustizministers, habe ich mich auseinandergesetzt. Die habe ich zurückgewiesen.
Aber ich vermute, daß eine wesentliche Ursache für die Schwierigkeiten und Mißhelligkeiten von Herrn Strauß, die Sie da so sehr beklagen, überhaupt noch nicht richtig zur Sprache gekommen ist. Wenn Sie den Dingen auf den Grund gehen, zeigt sich, daß Quelle der Mißhelligkeiten immer wieder Personen sind, die für kürzere oder längere Zeit zum engen Bekannten-, zum Mitarbeiter-, ja sogar, in zwei Fällen, zum Freundeskreis von Herrn Strauß gehörten. Ich will Sie nicht reizen, indem ich Namen nenne. Ich meine nur: Wenn Sie tatsächlich wollen, daß einem Politiker solche Mißhelligkeiten erspart bleiben, dann gehört zu den guten Ratschlägen auch, in der Auswahl von Freunden, in der Auswahl von Mitarbeitern eine noch glücklichere Hand zu beweisen, als es tatsächlich immer der Fall war.
({16})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dem Herrn Justizminister hätte man mit Schiller zurufen müssen: „Zurück, du rettest den Freund nicht mehr!" Der Versuch, der hier noch unternommen. worden ist, die Dinge wieder zu vernebeln und anders darzustellen, konnte nicht gelingen.
Es ist doch eine Tatsache, daß - erstens - seit 1961 das Antikorruptionsreferat des Verteidigungsministeriums diesen ganzen Sachkomplex immer wieder überprüft hat,
({0})
daß von dem Zeitpunkt, als in den Vereinigten Staaten von Amerika im Spätsommer und Herbst 1965 die Dinge wiederaufgenommen wurden, fachkundige Leute aus dem Kreis der Bundesregierung die gesamten weiteren Entwicklungen und Arbeiten durch Ratschläge, durch Auskünfte, durch mehrere
Reisen in die Vereinigten Staaten, durch Teilnahme an den Hearings und durch Berichte darüber innerhalb der Bundesregierung begleitet haben. Ergebnis war dann, daß im Frühsommer 1976 diese ganzen in Amerika spielenden Vorgänge klar gewesen waren.
({1})
In den anderen betroffenen Ländern, Italien, Japan, den Benelux-Ländern, sind auch bereits im Frühsommer die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen worden. Das, was wir der Bundesregierung, an der Spitze dem Bundeskanzler, konkret vorwerfen, ist, daß gezielt immer wieder in der deutschen Öffentlichkeit erklärt worden ist: Hier muß noch ermittelt werden, hier sind noch Verdachtsmomente - und das zu einem Zeitpunkt, als diese Leute durch diese Berichte bereits wußten, daß keine Spur eines Verdachts gegenüber Franz Josef Strauß, der CSU oder anderen in der Bundesrepublik vorhanden war.
({2})
Wenn Sie das nicht glauben wollen, Herr Minister, darf ich zitieren, was aus einer Originalunterlage der Akten, die dem Ausschuß vorgelegen haben, hervorgeht und im Untersuchungsbericht genannt ist. Auf Seite 55 heißt es dort:
Bundesjustizminister Dr. Vogel und Staatssekretär Dr. Erkel rieten von einer Kabinettsbehandlung des Abkommensentwurfs ab, weil dies nach einem Aktenvermerk des BMJ vom 23. Juli 1976 nur dazu geeignet sei, „unerfüllbare Hoffnungen zu wecken, die Phantasie anzureizen und die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen".
({3})
Hier ist doch genau definiert, was die Übung in all diesen Punkten den Sommer über gewesen ist.
({4})
Herr Minister, ich präzisiere noch einmal, was wir der Bundesregierung, an der Spitze dem Bundeskanzler vorwerfen. Wenn die Fürsorgepflicht gegenüber einem früheren Kabinettsmitglied erfüllt worden wäre, hätte man im Sommer 1976 feststellen müssen: Auch auf Grund der neuen Dokumente steht fest, daß in der Bundesrepublik niemand bestochen worden ist, daß Lockheed in der Bundesrepublik keinen Bestechungsversuch gemacht hat. - Statt dessen hat man unter den fadenscheinigsten Vorwänden den Abschluß des Abkommens und die Herüberholung der Akten um Monate verzögert und hat dann vor der Bundestagswahl, im Septembver 1976 noch darauf gesetzt, von Strauß seien sogar Akten beiseite geschafft worden. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was der objektiven Wahrheit entspricht und was die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt wußte.
({5})
Sehr verehrter Herr Minister, ich will hier gar nicht behaupten, daß Sie einer der führenden Leute waren. Wenn Sie einen Augenblick lang im stillen Ihr Gewissen prüfen, werden Sie zugeben, daß Sie vielleicht auch zu denen gehört haben, die Bedenken gegen diese Art des Verhaltens gehabt haben, die aber leider nicht Manns genug waren, um diesem Treiben entgegenzutreten. Darum ist Ihr Entlastungsversuch mißglückt.
({6})
Viezepräsident Frau Renger: Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Vogel.
Herr Kollege Althammer, Ihre Ausführungen machen eine Erwiderung notwendig. Sie verkennen, daß die Kenntnis von dem Vorhandensein von Unterlagen, über deren Umfang die Angaben aus den Vereinigten Staaten auseinandergingen,
({0})
an einer anderen Stelle - nicht in dem Church-Ausschuß, sondern im Material der Börsenaufsicht - die Bundesrepublik erst nach der Jahreswende 1976 erreicht hat. Es geht um dieses Material. Dieses Material war Gegenstand der Verhandlungen. Sie als Vorsitzender des Ausschusses wissen am allerbesten, daß es um dieses Material ging.
({1})
- Dies ist ein grundlegender Irrtum. Die amerikanische Seite hat sich zur Herausgabe dieses Materials immer nur auf Grund von förmlichen Vereinbarungen und Abkommen bereit erklärt. Sie war in unseren Fällen zögernder - auch das wissen Sie aus den Unterlagen -, weil vorher in anderen Ländern bereits Indiskretionen stattgefunden hatten und die Amerikaner innenpolitische Verwicklungen auf ihre Kosten befürchteten. Das war der Grund, warum sie bei uns zäher verhandelt haben und weswegen sie nicht sofort die Klausel zugestanden haben, die wir dann erreicht haben: Zugänglichkeit auch für Untersuchungsausschüsse.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rawe?
Da wir eh schon im Zwiegespräch sind, bitte.
Herr Justizminister, der Herr Kollege Althammer hat gerade eine Aktennotiz von Ihnen vorgetragen, aus der sich wohl eindeutig ergibt, daß Sie selbst vor einem solchen Vorgehen der Bundesregierung gewarnt haben. Vielleicht sind Sie so lieb und erklären dem Hohen Hause Ihren damaligen Standpunkt.
Dies will ich sehr gern tun. Sie hätten etwas mehr Geduld zeigen sollen, denn ich hätte diesen Kernvorwurf von Herrn Althammer jetzt sowieso behandelt. Ich muß17006
te aber zunächst noch einmal klarstellen, um welches Material es eigentlich ging. Sie operieren ständig mit dem Herrn Hauser. Es ging um das Material der Börsenaufsicht. Ich meine, wenn in anderen Ländern Ministerpräsidenten vor Gericht gestellt werden, und in Italien die zuständigen Minister verurteilt werden, ist es doch die Pflicht der Bundesregierung, der Sache nachzugehen. Ich sage noch einmal: Es ging doch gar nicht allein um Herrn Strauß.
Unser Hinweis bezog sich darauf, daß selbst erwiesene Bestechungsvergehen erst zu einem Zeitpunkt aufgedeckt wurden, in dem eine Strafverfolgung nicht mehr möglich war, weil die Taten längst verjährt waren.
({0})
Das Justizministerium hat auf diesen Verjährungsgesichtspunkt hingewiesen und hat gesagt: Warum soll man, da Verjährung vorliegt, jetzt vom Justizressort her ein Abkommen schließen? Dann hat man uns politisch die Auffassung entgegengehalten und von ihr überzeugt, dies mit der Verjährung sei ein typisch juristischer Einwand; wenn das Material nicht geholt und geprüft würde, dann würde auf unabsehbare Zeit, ob Verjährung eingetreten ist oder nicht, weiter der Vorwurf erhoben werden, daß es hier nicht sauber und korrekt zugegangen ist.
Außerdem ist richtig, daß Nachholungen durch das Finanzamt in Steuersachen und disziplinarrechtliche Würdigungen auch noch zu einem Zeitpunkt möglich sind, in dem die Verjährung, strafrechtlich gesehen, bereits eingetreten ist. Das war der Sinn dieses Vermerks.
Herr Bundesminister, gestatten Sie' eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl?
Bitte, gerne.
Herr Bundesjustizminister, wie erklären Sie es sich denn, daß in den Ländern, in denen wirklich Bestechungsvorgänge vorgekommen sind, also in Italien, in Holland und in Japan, die jeweiligen Regierungen rasch und viel früher als die Bundesregierung über die Akten informiert waren und daß man ausgerechnet in dem Land, in dem nichts passiert ist, mit den Einholungen aus den USA so lange gebraucht hat?
Entschuldigung, Herr Kollege Riedl, ich kann aus dem Stand nicht sagen, ob das Belastungsmaterial, das in Holland die bekannten Folgen hatte, das in Italien zu Verurteilungen geführt hat und das in Japan vorlag, aus den Unterlagen des Church-Ausschusses oder aus den Unterlagen der Börsenaufsicht stammte. Dies kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Rede und Antwort habe ich Ihnen zunächst zu der Frage zu stehen, warum wir das Material überhaupt geholt haben. Das habe ich jetzt in zwei Diskussionsbeiträgen getan, und ich könnte eigentlich erwarten, daß Sie hier förmlich erklären: Wir danken dafür, daß dieses
Material geholt worden ist, denn jetzt wissen wir, daß es keine Belastungen enthält,
({0}) jedenfalls keine verwertbaren.
({1})
Herr Bundesminister, gestatten Sie - Dr. Vogel, Bundesminister der Justiz: Nein, bevor ich die nächste Frage zulasse, möchte ich gern erst die gestellte beantworten. Können wir uns darauf einigen?
({0})
Das zweite ist die Frage des Zeitraums. Das letzte Abkommen betraf, glaube ich, die Japaner; ich kann es aus dem Kopf nicht genau sagen. Das war Ende April. Die erste Zeichnungsmöglichkeit ohne den Vorbehalt für den Untersuchungsausschuß hätte im Juli bestanden.
({1})
Hier ist meine Antwort die, daß wir es zum einen mit der eben genannten Schwierigkeit zu tun hatten, daß strafrechtliche Tatbestände verjährt waren.
({2}) Das war viel zu lange her.
({3})
Die Vorgänge in den anderen Ländern lagen teilweise zeitlich später.
Das zweite war, daß die Amerikaner infolge der Indiskretionen, die sie in Italien in eine unangenehme Lage gebracht hatten, zögernder und zurückhaltender waren, was Zugeständnisse etwa in Richtung der disziplinarrechtlichen Würdigungen betrifft - sie wollten das Material zunächst ja nur für die Strafverfolgung zur Verfügung stellen -, und daß infolgedessen intensivere Verhandlungen notwendig waren. Die Zeit vom 9. Juli bis zum 24. September geht allein auf Kosten der Frage: Dürfen wir in Erfüllung unseres Grundgesetzes auch dem Parlament die Unterlagen geben oder nicht? Dies war für uns ein entscheidender Gesichtspunkt, nachdem es ja, was alle Beteiligten wußten, strafrechtlich verjährt war. - Dies sind die beiden Erklärungen.
Ich wiederhole noch einmal, weil das offenbar nicht verstanden worden ist: Selbst wenn Sie, Herr Althammer, die kürzeste Zeit rechnen - und Sie haben doch im Ausschuß x-mal gerechnet -, kommen Sie, wenn Sie die Zeit der Kommissionsarbeit hinzurechnen - oder werfen Sie auch noch der Kommission verzögerndes Arbeiten vor? ({4})
- Entschuldigung, das müssen Sie dann mit dem zuständigen Vorsitzenden und den Mitgliedern ausBundesminister Dr. Vogel
machen; ich habe bisher nur Positives gehört und möchte diese Herren auch gegen Vermutungen in Schutz nehmen -, kommen Sie also, wenn Sie die Arbeitszeit der Kommission hinzurechnen, ohnehin über die Bundestagswahl. Es macht doch gar keinen Sinn, nun Vorwürfe daraus abzuleiten, daß die Untersuchungen möglicherweise schon im Juli statt im Dezember 1977 hätten fertig sein können. Das ist doch einfach unlogisch! Es ist Ihr gutes Recht, Vorwürfe zu erheben, aber die müssen dann zumindest logisch überzeugend sein.
({5})
So, jetzt zu der Zwischenfrage. Bitte.
Herr Bundesjustizminister, darf ich dann aus Ihrem Aktenvermerk den Schluß ziehen, daß Sie selbst erkannt hatten, daß ein weiteres Vorgehen dieser Art zweifelsfrei zu Verdächtigungen von Herrn Strauß und anderen führen mußte, und daß Sie als verantwortlicher Justizminister dies verhindern wollten, sich aber in der Bundesregierung nicht durchgesetzt haben?
Nein, das dürfen Sie natürlich nicht. Ein Parteipropagandist, der damit draußen Reklame machen will, darf das; Sie als Kollege dürfen das nicht. Für den, der den Sachverhalt kennt und nicht Polemik machen will, ist dieser Schluß nicht erlaubt.
Richtig ist, daß wir gesagt haben, strafrechtlich sei dies verjährt. Dann hat sich aber ergeben, daß es steuerrechtlich, disziplinarrechtlich und, wenn ein Untersuchungsausschuß, wie geschehen, sich damit beschäftigt, natürlich noch von Relevanz ist. Es hat sich weiter ergeben, daß man der Behauptung, da stecke etwas drin, nur dadurch entgegentreten kann, daß man das tut, was die Regierung getan hat, nämlich das Zeug holen und durch eine unabhängige Kommission ansehen zu lassen.
Sie sollten sich bei der Bundesregierung im allgemeinen und beim Bundesjustizminister dafür bedanken, daß wir durch so korrekte Leute
({0})
dieses Material mit der Folge haben durchsehen lassen, daß Sie jetzt wenigstens die Seiten 124 und 127 über die Unmöglichkeit weiterer Aufklärungen verfügbar haben. Wenn behauptet wird, es sei etwas geschehen, dann können Sie jetzt immer sagen: Die Bundesregierung hat selbst entgegengehalten, weitere Aufklärungen seien nicht möglich.
({1})
Herr Bundesminister, haben Sie einer weiteren Zwischenfrage zugestimmt?
Frau Präsident, ich ziehe mir nach alter Erfahrung den Unmut des Hauses immer dann zu, wenn ich dazu beitrage, daß am Freitag über 12 Uhr hinaus verhandelt wird. Das hat mir schon Repressionen verbaler Art eingetragen. Wenn es das Haus aber wünscht, stehe ich zur Verfügung.
Herr Rawe hat noch eine Zwischenfrage, Herr Möller auch noch. Ich darf gleich fragen: Gestatten Sie die Zwischenfragen noch?
Herr Justizminister, ich will Ihnen nicht unterstellen, daß Sie Ihre Vorlage in der Aktennotiz mit der Warnung gemacht haben, ohne vorher den Sachverhalt zu prüfen.
({0})
- Würden Sie es mir bitte freundlicherweise überlassen, wann ich frage.
Ich glaube, deswegen ist gleichwohl noch einmal die Frage erlaubt, ob Sie mir nicht doch zustimmen, daß diese Ihre Warnung vom Kabinett in der Tat überhört worden ist.
Herr Kollege, jetzt muß ich noch einmal sehr ausführlich werden. Werden Sie aber bitte nicht ärgerlich, wenn es Ihren Erwartungen nicht entspricht.
({0})
- Der hört schon zu.
Wir haben dies, wie dies üblich ist, mit den Augen der Staatsanwaltschaft gesehen. Staatsanwälte neigen nicht dazu, sich überflüssige Arbeit zu machen. Die stellen zunächst einmal fest: Ist die Angelegenheit verjährt? Wenn sie nämlich verjährt ist, dann kommt es gar nicht darauf an, ob es passiert ist, ob es bewiesen ist, ob bestochen wurde, ob nicht bestochen wurde. Dann wird eingestellt. Es kann alles dahingestellt bleiben, es ist verjährt. Dies war für das Bundesjustizministerium ein sehr logischer primärer Zugang. Dies ist die Grundlage.
Dann wurde aber mit Recht gesagt: Steuerlich oder disziplinarrechtlich könnten sich Konsequenzen ergeben und es wurde vor allem gesagt, die Leute könnten immer wieder mit der Behauptung angegangen werden, da stecke etwas drin. Für die politische Auseinandersetzung ist die Frage der Verjährung - das habe ich inzwischen voll erkannt und eingesehen - ohne jede Bedeutung. Also ist meine Argumentation, die dem Vermerk zugrunde liegt, strafrechtlich und staatsanwaltschaftlich gesehen richtig. Das Kabinett hat aber dennoch recht gehabt, denn sonst könnten Sie alle diese Feststellungen gar nicht treffen. Wenn Sie also tadeln, dann mich, weil ich das tun wollte, was Sie jetzt für richtig halten. Loben müssen Sie die Bundesregierung, daß das Gegenteil geschehen ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Frage von Herrn Dr. Möller?
Aber gern.
Herr Bundesjustizminister, worauf führen Sie es dann zurück, daß sich die Beteiligung etwa des Auswärtigen Amtes um Wochen hinausgezögert hat, obwohl bereits am 9. Juli 1976 der Entwurf in Ihrem Hause eingegangen war, aber erst auf Anmahnung des Auswärtigen Amts am
5. August dem Auswärtigen Amt zugeleitet worden ist und nach der Stellungnahme des Auswärtigen Amts erst Ende August bei Ihnen weiter bearbeitet worden ist?
({0})
Lieber Herr Kollege Möller, ich glaube, das führt jetzt zu weit. Natürlich hat jeder, der mit der Sache zu tun hat - Herr Althammer, Ihre Assistenten, mein Haus, ich selbst - lange Zeittafeln. Die könnten wir hier aufhängen. Wir können Ihnen beweisen, was an jedem Tag geschehen ist. Es ist doch wirklich nicht erhellend, wenn ich jetzt diese Liste hole.
({0})
- Herr Althammer, ich will Ihnen einmal etwas sagen: Ist es ein solches Glücksgefühl, wenn man von vornherein unterstellt, daß normale Menschen, mit denen Sie auch sonst einen normalen Umgang pflegen, in dieser Frage Gesetz, Recht und Verfassung, alles, beiseite räumen und hier nur haßerfüllt irgendeine politische Aktivität entfalten?
({1})
- Entschuldigung, ich stand in Bayern bisher nicht unter dem Eindruck, daß Herr Strauß zur Wiederherstellung seiner Gemütslage tröstender Worte des Bundesjustizministers Dr. Vogel bedarf. Dies ist nicht meine Erfahrung.
({2})
Und warum Sie mir das Bild mit dem Kabelkasten von diesem Haus entgegenhalten, ist mir auch unverständlich. Das hat mit unserer Debatte nichts zu tun.
Schließlich kann sich Herr Strauß bei der Bundesregierung und bei mir ausdrücklich dafür bedanken, daß jetzt auch aus diesen Börsenaufsichtsunterlagen nichts mehr gegen ihn hergeleitet werden kann. Im übrigen können Sie den Bundesjustizminister dafür, daß Herr Strauß in der Auswahl seiner nächsten Mitarbeiter, Freunde, Paten, Neffen usw. eine unglückliche Hand hat, nicht verantwortlich machen.
({3})
Viezepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer ({4}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die letzten zehn Minuten waren ja wohl charakteristisch für dieses ganze Vorhaben, das die CDU/CSU durchgeführt hat. Die sehr seriösen und klaren Auskünfte des Bundesjustizministers wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen; Sie haben sich ein bestimmtes Bild gemacht. Wenn
man die Dinge überprüft, dann stellt man fest, daß Sie sich heute vor der deutschen Öffentlichkeit in der Situation befinden, daß Sie Ihre Denk- und Arbeitsmethode einmal offengelegt haben.
({0})
Das ist ganz interessant; es wird auch interessant sein für den vor uns stehenden Bundestagswahlkampf, denn alles, was Sie sagen, bezieht sich ja immer auf die Zeit des Bundestagswahlkampfes 1976. Sie, meine Damen und Herren - das ist das Erschütternde, was auch in dem gequälten Ausruf des Ministers soeben zum Ausdruck kam - können anscheinend dem anderen Anständigkeit gar nicht zubilligen, und Sie zwingen uns zu der Schlußfolgerung, daß Sie selber unanständig denken und unanständig handeln,
({1})
weil Sie es beim anderen gar nicht anderes erwarten können.
({2})
Mein Freund Pensky sprach von „Verfolgungswahn"; ich glaube, es ist schlimmer. Es ist nicht Verfolgungswahn bei Ihnen, sondern es ist - ({3})
- Ich werde es Ihnen gleich vorlesen. Herr Klein, passen Sie auf, daß Sie nicht mit Ihren Obersten in Konflikt kommen. - Es ist schlimmer bei Ihnen. Sie meinen nämlich, man könne ein Amt - des Ministers oder des Kanzlers - nur in der Weise gezielt ausüben,
({4})
um einem anderen Schaden zuzufügen.
({5})
Meine Damen und Herren! Es gibt einen Vorgang, an den ich Sie heute erinnern muß. Meine Damen und Herren, Ihr damaliger CDU-Vorsitzender, Dr. Adenauer, hat 1953 im Bundestagswahlkampf Unwahrheiten über die beiden SPD-Kandidaten Schroth und Scharley in die Welt gesetzt.
({6})
- Das war jedermann, mein Herr Riedl. Warten Sie nur, bis ich den Satz aus dem Protokoll des Bundestages zitiere, ehe Sie Zwischenrufe machen.
Als dann festgestellt war, daß Adenauer es von vornherein wissen mußte, da sagte er - ich lese aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages vom 7. April 1954 vor -:
Dr. Schäfer ({7})
Wenn mein Auftreten in diesem Bundestagswahlkampf Sie einige Millionen Stimmen gekostet hat, dann bin ich froh darüber.
Meine Damen und Herren, das ist Ihre Denkmethode.
({8})
So meinen Sie, daß Sie überhaupt bei anderen nicht von Anständigkeit im Umgang miteinander ausgehen können. Ich bin froh, wenn diese Debatte heute vor der deutschen Öffentlichkeit hoffentlich Wachsamkeit für die nächsten Monate, die wir hinter uns zu bringen haben, hervorruft.
({9})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Der Ausschuß empfiehlt auf der Drucksache 8/3835 unter den Nr. 1 und 2 den Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes zur Kenntnis zu nehmen und die eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Arbeit des Untersuchungsausschusses beendet, und der Ausschuß ist aufgelöst.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jahn ({0}), Dr. Schneider, Blügel, Erpenbeck, Eymer ({1}), Francke ({2}), Kolb, Lintner, Dr. Möller, Niegel, Schmidt ({3}) und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 8/3357 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({4})
- Drucksache 8/3783 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Bötsch Schmidt ({5})
({6})
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bötsch.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegt die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu einem Gesetzentwurf vor, der, wenn wir einmal von der Berlin-Klausel und der Inkrafttretensvorschrift absehen, aus einem einzigen Paragraphen besteht.
Wenn man aber von der Länge des Gesetzes her auf seine Bedeutungslosigkeit schließen wollte, so würde man sicherlich einen Trugschluß begehen; denn was Ihnen vorliegt, ist seit einigen Jahren von Verbänden, und zwar sowohl von seiten der Vermieter als auch von seiten der Mieter, sehr ausführlich diskutiert worden.
Ich möchte jedoch angesichts der fortgeschrittenen Zeit, in der wir uns heute befinden, zu der dieses Gesetz behandelt wird, nicht der Versuchung verfallen, diese Wichtigkeit des Gesetzes jetzt in der Debatte durch Länge und Ausführlichkeit zum Zuge kommen zu lassen, dies auch deshalb nicht, weil nach den Ausschußberatungen heute eine einstimmige Verabschiedung des Gesetzes zu erwarten ist.
Auch die Tatsache, daß es sich hier auf eine Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages handelt, bedarf einer kurzen Anmerkung. Daß der Rechtsausschuß in dieser Frage federführend war, liegt allein in der Verfahrensordnung unseres Hauses begründet, nach der solche Änderungen verfahrensrechtlicher Art federführend im Rechtsausschuß behandelt werden.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt um ein ernstes Anliegen der Wohnungsbaupolitik handelt.
Der Instanzenzug im Räumungsrechtsstreit beginnt beim Amtsgericht und endet schon bei der nächsten Instanz, dem Landgericht als Berufungsgericht. Die Rechtsansichten dieser Berufungsgerichte weichen erfahrungsgemäß auch in wesentlichen Grundsatzfragen von jeher ganz erheblich voneinander ab. Um diese Abweichungen auf ein Minimum zu reduzieren, wurde bereits im Jahre 1967 durch Art. III des 3. Mietrechtsänderungsgesetzes für gewisse Bereiche, nämlich für die sogenannte Sozialklausel, das Institut des Rechtsentscheids eingeführt. Damals wurde der Versuch unternommen, durch eine allgemeine Bindungswirkung der in den Rechtsentscheiden aufgestellten Grundsätze die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf Bundesebene für Grundsatzfragen aus dem sozialpolitisch wichtigen Teilgebiet der §§ 556 a bis 556 c des Bürgerlichen Gesetzbuchs sicherzustellen. Im Ergebnis beruhte dieser Versuch schon damals darauf, den seinerzeit noch unzulänglichen Schutz des Mieters vor ungerechtfertigten Kündigungen zusätzlich durch verfahrensrechtliche Maßnahmen auf dem Boden der Sozialklausel zu verstärken.
Durch diesen stark begrenzten Anwendungsbereich des Rechtsentscheids kam es aber dazu, daß die Gerichte in der Vergangenheit von der Möglichkeit und der Pflicht zur Einholung einer Entscheidung des übergeordneten Oberlandesgerichts oder gar des Bundesgerichtshofs nur einen äußerst zurückhaltenden Gebrauch gemacht haben.
Demgegenüber hat sich in den dem Rechtsentscheid bisher nicht zugänglichen Verfahren eine starke Rechtszersplitterung gezeigt. Um diesen Zustand zu ändern, wurde beispielsweise vorgeschlagen, den zweistufigen Rechtsweg bei den Amts- und
Landgerichten in Streitigkeiten über das Wohnungsmietrecht in einen generell dreistufigen auszubauen. Die Initiative der CDU/CSU, die sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ergriffen hat, ging aber nicht hierauf ein, sondern verfolgte von vornherein die Intention, das Institut des Rechtsentscheids auf diese Verhältnisse auszudehnen, ohne an dem grundsätzlich bewährten zweistufigen Prozeß etwas zu ändern.
Trotz der Mißstände, die sich schon seit einigen Jahren gezeigt hatten, hat sich die Bundesregierung zunächst geweigert, einer Ausweitung des Rechtsentscheids zuzustimmen. So erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With auf eine schriftliche Anfrage des Herrn Kollegen Franke laut Protokoll des Bundestages vom 11. November 1977, daß sich in der unterschiedlichen Rechtsprechung auch dann nichts ändern würde, wenn der Anwendungsbereich des Rechtsentscheids erweitert würde, weil die Probleme in Wohnraummietstreitigkeiten zum weitaus größten Teil auf tatsächlichem, jedoch nicht auf rechtlichem Gebiet liegen.
Demgegenüber hat der Zentralverband der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer in einer Broschüre im Jahre 1979 an Hand einer umfangreichen Zusammenstellung der unterschiedlichen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte die Schwierigkeiten der Rechtsprechung aufgezeigt, die sowohl die Regelung des Mieterhöhungsverfahrens als auch die des Kündigungsschutzes in der Praxis beinhalten. Wir sind deshalb heute dafür dankbar, daß sich die Koalition nicht zuletzt auch auf Grund dieser Argumente die von uns ergriffene Initiative in den Ausschußberatungen mit zu eigen gemacht hat und dort unsere Vorstellungen nach Beratung mitgetragen hat. Ich gehe deshalb davon aus, daß Sie auch heute hier in zweiter und dritter Lesung zustimmen werden.
Wir meinen, daß dieses Gesetz ein entscheidender Beitrag zur Beendigung eines höchst unbefriedigenden Zustandes unterschiedlicher Rechtsprechung im Mietrecht ist, dessen Kritiker bisweilen bereits bis zum Vorwurf der Rechtsbeugung gegangen sind. Das Gesetz soll dazu dienen, zur Förderung der Einheitlichung der Rechtsprechung den bisher auf Fragen der Sozialklausel, wie dargelegt, beschränkten Rechtsentscheid auf das gesamte Recht der privaten Wohnraummietverhältnisse auszudehnen. Dies soll dadurch erreicht werden, daß die bisher beschränkte Regelung ausgeweitet wird, so daß der Rechtsentscheid bei jeder Rechtsfrage möglich ist, die sich aus dem Mietverhältnis über Wohnraum ergibt oder den Bestand eines solchen Mietvertragsverhältnisses betrifft.
Die Lösung über den Rechtsentscheid verdient gegenüber der erwähnten Schaffung eines weiteren Instanzenzuges auch im Hinblick auf den sozialen Status vieler Parteien im mietrechtlichen Verfahren den Vorzug, weil das Verfahren für die Parteien kürzer und kostengünstiger ist. Zusätzliche Gerichtskosten und in der Regel auch zusätzliche Anwaltskosten entstehen durch das Rechtsentscheidsverfahren nicht.
Keine einheitliche Meinung gab es zu der Frage, ob dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Koalition war - fast möchte ich sagen: wie immer, wenn diese Frage zweifelhaft ist - der Auffassung, daß es nicht der Fall sei, während wir die Frage deshalb dahingestellt ließen, um die Ausschußberatungen nicht unnötig zu verzögern. Ich bitte das Haus, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß sich durch den Zwei-Instanzen-Zug bei den Mietverfahren eine große Zersplitterung ergeben hat. Ich möchte nur ganz kurz darlegen, was mich vor allen Dingen, der ich Berichteistatter bei uns war und mich auch dafür eingesetzt habe, daß wir diesen Rechtsentscheid bekommen, hauptsächlich bewogen hat. Ich habe Erfahrungen aus einer Stadt - ich komme aus München -, wo zwei Landgerichte vorhanden sind und wo es an diesen beiden Landgerichten in der gleichen Stadt völlig unterschiedliche Rechtsprechung zu diesen Problemen gibt. Das trägt natürlich dazu bei, daß sich weder der Mieter vorstellen kann, was ihn erwartet, wenn er einen Prozeß beginnt, noch ein Jurist in der Lage ist, einem Rechtsuchenden zu sagen: Da ist es aussichtsreich, einen Prozeß zu führen, oder dort ist es nicht aussichtsreich, weil die Rechtsprechung so total zersplittert ist.
Mich dafür einzusetzen, dazu hat mich ferner die Tatsache veranlaßt, daß wir an einem der Münchener Landgerichte, nämlich am Landgericht München I - ich sage das so deutlich -, eine extrem mieterfeindliche Rechtsprechung haben. Ich möchte das an drei bis vier Beispielen erläutern. Erstens hat das Landgericht München I entgegen dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut die Drei-Jahre-Sperrfrist bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verkürzt. Sie hat beispielsweise im Fall eines schwerkranken und schwerbeschädigten Rentners, der nur über ein kleines Einkommen verfügte, die Anwendung der Sozialklausel abgelehnt. Sie macht bei Modernisierung den Mieter fast völlig rechtlos, und sie trägt auch dazu bei, daß der Mieter bei Investitionen, die der Mieter wohlgemerkt mit Zustimmung des Vermieters vorgenommen hat, fast entschädigungslos enteignet wird. Ich habe es als sehr unpassend empfunden, daß sich der Staatssekretär im bayerischen Justizministerium, Herr Vorndran, ausdrücklich vor die Entscheidungen des Gerichts gestellt hat. Es ist sowieso ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber allein daran, daß er offensichtlich das Bedürfnis verspürt hat, können Sie erkennen, wie umstritten diese Rechtsprechung ist.
Das hat mich wesentlich mit dazu bewogen, dem zuzustimmen, daß wir die Möglichkeit schaffen, bei Abweichungen eine andere Entscheidung herbeizuholen. Außerdem ist es richtig - und das ist das günstige Moment; es gibt auch ungünstige Momente beim Rechtsentscheid -, daß der Entscheid erstens nicht viel Zeit in Anspruch nimmt und daß
Schmidt ({0})
zweitens keine Kosten durch diesen Entscheid entstehen. Das Ungünstige dabei ist, daß es eine Art Vorabentscheidung ist und daß es kein neues Rechtsmittel gibt. Wenn also dieser Entscheid nicht eingeholt wurde, kann auch eine ungünstige Entscheidung eines solchen Gerichts nicht korrigiert werden.
Alles in allem möchte ich zur Wiederbelebung des Rechtsentscheids folgendes sagen. Herr Kollege Bötsch hat darauf hingewiesen, daß wir ihn im Bereich der Sozialklausel hatten. Damals sind insgesamt, wenn ich es recht in Erinnerung habe, nur 13 Entscheidungen ergangen. Seit 1973 hat er keine Rolle mehr gespielt. Ich möchte mir zweierlei erhoffen, erstens einmal, daß das von uns jetzt geschaffene bzw. wiederbelebte Institut des Rechtsentscheids eine größere juristische Bedeutung bekommt, um der Zersplitterung entgegenzuwirken. Außerdem - das ist eine persönliche Anmerkung vor mir - hoffe ich, daß nach Einführung des Rechtsentscheids künftig dort, wo extrem einseitig, meistens sehr mieterfeindlich entschieden wird, diese Rechtsprechung gestoppt wird, damit wir zu einer vernünftigen Anwendung eines Gesetzes kommen, das den Schwachen schützen soll, das dem Mieter, der sowieso keine sehr starke Stellung gegenüber dem Vermieter hat, mehr Rechte, mehr Möglichkeiten und mehr Chancen auf ein gerechtes Urteil gibt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das Ja der FDP-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf begründen, und zwar nicht mit einer Schelte an der königlichbayerischen Rechtsprechung.
Das Mietrecht stellt eine der sensibelsten Rechtsmaterien dar. Denn ausnahmslos jeder Bürger in diesem Lande ist davon betroffen, sei es als Mieter, sei es als Vermieter oder sei es in beiden Rollen. Auch der selbstnutzende Eigentümer ist spätestens dann davon betroffen, wenn er einmal, aus welchem Grunde auch immer, vorübergehend oder auf Dauer sein Eigentum von Dritten nutzen lassen will.
Soweit ich es übersehe, gibt es auch keine Rechtsmaterie, in der ein synallagmatisches Rechtsverhältnis so weitgehend bis ins formale Detail durch unabdingbare Normen des Gesetzgebers strukturiert ist. Deshalb nimmt es nicht wunder, daß gerade in. diesem Rechtsgebiet das Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit besonders deutlich ausgeprägt ist. Denn soweit es sich um Wohnraummietverhältnisse handelt, sind wirtschaftliche und existenziell-menschliche und zwischenmenschliche Beziehungen eng verwoben. An dieser Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hapert es.
Der Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes macht an wenigen exemplarischen Beispielen deutlich, wie unterschiedlich derselbe Lebenssachverhalt von den Gerichten beurteilt
wird. Da gibt es diametral gegensätzliche Rechtsprechung nicht nur in unterschiedlichen Regionen, es gibt sie auf engstem Raume. Die Rechtsprechung ist teilweise nicht nur von Landgericht zu Landgericht unterschiedlich, teilweise urteilen Kammern ein und desselben Landgerichts höchst gegensätzlich. Die Einzelfrage danach, was recht sei, ist also nicht nur von der Zufälligkeit des Wohnortes abhängig. Sie kann auch von der Zufälligkeit des Anfangsbuchstabens des Familiennamens abhängig sein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits von einer beachtlichen Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung gesprochen.
Folgerichtig hat die Bundesregierung in dem genannten Bericht angekündigt, daß sie mit der Zielorientierung „Rechtsvereinheitlichung" initiativ zu werden gedenke.
Die. Vorlage der Opposition auf Drucksache 8/3357 traf also nicht nur auf einen breiten Konsens, sie fand auch - um es bildhaft auszudrücken - einen wohlvorbereiteten und wohlgedüngten Boden sowie eine kurzfristig zur Aussaat bereite Bundesregierung vor. Das soll allerdings das Verdienst der Opposition, hier die Initialzündung gegeben zu haben, nicht schmälern, wobei ich anmerken möchte: Der Rechtsentscheid für alle Rechtsfragen, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergeben oder den Bestand eines solchen Mietvertragsverhältnisses betreffen, wäre auch ohne diese Initiative wohl noch in dieser Legislaturperiode gekommen.
Der Lösungsansatz, Rechtsvereinheitlichung mit Hilfe des Rechtsentscheides zu erzielen, war vorgegeben. Der Rechtsentscheid für Streitfragen aus der Sozialklausel ist seit 1968 gemäß Art. III Abs. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften Bestandteil des Wohnungsmietrechts. Es bot sich also an, diese Regelung auf alle Rechtsfragen auszudehnen, „die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergeben oder den Bestand eines solchen Mietvertragsverhältnisses betreffen", wie die im Rechtsausschuß endgültig gefundene Formulierung lautet.
Die Gründe, die bereits seinerzeit für das Instrument „Rechtsentscheid" statt Eröffnung eines neuen Instanzenzuges sprachen, gelten auch heute noch unverändert. Die ortsnahe erstinstanzliche Zuständigkeit der Amtsgerichte muß erhalten bleiben. Die Eröffnung eines weiteren Rechtszuges nach dem Landgericht als Berufungsinstanz kommt nach der Systematik der Gerichtsverfassung nicht in Frage. Eine uferlose Befassung von Obergerichten mit Mietstreitigkeiten würde eine Kapazitätsausweitung der Tätigkeit dieser Obergerichte erfordern, die nicht vertretbar ist. Die durchgängige Verlängerung von Mietstreitigkeiten läge nicht im Interesse der Betroffenen. Die mit der Eröffnung eines neuen Instanzenzuges verbundene Verteuerung der Prozesse wäre gleichfalls unvertretbar und läge nicht im Interesse der Betroffenen. Schließlich kann man inzwischen anfügen, daß sich dieser Rechtsentscheid bei der Sozialklausel, solange dies noch sehr relevant war, d. h. vor Einführung des Zweiten
Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, auch bewährt hat.
Meine Damen und Herren, aus dieser rechtspolitischen Sicht stimmt meine Fraktion der Vorlage zu.
Lassen Sie mich noch anfügen, daß diese Zustimmung auch aus wohnungspolitischer Sicht aus voller Überzeugung erfolgt. Sie wissen, daß der private Mietwohnungsbau vom Volumen her in die Kategorie der Quantité négligeable abgesackt ist. Man investiert in diesem Marktbereich nicht mehr. Es gehört nicht in den Rahmen dieser Debatte, hierzu nun Ursachenforschung anzustellen. Bezogen auf den vorliegenden Gesetzentwurf sollte es aber erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß zu der Vielzahl von Faktoren, die für Investitionsentscheidungen maßgeblich sind, auch die rechtliche Kalkulierbarkeit der Bewirtschaftungsmöglichkeiten des Investitionsgutes gehört. Verunsicherungen in diesem Bereich haben deshalb zwangsläufig negative Auswirkungen. Wenn also durch Vereinheitlichung der Rechtsprechung das geltende Mietrecht - jedenfalls in der Anwendung der Gerichte - kalkulierbar wird, dann ist ein winziger Beitrag zur Ausschaltung negativer Einflüsse erbracht.
Lassen Sie mich anfügen, daß ich leider das Wort „winziger Beitrag" benutzen mußte, weil im Bereich des materiellen Mietrechts die Gesamtaufgabe der Untersuchung negativer Auswirkungen auf das Investitionsverhalten und der Durchführung entsprechender Gesetzeskorrekturen für die nächste Legislaturperiode noch als große Aufgabe vor uns liegt. Und auch dann ist das Problem der Wiederbelebung der Investitionstätigkeit beileibe nicht gelöst. Denn die Schlüsselprobleme liegen natürlich im wirtschaftlichen Bereich und werden gekennzeichnet durch die Stichworte Leistungskraft und Leistungsbereitschaft der Wohnungsbenutzer, Bodenpreis, Herstellungskosten und Bewirtschaftungskosten, ihre Situation, Entwicklung und Finanzierung. Lassen Sie mich schon jetzt dafür plädieren, daß wir an diese schwierige Aufgabe im 9. Deutschen Bundestag alle miteinander jenseits aller Ideologien herangehen.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir haben noch über die Beschlußempfehlung unter Nr. 2 der Drucksache 8/3783 abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. April 1980, 12 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.