Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 5. März 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hauser ({0}), Dr. Zeitel, Pieroth, Engelsberger, Lampersbach, Schröder ({1}), Schedl, Landré, Pohlmann, Sick, Dr. Schwörer, Frau Hoffmann ({2}), Frau Will-Feld, Dr. Bötsch, Dr. Waigel, Dr. Köhler ({3}), Dr. Jobst, Müller ({4}), Kolb, Niegel, Dr. Waffenschmidt, Susset, Sauter ({5}), Neuhaus, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Jenninger, Dr. Laufs, Dr. George, Dr. Jahn ({6}), Haase ({7}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Eigenkapitalhilfeprogramm der Bundesregierung - Drucksache 8/3677 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3782 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat mit Schreiben vom 12. März 1980 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminister für Wirtschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Dr. Häfele, Haase ({8}), Spilker, Seiters, Niegel, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Köhler ({9}), Dr. Riedl ({10}), Dr. Voss, Dr. Kunz ({11}), Dr. Hornhues und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zahlungen an die DDR und die anderen Ostblockstaaten sowie Warenaustausch mit der DDR und den anderen Ostblockstaaten in den Jahren 1970 bis 1979 einschließlich
- Drucksache 8/3676 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3790 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 10. März 1980 im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft, für Arbeit und Sozialordnung und für Jugend, Familie und Gesundheit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogelsang, Lattmann, Dr. Meinecke ({12}), Weisskirchen ({13}), Frau Schuchardt, Dr. Dr. h. c. Maihofer, Dr: Ing. Laermann und der Fraktionen der SPD und FDP betr. Zur Situation und Weiterentwicklung der beruflichen Bildung - Drucksache 8/3669
- beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3791 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 18. März 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Dr. Kunz ({14}), Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Frau Fischer, Spilker, Niegel, Röhner, Bühler ({15}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der photoelektrischen und photochemischen Umwandlung der Solarenergie - Drucksache 8/3732 - beantwortet Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3799 verteilt.
Die in Drucksache 8/3670 unter Nr. 27 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag für ein mehrjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm der Gemeinschaft auf dem Gebiet der molekularbiologischen Technologie ({16})
wird als Drucksache 8/3796 verteilt.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 11. März 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Entscheidung des Rates über Fluorchlorkohlenwasserstoffe in der Umwelt
- Drucksache 8/3025 Nr. 8, berichtigt in Drucksache 8/3161 Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 6. März 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung des Rates ({17}) zur Anpassung der in Artikel 13 Abs. 9 des Anhangs VII zum Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaft vorgesehenen Sätze der Tagegelder für Dienstreisen
- Drucksache 8/3339 Nr. 17 Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der im Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenen Sätze der Tagegelder für Dienstreisen
- Drucksache 8/3509 Nr. 18 Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 4. März 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({18}) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung ({19}) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
- Drucksache 8/3161 Nr. 68 Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 27. Februar 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Elften Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Ausschluß der französischen überseeischen Departements vom Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG
- Drucksache 8/3567 Nr. 27 Vorschlag einer Richtlinie des Rates, mit der die Französische Republik ermächtigt wird, die Bestimmungen der Richtlinie 72/464/EWG und der Richtlinie 79/32/EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer in den französischen überseeischen Departements nicht anzuwenden
- Drucksache 8/3670 Nr. 28 Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksache 8/3792 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zu den Fragen 3 und 4 hat der Fragesteller, Herr Abgeordneter Straßmeir, um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Auch hier hat der Fragesteller, Herr Abgeordneter Ey, um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zu der Frage 8 hat der Fragesteller, Herr Abgeordneter Dr. Jahn ({20}), um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 6 und 7 sind vom Fragesteller, Herrn Abgeordneten Dr. Voss, zurückgezogen.
Präsident Stücklen
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Bülow zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:
Sind dem Bundesverteidigungsminister Klagen des Verbands der Fahrlehrer über erteilte Genehmigungen auf Nebentätigkeit zur Ausübung des Fahrlehrerberufs - zum Teil als selbständige Unternehmer - durch Berufs- und Zeitsoldaten der Bundeswehr bekannt, und wie vereinbaren sich diese Genehmigungen mit der dienstlichen Belastung der betreffenden Soldaten?
Gestatten Sie, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?
Der Fragesteller ist einverstanden? - Dann rufe ich auch die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Würtz auf:
Gedenkt der Bundesverteidigungsminister in diesem Zusammenhang Einschränkungen vorzusehen?
Herr Kollege, die Fahrlehrerverbände haben sich bereits mehrfach mit Eingaben an den Bundesminister der Verteidigung gewandt und sowohl über die Nebentätigkeit der Soldaten als Fahrlehrer in Fahrschulen wie über das vereinzelte Betreiben von Fahrschulbetrieben durch Soldaten Klage geführt. Ziel dieser Eingaben war stets der Wunsch, die Nebentätigkeit der Bundeswehr-Fahrlehrer zu unterbinden.
Nach den Bestimmungen der Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit kann dit Genehmigung einer Nebentätigkeit nur abgelehnt werden, wenn gesetzliche Versagungsgründe vorliegen. Dies ist in der Regel nicht der Fall. Werden durch die Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen oder andere dienstliche Belange beeinträchtigt, ist die Genehmigung zu entziehen. Da jedoch die Soldaten ihrer Nebentätigkeit meist an den Wochenenden nachgehen, werden die dienstlichen Belange nicht betroffen.
Auf Grund der Bestimmungen der Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ist es dem Bundesminister der Verteidigung nicht möglich, die Nebentätigkeit der Bundeswehr-Fahrlehrer zu unterbinden oder einzuschränken.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, habe ich richtig verstanden, daß Sie auf meine zweite Frage mit Nein antworten, d. h. keine Einschränkungen für Soldaten bei Ausübung eines Zweitberufs vorsehen wollen?
Da der Bundesminister der Verteidigung der loyale Gesetzesvollzieher dessen ist, was das Bundeskabinett, insbesondere der Verordnungsgeber in der Person des Bundesinnenministers, erlassen hat, sehen wir keine Möglichkeit, davon aus der Sicht unseres Hauses abzuweichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für dienstlich vertretbar, daß ein Offizier in einem FlaRaketenverband mit bekanntlich erheblicher zeitlicher Belastung selbständig eine eigene Fahrschule führt?
Das hängt davon ab, ob er z. B. dem Schichtdienst unterworfen ist oder eine Kraftfahrzeugstaffel führt, die zu normalen Dienstzeiten arbeitet. Das hängt vom Einzelfall ab und muß entsprechend geprüft werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nach dieser Antwort möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die gesetzlichen Bestimmungen für die Führung einer Fahrschule erheblich höhere Zeitanforderungen gegenüber der nur aushilfsweise geleisteten Tätigkeit als Fahrlehrer stellen, und sind Sie in diesem Zusammenhang zur Überprüfung Ihrer bisherigen Entscheidungen bereit?
Der Bundesminister der Verteidigung und die nachgeordneten Behörden können lediglich prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Versagen der Nebenbeschäftigung gegeben sind. Darin heißt es, daß zu prüfen ist, ob die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch genommen wird, daß die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten beeinflußt wird oder die Nebenbeschäftigung den Beamten in einen Widerspruch zu seinen dienstlichen Pflichten bringen kann. Dies muß im Einzelfall geprüft werden. Dazu kann man keine generelle Aussage machen.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß das Bundesministerium der Verteidigung bei dieser Praxis, die Sie bezüglich der Nebentätigkeit von Soldaten jetzt haben, in Gefahr gerät, sich bei Haushaltsberatungen, gerade im kommenden Jahr, den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, daß Soldaten genügend Zeit haben, neben ihrer doch sehr verantwortungsvollen Tätigkeit auch noch einen vollen Zweitberuf auszuüben?
Ich bin mir der Objektivität des Haushaltsausschusses allzeit bewußt und gehe deshalb davon aus, daß die Ausgangslage jeweils Person für Person sehr differenziert gesehen wird und daß ein Soldat, der einen achtstündigen Dienst hat, natürlich in der Lage ist, in größerem Umfang Nebentätigkeiten aufzunehmen, als einer im Schichtdienst. Ich glaube, daß dieser Sachverhalt im Haushaltsausschuß gewürdigt werden wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Engelsberger sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Präsident Stücklen
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Schweitzer soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Hölscher auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich "rufe die Fragen 16 und 17 des Herrn Abgeordneten Lattmann auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Müller ({1}) auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt erwartet die Bundesregierung endgültige Ergebnisse in Sachen Interessenvertretung der deutschen Bevölkerung beim Bau des Kernkraftwerks Cattenom, insbesondere weil beim letzten deutsch-französischen Gipfel keine Vereinbarungen getroffen wurden ({2}) und die Bundesregierung in dieser Antwort auf die Fachgremien hinweist, wie die deutsch-französische Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen ({3}) und der internationalen Saar-Mosel-Kommission?
Nun haben wir wieder einen Abgeordneten, der eine Frage gestellt hat und auch im Saal ist.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Ihre Fragen 18 und 19 zusammen beantworten dürfte.
({4})
Ich rufe daher jetzt auch die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Welchen Grad der Verbindlichkeit haben die Ergebnisse dieser Fachgremien, bzw. wie kann die Bundesregierung die Durchsetzung der Ergebnisse dieser Gremien gewährleisten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Der Bau von Kernkraftwerken und die Beachtung der hierfür maßgebenden nationalen und internationalen Vorschriften und Bestimmungen ist nach der bisherigen Rechtslage eine Angelegenheit der in ihrem Hoheitsgebiet souveränen Staaten. Zur Wahrung der Schutzinteressen der deutschen Bevölkerung im Grenzgebiet, z. B. hinsichtlich des französischen Kernkraftwerks Cattenom, hat die Bundesregierung auf der Basis der Gegenseitigkeit Gremien mit Frankreich vereinbart, wie Sie wissen, in denen alle interessierenden Fragen erörtert werden. An diesen Kontakten nehmen auf beiden Seiten Vertreter der für Entscheidungen zuständigen Behörden teil. Die intensive Auseinandersetzung mit der Fachmaterie
versetzt damit die jeweiligen Entscheidungsträger in die Lage, die Vorstellungen des Nachbarlandes bei den Festlegungen, Entscheidungen und Genehmigungen zu berücksichtigen. Diese Verhandlungen beinhalten keinen verbindlichen Rechtsanspruch. Die Bundesregierung hat jedoch keinen Anlaß zu Befürchtungen, daß berechtigte Anliegen und Sorgen auf deutscher Seite von der französischen Regierung etwa mißachtet würden oder unberücksichtigt blieben.
Die Frage nach dem Zeitpunkt endgültiger Ergebnisse läßt sich derzeit noch nicht umfassend beantworten, da die Kontakte zahlreiche Teilfragen umfassen. So werden in der deutsch-französischen Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen zur Zeit in mehreren Arbeitsgruppen z. B. folgende Fragen beantwortet: Ableitung radioaktiver Stoffe beim Betrieb und Strahlenbelastung in der Umgebung; Umgebungsüberwachung; Auslegung von Kernkraftwerken gegen Störfälle; Qualitätsgewährleistung und Prüfumfang; Konsequenzen in Frankreich und in Deutschland aus dem Störfall im amerikanischen Kernkraftwerk Harrisburg; grenzüberschreitende Abstimmung der Notfallplanung; Haftungs- und Deckungsfragen.
Im Rahmen der deutsch-französischen Kommission finden auch Sitzungen zwischen Vertretern der deutschen Reaktorsicherheitskommission und den entsprechenden französischen Beratungsgremien statt.
In der Saar-Mosel-Kommission stehen die Fragen der Wärmebelastung der Mosel durch die Entnahme von Kühlwasser und die Einleitung von Abwärme sowie Auswirkungen auf die Wasserführung und die Schiffahrt im Vordergrund.
In der trilateralen Arbeitsgruppe für Standortfragen einschließlich Luxemburgs schließlich werden raumordnungspolitische Fragen beantwortet.
Die französische Regierung hat in diesen Gremien ihre Bereitschaft zu Gesprächen über alle von der Bundesregierung und den beteiligten Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Saarland vorgebrachten Fragen bestätigt und zugesichert, daß die Fragen vor einer Inbetriebnahme von Cattenom geklärt werden können. Die deutsche Seite wird sich bemühen, die Verhandlungen, so rasch, wie es die umfangreichen Sachkomplexe zulassen, zu einem Abschluß zu bringen. Über wichtige Zwischenergebnisse werden Bundes- und Landesregierung die Parlamente und die Bevölkerung jeweils unterrichten.
Außerdem prüft die Bundesregierung, wie bei grenznahen Genehmigungsverfahren die Rolle der betroffenen Bürger im jeweils anderen Staat den Rechten der Angehörigen des eigenen Staates bei Beachtung der Gegenseitigkeit angeglichen werden kann.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Mitgliedstaaten des EURATOM-Vertrages gemäß Art. 37 verpflichtet sind, der Kommission der Europäischen Gemeinschaft über den Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe die allgemeinen Angaben zu übermitteln, auf Grund derer festgestellt werden kann, ob die Durchführung des Plans eine radioak16580
Parl. Staatssekretär von Schoeler
tive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraumes eines anderen Mitgliedstaates verursachen kann. Die Kommission wird hierzu nach Anhörung einer Sachverständigengruppe ihre Stellungnahme abgeben. Bisher liegt eine solche Stellungnahme der Kommission noch nicht vor.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, beinhaltet die soeben von Ihnen vorgenommene Auflistung der behandelten Themen in den entsprechenden Fachgremien auch die Problematik der Haftung für nichtnukleare Schäden, beispielsweise für eine eventuelle Schädigung des Weinbaus an der Obermosel, und sind Sie gegebenenfalls bereit, auch dieses Problem mit in die Auflistung einzubeziehen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es müssen die gesamten ökologischen Auswirkungen mit in die Prüfungen und Überlegungen einbezogen werden. Ich gehe davon aus, daß das von unserer Seite aus geschieht. Ich werde Ihre Frage zum Anlaß nehmen, das noch einmal nachzuprüfen.
Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung ein Rechtsgutachten des Trierer Rechtsgelehrten Professor Klöpfer bekannt, das einerseits von der Stadt Trier, den Verbandsgemeinden Saarburg und Gonz und andererseits vom Landkreis Merzig-Wadern im Saarland in Auftrag gegeben worden ist, der die Möglichkeiten der Interessensvertretung der deutschen Bevölkerung untersucht hat, und teilt die Bundesregierung die darin geäußerte Auffassung, daß ein Handeln im völkerrechtlichen Sinne allein der Bundesregierung zustehe?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist sicherlich so, daß die Genehmigungsverfahren jeweils in alleiniger und ausschließlich nationaler Verantwortung von dem Staat durchgeführt werden müssen und auch werden, auf dessen Gebiet ein Kernkraftwerk errichtet wird.
Die Kommissionen, die ich genannt habe, dienen dem Ziel, jeweils die Fragen und Sorgen der deutschen Seite in die Genehmigungsverfahren einzubringen und zu klären, bevor es zu einer Inbetriebnahme kommt.
Losgelöst von den Gesprächen auf Regierungsebene muß man, glaube ich, die Unterrichtung der Bevölkerung sehen. Das, was wir in der Hinsicht vorhaben, habe ich in meiner Antwort gesagt. Losgelöst von Gesprächen auf Regierungsebene ist auch die Beteiligung der Bürger am Verfahren zu sehen. Hier prüft die Bundesregierung, ob wir - ich würde das begrüßen - zu einer Regelung auf Gegenseitigkeit kommen können, wonach jeweils auch die Vertreter der Bürger des Grenzgebietes des jeweils anderen Staates beteiligt werden können.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich angesichts der hier von Ihnen gegebenen Antwort Ihre Beurteilung bzw. die Beurteilung der Bundesregierung hinsichtlich der Äußerungen des Saarbrücker Oberbürgermeisters erbitten, der schriftlich und mündlich wiederholt gesagt hat, die saarländische Landesregierung trage eine erhebliche Mitverantwortung an der Dimensionierung des Kernkraftwerks Cattenom?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage - es ist auch nicht meine Aufgabe -, Äußerungen von Repräsentanten anderer Gebietskörperschaften im Namen der Bundesregierung zu bewerten. Sie wissen, daß das in der Fragestunde aus guten Gründen generell nicht üblich ist.
Herr Abgeordneter, ich stimme diesen Ausführungen voll zu. Eine Beurteilung eines Staatssekretärs oder eines anderen Vertreters der Bundesregierung gegenüber einem anderen Amtsträger, der nicht in unmittelbarer Verantwortung gegenüber der Bundesregierung steht, ist nicht zulässig.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wäre die Bundesregierung bereit, Überlegungen dahin anzustellen, ob eine sogenannte Clearing-Stelle eingerichtet werden kann - denn im Klagefall müßten deutsche Bürger ja französische Gerichte anrufen, mit all den Schwierigkeiten, die eine solche Anrufung mit sich bringt -, in der die sich für die betroffenen deutschen Bürger ergebenden Fragen zusammengefaßt und von der die notwendigen Schritte eingeleitet werden könnten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen den Stand der Überlegungen zu dieser Frage im Augenblick nicht mitteilen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Bevor wir zur nächsten Frage kommen, teile ich Ihnen mit, Herr Staatssekretär, daß die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Spranger schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nun die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Wie begründet die Bundesregierung das am 1. Oktober 1981 geltende Verbot der Altölverbrennung in Kleinanlagen laut Vorschrift des § 4 a der Änderungsverordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz in den Fällen, in denen durch Bauart der Verbrennungsöfen oder Einsatz von Filteranlagen die Art und Menge der Schadstoffemissionen die der Hausfeuerungsanlagen für Heizöl nicht überschreiten, und ist die Bundesregierung bereit, die tatsächliche Umweltbelastung zum Maßstab von Verboten der Altölverbrennung zu machen?
Herr Kollege Dr. Laufs, die Auswertung der mir zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnisse über das EmisParl. Staatssekretär von Schoeler
sionsverhalten von Altölverbrennungsöfen belegt eindeutig, daß die Altölverbrennung in Kleinöfen zu erheblichen Mehremissionen im Vergleich mit der Verbrennung von Heizöl EL führt. Dabei handelt es sich insbesondere um Staubemissionen mit Anteilen an toxischen Inhaltsstoffen sowie um die Emissionen gasförmiger Schadstoffe wie Chlor und Fluorwasserstoff. Da diese Schadstoffe zudem im unmittelbaren Lebensbereich der Bevölkerung emittiert werden und damit Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere Gesundheitsgefahren, nicht mehr ausgeschlossen werden können, war das Verbot der Verbrennung von Altöl zum Zwecke der Wärmegewinnung in Kleinöfen unumgänglich.
Im Rahmen einer Fragestunde muß ich mich auf diese grundsätzlichen Ausführungen beschränken. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen weitergehendes Zahlenmaterial über die Auswirkungen dieser Emissionen zur Verfügung zu stellen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, die tatsächliche Umweltbelastung zum Maßstab von Verboten zu machen, darf ich feststellen, daß es bisher Grundsatz einer von allen Parteien getragenen Umweltpolitik war, Umweltbelastungen nicht erst entstehen zu lassen. Meines Erachtens ist es mit diesem Vorsorgegrundsatz nicht vereinbar, erst die jeweils tatsächliche Umweltbelastung zum Maßstab von Geboten oder Verboten zu machen. Bei der Altölverbrennung kommt hinzu, daß die tatsächliche Umweltbelastung bei jeder Tankfüllung neu beurteilt werden müßte, da Altöl keine definierte Zusammensetzung hat.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die zulässige Verbrennung von Altölen in Großanlagen zu Emissionen führt, welche die Umwelt zumindest so schwer belasten wie die Emissionen aus Kleinanlagen, und falls ja, wie rechtfertigen Sie das einseitige Verbot von Kleinanlagen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Weil wir bei den Kleinanlagen, Herr Kollege Dr. Laufs, der Auffassung sind, daß hier eine ohne weiteres vermeidbare Umweltbelastung vorliegt. Hinzu kommt nach unserer Beurteilung, daß Altöl so und so nicht verbrannt werden sollte, weil es ein Rohstoff ist, der wieder aufgearbeitet werden kann. Im Zeichen der Ressourcenschonung ist das ein umweltpolitisch wichtiger Gesichtspunkt.
Was den ersten Teil Ihrer Frage betrifft, kann ich Ihnen im Augenblick keine Zahlenangaben geben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf die Forderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes: Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß der Betrieb von Kleinanlagen auch dann verboten werden soll, wenn durch entsprechende technische Maßnahmen verhindert wird, daß die tatsächlichen Emissionen die von anderen Feuerungsanlagen, z. B. von Heizöfen, die mit normalem Heizöl betrieben werden, überschreiten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ja, das ist richtig, Herr Kollege Laufs. Das wird die Wirkung des am 1. Oktober 1981 in Kraft tretenden Verbotes sein. Dieses Verbot ist von Bund und Ländern einmütig so verabschiedet worden, und zwar aus den Gründen, die ich bereits dargestellt habe.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Linde auf:
Welches Ergebnis hatte das Gespräch des Bundesinnenministers mit der niedersächsischen Landesregierung über die Immissionsbelastung im Raum Oker/Harlingerode am 7. März 1980?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammenfassend beantworten dürfte.
({0})
Ich rufe auch noch Frage 22 des Abgeordneten Dr. Linde auf:
Ist die niedersächsische Landesregierung jetzt bereit, an dem umfassenden von der Bundesregierung angebotenen ökologischen Verbesserungsprogramm für den betroffenen Raum mitzuarbeiten, und wenn ja, wie lautet das vereinbarte Arbeitsprogramm?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Als Ergebnis der Besprechung des Bundesministers des Innern mit dem Niedersächsischen Sozialminister am 7. März 1980, an der auch Vertreter des Umweltbundesamtes und des Bundesgesundheitsamtes teilnahmen, bestand Einvernehmen darüber, daß zum Abbau der Belastungen im Raum Oker/Harlingerode auf drei verschiedenen Planungsebenen vorgegangen werden muß.
Erstens. Im Rahmen des „Altanlagenprogamms" sollen technische Sofortmaßnahmen zur weiteren Eindämmung der Emmissionsquellen der Preussag erfolgen. Die niedersächsische Seite hat eine Aufstellung der Preussag über Investitionen für Emissionsminderungsmaßnahmen in Höhe von 15,775 Millionen DM übergeben, die im einzelnen noch einer Prüfung durch die niedersächsischen Behörden und den Bundesminister des Innern bedürfen. Das Land Niedersachsen wird die Preussag und gegebenenfalls andere Emittenten veranlassen, baldmöglichst Anträge zur Förderung aus dem Altanlagenprogramm zu stellen.
Zweitens. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Blei- und Cadmiumbelastungen werden in Zusammenarbeit mit der örtlichen Ärzteschaft festgestellt. Daneben wird die niedersächsische Landesregierung in einem Meßprogramm die Auswirkungen der Verbesserung der Anlagen auf der Immissionsseite kontrollieren.
Das Bundesgesundheitsamt führt seit dem 13. März 1980 ein Untersuchungsprogramm durch, um der betroffenen Bevölkerung kurzfristig Vorschläge unterbreiten zu können, wie sie die Bleibelastung in ihrem Lebensbereich unbeschadet der vom Land Niedersachsen zu treffenden Maßnahmen zusätzlich vermindern kann.
Drittens. Als Bestandteil des Forschungsteils des Aktionsprogramms Ökologie soll bis etwa Frühjahr 1981 ein langfristiges ökologisches Sanierungsprogramm ausgearbeitet werden. Hierzu gehören Maß16582
Parl. Staatssekretär von Schoeler
nahmen der Landschaftssanierung und -gestaltung sowie der Stadtplanung und der Flächennutzung.
Allerdings kann die Bundesregierung, worauf ich bereits in der letzten Fragestunde hingewiesen habe, auf allen drei Planungsebenen nur unterstützend tätig werden. Die Zuständigkeit für alle Maßnahmen, die hier möglich sind, liegt allein bei den niedersächsischen Behörden. Dagegen hält die Bundesregierung an ihrem Angebot fest, dem Land und damit letztlich den Menschen, die sich in dieser Problemregion aufhalten oder dort leben, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu helfen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese umfassende Information!
Meine erste Zusatzfrage bezieht sich darauf, ob der Bund, wenn er ein Modellvorhaben anbietet, dieses Modellvorhaben nicht skizzenhaft darstellen könnte und es den beteiligten Planungsträgern im Land und vielleicht auch bei den Kommunen so zuleiten könnte, daß sie wenigstens eine Richtlinie hätten, die ihnen zeigte, über was sie in welchem Zeitraum zu diskutieren hätten.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Unbeschadet der Zuständigkeitsregelungen, auf die ich hingewiesen habe, beschränken wir uns nicht darauf, zu erklären, daß wir gemachte Vorschläge aufgreifen, sondern beteiligen uns von uns aus aktiv an den Gesprächen, indem wir Anregungen an die zuständigen niedersächsischen Behörden geben und z. B. dabei behilflich sind, ein solches langfristiges Sanierungsprogramm mit zu entwicklen. Insofern verfahren wir so, wie Ihre Anregung es beinhaltet.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung auch daran mitwirken, daß die Bevölkerung - wahrscheinlich nicht nur im Raum Oker/Harlingerode - einmal umfassend über die Wirkung, die Bedeutung und die gesundheitlichen Schäden von Blei und ähnlichen Stoffen aufgeklärt wird, weil es da noch sehr große Unsicherheiten gibt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Linde, ich halte die Unterrichtung der Bevölkerung für eine sehr wichtige Frage, aber das ist in diesem konkreten Fall wirklich eine Sache, die in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der niedersächsischen Behörden fällt. Wir können auch hier nur das, was wir an Forschungsergebnissen sowie an sonstigen wissenschaftlichen Unterlagen und Erkenntnissen haben, den Niedersachsen zur Verfügung stellen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist in dem Gespräch auch über die Möglichkeit gesprochen
worden, die niedersächsischen Kommunalbehörden dieses Raumes - Städte und Landkreis - in das Planungsverfahren mit einzubeziehen, und, wenn ja, welche zeitlichen Vorstellungen bestehen da?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich müßte Ihnen diese Frage schriftlich beantworten. Ich bin im Augenblick nicht darüber informiert, wie die Einzelheiten dieses Gesprächs in diesem Punkt aussahen. Allerdings haben Sie völlig recht: Eine Reihe der Maßnahmen, die unbedingt notwendig sind, kann nur dann durchgeführt werden, wenn die kommunalen Gebietskörperschaften mitziehen.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, eine Zusatzfrage, von der ich offen sage, daß sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausgangsfrage steht, aber könnten Sie -
Sie sollten darauf nicht so aufmerksam machen, daß ich die Zusatzfrage nicht zulassen kann.
Herr Präsident, lassen Sie mich bitte die Frage einmal stellen; dann können Sie entscheiden.
Ich wollte gern wissen, ob Sie, Herr Staatssekretär, Informationen darüber haben, wer eigentlich dieses Öko-Institut ist und ob dieses Institut, das dieses Problem ja dargestellt hat, eventuell sogar aus staatlichen Mitteln gefördert wird.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auch diese Frage müßte ich Ihnen schriftlich beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Franke.
Herr Staatssekretär, seit wie vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten findet eine Immissionsbelastung dieses Raumes statt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Franke, ich habe bereits in der letzten Fragestunde darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung erstmals Kenntnis von den besonderen Belastungen erlangt hat, als es im Zusammenhang mit der Diskussion über neue, schärfere Werte bei der Novellierung der Technischen Anleitung Luft Proteste des in diesem Gebiet tätigen Unternehmens, der Preussag, gegeben hat, und daß wir, unmittelbar nachdem wir diese Kenntnis hatten, versucht haben, in Kontakt mit den niedersächsischen Behörden die notwendigen Maßnahmen mit anzuregen.
Wie lange die Bleibelastung in dem betreffenden Gebiet schon vorhanden ist, kann ich - wie wahrscheinlich viele andere auch - Ihnen nicht mit Zahlenangaben belegen, aber daß sie schon sehr lange vorhanden ist, ist offensichtlich.
Keine weitere Zusatzfrage.
Präsident Stücklen
Dann rufe ich Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Langguth auf:
Wenn die Visumpflicht bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland dadurch umgangen werden kann, daß an der Grenze ein Asylantrag gestellt wird, mit welchen Gründen glaubt dann die Bundesregierung, durch die Einführung des Visumzwangs einen wichtigen Schritt zur spürbaren Verringerung der Zahl unbegründeter Asylanträge getan zu haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Frage betrifft zwei verschiedene Probleme: zum einen die Frage der Sichtvermerkspflicht im Reiseverkehr zwischen Staaten, zum anderen das Recht eines Ausländers, in der Bundesrepublik Deutschland oder an ihren Grenzen Asyl zu beantragen. Zwischen beiden Fragen besteht ein rechtlicher Zusammenhang nicht.
Sinn und Zweck der Befreiung vom Sichtvermerk ist es, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Erleichterungen im internationalen Reiseverkehr zu schaffen. Die Festlegung einer Sichtvermerkspflicht für Angehörige eines bestimmten Staates bedeutet eine Einschränkung dieser Reiseerleichterung. Sie schränkt das grundrechtlich verbürgte Asylrecht nicht ein.
Allerdings besteht ein mittelbarer Zusammenhang. Je leichter die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ist, desto leichter kann diese Einreise auch benutzt werden, um nach erlangtem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland später auch Asyl zu beantragen. Mit der Einschränkung der Reiseerleichterung durch die Einführung der Sichtvermerkspflicht wird damit auch diese Möglichkeit nicht rechtlich, aber tatsächlich eingeschränkt.
In den hier vorliegenden Fällen geht die Bundesregierung davon aus, daß - worauf ich in diesem Zusammenhang hinweisen muß - es sich praktisch um einen Personenkreis handelt, der den Verfolgerstaat bereits verlassen konnte. Da die Bundesregierung jedoch auch nach Einführung der Sichtvermerkspflicht ihre humanitäre Verpflichtung gegenüber Flüchtlingen aus Krisengebieten nicht einstellen will, werden unsere Botschaften in den betroffenen Ländern - wie Bundesminister Baum in der Debatte -des Deutschen Bundestages am 6. März 1980 angekündigt hat - angewiesen werden, vor allem in bezug auf Afghanistan und Eritrea in begründeten Fällen Visa zu erteilen. Die Kriterien hierfür werden zur Zeit im Auswärtigen Amt aufgestellt.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß nach meiner Kenntnis über die Einführung der Sichtvermerkspflicht Übereinstimmung zwischen der Mehrheit der Bundesländer und der Bundesregierung besteht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich stelle die Frage, ob die Bundesregierung mit den entsprechenden Fluggesellschaften Kontakt mit der Zielsetzung aufgenommen hat, daß aus den entsprechenden Ländern nur diejenigen Personen befördert werden, die schon beim Abflug einen entsprechende Sichtvermerk in ihren Pässen aufweisen können.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Dazu besteht nach der praktischen Erfahrung der Bundesregierung keine Notwendigkeit.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich fragen, warum hierzu nach den Erfahrungen der Bundesregierung kein Anlaß besteht, zumal das in anderen Ländern gang und gäbe ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Weil die Luftverkehrsgesellschaften nach unserer Erfahrung so verfahren, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hölscher.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Befürchtung, daß durch das Hochspielen der Asylantenfrage in Baden-Württemberg durch den dortigen Ministerpräsidenten, aber auch durch den Landesinnenminister Palm - im Grunde wird das auch durch diese Frage bestätigt - bei uns ausländerfeindliche Stimmungen erzeugt werden, die nicht nur für unsere Gesellschaft eine Schande sind, sondern unserem internationalen Ansehen auch beträchtlichen Schaden zufügen müssen?
({0})
Einen Augenblick. Das ist eine Frage, die in dieselbe Kategorie gehört wie die Frage, von der ich vorher gesagt habe, daß es der Bundesregierung nicht anstehe, eine Beurteilung abzugeben. Ich bitte um Verständnis, Herr Abgeordneter.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Regenspurger auf:
Trifft es zu, daß in den Monaten Januar/Februar 1980 mehr als das vierfache an Asylanträgen gestellt wurde als in den Vergleichsmonaten des Vorjahrs?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Zahl der Asylanträge betrug im Januar des Jahres 9 991; im Februar waren es 11 747: Die Vergleichszahlen für dieselben Monate des Vorjahres betragen 1 951 und 2 272.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklärt sich die Bundesregierung diesen sagenhaften Anstieg?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Anstieg ist ganz überwiegend darauf zurückzuführen, daß die Zahl der türkischen Asylbewerber erheblich ansteigt. Das ist zahlenmäßig gesehen die Hauptgruppe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen Anstieg wieder auf ein normales, erträgliches Maß zurückzuschrauben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt, wie Sie wissen, eine von den Regierungschefs des Bundes und der Länder vor etwa 14 Tagen eingesetzte Gruppe, die sich mit der Frage beschäftigt, die Sie angesprochen haben, und die im Juni einen Bericht vorlegen soll. Die Bundesregierung beteiligt sich aktiv an diesen Überiegungen. Sie wird allerdings - das habe ich bereits mehrfach betont - einer Einschränkung oder Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl nicht zustimmen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langguth.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie sich insbesondere die Steigerungsrate im Bereich des Flughafens Stuttgart entwickelt hat, da hier in den letzten Monaten besondere Probleme entstanden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen diese Frage gern beantworten, wenn ich die entsprechenden Zahlen anfordere. Aber ich will schon jetzt darauf hinweisen, daß in der Offentlichkeit manchmal sehr falsche Vorstellungen über die Zahlen erweckt werden.
({0})
So sind bis Anfang März dieses Jahres nicht, wie man meinen könnte, wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt, Tausende von Eriträern eingereist, sondern es waren bis Anfang März etwa 850 auf den Flughäfen Stuttgart und Frankfurt in einem Zeitraum von einem halben Jahr. Öffentlicher Eindruck und tatsächliche Gegebenheiten klaffen hier auseinander. Ich bin sehr gerne bereit, Ihnen über diese eine Zahl hinaus weitere Angaben zur Verfügung zu stellen.
Im übrigen gibt es, Herr Kollege, zwischen den Ländern ein vereinbartes Verfahren, nach dem die Verteilung der Lasten durch die Asylbewerber zwischen den Ländern geregelt ist. Jedes Land hat die Möglichkeit, für den Fall, daß es sich zu stark mit Asylbewerbern belastet fühlt, wenn es glaubt, Asylbewerber über seine Quote hinaus untergebracht zu haben, sich an die anderen Länder mit der Bitte zu wenden, die über die Quote hinausgehenden Asylbewerber aufzunehmen. Es gibt eine entsprechende Initiative des Landes Baden-Württemberg gegenüber den anderen Bundesländern in dem dafür vorgesehenen Verfahren. Leider ist diese Initiative erst sehr viel später ergriffen worden, als die öffentliche Diskussion begann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß sich unter dieser erheblich erhöhten Zahl von Asylbewerbern das Verhältnis zwischen voraussichtlich unberechtigten Asylanträgen einerseits und berechtigten Asylanträgen andererseits, das nach Auskunft der Bundesregierung etwa 9 : 1 beträgt, erheblich zugunsten der berechtigten Asylanträge verschieben wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, es ist gar kein Zweifel, daß es einen hohen Prozentsatz von Asylanträgen gibt, die im Ergebnis im Verfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und letztlich vor den Gerichten nicht anerkannt werden. Die Relation zwischen solchen anerkannten Asylbewerbern und abgelehnten Anträgen ist allerdings nicht 9 : 1. Im Jahre 1979 wurden 81,5 % der Anträge abgelehnt. Der Prozentsatz ändert sich von Jahr zu Jahr. Im Augenblick ist der Prozentsatz der anerkannten Anträge im Vergleich zum Vorjahr relativ hoch, weil die Vietnam-Flüchtlinge mit in diesen Zahlen enthalten sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hölscher.
Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, warum die Einreise der Vietnam-Flüchtlinge vor gut einem Jahr nicht zu diesen öffentlich diskutierten Problemen geführt hat, wohl dagegen die Einreise von einigen hundert Eriträern? Können Sie auch bestätigen, daß nicht diese das Problem sind, sondern die Türken? Können Sie bestätigen, daß hierfür auch der leergefegte Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg eine Ursache ist? Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Türken, die hier Asylanträge stellen, sofort von unserem Arbeitsmarkt aufgenommen werden, ja sogar zum Teil schon illegal vermittelte Arbeitsstellen haben?
({0})
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es trifft zu, daß das Problem der steigenden Asylbewerberzahlen keineswegs ein Problem der Eriträer ist. Ich habe vorhin bereits die Zahlen der Eriträer genannt, die in den letzten sechs Monaten bis Anfang März in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und Asylanträge gestellt haben. Daraus ersieht man, daß diese Zahl entgegen dem öffentlichen Eindruck, der erweckt worden ist, im Vergleich zur Gesamtzahl der Asylbewerber außerordentlich gering ist.
Es ist auch richtig, daß zahlenmäßig gesehen unser Hauptproblem die türkischen Asylbewerber sind. Es ist auch so, daß ein großer Teil der türkischen Asylbewerber - geschätzt wird: zwei Drittel aller Asylbewerber - in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten, also auf dem Arbeitsmarkt für sie ganz offensichtlich eine Aufnahmemöglichkeit besteht.
Ich hoffe, daß ich die vielen Fragen wenigstens zum Teil beantworten konnte.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt wiederholt auf die Türkei abgehoben haben, möchte ich Sie fragen, ob der Bundesregierung Kenntnisse darüber vorliegen, daß tatsächDr. Althammer
lich in der Türkei Personen aus politischen Gründen verfolgt werden. Sollte das nicht der Fall sein, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Möglichkeit hat, Personen, die offensichtlich keinen Verfolgungstatbestand nachweisen können, wegen nicht schlüssigen Vorbringens sofort zurückzuweisen.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß nicht die Bundesregierung, sondern weisungsunabhängige Ausschüsse beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge darüber entscheiden, ob ein Asylbewerber zu Recht vorträgt, daß er politisch verfolgt sei. Deswegen kann ich Ihnen keine Auskunft darüber geben, ob und in welchen Fällen eine politische Verfolgung in der Türkei vorliegt. Die Rechtsprechung bemüht sich zur Zeit z. B. um die Klärung der Frage, inwieweit christliche Minderheiten in der Türkei bei uns zu Recht einen Asylanspruch geltend machen können. Das ist aber nur eine Detailfrage, die wie alle anderen Fragen im Zusammenhang mit diesen Verfahren von den unabhängigen Ausschüssen und von den Gerichten zu entscheiden ist. Das hat auch seinen guten Grund; denn niemand kann es wollen, daß es der Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Regierung unterliegt, festzustellen, wer politisch verfolgt ist. Das wäre mit unserem Grundrecht auf Asyl nicht vereinbar.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, um das Groteske dieser Situation einmal zu beleuchten, möchte ich die Frage an Sie richten, ob es der Bundesregierung bekannt ist, daß es unter den türkischen Asylbewerbern heute noch Tausende gibt, die darauf abstellen, als Anhänger Demirels von der Regierung Ecevit verfolgt zu werden. Ist die Regierung willens, wenigstens bei diesen offensichtlich zutage getretenen Mißbräuchen Konsequenzen ziehen zu lassen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich finde Ihre Frage - wenn ich mir diese Bewertung gestatten darf - außerordentlich problematisch; denn Sie verlangen im Ergebnis, daß die Bundesregierung aus Gründen der politischen Opportunität in laufende rechtsstaatliche Verfahren eingreift. Genau dies wäre ein Punkt, der mit einem rechtsstaatlichen Verfahren und mit der Grundrechtsverbürgung des Asyls in der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar wäre.
({0})
Einen Moment.
({0})
- Herr Kollege Haase, im Moment führen wir keine Diskussion.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Haase ({1}) auf:
Nach welchen Kriterien wird die Höhe der Miete und der sonstigen Nebenleistungen bei bundeseigenen Wohnungen der gehobenen Masse ({2}) festgesetzt, und was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um zu niedrige Mieten solcher Wohnungen gegebenenfalls auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete von Wohnungen gleicher Größe, Ausstattung und/oder Lage anzuheben?
Herr Kollege Haase, für die Mieten aller zirka 50 000 bundeseigenen Mietwohnungen, die etwa zur Hälfte an Bundesbedienstete, im übrigen zu gleichen Konditionen an Dritte vermietet sind, ist seit 1977 grundsätzlich die untere Grenze der ortsüblichen Vergleichsmieten maßgeblich. Dadurch werden in der Miethöhe sämtliche nach dem § 2 des Miethöhengesetzes für den Wohnwert bestimmende Kriterien berücksichtigt, nämlich Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage. Die Mieten wurden, soweit sie die ortsüblichen Vergleichsmieten nicht erreichten, dementsprechend 1977 um bis zu 30 % und 1979 erneut um grundsätzlich 20 % erhöht.
Für die Mieten der 344 bundeseigenen Einfamilienhäuser von mehr als 156 qm anrechenbarer Wohnfläche wurde dabei, zurückgehend auf eine Empfehlung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, eine Sonderregelung getroffen. Ziel dieser Sonderregelung war es, diese Objekte an die untere Grenze der ortsüblichen Vergleichsmieten schneller heranzuführen. Während diese Objekte 1977 ebenfalls eine Mietpreiserhöhung um bis zu 30 % erfuhren, wurden sie zum 1. Mai 1979 grundsätzlich um weitere 30 %, mindestens aber so stark erhöht, daß sie 75 % der maßgeblichen Vergleichsmiete erreichen. Bei Neuvermietungen wird grundsätzlich sofort eine Miete in Höhe der maßgeblichen Vergleichsmiete vereinbart.
Inhalt und Umfang der Mietbildung bei diesen großen Einfamilienhäusern wurde zuvor inhaltlich dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags vorgetragen, und zwar mit meiner Vorlage Nr. 45/78 vom 13. Juni 1978, und wurde vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages in seiner 60. Sitzung am 8. November 1978 zur Kenntnis genommen.
Die Bundesregierung beabsichtigt, in den Fällen, in denen die maßgebliche Vergleichsmiete noch nicht erreicht ist, im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten die Mieten weiter anzupassen. Gegenwärtig ist eine weitere Mieterhöhung wegen der sogenannten Stillhaltefrist des § 2 des Miethöhegesetzes nicht zulässig.
Bei den bundeseigenen Mietwohnungen sind grundsätzlich sämtliche beim Bund anfallenden Betriebskosten im Wege der Betriebskostenvoraus16586
zahlung mit Abrechnung von den Mietern zu tragen. Bei etwaigen Nebenleistungen wird die Miete um einen angemessenen Pauschalbetrag erhöht.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da die Unzulänglichkeit dieser Mietberechnung, auch was die Resonanz der Offentlichkeit im Zusammenhang mit den bekanntgewordenen Mietpreisen betrifft, deutlich wird, möchte ich fragen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, für eine weitere, dem freien Markt Rechnung tragende Mietpreisgestaltung über die dem Haushaltsausschuß mitgeteilten Anpassungen nach oben hinaus Sorge zu tragen?
Herr Kollege Haase, dem Haushaltsausschuß ist umfangreich vorgetragen worden, nach welchen Kriterien die Bundesregierung Objekte vermietet. Sie ist wie auch private Wohnungseigentümer - z. B. Firmen, die Wohnungseigentum für ihre Mitarbeiter haben - der Meinung, daß zu günstigen Bedingungen angeboten werden sollte. Deswegen geht die Bundesregierung grundsätzlich an die untere Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete; ich sage: grundsätzlich, denn in einigen Fällen ist auch davon abgewichen worden.
Die Bundesregierung wird gern überlegen, ob sie mit Zustimmung des Haushaltsausschusses, der ja das jetzige Verfahren ausdrücklich gebilligt hat, zu einem neuen Verfahren kommt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn man einmal unterstellt, daß es bei den durchschnittlich besoldeten Bundesbeamten gerechtfertigt erscheint, an die untere Grenze der Mietpreisberechnung zu gehen, warum beharrt die Bundesregierung darauf, auch die Luxuswohnungen für besonders hochverdienende Staatsfunktionäre und Pensionäre zu subventionieren, indem man gleichfalls an die untere Grenze der Mietberechnung geht?
Herr Abgeordneter Haase, „Staatsfunktionäre" wollen wir streichen.
({0})
- Im Zusammenhang mit „Staatsfunktionären" ist das - ({1})
Herr Kollege Haase, ich kann dies alles natürlich nicht so bewerten, wie Sie es vielleicht gern hören würden, weil ich sonst auch darüber reden müßte, zu welchen Bedingungen Wohnungen an die Herren Kollegen des Deutschen Bundestages vermietet werden.
({0})
Ich will Ihnen aber gerne sagen, Herr Kollege Haase, daß wir ja einen Unterschied machen. Ich hatte - ({1})
Herr Abgeordneter Haase, darf ich bitten, in der Fragestunde nicht eine Diskussion zu führen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, es gibt die Möglichkeit der Aktuellen Stunde.
({0})
Sie haben noch die Möglichkeit, sich zu korrigieren, falls Ihre Äußerungen mißverstanden worden sind, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Haase hat mich in meinen Ausführungen unterbrochen, so daß ich den Faden verloren habe.
({0})
Herr Abgeordneter Haase, wiederholen Sie ganz kurz Ihre Frage, damit der Faden wieder aufgenommen werden kann. Diese Frage gilt noch als zweite Zusatzfrage.
Um dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär wieder den Faden zu vermitteln, möchte ich ihn erneut folgendes fragen. Herr Staatssekretär, was veranlaßt die Bundesregierung - abgesehen davon, daß das Herangehen an die untere Grenze für den normalen Beamten gerechtfertigt ist und es dagegen auch gar nichts einzuwenden gibt -, auch bei der Mietbemessung für höchstverdienende Staatsbeamte und Pensionäre an die untere Grenze der Mietpreisberechnung zu gehen?
Herr Kollege Haase, die Antwort ist ganz einfach. Die Bundesregierung vermietet nicht nach dem Einkommen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Staatssekretär, könnten Sie in bezug auf die letzte Zusatzfrage des Kollegen Haase vielleicht sagen, daß der Lösungsvorschlag des Bundesministeriums der Finanzen, der nun neu erforderlich ist und über den der Haushaltsausschuß später reden muß, eine Lösung vorsehen könnte, bei der man eine soziale Staffelung der Mietkosten einführt, und erwarten Sie dann, daß die Opposition zustimmt?
Herr Kollege Westphal, ich habe auf eine entsprechende Frage des Kollegen Haase geantwortet, daß wir gerne überlegen, ob man zusätzliche Elemente bei der Mietpreisgestaltung zu Hilfe nimmt. Ich will Ihnen anbieten, daß
wir, sobald die Prüfung abgeschlossen ist, vor den Haushaltsausschuß treten, um mit ihm zu erörtern, ob die von uns eventuell gefundene neue Lösung akzeptabel ist.
Das Verhalten der Opposition vorauszusagen fällt mir nicht nur in diesem Falle schwer.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, es geht heute nicht ganz so, daß ich hier mit aller Ruhe dies hinnehme. Auch die Beurteilung über die Opposition geht genausowenig wie die Beurteilung - Haehser, Parl. Staatssekretär: Ich bin danach gefragt worden, Herr Präsident!
Ja, ja. Aber Sie brauchen nicht zu antworten, wenn Herr Westphal die Fragen stellt.
({0})
- Ja, ich habe schon verstanden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.
Herr Staatssekretär, können Sie mir Objekte nennen, die vergleichsweise an Mitglieder des Deutschen Bundestages vergeben worden sind, in Anknüpfung an die Antwort, die Sie eben dem Kollegen Haase gegeben haben?
Herr Kollege, man kann nicht ein großes Einfamilienhaus mit Objekten vergleichen, die von Kollegen des Deutschen Bundestages gemietet worden sind. Ich kann aber natürlich Quadratmeterpreise vergleichen.
({0})
Gut, Sie wollen diese Frage also nicht weiter ausdiskutieren. Dann sind keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe Frage 30 - des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) - auf:
Wie viele amtierende und frühere Bundesminister, Parlamentarische Staatssekretäre, Staatssekretäre und Ministerialdirektoren wohnen in bundeseigenen Wohnungen, die nach Größe und/oder Ausstattung und/oder Lage der gehobenen Klasse zuzurechnen sind, und in wieviel Fällen werden dabei Mieten gezahlt, die unter der ortsüblichen Vergleichsmiete von Wohnungen gleicher Größe, Ausstattung und/oder Lage liegen?
Herr Kollege Haase, bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage habe ich dargelegt, daß von den bundeseigenen Mietwohnungen nur die großen Einfamilienhäuser besonders erfaßt worden sind. Von den insgesamt 344 über 156 Quadratmeter großen bundeseigenen Einfamilienhäusern sind im Raum Köln/Bonn sechs an den in Ihrer Frage angesprochenen Personenkreis vermietet. Von den sechs Mietverhältnissen ist zur Zeit eines an die ortsübliche Vergleichsmiete herangeführt worden. Die Heranführung der übrigen Mietverhältnisse ist im Jahr 1977 mit einer 20 %igen Erhöhung der Miete eingeleitet worden. Zum 1. Mai 1979 erfolgte eine weitere Anpassung in Höhe von
30 v. H., mindestens aber so, daß 75 % der maßgeblichen Vergleichsmiete erreicht wurden. Eine weitere Anpassung ist nach § 2 des Miethöhegesetzes zur Zeit nicht möglich. Die Bundesregierung hält aber selbstverständlich an der Absicht fest, die Mieten im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten anzupassen.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir detaillierte Auskünfte über die letztgenannten Mietverhältnisse schriftlich zu übermitteln?
Ich bin sehr gerne bereit, Herr Kollege Haase, Ihnen Auskünfte über diese Mietverhältnisse zu übermitteln. Ich will aber folgendes hinzufügen. Es ist üblich, daß Unterlagen über das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern, also Vermietern und Mietern, im Bundesministerium der Finanzen nach zehn Jahren vernichtet werden. Das heißt also, ich kann Ihnen über Mietverhältnisse früherer Mitglieder der Bundesregierung keine Auskünfte geben, weil die Unterlagen vernichtet worden sind. Eine Auskunft allerdings kann ich Ihnen geben. Sie betrifft den damaligen Mieter Franz Josef Strauß.
({0})
Er hat 1958 bis 1963 ein Einfamilienhaus im Bereich Venusberg mit 170,61 qm und einem Mietpreis von 1,89 DM pro qm bewohnt.
({1})
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich stellte auf die von Ihnen genannten gegenwärtigen Mietverhältnisse im Raum Bonn ab. Danach war gefragt. Ich frage Sie nochmals, ob Sie geneigt sind, mir detaillierte Auskünfte darüber zu vermitteln. Es ging gar nicht um die Mietverhältnisse vor zehn Jahren. Angaben darüber können Sie ja veröffentlichen, wenn Sie wollen; das steht Ihnen frei. Es geht mir um die jetzt bestehenden, die aktuellen Mietverhältnisse im Raum Bonn, auf die Sie auch abgestellt haben.
Herr Kollege Haase, ich hatte Ihnen schon zugesagt, Ihnen darüber schriftlich und detailliert Auskunft zu geben. Ich wollte nur einen eventuellen weiteren Wissensdurst stillen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt in der Beantwortung eine Miete aus der Zeit vor 20 Jahren genannt haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie ähnliche Vergleichsmieten aus der Zeit vor 20 Jahren ebenfalls nennen können.
Herr Kollege Czaja, Sie haben keinen Anlaß, mich für einfältig zu halten.
({0})
Ich habe selbstverständlich feststellen lassen, wie hoch die Miete heute wäre.
Einen Moment, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Auch die Vertreter der Bundesregierung haben sich an die Spielregeln zu halten und Bewertungen und ähnliches zu unterlassen.
({0})
Ist die Frage verstanden worden, Herr Staatssekretär?
Haehser, Pari. Staatssekretär: Ich habe sie verstanden, Herr Präsident. Ich hatte nur den Eindruck, daß der Herr Kollege Czaja vermutet, ich hätte nicht den heutigen Mietwert dieser von mir genannten Wohnung errechnet. Der heutige Mietwert liegt bei 6,56 DM pro qm.
({1})
Ich glaube, die Frage ist wirklich nicht verstanden worden. Bitte wiederholen Sie sie ganz kurz, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eine Miete aus der Zeit vor 20 Jahren herausgegriffen und dabei auch einen Namen genannt haben, habe ich Sie gefragt, ob Sie uns aus der gleichen Zeit auch vergleichbare Mieten nennen können.
Dazu hatte ich Ihnen gesagt, Herr Kollege, daß die Unterlagen nach zehn Jahren vernichtet werden. Da es sich aber bei dem damaligen Mieter um den Repräsentanten des Eigentümers, nämlich um den späteren Bundesminister der Finanzen handelte, ist in diesem Fall offensichtlich eine Aufzeichnung übriggeblieben. Anders ist das nicht zu erklären.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, wie viele Ministerialdirektoren und in ähnlicher Position befindliche Personen, die bei den Bundesdienststellen tätig sind, seit 20 Jahren für ihre Wohnungen Mieten zahlen, die sonst nur mit den im sozialen Wohnungsbau gezahlten Mieten vergleichbar sind?
Herr Kollege Müller, ich hatte Ihnen gesagt, nach welchen Kriterien die Bundesregierung vermietet. Diese Kriterien sind lange mit dem Haushaltsausschuß erörtert worden und haben ausdrücklich dessen Billigung gefunden, so daß ich nicht sehe, daß eine weitere Antwort auf
Ihre Frage nunmehr erforderlich ist, zumal ich hinzugefügt habe, Herr Kollege Müller, daß die Bundesregierung Anregungen, die ich aus den Fragen entnommen habe, nachgehen und auch prüfen wird, ob neue Kriterien aufgestellt werden sollten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie vorhin geantwortet, daß die Mieten in fünf der sechs von Ihnen bezeichneten Fällen in den letzten beiden Jahren massiv angehoben worden seien, in einem Fall, so sagten Sie, um 30 %. Läßt das nicht den Schluß zu, daß die Mieten für die betreffenden Objekte bis zu dieser Anhebung wesentlich unter den Mieten gelegen haben, die nach den Maßstäben gerechtfertigt gewesen wären, die Sie uns hier selbst genannt haben?
Herr Kollege Jäger, Sie haben mich in einem Fall falsch verstanden. Diese ziemlich starken Mieterhöhungen sind für alle sechs Objekte vorgenommen worden. Nur in einem Fall hat die Erhöhung dazu geführt, daß die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht wurde. Ich gebe gern zu - das gilt aber für alle 50 000 Wohnungen des Bundes -, daß mit den Mietanhebungen relativ spät begonnen woden ist. Ich gebe das gern zu; dies ist auch vom Rechnungshof einmal aufgegriffen worden.
Das war uns Veranlassung - Herr Kollege Haase, Sie werden sich daran erinnern -, in größeren Schritten die Anhebung der Mieten vorzunehmen. Im Augenblick sind uns Möglichkeiten dazu nicht gegeben, weil wir die Frist der Stillhalteklausel abwarten müssen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Staatssekretär, um der Frage von Herrn Czaja noch einmal nachzugehen: Können Sie mir bestätigen, daß das Beispiel, das Sie aus der Vergangenheit in die Erinnerung gerufen haben, jedenfalls mit der Miethöhe von etwas über 1,80 DM, wenn ich Sie richtig verstanden habe, für eine bundeseigene Wohnung des gehobenen Bedarfs deutlich auch unter der damals vergleichbaren ortsüblichen Miete gelegen hat?
Herr Kollege Westphal, ich kann Ihnen das bestätigen, allerdings nur mit der zusätzlichen Mitteilung, daß ich Beispiele dieser Art, wie ich Sie nannte, nicht gerne nenne.
({0})
Die Bundesregierung hat auch eine Verpflichtung gegenüber ihren führenden Mitgliedern, selbstverständlich auch gegenüber diesem Hohen Haus.
({1})
Ich bin nur deshalb auf dieses Beispiel gekommen,
weil alles Bemühen und stundenlange Erörterungen
über dieses Thema im Haushaltsausschuß nicht dazu geführt haben, daß genügend Aufklärung gegeben worden ist, um Fragen in der heutigen Fragestunde vermeidbar zu machen.
({2})
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob - wie im ,Stern" vom 6. März 1980 ({1}) gemeldet - 92 v. H. der in Neufundland erbeuteten Robbenfelle an die Kürschnerindustrie der Bundesrepublik Deutschland gehen bzw. wie hoch der Anteil tatsächlich ist, und was kann im Verantwortungsbereich der Bundesregierung getan werden, um den Import von ({2}) Robbenfellen zu unterbinden?,
Die deutschen Einfuhren von Robbenfellen aus Kanada betrugen 1976 41300 Stück, 1977 56 200 Stück, 1978 26 650 Stück, 1979 31 700 Stück. Erlaubt wird in Kanada der Fang von 170 000 Tieren pro Saison. Das bedeutet, daß in den zurückliegenden Jahren zwischen 16 % und 33 % der kanadischen Robbenfelle in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurden.
Die erwähnten 92 % in dem zitierten Artikel des „Stern" beziehen sich nur auf die Felle der Robbenart „Klappmützen", die einen nicht näher bekannten Teil der Gesamteinfuhren ausmachen. Die Prozentzahl ist an Hand der statistischen Einfuhrzahlen nicht nachprüfbar.
Die Einfuhr international gefährdeter Tierarten und von Teilen davon richtet sich nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973. Bei den in Rede stehenden Robben handelt es sich nach Ansicht der aus dem Bereich der Tierwissenschaft kommenden Experten des Washingtoner Artenschutzübereinkommens zur Zeit um keine von Ausrottung bedrohten oder sonst ernsthaft in ihrem Bestand gefährdeten Arten.
Nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht kann zwar vorgeschrieben werden, daß die Einfuhr unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt oder verboten ist. Dies wäre jedoch im vorliegenden Fall nur möglich, wenn die Bundesrepublik Deutschland in Form einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, z. B. auf Grund eines Beschlusses der Vereinten Nationen, zur Erfüllung einer derartigen Maßnahme verpflichtet würde.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? Bitte.
Halten Sie die Einfuhr solcher Robbenfelle für ökonomisch in irgend einer Weise unabdingbar und notwendig, und wäre die
Bundesregierung gegebenenfalls bereit, von sich aus - ohne eine solche Anregung von außen -, ein Einfuhrverbot dieser Art anzustreben?
Herr Kollege, dazu hat die Bundesregierung rechtlich keine Möglichkeit. Ein solches Vorgehen würde außerdem auf vielen anderen Gebieten ähnliche Forderungen auslösen können und wirtschaftliche Gegenmaßnahmen hervorrufen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Wolfram ({0}) auf:
Wieviel Fälle der Vernichtung kleiner und selbständiger Existenzen durch Konzentrationspolitik der Mineralölkonzerne und deren Verdrängungswettbewerb ({1}) sind der Bundesregierung aus 1979 bekannt, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Verdrängungs- und Konzentrationswettbewerb in diesem Bereich zu stoppen?
Herr Kollege, die Bundesregierung vermag eine generelle Konzentrations- oder Verdrängungspolitik der Mineralölkonzerne zur Vernichtung kleiner und selbständiger Existenzen im Mineralölhandel nicht zu bestätigen.
1979 wurden in 31 beim Bundeskartellamt anzeigepflichtigen Fällen Mineralölhandlungen von großen Mineralölunternehmen übernommen. Die Zahl der Existenzaufgaben insgesamt dürfte wesentlich größer gewesen sein. Generell scheint es eher um einen längerfristigen Wandlungsprozeß als um eine aktuelle Entwicklung zu gehen. Das macht die Zahl der Betriebsübernahmen im Jahre 1978 deutlich, die nicht niedriger als 1979 war und 39 betrug.
Für den Heizölbereich wird diese Entwicklung wie folgt bestätigt. Von Ende 1969 bis Ende 1978 ist die Zahl der Unternehmen von 19 658 auf 14 385 zurückgegangen, also pro Jahr um durchschnittlich 580. Zahlen für 1979 liegen noch nicht vor. Sie waren in der Kürze der Zeit nicht zu beschaffen. Ich werde sie Ihnen gern zuleiten, sobald sie ermittelt sind.
Im Tankstellenbereich sind 1979 rund 300 freie Tankstellen, nämlich 20 %, stillgelegt worden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Zahl der Unternehmen nicht mit der Zahl der Tankstellen gleichgesetzt werden kann. Soweit sich der selbständige Handel mit Importmineralölprodukten versorgt hat und damit eine wichtige Wettbewerbsfunktion übernahm, mußten und müssen immer dann Probleme auftreten, wenn die Preise am sogenannten Spotmarkt, also am freien Markt in Rotterdam, höher als die Abgabepreise inländischer Raffinerien sind. Die Bundesregierung hat Aktionen gefördert, solche Durststrecken durch Unterstützungsmaßnahmen großer Raffineriegesellschaften zugunsten der selbständigen Händler auf dem Treibstoffsektor zu überbrücken.
Im Heizölbereich liegen seit Ende Januar die Preise auf dem Spotmarkt wieder unter den Preisen der inländischen Raffinerien, woraus sich eine Aufhebung der Belastung des importabhängigen Heizölhandels ergibt. Sofern diese Entwicklung reale Marktchancen erkennen läßt und nicht nur vorüber16590
gehender Natur ist, dürfte die Wieder- oder Neueröffnung selbständiger Mineralölhandlungen keinesfalls ausgeschlossen sein.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, stehen Sie nach wie vor zu der grundsätzlichen Aussage, daß die Marktstrukturen erhalten werden sollen, daß die kleinen und mittleren Selbständigen nicht vom Markt verdrängt werden dürfen, reichen nach Ihrem Dafürhalten die gesetzlichen Möglichkeiten aus, und sind Sie auch bereit, diese anzuwenden?
Herr Kollege, wir halten an dieser Aussage fest. Wir haben ja über Jahre hinweg die außerordentliche Bedeutung gerade dieser kleinen und mittleren Unternehmen und dieser Importeure für den Wettbewerb auf unserem Markt in den Mittelpunkt vieler öffentlicher Äußerungen gestellt. Aber wir können über den gesetzlichen Rahmen, der uns etwa durch das Kartellrecht zur Verfügung steht, nicht hinausgehen. Es gibt auch keine konkreten Vorschläge aus dem betroffenen Bereich selbst, die über das hinausgehen, was wir in der erwähnten Stützungsaktion von seiten der Bundesregierung unternommen haben. Den langfristigen wirtschaftlichen Trend, der schwer vorauszusehen ist, können wir selbstverständlich nicht beeinflussen, auch dann nicht, wenn wir das wollten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wären Sie gegebenenfalls bereit, in Ihrem Hause die beteiligten und betroffenen Verbände zu einer offenen Aussprache über diese Problematik, die offensichtlich für Teilbereiche besorgniserregend ist, zusammenzuführen?
Wir stehen in einem außerordentlich intensiven ständigen Gedankenaustausch und sind selbstverständlich jederzeit bereit, insbesondere wenn es konkrete Anliegen an die Bundesregierung gibt, darüber mit den Betroffenen zu sprechen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Wie hoch und für welche Bereiche technologischer und wirtschaftlicher Kooperation mit der Volksrepublik Polen soll der Kredit des deutschen Bankenkonsortiums sein, fiber dessen Absicherung durch die Bundesrepublik Deutschland Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff verhandelt ({0}), und welches Bürgschaftsvolumen war Gegenstand der Gespräche des polnischen Vizeministers Dlugosz in Bonn?
Bundesminister Graf Lambsdorff hat bei seiner Reise nach Polen am 7. März 1980 die Bereitschaft der Bundesregierung bestätigt, für Exportlieferungen bei Stahlerzeugnissen, synthetischen Fasern, Chemikalien sowie Ersatzteilen und Komponenten im Jahre 1980 Hermes-Bürgschaften für private Exportkredite im Umfang von 500 Millionen DM zu übernehmen. Das grundsätzliche Einverständnis der Bundesregierung zur Übernahme von Bürgschaften für diese Waren
war Polen, bereits Ende 1978 erklärt worden. Die Bundesregierung hat sich damit der Praxis anderer westlicher Länder angepaßt. Weitere, darüber hinausgehende Zusagen für die Absicherung von Bankkrediten sind nicht erfolgt. Die Gespräche mit Vizeaußenhandelsminister Dlugosz hatten nur vorbereitenden Charakter und gingen über die Ergebnisse von Warschau nicht hinaus.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist eine Bürgschaft für einen an bestimmte Lieferungen gebundenen Kredit beabsichtigt, oder steht die Bürgschaft teilweise auch im Zusammenhang mit Umschuldungsaktionen?
Das steht nicht im Zusammenhang, sondern die gesamte angesprochene Hermes-Bürgschaft geht auf polnische Importwünsche zurück, die wir in der hier geschilderten Weise beantwortet haben. Die Kontakte, die die Banken mit Polen in diesen Fragen haben, werden von uns begrüßt. Aber sie betreffen nicht das Thema, das Sie hier angesprochen haben.
Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, führt das große wirtschaftliche Entgegenkommen angesichts der sehr hohen polnischen Verschuldung auch dazu, in Verhandlungen durchzusetzen, was die Bundesregierung bezüglich der kulturellen Betätigungsmöglichkeiten für 1 Million Deutscher in den Oder-Neiße-Gebieten durchzusetzen versprochen hatte - wofür nach den Menschenrechtspakten auch Rechtsansprüche bestehen -?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bereit, zur Überwindung der gegenwärtigen Westhandelsprobleme Polens im Rahmen des Möglichen beizutragen. Wir sind aber nicht der Meinung, daß damit andere für uns wichtige Fragen im Sinn einer Bedingung verknüpft werden sollten.
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Wolfram, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es im Interesse der deutschen Wirtschaft liegt und der Sicherung von Arbeitsplätzen bei uns dient, wenn die Bundesrepublik mit Polen technisch-wirtschaftliche Kooperation vor allem auf Drittmärkten durchführt?
Ich teile diese Meinung. Insbesondere sehen wir die künftigen wirtschaftlichen Möglichkeiten Polens in einer längerfristigen Betrachtungsweise als außerordentlich interessant an. Wir sind vor allem wegen der Rohstoffreserven Polens an der Entwicklung dieser Wirtschaftsbeziehungen sehr interessiert.
Weitere Zusatzfragen? - Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, nachdem in der Offentlichkeit der Eindruck entstanden ist oder erzeugt worden ist, als habe Minister Lambsdorff den Polen 500 Millionen DM versprochen, frage ich Sie: Könnten Sie noch einmal in wenigen Sätzen sagen, was die Hermes-Bürgschaft bedeutet?
Sie bedeutet eine Absicherung konkreter deutscher Exportgeschäfte, die ich hier charakterisiert habe und die im Rahmen unseres Handels in Ost und West ganz üblich sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.
Herr Kollege Grüner, muß ich Ihrer Antwort an den Kollegen Dr. Czaja entnehmen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, auch ihr wirtschaftliches Gewicht einzusetzen, um die berechtigten Forderungen unserer Landsleute - über eine Million Deutscher - in Schlesien, Pommern und dem südlichen Ostpreußen durchzusetzen?
Ich glaube, daß dem Deutschen Bundestag bekannt ist, mit welchem Nachdruck und mit welchem Erfolg sich die Bundesregierung für die Menschen in Polen einsetzt.
({0})
Ich betone aber, daß wir es als einen Rückschlag unserer Möglichkeiten ansehen würden, wenn in dem hier angesprochenen Sinn Fragen verknüpft würden, die wir für nicht miteinander verknüpfbar halten. Das wäre unseren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen und den Interessen der Menschen in diesem Land nach unserer Einschätzung abträglich.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Czaja auf:
In welchen Ländern Nordafrikas werden in Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen mit Bundesbürgschaften Chemieanlagen und Kraftwerke gebaut, und um welche Chemieanlagen und Kraftwerke handelt es sich?
Herr Kollege, bei Errichtung von Großanlagen auf Drittmärkten, z. B. von Chemie- und Kraftwerksanlagen, kommt es häufig zu einer Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Industrieunternehmen auf nationaler und internationaler Ebene. Auch polnische Unternehmen werden in solche Konsortien einbezogen.
Nach Kenntnis der Bundesregierung wirken polnische Unternehmen im Rahmen von Lieferkonsortien bei der Errichtung einer Reihe von Kraftwerks- und Chemieprojekten in Libyen und Algerien mit. Den hier beteiligten deutschen Unternehmen stehen für die jeweiligen deutschen Liefer- und Leistungsanteile Bundesausfuhrbürgschaften zur Verfügung; die anteiligen polnischen Lieferungen bzw. Leistungen sind dagegen nicht durch Bundesbürgschaften erfaßt.
Zusatzfrage? - Bitte.
Wären diese Leistungen von polnischer Seite, die ja für die polnische Nationalwirtschaft eine große Bedeutung haben, möglich, wenn nicht die Träger des Vorhabens für alle Arbeiten und für alle Kredite, die für diese Arbeiten gegeben werden, Bundesbürgschaften erhielten?
. Herr Kollege, ich habe gerade gesagt, daß diese Bundesbürgschaften nur für den deutschen Lieferanteil gegeben werden.
({0})
Es sind wirtschaftliche Interessen, die deutsche Firmen veranlassen, hier mit polnischen Firmen zusammenzuarbeiten. Es ist undenkbar, daß solche Konsortien und Zusammenarbeit auf dritten Märkten zustande kommen, wenn nicht das wirtschaftliche Interesse auch der deutschen Firmen an dieser Zusammenarbeit besteht.
({1})
Insofern ist das ein völlig eigenständiger polnischer Beitrag.
Weitere Zusatzfragen? - Bitte.
Erfolgte hinsichtlich des Baus dieser Chemieanlagen und Kraftwerke unter polnischer Mitwirkung die Auswahl der Länder Libyen und Algerien aus besonderen Gründen, und gibt es entsprechende Anträge auch anderer nordafrikanischer Länder?
Solche Anlagen werden von den Ländern, die ich hier genannt habe, unter härtester internationaler Konkurrenz vergeben. Es wird jedesmal als ein großer Erfolg betrachtet, wenn ein Konsortium zum Zuge kommt, an dem deutsche Firmen beteiligt sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 65 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}), schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Löffler auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird - ebenso wie die Frage 38 des Abgeordneten Löffer - schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 39 und 40 sollen auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Horstmeier, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Jäger ({1}) auf:
Präsident Stücklen
Ist die Bundesregierung bereit, die Notlage der Obst erzeugenden Landwirte in der Bundesrepublik Deutschland dadurch zu lindern, daß sie neben anderen Maßnahmen u. a. der DSG der Deutschen Bundesbahn oder den in der Bundesrepublik Deutschland verkehrenden Fluggesellschaften nahelegt, ihren Fahr- und Fluggästen Frischobst, vor allem Apfel, anzubieten?
Herr Kollege Jäger, ich begrüße es, daß Abgeordnete des Deutschen Bundestages Vorschläge für den besseren Absatz von Frischobst machen. Ich selber habe schon mit Erfolg angeregt, daß die Bundeswehr als Großverbraucher von den günstigen Einkaufsmöglichkeiten für frisches Obst verstärkt Gebrauch macht.
Es ist in erster Linie Aufgabe des Absatzfonds und der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, für den Absatz von Frischobst zu sorgen. Die CMA hat mit erheblichen zusätzlichen Mitteln mehr als 100 Verkaufsaktionen für deutsche Tafeläpfel durchgeführt. Sie hat außerdem erhebliche Exportanstrengungen unternommen und auch eine Reihe von Presseaktionen mit aktuellen Hinweisen auf frisches Obst durchgeführt. Aus Erfahrung weiß ich, daß ale DSG und die Lufthansa in ihrem Einkaufsverhalten sehr unabhängig sind. Dennoch werde ich Ihre Anregungen an den Absatzfonds und an die CMA weiterleiten.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß hier etwas Nützliches für die Landwirtschaft mit etwas Angenehmem für die Fahrgäste verbunden werden kann, denen es heute praktisch nicht möglich ist, in diesen Verkehrsmitteln frische Äpfel zu bekommen, wenn sie das wünschen?
Herr Kollege, ich teile Ihre Auffassung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, worauf es zurückzuführen ist, daß die Verbraucherpreise für Apfel trotz einer fast 30 Prozent größeren Ernte in der Europäischen Gemeinschaft auf derselben Höhe wie im Vorjahr liegen?
Herr Kollege Dr. Ahrens, es trifft nicht zu, daß die Apfelernte 1979 in der Europäischen Gemeinschaft fast 30 % höher als im Vorjahr ausgefallen ist. Sie war mit rund 7 Millionen Tonnen nur knapp 2 % höher als im Vorjahr.
Im übrigen trifft es nicht allgemein zu, daß die Verbraucherpreise auf dem Vorjahresniveau liegen. Vielmehr waren die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik Deutschland im bisherigen Verlauf des Wirtschaftsjahres 1979/80 wesentlich niedriger als im vergangenen Wirtschaftsjahr.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, um wieviel Prozent die Verbraucherpreise bei Qualitätsäpfeln in diesem Jahr niedriger waren als im Vorjahr?
Ich kann Ihnen die Vergleichszahlen - jeweils bezogen auf ein Kilo - für die Monate August, September, Oktober, November und Dezember 1978 und 1979 nennen. August 1978: 2,08 DM, August 1979: 1,68 DM; September 1978: 1,78 DM, September 1979: 1,48 DM; Oktober 1978: 1,52 DM, Oktober 1979: 1,36 DM; November 1978: 1,42 DM, November 1979: 1,28 DM; Dezember 1978: 1,43 DM, Dezember 1979: 1,32 DM.
Weitere Zusatzfrage.
Sind das Durchschnittswerte, die für die gesamte Bundesrepublik gelten?
Die Quelle der Zahlen, die ich hier vorgelesen habe, Herr Kollege, ist das Statistische Bundesamt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Trifft es zu, daß in diesem Jahr in der Europäischen Gemeinschaft bereits 350 000 Tonnen Qualitätsäpfel „aus dem Markt genommen" sind, daß weitere 200 000 Tonnen Qualitätsäpfel noch vernichtet werden sollen, und welche Kosten verursachen diese Aktionen?
Herr Kollege, nach den bisher vorläufigen Angaben der EG-Mitgliedstaaten wurden bis Februar 1980 rund 340 000 Tonnen Äpfel zur Marktrücknahme angemeldet. Dabei ist anzumerken, daß es sich hier hauptsächlich um kleinfrüchtige Äpfel der Güteklasse II handelt. Über den weiteren Verlauf der Interventionsmaßnahmen liegen noch keine Angaben vor. Die Bundesregierung erklärt erneut, daß die Bestimmungen der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse eine Intervention mit dem Ziele der Vernichtung nicht vorsehen. Intervenierte Erzeugnisse dürfen insbesondere folgenden Verwendungszwecken zugeführt werden: Kostenlose Abgabe an karitative Einrichtungen in Form frischer Äpfel bzw. von Saft, Brennen zu Alkohol oder Verwendung zu Futterzwecken. Es handelt sich also ausnahmslos um in der Landwirtschaft übliche Verwendungszwecke und nicht um Vernichtung. Von den 1977/78 in der Gemeinschaft intervenierten Äpfel wurden 82% zu Alkohol verarbeitet, 14 % kostenlos an karitative Verbände verteilt, 4 % verfüttert.
Da das Wirtschaftsjahr 1979/80 noch nicht abgeschlossen ist, können zur Zeit noch keine Angaben über den Umfang der zu erwartenden Kosten für die Interventionsmaßnahmen gemacht werden.
Zusatzfrage? - Bitte.
Können Sie mir auch nicht sagen, Herr Staatssekretär, was die bisherige Intervention in bezug auf die 340 000 Tonnen Qualitätsäpfel gekostet hat?
Herr Kollege, ich muß Sie leider um Verständnis bitten. Uns liegen noch keine abschließenden Zahlen vor.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind auch in der Bundesrepublik Deutschland Qualitätsäpfel, wie es so schön heißt, „aus dem Markt genommen" worden, oder steht eine solche Aktion noch bevor, und um welche Mengen ging bzw. geht es dabei?
Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß bis zum Februar 340 000 Tonnen Äpfel zur Marktrücknahme angemeldet worden sind, und ich glaube, daß dies im großen und ganzen auch vollzogen worden ist. Falls das für gewisse Mengen noch nicht geschehen ist, wird es noch geschehen. Wir können, nachdem der Absatz relativ schleppend ist, natürlich nicht verhindern, daß weitere Mengen, falls sie am Markt nicht abfließen, zur Intervention angemeldet werden. Letztlich bleibt den Erzeugern, die zu hohen Kosten in den CMA-Lagern eingelagert haben, überhaupt nichts anderes übrig. Dabei muß man sagen, daß der Interventionspreis relativ niedrig ist. Ich darf Ihnen auch diese Zahlen einmal nennen, und zwar ausgehend vom Oktober 1979 pro Kilo Interventionsware: Oktober 1979 18 Pfennig, November 18 Pfennig, Dezember 19 Pfennig, Januar 21 Pfennig und Februar 23 Pfennig pro Kilo.
Keine weitere Zusatzfrage? - Doch, Herr Klinker, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß bei diesen Preisen, die Sie eben genannt haben, der deutsche Obstanbau völlig unrentabel wird?
Herr Kollege, ich muß Ihnen leider sagen, daß so, wie die Lage auf dem deutschen Obstmarkt und insgesamt im deutschen Obstanbau ist, wenn also nicht wieder ein höherer Prozentsatz zu einem besseren Preis vermarktet werden kann, große Probleme für den deutschen Obstanbau auftreten werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Lutz, 56 und 57 der Abgeordneten Frau Männle sowie die Fragen 59 und 60 der Abgeordneten Frau Simonis sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 44 des Herrn Abgeordneten Grunenberg auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der vielen gleichzeitig in Betrieb befindlichen TV-Geräte in einem Raum die Strahlenbelastung des Personals in großen Fernsehgeschäften und entsprechenden Abteilungen von Kaufhäusern?
Herr Kollege Grunenberg, wenn es gestattet ist, würde ich gern die Fragen 44 und 45 in Zusammenhang beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden; dann rufe ich auch noch Frage 45 des Abgeordneten Grunenberg auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, daß dieses Personal einen Strahlenpaß führen muß?
Herr Kollege Grunenberg, Fernsehgeräte unterliegen als sogenannte Störstrahler den strengen Vorschriften der Röntgenverordnung. In ihr ist vorgeschrieben, daß im Abstand von 5 cm von der berührbaren Oberfläche des Bildschirms die Strahlendosis auf ein ungefährliches Maß herabgesetzt sein muß. Darüber hinaus muß jedes Fernsehgerät, bei dem auf Grund der elektrischen Betriebsdaten Röntgenstrahlung entstehen könnte, von der zuständigen Landesbehörde der Bauart nach zugelassen sein.
Bei den im Rahmen der Zulassungsverfahren durchgeführten Typprüfungen werden bei den heutigen Fernsehgeräten kaum noch meßbare Strahlenabgaben festgestellt.
Ein Strahlenpaß könnte nur dann sinnvoll sein, wenn die Strahlen an den Personen laufend, z. B. durch das Tragen von Filmplaketten, gemessen werden. Da Fernsehgeräte aber kaum noch Röntgenstrahlen abgeben, treten in Fernsehgeschäften auch beim gleichzeitigen Betrieb von Geräten in größerer Stückzahl keine meßbaren Werte auf.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man dann davon ausgehen, daß die Aussage, die Strahlenbelastung durch ein Kernkraftwerk sei mit der durch ein Fernsehgerät vergleichbar, nicht ganz zulässig ist?
Das würde ich allerdings unterstreichen. Ich will hinzufügen, daß auch wir der Auffassung sind, daß man die Röntgenverordnung noch einmal überprüfen sollte. Wir würden aber in diesem Zusammenhang gern die Überarbeitung der Euratom-Grundnormen abwarten. Vielleicht können wir uns danach - in einem oder in zwei Jahren - erneut über die deutsche Röntgenverordnung unterhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in großen Kaufhäusern zum Teil in einem Karree 30 Fernsehapparate gleichzeitig laufen, damit die Bildqualität dargestellt wird, und daß dementsprechend die Verkäufer in einem Bereich mit dieser noch nicht sicher einzuschätzenden Ausstrahlung herumlaufen?
Herr Kollege, wenn ich noch einmal auf die Hauptantwort zurückgreifen darf: Auch bei einer Massierung von Fernsehgeräten dürften keine belastenden Strahlen auftreten. Ich bin aber gern bereit, diese Frage noch einmal überprüfen zu lassen.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({0}) auf:
Welche Gründe haben den Bundesarbeitsminister veranlaßt, der vom Bundesausschuß Ärzte-Krankenkassen vorgelegten sogenannten Negativliste nach den Vorschriften des § 368p Abs. 8 RVO nicht zuzustimmen?
Herr Kollege Bekker, auch Ihre Fragen würde ich wegen des Zusammenhangs gern gemeinsam beantworten.
({0})
Gut, dann rufe ich zusätzlich Frage 49 des Abgeordneten Dr. Becker ({0}) auf:
Gibt es eigene Vorstellungen seitens des Bundesarbeitsministeriums, wie nunmehr eine solche sogenannte Negativliste gestaltet sein sollte, und wann ist damit zu rechnen, daß eine derartige Liste vorgelegt werden wird?
Herr Kollege Dr. Becker, der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hatte Richtlinien über Arznei-, Verband- und Heilmittel, die nach § 368p Abs. 8 RVO in der kassenärztlichen Versorgung nicht oder nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen, vorgelegt. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung hierzu nicht erteilen können. Die Gründe hierfür, die dem Vorsitzenden des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen am 20. Februar 1980 mitgeteilt wurden, sind vor allem folgende:
Erstens. An der formellen Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Bundesausschusses bestehen Zweifel, die aus Gründen der Rechtsklarheit beseitigt werden müssen.
Zweitens. Ob die vom Bundesausschuß gebrauchten Abgrenzungskriterien - „Publikumswerbung" und „Umfang der Selbstmedikation" - hinsichtlich ihrer Bestimmtheit und ihres Umfangs der gesetzlichen Ermächtigung ausreichend Rechnung tragen, bedarf einer vertieften Prüfung. Insbesondere ist im Richtlinienbeschluß nicht hinreichend erkennbar, inwieweit hierbei die gesetzliche Vorschrift des § 368p Abs. 8 RVO beachtet worden ist.
Drittens. Gegen die vorgelegte Liste bestehen Bedenken, weil in ihr nach Mitteilung von Herstellern Arzneimittel enthalten sind, für die nicht oder nicht mehr geworben wird.
Viertens. Ein weiteres Bedenken besteht angesichts der bisher nicht ausreichend begründeten Auffassung des Bundesausschusses, die im Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Ausnahmeregelung, daß Arzneimittel „bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen" zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden können, nicht vollziehen zu müssen.
Der Bundesausschuß ist daher gebeten worden, seine Beratungen wiederaufzunehmen.
Der Gesetzgeber hat den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen beauftragt, eine sogenannte § 368 p Abs. 8 RVO-Richtlinie zu beschließen. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sieht daher davon ab, dem Bundesausschuß für seine
Entscheidung Empfehlungen mit eigenen Vorstellungen zu geben.
Der Bundesausschuß hat die erneute Beratung noch nicht aufgenommen, so daß ich nicht in der Lage bin, über den Zeitpunkt Auskunft zu geben, wann der Bundesausschuß diese Beratungen abschließen und eine entsprechende Richtlinie beschließen wird.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit bestünden. Beziehen sich diese Bedenken auf das Zustandekommen des Beschlusses oder auf die Grundlage selbst?
Herr Kollege Dr. Becker, das bezieht sich auf die Abstimmung selbst. In der Geschäftsordnung steht, daß mit Mehrheit der Mitglieder abzustimmen ist. Das Abstimmungsergebnis selbst lautete 6 : 5 : 3, d. h. sechs Ja-, fünf Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Bei dieser Abstimmungssituation ist in der Tat unklar, ob diese Richtlinie mit Mehrheit der Mitglieder verabschiedet worden ist.
Eine Zusatzfrage.
Wird das Ministerium diese rechtliche Unklarheit hinsichtlich der Form durch entsprechende Vorgaben beseitigen?
Ich bin jetzt überfragt, Herr Dr. Becker, ob die Regierung hier Möglichkeiten hat. Ich werde das überprüfen und Ihnen eine Antwort zukommen lassen.
Eine Zusatzfrage.
Die Frage der Kriterien spielte in Ihrer Antwort eine besondere Rolle, Herr Staatssekretär. Im Gesetz wird ja davon gesprochen, daß Arzneimittel, die bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Sie sprachen davon, daß die Aufstellung dieser Kriterien von Ihnen nicht beeinflußt werden soll. Bedeutet das nicht ein Zurückziehen in einer Situation, in der Sie den Verantwortlichen eigentlich eine Hilfe geben sollten?
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß man das so werten darf. Wenn wir darum bitten, diese Richtlinie zu erstellen, ist es, glaube ich, nicht angebracht, auch gleichzeitig die Inhalte mit vorzugeben. Ich meine, die Fachleute, also die Ärzte und die Vertreter der Krankenkassen, müßten eigenständig zu dem Ergebnis kommen. Allerdings müssen die Inhalte, die rechtlich vorgegeben sind, beachtet werden. Das gilt wohl insbesondere für die Frage der Härteregelung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Egert.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir in der Einschätzung überein, daß angesichts der
Unübersichtlichkeit des Arzneimittelmarktes die Regelung nach § 368p Abs. 8 RVO dringend geboten wäre, und stimmen Sie mir weiterhin in der Feststellung zu, daß der Gesetzgeber, wenn die gesetzliche Ermächtigung für diese Richtlinie als nicht ausreichend anzusehen ist, aufgerufen ist, sie vor dem Hintergrund dieser Notwendigkeit schärfer zu fassen?
Herr Kollege Egert, hinsichtlich der Dringlichkeit sehen wir das genauso. Deshalb hat die Bundesregierung den Ausschuß auch so schnell gebeten, die Beratungen erneut aufzunehmen.
Wir gehen davon aus, daß die gesetzliche Regelung zu erfüllen ist. Im übrigen sind auch wir der Auffassung, daß Eile geboten ist.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Dann rufe ich die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Franke auf:
Stimmt es, daß der Bundesarbeitsminister frühzeitig den Bundeskanzler Schmidt oder das Bundeskanzleramt ({0}) schriftlich und mündlich auf die bedrohliche Finanzentwicklung in der Rentenversicherung hingewiesen hat?
Herr Kollege Franke, auch in diesem Fall würde ich die beiden Fragen gern zusammen beantworten, da ein Zusammenhang besteht.
Ich möchte sie gern getrennt beantwortet wissen.
Herr Kollege Franke, selbstverständlich hat es in den Jahren 1975 und 1976 - wie in den Jahren vorher und nachher - wiederholt Unterrichtungen über die Finanzsituation und Entwicklung der Rentenversicherung gegeben; mündlich wie schriftlich, auch persönliche des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung gebenüber dem Herrn Bundeskanzler und von seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung gegenüber dem Bundeskanzleramt sowie den übrigen Ressorts.
Fragen der Altersversorgung im allgemeinen und stabile Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung im besonderen waren und sind für die Bundesregierung der sozialliberalen Koalition stets von zentraler Bedeutung.
Unterrichtet über die aktuelle und längerfristige Finanzentwicklung der Rentenversicherung wurde im übrigen aber auch, wie Sie sich erinnern werden, der Deutsche Bundestag, z. B. anläßlich der Vorlage und Beratung des Rentenanpassungsberichts 1976, der vom Bundeskabinett am 29. Oktober 1975 verabschiedet und im Plenum des Deutschen Bundestages am 20. Februar und am 8. April 1976 beraten wurde.
Der Rentenanpassungsbericht 1976 bildete, wie Sie, Herr Kollege Franke, weiter wissen, die Basis, auf der Koalition und Opposition am 8. April 1976 einmütig das 19. Rentenanpassungsgesetz verabschiedeten und auf der sie gemeinsam zu der Einschätzung kamen, daß eine Rentenerhöhung um 11 v. H. zum 1. Juli 1976 mit der Finanzlage der Rentenversicherung vereinbar sei.
Im nachhinein wissen wir, daß die Auswirkungen der Weltwirtschaftsrezession eine kurzfristige Rückkehr zur Vollbeschäftigung nicht zugelassen haben. Wir alle wissen, daß die auf diesen wirtschaftlichen Prognosen gegründeten Einschätzungen so nicht eingetroffen sind und sich entsprechend die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin ungünstiger entwickelten.
Kein anderer - Herr Kollege Franke, gestatten Sie mir diese persönliche Bemerkung - hat diese Fehleinschätzung auch öffentlich aufrichtiger bedauert als der Herr Bundeskanzler.
Wie kann es, Herr Staatssekretär, nach Ihrer Meinung dazu gekommen sein, daß der Herr Bundeskanzler noch am 8. April 1976 und am 30. Oktober 1976 zu einer so positiven Einschätzung kam, obwohl alle Fachleute Hinweise auf die bedrohliche Finanzentwicklung gaben - dasselbe gilt für die Debatte zum 19. Rentenanpassungsbericht am 8. April 1976 -, und daß der Herr Bundeskanzler ein paar Tage nach der Bundestagswahl plötzlich das „dickste Problem" erkannt hatte?
Herr Kollege Franke, Ihre Feststellung ist falsch. Nicht alle Fachleute haben zu diesem Zeitpunkt so gedacht, wie Sie es gerade vorgetragen haben.
Ich darf noch einmal auf die einzelnen Diagnosen hinweisen, die damals abgegeben worden sind.
Herbstdiagnose 1975: Bruttosozialprodukt nominal plus 8 v. H., Pro-Kopf-Löhne plus 6,5 v. H.; Frühjahrsdiagnose 1976: Impulse für konjunkturelle Entwicklung sind relativ stark einzuschätzen; Bruttosozialprodukt nominal plus 9 v. H., Pro-Kopf-Löhne plus 7,5 v. H.
DIW und Ifo im Juni 1976: zügige Entfaltung des Konjunkturaufschwungs - DIW -, Bruttosozialprodukt nominal plus 9,5 bis 10 v. H.
Entsprechend wurden auch die Annahmen des interministeriellen Schätzerkreises angehoben, und zwar für die Löhne pro Kopf von plus 7 v. H. im Dezember 1975 auf plus 8 v. H. im Mai 1976. Sie mögen daraus erkennen, daß damals die wesentlichsten wissenschaftlichen Institute zu anderen Ergebnissen gekommen sind, als Sie es gerade sagten.
Zusatzfrage, bitte.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß die zuständigen Beamten des Arbeitsministeriums zu diesem Zeitpunkt, über den wir gerade sprechen - Jahreswende 1975/76 bis zur Mitte des Jahres 1976 - Alternativrechnungen vorgelegt haben, die beinhalten, daß mit einer Finanzkrise in der Rentenversicherung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei?
Herr Kollege Franke, auch dies ist falsch. Die Beamten waren beauftragt, mehrere Variationen sowohl von der Einkommenserwartung als auch von der Beschäfti16596
gungssituation her vorzulegen. Dies haben sie gemacht.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, würden Sie mit bestätigen, daß der Rentenanpassungsbericht, von dem Sie sprachen, hier insbesondere die Vorausschätzung der Finanzentwicklung, die Funktion eines Frühwarnsystems hinsichtlich der Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung hat? Und wie kam es angesichts dieses Frühwarnsystems zu der totalen Fehleinschätzung des Bundesarbeitsministeriums, aber auch des Bundeskanzlers über die Beurteilung der finanziellen Entwicklung der Rentenversicherung für das Jahr 1976 und die folgenden Jahre?
Herr Kollege Müller, dies kann damals nicht eine totale Fehleinschätzung allein der Regierung gewesen sein; denn sonst hätten Sie nicht noch im Laufe des Jahres 1976 eine Garantie für die Rentenerhöhung zum 1. Juli 1977 abgeben können,
({0})
die dann mit 10% erfolgte.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Staatssekretär, ich möchte auf Ihre letzte Antwort zurückkommen. Sie hatten vorher festgestellt, es treffe zu, daß in den Jahren 1975 und 1976 auch der Opposition im Deutschen Bundestag alle wichtigen Zahlen und Berechnungen zugänglich waren, die zur Beurteilung der Finanzlage der Rentenversicherung notwendig waren. Wenn der Kanzlerkandidat des Jahres 1976, Herr Kohl, die Sozialgarantie, wie Sie soeben sagten, für die Rentenerhöhung von 10 % zum 1. Juli 1977 abgegeben hat, läßt sich dann daraus schließen, daß auch die Oppsositionsparteien zum damaligen Zeitpunkt nicht mit größeren finanziellen Schwierigkeiten der Rentenversicherung gerechnet haben, oder gibt es andere Gründe dafür, daß der damalige Kanzlerkandidat der Opposition diese Sozialgarantie abgegeben hat?
Herr Kollege Glombig, ich möchte das wiederholen. Der Rentenanpassungsbericht ist hier im Hause diskutiert worden.
({0})
Nicht nur die Koalition, sondern auch die Opposition, also das Haus gemeinsam, haben der Rentenerhöhung zugestimmt. Ich will hinzufügen: Nicht nur Herr Kohl, sondern auch Herr Strauß haben damals wiederholt erklärt, daß diese Rentenanpassung von 10 bis i 1 % zu zahlen sei. Dafür würden sie geradestehen.
({1})
Wenn das also so war, konnte die Opposition damals nicht von anderen Zahlen und Einschätzungen als die Regierung und die Koalition ausgehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Kollege Buschfort, diese Fragen sind nur vor dem Hintergrund verschiedener Reden aus dem Frühjahr 1976 zu verstehen. Ich möchte Sie gern fragen, ob es stimmt, daß sich die Schwankungsreserve der Rentenversicherung, also der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung, von 1974 mit dem Höchststand von 44,3 Milliarden DM bis zum Ende 1976 auf 35,8 Milliarden DM, also um 8,5 Milliarden DM, gesenkt hat. Und wiesen nicht schon die Vorausschätzungen 1976 eine weitere negative Entwicklung der Rentenfinanzen aus? Das alles frage ich vor dem Hintergrund einiger Reden im Frühjahr 1976.
Einen Augenblick. Ich möchte eine Bemerkung machen. Diese Frage war ganz kurz und präzise zu beantworten; die Frage war mit „ob" formuliert. Aber da Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, hier inhaltlich das Rentenproblem dargestellt haben, muß ich diese Fragen zulassen, die ich normalerweise nicht zulassen würde.
({0})
Herr Kollege Müller, ich wiederhole: Von einer bedrohlichen Finanzentwicklung konnte bei einem Rücklagenstand von 43 Milliarden DM kaum die Rede sein. Der Schlüssel war vielmehr die Einschätzung der mittel- und der langfristigen Wirtschaftsentwicklung. Herr Kollege Müller, Sie wissen so gut wie ich, daß wir uns mehrfach über Liquiditätsfragen unterhalten haben. Das ist aber ein ganz anderes Thema als die sogenannte Rücklagenentwicklung. Die Liquiditätsschwierigkeiten waren uns bekannt. Die Rücklage war allemal ausreichend, um die notwendigen Ausgaben zu finanzieren.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, von Ihrer soeben gegebenen Antwort ausgehend frage ich: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß die Schwankungsreserve, in Monatsausgaben gemessen, ab 1973, als das Rücklagenpolster noch 9,3 Monatsausgaben betrug, laufend zurückgegangen ist, und bedeutet dies nicht, daß sich die Finanzsituation der Rentenversicherung einer Krise nähert?
Herr Kollege, diese Fragen werden in jedem Jahr erneut mit dem Rentenanpassungsbericht diskutiert. Natürlich hat man gewisse Schwierigkeiten, wenn man über 5 bzw. "15 Jahre Vorausschätzungen vornehmen muß.
Damals hatten wir eine wirtschaftlich schwierige Situation. Sie wissen, daß Hunderttausende von Ausländern in die Heimat zurückgegangen sind und daß es weniger Überstunden gab. Daß dies die RenParl. Staatssekretär Buschfort
tenfinanzen beeinträchtigt hat, war uns allen klar, aber die damaligen Wirtschaftsdaten, die wir zugrunde legen mußten, ließen auch die damaligen 15Jahres-Rechnungen zu, allerdings unter der Voraussetzung, daß die einzelnen Kriterien auch eintreffen. Wenn dann die wirtschaftliche Entwicklung anders verläuft, kann natürlich auch die Berechnung nicht mehr stimmen.
Ich finde es geradezu eigenartig, daß die Opposition diesen Punkt so herausstellt. Sie wissen, daß wir noch 1972 davon ausgegangen sind, daß die Rentenversicherung in der 15-Jahres-Rechnung eine Rücklage in Höhe von über 200 Milliarden DM haben würde. Dann kam es ganz anders. Das läßt sich eben nicht vorausschätzen. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, ob es überhaupt gut ist, eine 15Jahres-Rechnung im voraus bestimmen zu wollen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu.
Herr Abgeordneter Egert, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß zum Verständnis der damaligen Fehleinschätzung die Erkenntnis gehört, daß das vorher prognostizierte Vermögen - Sie haben das soeben selbst angesprochen - mit der langfristigen Rentenvorausschau offensichtlich kein geeignetes Instrumentarium war und daß diese Einschätzung bei den Diskussionen um das 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz von allen Fraktionen einvernehmlich geteilt worden ist und insofern der Versuch einer neueren Geschichtsschreibung ein bißchen fragwürdig ist?
({0})
Herr Kollege Egert, ich freue mich besonders, daß Sie noch einmal auf dieses Problem aufmerksam machen, und zwar deshalb, weil Sie als Obmann für diese Fragen in der SPD-Fraktion ein gewisses Gewicht haben.
({0})
- Nicht nur körperlich, Herr Kollege Egert.
({1})
Herr Staatssekretär, auch Ihren eigenen Parteifreunden gegenüber ist es nicht gestattet, eine Bewertung vorzunehmen.
({0})
- Ich wollte dem Herrn Staatssekretär die Gelegenheit geben, das Wort „gewisses" zurückzunehmen.
({1})
Herr Kollege Egert, Sie haben natürlich völlig recht, daß man mit schlechten Eingangsdaten, die hochgerechnet werden, auch nicht zu vernünftigen langfristigen Ergebnissen kommen kann, es hingegen noch gefährlicher ist, gute Eingangsdaten 15 Jahre lang hochzurechnen. Beides birgt einen ganz beachtlichen Unsicherheitsfaktor. Ich denke, daß man, wenn das Rententhema ein bißchen versachlicht ist, auch noch einmal über diese Fragen diskutieren sollte. Denn die Erfahrungen der Jahre 1972 und 1974 zeigen uns ganz deutlich, daß wir mit den damaligen langfristigen Berechnungen nicht gut gefahren sind.
Die letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Möller.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die von Ihnen soeben erwähnten von Dr. Kohl und Dr. Strauß damals gegebenen Zusagen zur Rentenanpassung eine gesetzliche Folge der von der CDU-geführten Regierung eingeführten bruttolohnbezogenen Rente gewesen ist?
({0})
Ach, Herr Kollege, so genau haben Sie es mit der gesetzlichen Folge ja wohl nicht genommen, denn sonst hätten Sie 1958 nicht die Zahlung für ein ganzes Jahr ausfallen lassen können.
({0})
Ich rufe Frage 51 des Herrn Abgeordneten Franke auf:
Zu welchem Zeitpunkt vor der Bundestagswahl 1976 ist eine solche Unterrichtung erfolgt?
Herr Kollege Franke, Ihre zweite Frage kann ich nicht beantworten, weil ich bereits im ersten Teil verneinen mußte, daß es sich damals um eine „bedrohliche Finanzentwicklung" gehandelt habe.
Zusatzfrage.
Herr Kollege, ich möchte einmal fragen, ob Ihnen nicht in Erinnerung ist, daß wir in diesem Hause z. B. am 16. Januar und unter anderem auch am 8. April - auf das Datum haben wir soeben schon gemeinsam aufmerksam gemacht - unter Bezugnahme auf die Daten der Rentenversicherung darauf hingewiesen haben, daß erstens Liquiditätsschwierigkeiten auftreten werden und zweitens ein erheblicher Abfluß der Rücklagen in der Rentenversicherung auf Grund der bis dahin erkannten wirtschaftlichen Daten unweigerlich die Folge sein müßte.
Herr Abgeordneter Franke, hier oben ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär kein Kollege. Nur wenn er da unten sitzt. Hier ist er Vertreter der Regierung, Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich bitte aber - nachdem wir schon bei der Frage vorher, Frage 50, eine Rentendebatte mit eingeleitet haben -, die Zusatzfragen doch auf den Kern zu beschränken.
({0})
- Ja. - Ich bitte also auch Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, danach zu verfahren.
Herr Kollege Franke, Ihre Schlußfolgerung ist auch hier falsch. Denn bis heute war die Rentenversicherung liquide.
({0})
Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort, darf ich noch einmal darauf abheben, daß dieses Haus, der Sozialbeirat beim Bundesarbeitsministerium und der Verband der Rentenversicherungsträger schon an der Wende des Jahres 1975/76 auf die bedrohliche Entwicklung in der Rentenversicherung hingewiesen haben und daß Sie als Regierung - insbesondere der Kanzler
- die entsprechenden Schlußfolgerungen daraus nicht gezogen haben?
Herr Kollege, der Sozialbeirat hat damals die Gewährung der Rentenhöhe durchaus bestätigt. Sich jetzt auf den Sozialbeirat zu beziehen, ist angesichts des damaligen Berichts und der Vorschläge falsch.
({0})
- Ja.
({1})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, würden Sie so freundlich sein, mir zu bestätigen, daß die CDU/CSU in den Ausschußberatungen gerade im Zusammenhang mit dem 19. Rentenanpassungsgesetz und insbesondere mit dem dazugehörigen Rentenanpassungsbericht, einen Antrag eingebracht hat, wonach man nicht mehr nur eine 15jährige Vorausschau, sondern eine mittelfristige Vorausschau nehmen sollte, dies aber von den Koalitionsparteien abgelehnt worden ist und diese sich mit einer entsprechenden Entschließung begnügt haben?
Bitte, keine Debatte!
({0})
- Das bezweifle ich ja gar nicht. Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Herr Kollege Müller, ich habe einen solchen Antrag nicht mehr in Erinnerung. Ich will allerdings hinzufügen, daß wir über diese Fragen im Zusammenhang mit der Antwort, die ich vorhin Herrn Egert gegeben habe, gern noch einmal sprechen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Staatssekretär, wenn es zutrifft, daß die Rentenanpassung zum 1. Juli 1976 im Deutschen Bundestag einstimmig beschlossen worden ist, trifft es dann auch zu, daß alle Rentenanpassungen bis 1976 im Deutschen Bundestag einstimmig beschlossen worden sind? Und trifft es ferner zu, daß die CDU/CSU, wenn sie damals bereits von der Notwendigkeit einer Rentenkonsolidierung überzeugt gewesen wäre, sich damit den Vorwurf zugezogen haben müßte, unverantwortlich gehandelt zu haben?
({0})
Herr Kollege Glombig, es ist richtig, die Opposition hat den Rentenerhöhungen jeweils zugestimmt. Als es allerdings um die Konsolidierung ging, hat sie nicht zugestimmt. Ich muß sagen, ich sehe darin auch einen gewissen Widerspruch. Denn die Konsolidierung wurde ja nur in Anbetracht der Ausgaben, d. h. also der Rentenverbesserungen, notwendig.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.
Herr Staatssekretär, nach Ihrer sehr aufschlußreichen Darstellung über die heile Finanzwelt im Bereich der Rentenversicherung im Jahre 1976 möchte ich Sie doch noch einmal fragen, was denn der Bundeskanzler ganz konkret gemeint hat, als er gesagt hat, es gebe da ein Problemchen.
Herr Kollege, dieses „Problemchen" war sicherlich auf dem Hintergrund der damaligen Wirtschaftsdaten zu bewerten. Es gab ja auch in der Tat einige Fragen. Ich möchte nur an eines erinnern. Vielleicht haben Sie damals dem Bundestag noch nicht angehört oder Sie sind mir persönlich nicht aufgefallen; ich weiß es nicht. Sie erinnern sich aber vielleicht noch daran, daß wir damals ein Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz behandelten, dieses aber in dem hier entscheidenden Punkt aus Zeitmangel nicht mehr verabschiedet werden konnte. Dadurch entstand natürlich ein Problem, weil die weitere Überzahlung der Rentenversicherung an die Krankenversicherung erfolgte. Dies soll nur ein Hinweis darauf sein, daß es damals Fragen gegeben hat. Ich bedauere, wenn Sie das selber nicht gewußt haben.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß der Opposition die gleichen Daten vorlagen und sie auf Grund dieser Daten - auch der Daten, die dem Sozialbeirat und den Rentenversicherungsträgern vorlagen - dann dem 19. Rentenanpassungsgesetz zugestimmt hat?
Herr Kollege Kirschner, das ist zutreffend, denn dieser Rentenanpassungsbericht ist ja hier im Bundestag diskutiert worden. Dazu hat es Diskussionsbeiträge gegeben. Darüber hinaus sind diese Vorgänge auch in den jeweils zuständigen Ausschüssen behandelt worden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Trifft es zu, daß asylsuchende Ausländer von der Bundesanstalt für Arbeit in Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln sind während dies bei Familienangehörigen angeworbener ausländischer Arbeitnehmer nicht geschieht, weil diese keine Arbeitserlaubnis erhalten?
Herr Kollege Müller, wenn Sie es gestatten, würde ich gern die Fragen
52 und 53 zusammenhängend beantworten.
({0})
Dann rufe ich noch die Frage
53 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Wie viele Asylbewerber haben sich als Arbeitsuchende gemeldet, und wie viele wurden vermittelt?
Asylsuchende Ausländer erhalten während des Asylverfahrens eine in der Regel auf eine bestimmte Tätigkeit beschränkte Arbeitserlaubnis, wenn ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Die Zahl der Asylbewerber, die sich arbeitsuchend melden, wird nicht statistisch erfaßt. Vermittlungszahlen liegen daher nicht vor.
Für Familienangehörige ausländischer Arbeitnehmer gilt folgende, im vergangenen Jahr auch im Bundestag erörterte Regelung: Ehegatten ausländischer Arbeitnehmer erhalten eine Arbeitserlaubnis für Bereiche mit besonderen personellen Engpässen, wenn sie sich vier Jahre - unter bestimmten Voraussetzungen drei Jahre - im Bundesgebiet aufgehalten haben.
Kinder ausländischer Arbeitnehmer erhalten nach zweijähriger Wartezeit ohne Einschränkung auf bestimmte Wirtschaftsbereiche eine Arbeitserlaubnis. Auf die Einhaltung der Wartezeit kann verzichtet werden, wenn der Jugendliche an berufsvorbereitenden Maßnahmen von mindestens halbjähriger Dauer teilgenommen hat.
Abgesehen von Härtefällen, in denen die Wartezeitregelung auf Ehegatten und Kinder ausländischer Arbeitnehmer keine Anwendung findet, wird auch nach Ablauf der Wartezeit der Vorrang deutscher und gleichberechtigter ausländischer Arbeitnehmer beachtet.
Die unterschiedliche Regelung für Asylbewerber und Familienangehörige ausländischer Arbeitnehmer beruht darauf, daß vor Abschluß des Asylverfahrens nicht festgestellt werden kann, ob der asylsuchende Ausländer in seinem Herkunftsland tatsächlich politisch verfolgt worden ist. Die Versagung der Arbeitserlaubnis für die Dauer des Asylverfahrens würde bedeuten, daß den Antragstellern versagt würde, sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Die finanziellen Auswirkungen einer solchen Regelung hätten dann die Sozialhilfeträger und damit die Gesamtheit der Steuerzahler zu tragen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist nicht zu beobachten, daß Ausländer - ich nenne
z. B. die Türken, weil diese vorhin in einem anderen Zusammenhang angesprochen wurden - zur Umgehung der Regelung nach § 19 AFG, wonach Nichtdeutsche im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes zur Beschäftigung eine Erlaubnis der Bundesanstalt brauchen, einfach einen Asylantrag stellen?
Herr Kollege Müller, gesicherte Erkenntnisse liegen hierüber nicht vor. Ich kann aber nicht ausschließen, daß dies geschieht.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Haben Sie eine Erklärung dafür, daß die Asylsuchenden, die ja nicht aus der näheren Umgebung bzw. der EG kommen, über die Möglichkeit, in Arbeit vermittelt zu werden und, falls nicht möglich, Arbeitslosenhilfe zu bekommen, aufgeklärt werden?
Herr Kollege Müller, zunächst einmal folgendes: Die Angehörigen der EG haben überhaupt keine Begrenzung.
({0})
Zweitens: Diejenigen, die eine Arbeitserlaubnis haben, werden hier ebenfalls auszuschließen sein.
Der dritte Bereich ist zweifellos der Bereich der türkischen Arbeitnehmer, die wir mit Rücksicht auf die große Zahl der Ehefrauen und Kinder in eine Wartezeitregelung einbezogen haben.
Richtig ist, daß Sie sagen können: Hier ist doch ein Unterschied vorhanden. Das gestehe ich zu. Allerdings möchte ich mir nicht anmaßen, in diesem Falle vorab schon die Entscheidungen der hiermit befaßten Gremien vorwegzunehmen. Ich kann also nicht sagen, man müsse sie wie die anderen behandeln, obwohl man noch gar nicht weiß, ob es nicht in der Tat berechtigte Asylanten sind.
Zu einer Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es Anhaltspunkte, aus denen erkennbar ist - oder können Sie solche Beobachtungen anstellen -, daß es eine organisierte, nicht ganz uneigennützige Zuführung von Asylsuchenden zum Arbeitsamt gibt, ähnlich wie es zum Beispiel in Berlin eine solche Organisation gab, die Asylsuchende zum Sozialamt führte, um ein für diesen Personenkreis relativ hohes Einkommen entgegenzunehmen und die anderen dadurch zu finanzieren? Konnten Sie feststellen, daß es so etwas auch auf diesem Gebiet gibt?
Herrr Kollege Müller, ich bin eigentlich für diese Frage nicht zuständig. Ich persönlich möchte allerdings annehmen, daß es so sein kann. Gesicherte Erkenntnisse müßte Ihnen freilich dann wohl der Innenminister mitteilen. Ich will gerne veranlassen, daß die Frage gestellt wird, ob es eine organisierte Zuleitung von Asylanten gibt; ich selber kann dies, wie gesagt, aus der Sicht des Arbeitsministeriums nicht bestätigen.
Werden Zusatzfragen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Kraus auf. - Er ist nicht im Saal. Dann wird diese Frage schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für die vom Abgeordneten Kraus ebenfalls gestellte Frage 55. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich teile mit, daß die Fragen 61 und 62 des Abgeordneten Pfeffermann auf Wunsch des Fragenstellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 der Abgeordneten Frau Hürland auf:
Ist die Bundesregierung informiert, daß Schwerbehinderte bei Ausstellung ihrer Ausweise durch die Versorgungsämter ungebührlich lange Wartezeiten von acht Monaten und länger in Kauf nehmen müssen und dadurch u. a. vom kostenlosen Nahverkehr ausgeschlossen sind, und wenn ja, welche Schritte hat sie unternommen, diese Wartezeiten abzubauen, und ist eventuell daran gedacht, die Ausstellung der Ausweise zumindest vorübergehend an die Kreisverwaltung zu delegieren?
Frau Kollegin Hürland, die Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ist, soweit es um das Verfahren zur Anerkennung als Schwerbehinderter und die Ausstellung von Schwerbehinderten-Ausweisen durch die Versorgungsämter geht, Angelegenheit der Länder.
Der Bund hat auf die personelle und organisatorische Ausstattung der Versorgungsämter keinen unmittelbaren Einfluß. Die Länder wurden aber wiederholt gebeten, durch eine ausreichende Personalausstattung und organisatorische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß die Bearbeitungsdauer von Anträgen auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und auf die Ausstellung von Ausweisen so weit wie möglich herabgesetzt wird.
Allerdings kommt eine auch nur vorübergehende Delegation der Ausstellung der Ausweise auf andere Stellen nicht in Betracht. Sie würde die Probleme nicht lösen, die die Versorgungsämter zu bewältigen haben. Die Probleme würden vielmehr in gleicher Weise auch bei diesen anderen Stellen auftreten. Außerdem träten Verzögerungen ein, wenn am Verfahren zwei verschiedene Verwaltungen beteiligt würden: die Versorgungsämter mit ihrem ärztlichen Dienst mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und der Beurteilung des Grades der MdE sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale und eine andere Stelle mit der Ausstellung des Ausweises auf Grund der getroffenen Feststellungen.
Frau Hürland zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich eine Regelung vorstellen, wonach den Behinderten, die vorübergehend nicht in den Genuß der Freifahrt im Nahverkehr kommen, die zusätzlich entstandenen Kosten ersetzt werden könnten?
Frau Kollegin, ich kann mir eine solche Regelung bürotechnisch einfach nicht vorstellen. Allerdings haben wir immer
wieder die Versorgungsämter gebeten, dringliche Fälle vorab zu behandeln. Dies waren in der Vergangenheit meistens Fälle im Zusammenhang mit Kündigungsschutzprozessen oder aber im Zusammenhang mit Lohnsteuerermäßigungsanträgen. Ich bin sicher, daß nicht nur die Frage der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, sondern auch der Inanspruchnahme dieser Fahrvergünstigungen ein wichtiger Punkt ist. Ich will gern veranlassen, daß die Versorgungsämter noch einmal insbesondere auf diesen Punkt hingewiesen werden.
Eine Zusatzfrage bitte.
Sie haben mit den Ländern verhandelt und um Personalaufstockung bei den Versorgungsämtern gebeten, Herr Staatssekretär. Haben Sie auch verfolgt, ob diese Ihre Bitte Erfolg gehabt hat, bei welchen Ländern in welchem Maße?
Frau Kollegin Hürland, ich kann Ihnen ein eigenes Erlebnis vortragen. Bei einem Versorgungsamt waren kurzfristig 54 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt worden. Ich glaube auch gar nicht, daß die Zahl der Arbeitskräfte so sehr das Problem ist. Vielmehr meine ich, es gibt einen Engpaß bei den ärztlichen Begutachtungen. Dies kann man eben nicht kurzfristig verändern. Denn die Zahl der Ärzte, die bereit sind, in den öffentlichen Dienst zu gehen, ist sehr gering, und bei anderen Ärzten ist die Dauer der Begutachtungen zur Zeit immer noch sehr erheblich.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende der Fragestunde.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Agrarberichts 1980 der Bundesregierung
- Drucksachen 8/3635, 8/3636 Das Wort zur Einbringung des Agrarberichts hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Beginn der 80er Jahre blicken wir mit Sorge auf weltumspannende politische und ökonomische Entwicklungen, von denen auch die Landwirtschaft - in Deutschland, in Europa und in der Welt - betroffen wird.
Die Kostenexplosion und die Verknappung beim 01 zeigen Wirkungen auf Wirtschaft und Landwirtschaft bei uns und mehr noch in den bisher schon benachteiligten Regionen der Erde. Nahrungsmittel werden als ein Instrument der Politik angesehen und eingesetzt. Man mag dies begrüßen oder auch für falsch halten, es ist eine Tatsache, mit der zu rechnen ist. Einseitige Nutzung des Bodens gefährdet regional das ökologische Gefüge unserer Erde.
In der Gemeinschaft werden Grenzen der Finanzierbarkeit des Agrarmarktes sichtbar. Parlamente und Regierungen haben angezeigt, daß sie nicht ohne weiteres bereit sind, die Finanzmittel angeBundesminister Ertl
sichts wachsender Kosten der Agrarmarktpolitik zu erhöhen.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, diskutieren wir heute, wie alljährlich, die Lage der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Die Ergebnisse des Agrarberichts liegen Ihnen vor. Die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation zeigt auch hier ihre Spuren.
Im Durchschnitt aller Vollerwerbsbetriebe verzeichnen wir im abgelaufenen Wirtschaftsjahr einen Einkommensanstieg von 2,9 % auf einen Wert von 24 780 DM Reineinkommen je Familienarbeitskraft. Was die Einkommensvorausschätzung für 1979/80 anbelangt, so ist sie alles andere als erfreulich. Bei den bekannten Risiken einer solchen Vorschätzung wird es einerseits auf die tatsächliche Markt- und Preisentwicklung ankommen und andererseits auf die Entwicklung der Kostenfaktoren.
Die Einkommenserwartung in der Landwirtschaft wird zweifelsohne am stärksten durch die Energieverteuerung beeinträchtigt. Daß in unserem Lande 1979 insgesamt ca. 20 Milliarden DM mehr für Ölimporte ausgegeben wurden, erfordert von unserer gesamten Gesellschaft Konsumverzicht. Die Landwirtschaft mußte 1979 allein im betrieblichen Bereich ca. 1 Milliarde DM mehr für 01 ausgeben. Aber sie steht damit, wie gesagt, nicht allein da.
Besonders stark wurden die Unterglasbetriebe von der Ölverteuerung betroffen. Mit der in diesem Jahr vorgesehenen Liquiditätshilfe von 6 Pfennigen pro Liter Heizöl wird hier wenigstens ein teilweiser Ausgleich geschaffen werden können. Das Problem der Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu den Niederlanden ist damit aber noch nicht vom Tisch. Es läßt sich langfristig nur durch die Beseitigung der Sondertarife für Erdgas zugunsten niederländischer Gartenbaubetriebe abbauen. Die Bundesregierung hat sowohl die Kommission als auch die niederländische Regierung zum Handeln veranlaßt. Die Kommission will dem Rat in Kürze einen Bericht vorlegen.
Im Gartenbau gibt es andererseits auch Bereiche, wie Zierpflanzen- und Baumschulbetriebe, mit günstiger Einkommensentwicklung.
Die Ertragslage der Forstwirtschaft hat sich infolge steigender Holzpreise verbessert. Hier zeigen sich auch einmal positive Auswirkungen der Rohstoff- und Energieverknappung für einen Wirtschaftszweig.
Dies ist aber nur die wirtschaftliche Seite. Ebenso wichtig für den Bürger ist der Beitrag der Forstwirtschaft für Naturhaushalt und Landschaft, für die Reinhaltung von Wasser, Boden und Luft sowie für die vielen Menschen, die im Wald Erholung suchen. Dafür möchte ich unseren Waldbesitzern und Förstern hier einmal ganz ausdrücklich danken. Obwohl Industriestaat, gehört Deutschland zu den waldreichsten Ländern Europas.
({0})
- Vielleicht sind es die richtigen Grünen!
Die Futterbaubetriebe haben 1978/79 mit einem Zuwachs von 7,2 Prozent und im 10jährigen Durchschnitt mit einem Einkommensanstieg von 9,3 Prozent jährlich weiter aufgeholt. Dies ist einkommenspolitisch erfreulich, insbesondere deshalb, weil es sich dabei um vorwiegend mittelbäuerliche Betriebe handelt, von denen zudem ein großer Teil in Gebieten wirtschaftet, die von der Natur weniger begünstigt sind. Auf dem Markt allerdings bringt uns dieses Ergebnis die bekannten Sorgen, auf die ich später eingehen werde.
Nach einer Reihe guter Jahre hat sich 1978/79 das Einkommen der Weinbaubetriebe infolge einer vergleichsweise niedrigen Weinmosternte nur noch in der Rheinpfalz verbessert. Für die Zukunft günstig dürfte sich die Verabschiedung des Weinpakets in Brüssel auswirken. Sie wird zu einer größeren Stabilität des Weinmarktes in der Gemeinschaft führen.
Auch unsere Hopfenbauern konnten dank der Einführung der Anbauregelung in die Hopfenmarktordnung auf eine günstige Markt- und Preisentwicklung zurückblicken.
All diese Beispiele, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigen, daß es heute weniger denn je möglich ist, die Lage unserer Landwirtschaft in einer einzigen Zahl zu beschreiben. Dies hat der Gesetzgeber erkannt, als er im Landwirtschaftsgesetz die Bundesregierung verpflichtete, Ertrag und Aufwand gegliedert nach Betriebsgrößen, -typen, -systemen und Wirtschaftsgebieten festzustellen.
Das untere Viertel der Vollerwerbsbetriebe zeigt sich wiederum mit nur einem Drittel des gewerblichen Vergleichslohnes als die eigentliche Problemgruppe unserer Betriebe. Sie zieht das Durchschnittsergebnis erheblich nach unten; eine Tatsache, die allerdings auch für andere Bereiche und Gruppen der Selbständigen zutrifft.
Die Ehrlichkeit in der einkommenspolitischen Diskussion erfordert es, diesen etwa 100 000 Betrieben und vor allem etwaigen Hofnachfolgern die wahre Einkommenssituation deutlich vor Augen zu führen. Es gilt zu erkennen, daß die Preispolitik hier als Mittel der Einkommenspolitik an Grenzen stößt. Zufriedenstellende Einkommen lassen sich nicht für jeden Einzelbetrieb garantieren. Vielmehr verlangen differenzierte Einkommensergebnisse noch mehr als bisher einen differenzierten Einsatz der Maßnahmen.
Für bemerkenswert halte ich es, daß die Brutto- und Nettoinvestitionen der Landwirtschaft im Berichtsjahr auf dem hohen Stand des Vorjahres geblieben sind. Die Nettoinvestitionen lagen bei etwa zwei Milliarden DM. Dies zeigt, daß die deutsche Landwirtschaft gewillt ist, ihre Betriebe optimal auf die Erfordernisse der 80er Jahre einzustellen, und daß die Ertragssituation ihnen hierzu auch die Möglichkeit gegeben hat. Das beweist aber auch die wichtige Funktion der Landwirtschaft als Auftraggeber für Industrie, Handwerk und Gewerbe, insbesondere für die gewerbliche Wirtschaft im ländlichen Raum. In strukturschwachen Gebieten ist es die Landwirtschaft, die so zur Sicherung von Arbeitsplätzen entscheidend beiträgt.
Die Zahl der Insolvenzen in der Landwirtschaft lag 1979 mit 78 noch deutlich unter der Vergleichszahl des Vorjahres. Ich werte dies als einen Beweis für die in aller Regel sparsame Lebensführung der bäuerlichen Familie und für die solide Finanzierungspraxis in unseren Betrieben. Auch die Vermögenswerte sind weiter angestiegen und geben der landwirtschaftlichen Existenz eine Sicherheit, die in der Gesamtbeurteilung der Lage als Aktivposten steht.
Insgesamt blicken wir auf ein Jahrzehnt agrarpolitischer Aufwärtsentwicklung zurück, das auch unsere Landwirte zu würdigen wissen und das ein gutes Fundament für die schwierigen 80er Jahre bildet.
({1})
Manch einer, der in den 70er Jahren von seiner Position aus glaubte, Kritik üben zu müssen, bewertet nun dieses Jahrzehnt im Rückblick als ,,einigermaßen erfolgreich". Lassen Sie mich dafür einige Belege bringen: Die Einkommen je Arbeitskraft haben sich in diesem Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Der ländliche Raum, unsere Dörfer haben an Attraktivität gewonnen. In der agrarsozialen Absicherung haben wir die Zielvorstellungen der Bundesregierung weitgehend verwirklicht. Was hier bereits erreicht wurde, hat vor uns keine Generation zu hoffen gewagt.
({2})
Im Jahre 1969 betrug das landwirtschaftliche Altersgeld 175 DM für Verheiratete und 115 DM für Alleinstehende. 1980 beträgt es in der Grundstufe 432 DM bzw. 288 DM; hinzu kommen noch die Staffelzuschläge. In der Krankenversicherung der Landwirte haben wir mit der vollen Übernahme der Krankheitskosten der Altenteiler durch den Bund eine wesentliche Entlastung der aktiven Generation erreicht. Seitens der Bundesregierung habe ich an das Parlament die dringende Bitte, nun auch noch den Gesetzentwurf zur Einbeziehung der jüngeren Hinterbliebenen in die Altershilfe zügig zu verabschieden.
({3})
Die Entwicklung der finanziellen Leistungen des Bundes für die Agrarsozialpolitik kann jeder im Agrarbericht nachlesen. Sie erst haben es ermöglicht, daß der Arbeitskräfteeinsatz in der Landwirtschaft in den letzten zehn Jahren nochmals um etwa ein Drittel reduziert wurde und daß dieser Strukturwandel in sozial erträglichen Bahnen ablaufen konnte.
Der Erfolg einer gesellschaftspolitisch ausgerichteten Strukturpolitik ist überall in unserem Lande sichtbar. Der Bund hat von 1970 bis 1979 allein für Flurbereinigung und Dorferneuerung sowie wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Maßnahmen knapp 7 Milliarden DM bereitgestellt. Jährlich wurden im Durchschnitt rund 230 000 Hektar flurbereinigt. Dabei handelte es sich keineswegs nur um eine Verbesserung der Produktionsgrundlagen, wie oft fälschlich angenommen wird. Vielmehr waren z. B. 30 % der Verfahren des Jahres 1978 sogenannte Verbundverfahren, in denen über das gewöhnliche Maß hinaus Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt wurden. 202 Natur- und Landschaftsschutzgebiete, geschützte Landschaftsteile oder Natur- und Kulturdenkmäler wurden dabei geeigneten Trägern überlassen.
Im Programm zur Förderung von Zukunftsinvestitionen wurden in über 850 Gemeinden Dorferneuerungsverfahren eingeleitet. Daß diese Maßnahme ganz entscheidend zur Verbesserung der Lebensqualität auf dem Lande beiträgt, ist unumstritten. Im einzelbetrieblichen Bereich stehen fast 50 000 geförderte Betriebe, davon etwa 1 800 Aussiedlungen, auf der Habenseite. Knapp 160 000 Förderungsfälle hatten die Verbesserung des Wohnteils zum Gegenstand.
Das Bergbauernprogramm und die Ausgleichszulage wurden von dieser Regierung in Brüssel durchgesetzt.
({4})
Seit 1975 erhielten knapp 90000 Betriebe eine Ausgleichszulage. Damit leistet dieses Programm einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Landwirtschaft in landwirtschaftlich schwierigen, aber landschaftlich schönen Gebieten.
Sorgen bereitet uns nach wie vor das Nord-SüdGefälle in der strukturellen Ausgangssituation. Wir haben uns in der Gemeinschaftsaufgabe auch darum bemüht, diesem Problem Rechnung zu tragen, soweit es in dem schwierigen Entscheidungs- und Abstimmungsverfahren im Rahmen des Gemeinschaftsaufgabengesetzes möglich war. Dennoch müssen wir feststellen, daß sich beispielsweise von 1949 bis 1979 in Schleswig-Holstein die Betriebe im Durchschnitt um 77 % auf ca. 33 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, in Bayern um 46 % auf knapp 13 Hektar vergrößert haben. Das Gefälle ist also größer geworden und hat auch entsprechende Konsequenzen für die Produktivitäts- und Einkommensentwicklung. Wir müssen den Ursachen sehr sorgfältig nachgehen.
Verschärft würde dieses Problem sicher dann, wenn man den steinigen, aber langfristig einzig erfolgreichen Weg der gezielten Förderung verließe und zur Gießkannenförderung der 50er oder 60er Jahre zurückkehrte. Auch undifferenzierte Kreditprogramme sind kein Ersatz für die gezielte Förderung.
({5})
Sie können nur ergänzenden Charakter haben wie z. B. das vom Bund angeregte Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau - dasselbe gilt auch für Länderprogramme -; denn mit einem zinsverbilligten Kredit von 80 000 DM kann man heute keine größere bauliche Maßnahme finanzieren.
Auf der anderen Seite führt eine zu großzügige Förderung von Nebenerwerbsbetrieben zur Intensivierung auf Kosten der Marktanteile von Vollerwerbsbetrieben. Ich will dabei die Bodenpreisentwicklung nicht ausklammern. Ich meine, diesen Weg wollen wir nicht. Ich würde ihn für einen falschen Weg halten. Die Nebenerwerbsbetriebe müsBundesminister Ertl
sen zu arbeitsextensiver Wirtschaftsweise hingeführt werden und dabei auch Unterstützung haben.
Agrarstrukturpolitik darf auch nicht isoliert gesehen werden. Sie muß Teil eines Gesamtkonzepts sein, das die Entwicklung von Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft einschließlich Urlaub auf dem Bauernhof umfaßt. Die peripheren Räume unseres Landes müssen dabei noch mehr als bisher Schwerpunkte der Förderung sein. Strukturwandel, meine Damen und Herren, wird es dabei auch in Zukunft geben. Wer den Strukturwandel ablehnt, der lehnt auch das Leistungsprinzip ab und wendet sich damit gegen einen wesentlichen Grundsatz unseres Wirtschaftssystems.
({6})
Der bäuerliche Familienbetrieb wird auch in den 80er Jahren Kern unserer Agrarstrukturpolitik bleiben. Wir wollen keine Agrarfabriken. Sozialökonomische Vielfalt, eine breite Eigentumsstreuung, eine ausgewogene Siedlungsstruktur zwischen Stadt und Land und die Berücksichtigung der Umweltkomponente, dies sind darüber hinaus die Ziele, an denen sich in den 80er Jahren unsere gesellschaftspolitisch ausgerichtete Agrarpolitik zu orientieren hat.
({7})
Eine so ausgerichtete Agrarpolitik liegt auch im Interesse der Verbraucher. Alles, meine Damen und Herren, spricht dafür, daß der Verbraucher auch in Zukunft von einem reichhaltigen und preiswerten Lebensmittelangebot Gebrauch machen kann. Die Lebensmittelpreise stiegen im vergangenen Jahr wiederum weniger stark als die Preise für sonstige Güter und Dienstleistungen des privaten Verbrauchs. Sie hatten damit erneut eine dämpfende Wirkung auf den Kostenanstieg für die Lebenshaltung insgesamt.
Es ist aber nicht nur das Angebot bei günstigen Preisen gewachsen, sondern auch den gesundheitlichen Erfordernissen ist immer mehr Gewicht beigemessen worden. Lebensmittelrecht, Pflanzenschutzrecht und Düngemittelrecht sollen hier nur stellvertretend für eine kaum noch zu übersehende Zahl von Gesetzen und Verordnungen genannt werden. Manche sprechen hier schon von zuviel staatlicher Reglementierung, und ich sage: Auch ich habe manchmal Zweifel, glaube aber, daß all dies im Interesse des Schutzes der Verbraucher notwendig ist.
Schließlich erwähne ich auch noch den Tierschutz, dem in den vergangenen Jahren von meinem Hause viel Kraft und Bemühen gewidmet worden ist. Hier gilt es, auf europäischer Ebene Lösungen zu finden, und wir sind auch aktiv an der Arbeit. Es arbeitet im Auftrage der Gemeinschaft, im Auftrage von Ministerrat und Kommission, ein Gremium an einer Lösung auf europäischer Ebene. Ich denke, wir müssen dabei die schwierigen Gegensätze berücksichtigen, die sich aus berechtigten Tierschutzanliegen, aus Gerichtsurteilen usw. ergeben, die es aber auch notwendig machen, durch wissenschaftliche Gutachten letzten Endes objektive Tatbestände zu schaffen. Vergessen möchte ich dabei nicht, zu sagen, daß auch die ökonomische Seite
nicht ganz aus den Augen verloren werden darf, denn es muß unverändert unser Ziel sein, unseren Verbrauchern preiswerte Nahrungsmittel von hoher Qualität zur Verfügung zu stellen. Es wäre nicht möglich gewesen, 20 Jahre lang nahezu denselben Eierpreis zu haben, wenn wir nicht auch die ökonomischen Möglichkeiten der Geflügelhaltung ausgenutzt hätten.
({8})
Wenden wir uns nun Europa zu. Hier steht die schwierige Haushalts- und Finanzsituation an vorderster Stelle. Wir müssen davon ausgehen, daß die Staats- und Regierungschefs auf dem Dublin-Gipfel im letzten November übereinstimmend festgestellt haben, daß eine Erhöhung der 1-%-Grenze der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage gegenwärtig nicht in Betracht kommt. Schon zu einem früheren Zeitpunkt hat auch dieses Hohe Haus mit den Stimmen aller Parteien beschlossen, daß „auf absehbare Zeit der Bundeshaushalt weitere Belastungen zugunsten der EG nicht verkraften kann".
Wenn ich den Beschluß des Bundestages hier zitiere, kann ich nicht umhin, einen deutlichen Widerspruch zu den jüngsten agrarpolitischen Forderungen der Opposition festzustellen.
({9})
Ihre Verwirklichung würde sicher das Gegenteil der angestrebten Verringerung des Kostenanstiegs bewirken. Dieser Widerspruch muß aufgelöst werden, wenn die Opposition glaubwürdig bleiben will.
({10})
- Ja, man darf nicht zu den Bauern etwas anderes als im Bundestag sagen, sondern muß in beiden Fällen dasselbe sagen.
({11})
Das neugewählte Europäische Parlament hat mit der Ablehnung des Haushalts für 1980 gleichfalls ein Signal gesetzt. Wir, die wir stets für ein eigenständiges Europäisches Parlament eingetreten sind, müssen sein Bemühen um Ausschöpfung seines Mitspracherechts, d. h. insbesondere um Einsparungen bei den obligatorischen Marktausgaben, ernst nehmen.
Die Ursachen für den Kostenanstieg im EG-Agrarhaushalt sind vielschichtig. Das Kernproblem liegt, wie schon so oft festgestellt worden ist, im Mangel an Übereinstimmung hinsichtlich der Ziele, die nationale Regierungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik verfolgen. Diese Erkenntnis entbindet uns jedoch nicht davon, jetzt Maßnahmen zu ergreifen. Eine teilweise Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschaft schon in naher Zukunft würde nicht nur die Funktionsfähigkeit des Agrarsystems bedrohen und schwerwiegende Folgen für die Landwirte haben, sondern darüber hinaus auch den Bestand der Gemeinschaft als Ganzes gefährden. In einem Augenblick wachsender weltweiter Spannungen
kann und darf sich die Agrarpolitik einer solchen Gefahr nicht aussetzen.
({12})
Wir müssen deshalb die Kostenentwicklung im Agrarbereich im Rahmen des Anstiegs der eigenen Einnahmen halten. Wohlgemerkt, dies bedeutet nicht Reduzierung der Mittel, sondern immer noch ein Plus von Jahr zu Jahr.
({13})
Welche Lösungen gibt es? Einige, auch Teile der Opposition, sehen sie in der Belastung der pflanzlichen Fett- und Eiweißstoffe oder in der Reduzierung der Einfuhren von Butter aus Neuseeland und Zukker aus AKP-Ländern. Auch ich habe oft gesagt, daß diese Einfuhren die bestehenden Schwierigkeiten verschärfen und daß dafür weder die Agrarpolitik noch die Landwirte verantwortlich gemacht werden können. Die Gemeinschaft ist jedoch aus anderen als agrarpolitischen Erwägungen gegenüber diesen Ländern internationale Verpflichtungen eingegangen, deren Auflösung aus einer Vielfalt von Gründen nicht möglich ist. Ich sage das auch im Interesse der Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland, an denen auch die Bauern Interesse haben. Einseitiges Vorgehen würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft erschüttern, sondern zusätzlich die Gefahr eines Handelskrieges heraufbeschwören. Das wäre nicht zu verantworten.
Orientieren wir uns daher am politisch Machbaren. Alle Überlegungen müssen sich dabei im Rahmen des gegenwärtig bestehenden Agrarsystems halten, um in Brüssel konsensfähig zu sein. Hierin sind sich alle Regierungen und die Kommission einig. Radikaler Änderungen bedarf es nicht, da dieses System ein brauchbares Instrumentarium zur Marktsteuerung enthält. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, als führe allein schon die bloße Auswechslung des Systems, z. B. generelle Einkommensübertragungen oder Quotierung der Milchproduktion, zu besseren Entscheidungen in der EG-Agrarpolitik.
Folgende Leitlinien bestimmen unsere Haltung bei der laufenden Preisrunde. Bei Milch sollten die durch zukünftige Mehranlieferungen entstehenden Verwertungskosten von dem Erzeuger selbst getragen werden. Die Zuckermarktordnung sollte hinsichtlich des in der Gemeinschaft erzeugten Zukkers kostenneutral gestaltet werden. Bei einigen anderen Produkten, vor allem bei Rindfleisch, sollten die Stützungsmaßnahmen wieder stärker als bisher den Markterfordernissen angepaßt werden.
Auf der Basis dieser Grundsätze kann der Finanzierungsrahmen eingehalten werden. Dadurch könnte gleichzeitig auch ein Spielraum für notwendige Preisanhebungen für das kommende Wirtschaftsjahr geschaffen werden. Die Kommission hat bekanntlich durchschnittliche Preiserhöhungen um etwa 2,4% vorgeschlagen, die sich für die deutschen Erzeuger durch den gleichzeitig vorgesehenen Abbau des Währungsausgleichs um 1 % verringern sollen. Ich kann hier das Verhandlungsergebnis in einer schwierigen Phase der Gemeinschaft nicht voraussagen. Es gilt, einen Kompromiß zu finden, der es
einerseits unseren Landwirten ermöglicht, in den 80er Jahren an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilzunehmen, und der andererseits die Markterfordernisse berücksichtigt. Das ist schwer genug.
Über die Einzelheiten der Maßnahmen gehen die Auffassungen in Brüssel noch weit auseinander, insbesondere was die Ausgestaltung der Mitverantwortungsabgabe bei Milch angeht. Meine Präferenz liegt nach wie vor bei einer gewissen Staffelung der Mitverantwortungsabgabe, bei der Rücksicht zu nehmen ist auf Betriebe, die keine Alternative zur Milcherzeugung haben. Vor allem aber halte ich es für erforderlich, ein Signal zu setzen, daß wir bei der flächengebundenen Milcherzeugung bleiben wollen. Das könnte durch eine erhöhte, Mitverantwortungsabgabe ab einer bestimmten Erzeugungsmenge je ha geschehen. Ich habe diese Vorstellungen in Brüssel eingebracht, mußte aber erkennen, wie schwer es ist, hier zu einem Konsens zu gelangen.
Die Lage ist: Alle. sind für Einsparungen, jeder aber möchte diese bevorzugt zu Lasten des anderen realisieren. Aber es gibt keine Lösung, wenn nicht Opfer von allen Beteiligten gleichermaßen getragen werden. Nach meinen Erfahrungen sind unsere Landwirte bereit, auf dieser Basis mitzuwirken. Ich möchte dem Deutschen Bauernverband für das in dieser Grundfrage gezeigte Verständnis ausdrücklich danken, wenn ich mich auch nicht seinem Vorschlag einer Mengenkontingentierung auf dem Milchmarkt anschließen kann.
In der gemeinsamen Fischereipolitik hat es nach einer gewissen Auflockerung der britischen Haltung etwas Bewegung gegeben. Gewisse Teillösungen konnten gefunden werden, z. B. im internen Bereich über die Gesamtfangmengen im EG-Meer für 1980 sowie über ein Meldesystem und im externen Bereich mit der Unterzeichnung einiger Fischereiabkommen. Schwierige, ja sogar sehr schwierige Verhandlungen liegen aber noch vor uns.
Ich kann den vielen Menschen in den Küstenländern, die in der Seefischerei selbst oder in nachgelagerten Bereichen ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen finden, versichern, daß der Bundesregierung ihre Sorgen bekannt sind. Sie weiß, daß steigende Kosten und eine oft unbefriedigende Erlössituation, dazu die Einengung der Fanggründe, ihre Lage sehr, sehr schwierig gemacht haben. Deshalb werden bereits im Rahmen des 1978 verabschiedeten Sofortprogramms Hilfen zur Anpassung der Kapazitäten geleistet und damit abrupte wirtschaftliche Einbrüche für die Betroffenen vermieden.
Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft bereithalten, um unzumutbare Härten von unseren Kutter- und Hochseefischern abzuwenden.
Eines gilt es allerdings klarzustellen: Wer sich über die Entwicklung der deutschen Gesamtfänge, die Herkunft der deutschen Eigenanlandungen und die seerechtliche Problematik ein klares Bild gemacht hat, der wird mir zustimmen, daß es zur gemeinsamen Fischereipolitik - trotz aller derzeitiBundesminister Ertl
gen Unvollkommenheiten - keine Alternative gibt.
Die Bundesregierung muß auch auf der Einhaltung politisch ausgehandelter Fangregelungen bestehen. Verstöße gegen diese Regelungen können nichthingenommen werden, schon aus dem Grunde nicht, weil sonst die Glaubwürdigkeit der deutschen Fischereipolitik gefährdet würde.
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Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Probleme der EG ohne Beschönigung geschildert. Ich wäre aber unvollständig, ließe ich es dabei bewenden. Trotz aller Schwierigkeiten zeigt sich die ungebrochene Vitalität und Anziehungskraft der Gemeinschaft an den großen Erwartungen, die neue Beitrittskandidaten und die nach engeren Bindungen strebenden Länder in sie setzen. Diese Hoffnungen dürfen wir nicht gefährden. Und wir sollten auch sehen, daß die Erfüllung dieser Erwartungen Kosten verursachen wird, die nicht allein der Agrarpolitik angelastet werden können. Das primäre Interesse der Beitrittsländer liegt beim Agrarmarkt, wie mir alle kompetenten Sprecher dieser Regierungen versichert haben. Ich sage das auch im Hinblick auf den Mehrwertsteueranteil von einem Prozent. Dies ist nicht zu halten, wenn die Kosten des Beitritts kommen.
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Wenn ich nun abschließend einige Agrarprobleme aus einer weltweiten Sicht anschneide, so möchte ich damit weder von den momentanen Problemen auf unseren Agrarmärkten ablenken noch sie wegdiskutieren. Es läßt sich nun aber einmal nicht übersehen, daß die krisenhafte Entwicklung der letzten Wochen in der „großen Politik" sowie die Zuspitzung bei den Energiekosten mehrere aktuelle Fragen aufgeworfen haben, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Erstens. Niemand kann leugnen, daß die jüngsten Entwicklungen im Agrarhandel zwischen den USA und der Sowjetunion nicht nur unseren Außenhandel, sondern auch unsere Agrarpolitik insgesamt berühren. Die Diskussion über die strategische Bedeutung des Getreides ist nicht länger nur akademischer Natur. Die neue Situation konfrontiert uns vielmehr mit der Frage, wie wir unsere vergleichsweise hohe Versorgungssicherheit politisch bewerten und was sie uns finanziell wert ist.
Dabei gilt es zu sehen, daß die ausreichende Eigenversorgung uns bisher ein hohes Maß an politischer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit und einen erheblichen politischen Spielraum gewährt hat. Längerfristig können wir diese Sicherheit allerdings nicht durch eine strukturelle Überschußproduktion erkaufen, die über ein vernünftiges Maß an Vorratshaltung, die vorhandene Exportnachfrage und den Bedarf für Nahrungsmittelhilfe hinausgeht.
Unsere heutige Landwirtschaft ist in erheblichem Umfang auf Außenversorgung, z. B. bei Energie und auch bei Eiweißfuttermitteln, angewiesen. Deshalb können wir die Sicherheit der Nahrungsversorgung nur durch eine strukturell vielseitige, in ihrer Anpassungsfähigkeit flexible und dynamische, in ihrer wirtschaftlichen Basis gesunde Landwirtschaft erhalten. Dies muß ergänzt werden durch eine ausgewogene Vorratspolitik als Krisenvorsorge.
DaB es diese Landwirtschaft bei uns gibt, verdanken wir in erster Linie der Leistungs- und Anpassungsbereitschaft unserer Bauern und ihrer Familien. Sie wurden dabei von unserer gezielten Strukturpolitik wirksam unterstützt.
Das zweite Problem erfüllt mich nicht nur als Agrarpolitiker seit langem mit großer Sorge: Die absehbaren Auswirkungen der Energieverteuerung und -verknappung auf die Nahrungserzeugung und -versorgung in der Dritten Welt. Die Kostenentwicklung auf dem Energiesektor trifft die nichtölfördernden Entwicklungsländer in dreifacher Hinsicht besonders hart: Sie beansprucht die knappen Devisen. Viele Entwicklungsländer müssen heute schon mehr als die Hälfte ihrer Exporterlöse für 01-einfuhren ausgeben und können dafür weder Investitions- noch Nahrungsgüter kaufen. Sie fördert den Verbrauch von Holz und Dung als Brennmaterial und damit den Raubbau an Naturwäldern, der zu einer heute noch kaum absehbaren ökologischen Bedrohung wird. Sie verteuert die Düngemittel, insbesondere die ertragssteigernden Stickstoffdünger, ohne die die sogenannte „Grüne Revolution" nicht denkbar wäre und auch nicht fortgeführt werden könnte.
Alle diese Gesichtspunkte, einschließlich des Problems wachsender absoluter Ernteschwankungen in der Welt, müssen in eine Strategie für die Weltagrar- und Ernährungspolitik in den 80er Jahren, für die es schon eine Vielzahl von Ansatzpunkten gibt, eingebaut werden. Ich habe versucht, dies anläßlich des kürzlichen OECD-Agrarministertreffens in Paris meinen Kollegen klarzumachen und bin dabei auch auf viel Zustimmung gestoßen.
Bei der Lösung der Energieprobleme der rohstoff und devisenarmen Entwicklungsländer könnten zum Beispiel die über Investitionsmittel verfügenden OPEC-Länder und die über technisches Knowhow verfügenden Industrieländer enger als bisher zusammenarbeiten. Wahrscheinlich werden die Industrieländer in Zukunft noch mehr als bisher aufgefordert werden, bei akuten oder chronischen Versorgungskrisen zu helfen.
Diese moralische Verpflichtung entbindet uns nicht von der Aufgabe, Überschüsse in der EG zu vermeiden, wie zum Beispiel bei Wein, der als Nahrungsmittelhilfe nicht in Frage kommt. Beim Getreide werden wir uns aber auf jeden Fall einen größeren Spielraum erhalten müssen, weil dem Getreide als Schlüsselprodukt der Versorgung auch über die Nahrungsmittelhilfe hinaus eine große Bedeutung zukommt.
Die in letzter Zeit in aller Welt bekanntgewordenen Ansätze zur Energiegewinnung aus agrarischen Reststoffen und Biomasse müssen überall durch Förderung von Forschung, Entwicklung und praktischer Erprobung unterstützt werden, wie dies bei uns geschieht. Bei der doppelten Nutzung des
Bodens für die Nahrungsgütererzeugung und für die Produktion nachwachsender Rohstoffe gewinnen die ökologischen Aspekte bei uns, vor allem aber in Teilen der Dritten Welt, noch mehr an Bedeutung. Deshalb ist in meinem Hause ein neuer Arbeitsbereich Ökologie eingerichtet worden, dessen Hauptinteresse der ökologischen Vorsorge für die 80er Jahre und darüber hinaus gilt. Unsere Land- und Forstwirtschaft hat sich seit jeher um eine pflegliche und nachhaltige Nutzung ihrer Produktionsgrundlagen bemüht. Sie hat die Chance, auch beim derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik zu beweisen, daß Ökonomie und Ökologie durchaus miteinander in Einklang gebracht werden können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Schluß unserer deutschen Land- und Forstwirtschaft und den vielen Betrieben des Ernährungsgewerbes für das im vergangenen Jahr unter erschwerten Bedingungen Geleistete danken. Ich schließe dabei unsere jungen Menschen auf dem Lande gerne ein, die offensichtlich wieder mehr Gefallen an den Berufen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaues finden. Ganz besonders aber gilt mein Dank auch in diesem Jahr unseren Bäuerinnen. Dem Agrarbericht ist zu entnehmen, daß 80 % der Frauen heute in der Landwirtschaft betriebliche Aufgaben übernehmen. Zwischen 31 und 64 % ihrer Gesamtarbeitszeit bringen die Ehefrauen in Haupterwerbsbetrieben für die Arbeit im Betrieb auf. Wer darüber hinaus die Aufgabe der Landfrauen als Hausfrau und Mutter kennt, mag abschätzen, welche Last sie zu tragen haben.
Die 80er Jahre werden von uns allen ein großes Maß an Anpassungsbereitschaft verlangen. Sie bieten aber zugleich neue Chancen für die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft in der Gemeinschaft, sei es bei der Ernährung der immer noch rapide wachsenden Weltbevölkerung, sei es als Produzent nachwachsender Rohstoffe, sei es in ihrer Funktion, den ländlichen Raum und seine kulturellen Werte zu erhalten. Für diese alten und neuen Aufgaben brauchen wir eine gesunde und leistungsfähige Landwirtschaft, die sich auf eine Vielfalt gesicherter Eigentumsformen stützen kann und die gleichberechtigtes Glied unserer Gesellschaft ist.
Ich bin sicher, daß der bäuerliche Berufsstand die Herausforderung der 80er Jahre ebenso meistern wird, wie er in 35 Nachkriegsjahren eine beispielslose strukturelle Anpassungsleistung vollbracht hat.
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Ich danke Herrn Bundesminister Ertl für den erstatteten Bericht. Die Aussprache über den Agrarbericht findet am Freitag, dem 21. März, um 9 Uhr statt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. März, 9 Uhr ein.