Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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Der Deutsche Bundestag trauert um den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, bayerischen Innen- und Justizminister Wilhelm Hoegner, der am Mittwoch im 93. Lebensjahr verstorben ist.
Seit 1919 war er Mitglied der SPD, von 1924 bis 1970 Mitglied des Bayerischen Landtags - unterbrochen von den Jahren des Exils während der nationalsozialistischen Herrschaft. Dem deutschen Reichstag der Weimarer Republik gehörte er von 1930 bis 1933 an, dem Bundestag nur für kurze Zeit in der 4. Legislaturperiode.
Mit Wilhelm Hoegner ist einer der letzten Zeugen der Zeitgeschichte von uns gegangen, ein Mann, der aus langer parlamentarisch-demokratischer Erfahrung Rat geben konnte und dessen Rat von vielen gesucht wurde. Kompromißlos ist er zeit seines Lebens für die parlamentarische Demokratie eingetreten. Für den Nationalsozialismus wurde er ein unbeugsamer Gegner. Beredtes Zeugnis legt sein im Schweizer Exil geschriebenes Buch davon ab.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wilhelm Hoegner bayerischer Ministerpräsident. In diese Zeit fällt die Erarbeitung der bayerischen Verfassung, die in ihren wesentlichen Teilen seine Handschrift trägt. Sie weist ihn vor allem auch als leidenschaftlichen Anwalt des Föderalismus aus. Als Justiz- und Innenminister hat er sich mit großem Erfolg um den demokratischen Wiederaufbau von Justiz und Verwaltung bemüht. Schon als junger Abiturient machte er sich zur Richtschnur, für das Wohl der notleidenden Mitbürger einzutreten und die Ungerechtigkeit aus der Welt zu verdammen. Dieser Maxime ist er sein Leben lang treu geblieben. Das deutsche Volk schuldet ihm großen Dank.
Ich habe im Namen des Deutschen Bundestages dem bayerischen Ministerpräsidenten unsere Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch eine amtliche Mitteilung machen. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen, Stand 4. März 1980, vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß
§ 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen betr. Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1979 bei Kap. 60 04 Tit. 69 801 - Zahlungen nach dem Spar-Prämiengesetz - ({1})
zuständig: Haushaltsausschuß
Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland ({2}) ({3})
zuständig:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 3. März 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Häfele, Windelen, Haase ({4}), Dr. Riedl ({5}), Dr. Köhler ({6}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen des Staates im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt - Drucksache 8/3680 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3765 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 29. Februar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Häfele, Windelen, Haase ({7}), Dr. Riedl ({8}), Dr. Sprung, Spilker, Dr. Köhler ({9}), von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Zeitel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Öffentliche Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 8/3634 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3773 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 27. Februar bis 4. März 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/3772 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die in Drucksache 8/3567 unter Nr. 11 aufgeführte EG-Vorlage
Verordnung ({10}) Nr. 2914/79 des Rates vom 20. Dezember 1979 über eine Beteiligung der Gemeinschaft an Maßnahmen zur Umstrukturierung und Umstellung der Chemiefaserindustrie
wird als Drucksache 8/3767 verteilt.
Ich rufe die Punkte 29 bis 36 auf:
29. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau der heimlichen Steuererhöhungen und zur Entlastung der Familien ({11})
- Drucksache 8/3666 Überweisungswunsch:
Finanzausschuß ({12})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Präsident Stücklen
30. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Familienförderung ({13})
- Drucksache 8/3701 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({14})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
31. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes
- Drucksache 8/3702 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({15})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
32. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der Spielkarten-, Zündwaren- und Essigsäuresteuer
- Drucksache 8/3687 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
33. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze
- Drucksache 8/3688 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({16})
Innenausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
34. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Grunderwerbsteuergesetzes ({17})
- Drucksache 8/3524 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({18})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
35. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kreile, Pfeifer, Dr. Köhler ({19}), Kunz ({20}), Dr. Jenninger, Benz, Dr. Hubrig, Daweke, Dr. von Wartenberg, Lampersbach, Rühe, Broll, Dr. Hornhues, Gerstein, Spilker, de Terra, Niegel und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Bewertungsgesetzes ({21})
- Drucksache 8/3616 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({22})
Innenausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß $ 96 GO
36. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({23}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kreile, Dr. Häfele, Dr. Schäuble und der Fraktion der CDU/CSU
Durchführung des Umsatzsteuergesetzes 1979
- Drucksachen 8/3345, 8/3727 Berichterstatter: Abgeordneter Kühbacher
Der Ältestenrat schlägt verbundene Debatte vor. Wird das Wort zur 'Begründung vor Eröffnung der Aussprache gewünscht? - Dies scheint nicht der Fall zu sein.
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Dies scheint auch nicht der Fall zu sein.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Häfele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute acht Finanzvorlagen, vor allem Steuervorlagen. Die beiden bedeutsamsten sind der Steuerentlastungs- und Familienentlastungsentwurf der Fraktion der CDU/CSU, der am 13. Februar dieses Jahres eingebracht wurde, und der Entwurf der Koalition, der zwei Wochen später, am 27. Februar, eingebracht worden ist.
Der Entwurf der Fraktion der CDU/CSU beabsichtigt den Abbau heimlicher Steuererhöhungen. Dies ist das Hauptziel der Steuerpolitik der CDU/ CSU in den letzten Jahren. Denn durch das Zusammenwirken von Inflation und Progression wurden in den letzten Jahren immer mehr Bürger von der Steuer zusätzlich erfaßt, ohne daß eine tatsächliche Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit vorhanden war.
Seit dem Beschluß der Bundestagsfraktion der CDU/CSU vom 31. Juli 1973 - das war unser erster Antrag - haben wir in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewirkt, den Abbau der heimlichen Steuererhöhungen durchzusetzen. Der Grund, warum wir dies für vorrangig halten, ist, daß die Leistungsbereitschaft der arbeitenden Bürger und die Investitionsneigung der Betriebe erhalten bleiben müssen. Gerade im laufenden Jahr 1980 haben wir infolge der heimlichen Steuererhöhungen wieder ein Rekordjahr der Abgabenbelastung. Die Bruttolohn- und Gehaltssumme soll nach der bisherigen amtlichen Annahme, so wird es geschätzt, im laufenden Jahr um 7,2 % zunehmen, während die Lohnsteuer dabei im 12,8 % anwachsen wird. Die Lohnsteuer wächst in diesem Jahr also doppelt so stark wie die Lohn- und Gehaltssumme. Dies bedeutet, daß wir eine neue Rekordgrenzabgabenbelastung von rund 50 % haben. Von einer Mark Lohnerhöhung bleiben dem durchschnittlichen Arbeitnehmer also netto nur 50 Pfennig auf der Hand. Das ist das zweite Rekordjahr. Diese Mark Lohnerhöhung brutto bedeutet aber bei einem Betrieb wegen der Lohnnebenkosten Betriebsunkosten von 1,70 DM. Die Durchschnittssteuerbelastung hat in diesem Jahr absolute Rekordhöhe, die GrenzabgabenbelaDr. Häfele
stung ist etwa mit der von 1976 vergleichbar, wo der erste Rekord erreicht wurde.
Deswegen sind wir nach wie vor der Meinung, daß es besser gewesen wäre, wie es die Union rechtzeitig im Sommer letzten Jahres beantragt hat, schon im Jahre 1980 einen Abbau der heimlichen Steuererhöhungen durchzuführen. Wir haben einen maßvollen Antrag gestellt, der einen Steuerausfall von insgesamt 6,5 Milliarden DM bedeutet hätte. Das wäre beim Bund ein Ausfall von etwa 2 bis 3 Milliarden DM gewesen. Natürlich - das war der Grund dafür, daß wir das rechtzeitig beantragt haben - hätte dies in den Haushaltsplan 1980 eingebettet werden müssen. Wir haben unsere Bereitschaft bekundet, die Folgen von Ausgabenstreichungen mitzutragen, wenn die Regierung diesen Weg beschreitet. Leider ist dies von der Koalition abgelehnt worden, so daß wir uns jetzt über Steuerpakete für das Jahr 1981 unterhalten, ohne daß auch nur der Entwurf eines Haushaltsplanes 1981 vorliegt. Dies ist ein sehr gefährlicher Weg in das Blaue hinein.
Das Kernstück unseres Antrags ist die Verbesserung des Einkommen- und Lohnsteuertarifs. Zunächst wollen wir den Eingangssteuersatz von 22 auf 21 % senken. Man spricht hier von der Milderung der sogenannten indirekten Progression. Denn auch in der sogenannten Proportionalzone gibt es ja eine indirekte Progression. Als Folge des Grundfreibetrages wächst die Steuerbelastung um so mehr an, je mehr ich an das Ende der Proportionalzone komme, zwar nicht in der Grenzbelastung, aber in der Durchschnittsbelastung. Deswegen gibt es hier auch eine indirekte Progression. Der Sprung von 0 auf 22 % ist international mit der höchste, den es gibt. Auch diesen Sprung wollen wir wenigstens in einem ersten Schritt auf 21 % mildern.
Der zweite Teil unseres Tarifantrags beabsichtigt die Milderung der Steuerprogression ab Beginn der Progression, also von 16 000 DM bis 60 000 DM. Das sind immer Zahlen für Ledige; bei Verheirateten gelten die doppelten Beträge. Damit wollen wir die Grenzsteuersätze im Anstieg mildern und den Anstieg der heimlichen Steuererhöhungen bremsen.
Mir liegen hier Berechnungen vor, wie sich das im einzelnen - auch im Vergleich zum Regierungsentwurf - auswirkt. - Herr Staatssekretär Böhme, Sie haben heute im „Handelsblatt" Zahlen veröffentlicht; ich will gleich etwas dazu sagen. Ich glaube nicht, daß Ihre Zahlen typisch für den Vergleich sind. Sie beginnen bei 16 000 DM, also beim Ende der heutigen Proportionalzone, und vergleichen dann bis 30 000 DM. Das ist das erste Beispiel. Dann vergleichen Sie von 30 000 DM bis 60 000 DM. Das ist deswegen verzerrend, weil Sie ja die Proportionalzone um 2 000 DM verlängern. Dann schlägt das natürlich in dem Bereich von 16 000 DM bis 30 000 DM stärker durch, als es in Wirklichkeit bei Beginn der Progression der Fall ist. Das ist ein gewählter Vergleich, der die Zahlen verzerrt und deshalb nicht zutreffend ist.
Ich glaube, es ist zutreffender, wenn wir Beispiele mit Sprüngen von 10 000 DM wählen, etwa von 20 000 DM bis 30 000 DM. Nach unserem Antrag
würde sich der Anstieg der Grenzsteuersätze auf 10 % belaufen, bei Ihnen auf 11,5 %. In dem Bereich von 30 000 DM bis 40 000 DM beträgt der Anstieg der Grenzsteuersätze nach unserem Antrag 6,8 %, nach Ihrem Entwurf 7,3 %. Bei 40 000 DM bis 50 000 DM liegt der Anstieg der Grenzsteuersätze nach unserem Antrag bei 4 %, nach Ihrem Entwurf bei 4,3 %. Ich glaube, daß diese Zahlenreihe - betrachtet man das insgesamt - einen zutreffenderen Einblick in die wirkliche Relation gibt. Ich will nicht bestreiten, daß es da und dort Beispiele gibt, bei denen es einmal umgekehrt sein kann. Insgesamt gesehen ist in der größten Zahl der Fälle - vor allem bei den breiten Mittelschichten - der Anstieg der Grenzsteuerbelastung - darauf kommt es vor allem für den Leistungswillen an - nach unserem Antrag milder als nach dem Entwurf der Koalition.
Meine Damen und Herren, natürlich ist auch unser Antrag nicht d e r Reformtarif. Das haben wir nie behauptet. Der Reformtarif, von dem man einmal sagen kann, daß er das Endstück eines vernünftigen Einkommen- und Lohnsteuertarifs wäre, ist ein Tarif, der mit einem ganz niedrigen Eingangssteuersatz beginnt, durchgehend progressiv anwächst, aber mit einer sanften, milden Progression, ohne irgendeine leistungshemmende Ausbuchtung oder Einbuchtung zu haben. Daß das in einem Schritt nicht mehr zu erreichen ist, ist völlig klar. Den Ausfall könnten wir beim besten Willen nicht in einem Schritt darstellen.
Aber wir haben wenigstens einen Antrag gestellt, der in Richtung dieses Reformtarifs geht und der eine weitere Reform in Schritten in den kommenden Jahren nicht verbaut, sondern ermöglicht. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem Antrag der Koalition. Sie weiten die Proportionalzone um 2 000 DM aus. Das ist eben nur eine sehr vorübergehende, kurzfristige Lockerungsübung für einen kleinen Teil der Steuerzahler. Aber da heute mindestens 60 der Steuerzahler progressiv besteuert werden, nützt es nichts, wenn für ein oder anderthalb Jahre vielleicht 10 % wieder aus der Progression herausfallen und dann vorübergehend wieder in die Proportionalzone geraten, die restlichen 50 % - das erkaufen Sie damit - aber um so steiler in die Progression hineingeraten.
Ich glaube, daß es vor allem darauf ankommt, den Anstieg der Progression für die breitesten Mittelschichten - das ist nun einmal die Mehrheit der Steuerzahler - zu mildern.
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Jeder Ansatz, wieder einen Teil aus der Progression herauszunehmen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Eine wirkliche Reform wäre es, wenn es gelingen könnte, 80 % unserer arbeitenden Bürger wieder in die Proportionalzone zu bringen, wie es früher, wie es vor zehn, 15 Jahren einmal war. Aber das ist absolut utopisch.
Diese vorübergehende Lockerungsübung erkaufen Sie mit einem programmierten, noch steileren Anstieg der Steilwand der Progression in den kommenden Jahren. Die von uns angestrebte Reform ist für die breiten Mittelschichten schon im kommen16500
den Jahr progressionsmildernder, aber vor allem ist sie - das ist das Entscheidende - dauerhafter angelegt. Deswegen ist bei uns ein besserer Reformansatz vorhanden. Bis zu Einkommen von 48 000 DM im Jahr haben wir in Deutschland die besonders steile Progression, und genau diese Einkommensschicht ist besonders dicht besetzt. Das ist - erfreulicherweise - die Mehrheit der Arbeitnehmer: Das sind die Facharbeiter, das ist der Maurer, das ist der Werkmeister. Sie alle liegen - erfreulicherweise - über dem Durchschnitt und wachsen in diese Bereiche hinein. In dem Bereich von 16 000 bis 48 000 DM wächst die Progression von 22 % bis auf 50,4 % an. Erst in dem dann folgenden langgezogenen Bereich wird der Spitzensteuersatz von 56 % erreicht. Hier ist also der Hauptanstieg, und diesem Bereich unterfallen die meisten Steuerzahler.
Die steile Progression ist demnach das Problem. Wir meinen, daß unser Antrag das Problem auch schon für das kommende Jahr sachgerechter anpackt, aber vor allem ist er - mit Blick auf die weiteren Jahre - dauerhafter angelegt, während Sie nur - vorübergehend - zu einem kleinen Teil mildern und dies auf Dauer mit einem noch steileren Anstieg und damit mit einer Zunahme der heimlichen Steuererhöhungen in den nächsten Jahren erkaufen. Ich komme also zu dem Ergebnis: Der Tarifantrag der CDU/CSU-Fraktion ist leistungsfreundlicher und dauerhafter.
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Der zweite wichtige Punkt in unserem Antrag dient einer verbesserten Familienförderung. Neben einer Anhebung des Kindergeldes beim ersten Kind von 50 DM auf 65 DM, beim zweiten Kind - ebenfalls um 15 DM - von 100 DM auf 115 DM und ab dem dritten Kind von 200 DM auf 230 DM wollen wir zunächst einen bescheidenen Kinderfreibetrag von 600 DM für beide Elternteile, also von 300 DM je Elternteil und Kind, einführen, mit anderen Worten: Wir wollen das duale System wieder einführen - ich gebe zu: auch auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre -, das bei der Steuerreform 1975 abgeschafft wurde. Denn wir meinen, daß wir familienpolitisch in eine gewisse Sackgasse geraten sind. Wir sehen es ja beim Erstkindergeld: Seit dem 1. Januar 1975 ist das Erstkindergeld nie angepaßt worden. Seit dem 1. Januar 1975 beläuft es sich auf 50 DM, weil eben die Zunahme der Staatsverschuldung, die ja das Hauptthema in den kommenden Jahren sein wird, immer mehr verhindert, daß notwendige Anpassungen erfolgen.
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Damit ist kein dynamisches Element mehr da, das die Familien mit Kindern entlastet. Das erreichen Sie nur, indem Sie einen Freibetrag - einen maßvollen zunächst - ergänzend einführen.
Wir sind grundsätzlich der Meinung - gerade auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre, meine Damen und Herren -, daß auch für die Familien mit Kindern der Hauptgrundsatz unseres Steuerrechts gelten soll: Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Wir sagen: Es soll jemand um so mehr Steuern bezahlen - nicht nur in absoluten
Zahlen, sondern auch anteilmäßig, also progressiv -, je mehr er verdient. In Ordnung; gegen das Prinzip der progressiven Besteuerung wendet sich niemand. Das ist Ausfluß der Grundidee: Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Aber wenn das richtig ist, dann muß dies auch umgekehrt, wenn die persönliche Leistungsfähigkeit durch irgend etwas beeinträchtigt ist, berücksichtigt werden. Das wird im Steuerrecht in unzähligen Fällen anerkannt. Wir haben unzählige Freibeträge und Befreiungen, die alle progressionsmildernd wirken und mildern sollen.
Die Koalition selbst hat ja jetzt in ihrem Antrag Vorschläge unterbreitet, die progressionsmildernd wirken sollen. Ich denke etwa an Ihren Antrag - der deckt sich im übrigen mit unserem; das begrüßen wir, das ist sehr vernünftig - betreffend die Anhebung des Weihnachtsfreibetrages. Das gleiche gilt für die Anpassung der Sonderausgaben-Höchstsätze oder des Vorwegabzugs - alles wirkt progressionsmildernd - oder die Aufstockung des Haushaltsfreibetrages für Alleinstehende mit Kindern; auch dieses begrüßen wir. Das alles sind vernünftige Ziele. Alles wirkt progressionsmildernd. Nur ausgesprochen bei Familien mit Kindern soll es als große Ausnahme nicht gelten, wenn jemand Aufwendungen hat. Und wer Kinder hat, hat nachgewiesenermaßen Aufwendungen. Das ist ja nur ein Teilersatz, das sind ja nur Bruchteile, 10 oder 20 %, die damit überhaupt in Rechnung gestellt werden können. Nur da soll dieses nicht gelten. Das ist der große Widerspruch Ihrer Argumentation.
Das sind nicht bloß alte Rechtseinrichtungen, die Sie womöglich innerlich ablehnen und am liebsten heute abschaffen würden, sondern Sie haben jetzt neue Anträge in dieser Richtung - Progressionsmilderung - gestellt. Vor einem Jahr haben Sie das Realsplitting eingeführt. Danach sind bei getrennten oder geschiedenen Ehepartnern bis zu 9 000 DM Unterhaltsleistungen im Jahr abzugsfähig und damit progressionsmildernd. Bei geschiedenen Ehen soll es gelten. Da sagen Sie nicht, daß der Reiche, wie Sie sonst immer argumentieren - auch jetzt wieder -, mehr Nutzen hat. Daß die Bäume hier nicht in den Himmel wachsen, ist doch schon durch die Grenzen sowohl des bescheidenen Kinderfreibetrags wie auch bei den Sonderausgaben oder beim Arbeitnehmer- oder Weihnachtsfreibetrag wie auch beim Realsplitting erkennbar; beim Realsplitting haben Sie die Grenze bei 9000 DM. So toll ist das ja alles gar nicht. Sie sagen: Der Reiche ist der große Profiteur. Das stimmt doch einfach mit der Wirklichkeit nicht überein.
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Oder: Wir haben bei der Steuerreform gemeinsam den Ausbildungsfreibetrag eingeführt, wenn Kinder in Ausbildung sind. Das ist nichts anderes als eine spezielle Form eines Kinderfreibetrags. Das also sind Widersprüche, über die Sie nicht hinwegkommen.
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Auch für die Familien mit Kindern muß der Grundsatz gelten, der im ganzen Steuerrecht sonst
gilt, daß Familien mit Kindern eben nicht so leistungsfähig sind wie Eheleute ohne Kinder.
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Man muß gleiches mit gleichem vergleichen, nicht gleiches mit ungleichem. Wenn ich 3 000 DM im Monat verdiene und zwei oder drei Kinder habe, dann möchte ich nach der Gerechtigkeitsidee steuerlich nicht so belastet werden wie jemand, der keine Kinder hat. Ein Familienvater mit 3 000 DM vergleicht sich mit einem, der keine Kinder hat und auch 3 000 DM verdient. Wer 3 500 DM verdient und zwei oder drei Kinder unterhält, vergleicht sich mit Eheleuten, die 3 500 DM verdienen und keine Kinder aufziehen, und findet es ungerecht, daß er steuerlich im Prinzip genauso belastet wird wie einer, der keine Kinder hat. Also überlegen Sie sich bitte diese grundsätzliche Frage noch einmal!
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Ausgerechnet die Familien mit Kindern, die mit viel Steuern belastet werden, sollen nach Ihrem Willen so behandelt werden, als wenn sie nur wenig Steuern zahlten, obwohl sie auch nach der Entlastung noch unvergleichlich mehr Steuern zahlen als solche, die noch nicht so stark in der Progression sind. Nein, mit der Ideologie des Neides oder der Gleichmacherei kommen wir nicht zu sachgerechten Lösungen, auch nicht auf diesem Feld.
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Es muß der Grundsatz gelten: Familienpflicht vor Steuerpflicht. Dieser Grundsatz muß in den kommenden Jahren wieder in das Steuerrecht kommen.
Wenn Sie den grundsätzlichen Ausführungen nicht folgen können, dann sehen Sie es doch bitte praktisch. Praktisch geht es um die Progressionsmilderung für die breiten Mittelschichten. Es geht doch nicht um die Reichen. Die Masse der breiten Mittelschichten will eine Progressionsmilderung haben. Warum soll das gerade den Familien mit Kindern verwehrt werden, wo es wegen anderer Dinge immer anerkannt wird?
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Sie dürfen nicht ein Blumenbeet vollständig ausreißen, weil vielleicht da und dort ein Unkraut ist. Das ist im Grunde Ihre Steuerpolitik. Sie reißen lieber das ganze Blumenbeet heraus, alle Blumen heraus, weil vielleicht hinter einer Blume ein Unkraut ist, weil vielleicht irgendeiner das ausnützen kann, dem es nicht zusteht. Lieber alle Blumen weg, als daß da irgendwo ein Unkraut ist. Das ist keine Steuerpolitik.
Der Kinderabzugsbetrag, den Sie einführen, beweist ja, daß Sie selber spüren: Es muß auch im Steuerrecht ergänzend etwas geschehen. Bloß ist das deswegen nicht sehr überzeugend, weil Ihre Hauptabsicht ist, die Lasten die Länder und die Gemeinden tragen zu lassen. Es ist im Grunde ein Finanzausgleichsvorhaben, das Sie mit diesem Kinderabzugsbetrag, für alle gleich, hier einführen wollen. Das führt zu neuen steuerlichen Komplizierungen, nicht nur im Steuerrecht selbst, sondern ergänzend müssen Sie dann in verschiedenen Leistungsgesetzen, Sozialgesetzen, wieder neue Regelungen treffen, so daß das Ding immer noch komplizierter wird.
Zugleich wollen Sie den Kinderbetreuungsbetrag abschaffen. Ich erkläre hier für die CDU/CSU: ehe nicht die Kinderfreibeträge, die einfachen, nachweisfreien, unkomplizierten Kinderfreibeträge wieder im Steuerrecht sind, werden wir zur Beseitigung des Kinderbetreuungsbetrages nicht ja sagen. Wir haben nie etwas anderes erklärt, als daß das für uns die Vorstufe für die notwendigen Kinderfreibeträge ist und unbürokratisch und möglichst nachweisfrei gehandhabt werden soll, wie es Gott sei Dank die Unionsländer und inzwischen gegen den Willen von Bundesfinanzminister Matthöfer erfreulicherweise sogar einige SPD-regierte Länder tun. Dies ist im Ergebnis genau das, was wir wollen. Es soll nicht nur der Clevere, sondern jeder in den Genuß kommen. Deswegen soll es nachweisfrei geschehen, wie wir es zu praktizieren versuchen.
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Ich komme zu dem Ergebnis: Unser Antrag ist nicht nur leistungsfreundlicher, sondern auch familienfreundlicher.
Der dritte Punkt ist: Wir wollen die Investitionskraft der Betriebe stärken. Wir wollen die Ertragsteuerbilanzwerte in die Vermögensaufstellung übernehmen und damit die ertragsunabhängige Besteuerung, die für die Investitionskraft von Betrieben wichtig ist, stärken. Ziel ist die Beseitigung der Doppelbelastung durch die Vermögensteuer bei den Unternehmungen und bei den Anteilseignern, also im Grund die Fortführung der Körperschaftsteuerreform. Im Ertragsteuerbereich haben wir die Doppelbelastung beseitigt, aber noch nicht im Substanzbereich bezüglich des Vermögens.
Wir haben in unserem Entwurf ausdrücklich ausgeführt, daß wir mit uns bezüglich anderer Möglichkeiten reden lassen. Man kann daran denken, die Schachtelregelung von 25 % auf 10 % zurückzuführen. Man kann an einen Bewertungsabschlag denken, wie es die Steuerreformkommission vorgeschlagen hat. Ich sage ausdrücklich: In unserem Entwurf sind noch Restwerte bei der Vermögensteuer enthalten. Wir müssen im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einmal überprüfen, ob es nicht doch wieder kompliziert wird und ob es dem Ziel, nämlich die Substanzbesteuerung zu lindern, voll gerecht wird. Diese Restwerte-Regelung sollte also möglichst fallen. Das wollen wir im weiteren Verfahren genau überprüfen.
Der Koalitionsantrag bringt nur die Übernahme der Pensionsrückstellungen. Das ist nicht ausreichend. Gerade angesichts der Herausforderungen, die die Zukunft auf verschiedensten Gebieten für uns bringt, ist die Stärkung der Investitionskraft der Betriebe ein wichtiges Ziel, das man auch in den kommenden Jahren sehen muß.
Ich komme also zu dem Ergebnis: Der Antrag der CDU/CSU ist nicht nur leistungs- und familienfreundlicher, sondern auch investitionsfreundlicher.
Noch ein Wort zur Vereinfachungsdiskussion. Man muß sich erinnern: Im Herbst 1969 wurde bei Beginn der SPD/FDP-Koalition eine Regierungserklärung abgegeben, worin es hieß, das Ziel sei ein „gerechtes, einfaches und überschaubares Steuerrecht". Ich glaube, niemand kann behaupten, dieses Ziel sei erreicht worden.
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Vielmehr ist das Ergebnis: In Sachen Komplizierung des Steuerrechts hat es noch nie so trüb ausgeschaut wie als Folge der Steuerrechtsänderungen der letzten Jahre.
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Dazu wäre viel zu sagen, z. B. zur Kraftfahrzeugsteuer. Sie haben die Mineralölsteuer für fiskalische Zwecke um neun Pfennige angehoben. Dann konnten Sie keine Kraftfahrzeugsteuer-Reform mehr durchführen. Statt dessen haben Sie ein Hearing gemacht. Den Kinderbetreuungsbetrag wollen Sie nicht nachweisfrei, wie wir ihn wollen, sondern möglichst gegen Nachweis, womit Sie gerade die einfachen Leute und nicht die Cleveren bestrafen. Zu den Bagatellsteuern haben wir schon am 2. April 1979 den Antrag auf Beseitigung von sechs gestellt. Sie bringen jetzt den Antrag, nur drei abzuschaffen, und zwar nach einem großen Hearing.
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Man kann wirklich nur sagen: Es kreißt ein Berg - geboren wird ein Mäuslein.
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Dann haben Sie einen Grunderwerbsteuerbericht und einen über den § 7b verfaßt - wie bei einem akademischen Seminar an der Universität. Aber Sie haben nicht gehandelt, bis der Bundesrat dann gehandelt hat. Erfreulicherweise haben sich nicht nur die unionsregierten Länder, sondern auch SPD-regierte zur Vereinfachung der Grunderwerbsteuer zusammengerauft. Auch dieser Entwurf liegt heute vor. Wenn bei einem Gesetz 85 % der Vorgänge Ausnahmen und nur noch 15% der Erwerbsvorgänge die Regel sind, dann stimmt etwas nicht mehr. Der Satz muß natürlich heruntergeführt werden. Nach unseren Berechnungen sind die 2 % für die Aufkommensneutralität zu hoch. Es muß genau errechnet werden, ob es nicht nur 1% oder 11/2% statt 7% sein sollen.
Die Abschaffung von 68 bundes- und landesrechtlichen Gesetzen und Verordnungen wäre doch etwas. Aber was sagt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Bundesrats? Die „Vor- und Nachteile" seien im weiteren Verfahren „abzuwägen". Das nenne ich Führung!
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Ich wäre dankbar, wenn die Vertreter der beiden Koalitionsfraktionen heute eine klare Stellungnahme dazu abgeben würden. Das wird draußen erwartet. Das Thema ist beraten. Man kennt die Vor- und die Nachteile. Sie müssen heute erklären:
Sind Sie bereit, im weiteren Verfahren diese Grunderwerbsteuerreform noch in dieser Wahlperiode zu machen? Wenn Sie bereit sind, kommt sie zustande. Über den Prozentsatz wollen wir noch reden. Wenn Sie bereit sind, kommt sie zustande. Wenn Sie nur lavieren wollen, kommt sie nicht zustande. Aber die Verantwortlichkeiten sind dann klar.
Meine Damen und Herren, insgesamt muß die Steuerentlastung natürlich in die Haushaltspolitik eingebettet werden. In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, kürzlich einen ,,Alarmbrief" an Ihre SPD-Bundestagskollegen gerichtet. Auf der einen Seite ist dieser Alarmbrief hochinteressant. Zum erstenmal geben Sie zu, daß die Entwicklung der Verschuldung und der Zinsen viel, viel düsterer ist, als Sie es bisher in der Offentlichkeit gesagt haben. Es wäre besser gewesen, Sie hätten dies in der Offentlichkeit so gesagt wie in dem Brief an Ihre Fraktionskollegen.
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Auf der anderen Seite, Herr Matthöfer, sagen Sie aber: Es gibt keinerlei Abstriche am Steuerpaket; es ist alles gesichert. Diese beiden Aussagen lassen sich beim besten Willen nicht miteinander in Obereinstimmung bringen.
Jedoch enthält der Brief wirklich zutreffende Sätze. Sie reden darin von dem „besonders kritischen Jahr 1981". Sie sagen, daß nach der bisherigen Planung für 1981 schon 27 Milliarden DM Neuverschuldung vorgesehen seien, also mehr als im laufenden Jahr, daß aber darüber hinaus noch beachtliche Risiken für das nächste Jahr bestünden. Dann sagen Sie, daß im nächsten Jahr „enorme Schwierigkeiten" bestünden und dabei „sehr schwierige Fragen" auftauchten, daß vor allem die Zinsbelastung immer mehr zunehme, daß die Kapitalmarktbeanspruchung immer mehr ein Problem werde und der jährliche Bruttokreditbedarf auf rund 60 Milliarden DM ansteige. Dann sagen Sie wörtlich:
Das stellt uns vor gewaltige Probleme, für die wir auch ohne zusätzliche Anforderungen Lösungen erst noch finden müssen ...
Jetzt kommen die zusätzlichen Belastungen auf Grund der internationalen Lage noch hinzu! Weiter schreiben Sie, die Bereitschaft der Banken, Schuldtitel des Bundes zu erwerben, sei seit 1978 deutlich zurückgegangen, usw.
Ich kann dem nur zustimmen. Ich tadele Sie nicht wegen dieses Briefes. Mir wäre es lieber, Sie würden in der Offentlichkeit dies alles noch deutlicher sagen, als Sie es gegenüber Ihren Kollegen getan haben.
Von der SPD hörten wir in den letzten Tagen einen Angriff auf die Deutsche Bundesbank, welche in ihrer Diskontsatzpolitik die Schlußfolgerungen aus der Entwicklung gezogen hat. Mehr hat die Bundesbank gar nicht getan. Meine Damen und Herren, die Kapitalmarktbeanspruchung, die durch die öffentliche Hand seit Jahren im Übermaß geschieht und verstärkt auch in Zukunft geschehen wird, ist einer der Gründe, warum die Bundesbank gar nichts anderes tun kann, als zu handeln, um die Stabilität
des Geldwerts zu retten. Dafür verdient die Bundesbank keinen Tadel, sondern Unterstützung. Was hierzu von der SPD geäußert wurde , lehnen wir scharf ab.
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Herr Bundesfinanzminister, ich wäre Ihnen auch dankbar, wenn Sie angesichts Ihres eigenen Briefes, der in der Richtung zutreffend, aber im Ausmaß immer noch nicht die volle Wahrheit ist, endlich davon Abstand nähmen, zu sagen: Die Verschuldung bemesse ich genau so, daß die Beschäftigung möglichst gesichert ist. Inzwischen ist die abenteuerliche Staatsverschuldung nicht nur eine ungeheure Last für die Zukunft geworden, sondern beansprucht den Kapitalmarkt schon zu sehr und führt zu einem so großen Verdrängungswettbewerb, daß die Zinsen und die Kosten steigen und die Investitionen gebremst werden. Als Folge davon kommt der Wohnungsbau zum Erliegen, und es entstehen weitere Investitionshemmnisse. Ihre Schuldenpolitik ist schon in der Gegenwart arbeitsplatzfeindlich geworden und wird dies von Jahr zu Jahr mehr.
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Zu der für 1981 schon feststehenden Neuverschuldung von 27 Milliarden DM kommt noch eine Unsicherheit von etwa 10 Milliarden DM als Folge der Steuerentlastung und unabwendbarer Ausgaben internationaler Art hinzu. Es zeigt sich, daß die Bundesregierung spätestens im Jahr 1979 die Einleitung der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen versäumt hat. Wir haben 1979 ein volkswirtschaftliches Wachstum von 4,4 % gehabt. Wann denn sonst ist ein Konsolidierung einzuleiten, als wenn ein gutes, ordentliches Wachstum besteht! Diese Gelegenheit ist verpaßt worden. Deswegen sind Sie jetzt in der Sackgasse, und deswegen haben wir diese düsteren Ausblicke.
({18})
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat in den letzten Wochen und Monaten wiederholt erklärt, daß die internationale Lage notwendige Schlußfolgerungen nach sich ziehe. Wir erklären wiederum: Falls die Bundesregierung endlich die notwendigen Schlußfolgerungen aus der internationalen Lage zur Verstärkung unserer nationalen Sicherheit zieht, falls sie also die erforderliche Kurskorrektur für die öffentlichen Finanzen insgesamt einleitet, was vor allem Ausgabenumschichtungen mit sich bringen muß, und falls sie Abstriche an ihrem eigenen Steuerpaket vornimmt, dann - aber nur dann - sind wir bereit, über Verschiebungen von Teilen unseres Steuerpakets mit uns reden zu lassen.
Weil wir verantwortungsbewußt um des Ganzen willen hier dieses Angebot gemacht haben, Herr Bundesfinanzminister, finde ich es besonders betrüblich, daß Sie da eine Broschüre ,,Bundeshaushalt 80" veröffentlicht haben, die gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstößt, das wir gegen Sie erwirkt haben, daß die Regierung keine Parteienpropaganda machen, sondern nur ruhig und sachlich ihre Vorstellungen erklären darf. Genau
dies tun Sie nicht. Sie setzen hier die CDU/CSU mit Verfälschungen, mit Verzerrungen herunter,
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uns, die wir Ihnen das Angebot machen, Ihnen zu helfen, daß Sie aus dieser desolaten Lage herauskommen. - Stampfen Sie dieses Papier ein! Es ist verfassungswidrig, es ist unfair, es ist unwahr.
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Zum Schluß, Herr Bundesfinanzminister, habe ich zwei Fragen an Sie. Bitte beantworten Sie hic et nunc diese Fragen. Wie wollen Sie das, was Sie in Ihrem „Alarmbrief" dargestellt haben und was, wie Sie wissen, noch schlimmer wird, für das Jahr 1981 lösen? Wie stellen Sie sich die Zurückführung der Verschuldung vor? Erklären Sie es bitte nicht damit, daß Sie den Finanzausgleich zu Lasten der Länder und Gemeinden verändern würden. Wir können in Deutschland nichts mehr damit lösen, daß wir die Schulden zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin- und herschieben. Das ist eine Vogel-Strauß-Politik, das ist eine Schwarzer-Peter-Politik. Die grundlegende Kurskorrektur muß vom Bund, muß von der Bundesregierung kommen. Natürlich muß sie dann von den Ländern und Gemeinden mit vollzogen werden. Aber Sie sind doch nicht nur der Kassenwart des Bundes, sondern Sie haben die gesamte finanzpolitische Verantwortung für Bund, Länder und Gemeinden. Sie können nicht nur als Kassenwart mit den Ländern und den Gemeinden verhandeln, sondern die gesamte finanzpolitische Verantwortung haben Sie und müssen entsprechend handeln. Also die Frage: Wie stellen Sie sich das vor? Wie wollen Sie den Widerspruch lösen zwischen Ihrem „Alarmbrief", der Wirklichkeit, und Ihrer These, keinerlei Abstriche zu machen, alles sei solide finanziert? Erklären Sie bitte heute, wie Sie 1981 die Neuverschuldung herunterführen wollen.
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Die zweite Frage; sie geht auch an die beiden Koalitionsfraktionen. Aus der FDP haben wir in den letzten Tagen vom Parteivorsitzenden Genscher und von Ihnen, Herr Hoppe - Frau Matthäus ist in der Steuerpolitik wie immer etwas anders als vernünftige FDP-Leute -,
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gehört: Abstriche kommen in Betracht. - Siehe Abschaffung des Ehegattensplittings, Frau Matthäus; fragen Sie mal Ihre Vorgängerin, Frau Funcke, was die dazu sagt; da gibt es ja viele Äußerungen. Aber es ist interessant, die Offentlichkeit soll wissen, die Finanzausschußvorsitzende der FDP will die Abschaffung des Ehegattensplitting. Das aber nur am Rande. Ich habe Sie nur gerade gesehen; darum ist es mir gekommen; ich bitte um Entschuldigung. - Aber auf jeden Fall, meine Damen und Herren, Sie haben klar eine ähnliche Bereitschaftserklärung abgegeben wie wir. Die SPD und der Bundesfinanzminister sagen dagegen strikt: Keinerlei Abstriche trotz dieses ,,Alarmbriefes". Was gilt jetzt? Gilt das, was die SPD sagt? Oder gilt das, was die FDP sagt?
16504 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 206. Sitzung. Bonn. Freitag. den 7. März 1980
Heute erwarten wir hic et nunc eine Antwort darauf.
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Es darf nicht wieder so weit kommen, wie wir es erlebt haben. Wir haben 1976 eine Rententäuschung in Deutschland erlebt, wir haben 1970 kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen eine Steuertäuschung erlebt. Sie entsinnen sich. Da sind neun Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen in diesem Hause im Finanzausschuß Steuersenkungen durchgesetzt worden: Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags, Abschaffung der dreiprozentigen Ergänzungsabgabe. Sie ist gegen unsere Warnung, die wir aus konjunkturellen Gründen erhoben haben, abgeschafft worden. Fünf Tage nach der Landtagswahl ist das dann von der Koalition zurückgenommen worden, und drei Wochen später sind Steuererhöhungen durchgesetzt worden. Das war die Steuertäuschung vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1970. In diesem Wahljahr 1980 darf es nicht so weit kommen, daß die Rententäuschung im Wahljahr 1976 und die Steuertäuschung im Wahljahr 1970 nur kleine Vorspiele im Vergleich zu der Finanztäuschung insgesamt gewesen sein könnten, die in diesem Jahr von der Regierung und von der Koalition eingeleitet wird. Davor möchten wir bewahrt sein.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben dem Bürger offen gesagt,
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daß es bei der Lohn- und Einkommensteuer 1980 keine Entlastung geben kann. Wir haben in den Jahren 1975, 1977/78 und 1979 Entlastungen zugunsten des Steuerzahlers vorgenommen und werden dies wieder in Jahre 1981 tun.
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1980 werden die Mehreinnahmen dringend benötigt, um im Interesse des Bürgers die Neuverschuldung des Bundes -, aber auch bei den anderen Gebietskörperschaften - zu verringern, und zwar ohne an irgendeiner Stelle die Leistungen für den Bürger im Rahmen unserer sozialpolitischen Gesetzgebung und unserer wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu verkleinern. Ein Abbau von Sozialleistungen findet nicht statt; so etwas geht nicht mit Sozialdemokraten.
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Meine Damen und Herren, die sozial gerechte Umverteilung für die jeweils Schwächeren über den Weg der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit bleibt Inhalt unserer Politik, und damit setzen wir dem Unions-Gerede von den sogenannten heimlichen Steuererhöhungen die volle Offenheit unserer Argumente entgegen und orientieren unsere Steuerpolitik an dem, was für den Bürger zum richtigen Zeitpunkt notwendig und möglich ist.
Es wird niemandem verborgen bleiben, daß nur derjenige leichtfertig mit den Staatsfinanzen umgeht, dessen nicht vertretbare Steuersenkungsvorschläge für 1980 noch auf dem Tisch des Hauses liegen, während schon neue überzogene Vorschläge für das nächste Jahr hinzukommen. Das ist nun einmal das Verhalten der Union.
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Die Union ist es, die im Wahljahr Geschenke in der Größenordnung von 6,5 Milliarden DM machen wollte, ohne dafür, Herr Häfele, konkrete und ausreichende Ausgabenkürzungen zu nennen.
Es ist auch die Opposition, die dabei trotzdem den Vorwurf zu hoher Neuverschuldung erhob, obwohl gerade die Verhaltensweise der Opposition zu einer stärkeren Erhöhung der Neuverschuldung geführt hätte. Wir weisen diese Politik als nicht seriös zurück.
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Meine Damen und Herren, zu dem ständig wiederholten Vorwurf der „heimlichen" Steuererhöhungen, den die Opposition zu ihrem Schlager gemacht hat, möchte ich zunächst einmal die Tassen im Schrank ein bißchen zurechtrücken.
Erstens. Als Herr Strauß Bundesfinanzminister war
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und gar nicht daran dachte, dagegen etwas zu tun, stieg das Lohnsteueraufkommen in einem Jahr um mehr als 20 %.
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Zweitens. Eine solche Steigerung hat es in keinem Jahr gegeben, für das sozialdemokratische Finanzminister Verantwortung trugen, und es gibt sie auch nicht für 1980 und 1981.
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Drittens. Durch die steuerpolitischen Entscheidungen der sozialliberalen Koalition, die ab 1975 im Abstand von jeweils etwa zwei Jahren deutliche Korrekturen zugunsten der Lohnsteuerzahler vorgenommen haben, ist die Lohnsteuerquote, also das Verhältnis des Lohnsteueraufkommens zur Summe der Bruttolöhne und -gehälter, zurückgegangen. Wenn das Steuerpaket, das wir Ihnen hier heute vorstellen, 1981 in Kraft tritt, dann wird die Lohnsteuerquote mit 14,8 % auf dem Stand von 1974 sein, und dies, obwohl in den Jahren seitdem die realen Einkommen der Arbeitnehmer gestiegen sind.
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- Herr Althammer, wir haben auch keine Zwischenfragen gestellt. Wir haben Freitagvormittag; ich weiß von Ihnen, daß Sie es eilig haben. Ich möchte gern meine Redezeit einhalten. Ich bitte um Verständnis, daß ich im Kontext bleiben will. Wir haben genügend Zeit, in der Diskussion vieles zu erörtern.
Es ist eine Konsequenz des Systems einer Besteuerung der Einkommen nach der Leistungsfähigkeit mit einem progressiv wirkenden Teil des Steuertarifs, daß mit steigendem Einkommen immer wieder Steuerzahler in den progressiven Teil des Tarifs hineinwachsen und dadurch ihr Einkommen stärker belastet wird. Dieses Steuersystem wird von keiner Seite bestritten. Seine Wirkungen spürt der Bürger insbesondere bei jeder neu hinzuwachsenden Mark als Grenzsteuerbelastung, und zwar sehr deutlich.
Um die Zahl derjenigen, die dieser Belastung unterliegen, nicht übermäßig anwachsen zu lassen und den Progressionsanstieg besonders in der ersten Phase flacher zu gestalten, ist die jetzt gesetzgeberisch zu ziehende politische Konsequenz eine deutliche Steuerentlastung genau für diese eben beschriebene Personengruppe im Jahre 1981.
Wir legen Ihnen heute mit einem Entwurf der Koalitionsfraktionen von SPD und FDP ein Maßnahmenpaket für 1981 und 1982 vor, das genau an dieser Stelle ansetzt. Es senkt bei der Lohn- und Einkommensteuer die Steuerzahlungen insbesondere für den Facharbeiter, aber auch für den kleinen Selbständigen und für denjenigen Steuerzahler, bei dem die Frau mitarbeitet. Das Paket tut das so, daß eine beachtliche Zahl von ihnen in die Proportionalzone des Steuertarifs zurückkehrt. Für einen weiteren beachtlichen Teil dieser Gruppe wird die Progressionswirkung gemildert. Wir erreichen dies einerseits durch eine Verlängerung der Proportionalzone von heute 16 000 DM jährlich für Ledige und 32 000 DM für Verheiratete auf 18 000 bzw. 36 000 DM und andererseits durch die Abflachung der Progressionskurve bis zu einer Größenordnung von 60 000 bzw. 120 000 DM. Darüber hinaus wollen wir den Tariffreibetrag seiner progressiven Wirkung entkleiden und ihn dem allgemeinen Grundfreibetrag zuschlagen, so daß die Steuerpflicht in Zukunft erst bei 4 200 DM für Ledige und 8 400 DM für Verheiratete beginnt.
Dieser Teil der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen wird zu Steuermindereinnahmen von insgesamt immerhin rund 5,5 Milliarden DM führen. Dabei heben wir uns von den Absichten der Opposition ab, denn die Tatsache, daß bei ihr eine Verschiebung des Beginns der Progressionszone nicht vorgenommen wird, bedeutet ja, daß künftig geringere Einkommen früher als bisher einer progressiven Besteuerung unterliegen und höhere Grenzsteuerbelastungen für die betroffene Personengruppe sozusagen zum jährlichen Dauerärgernis werden. Abgesehen davon müssen wir feststellen, daß die außerordentlich teure Senkung des Steuersatzes in der Proportionalzone den finanzierbaren Rahmen unseres Pakets sprengen würde.
Meine Damen und Herren, das hinter diesem Teil unseres Steuerpakets stehende Konzept wird durch vornehmlich steuerliche Entlastungsmaßnahmen ergänzt, die den Familien zugute kommen sollen und dabei gleichzeitig eine spürbare Hilfe für die Bezieher kleinerer Einkommen sind. Der entscheidende Punkt dieses Teils des Pakets ist die Einführung eines steuerlichen Kindergrundfreibetrags für jedes Kind in Höhe von 800 DM pro Elternteil, also 1 600 DM für beide Ehegatten. Dieser Weg entspricht unserer Überzeugung, daß die kinderbezogenen Leistungen des Staates eben - ganz anders, als Sie, Herr Häfele, es uns hier vorzutragen versucht haben - unabhängig vom Einkommen der Eltern für alle Kinder gleichmäßig gewährt werden müssen. Der reichere Vater soll für seine Kinder keinen größeren Vorteil erhalten als der weniger verdienende. Unser Vorschlag wird zu einer Entlastung je Kind von fast 30 DM im Monat führen. Außerdem sind alle Gebietskörperschaften, die Anteil an dem Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer haben, und nicht der Bund allein an diesen Steuermindereinnahmen beteiligt.
Für uns bedeutet das Beschreiten dieses Weges aber auch, daß der Steuerbürger schon auf seinem Lohnstreifen sehen kann, welche Entlastungen für seine Kinder durch den Staat seiner Steuerbelastung gegenüberstehen. Dies ist ein Schritt zu der von uns angestrebten Finanzamtslösung. Wir verbinden mit diesem Vorhaben zugleich die Absicht, die ungeliebte Kompromißentscheidung des Vermittlungsausschusses im Steuerpaket 1979, die den Namen „Kinderbetreuungskosten" trägt und von vielen hier als eine Mißgeburt bezeichnet worden ist, wieder abzuräumen. Wir wollen damit die Diskussion über seine unterschiedliche Anwendung in den Ländern, die zur Ungleichheit der Besteuerung durch unterschiedliches Verhalten der Länder führt, beenden.
Vier positive Argumente sprechen für den Kindergrundfreibetrag, nämlich die Höhe der Kinderentlastung, die Gleichmäßigkeit der Entlastung für alle Einkommensbezieher, die Verdeutlichung der Kinderentlastung auf dem Lohnstreifen und der Fortfall einer sich entwickelnden Ungleichmäßigkeit der Besteuerung.
Die Kritiker dieses Verfahrens, die - sei es, weil sie eine Kindergelderhöhung für systemgerechter halten, sei es, weil sie die Finanzamtslösung nicht mögen - einen anderen Weg gehen wollen, werden zumindest bereit sein müssen, dem Bund die Finanzierung nicht allein zu überlassen. Sie werden bereit sein müssen, einen entsprechenden Anteil am Steueraufkommen der Länder dem Bund auf anderem Wege zur Verfügung zu stellen. Da hilft es nicht, nur den Mund zu spitzen, da müßte dann auch gepfiffen werden. Meine Damen und Herren, positive Signale dieser Art haben wir bisher nur von den sozialdemokratisch oder sozialliberal regierten Ländern gehört - von anderen bisher leider noch nicht. Es wird doch wohl niemand bestreiten können, daß das stark steigende Lohnsteueraufkommen - welches die Opposition als „heimliche Steuererhöhung" zu bezeichnen beliebt - bei den Ländern im gleichen Maße wie beim Bund in die Kassen kommt und - um im Oppositionsjargon zu sprechen - zurückgegeben werden muß.
Es sei dabei sofort hinzugefügt, daß die Absicht der Unionsparteien, wieder einen Kinderfreibetrag in das Steuersystem einzufügen und damit wegen der progressiv entlastenden Wirkung tatsächlich reiche Leute mit Kindern stärker steuerlich zu ent16506
lasten als die Bezieher kleinerer Einkommen mit Kindern, für uns in der Koalition unannehmbar ist.
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Herr Häfele, alle Ihre Anstrengungen in dieser Frage scheitern an unserer Grundüberzeugung. Sie mögen das Ideologie nennen. Wir drehen das um und sagen: Sie verteidigen eine konservative Ideologie, die wir nicht zu vertreten in der Lage sind,
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bei der wir mit aller Deutlichkeit gerade auch dem Wähler klarmachen werden, wer den Reicheren mehr entlasten will und dafür solche Anstrengungen macht. Erinnern Sie sich doch bitte daran, Herr Häfele, daß Ihre politische Gruppe 1975 mit uns zusammen, mit allen zusammen, genau diese Veränderung vorgenommen hat.
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Jetzt drehen Sie sich um 180 Grad zugunsten einer bestimmten Wählerklientel, die nicht diejenige ist, die die Arbeitnehmer bilden.
Dies gleiche, meine Damen und Herren, gilt auch für den Trick,
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den Kinderbetreuungskostenbetrag zu einem Freibetrag entsprechender Art umzufunktionieren. Da ist doch eine ganze Menge Luft drin, wenn wir an irgendeiner Stelle Einsparungen vornehmen wollen und müssen. Wir sollten dieses Unikum wegnehmen, eine Vereinfachung zustande bringen und klare Verhältnisse schaffen, daß Eltern im Zusammenhang mit Kindern bei der Steuer und beim Kindergeld gleichbehandelt werden. Dies ist unsere Konzeption. Die weicht von Ihrer um 180 Grad ab.
Die Kinderentlastungen, die unser Paket vorsieht, sind auch für diejenigen Familien gedacht, die Einkommen aus nicht zu versteuernden Leistungen beziehen. Weil man einen steuerlichen Kindergrundfreibetrag aber nur Leuten zukommen lassen kann, die Steuern zahlen, sind ergänzende kinderbezogene Leistungen in gleicher Größenordnung wie der Kindergrundfreibetrag für diese Personengruppe erforderlich. Unser Paket sieht deshalb Kinderausgleichsbeträge vor, z. B. für Sozialversicherungsrentner und Unfallversicherungsrentner mit Kindern, Unterhaltsleistung beziehende Soldaten und Teilnehmer von Arbeitsförderungsmaßnahmen sowie längerfristig Arbeitslose, jeweils mit Kindern im Kindergeldalter.
Diese notwendige Flankierung wird in unserem Paket noch ergänzt durch die Anhebung des Haushaltsfreibetrages für Alleinstehende mit Kindern. Die Anhebung dieses Freibetrages um 1 200 DM auf 4 200 DM bedeutet, daß insbesondere die alleinstehende Mutter mit Kindern, wenn sie im Arbeitsleben steht, steuerlich ähnlich behandelt wird wie eine Familie mit beiden Elternteilen. Sie hat erst ein Einkommen, das über 8 400 DM liegt, zu versteuern.
Wir fügen in unser Paket außerdem eine Wohngeldnovelle ein, deren Sinn neben einem erforderlichen Anpassungsvorgang insbesondere darin liegt, die familienpolitische Komponente unseres Maßnahmenbündels zu verstärken. Dies soll dadurch geschehen, daß das Wohngeld künftig für die Haushalte mit Kindern, also Drei-, Vier- oder Mehr-Personen-Haushalte, deutlich verbessert wird.
Damit nicht genug, meint die Koalition, daß das Kindergeld durch einen Zuschlag von 300 DM pro Kind in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ab 1982 verstärkt werden soll.
Meine Damen und Herren, wenn Sie die Steuermindereinnahmen und die Ausgaben im Zusammenhang mit diesen familienpolitischen Komponenten des Gesamtpaketes addieren, können Sie feststellen, daß dies das größte familienpolitische Maßnahmenbündel ist, welches je in diesem Hause zugunsten von Kindern und von Familien auf den Beratungstisch des Parlaments gelegt worden ist.
Es ist ein beliebtes Spiel, die einzelnen Teile eines Pakets steuerpolitischer Maßnahmen nach der Klientel, die dabei jeweils erreicht wird, und nach der Herkunft der Vorschläge aufzugliedern. Wir beteiligen uns schon deshalb nicht an einem solchen Spiel, weil es nicht gelingen kann und nicht gelingen wird, die Koalition auseinanderzudividieren. Beide Teile dieser Koalition tragen alle vorgeschlagenen Maßnahmen gemeinsam und werden dies auch tun, wenn sich in den Beratungen der Ausschüsse eventuell eine Veränderung im Einzelfall ergeben sollte. Dabei sind wir uns auch einig, daß das Volumen in keinem Falle nach oben verändert werden darf. Es hat aber auch sonst wenig Sinn, ein solches Spiel der Aufgliederung zu betreiben, weil die Vorschläge eines Gesamtpakets praktisch in allen Teilen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen entsprechend deren Größenordnungen zugeordnet sind und alle begünstigen.
Wir heben dabei die erneute Aufstockung des Weihnachtsfreibetrags um 200 DM auf 600 hervor. Dieser Freibetrag kommt allen Arbeitnehmern zugute. Die Steigerung um 50% des bisherigen Betrages soll bereits ab Weihnachten 1980 gelten.
Ab 1981 wollen wir die Übernahme der ertragsteuerlichen Werte für Pensionsrückstellungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ermöglichen. Dabei sagen wir gleichzeitig ein deutliches Nein zu der Absicht der Opposition, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die gesamten Wertansätze aus der Ertragsteuerbilanz übernehmen zu können. Was dort unter Steuervereinfachung verkauft wird, würde zu einer Steuerentlastung mit einem Umfang von 1 Milliarde DM im Vermögensteuerbereich führen. Bei anhaltend guter Investitionsneigung, die uns gerade von den Wirtschaftsfachleuten bestätigt worden ist, und neben den die Wirtschaft entlastenden Maßnahmen im Gewerbesteuerbereich, die aus dem Steuerpaket 1979 stammen und in den Jahren 1981 und 1982 in Kraft treten werden, können wir eine derartige erneute Entlastung nicht bejahen. Im übrigen spielt die Opposition in ihrer Vorlage ja noch mit dem Gedanken - das hat Herr Häfele hier wieder deutlich
gemacht -, darüber hinaus weiteren Wünschen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie nachzukommen, ohne sich schon auf etwas Bestimmtes festgelegt zu haben.
({13})
Das ist Strauß, wie er leibt und lebt: ein bißchen Streicheln für die Arbeitnehmer, aber dicke Entlastungen im Vermögensteuerbereich bei den Unternehmern.
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Für den 1. Januar 1982 sieht unser Paket noch zwei Maßnahmen besonderer Art vor. Sie führen einerseits zur Anhebung des Sonderausgabenhöchstabzugsbetrags von 240 bzw. 480 DM auf 2340 bzw. 4680 DM und helfen damit, einen größeren Teil der Sozialbeiträge von Steuern freizustellen. Andererseits soll der steuerliche Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen um 500 bzw. 1000 DM für Ledige bzw. Verheiratete angehoben werden. Dies ist erst ab 1982 vertretbar, da wir ja gerade in diesem Jahr diesen Vorwegabzug erhöht haben. Auch bei dieser Maßnahme sind nicht nur die Selbständigen - aber natürlich auch sie in besonderer Weise - berücksichtigt. Die Erhöhung des zusätzlichen Sonderausgabenhöchstbetrags, also des Vorwegabzugs, kommt auch den Arbeitnehmern zugute, da sich dadurch der frei verfügbare Betrag, der nicht durch den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung aufgezehrt ist, erhöht.
Meine Damen und Herren, es ist erforderlich, nun noch einige Bemerkungen zu unserer Steuer- und finanzpolitischen Diskussion insgesamt zu machen. Vergleicht man das von mir hier erläuterte und von der Bundesregierung im gleichen Text dem Bundesrat bereits übergebene Steuerpaket für 1981 und 1982 der Koalition von Sozialdemokraten und Freien Demokraten mit dem, was Herr Strauß außerhalb des Parlaments im Dezember verkündet hat und was sowohl von den B-Ländern im Bundesrat eingebracht wurde als auch uns hier heute von der CDU/CSU-Fraktion vorgetragen wurde, so kann jeder objektiv Prüfende folgendes deutlich erkennen: Die Opposition meint, Steuerentlastungsmaßnahmen und Ausgabeerhöhungen in einem einzigen Jahr, 1981, in einer Größenordnung von 17,2 Milliarden DM vornehmen zu können. Das sind 4,3 Milliarden DM mehr, als in unserem Paket für das Jahr 1981 vorgesehen sind. Dem Bund will die Opposition in diesem einen Jahr, 1981, 9,2 Milliarden DM aufladen, während unser Paket den Bund mit 5,45 Milliarden DM in 1981 und mit 2,6 Milliarden DM in 1982 belastet. Wir verteilen die Belastungen für die öffentlichen Haushalte auf zwei Jahre, weil wir wissen, daß wir vorsichtiger und solider mit den Staatsfinanzen umgehen müssen.
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Es ist schon ein seltsames Spiel, was die Opposition uns vorführt.
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- Ich will Ihnen das: gerne hier verdeutlichen. Wenn Sie gut zuhören, wird es selbst für Sie durchaus begreiflich. Für jeden draußen ist es sowieso begreiflich. - Die Opposition schnürt ein größeres Paket und sagt zum Bürger: Schaut her, wir sind die Größten. Zugleich greift sie unseren Finanzminister an, und wirft ihm vor, er könne sein um 4,3 Milliarden DM kleineres Paket in 1981 nicht finanzieren.
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Wenn der geplagte, aber zur Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerzahler entschlossene Finanzminister auf die schwierige Gratwanderung der Steuer- und Haushaltspolitik hinweist - Sie haben diesen Brief auch heute wieder vorgenommen und daraus zitiert -, dann unterstellen Sie ihm, er wolle etwas verschleiern und beabsichtige wohl eine Art Haushaltssicherungsgesetz - à la Erhard, muß hinzugefügt werden. Die Opposition verlangt vom Finanzminister, er solle jetzt schon sagen, wie seine Einsparungsabsichten im Haushalt 1981 aussehen. Aber sie sagt kein einziges Wort zu eigenen Sparvorschlägen, die doch wohl nach der mathematischen Logik zumindest um den Teil größer sein müßten, den das Oppositionspaket für 1981 größer ist als unsere Vorschläge. Nichts davon von Ihrer Seite.
Dann kommt auch noch diese Oppositionsarie, die die Widersprüchlichkeit vollkommen macht. Das umfangreichere Entlastungspaket soll dem Wähler die Opposition als besser und freundlicher darstellen, aber zur gleichen Zeit wird verkündet, die Opposition sei bereit, unter dem Zwang neuer weltpolitischer Entwicklungen das Ganze oder Teile davon zurückzustellen, denn Verteidigungsausgaben seien nun einmal wichtiger. Dieser staatsmännisch erscheinende Gedanke würde allerdings, so meint die Opposition, nur dann gelten, wenn die Regierung und die Koalition vorangehen und bei ihrem - ich sage es noch einmal - kleineren Paket zuerst Abstriche vorschlagen würden. Das liegt doch auf der bekannten, „mutigen" Linie des „Hannemann, geh du voran! Wir bleiben inzwischen sauber.''
({18})
- Sie bleiben sauber! Nicht?
Meine Damen und Herren, diesen finanzpolitischen Slalom auf dem Rücken des Steuerzahlers machen wir nicht mit.
({19})
Wir sagen dem Bürger, was wir zu machen für richtig und notwendig halten. Dies steht in dem von mir soeben erläuterten Paket. Wir halten uns für fähig, es ordentlich zu finanzieren. Dabei wissen wir gleichzeitig, daß Steuergesetzgebung nun einmal nur im Zusammenwirken von Bundestag und Bundesrat möglich ist. Das sagt so unsere Verfassung. Und es wird noch verdammt viel schwierige
Arbeit und Mühe kosten, zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen. Ich füge hinzu: Wir sagen offen, daß dies alles nicht einfach ist und daß manche gute andere Sache, die Geld kosten würde, in einer solchen Situation eben nicht machbar ist. Genau dies, Herr Häfele, hat der Finanzminister in seinem Brief an unsere Fraktion geschrieben, den Sie hier zitiert haben.
Wenn uns im internationalen und im Verteidigungsbereich in den kommenden Jahren höhere Lasten bevorstehen, die wir im Rahmen unserer Solidarität -im Bündnis in sinnvoller Aufgabenteilung zusätzlich zu tragen haben, dann werden wir dafür zu gegebener Zeit zwei konkrete Wege einschlagen: Erstens werden wir im Bundeshaushalt an anderer Stelle einsparen, ohne ins Netz der sozialen Sicherung einzuschneiden, und zweitens werden wir die Länder daran erinnern, daß im Grundgesetz eine Aufteilung der Einnahmen aus den Gemeinschaftsteuern vorgesehen ist, die sich nach den von den Gebietskörperschaften zu leistenden Ausgaben richtet. Wenn der Bund also neue zusätzliche Aufgaben zu leisten hat, dann muß das Folgen bei der Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens zwischen Bund und Ländern haben. Es kann nicht so sein, daß wir bei der Bewältigung zusätzlicher Ausgabenbelastungen als erstes daran denken, eine hier allseits für notwendig erklärte Steuerentlastung für den Bürger rückgängig zu machen und diese Lasten auf dem Rücken des Bürgers abzuladen, bevor wir alle - ich meine alle Gebietskörperschaften - einen Weg auch nur gesucht haben, die Solidarität, um die es in diesem Fall im internationalen Maßstab geht, aus Worten in Taten bei uns umzusetzen.
({20})
Der Bundesfinanzminister hat angekündigt, den Nachtragshaushalt 1980, der bereits erste Lasten der genannten Art enthalten wird, durch Einsparungen im laufenden Bundeshaushalt zu decken, also den Weg der Kreditaufnahme zu vermeiden. Wir werden ihm helfen, dabei erfolgreich zu sein. Der Haushalt 1981, bei dem anzunehmen ist, daß in ihm neue Aufgaben in Bundeszuständigkeit zu finanzieren sein werden, bedarf dann eines besseren Anteils aus dem Gemeinschaftsteueraufkommen, als es gegenwärtig gegeben ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist doch wohl nicht zuviel verlangt, in dieser Frage auch bundestreues Verhalten der Opposition zu erwarten, zumal Sie doch gern selbst hier regieren möchten.
({21})
- Wieso sind es Fehler der Regierung, wenn sich aus Afghanistan Konsequenzen für unser Volk ergeben?
({22})
Entschuldigen Sie bitte: Wenn daraus Lasten entstehen, dann ist doch wohl völlig klar, daß diese auch gemeinsam getragen werden müssen. Wenn wir zur gleichen Zeit alles für eine erforderliche Steuerentlastung gerade für die Arbeitnehmer und die kleinen Selbständigen tun wollen, dann können wir zu
dem Steuerzahler nicht „April, April" sagen, sondern wir müssen zuerst fragen: Was können wir, und zwar sowohl beim Bund als auch bei den Ländern, anders machen, um diese Entlastung zu ermöglichen und gleichzeitig die anderen Lasten tragen zu können? Um diesen Vorgang geht es hier, und den haben wir durchzufechten.
({23})
Meine Damen und Herren von der Opposition, im Gleichmaß wiederholen Sie wie beim Drehen tibetanischer Gebetsmühlen die These von der „Aufblähung des Staate?. Die freie Verfügbarkeit des Erarbeiteten würde, so meinen Sie, für die Bürger und die Betriebe eingeschränkt, wenn jede zweite Mark, die unser Volk erarbeitet hat, durch öffentliche Kassen fließt. Es klingt so schön, wenn man dem Bürger sagt, er könne mit dem Geld besser als der Staat umgehen, obwohl man mit dieser Argumentation nur die politische Linie von Herrn Strauß und von Herrn Biedenkopf kaschieren möchte, das Ende des Sozialstaats sei erreicht, Leistungen des Staates an den Bürger müßten gekürzt oder in ihrem Zuwachs gebremst werden, und die Daseinsvorsorge sowie die Modernisierung der Wirtschaft solle dem Bürger in hohem Maße lieber selbst überlassen werden. Das sind Ihre Thesen.
({24})
Dieser leichtfertigen Argumentation der CDU/ CSU treten wir entschieden entgegen, weil Umverteilung zugunsten der einkommensschwächeren Schichten durch die staatliche Gemeinschaft notwendig ist, weil der Ausgleich der Lasten für größere Familien bei einem leistungsbezogenen Einkommenssystem sonst zu kurz käme, weil kleine Selbständige und mittelständische Betriebe sonst von den Großunternehmen erdrückt würden und weil - um dies auch in einem Slogan aus unserer Sicht zusammenzufassen - sich nur reiche Leute einen armen Staat leisten können.
({25})
Wo wäre denn die wirtschaftliche Entwicklung geblieben, strukturell und konjunkturell, wenn wir nicht mutig mit den uns vom Steuerzahler zur Verfügung gestellten Mitteln Investitionen angeregt und Arbeitsplätze gesichert hätten und nicht auch bereit gewesen wären, dazu eine hohe Neuverschuldung in Kauf zu nehmen? Wo wären wir denn geblieben?
({26})
Wir bezweifeln nicht, daß dies mehr Einflußnahme des Staates bedeutet, aber wohl Einflußnahme auf der Grundlage von Entscheidungen eines demokratisch gewählten Parlaments. Wir können auch nicht bestreiten, Herr Häfele, daß solches Handeln in manchem Fall bürokratisches Verhalten in Behörden zur Folge hat. Dies kann und muß durch Bürgernähe und Mitbestimmungsregeln überwunden werden. Aber wir werden doch nicht wegen solcher Probleme, die überwindbar sind, das Ziel aufgeben, mit dem Mittel parlamentarischer Gesetzgebung und
mit dem nach Leistungsfähigkeit aufgebrachten Steuergeld Schritt für Schritt mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Hilfe für den jeweils Schwächeren zustande zu bringen.
Uns schreckt deshalb nicht der Vorwurf, wir würden Reformpolitik betreiben. Uns schreckt auch nicht der Vorwurf, wir hätten den öffentlichen Korridor verbreitert. Es geschah zugunsten des Bürgers.
({27})
Aber wenn dann von Anspruchsinflation geredet wird und dies bei der Opposition offensichtlich nicht auf die eigene, immer wieder vorgebrachte Forderung, noch mehr ertragsunabhängige Steuern zu senken, bezogen wird, dann geben wir den Ball zurück und verweisen auf die Woche für Woche aus Sonntagsreden von Oppositionspolitikern ablesbaren neuen Forderungen an den Staat, deren Verwirklichung Milliardenbeträge kosten würde.
({28})
Meine Damen und Herren, sozialdemokratische Finanzpolitik stellt Haushalts- und Steuerpolitik in einen engen Zusammenhang. Vor einer Woche haben wir hier gezeigt, daß wir zusammen mit unserem Koalitionspartner die einzigen sind, die konkret an den Abbau ungerechtfertigter Subventionen herangehen. Ich meine die entsprechenden Wirkungen in unserem Gesetz zu einer gerechteren Besteuerung der Landwirtschaft und die neu eingebrachte Vorlage zur Verhinderung des Unwesens, das von Abschreibungsgesellschaften betrieben wird.
In unseren Haushaltsentscheidungen haben wir verdeutlicht, daß wir es ernst meinen, den Aufwuchs der Verschuldung zu bremsen. Als Beispiel will ich nur nennen, daß der 1978 vorbereitete, unter damaligen Wirtschaftserwartungen noch expansiv gestaltete Haushalt 1979 ein Nettokredit-Soll von 31,2 Milliarden DM enthielt, das auf 25,6 Milliarden DM Ist am Ende des Jahres gesenkt werden konnte. Da war also trotz des expansiven Ansatzes, was die Verschuldung angeht, tatsächlich schon eine Rückführung möglich. In der Finanzplanung für 1980 - das werden Sie sicher noch in Erinnerung haben - waren 33 Milliarden DM neue Schuldaufnahme vorgesehen. Sie konnten beim Beschluß über den Etat 1980, den wir hier im Dezember vollzogen haben, auf 24,2 Milliarden DM zurückgeschraubt werden, also um 9 Milliarden DM.
Unsere Steuerpolitik findet in dieser Legislaturperiode nun ihre Abrundung durch das heute eingebrachte Gesetz zur Steuerentlastung und Familienförderung, darüber hinaus durch die Streichung einiger Bagatellsteuern und durch den Entwurf eines Gesetzes, in dem wir die Bergmannsprämie verdoppeln werden. Das erwarten die Bergarbeiter seit einiger Zeit. Wir werden es so durchsetzen, daß es sie im Frühjahr erreicht.
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- Nein, wir werden es tun, weil es notwendig ist; daß dafür ein baldiger Zeitpunkt erforderlich ist, steht ja wohl außer Zweifel.
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Im übrigen bin ich sicher, daß auch Sie vor der Wahl zustimmen werden; nur um das zurückzugeben.
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- Nein, solchen Unsinn tun wir nicht. Das überlassen wir anderen.
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- Entschuldigen Sie, wenn Sie immer mit dem Zurücknehmen kommen, dann sage ich Ihnen: Das einzige Beispiel in der Parlamentsgeschichte hier war die Situation anno 1966/67 von Herrn Erhard; sonst ja wohl nicht.
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Unsere Steuerpolitik findet also ihre Abrundung in diesen Gesetzen, die wir Ihnen heute hier vorgelegt haben, und in den hier vorgelegten anderen Teilgesetzen, die von der Regierung heute noch begründet werden, und die insbesondere zur Steigerung der Bergmannsprämie und auch zu besseren Abschreibungsregelungen für den Umweltschutz und auch zu einer günstigeren steuerlichen Behandlung für den Amateuersport führen werden. Wir tun dies, meine Damen und Herren, in der Überzeugung, verantwortungsbewußt und solide mit dem Geld des Bürgers umzugehen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legt die Koalition in dieser Legislaturperiode zum vierten Mal ein umfangreiches Steuerentlastungspaket vor. Ich darf kurz an die früheren erinnern:
Erstens. Im Sommer 1977 haben wir ein Entlastungspaket vorgelegt mit der Anhebung der Sonderausgabenhöchstbeträge und der Vorsorgepauschale, einem zusätzlichen Freibetrag für alleinstehende Elternteile, der Senkung des Vermögensteuersatzes, einer deutlichen Gewerbesteuerentlastung, der Anhebung des Kindergeldes für Zweitkinder von 70 auf 80 DM, für das dritte Kind und weitere Kinder von 120 DM auf 150 DM und der Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten bei §7b.
Zweitens ist im Herbst 1977 ein Entlastungspaket vorgelegt worden mit der Anhebung des Weihnachtsfreibetrages von 100 DM auf 400 DM - das ist also eine Vervierfachung -, der Erhöhung des Grundfreibetrages, der Einführung eines Tariffreibetrages, der Anhebung der degressiven Abschreibung und der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Gebäude.
Drittens haben wir im Herbst 1978 ein Steuerentlastungspaket vorgelegt mit einer umfangreichen Tarifreform, nämlich der Erhöhung des Grundfreibetrages und der Beseitigung des Tarifsprungs, der Einführung des Realsplittings für Getrenntlebende und Geschiedene, der Anhebung des Vorwegabzugs, der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung, der Abschaffung der Lohnsummensteuer, weiteren Erleichterungen bei der Gewerbesteuer und der abermaligen Erhöhung des Kindergeldes, und zwar für das zweite Kind auf 100 DM und für das dritte Kind und weitere Kinder auf 200 DM.
Meine Damen und Herren, zusammen mit zahlreichen anderen, hier nicht erwähnten Einzelmaßnahmen und trotz Gegenrechnung der zweimaligen Erhöhung der Mehrwertsteuer ist es mit diesen Paketen gelungen, die Steuerbelastung von Steuerbürgern und Wirtschaft nicht ansteigen zu lassen. Die sogenannte Steuerquote ist seit Bildung der sozialliberalen Koalition gleichgeblieben. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie das Heft von Herrn Matthöfer über den Bundeshaushalt zitieren, dann läge mir eigentlich mehr daran, daß Sie einmal darlegen, ob denn die Zahlen auf der Seite 20 richtig sind, wo man nachlesen kann, daß die Steuerquote - die ich im übrigen nicht für einen Fetisch halte aber auf die Sie ja immer zu sprechen kommen - im Jahre 1969, also zu Zeiten des Finanzministers Franz Josef Strauß, einen Sprung von 23 % auf 24,3 % gemacht hat, den höchsten Sprung in der Geschichte der Steuerbelastung der Bundesrepublik Deutschland überhaupt. Sie wissen, daß es unter Franz Josef Strauß allein zehn Steuererhöhungen, aber nicht eine einzige Steuersenkung gegeben hat.
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Wir aber führen mit diesem Paket, mit diesem vierten Steuerentlastungspaket in dieser Legislaturperiode, unsere Politik seit Beginn der Legislaturperiode im Jahre 1976 fort.
Die Ziele dieses Gesetzentwurfs sind dreierlei: erstens Entlastung der Steuerbürger von der Progression bei der Einkommen- und Lohnsteuer, zweitens Verbesserung des Familienlastenausgleichs und drittens Anhebung von Freibeträgen, insbesondere im Vorsorgebereich und hier speziell bei den Selbständigen.
Nun fragen sich manche Bürger draußen: Warum kommt schon wieder ein Steuerpaket? Warum macht man nicht einmal eine große Reform, die dann für fünf oder zehn Jahre hält? Meine Damen und Herren, dies hat zwei Gründe: Zum einen kann man in einer wirtschaftlichen Situation, die durch ein unterschiedliches Auf und Ab, besonders auf internationaler Ebene, gekennzeichnet ist, nicht ausschließen, daß man zur Stützung der Konjunktur zeitweilig auch steuerpolitische Maßnahmen ergreifen muß, und zum anderen gehört eine Anpassung des Steuertarifs und der Steuerfreibeträge von
Zeit zu Zeit notwendigerweise zu unserem Steuersystem. Wir gehen davon aus, daß wir ein progressives Steuersystem haben. Das besagt, daß steigende Leistungsfähigkeit auch stärker besteuert wird. Wenn aber ein erheblicher Teil der Lohn- und Gehaltssteigerungen durch eine Geldentwertungsrate aufgefressen wird, die international zwar sehr gering ist, die aber immerhin besteht, dann haben wir die . Pflicht, in bestimmten Zeitabständen dafür zu sorgen, daß die Bürger, die in die Progression hineinwachsen, aus ihr wieder herausgeholt werden, weil ihren Gehaltssteigerungen real nicht ein Mehr an Leistungsfähigkeit entspricht.
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Deswegen muß es von Zeit zu Zeit zu solchen Anpassungen kommen. Eine solche nehmen wir hier wieder vor.
Zum Progressionsabbau dient in erster Linie die Veränderung des Tarifs. Wir verlängern die Proportionalzone um 2 000 DM bei Ledigen bzw. 4 000 DM bei Verheirateten und holen damit über 10 % der Steuerbürger wieder in den 22 %-Steuersatz zurück, also aus der Progression heraus.
Die Damen und Herren von der Opposition fordern, statt dessen innerhalb der Proportionalzone den Steuersatz von 22 % auf 21 % zu senken. Ich halte es für eine sympathische Forderung, diesen in der Tat hohen Eingangssteuersatz zu senken, wenn wir dafür Geld hätten. Aber in der jetzigen Lage, wo es doch nach Aussagen aller auf den Abbau der Progression ankommt, muß man feststellen, daß diese Ihre Maßnahme das Hauptvolumen der Tarifänderung in einen Bereich hineinsteckt, der überhaupt nicht von der Progression erfaßt ist. Das heißt: die Bürger, die unter der Progression überhaupt nicht leiden, sollen den Hauptteil der Tarifentlastung bekommen. Das können wir nicht für sinnvoll erachten.
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Daher liegt unser Schwerpunkt, wie gesagt, bei der Verlängerung der Proportionalzone einerseits und der Abflachung der anschließenden Progression bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 DM bei Ledigen und 120 000 DM bei Verheirateten.
Herr Häfele, wenn Sie wieder sagen - Herr Gaddum hat es vor Ihnen schon getan -, dies würde in den folgenden Jahren dazu führen, daß der Bürger höher besteuert würde als jetzt, so ist das doch einfach falsch. Sie wissen ganz genau, daß der Grenzsteuersatz, d. h. die Steuer auf die letztverdiente Mark, nach unserem Modell bei Einkommen bis zu 60000 DM bzw. 120000 DM gesenkt wird und daß zweitens der Durchschnittssteuersatz - also das, was man durchschnittlich auf sein ganzes Einkommen zahlt - vom Beginn der Proportionalzone bis zum Höchsteinkommen auch gesenkt wird. Das bleibt auch in den folgenden Jahren. Wenn wir hier Entlastungen von bis zu 750 DM bei Ledigen und bis zu 1 500 DM bei Verheirateten haben, dann sind das Entlastungen, die sich sehen lassen können und die in den folgenden Jahren nicht zurückgenommen werden.
Dem Abbau der Progression dient darüber hinaus die weitere Anhebung des Weihnachtsfreibetrages, der damit binnen vier Jahren versechsfacht wird, also eine Größenordnung erreicht, die durchaus sehenswert ist, sowie die Erhöhung der Sonderausgaben-Höchstbeträge. Diese ist einfach notwendig, weil sie der Entwicklung innerhalb der Sozialversicherung Rechnung trägt.
Lassen Sie mich einige Worte zu der Erhöhung des Vorwegabzugs sagen. Das ist eine Maßnahme, die hauptsächlich dafür gedacht ist, den Nachteil wieder etwas wettzumachen, den Selbständige dadurch haben, daß sie im Unterschied zu Arbeitnehmern nicht einen steuerfreien Arbeitgeberanteil zu der Sozialversicherung haben. Die Selbständigen und insbesondere die Freiberufler kritisieren, daß der Vorwegabzug - dessen Erhöhung sie ja gemeinsam mit uns seit vielen Jahren gefordert haben - den Nachteil habe, zu einem erheblichen Teil den Arbeitnehmern zugute zu kommen, also nicht zugunsten der Gruppe wirkt, die eigentlich begünstigt werden soll. Sie fordern statt dessen die Steuerfreiheit der Hälfte der Vorsorgeaufwendungen von Selbständigen bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Wir Freien Demokraten stehen diesen Forderungen sehr offen gegenüber; lassen Sie mich das deutlich sagen. Aber umgekehrt müssen wir auch betonen, daß es bisher kein Modell gibt - auch die entsprechenden Berufsverbände haben kein Modell vorgelegt; wir haben uns intensiv damit beschäftigt -, das finanzierbar ist und realisierbar wäre. Denn erstens wären die Kosten einer solchen Maßnahme unübersehbar. Das immer wieder in die Diskussion gebrachte Argument mit der 1 Milliarde DM ist schlicht falsch, weil dabei davon ausgegangen wird, daß der Vorwegabzug in der heutigen Form voll gestrichen würde. Das ist natürlich völlig unrealistisch.
Zweitens. Bisher hat uns niemand sagen können, was bei Selbständigen die Bemessungsgrundlage wäre, an die ein solcher steuerfreier Anteil anknüpfen könnte. Die einen sagen, das sei die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung. Das kann ja nun nicht sein. Denn dann würden die Arbeitnehmer, die sich unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze befinden, zu Recht fordern, daß auch sie - inklusive Arbeitgeberanteil - bis zur Beitragsbemessungsgrenze freiwillig in die Sozialversicherung einzahlen könnten.
Drittens erinnere ich an die möglichen gesellschaftspolitischen Konsequenzen. Wenn man fordert, in allen möglichen Bereichen schematisch den Arbeitnehmern gleichgestellt zu werden - was man im übrigen auch deswegen nicht kann, weil die Beiträge zur Sozialversicherung bei den Selbständigen zu einer ganz anderen Art von Alterssicherung führen; sie sind im Unterschied zu den Leistungen aus der Sozialversicherung für Arbeitnehmer vererbbar und übertragbar -, darf man sich nicht wundern, daß es gesellschaftliche Gruppen gibt, die auf die Idee kommen, generell und pauschal auch auf anderen Gebieten die Selbständigen wie Arbeitnehmer zu behandeln. Der - allerdings nicht übernommene - Beschluß des Präsidiums der SPD zur Einbeziehung der Selbständigen in die Pflichtversicherung ist nur ein Beispiel dafür, wozu das führen kann. Daher warne ich davor, nicht durchdachte und finanziell nichtrealisierbare Forderungen aufzustellen, ohne gleichzeitig die gesellschaftspolitischen Konsequenzen zu bedenken.
Der zweite Schwerpunkt unseres Entlastungspakets ist der Familienlastenausgleich. Herr Westphal hat ja schon einiges zu der Einführung des Kindergrundfreibetrags gesagt. Wie Sie wissen, steht die FDP der Einführung dieses Kindergrundfreibetrags skeptisch gegenüber. Das will ich auch hier deutlich sagen. Es ist nun einmal so, daß in einem Koalitionspaket Forderungen vorhanden sind, die der einen Seite besser und der anderen schlechter gefallen.
Der Kindergrundfreibetrag hat unbestreitbar zwei große Nachteile. Er führt zu einer enormen Komplizierung des Steuerrechts. Wenn Sie unseren heute vorliegenden Entwurf in die Hand nehmen, müssen Sie feststellen, daß rund drei Viertel allein des äußeren Umfangs dadurch zustande kommen, daß wir an anderer Stelle korrigieren, was beim Kindergrundfreibetrag allein nicht erreicht worden ist. Wir führen ein zusätzliches Gesetz mit Ausgleichszahlungen für andere Bevölkerungsgruppen ein, zudem eine zusätzliche Lohnsteuerklasse: Auf der Lohnsteuerkarte werden die Kinder in Zukunft anders als vorher vermerkt, und und und.
Der zweite Nachteil ist, daß diejenigen, die am ehesten einer Kinderförderung bedürfen, nämlich diejenigen, die keine Steuern zahlen, zum Teil trotz der Ausgleichszahlung nicht in den Genuß der Kinderförderung kommen.
Trotzdem haben wir der Einführung des Kindergrundfreibetrags zugestimmt, weil wir großes Verständnis für den Bundesfinanzminister haben. Er sagt nämlich, er habe es schlicht und einfach satt, daß die Länder - speziell die Opposition über die Länder - mehr Familienförderung, mehr Kindergeld, mehr auf Deubel komm raus fordern - aber zahlen soll es bitteschön der Bund.
({3})
Es kann nicht so weitergehen, daß die Länder und Gemeinden sich auf Kosten des Bundes sanieren und sich nach draußen fein darstellen, der Bürger aber nicht weiß, daß Zahlemann & Söhne beim Bund nicht bei den Ländern ist.
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Der zweite Vorteil ist mit Sicherheit - das können Sie auch den heutigen Äußerungen von Herrn Häfele entnehmen -, daß dann, wenn Sie die Förderung der Familie über die Steuer vornehmen, der Steuerbürger die Belastung durch die Lohnsteuer und die Entlastung durch den Kindergrundfreibetrag einander gegenüberstehen sieht. Sie haben soeben wortreich beklagt und bedauert, Herr Häfele,
die Familie mit Kindern stehe sehr viel schlechter als die Familie ohne Kinder da. Dabei vergessen Sie einfach, das Kindergeld gegenzurechnen. Leider passiert es immer wieder, daß Bürger auf der Straße sagen:
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Warum zahle ich genausoviel Steuern wie mein Nachbar, der keine Kinder hat? Dabei vergessen sie allerdings - wenn man sie fragt, wie viele Kinder sie denn haben, und zur Anwort erhält: drei Stück -, daß drei Kinder immerhin 350 DM Kindergeld bedeuten.
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Das muß gegengerechnet werden. Das ist der zweite Vorteil.
Sie könnten aber diese beiden Vorteile ohne die Inkaufnahme der beiden von mir genannten Nachteile erreichen, wenn Sie der Lösung der FDP zustimmen würden. Diese Forderung geht speziell an die Union. Die Forderung der FDP ist nämlich nach wie vor die Erhöhung des Kindergelds für das erste Kind um einen deutlichen Betrag bei gleichzeitiger Einführung der sogenannten Finanzamt-Lösung. Finanzamt-Lösung bedeutet nicht nur, daß steuertechnisch das Kindergeld von den Finanzämtern ausgezahlt würde - was zu einer deutlichen Vereinfachung bei der Verwaltung und beim Bürger führen müßte -, sondern zugleich, daß mit der Finanzierung dieses Kindergeldes Bund, Länder und Gemeinden im Verhältnis der Einkommensteuerzuwächse belastet würden. Das wäre sicher die ideale Lösung. Wenn Sie dazu bereit sind, dann, meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch diesen Weg gehen. Ich meine, daß die Möglichkeit einer Einigung im Sinne dieses Vorschlags bestehen müßte. Aber eine Lösung einseitig zu Lasten des Bundes werden wir nicht mitmachen.
Die Opposition hat mit diesem Gesetzentwurf erneut Kinderfreibeträge verlangt und gesagt, das sei normal, weil es auch im übrigen progressionsmildernde Forderungen der Koalition gebe. Herr Häfele, niemand bestreitet, daß zu einer progressiven Steuerbelastung selbstverständlich auch progressive Entlastungen gehören. Das kennen wir ja auch hinsichtlich der Kinder. Aber wir wehren uns ganz entschieden dagegen, daß schon bei der Grundförderung, d. h. der Grundausstattung jeder Familie für das Kind, eine unterschiedliche Entlastung vorgenommen wird, je nachdem, ob der Familienvater viel oder wenig verdient. Wir Freien Demokraten sind der Ansicht: Dem Staat muß jedes Kind gleich lieb und teuer sein. Deswegen sind wir der Ansicht, daß das Kindergeld bzw. der gleichmäßig wirkende Kindergrundfreibetrag gegenüber Ihrem Freibetrag das angebrachtere Mittel ist.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie in den wenigen Jahren seit 1975, wo Sie mit uns gemeinsam die Kinderfreibeträge abgeschafft haben - mit der Begründung, jedes Kind sollte dem Staat gleich lieb und teuer sein -, in einer so kurzen Frist bis 1980 das Gegenteil vertreten, dann kann ich nur fragen: Welche ideologischen Veränderungen gehen eigentlich in Ihrer Fraktion vor, daß Sie, die Sie damals ja gesagt haben, heute dazu kommen, nein zu sagen? Wir lehnen diesen Vorschlag entschieden ab.
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Wir fordern des weiteren im Bereich des Familienlastenausgleichs die Einführung eines Kindergeldzuschlags vom Jahr 1982 an in Höhe von 300 DM je Kind für sechs Monate nach der Geburt. Wir haben anläßlich der Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs im letzten Jahr, die ja die besondere Belastung der berufstätigen Frau erleichtern soll, ausgeführt, daß wir in absehbarer Zeit auch für diejenigen Familien, in denen einer der Ehegatten nicht erwerbstätig ist, eine weitere Förderung vorsehen sollten, also unabhängig von der Frage, ob Erwerbstätigkeit gegeben ist oder nicht. Die Einführung dieses Kindergeldzuschlags ist die Einlösung des Versprechens von vor einem Jahr. Wir halten das für einen sinnvollen Beitrag.
Nun gibt es Leute, die uns fragen: Warum erstreckt ihr diese Förderung über sechs Monate? Warum gewährt Ihr nicht einfach einen Zuschlag bei der Geburt eines Kindes von 6 x 300 = 1 800 DM? Unser Vorschlag beruht darauf, daß wir einerseits jeden Anschein vermeiden möchten, als gäbe es für die Geburt eines Kindes eine Prämie, und daß wir andererseits diesen Kindergeldzuschlag für sechs Monate als einen Einstieg in einen längerwährenden Prozeß betrachten, innerhalb dessen der Zuschlag in den nächsten Jahren erhöht wird. So können die Eltern den Zuschlag, wenn Sie so wollen, z. B. für eine Art längeren Elternurlaub bei der Geburt eines Kindes benutzen.
Als letztes ist hier die Erhöhung des Haushaltsfreibetrags für Alleinstehende mit Kindern zu erwähnen. Das ist auch wichtiger Teil unserer familienfördernden Maßnahmen in diesem Gesetz.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sozusagen außerhalb der Tagesordnung - das steht nicht in diesem Gesetzentwurf - ein Wort zu Ihren Äußerungen, Herr Häfele, über das Ehegattensplitting sagen. Das Ehegattensplitting stellt so, wie es heute konstruiert ist, mit seiner fördernden Wirkung auf den Tatbestand der Eheschließung, nicht aber auf den Tatbestand der Kindererziehung ab. Ich kann es nicht als sinnvoll ansehen - ich sage das für meine Person, nicht für meine Fraktion; aber ich weiß, daß in allen gesellschaftlichen Gruppen über diesen Tatbestand nachgedacht wird, und ich halte es für sinnvoll, darüber nachzudenken;
({8})
hören Sie genau zu, Herr Häfele, daß ein Familienvater mit vier Kindern, dessen Ehefrau stirbt, der also ohnehin besonders große Sorgen hat, steuerlich schlechter behandelt wird als z. B. die kinderlose Bundestagsabgeordnete Matthäus, die sich verheiratet und dadurch einen Steuervorteil unabhängig davon erhält, ob sie Kinder hat.
({9})
Ich meine, daß es legal und legitim ist, darüber nachzudenken - Sie nicken, Herr Schäuble, ich danke Ihnen -, ob man bei dem Ehegattensplitting, das immerhin ein Volumen von über 27 Milliarden DM ausmacht, eine Umpolung vornehmen kann, und zwar dahin gehend, das es eingeschränkt und stärker als bisher - statt des Tatbestandes der bloßen Eheschließung; denn dadurch wird das Leben weder teurer noch entstehen besondere Kosten - der Tatbestand der Kindererziehung berücksichtigt wird, mit dem erst die Probleme losgehen.
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- Wenn Sie jetzt sagen, das käme Ihnen ganz zupaß, Herr Häfele
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- das entnehme ich Ihrer Äußerung -, dann freut mich das sehr, dann sollten Sie aber nicht - wie eben - Zwischenrufe dazu verwenden, Kollegen innerhalb einer Koalition auseinanderzudividieren. Dann sollten Sie darüber nachdenken, wie wir dies erreichen. Das, was ich fordere, ist wesentlich kinderfreundlicher als das, was Sie fordern. Sie sollten nicht so tun, als sei mein Vorschlag zu kritisieren.
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- Nein, das gilt nicht für meine Fraktion; das gilt für meine Person als eine notwendige und, wie ich finde, sinnvolle und immer breitere Bevölkerungskreise umfassende Überlegung, wie man unser Steuersystem kinderfreundlicher gestalten kann, als es heute ist.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Wort zu der Forderung nach Übernahme der ertragsteuerlichen Werte für Pensionsrückstellungen in die Vermögensaufstellung sagen. Das Ziel der von der Koalition vorgeschlagenen Lösung ist der Abbau der Doppelarbeit bei der Erstellung einerseits der ertragsteuerlichen Bilanz und andererseits der Vermögensaufstellung. Die Forderung der Union, die sehr viel weiter geht und über die Pensionsrückstellung hinaus auch das Grundvermögen und das Anlage- und Umlaufvermögen einbezieht, müssen wir zurückweisen. Uns scheint, daß es in Anbetracht der schwierigen Bewertung des Grundvermögens - Sie wissen, daß es in Karlsruhe sogar Klagen zu dieser Frage gibt, deren Chancen man sicher unterschiedlich einschätzen kann - völlig ausgeschlossen ist, an dieser Stelle das Grundvermögen mit einzubeziehen und vermögensteuerlich anders zu behandeln als ertragsteuerlich. Was das Anlage- und Umlaufvermögen angeht, so kann ich nur ganz eindeutig sagen: solange es Sonderabschreibungen gibt - ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt; das vergessen Sie immer wieder -, z. B. im Bereich der Schiffe und Werften, solange es also aus konjunkturpolitischen, strukturpolitischen oder was weiß ich für Gründen sinnvoll ist, daß fast nagelneue Schiffe mit einem riesigen Vermögenswert über die fernen Ozeane fahren, aber ertragsteuerlich mit Null oder 1 Mark angesetzt werden, solange kann doch wohl kein Mensch auf die Idee kommen, diese Schiffe sogar vermögensteuerlich entsprechend anzusetzen. Das wäre ja eine ungeheure Fehlleitung öffentlicher Mittel.
Der Bürger fragt sich angesichts unseres und auch Ihres Steuerpakets: Wird das so bleiben? Es sind ja Stimmen lautgeworden, die sagen, nach Afghanistan und der damit verbundenen Belastung müssen wir das Ganze erneut überprüfen. Der Bürger fragt sich: Wird das Steuerpaket so, wie es jetzt geplant ist, das Parlament passieren? Im Finanzausschuß sind wir einvernehmlich mit der Opposition zu der Verständigung gelangt, die beiden Pakete bis Mitte April abschließend im Finanzausschuß und bis Ende April abschließend im Bundestagsplenum zu behandeln, damit der Bürger rechtzeitig weiß, was ihn steuerpolitisch erwartet, und damit der Bundesrat entsprechend Zeit hat, das Gesetz bis zur Sommerpause abschließend zu beraten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir noch anderthalb Monate Zeit. Bis dahin werden wir genauere Kenntnisse darüber haben, welche zusätzlichen Belastungen internationaler Art auf uns zukommen. Bis dahin werden wir auch genauere Kenntnisse darüber haben, was die neuesten Steuerschätzungen ergeben, und schließlich genauere Kenntnisse über den erwarteten Nachtragshaushalt.
Lassen Sie mich dazu deutlich zweierlei sagen. Zum einen: wenn in diesem Zeitraum auf Grund der genannten Unsicherheiten neue finanzielle Belastungen in Größenordnungen auf den Bundeshaushalt zukommen sollten, mit denen man bisher nicht rechnen konnte, dann ist nicht auszuschließen, daß im Laufe der parlamentarischen Beratungen das Steuerpaket reduziert oder gestreckt wird. Niemand kann und sollte in dieser Situation eine Garantie dafür abgeben, daß das Steuerpaket in jedem Punkt aus dem Bundestag so herauskommt, wie wir es in den Bundestag hineingebracht haben.
Lassen Sie mich aber auf der anderen Seite genauso deutlich sagen; Ich halte das Steuerpaket für das am allerwenigsten geeignete Instrument zur Finanzierung der zusätzlichen internationalen Belastungen. Dafür gibt es vier Gründe:
Erstens. Die genannten Belastungen kommen erstmals im Jahre 1980 auf uns zu. Für 1980 aber gibt das Steuerpaket, das ganz überwiegend erst 1981/82 wirksam wird, gar nichts her. Ich nehme an, daß ein Herumbasteln am Weihnachtsfreibetrag für 1980 von allen für abwegig gehalten wird. Daher besteht im Gegenteil der heilsame Zwang, 1980, wo wir aus dem Steuerpaket überhaupt nichts zur Verfügung haben, nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen. Das stellt uns insbesondere vor die Aufgabe, gemeinsam nach Kürzungs- und Umschichtungsmöglichkeiten im Haushalt zu suchen.
Zweitens. Ein Liebäugeln mit dem Steuerpaket zur Finanzierung der internationalen Aufgaben ist - lassen Sie es mich vorsichtig ausdrücken - nicht
gerade geeignet, die Begehrlichkeit nach Mehrausgaben in anderen Bereichen, wie z. B. der Verteidigungspolitik, zu dämpfen.
({14})
Nur wenn klar ist, daß die Mehrausgaben grundsätzlich durch Umschichtungen und Kürzungen im vorhandenen Haushalt finanziert werden müssen, wird echt der Zwang entstehen, die Mehrbelastungen auf Grund der internationalen Lage wirklich auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken.
({15})
Drittens. Das Steuerpaket ist ja nicht aus Spaß und Dollerei so und nicht anders. Hier geht es nicht um das Austeilen von Wahlgeschenken. Irgend jemand sprach davon, daß rechtzeitig etwas vor der Wahl getan werden sollte, etwa in bezug auf die Bergmannsprämie. Dazu darf ich kurz sagen: Die CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf fordert uns doch ständig auf, die Bergmannsprämie so schnell wie möglich zu erhöhen. Sie können sich dann doch nicht hier hinstellen und von „Wahlgeschenken" reden!
({16})
Hier geht es nicht um das Verteilen von Wahlgeschenken, sondern darum, von Zeit zu Zeit, wie schon geschildert, in unserm Steuersystem die notwendigen Anpassungen von Tarif, Freibeträgen und Kindergeld durchzuführen, damit es nicht zu einer Überbesteuerung der Bürger kommt. Angesichts des Steigens der Ölpreise ist diese Anpassung sogar noch dringender als vorher, weil dieses natürlich besonders die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und unter diesen wiederum vor allem die Kinderreichen trifft. Um diese geht es in unserem Steuerpaket.
Viertens. Das Steuerpaket ist zur Verbesserung des Bundeshaushalts auch deshalb . kaum geeignet, weil sich an seinen Kosten Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam beteiligen. Einsparungen am Steuerpaket, die dem Bund 100 Millionen DM bringen, kosten den Steuerbürger 235 Millionen DM und geben Ländern und Gemeinden 135 Millionen DM. Es kann doch nicht angehen, daß Länder und Gemeinden einen immer höheren Anteil des Bundes an den Ausgaben fordern, ohne sich gleichzeitig an der Finanzierung zu beteiligen. Beim Kindergeld hatten wir dieses Thema eben schon. Aber es ist im Zusammenhang mit der Türkei, mit Afghanistan und mit der EG genauso.
({17})
Es kann nicht immer alles zu Lasten des Bundes gehen. Wenn die Länder Abstriche am Steuerpaket fordern und meinen, von 100 Millionen DM bekomme der Bund vergleichsweise läppische 42,5 Millionen DM, aber die Länder dieselbe Summe und
die Gemeinden noch einmal 15 Millionen DM, dann machen wir dieses Spiel nicht mit.
({18})
Ich darf daran erinnern, daß wir ja aktuell ein weiteres Beispiel einer, wenn Sie so wollen, solchen Bereicherung einer anderen Gebietskörperschaft zu Lasten des Bundes antreffen. Ich erinnere an die Weitergabe der Effekte aus der Streichung der Lohnsummensteuer an die Betriebe und insbesondere den Mittelstand. Hier brauche ich die CDU gar nicht besonders anzusprechen, denn sie verhält sich in diesem Punkt gar nicht anders als die SPD. Ich darf auch unseren Koalitionspartner daran erinnern, daß wir gemeinsam die Abschaffung der Lohnsummensteuer mit dem Ziel beschlossen haben, daß die Erleichterungen auch tatsächlich an die Wirtschaft weitergegeben werden. Ich möchte hier manche Lokalgröße sowohl von der CDU/CSU als auch von der SPD ansprechen.
({19})
- Die FDP kann Gott sei Dank mit solchen weniger aufweisen,
({20})
weil wir zum Glück keine absoluten Mehrheiten mit all den Gefahren des Machtmißbrauchs haben. - Ich darf Ihre Lokalgrößen bitten und auffordern, ihre kommunalen Wünsche nicht durch die Bereicherung aus der Lohnsummensteuer zu finanzieren.
Abschließend dazu: Wir sind also der Ansicht, daß die Verteilung der wegen der internationalen Aufgaben entstehenden Lasten gleichmäßig erfolgen muß. Es kann nicht angehen, daß dies allein zu Lasten der Kinderreichen geht, daß wir das Kindergeld weniger erhöhen als geplant, um damit Panzer für die Türkei zu kaufen.
({21})
Es kann nicht angehen, daß das einseitig zu Lasten der mittleren Verdiener geht. Es kann nicht angehen, daß allein der Bund diese Kosten trägt. Gleichmäßigkeit heißt Solidarität in der Finanzierung bei Bund, Ländern und Gemeinden.
Meine Damen und Herren, damit komme ich am Schluß zu Herrn Häfele. Ihr Slalom, Herr Häfele, war ja schon ungeheuerlich.
({22})
Nicht nur verlangen Sie für 1980 über 6 Milliarden DM mehr als wir, sondern Sie sagen auch, Sie wären zu Streichungen bereit. Darf ich eben vorlesen, was ich mir im Finanzausschuß nur einmal von dem aufgeschrieben habe, was Sie gefordert haben: Die Einkommensbesteuerung der Landwirte lehnen Sie ab, weil sie angeblich eine „Auspressung der Landwirte" ist.
({23})
Das ist eine vergleichsweise kleine Reform. Dann
wollen Sie eine stärkere Entlastung der Sportvereine, natürlich zu Lasten der öffentlichen Haushalte.
({24})
Sie wollen Verbesserungen der Künstlerhilfe und beim § 7 b, erhöhte Energieabschreibungen, Verbesserungen bei der Grundsteuer, Sie wollen viel mehr Bagatellsteuern abschaffen als wir, Sie wollen schließlich auch bei der Grunderwerbsteuer tätig werden.
({25})
Ich kann Ihnen nur sagen: Einerseits dauernd Belastungen fordern und damit natürlich den Bundeshaushalt strapazieren, andererseits Steuererleichterungen für den Bürger fordern und schließlich sagen „Wir bauen auch noch die Staatsverschuldung ab", das geht nicht zusammen. Wir werden Ihrem Slalom, der nach dem Motto „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" abläuft, nicht folgen und unsere ruhige und souveräne Steuerpolitik weiterbetreiben.
({26})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Deutschen Bundestag liegt heute eine Reihe von Gesetzen vor, die von entscheidender Bedeutung für die finanzielle Situation des Bundes, für die Weiterentwicklung und Modernisierung unseres Steuerrechts und für eine sozial gerechte Verteilung der steuerlichen Belastung sind.
Die Abschaffung der Bagatellsteuern und die Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts tragen dazu bei, unser Steuersystem ein wenig übersichtlicher zu machen und seine zunehmende Komplizierung einzudämmen. Mit der Anhebung der Bergmannsprämie schreiben wir die Anerkennung der Leistungen unserer Bergleute fort,
({0})
der Bergleute, die unter schwierigsten Arbeitsbedingungen - die zu verbessern wir uns übrigens auch große Mühe geben - unsere nationale Energiereserve sichern. Die Verbesserung des Wohngeldes entspricht familien- und sozialpolitischen Notwendigkeiten.
Meine Damen und Herren, wir leben in einer schwierigen Zeit, in der rasch wechselnde Ereignisse ebenso schnell wechselnde öffentliche Stimmungen schaffen, denen dann allzu schnell Forderungen nach einem Kurswechsel in der Politik folgen. Aufgabe verantwortlich handelnder Politiker kann es aber nicht sein, solchen Stimmungen um tagespolitischer Popularität willen zu folgen. Herr
Kollege Häfele, wer in schwankenden Zeiten auch schwankend gesinnt ist, der mehret das Übel.
({1})
Seriöse Planungen dürfen nicht zum Spielball tagespolitischer Diskussionen werden.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben es im Jahre 1979 abgelehnt, für das Jahr 1980 Steuerentlastungen zu beschließen. Heute muß die Opposition eingestehen, daß ihre Forderungen von damals falsch waren. Einige Oppositionspolitiker verlangen darüber hinaus jetzt noch ein weiteres Verschieben der Steuersenkungen über das nächste Jahr hinaus.
Es war richtig, den Vorschlägen der Opposition nicht zu folgen, schon 1980 die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Umfang der jetzt für 1981 vorgesehenen Erleichterungen zu vermindern.
({2})
- Für den Bund werden es im Jahre 1981 5,45 Milliarden sein.
({3})
- Aber, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Häfele, Sie wollen doch wohl nicht sagen, daß wir dann, wenn wir Ihren Vorschlägen gefolgt wären, heute so, wie wir es sind, in der Lage wären, auf die Notwendigkeiten der Politik zu reagieren. Das heißt, wir hatten recht, und Sie hatten nicht recht.
({4})
Wir hatten 1979 eine positive Konjunkturentwicklung. Das Sozialprodukt ist mit real 4,5 schneller gewachsen, als wir es selbst erwartet hatten. Herr Kollege Häfele, es nützt doch wenig zu sagen: Wir hatten eine starke Konjunktur, also hätte man das Defizit vermindern können. Was Sie nicht verstehen werden, ist, daß die starke Konjunktur im vergangenen Jahr mit dem Defizit zu tun hatte und mit durch das Defizit herbeigeführt worden ist.
({5})
Wir haben öffentliche Kredite aufgenommen, um die Beschäftigung zu sichern. Sie wissen, daß im vergangenen Jahr fast 500 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind
({6})
und daß dies auch mit der Bereitschaft des Bundes zu tun hat, eine überproportional hohe Last bei der Konjunkturstützung und der Stützung der Beschäftigung zu tragen.
Die Investitionstätigkeit der Wirtschaft hat kräftig zugenommen. In vielen Gebieten der Bundesrepublik herrscht praktisch Vollbeschäftigung. In zahlreichen Wirtschaftszweigen zeigen sich Kapazitätsengpässe. Hätten wir in dieser Situation Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte in Milliar16516
denhöhe gehabt, wäre dies konjunkturpolitisch falsch, stabilitätspolitisch gefährlich und haushaltspolitisch nicht zu verantworten gewesen.
Unsere Entlastungsvorschläge für 1981 enthalten keine Geschenke, wohl aber im Interesse der Steuergerechtigkeit notwendige Korrekturen der direkten Besteuerung, wie sie übrigens von der sozialliberalen Koalition aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und der Erhaltung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit immer wieder vorgenommen wurden.
Wenn, wie im Jahre 1981, die Dynamik der Lohn- und Einkommensteuer deutlich über die Wachstumsrate der Einkommen hinausginge, könnte dies den Leistungswillen des einzelnen lähmen. Es bedarf deshalb einer besonderen Korrektur in einem Land wie dem unseren, das über Energie- und Rohstoffquellen nicht verfügt, sondern auf die Leistungen seiner arbeitenden Menschen stärker angewiesen ist als andere Länder.
Das Lohnsteueraufkommen hat sich übrigens seit 1960 alle fünf Jahre regelmäßig verdoppelt. Zwischen 1960 und 1970 ist es jährlich um durchschnittlich 16 % angewachsen und zwischen 1970 und 1975 um 15 %. Seit 1975 haben wir diesen Trend drastisch abgemildert. In dieser Zeit stieg das Lohnsteueraufkommen mit einer Durchschnittsrate von 9 %. Bis 1974 war die Lohnsteuerquote, das Verhältnis der Lohnsteuereinnahmen zu den Bruttolöhnen und -gehältern, auf 14,8 To gestiegen. Seitdem hat sich die Quote kaum verändert. Sie würde aber 1981 wieder steigen, wenn wir keine Korrektur vornähmen.
Die Progression der Lohn- und Einkommensteuer bei steigendem Einkommen entspricht dem Grundsatz sozial gerechter Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. An dem wollen wir festhalten. Wir wollen aber nicht, daß sich die gesamte Steuerlast immer mehr auf den Lohnsteuerzahler verlagert.
({7})
Deshalb müssen wir gegensteuern. Wir wollen durch Steuersenkungen den Anteil derer, die sich in der Proportionalzone befinden, in etwa gleich und die Nachteile einer allzu steilen Progression in Grenzen halten. Es handelt sich darum, steuerpolitische Gerechtigkeit zu wahren und Fehlentwicklungen zu Lasten der breiten Arbeitnehmerschichten zu verhindern.
Der wichtigste Kern des Entwurfs der Koalition ist deshalb eine Tarifkorrektur, die vor allem die unteren und die mittleren Einkommen berücksichtigt.
({8})
Wir schlagen vor, die Proportionalzone des Tarifs von 16 000 DM auf 18 000 DM zu verlängern. Für Verheiratete, die zusammen veranlagt werden, verdoppeln sich selbstverständlich diese Beträge. Dadurch werden rund 10 % der Arbeitnehmer sowie ein Teil der übrigen Steuerpflichtigen wieder in die Proportionalzone mit dem gleichbleibenden Steuersatz von 22 % zurückgeführt.
Wir schlagen weiterhin vor, die Grenzsteuersätze im unteren und mittleren Bereich der Progressionszone langsamer ansteigen zu lassen. Sie sollen deshalb bis zu Einkommen von 60 000 DM für Ledige und 120 000 DM für Verheiratete abgesenkt werden, um die Steuerprogression an einer Stelle zu mindern, wo uns die Rückführung dieser Progression besonders wichtig erscheint.
Schließlich soll aus Gründen der Vereinfachung der einkommensabhängige allgemeine Tariffreibetrag entfallen. Zum ,Ausgleich dafür wird der einkommensunabhängige Grundfreibetrag entsprechend erhöht. Das entspricht auch dem Entwurf der Opposition.
Bereits mit Wirkung von Dezember 1980 soll der Weihnachtsfreibetrag um 50 v. H. von 400 auf 600 DM angehoben werden. Zu einer Milderung der Progression führen auch Verbesserungen im Bereich der Sonderausgaben. Außerdem wird der zusätzliche Sonderausgabenhöchstbetrag für Versicherungsaufwendungen, der sogenannte Vorwegabzug, für Ledige und Verheiratete von 2 500 auf 3 000 DM für Ledige und von 5 000 auf 6 000 DM für Verheiratete erhöht. Diese Maßnahmen entlasten in erster Linie, aber nicht ausschließlich, die selbständig Tätigen.
Die von uns vorgeschlagenen Änderungen sind mit ihrem Schwergewicht darauf gerichtet, die Progressionswirkung der Lohn- und Einkommensteuer zurückzuführen, insbesondere aber auch die geringer Verdienenden zu entlasten. Die Lohnsteuerbelastung ist in der Proportionalzone keineswegs zu hoch. Hier liegt nicht der Grund für die weitverbreitete Unzufriedenheit. Wer die wirkliche Durchschnittsbelastung unter Berücksichtigung der Freibeträge betrachtet, muß eigentlich einsehen, daß es ein ernstes Problem beim sogenannten Einstiegssprung kaum gibt.
Wir sind also der Meinung, daß mit Entlastungen im Umfang von insgesamt 10,5 Milliarden DM - davon 5,5 Milliarden DM für den Tarif im engeren Sinne - eine gewichtige Korrektur des Lohn- und Einkommensteuertarifs zusammen mit gezielten Verbesserungen für Arbeitnehmer und Selbständige möglich ist und daß diese Korrektur sich in erster Linie auf eine Rückführung der Progressionswirkung konzentrieren sollte.
Bei der Beurteilung des Gesamtumfangs muß selbstverständlich berücksichtigt werden, daß es der deutliche Wunsch aller politischen Kräfte war, diese Steuerkorrektur mit einem starken kinder- und familienbezogenen Teil auszustatten. Wenn wir dabei bleiben wollen, d. h. wenn wir einen starken kinder- und familienbezogenen Teil haben wollen, können wir eben im Tarif nicht weiter gehen. Herr Kollege Häfele, es lohnt überhaupt nicht, daß Sie hier andere Beispiele vorrechnen. Daß Sie die Steuern stärker senken, die Ausgaben erhöhen und die Kredite zurückführen können - und dies alles gleichzeitig -, wissen wir doch.
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Die kinder- und familienbezogenen Maßnahmen
wollen die finanziellen Lasten der Kindererziehung
stärker von den einzelnen Familien auf die Allgemeinheit umlegen.
Wir schlagen zunächst einmal vor, pro Kind und Elternteil einen steuerlichen Kindergrundfreibetrag von 800 DM einzuführen. Dieser Vorschlag einer Verminderung der, auf den Familien ruhenden Steuerlast um 4,5 Milliarden DM ist natürlich insbesondere bei den Bundesländern auf Kritik gestoßen. Ihnen wäre selbstverständlich eine vom Bund allein zu finanzierende Erhöhung des Kindergeldes lieber gewesen. Das kann niemanden überraschen. Aber niemand sollte sich doch auch wundern, wenn wir es als wenig erträglich empfinden, daß die Länder sich nicht am Familienlastenausgleich beteiligen, wohl aber an der überproportionalen Dynamik der Lohn- und Einkommensteuer teilhaben. Hier muß so oder so ein Ausgleich geschaffen, ein Ausweg gefunden werden, allerdings nicht um den Preis eines Abbaus sozialer Gerechtigkeit im Familienlastenausgleich.
Es war 1975 der Wille aller politischen Parteien, die steuerlichen Kinderfreibeträge in ein Kindergeld umzuwandeln, weil die Kosten der Kindererziehung und der daraus folgende sozialpolitische Lastenausgleich nicht progressiv mit dem Einkommen der Eltern steigen. Es war zugleich der politische Wille aller Parteien, daß keine staatliche Ebene aus dieser Umstellung Gewinn ziehen sollte. Das Finanzausgleichsmodell, das damals gewählt worden ist, trug aber der Dynamik des Kindergeldes nicht ausreichend Rechnung. Die Opposition möchte nun gerne die Korrektur dieser auf Dauer unhaltbaren Entwicklung davon abhängig machen, daß die Koalition von FDP und SPD die Reform von 1975 rückgängig macht und zum Kinderfreibetrag zurückkehrt. Sie glaubt dabei offenbar, im Vermittlungsverfahren des letzten Jahres gewissermaßen einen Fuß in die Tür bekommen zu haben, weil sie damals die Einführung eines Betreuungsbetrages durchgesetzt hat. Herr Dr. Häfele, wenn die Einführung des Abzugsbetrages für Kinderbetreuungskosten für Sie nichts anderes als ein taktisches Manöver, wie ich inzwischen erkennen muß, war
({10})
und Sie damals die praktischen Verfahrensschwierigkeiten und die Komplizierung, auf die wir Sie hingewiesen haben, in Kauf genommen haben,
({11})
weil Sie glaubten, mit diesen Schwierigkeiten ließe sich dann anschließend eine Rückkehr zum Freibetrag begründen, dann wird diese Rechnung hoffentlich nicht aufgehen.
({12})
Wir stehen weiterhin auf dem Standpunkt, daß die Allgemeinheit für die Kinder besserer Einkommensschichten nicht höhere Lasten als für die Kinder unterer Einkommensschichten tragen sollte. Der dringendere Bedarf besteht bei Familien mit mehr Kindern und niedrigerem Einkommen. In dieser Lage halten wir den Kindergrundfreibetrag für eine weiterführende Lösung. Er ermöglicht es, alle Ebenen unseres Staates, Bund, Länder und Gemeinden, in demselben Verhältnis zu beteiligen, in dem sie auch an der überproportionalen Einnahmedynamik der Lohn- und Einkommensteuer teilhaben.
Die Bundesregierung hält es auch für diskussionswürdig, das gesamte System des Kinderlastenausgleichs, also unter Einschluß des bisherigen Kindergeldes, in das Besteuerungsverfahren bei den Finanzämtern einzubeziehen. Frau Kollegin Matthäus, natürlich sind wir uns da völlig einig. Wir betrachten gerade den Kindergrundfreibetrag, obwohl er vorübergehend zu einer Komplizierung führt, als den einzig möglichen Einstieg, als den nächstmöglichen Schritt auf dem Wege zur Finanzamtslösung. Wir sind uns der Probleme und Schwierigkeiten einer so weitreichenden Änderung durchaus bewußt. Wir treten deshalb noch nicht jetzt, in diesem Jahr, mit der ganzen Forderung an die Länder heran, wohl aber richten wir an die Länder die Bitte, diese Perspektive einer einfacheren, unbürokratischeren Auszahlung durch das Finanzamt mit in ihre Überlegungen einzubeziehen.
Die Bundesregierung legt ihren Vorschlag mit dem politischen Willen vor, im Interesse der kinderreichen Familien trotz der engen Grenzen unseres finanzpolitischen Spielraums jetzt und für die Zukunft eine ausreichende Dynamik der kinderbezogenen Entlastung zu ermöglichen. Zu den familienpolitischen Maßnahmen unseres Pakets - der Fraktion und dem, was die Bundesregierung dem Bundesrat vorgelegt hat - gehört auch die Einführung eines Kindergeldzuschlags ab 1. Januar 1982 von monatlich 300 DM in den ersten sechs Monaten nach der Geburt eines Kindes, da ja mit der Geburt besondere finanzielle Belastungen verbunden sind. Diese Belastungen treffen alle Familien in gleicher Weise, so daß es nicht gerechtfertigt wäre, erwerbstätige Mütter oder Väter von der Leistung auszuschließen.
In engem Zusammenhang mit all diesen Maßnahmen steht der Regierungsentwurf zur Änderung des Wohngeldes, der hier eingebracht worden ist. Das kinderbezogene Wohngeld wird insbesondere einkommensschwachen Familien zufließen, wobei sich die Verbesserungen auf Haushalte mit vier und mehr Personen sowie auf alleinerziehende Mütter und Väter konzentrieren. Diese Verbesserungen werden ab 1982 rund 600 Millionen DM Mehrausgaben zur Folge haben.
Der Bund wird im Jahre 1981 finanz- und wirtschaftspolitisch mit enormen Schwierigkeiten fertig werden müssen. Die Begrenzung des Anstiegs der Kreditaufnahme wird äußerste Anstrengungen verlangen. Bereits bei der Finanzierung zusätzlicher Anforderungen an den Bundeshaushalt 1980 werden wir deshalb versuchen müssen, einen Ausgleich durch Einsparungen an anderer Stelle zu finden. Vielleicht ist hier der Ort, noch einmal klarzustellen - weil das immer wieder durcheinandergebracht wird -, was ich als Bundesfinanzminister zu der Frage der Nettokreditaufnahme tatsächlich gesagt habe: Wir müssen ernsthaft versuchen, im Jahre 1980 die zusätzlichen Belastungen durch Streichungen an anderer Stelle des Haushalts zu finanzieren. Da wir aber nicht genau die Entwicklung des Steuer16518
aufkommens voraussehen können, kann ich eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme in diesem Jahr auch nicht ausschließen. Man muß das wirklich auseinanderhalten. 1981 wiederum kann eine über die mittelfristige Finanzplanung hinausgehende Nettokreditaufnahme überhaupt nicht in Frage kommen.
Wir müssen deshalb versuchen, auf vielfache Art und Weise mit den 5,45 Milliarden DM fertig zu werden, die diese Steuerentlastung, die aus Gründen der Steuergerechtigkeit erforderlich ist, ausmacht. Ich sehe keine Möglichkeit, die Einnahmeausfälle des Bundeshaushaltes über das hinaus zu erhöhen, was wir vorschlagen. Die unbestreitbare Ungleichgewichtigkeit in der Finanzausstattung von Bund, Ländern und Gemeinden und die neuen außenpolitischen Anforderungen an den Bundeshaushalt verbieten es, den Bund bei Steuerentlastungen mehr zu belasten, als es seinem Anteil an den gesamtstaatlichen Ausgaben entspricht, wie es in dem Entwurf des Bundesrates vorgesehen ist.
So deutlich, wie ich hier die Grenzen der Belastbarkeit der Finanzen des Bundes herausstellen muß, so entschieden lehnen wir es ab, diese steuerlichen Entlastungsvorschläge, insbesondere für Arbeitnehmer und für die weniger verdienenden Selbständigen als Manövriermasse für die Finanzierung der aus unserer internationalen Verantwortung folgenden Aufgaben zu betrachten. Richtig ist, daß die Ereignisse in Afghanistan zusätzliche Anstrengungen aller Partner im westlichen Bündnis zur Stabilisierung und zur Eingrenzung von Spannungen in einem Teil der Welt erfordern, der auch für uns von höchster sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Internationale Verpflichtungen und Ausgaben, deren Finanzierungslast allein den Bund trifft, haben durch die weltweiten Ereignisse höhere Priorität erlangt. Das gilt für die Ausgaben für die äußere Sicherheit, aber mindestens ebenso auch für die finanziellen Lasten, die aus der Europäischen Gemeinschaft auf uns zukommen, die es - auch durch zusätzliche Beiträge - zusammenzuhalten gilt. Wir müssen mit Großbritannien zu einem konstruktiven Kompromiß kommen, wir müssen die Beitrittsverhandlungen mit Spanien und Griechenland voranbringen und dann natürlich auch zusätzliche Lasten auf uns nehmen, um die wirtschaftliche Integration dieser Länder in den Gemeinsamen Markt, der wiederum unserer Industrie zugute kommt, schrittweise zu ermöglichen.
Eine starke Europäische Gemeinschaft ist auch die Grundlage für das, was wir tun können, um die Türkei in ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage zu stützen. Wir können uns hier auf die USA nicht mehr verlassen, als wir selbst tun. Die Türkei, die nicht über eigene Energiequellen verfügt, ist von der Erhöhung der Ölpreise besonders stark betroffen. Sofortmaßnahmen werden zunächst zum Ziel haben müssen, aktuelle Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu beseitigen. Längerfristig muß es darauf ankommen, die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes auf eine solide Grundlage zu stellen, die Arbeitslosigkeit zu vermindern und Investitionen
und den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien, insbesondere für die Ausfuhr, zu fördern.
Wirtschaftliches Wachstum und soziale Stabilität sind die beste Voraussetzung für politische Stabilität und für Verteidigungsfähigkeit. Wer es noch nicht wußte, hätte spätestens in Vietnam und im Iran lernen können, daß es einer Regierung nichts nützt, über kopfstarke Armeen und moderne Waffen zu verfügen, wenn das Volk nicht hinter ihr steht. Wir werden uns noch mehr bemühen müssen, auch am Beispiel der Türkei dargelegt, daß die Rückschleusung der Ölgelder in die Wirtschaften der Industrieländer reibungslos vonstatten gehen kann und daß die Überschüsse der OPEC-Länder nicht zu einer weltweiten Wirtschaftsrezession führen. Dies stellt Anforderungen an die internationalen Finanzmärkte, aber auch an die internationalen Finanzierungsinstitutionen, wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, wo wir wiederum unseren Beitrag leisten müssen. Auch hier kann nur der Bund handeln, und er muß deshalb im Interesse einer leistungsfähigen gesamtstaatlichen Interessenvertretung, auch von allen drei Ebenen her gesehen, in die Lage versetzt werden, mit dieser Verantwortung fertig zu werden.
Es mehren sich die Anzeichen, daß die Ölländer bereit sind, mehr zu tun, um die Zahlungsbilanzschwierigkeiten der Entwicklungsländer, die besonders betroffen sind, lösen zu helfen. Dies würde aber wiederum nicht ohne unsere Mitwirkung geschehen. Die Mitverantwortung der Industrieländer für die Dritte Welt, auch die Leistung von Entwicklungshilfe, haben noch größere Bedeutung erlangt.
Es liegt in unserem nationalen Interesse, daß die Türkei und Griechenland wirtschaftlich stabil und widerstandsfähig gegen Risiken von innen und außen bleiben. Es liegt aber auch in unserem nationalen Interesse, daß im Nahen Osten, im Mittleren Osten, in Pakistan und auch auf dem gesamten indischen Subkontinent größere wirtschaftliche und politische Stabilität dauerhaft ermöglicht werden.
Für die Finanzierungsprobleme dieses gewaltigen Aufgabenspektrums müssen Lösungen gefunden werden, die von Dauer sind und die von unserem Volk für richtig gehalten werden können. Schließlich müssen die Lasten auf Bund und Länder gerecht verteilt werden.
Der Spielraum des Bundeshaushalts für diese zusätzlichen internationalen Aufgaben ist gering. Wir haben 1979 die Kreditaufnahme des Bundes um mehr als 10 Milliarden DM unter der ursprünglichen Planung halten können. Wir haben 1980 den Kreditbedarf des Bundes gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf weiter verringern können. Wir können aber heute nicht damit rechnen, daß neue Steuerschätzungen zu einer Verbesserung der Finanzierungssituation führen, und wir müssen die gesamtstaatliche Kreditaufnahme auch weiterhin der konjunkturellen und beschäftigungspolitischen Lage anpassen.
Eine erneute Ausweitung der öffentlichen Kreditaufnahme würde in der gegenwärtigen Lage den Kapitalmarkt überfordern, obwohl es, Herr Kollege
Dr. Häfele, wenig mit der Realität der Zinsentwicklung zu tun hat, wenn sie sagen, dies sei durch die Kreditaufnahme des Bundes geschehen.
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- Nicht einmal „auch".
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- Entschuldigen Sie bitte, in einer Zeit, in der Sie nicht nur einen stabilen Dollarkurs haben, sondern in der sogar der Wert des Dollars steigt und in der Sie ein Zinsdifferential zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik in Höhe von 9 haben, wandert natürlich die kurzfristige Geldspekulation in die USA
({15})
und führt zu Kapitalabflüssen aus der Bundesrepublik. Diese Zinserhöhung war fast ausschließlich darauf gerichtet, diesen Prozeß abzubremsen. Das hat mit der Kreditaufnahme des Bundes überhaupt nichts zu tun. Als die Kreditaufnahme des Bundes einen historischen Höhepunkt erreicht hatte, war der Zins am Kreditmarkt am niedrigsten.
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Es ist doch wirklich eine so komplexe Aufgabe, unsere Wirtschaft zu steuern, daß man da nicht mit vereinfachenden Darstellungen Verwirrung stiften kann.
({17})
Die Stabilitätspolitik darf nicht gefährdet werden. Was wir an zusätzlichen Leistungen aus dem Bundeshaushalt finanzieren müssen, muß an anderer Stelle eingespart werden. Daran führt kein Weg vorbei.
Die schwierige Finanzlage des Bundes, wie sie sich darstellt, ist allerdings keineswegs ein getreues Spiegelbild der gesamtstaatlichen Finanzierungssituation in unserem Lande. Der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen ist zurückgegangen. Der Anteil des Bundes an der Kreditaufnahme des Staates und an der gesamten Staatsverschuldung hat sich deutlich erhöht. Die Deckungsquoten der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden stehen nicht mehr in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. 1979 mußte der Bund 13 % seiner Gesamtausgaben durch Kredite finanzieren, die Länder lediglich 7 % und die Gemeinden nur 3 %. 60 To der staatlichen Kreditaufnahme mußte 1979 der Bund auf sich nehmen. Die Zinsbelastungsquote des Bundeshaushalts übertrifft heute zunehmend die der Länder und Gemeinden. Die Schuldenlast hat sich wegen der besonderen Verantwortung des Bundes, weil Aufgaben zu lösen waren, die nur der Bund lösen konnte, auf den Bundeshaushalt verlagert.
Die Steuerreform des Jahres 1975 hat dem Bund mit der Übernahme des Kindergeldes weitgehend die Kosten des Familienlastenausgleichs zusätzlich aufgebürdet, ohne daß ihm im Rahmen der Umsatzsteuerneuverteilung ein angemessener Ausgleich gewährt wurde. In den Jahren der zunehmenden Arbeitslosigkeit und der drohenden wirtschaftlichen Problementwicklung hat der Bund die Hauptlast der Konjunktursteuerung, d. h. der Sicherung der Beschäftigung zu tragen gehabt. Der deutlich überproportionale Anstieg der Zinsbelastung im Bundeshaushalt zeigt, daß Folgelasten der gesamtwirtschaftlich erforderlichen Finanzpolitik auch weiterhin vom Bund zu tragen sind.
Neue Finanzierungslasten, denen sich unser Land nicht entziehen kann und denen wir uns nicht entziehen wollen - im Verteidigungsbereich, in Europa, bei der Entwicklungshilfe, bei anderen internationalen Aufgaben sowie im Bereich der sozialen Sicherung -, fallen nach unserer Verfassung in die Aufgabenkompetenz des Bundes. Das Grundgesetz sieht vor, daß die Steuereinnahmen des Staates so auf die Ebenen der öffentlichen Haushalte verteilt werden, wie es ihren Aufgaben und den damit verbundenen notwendigen Ausgaben entspricht. Geschieht dies nicht, so ist zu befürchten, daß staatliche Aufgaben nicht in der Rangfolge ihrer Dringlichkeit und Notwendigkeit erfüllt werden, sondern in dem Maße, wie es in den jeweiligen Einzelhaushalten gelingt, sich im Rahmen unserer bundesstaatlichen Finanzverfassung Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Ich sehe in einer solchen Entwicklung die Gefahr, daß die Handlungsfähigkeit unserer gesamtstaatlichen Politik hierdurch ernsthaft beschnitten wird und es den staatlichen Organen und demokratisch gewählten Institutionen nicht mehr möglich ist, die finanziellen Möglichkeiten unseres Staatswesens so einzusetzen, wie es die Notwendigkeiten der Geschichte von uns verlangen und wie es die Bürger von uns erwarten.
Die Herausforderungen durch die Weltkrise machen eine erneute Erörterung dieser Problematik, die übrigens längst überfällig ist, zwingend notwendig. Durch einen Verzicht auf das von der Sache her gebotene Entlastungspaket würde diese Problematik allerdings nur vorübergehend versteckt.
Ich bin mir mit Ihnen darüber im klaren, daß das Steuerentlastungsgesetz mit einiger Wahrscheinlichkeit im Vermittlungsausschuß landen wird. Sicher haben die Länder bei steuerpolitischen Maßnahmen von großer Tragweite, die das ihnen zustehende Steueraufkommen berühren, einen Anspruch auf Mitwirkung beim . Zustandekommen der entsprechenden Regelungen.
Ich will nochmals deutlich machen, daß bei dem Zustandekommen unserer Vorschläge, insbesondere im familienpolitischen Bereich, der Gesichtspunkt der Lastenverteilung zwischen den öffentlichen Haushalten eine wichtige Rolle gespielt hat. Ich könnte mir im Einzelfall durchaus andere, möglicherweise einfachere Regelungen vorstellen. Für uns sind die entscheidenden Punkte der steuerlichen und familienpolitischen Entlastungsmaßnahmen die Verhinderung einer Mehrbelastung der Lohnsteuerzahler, eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs, der nicht denjenigen höhere Entlastungen für Kinder gibt, die ohnehin mehr verdienen, und eine finanzielle Gesamtbelastung für den
Bundeshaushalt, die sich im Ergebnis in dem von uns vorgeschlagenen Rahmen hält.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu den anderen Entwürfen, die heute bei Ihnen zur Debatte stehen: Der Sammelentwurf, den wir uns „Omnibusgesetz" zu nennen angewöhnt haben, ist in besonderem Maße durch unser Bemühen geprägt, zur Vereinfachung des Steuersystems beizutragen. Wir schlagen vor, die Gesetze über die Einkommen-, die Körperschaft-, die Gewerbe- und die Vermögensteuer um eine Reihe von Vorschriften zu bereinigen, die teils überholt, teils nur noch von geringer Bedeutung sind und deren Wegfall weder wesentliche Steuermindereinnahmen noch einen Konflikt mit anderen wichtigen Zielen zur Folge hat. Ich will die Paragraphen, Ziele oder gar die einzelnen Buchstaben gar nicht aufzählen; ihre Verminderung ist jedenfalls beträchtlich.
Für weitere Gesetzesänderungen mit Vereinfachungswirkung darf ich vielleicht einige beispielhafte Stichworte nennen: Freibeträge für Trinkgelder, Ausbildungsfreibeträge, Bagatellgrenzen - unscheinbar anmutende Korrekturen, die aber in der Praxis eben doch spürbare Erleichterungen bringen.
Von einigem Gewicht dürfte die Anpassung der Grenzen für Vierteljahreszahler und Jahreszahler bei der Lohnsteuer an die seit diesem Jahr geltenden Grenzen bei der Umsatzsteuer sein. Davon verspreche ich mir - bei beträchtlichen, aber erfreulicherweise nur einmaligen Steuermindereinnahmen - eine deutliche Verringerung des Formularaufwandes. Natürlich wird uns vorgeworfen, es handele sich hier nur um punktuelle Maßnahmen, nicht aber um einen großen, beeindruckenden Wurf. Ich möchte dem entgegenhalten: Wenn wir mit einzelnen Vereinfachungsmaßnahmen, die sinnvoll und finanzierbar sind, so lange warten wollten, bis für radikale Entwürfe Mehrheiten beisammen sind, dann werden wir ewig warten. Patentrezepte gibt es auf diesem schwierigen Feld nun wirklich nicht.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen gehen die mühevolle Aufgabe der Steuervereinfachung in kleinen, wohl erwogenen Schritten an. Was sinnvoll ist, was finanzierbar ist, wird gemacht. Große Würfe, deren Verfasser so tun, als könne man unsere Rechtswirklichkeit beliebig ändern und gewachsene Besitzstände und begründete Vergünstigungen mit einem Federstrich - um der bloßen Vereinfachung willen - beseitigen, haben offenkundig keine Aussicht auf Erfolg.
Dies gilt auch für die sogenannten Bagatellsteuern. Angesichts der engen finanzpolitischen Spielräume der öffentlichen Haushalte ist nicht alles eine Bagatelle, worauf freigiebige Entwürfe der Opposition verzichten wollten. Die Bundesregierung schlägt vor - wir freuen uns, daß dieser Vorschlag aufgenommen worden ist -, die Steuern auf Spielkarten, Zündwaren und Essigsäure abzuschaffen. Diese drei Verbrauchsteuern des Bundes und dazu - im Zusammenhang mit der Abschaffung der Essigsäuresteuer - ein Teil der Branntweinsteuer haben ein zusätzliches Aufkommen von immerhin rund 20 Millionen DM. Wir sollten uns freilich nicht
der Illusion hingeben, mit der Abschaffung sogenannter Bagatellsteuern sei schon ein entscheidender Schritt zur Steuervereinfachung getan. Vereinfachungsmaßnahmen müssen nämlich auch finanzierbar bleiben. Der Gegenentwurf der Opposition hätte für den Bund einen zusätzlichen jährlichen Steuerausfall von über 300 Millionen DM zur Folge, dem kein entsprechender Nutzen gegenüberstünde.
Im Gegensatz dazu haben wir mit den neuen Grenzen für Vierteljahreszahler und Jahreszahler bei der Umsatzsteuer, die jeweils einen einmaligen Ausfall in der Größenordnung um 360 Millionen DM zur Folge haben, eine Verminderung des Papierkrieges von etwa drei Millionen Umsatzsteueranmeldungen jährlich sowie der Überweisungen erreicht. Ähnliches streben wir jetzt auch bei der Lohnsteuer an.
Neben wenigen prüfenswerten Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf ist eigentlich bisher nur ein Beitrag zur Vereinfachung zu erkennen, den der Bundesrat - somit auch die Unionsländer - vorgelegt haben, der heute hier zur ersten Lesung ansteht: Reform der Grunderwerbsteuer. Die Bundesregierung hat die Bemühungen um die Vereinheitlichung und die Vereinfachung des Grunderwerbsteuerrechts begrüßt. Bei den Ausschußberatungen wird sich allerdings schnell zeigen, daß Steuervereinfachung häufig zu anderen wichtigen Zielen im Widerspruch steht. Einige der vom Bundesrat zur Streichung vorgeschlagenen Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bedürfen noch intensiver Beratung und Prüfung.
Von den materiellen Rechtsänderungen, die in den Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfen vorgesehen sind, darf ich noch einige bedeutsame Maßnahmen hervorheben. Die für jede von Bergleuten unter Tage gefahrene Schicht gezahlte Steuer- und sozialabgabenfreie Bergmannsprämie soll von 5 DM auf 10 DM verdoppelt werden. Zur Förderung der nebenberuflichen Tätigkeit von Bürgern im gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Bereich schlagen wir die Steuerbefreiung von Zahlungen bis zu 2 400 DM im Jahr vor. In diesem Zusammenhang sind auch die vorgesehenen Erleichterungen bei der Besteuerung kultureller, sportlicher und geselliger Veranstaltungen gemeinnütziger Vereine zu sehen. Wir wollen bei den kulturfördernden Vereinen wie bei den Sportvereinen die Annahme eines steuerbegünstigten Zweckbetriebes erleichtern. Gleichzeitig wird es den steuerbegünstigten Körperschaften ermöglicht, aus den erwirtschafteten Überschüssen Mittel für größere Investitionen über die Grenze von 12 000 DM hinaus steuerbegünstigt anzusparen.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf die Anhebung des Abzugsbetrages für Spenden für kulturelle Zwecke als Sonderausgaben von 5 v. H. auf 10 v. H. hinzuweisen. Dadurch soll ein zusätzlicher Anreiz für private Initiativen zur Förderung von Kunst und Kultur und zur Stiftung wertvoller Kunstwerke für die Allgemeinheit geschaffen werden.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie die Ihnen vorliegenden Entwürfe zügig behandelten. Wir werden, wenn auch mit enormen Schwierigkeiten, dafür sorgen, daß die Steuererleichterungen, insbesondere für die Lohnsteuerzahler, möglich und solide finanzierbar sind. Wir müssen aber alle gemeinsam Ausgabendisziplin üben und in Zukunft alle zusätzlichen Ausgaben im Rahmen der jetzt vorgesehenen Plafonds halten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Wartenberg.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Finanzministers müssen wir feststellen, daß die Fragen, die der Kollege Häfele im Namen der CDU/CSU vorhin gestellt hat, nicht beantwortet worden sind.
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Weder ist etwas über die unterschiedlichen Stellungnahmen der SPD und der FDP zur Zukunft des Steuerpakets gesagt worden, noch sind Lösungen für die Finanzprobleme 1981 angesprochen worden. Sie haben zwar die Probleme aufgeführt und noch mehr Fragen aufgeworfen, aber - um mit Frau Matthäus-Maier zu sprechen -: „Es kann nicht angehen, daß der Ausweg aus der Verschuldung darin gesehen wird, sie auf die Länder abzuschieben.''
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Auf der Tagesordnung stehen noch zwei Gesetzentwürfe, die eine Unzahl von Änderungen in elf verschiedenen Steuergesetzen vorsehen. Das eine ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze. Das ist ein Gesetzentwurf, der durch fast alle Steuergesetze bummelt und das aufsammelt, was in dieser Legislaturperiode liegengeblieben ist. Er hat deshalb den Arbeitstitel „Omnibus-Gesetz". Wenn man gehässig ist, sagt man „Lumpensammler-Gesetz". Das zweite ist der von der CDU/CSU eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Bewertungsgesetzes. Er dient dem Ziel, die wirtschaftliche und die soziale Lage der Künstler zu verbessern. Wir haben deshalb den Arbeitstitel „Künstlerhilfe-Gesetz" gewählt.
Erlauben Sie mir einige Anmerkungen zum „Omnibus-Gesetz", das den anspruchsvollen Titel „Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes" hat. Dort sind einige schlichte Vereinfachungen enthalten, die wir positiv bewerten.
Das erste ist die Anhebung der Freibeträge für freiwillig gezahlte Trinkgelder. Die Verdoppelung des Betrags von 600 DM auf 1200 DM verhindert 'kleinliche Ermittlungen, erleichtert demnach die Arbeit der Finanzämter und fördert die Steuerehrlichkeit derer, die die Trinkgelder bekommen.
Das zweite ist die Streichung der Voraussetzung „auswärtige Unterbringung zur Berufsausbildung" bei der Inanspruchnahme von Ausbildungsfreibeträgen. Bisher wurde die Gewährung von Ausbildungsfreibeträgen von einer Prüfung abhängig gemacht, ob die Berufsausbildung der entscheidende Anlaß für die auswärtige Unterbringung war. Diese Prüfung war schwierig und führte zu unerfreulichen Auseinandersetzungen. Wir sehen auch in dieser Streichung eine Erleichterung.
Das dritte ist der vorgeschlagene Wegfall des Kreditaufnahmeverbots beim Sonderausgabenabzug für Risikoversicherungen, also Krankheits- und Unfallversicherungen. Bisher macht das Kreditaufnahmeverbot den Sonderausgabenabzug davon abhängig, daß der Steuerpflichtige die Vorsorgeaufwendungen aus eigenen Mitteln leistet. Der Wegfall bei Risikoversicherungen scheint eine kleine Vereinfachung zu sein. Es fragt sich aber, ob dieser Vorschlag nicht zu einer weiteren Differenzierung in der steuerlichen Behandlung der Versicherungsbeiträge führt und ob nicht eine generelle Streichung des Kreditaufnahmeverbots dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung gerechter wird. Eine Mißbrauchsgefahr scheint nicht zu bestehen. Denn wir haben bei den Lebensversicherungsbeträgen Sperrfristen von zwölf Jahren und bei den Bausparverträgen von zehn Jahren. Außerdem ist die Grenze der Sonderausgaben insgesamt nicht so hoch, daß man damit Mißbrauch treiben kann. Insoweit ist im Finanzausschuß eine Prüfung notwendig, ob nicht der generelle Wegfall auch im Hinblick auf Betriebsprüfungen die Steuergesetze vereinfachen würde.
Die vierte Vereinfachung konzentriert sich auf eine Verlängerung und Lockerung der Voraussetzungen der Inanspruchnahme befristeter Abschreibungsvergünstigungen für Betriebsinvestitionen, die dem Umweltschutz dienen. Wir stellen fest, daß die Umweltschutzinvestitionen in den Betrieben gestiegen sind, daß wir eine rasche Fortentwicklung der Umweltschutztechnologie haben, daß auch in Zukunft ein hoher Investitionsbedarf zu erwarten ist und dieser deshalb in dem vorgesehenen Umfang gefördert werden soll. Einbeziehen würden wir die Vorschläge des Bundesrats auf eine Verlängerung der Vorschrift angesichts der langen Planungs- und Genehmigungsfristen und auf eine Regelung, daß die Förderung auch dann im öffentlichen Interesse liegt, wenn Investitionen dem innerbetrieblichen Umweltschutz und damit dem Arbeitsschutz und der Belegschaft insgesamt dienen.
Die restlichen vorgeschlagenen Vereinfachungen werden, wie es der Minister schon zugegeben hat, dem hochtrabenden Anspruch der Vereinfachung nicht gerecht. Es handelt sich dabei um Textstreichungen, weil durch neue Gesetze oder durch Gerichtsurteile Bestimmungen überholt sind, oder um eine Änderung von Freigrenzen und Freibeträgen, deren Erhöhung als Folge des Kosten- und Einkommensanstiegs längst überfällig war. Wir hoffen, daß das Vereinfachungsreferat im Finanzministerium Gelegenheit hat, bald umfassendere Vorschläge zu machen, die nicht nur zu einer Vereinfachung für
die Verwaltung führen, sondern letzten Endes auch eine Vereinfachung für die Steuerzahler bringen.
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Das zweite Paket im sogenannten Omnibus-Gesetz beinhaltet Änderungen des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze; es betrifft die Besteuerung der Vereine. Die dort gemachten Vorschläge finden im großen und ganzen unsere Zustimmung, weil es ja schon unsere Vorschläge sind, die im Finanzausschuß beraten werden. Da geht es einmal um die Frage des Übungsleiterfreibetrags, dann um die Frage, ob Schach ein gemeinnütziger Sport ist,
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dann um die Frage des Modellfluges sowie um die Frage der Berücksichtigung der gesamten Unkosten bei der Ermittlung des Überschusses, weiter um die Bildung einer Rücklage sowie um die Erhöhung der Vermögensteuerfreigrenze. Es kommen noch einige weitere Vorschläge hinzu. Die Vorschläge gehören in das bereits beratene Vereinsbesteuerungsgesetz.
Ich finde es ungewöhnlich, daß die Bundesregierung auf die Vorschläge des Bundesrats kaum eingeht, dafür nur wenige Zeilen findet und sich hinterher in einem eigenen Gesetzentwurf mit fremden Federn schmückt. Das ist in meinen Augen parlamentarisch etwas ungewöhnlich.
Die anderen Vorschläge für Gesetzesänderungen brauchen hier in der ersten Lesung nicht näher erläutert zu werden. Sie sind schon angesprochen worden. Da geht es um die Frage des Spendenabzugs, die Anerkennung der Gutschriften als Rechnungen im Umsatzsteuergesetz, die Pauschalierung der Lohnsteuer, das Steuerberatungsgesetz, Erleichterungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Natürlich geht es auch um die Erhöhung der Bergmannsprämie, der wir selbstverständlich zustimmen werden. Unsere Kollegen im Landtag haben das ja längst gefordert. Es geht auch um Fragen, mit denen sich das Verplombungsgesetz zu befassen hat.
Meine Damen und Herren, wir sollten im Finanzausschuß auch die Vorschläge des Bundesrats betreffend § 7b prüfen. Da handelt es sich sowohl um die Frage der Erhöhung der Grenze von 150 000 auf 200000 DM als auch um die Frage des Wegfalls der Jahresgrenzen, wodurch für die Familie Zimmermann, die so eifrig ist, im Omnibus endlich Platz geschaffen werden soll.
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Zum Schluß einige Anmerkungen zu dem Entwurf eines Künstlerhilfegesetzes. Dieser Entwurf wird von der Sorge getragen, daß die im Steueränderungsgesetz 1978 enthaltenen Regelungen unzureichend sind. Wir wollen mit unserem Vorschlag die Nachfrage nach zeitgenössischer Kunst erhöhen, damit die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler verbessert wird.
Nachdem die Erhöhung des Abzugssatzes für Spenden zur Förderung kultureller Zwecke unstrittig zu sein scheint, konzentrieren wir uns auf die Einführung der Regelung, nach der Kunstgegenstände ohne Rücksicht auf den Wert von der Vermögensteuer freigestellt werden, wenn sie von Künstlern geschaffen worden sind, die noch leben oder seit nicht mehr als 15 Jahren verstorben sind. Alle Kolleginnen und Kollegen, die in der Parlamentarischen Gesellschaft jungen Künstlern Gelegenheit der Darstellung geben, und alle Besucher sollten diese Regelung unterstützen, weil bekannt ist, daß insbesondere junge und weniger bekannte Künstler davon profitieren. Da die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft mehr als 450 Mitglieder hat, scheint die Mehrheit für diesen Vorschlag gesichert zu sein.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gobrecht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem sich die Reihen schon etwas gelichtet haben und Herr Kollege Häfele nicht - das lag wohl an der etwas frühen Stunde - in der von ihm gewohnten Art und Weise die Apokalyptischen Reiter des Finanzuntergangs galoppieren ließ - -({0})
- Ach, Herr Kollege Häfele, das ist keine Schulmeisterei.
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- Ja, genau dies hatte ich vor. Ich habe ja gerade begrüßen wollen, daß wir im wesentlichen einen sachlichen Einstieg in diese Debatte gehabt haben. Herr Häfele, ich verstehe nicht, weshalb Sie so aufgeregt sind, vielleicht haben Sie heute morgen um neun Uhr nicht die Kurve gekriegt; den Eindruck habe ich. Aber dafür sind Sie jetzt lebendig. Damit, daß ich den sachlichen Einstieg in diese Debatte begrüßt habe, sind Sie vielleicht etwas zufriedener.
Ich habe den Eindruck, daß wir für den sachlichen Einstieg durchaus Gründe haben. Mein Eindruck ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir in dieser Periode bei Steuerpaketen in der Sache selbst noch nie so nahe beieinander waren, und zwar in ganz wesentlichen Punkten, wie heute bei diesem Steuerpaket. Deswegen ist das doch eigentlich dann ein Anlaß, sich diese Punkte einmal anzuschauen. Worum geht es denn im Grunde genommen?
Wir haben, was den Weihnachtsfreibetrag anlangt, dasselbe Datum, dieselben Beträge: Weihnachten 1980 Veranderthalbfachung des Weihnachtsfreibetrages von 400 auf 600 DM. Das scheint also doch ein Festpunkt zu sein, auf den sich die deutschen Steuerzahler - konkret also hier die Arbeitnehmer - einstellen können.
Wir haben die Einbeziehung des Tariffreibetrages, der immerhin zusätzlich gewisse VerkomplizieGobrecht
rungen gebracht hat, in den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer und bei der Lohnsteuer; das steht in beiden Programmen; auch dies ist eine gewisse Vereinfachung.
({2})
Das ist eine vernünftige Änderung. Auch darüber gibt es offensichtlich keine Debatte.
Wir haben im Bereich der Sonderausgaben - Stichwort: Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen - durchaus ganz erhebliche Annäherungen. Da wir hier 1980 bereits eine Erhöhung hatten, steht im Koalitionspaket für 1982 eine weitere Erhöhung. Bei Ihnen ist es derselbe Betrag, aber ein Jahr davor. Das ist also doch auch ein Punkt, über den es nicht notwendig ist große Auseinandersetzungen zu führen. Für uns ist im übrigen in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, daß vom Volumen der Begünstigung von Vorsorgeaufwendungen über den Vorwegabzug doch nahezu zwei Drittel bei den Arbeitnehmern ankommen.
Wenn wir uns dann den Steuertarif bei der Einkommensteuer, bei der Lohnsteuer anschauen, dann sehen wir, es ist in beiden Bereichen eine Abflachung der Progression enthalten bis zu dem Bereich von 60 000 DM für Ledige, bis zu dem Bereich von 120 000 DM für Verheiratete. Das ist also offensichtlich auch ein Eckpunkt, von dem man ausgehen kann.
Die Unterschiede beginnen hier beim Tarif darin, daß wir der Auffassung sind, es sei erforderlich, die Eingangszone, die sogenannte Proportionalzone, um 2 000 DM auszudehnen von 16 000 DM auf 18 000 DM bei Ledigen und bei den Verheirateten auf 36 000 DM, weil wir der Auffassung sind, daß dies ein ganz wesentlicher Vereinfachungsgesichtspunkt ist, um immerhin ab 1981 rund die Hälfte der Arbeitnehmer in diesen einfacher zu bearbeitenden Bereich der Proportionalbesteuerung hineinzubekommen. Ich meine, daß dies ein Punkt ist - wenn ich höre, was Sie inhaltlich wollen -, über den jedenfalls der große Streit auch nicht ausbrechen müßte. Deswegen müßte sicherlich nicht das Ganze bis zum Vermittlungsausschuß transportiert werden. Jede Sache, die in den Vermittlungsausschuß geht, ist ja letzten Endes auch ein Stück weg von der wirklichen parlamentarischen Entscheidung im Bundestag und im Bundesrat.
({3})
Sie haben dagegen im Tarifbereich die Senkung im Eingangssteuersatz von 22 % auf 21 %. Die Kollegin Matthäus hat schon vorhin gesagt, das ist grundsätzlich durchaus sympathisch; nur, wenn gerade Sie, Herr Kollege Häfele, immer wieder von den sogenannten heimlichen Steuererhöhungen sprechen, dann ist hier doch ein absoluter logischer Bruch. Heimlich ist hier sowieso nichts, und in diesem Bereich ist nun auch das, was Sie inhaltlich meinen, überhaupt nicht betroffen; denn hier ist eine ganz klare proportionale Zone mit 22 %, und die Kollegin Matthäus hat zu Recht darauf hingewiesen, daß ein viel zu großer Betrag von den doch sowieso viel zu geringen Mitteln, die wir haben, in diesen Bereich hineingeht. Das ist auch nicht der Bereich, wo es drückt. Nun mag es ja sein, daß Sie nicht unbedingt da entlasten wollen, wo es drückt; aber das vermute ich nicht, sondern ich gehe davon aus, daß auch Sie das wollen.
Wenn Sie das aber wollen, dann, meine ich, müßte es doch möglich sein, die wirklich entscheidende, effizient wirkende Finanzmasse in den Bereich hineinzutun, wo es wirkt, und dies ist der Anfangsprogressionsbereich.
({4})
Da sind die Arbeitnehmer betroffen; da sind die Bürger mit vergleichbaren Einkünften betroffen, die sozusagen den Sprung aus der Proportionalzone in den Progressionsbereich machen. Hier haben wir, wenn man das langfristig ansieht, auch etwas dagegen, weil wir vermuten - und Sie sagen das ja auch -, daß das zu einem durchgehenden Progressionstarif hingehen soll, mit einem relativ niedrigen Steuersatz beginnend, bis zum Spitzensteuersatz hinauf in einer wie immer gestalteten Tarifkurve. Nur, da sind wir unverändert der Auffassung, daß dies nicht dem Gesichtspunkt der Vereinfachung so entspricht, wie das der proportionale Bereich tut, in dem rund 50 % der Arbeitnehmer sind, sondern daß dies dazu führen muß, daß sehr viel mehr Akten geführt werden müssen, daß jeder gezwungen ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, während das heute vielfach bei den Arbeitnehmern im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs durch die Arbeitgeber ausgeglichen werden kann, ganz abgesehen von dem Gesichtspunkt der Aktenführung, der Kontenführung und ähnlichem.
Wir meinen also, daß eine Senkung um einen Prozentpunkt nicht richtig wäre; denn erstens würde dadurch die Finanzmasse in einen falschen Bereich geschoben, zweitens brächte dies Bürokratieprobleme und Arbeitsprobleme mit sich, die nicht gut sind.
Die Unterschiede - das ist herausgearbeitet worden - liegen ganz offensichtlich zentral im Bereich der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern, im Bereich der Besteuerung der Familien. Das ist sehr grundlegend, und dabei muß man sicherlich ein bißchen weiterdenken als nur an diese Debatte. Wir widersprechen unverändert ganz entschieden Ihrem Ansatz, Kinderfreibeträge wieder neu in das Steuerrecht einzuführen.
({5})
Diese Rückfahrt in die 50er Jahre wollen wir wirklich nicht. Es ist schon hinlänglich ausgesagt worden, was dies im einzelnen bedeutet. Wenn man einmal den, wie Herr Kollege Häfele gesagt hat, sehr maßvollen Kinderfreibetrag von 600 DM zugrunde legt, ergibt sich immerhin für den Höchstverdienenden eine Steuerersparnis von 336 DM im Jahr. Für denjenigen, der als Arbeitnehmer in der Proportionalzone liegt, ergibt sich eine Steuerersparnis von lediglich 132 DM, also von nur zwei Fünfteln dessen, was der Höchstverdiener spart. Es leuchtet mir unverändert überhaupt nicht ein, warum das ausgerechnet auf diese Weise gemacht werden soll. Ich habe auch .den Eindruck, daß das der großen Mehr16524
heit der Bürger überhaupt nicht begreiflich zu machen ist.
Wenn wir den Tatbestand „Kind", wenn ich das so technisch ausdrücken darf, wieder in das Steuerrecht hineinnehmen wollen, dann meine ich schon, daß der sehr viel sinnvollere Ansatz der ist, den die Bundesregierung vorschlägt, nämlich eine Berücksichtung über den Kindergrundfreibetrag vorzunehmen, weil dadurch eine einheitliche, betragsmäßig gleiche Entlastung für alle eintritt.
Sie haben zu Recht gesagt: Es gibt auch sonst im Bereich der Einkommensteuer bestimmte Bereiche, in denen es progressionsabhängige Regelungen gibt. Nach Auffassung meiner Fraktion ist dies prinzipiell nicht richtig. Wir sind der Auffassung: Alle Ausgaben, Werbungskosten und ähnliche Dinge sind bei der Einkunftsermittlung abzuziehen. Dort, wo der Staat durch politische Entscheidungen in den Parlamenten sagt, hier solle etwas gefördert, etwas begünstigt werden, hier sollten Anreize für bestimmte Dinge gegeben werden, muß die steuerliche Entlastung für alle gleich sein. Nur dann ist sie sozial gerecht. Wir haben schon 1974 versucht, solche gleichmäßigen Entlastungen durchzusetzen, sind aber leider an den Mehrheiten gescheitert. Trotzdem bleibt das Ziel richtig. Genau diesem Ziel dient der Kindergrundfreibetrag.
Was das Volumen anlangt: Mit derselben Summe könnte der Bund, wenn er dies allein machte, das Kindergeld um 10 DM erhöhen. Wenn sich aber alle Steuergläubiger daran beteiligen - und das muß ja wohl auch der Sinn Ihrer Forderung nach einem Kinderfreibetrag sein -, dann ergibt sich das im Regierungsentwurf enthaltene Volumen von monatlich rund 30 DM, also fast das Dreifache. Ich meine, daß dies auch ein wichtiger Gesichtspunkt ist.
({6})
Die Probleme der sogenannten Halbteilung, die beim Kindergrundfreibetrag auftauchen, sind aber ebenso beim Kinderfreibetrag vorhanden. Man muß also bei beiden Verfahren fragen, ob es machbar ist. Wir wollen die verteilungspolitische Schlagseite, die mit der alten Regelung der Kinderfreibeträge hervorgerufen würde, auf keinen Fall. Deshalb werden wir dem auch nicht zustimmen.
Da dies eine ganz offene Diskussion ist, möchte ich auch folgendes sagen. Die Kollegin MatthäusMaier hat gegen diesen Kindergrundfreibetrag gewisse Bedenken angemeldet. Das wird offen diskutiert. In meiner Fraktion gibt es - höflich ausgedrückt - entsprechende Bedenken z. B. gegen den Kinderzuschlag von 300 DM für die ersten sechs Monate. Es ist nun einmal so: Dieser Bereich ist ein Bereich, in dem man vernünftige Kompromisse schließen muß. Jeder der beteiligten Partner muß etwas zu diesem Kompromiß beitragen.
({7})
- Ja, wie im Leben überhaupt, Herr Kollege von
Wartenberg. Es ist immer sinnvoll, nicht mit dem
Kopf durch die Wand zu wollen, sondern bereit zu sein, Kompromisse zu schließen.
({8})
Ein weiterer Unterschied, der mir noch nicht deutlich genug geworden zu sein scheint, liegt in der Forderung nach der Übernahme der Bilanzwerte für die Einheitsbewertung und die Vermögensteuer, die Sie hier unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung eingebracht haben. Das ist mit diesem Etikett nicht ganz sauber. Die Forderung, hier 1 Milliarde DM an Entlastung zu geben, ist, konkret ausgedrückt, die Forderung, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer zu senken.
({9})
Das ist die konkrete Forderung, und dann müssen wir uns das doch einmal unter dem Gesichtspunkt anschauen, ob es denn eine Vereinfachung ist und ob es wirklich investitionsfördernd ist, wenn man hier etwas tut. Eine Vermögensteuer- und Gewerbesteuersenkung um 1 Milliarde DM nützt natürlich den großen Unternehmen und den Vermögensmillionären. Denn Sonderabschreibungen in hohem Maße - die dann ja wegfielen, weil sie die Werte dessen, was bei der Vermögensteuer besteuert wird, gemindert haben - haben nicht die kleinen und in der Regel auch nicht die mittleren Unternehmen, sondern sie fallen bei den wirklich großen Unternehmen, bei den Konzernen, an, und da liegt dann die Entlastung. Dies hat also nichts mit Mittelstandsförderung und hat nichts mit Selbständigenförderung zu tun. Es hat aber etwas damit zu tun, wieder neue Grauzonen zu schaffen, die abzuschaffen oder einzuschränken wir uns hier gerade vor einer Woche bei der Landwirtschaftsbesteuerung bemüht haben. Grauzonen haben im Steuerrecht wirklich nichts zu suchen. Es muß darum gehen, so etwas transparent zu machen, es offen auszuweisen. Dies ist das Problem: Hier wird sozusagen der Schnee über einen grünen Rasen gedeckt, es wird mit falschen Etiketten gearbeitet.
Das Steuervereinfachungsargument wäre in diesem Zusammenhang dann sinnvoll, wenn man es auf alles ausdehnte. Aber natürlich sagen Sie, wenn es um die Grundstücke geht, das geltende Recht gehe vor. Die Grundstücke haben ja in der Regel erheblich höhere Bilanzwerte als Einheitswerte. Wenn man das wirklich einheitlich machen wollte, wäre es schon konsequent, auch die ganzen Grundstücke mit ihren hohen Bilanzwerten einzubeziehen. Bitte schön, das ist ganz einfach; dann nimmt man auch da denselben Betrag in die Besteuerung bei der Vermögensteuer und der Gewerbesteuer hinein. Aber davon ist natürlich nicht die Rede.
({10})
- Genau, es würde zu mehr Ehrlichkeit, zu mehr Transparenz führen, und es machte den Vereinfachungsgesichtspunkt - wenn man ihn hier denn schon anwenden will - deutlich.
Meine Damen und Herren, es ist sicherlich auch nur eingeschränkt richtig, in diesem Zusammenhang von Investitionsförderung zu sprechen. SelbstGobrecht
verständlich würde es, wenn man bei der Anschaffung von Anlagegütern hohe Sonderabschreibungen geltend machen kann, in Zeiten der Hochkonjunktur die Investitionen fördern. Das würde eindeutig zyklisch wirken und in Zeiten, in denen wir wirtschaftlich schwieriger dran sind, mit Sicherheit nicht helfen. Dann würden nämlich die angesammelten stillen Reserven praktisch dadurch abgebaut, daß man keine Neuanschaffungen machte. Dies ist also, wenn es in diesem Zusammenhang gebracht wird, auch wirtschaftspolitisch ein höchst zweifelhaftes Argument, und ich meine doch, daß wir es sehr kritisch diskutieren sollten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will hier nichts wiederholen, obwohl man darum leider nicht immer ganz herumkommt. Es ist hier schon einiges zum Volumen des Steuerpakets gesagt worden. Für uns, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, ist völlig klar, daß die Kosten von Afghanistan und den Folgen nun nicht isoliert und zuallererst von den Arbeitnehmern getragen werden sollen.
({11})
Dies kommt überhaupt nicht in Frage. Man muß dies vielmehr, wie der Finanzminister zu Recht gesagt hat, im Zusammenhang sehen. Da ist der ganze Haushalt zu sehen, und zwar nicht nur der des Bundes. Da sind auch die Haushalte der Länder, die hier mit betroffen sind, zu sehen. All dies muß im Zusammenhang betrachtet werden. Gerade die Arbeitnehmer und die Familien mit Kindern haben einen Anspruch darauf, daß die Ankündigungen, sie müßten nicht als erste bezahlen, auch wahrgemacht werden.
Insgesamt meine ich, wir haben die Chance, hier ein vernünftiges Paket auf die Reise zu schicken, und wir sollten das bald tun, damit die Bürger wissen, was sie 1981 zu erwarten haben.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Timing der heutigen Steuerdebatte könnte die Vermutung aufkommen lassen, wir führten hier ein Schattenboxen über Steuerentlastungen und Steuervereinfachungen vor, während Bundeskanzler Schmidt, Bundesaußenminister Genscher und Bundesfinanzminister Matthöfer im Ausland bei unseren Freunden und Verbündeten mit Forderungen konfrontiert werden, die uns vor große Schwierigkeiten stellen, dies alles zu finanzieren. Wir sollten deshalb in der Offentlichkeit nicht die Illusion nähren, daß zusätzlich vorgetragene Wünsche ohne Abstriche bei anderen, liebgewonnenen öffentlichen Zuwendungen, aber auch öffentlichen Gewohnheiten, erfüllt werden könnten.
All dies heißt aber nicht, daß wir die von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe zur Steuerentlastung und Steuervereinfachung generell zur Disposition stellen könnten. Man könnte sich ganz andere Bereiche der öffentlichen Haushalte für Abstriche vorstellen. Die FDP-Fraktion beteiligt sich deshalb nicht daran, jetzt an dem Steuerpaket herumzumäkeln.
Ich möchte mich bei meinen Ausführungen nun speziell dem sogenannten ,,Omnibus-Gesetz" - Drucksache 8/3688 - widmen, nachdem Frau Matthäus hinreichend zu dem Steuerentlastungspaket gesprochen hat.
Es handelt sich um den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze. „Omnibus" - für alle - in des Wortes ursprünglicher Bedeutung - war zwar ein handlicher Arbeitstitel, hat aber auf der anderen Seite viele Begehrlichkeiten geweckt, mit denen wir uns nun heute auseinandersetzen müssen. Für mich handelt es sich um eine Sparversion des Omnibus: klein, langsam und besetzt. Es können nicht alle Wünsche erfüllt werden, ob sie nun berechtigt oder unberechtigt seien.
Der wesentliche Aspekt dieses Gesetzes scheint mir zu sein, daß hier ein wesentlicher Beitrag zur Steuervereinfachung geleistet wird. Es finden sich darin zahlreiche Forderungen des FDP-Bundesparteitages von Bremen verwirklicht wieder.
Für die FDP war Steuervereinfachung schon vor der Gründung von überflüssigen und kurzlebigen Surrogat-Parteien ein Primat der Steuerpolitik. Allerdings kann nur ein Demagoge radikale Steuervereinfachungen und Steuergerechtigkeit gleichzeitig versprechen.
Das sogenannte Omnibus-Gesetz enthält in zahlreichen Abschnitten die Vereinfachung der Besteuerung von Bagatellsachverhalten. Ich möchte dazu einige Bemerkungen machen, soweit hier eine Diskussion anzusetzen hat.
Die Anhebung des Freibetrages für Trinkgelder auf 1200 DM jährlich ist zu begrüßen. Eine weitere Anhebung würde sicher einen progressiven Vereinfachungseffekt z. B. im Gaststättengewerbe und beim Friseurhandwerk bewirken. Eine generelle Befreiung der Trinkgelder von der Besteuerung klingt zwar logisch, birgt aber bei näherer Betrachtung ungeahnte Probleme der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Die vom Bundesrat geforderte Verbesserung der steuerlichen Behandlung von Zuwendungen an Arbeitnehmer aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen sollte nicht von vornherein abgelehnt werden, sondern Merkposten bleiben. Für eine Erhöhung des Freibetrages ist die FDP in jedem Falle auch, sofern es machbar ist. Der jetzt geltende Betrag ist realitätsfern und löst in den Unternehmen viel Bürokratie aus.
Die FDP begrüßt die Einführung der Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten z. B. in Sportvereinen. Die neue sogenannte "Übungsleiterpauschale" von maximal 2 400 DM hilft vor allem den kleinen Vereinen weiter. Die „Tanzkapellen"-Einwände des Bundesrates sollten daher zwar überdacht, aber dennoch überwunden werden können.
Schließlich ist die Idee der Bundesregierung, die Einkommensbesteuerung nach dem Verbrauch abzuschaffen, sehr hilfreich für den Abbau von Vorurteilen wegen der Unausrottbarkeit von überholten Vorschriften. Es leuchtet ja wohl auch jedermann ein, daß derjenige, der nachhaltig mehr ausgibt, als er einnimmt, weniger ein Objekt für die Besteuerung als ein Objekt für die Steuerfahndung ist.
Ich möchte nun auf einige weitere begrüßenswerte Änderungen des vorliegenden Entwurfs eines Artikelgesetzes eingehen.
Die Verbesserungen der Abschreibungsmöglichkeiten für Umweltschutzinvestitionen nach § 7 d des Einkommensteuergesetzes schlagen einschließlich des Verzichts auf Steuermehreinnahmen mit rund 350 Millionen DM zu Buche, und zwar die Verlängerung der Geltungsdauer bis 1989 mit 230 Millionen DM und die Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten mit 125 Millionen DM. Es ist zwar legitime Interessenvertretung, sich hierüber auch noch zu beschweren; ich meine aber doch, DIHT und BDI sollten nunmehr die Kirche im Dorf lassen und das Prinzip der Ausgewogenheit dieses Gesetzes akzeptieren, und zwar auch im Kontext mit dem vorliegenden Steuerentlastungspaket der Bundesregierung. Wir erwarten nunmehr auch von der Wirtschaft etwas mehr Zurückhaltung bei der Aufstellung immer neuer Forderungen, insbesondere angesichts der vielen heute noch unerfüllbaren Wünsche weit geringerer Größenordnung. Darauf werde ich noch zurückkommen.
Die Verdoppelung der Bergmannsprämie kostet 110 Millionen DM. Wir unterstützen das Anliegen, diese flankiernde Maßnahme zur Energiepolitik der Bundesregierung und der Landesregierung NRW schnellstens in Kraft treten zu lassen. Es kann sich bei der Bergmannsprämie nicht um eine leistungsgerechte Zuwendung handeln; wir wollen damit aber den schweren Beruf des Bergmanns würdigen und zum Ausdruck bringen, daß wir den Bergmannsberuf fördern und erhalten wollen.
Der vorliegende Gesetzentwurf und die in dessen Aura sich abspielenden Vorgänge geben Veranlassung, über die vorgesehenen und zusätzlich gewünschten Steuerbegünstigungen nach § 10b des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 51 ff. der Abgabenordnung nochmals gründlich nachzudenken.
Die Betrachtung des Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Vereinsbesteuerung - Drucksache 8/ 3243 - kann hier ebensowenig ausgeklammert werden wie die vielfältigen und möglicherweise noch zunehmenden Forderungen nach Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Ich möchte nur am Rande vermerken, daß nach § 55 der Abgabenordnung die Selbstlosigkeit eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist. Es ergeben sich für mich in der Tat Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen privater Freizeitgestaltung und uneigennütziger Tätigkeit für die Allgemeinheit. Ich glaube, daß die Grenzen fließend sind. Außerdem ist sorgfältig abzuwägen, inwieweit
Interessenkollisionen der wirtschaftlichen Betätigung der Vereine gegenüber der gewerblichen Tätigkeit von Handel und Gaststättengewerbe hingenommen werden können. Wir werden dabei auch auf die Interessen des Mittelstandes zu achten haben. Ich glaube, daß der Mittelstand sich hier wieder einmal eher auf die FDP als auf die CDU/CSU verlassen kann. So werden wir auch den Vorschlag der Änderung von § 68 Nr. 7 der Abgabenordnung eingehend auf die Möglichkeit von Wettbewerbsverzerrungen abklopfen. Am ungeeignetsten scheint mir die Idee der Opposition zu sein, Freibeträge für Veranstaltungseinnahmen einzuführen, anstatt weiterhin mit Höchstbeträgen zu arbeiten.
Es versteht sich von selbst, daß die FDP einer Förderung der Vereine positiv gegenübersteht. Diese Institutionen sind aus gesellschaftspolitischen Gründen unverzichtbar. Die meist ehrenamtliche Tätigkeit der in den Vereinen tätigen Mitarbeiter, die uneigennützig zum Wohle der Allgemeinheit Dienst leisten, verdient volle Anerkennung. Die Tätigkeit der Vereine darf durch das Steuerrecht nicht behindert werden. Ihre Grenze findet eine günstige steuerliche Behandlung der Vereine jedoch dort, wo Grundsätze der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts und der Steuergerechtigkeit verletzt werden.
Als Schachspieler teile ich die Ansicht, daß es sich beim wettkampfmäßig betriebenen Schach um Sport handelt, und ich freue mich über den Schachzug, der den Schachspielern gegenüber der Bundesregierung beim Kampf um die Anerkennung des Schach als gemeinnützig gelungen ist.
({0})
- Auf das Skatspiel komme ich natürlich noch. Das ist ganz klar.
({1})
Es ist ja wohl auch nicht auszuschließen, daß im zuständigen Ressort selbst geduldige Schachspieler am Werk sind oder am Werk waren. Als Finanzpolitiker allerdings versuche ich bisher vergebens, einen objektiven Maßstab zu finden, einerseits Schach als Sport anzuerkennen, andererseits anderen, ebenfalls wettkampfmäßig betriebenen Spielen dieses Prädikat nicht zuzuerkennen. Wie ist es z. B. mit Skat, mit Bridge, mit Schafkopf?
({2})
Ein toleranter Schachspieler sollte sich hier nicht mit einem Nord-Süd-Gefälle des Schwierigkeitsgrades herausreden wollen.
({3})
- Na ja, Sie sitzen immer sehr gut da vorne; Sie reden nur für die Stenographen. Wir werden doch einSchleifenbaum
mal durchsetzen müssen, daß sowohl vorne als auch hinten ein Stenograph sitzt.
({4})
Ähnlich überkommt es mich, denk ich an den Modellflug. An sich hätte ich keine Bedenken, den Sportfliegern nicht allein deshalb den Status quo der Gemeinnützigkeit abzusprechen, weil sie eine Modellflugabteilung haben. Voraussetzung ist, daß sich das verfassungsmäßig wasserdicht reparieren läßt. Vielleicht wäre das ganze Problem schon mit der Einfügung einer Nr. 8 in den § 58 der Abgabenordnung vom Eis zu bekommen, analog Nr. 7 sie würde etwa so heißen:
Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ...
und dann würde die neue Nr. 8 folgen:
... eine Körperschaft Abteilungen unterhält, die im Vergleich zu ihrer steuerbegünstigten Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung sind.
Wenn ich aber den Modellflug generell als Sport und damit als gemeinnützig anerkennen wollte, wo finde ich da den objektiven Maßstab, den Rennmodellfahrern, die sogar Grands Prix und Weltmeisterschaften austragen, oder den Schiffsmodellenkern das sportliche Motiv und Ziel abzusprechen? Ich nehme an, daß dann auch noch andere wach werden, an die ich im Augenblick noch gar nicht denke. Und besteht wirklich ein Bedarf, meine Damen und Herren, auch noch die nicht gewerbsmäßige Pflanzen- und Kleintierzucht in den Förderkatalog aufzunehmen, wie es der Bundesrat will?
Wir können und dürfen nicht „everybody's darling" sein.
({5})
Wir dürfen im Wahljahr kein Fingerhakeln um Wahlgeschenke zulassen, bei dem der gewinnt, der die stärkeren Bataillone und die stärkeren Präsidenten auf seiner Seite hat. Lieber möchte ich für niedrigere Steuersätze eintreten als für immer neue komplizierte Ausnahmen von der Besteuerung.
Ich vertraue auf die Bereitschaft der Bürger, sich nicht nach und nach jede Freizeitbeschäftigung im Namen eines guten Zweckes für die Allgemeinheit vom Staat honorieren zu lassen. Ich wehre mich gegen eine Entwicklung in eine gemeinnützige Gesellschaft. Dort gehört es dann schließlich zum guten Ton, gemeinnützig, d. h. steuerbegünstigt, tätig zu sein. Die an diesem Spiel Beteiligten wundern sich dann zum Schluß nur darüber, daß niemand etwas von der allgemeinen Gemeinnützigkeit hat, da jeder jedes Gemeinnützigkeit ja finanzieren muß. Die steuerbegünstigte Gemeinnützigkeit muß stets ein Ausnahmefall bleiben.
Anders ist es mit dem Gemeinwohl, dem jeder Bürger verpflichtet ist, auch ohne dafür vom Staat honoriert zu werden. Ich hoffe, dies kann eingesehen werden und wird beim betroffenen Bürger Verständnis finden.
Es verbleibt noch ein wesentlicher Punkt: die Absicht der Bundesregierung, den Abzugssatz für Spenden für kulturelle Zwecke von 5 auf 10 % der Einkünfte zu verdoppeln und die kulturellen Zwecke insofern den wissenschaftlichen und staatspolitischen Zwecken gleichzusetzen, sie aber andererseits von den mildtätigen Zwecken abzukoppeln, deren Abzugsfähigkeit auf 5 % beschränkt bleiben soll. Die FDP wird sich gegen eine solche Regelung nicht sperren, und sie erkennt an, daß die Regelung eine Ermunterung für die kulturelle Szene bedeutet und daß dies auch angemessen ist.
Einige von uns sind jedoch der Meinung, daß eine Hintansetzung der Abzugsfähigkeit der Spenden für mildtätige Zwecke nicht gerechtfertigt sei. Andererseits ist es finanziell nicht machbar, allen jeweils 10 % zuzubilligen. Ich meine aber, es sollte in den Beratungen nochmals darüber nachgedacht werden. Es wäre denkbar, für alle Zwecke einen kumulierten Gesamtabzug von 10 % zuzulassen. Dann kann sich jeder entscheiden, ob und wie er 10 % der Einkünfte als Spenden verteilen will.
({6})
Es könnte sich durchaus auch einmal eine Priorität für „boatpeople" aus Vietnam oder Kambodscha oder für Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan ergeben.
Das Einkommen eines Bundestagsabgeordneten ist kein Geheimnis. Jeder von uns könnte, vereinfacht betrachtet, 9 000 DM für kulturelle, wissenschaftliche oder staatspolitische Zwecke spenden.
Frau Präsident, die rote Lampe leuchtet auf; ich habe 20 Minuten angemeldet.
Herr Kollge, die 20 Minuten sind eigentlich ein bißchen viel gewesen. Die anderen Fraktionen haben alle 15 Minuten bekommen. Aber Sie haben noch etwas Zeit, und wenn Sie sich ein bißchen beeilen, reicht das vielleicht.
({0})
Ich werde mich beeilen. Vielen Dank.
Seiner Partei kann der unverheiratete Kollege nur 600 DM steuerbegünstigt spenden, als ob er nur Einkünfte in Höhe von 6 000 DM im Jahre hätte. Auf Grund dieses Beispiels sollte es jedermann einleuchten, daß etwas mit der Relation im § 7 b des Einkommensteuergesetzes nicht stimmt. Zwar ist uns der Griff in die ganz großen Summen mit Recht und von Rechts wegen verwehrt worden; aber es fragt sich, ob die Parteien ihr Licht derart unter den Scheffel stellen müssen. Schließlich haben sie doch den verfassungsmäßigen Auftrag, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, und dazu möchte ich hiermit auch zu diesem Thema in aller Bescheidenheit beigetragen haben.
({0})
Gestatten Sie mir noch ein abschließendes Wort zu einem durch das Omnibus-Gesetz nicht befriedigten Wunsch. Er kommt weder von der Bundesregierung noch vom Bundesrat noch von der Opposition noch von irgendeinem Verband, nein, er kommt
Schleifenbaum von der Familie Zimmermann, die vielen von Ihnen durch liebenswürdige und einfallsreiche Interventionen zu § 7 b des Einkommensteuergesetzes bekannt ist. Es muß einmal möglich sein, in diesem Hause einen Dialog mit einem einfachen engagierten Bürger fortzusetzen,
({1})
und zwar stellvertretend für viele andere. Ich halte das Anliegen, die in § 7 b des Einkommensteuergesetzes seit anno Tobak festgelegte Frist des 1. Januar 1964 als Vorbedingung für die Inanspruchnahme der Abschreibung für Ausbauten und Erweiterungen von Häusern an die Realitäten anzupassen und eventuell flexibel zu gestalten, im Prinzip für berechtigt. Beim Festhalten an der Frist wird der ursprüngliche Wille des Gesetzgebers immermehr verfremdet. Momentan ist die Sache zu teuer; sie mag 50 Millionen DM kosten. Ich meine, wir sollten die Angelegenheit bei der noch ausstehenden Beratung des § 7 b-Berichts der Bundesregierung noch einmal aufgreifen.
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie im Interesse des Hauses zum Schluß kämen.
Ja, Frau Präsident, ich komme sofort zum Schluß.
Vielen Dank, Familie Zimmermann, für die sinnvolle Anregung, für ihr Verständnis dafür, daß nicht alles auf einmal geregelt werden kann! Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich meine natürlich nicht den verehrten Kollegen Zimmermann in diesem Haus; der wird sich eh' nicht bremsen lassen.
({0})
Das Wort hat Herr Minister Hirsch.
Minister Dr. Hirsch ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schleifenbaum hat soeben gesagt, man könnte nicht everybody's darling sein. Herr Schleifenbaum, die Gefahr ist bei uns beiden denkbar gering.
({1})
Ich will mich auch ganz kurz fassen, um nicht am Ende nobody's darling zu sein.
({2})
- Herr Kollege, Sie haben vollkommen recht. Darum lassen Sie mich zuerst eine Bemerkung machen.
Was den zeitlichen Ablauf der Beratungen anbetrifft, so beraten beide Häuser nebeneinander. Ich habe gebeten, einige ganz kurze Bemerkungen machen zu dürfen, um auch diesem Hause die Gelegenheit zu geben, das, was uns dabei im Bundesrat beschäftigen wird, mit in Ihre Debatte einzubeziehen.
Wir sehen der Novelle wirklich mit großem Interesse entgegen. Wir halten sie für dringend notwendig. Das Wohngeld hat ja zwei Funktionen: Es ist einmal eine Möglichkeit, die Subjektförderung zu verbessern, also ein auf die persönlichen Verhältnisse bezogenes angemessenes Wohnen zu ermöglichen; zum anderen wirkt es in die Objektförderung hinein, weil es dem Bürger ermöglicht, nicht nur im sozialen, sondern auch im freifinanzierten Wohnungsbau an marktgerechtere Mieten heranzukommen. Das ist eine dringende Aufgabe für jeden, der den Wohnungsbau nicht nur im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus fördern will, sondern der auch die Chance für den freifinanzierten Wohnungsbau eröffnen will.
Die Länder plagt insbesondere das Problem der sogenannten Nachsubventionierung, also die Verpflichtung, die gewährten Konditionen für den Wohnungsbau aus sozialen Gründen nachträglich zu verbessern, obwohl doch an sich die Mittel, die wir für die Nachsubventionierung aufbringen, für die Finanzierung von Neubauten bestimmt sind. Die Novellierung des Wohngeldgesetzes ist also notwendig, um uns von der Verpflichtung zur Nachsubventionierung zu entbinden, eine Sache, die inzwischen sieben Bundesländer betroffen hat. Wir in Nordrhein-Westfalen haben mit Rücksicht auf die zu erwartende Novelle den Abbau der Subventionen für ein Jahr angehalten, um die Novellierung dieses Gesetzes abzuwarten.
Ich möchte zur Novelle selbst drei Bemerkungen machen.
Das erste ist, daß das Wohngeldverfahren trotz aller Bemühungen Einsatz der Datenverarbeitung und Ausnutzung aller verwaltungstechnischen Möglichkeiten - immer noch außerordentlich aufwendig ist. Wir geben etwa 9 % der Leistungen für Verwaltungsaufwand aus. Das bedeutet für einen Wohngeldbescheid einen Verwaltungsaufwand von etwa 50 DM. Das ist zu viel. Ein wesentlicher Grund dafür ist die außerordentliche Kompliziertheit des Einkommensbegriffes. Es müßte also ein gemeinsames Ziel sein, das mit dieser Novelle wohl kaum oder nur zu einem Teil zu erreichen ist, den Einkommensbegriff zu vereinfachen.
Zweite Bemerkung. Diese Novelle begünstigt im wesentlichen die Haushalte mit vier oder mehr Personen, während die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte kaum von der Novelle profitieren.
({3})
1978 waren unter den Wohngeldempfängern im Bundesgebiet 933 000 Ein-Personen-Haushalte, 60 aller Wohngeldempfänger. Die Zahl der Zwei-Personen-Haushalte betrug 268 000; das sind rund 17 der Wohngeldempfänger. Daraus ergibt sich, daß sich etwa 77 % aller Wohngeldempfänger in der Gruppe der Ein- und Zwei-Familien-Haushalte befinden, die sich zu über 90 % aus Rentnern zusammensetzen.
({4})
Das ist das Hauptproblem, das ich bei diesem Zuschnitt der Novelle sehe.
Minister Dr. Hirsch ({5})
Die Renten sind seit 1978 um 12 % gestiegen. Die Einkommensgrenzen bei den Ein-Personen-Haushalten werden in dieser Novelle um 3,9 % angehoben, bei den Zwei-Personen-Haushalten um knapp 12 %. Wir müssen, so finde ich, bei allen Beschränkungen, die uns das Steuerpaket auferlegt, die Möglichkeit suchen, zu verhindern, daß eine größere Zahl von Rentnern, also gerade von alten und sozial bedürftigen Personen, aus den Grenzen des Wohngeldgesetzes herausfallen.
({6})
Wir werden uns im Bundesrat um eine solche Lösung bemühen und auch einen entsprechenden Antrag im Wohnungsbauausschuß stellen, der am Montag tagt. Ich wäre den Fraktionen dieses Hauses dankbar, wenn sie sich um ähnliche Lösungen bemühten. Wir als Länder greifen dabei nicht ausschließlich in fremde Taschen, weil sich die Länder zu 50 % an den durch das Wohngeldgesetz verursachten Kosten beteiligen.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade mit Sympathie vernommen, daß die Regierungskoalition dem Minister des Landes Nordrhein-Westfalen Beifall geklatscht hat, obwohl in ihrem Gesetzentwurf etwas anderes steht als das, was der Minister besonders begrüßt hat.
({0})
Im übrigen ist es schon bemerkenswert, daß in einer Debatte über einen Initiativgesetzentwurf aus dem Hause ein Vertreter des Bundesrates zuerst das Wort nimmt und nicht abwartet, bis diese Vorlage begründet worden ist. Aber, Herr Minister Dr. Hirsch, wir haben Ihre Ausführungen in der Tat mit Interesse und mit Sympathie für das zur Kenntnis genommen, was Sie zu den Ein- und Zwei-PersonenHaushalten gesagt haben; darauf komme ich gleich noch zurück.
Der jetzt von der SPD/FDP-Regierung vorgelegte Entwurf hat eine richtige Zielsetzung und auch einige vernünftige Schwerpunkte, die wir begrüßen; auch darauf komme ich gleich noch zurück.
Zunächst einige kritische Bemerkungen: Es ist beklagenswert, daß die Bundesregierung - voran Finanzminister Matthöfer und Bundeskanzler Schmidt - genau dort Kürzungen und Streichungen durchgesetzt hat, wo am meisten Bedarf ist, nämlich bei den Rentnern.
({1})
Bei den Rentnerhaushalten wird gespart; die Versprechungen der Vertreter der SPD-Fraktion werden wiederum zurückgenommen. Sie, Herr Kollege Krockert, haben in der „Mieterzeitung" gefordert, daß gerade für die Rentner eine Anpassung notwendig sei, die für die nächsten drei Jahre ausreiche; Herr Kollege Waltemathe hat sich in ähnlicher Weise geäußert. Aber, meine Damen und Herren, genau 280 Millionen DM werden den Rentnern von der Bundesregierung vorenthalten. Denn so viel wäre zusätzlich erforderlich gewesen, um zu einer wirklich spürbaren Entlastung und Anpassung für die Rentner zu gelangen.
({2})
Nach dem Wohngeld- und Mietenbericht leben 77 % der Wohngeldempfänger in Ein- und Zwei-Personen-Haushalten; davon sind rund 90 % Rentnerhaushalte. Und gerade bei den Rentnern will die Bundesregierung jetzt sparen. Diesen - den Rentnern - versagt die Bundesregierung die Anpassung des Wohngeldes an die allgemeine Mieten- und Einkommensentwicklung.
Nach dem Entwurf der FDP/SPD-Koalition werden die Ein-Personen-Haushalte künftig durchschnittlich lediglich 13 DM mehr an Wohngeld erhalten; das sind nicht einmal 7 % Steigerung seit der letzten Angleichung. Das ist eine Erhöhung, die bei der nächsten Rentenerhöhung schon wieder unter den Tisch fällt, also dem Rentner auf Dauer praktisch nichts bringt, obwohl gerade die Rentner die gestiegenen Mietkosten in der letzten Zeit besonders zu spüren bekommen haben.
({3})
Aus dem Mietenbericht geht hervor, wie sehr sich die Mietpreise gerade für Rentnerhaushalte entwikkelt haben.
Sowohl nach dem Mietindex als insbesondere auch angesichts der allgemeinen Preissteigerungen hätten die Rentner eine wirkliche, eine spürbare Anpassung verdient. Das, was ihnen jetzt nach den Ankündigungen und den damit geweckten Erwartungen- als Anpassung verkauft wird, ist nicht mehr als ein Almosen, das nur für ein Jahr reicht, weil es dann von der Mieten- und Einkommensentwicklung eingeholt wird.
({4})
Was die Rentnerhaushalte künftig bekommen werden, ist eben keine echte Anpassung. Gerade unsere Rentnerhaushalte haben ja nicht nur unter den gestiegenen Mietpreisen, sondern ganz besonders auch unter den enormen Heizungs- und Warmwasserkosten zu leiden, die in den Mietindex nicht aufgenommen sind. Wie sehr diese Preise in den letzten Wochen und Monaten gestiegen sind, wissen wir alle.
Viele Rentner kommen auch nicht in den Genuß eines Heizölkostenzuschusses, weil wir in diesem Gesetz nur relativ niedrige Einkommensgrenzen festgelegt haben.
Das Ergebnis ist also für unsere Rentner nicht nur mager, sondern unzumutbar.
({5})
Nach den Ankündigungen und Versprechungen
werden sie jetzt erneut enttäuscht. Viele werden
weiter auf Sozialhilfe angewiesen bleiben, die ja bekanntlich von den Gemeinden zu zahlen ist. Die Bundesregierung und die Koalition machen wieder einmal Politik zu Lasten der Rentner und auf Kosten der Gemeinden.
({6})
Ein zweiter Nachteil des vorliegenden Entwurfs ist auch darin zu sehen, daß die Bundesregierung und die Koalition erneut keinen Vorschlag für die Wohngeldempfänger in den Ballungsrandzonen unterbreiten. In den Ballungsrandzonen sind die Wohnungsmieten häufig höher als im Ballungskern. Nach dem Wohngeldgesetz bekommen diese Mieter aber ein geringeres Wohngeld als die Mieter in den Ballungskernen. Es ist zu bedauern, daß dieses Thema ebenso wie die Frage der Abgrenzung des Wohngelds zur Sozialhilfe nicht neu geregelt wird.
Nach diesen kritischen Anmerkungen zum Entwurf einige positive Bemerkungen.
Erstens. Wir begrüßen die gezielte Verbesserung der Wohngeldleistungen für Familien mit zwei und mehr Kindern. Die Koalition und die Bundesregierung kommen hier mit dreijähriger Verspätung auf einen Vorschlag zurück, den wir von der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion schon bei der Beratung der vierten Wohngeldnovelle hier im Bundestag eingebracht haben.
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Es ist interessant, mit welcher Begründung damals unser Antrag abgelehnt worden ist. Sowohl der damalige Bundesbauminister Ravens als auch der Sprecher der SPD haben unseren Antrag mit dem Hinweis abgelehnt, daß die Verbesserungen für die Familien nur auf Kosten der Rentner möglich seien. Unser damaliger Vorschlag zur Verbesserung des Wohngeldes für Familien mit Kindern hätte bei den Rentnern zu Kürzungen von sage und schreibe nur 20 Millionen DM geführt. Die jetzt von der Bundesregierung . vorgenommenen Kürzungen zu Lasten der Rentner belaufen sich aber auf 280 Millionen DM. Sie von der Koalition machen diese Politik zu Lasten der Rentner entgegen Ihren Ankündigungen sich zu eigen und beugen sich der Regierung.
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Zweitens. Wir begrüßen die Anhebung der Freibeträge für Heimkehrer, für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, für Vertriebene und Flüchtlinge und insbesondere für die Aussiedler.
Drittens. Wir begrüßen weiter, daß in diesem vom Bundesbauministerium formulierten Gesetzentwurf ein ernsthafter Versuch zur Verwaltungsvereinfachung unternommen wird. Insofern unterstützen wir Sie, Herr Minister Hirsch, auch in. dieser Beziehung. Diese Vorschläge insbesondere zur Vereinfachung der Einkommensermittlung scheinen uns Erleichterungen für die Verwaltung zu bringen und das Wohngeldverfahren zu beschleunigen.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind aber noch folgende Fragen offen, die wir in den Ausschußberatungen zu diskutieren haben.
Erstens. Die Beseitigung von Unstimmigkeiten bei der Berechnung des Wohngeldes nach Ausdehnung oder Erweiterung von Wohnraum.
Zweitens. Bei der auch von uns begrüßten Einführung von Freibeträgen für mitverdienende Kinder wird zu prüfen sein, ob nicht alle Einkunftsarten berücksichtigt werden sollen.
Drittens. Wir werden uns noch darüber zu unterhalten haben, ob die Neuregelung der Einkommensermittlung nicht erst mit Wirkung vom 1. Januar 1981, sondern schon zum 1. Oktober 1980 in Kraft treten sollte. Eine solche Verbesserung könnte gerade für Rentner eine wünschenswerte Verbesserung des Wohngeldes zur Folge haben.
Viertens. Wir sind auch bereit, Herr Kollege Waltemathe, darüber zu sprechen, ob durch die Gewährung eines Umzugskostenzuschusses die Mobilität von Mietern gefördert werden kann.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist bereit, diese Gesetzesnovelle in aller Zügigkeit zu beraten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Waltemathe.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich eben teilweise gefragt, ob der Bundestagsabgeordnete Dr. Möller oder der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises für den „Rhein-Sieg-Anzeiger" gesprochen hat, soweit es das örtliche Problem anlangte.
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Ich möchte zu drei Aspekten der Wohngeldnovelle Stellung nehmen.
Das erste ist die Frage des Stellenwerts des Wohngelds im Rahmen der öffentlichen Wohnungsbauförderung. Bei der aktuellen wohnungspolitischen Diskussion über Engpässe der Wohnungsversorgung auf regionaler Ebene, die sich besonders in Großstädten wieder breitmachen, ist es erforderlich, etwas darüber auszusagen, was jedenfalls aus unserer Sicht Wohngeldzuschüsse bewirken sollen und was sie nicht bewirken können.
Sozialpolitisch halten wir Sozialdemokraten das Wohngeld für eine der sinnvollsten und gerechtesten Subventionen, weil dabei staatliche Mittel wirklich und kontrollierbar dorthin gelangen, wo sie benötigt werden. Wohnungspolitisch ist das Wohngeld ein Instrument, mit dem auch minderbegüterte Haushalte nicht über einen angemessenen und zumutbaren Eigenanteil hinaus an den Wohnkosten beteiligt werden. Damit ist die Aufgabenstellung klar umrissen. Das Wohngeld soll das Wohnen in ausreichend großen und ausreichend ausgestatteten Wohnungen wirtschaftlich möglich machen.
Der Mieten- und Wohngeldbericht, der uns zugegangen ist, zeigt, daß die Haushalte aller Wohngeldempfänger im Durchschnitt mit rund 15 % des BrutWaltemathe
tofamilieneinkommens bzw. knapp 24% des Nettofamilieneinkommens aus eigenen Mitteln zu ihrer Wohnversorgung beitragen. Das heißt, Wohngeld gleicht darüber hinausgehende Kosten aus. Das bedeutet, daß nach wie vor jener Satz gilt, den ich, aber auch viele andere, die aus Arbeiterhaushalten kommen, von früher her kennen: Der Inhalt einer Wochenlohntüte ist für die Miete zu kalkulieren. Mehr ist auch heute nicht zumutbar, besonders bei dem Steigen anderer Kosten, die mit der Wohnung zusammenhängen, z. B. Strom-, Heizungs-, Wasser- und Bewirtschaftungskosten.
Was Wohngeld aber nicht zu leisten vermag und wofür es nicht in erster Linie gedacht ist, ist dies: Das Wohngeld kann die öffentliche Förderung des Baus von Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und Familieneigenheimen, die sogenannte Objektförderung, nicht ersetzen, sondern die hier trotz staatlicher Subvention verbleibenden Wohnkosten allenfalls im Einzelfall angemessen mindern.
Die CDU/CSU muß sich entscheiden, ob sie der ursprünglichen These des Herrn Professors Biedenkopf folgen will, wonach sozialer Wohnungsbau überhaupt keine Aufgabe mehr hat, oder ob es zutrifft, wenn Herr Köppler jetzt - anscheinend im Rahmen des nordrhein-westfälischen Wahlkampfs - angeblich im Einvernehmen mit Herrn Biedenkopf
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genau das Gegenteil behauptet,
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daß nämlich eine Garantie für die Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus auch bei einer CDU-Landesregierung übernommen würde.
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Sie müssen sich klar äußern, was denn nun eigentlich gelten soll.
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Die Wohngeldgesetzgebung kann keine Versorgungsengpässe auf den Wohnungsmärkten lösen. Wohngeld kann auch nicht privaten Vermietern eine kostendeckende oder gewinnbringende Miete garantieren. Wohngeld ist keine Subvention an Vermieter, sondern eine individuelle Hilfe an Wohnparteien.
Schließlich: Das Wohngeld kann zwar dazu beitragen, daß im Althausbestand Wohnungsmodernisierungen nicht zu einer Verdrängung der ansässigen Mieter führen, indem die höheren Kosten teilweise aufgefangen werden können. Gleichwohl bleibt es erforderlich, auch die Modernisierung selbst öffentlich zu fördern.
Der zweite Aspekt ist der Inhalt der eingebrachten Novelle. Wir bekennen uns dazu, daß im Wohngeldrecht zwar keine automatische Dynamisierung der geltenden Tabellen von Jahr zu Jahr stattfindet, daß aber die Obergrenzen von Einkommen und Wohnkosten von Zeit zu Zeit an die Entwicklung anzupassen sind. Denn ohne eine solche Anpassung würde bei nominal steigenden Einkommen real Wohnkaufkraft verlorengehen. Anders ausgedrückt: Das Verhältnis zwischen dem verfügbaren Einkommen und der Belastung durch Wohnkosten würde sich zuungunsten der sozial Schwächeren verschieben.
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Die Sozialdemokraten bekennen sich darüber hinaus dazu, daß die innere Struktur der Wohngeldgesetzgebung zugunsten der größeren Haushalte verbessert werden muß, die nach wie vor in zu kleinen Wohnungen leben und deren Kinder nach wie vor schon wegen der Enge ihres Zuhauses ungünstigere Entfaltungsmöglichkeiten haben. Deshalb haben wir zusammen mit den Freien Demokraten rechtzeitig Schritte überlegt und unternommen, um Familien ab vier Personen mehr Chancen auf dem Wohnungsmarkt zu verschaffen und das Wohnen in ausreichend großen Wohnungen finanziell zu ermöglichen.
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Wir begrüßen es, daß unsere Vorarbeiten fast vollständig in die Vorstellungen Eingang gefunden haben, die das Kabinett für eine Novellierung des Wohngeldrechts entwickelt hat. Es geht um Einkommensgrenzen, die die Familiengröße besser berücksichtigen, sowie um eine die Familiengröße besser berücksichtigende und kinderfreundlichere Lösung der Wohnkostenhöchstbeträge, die anerkannt werden können, damit sich auch größere Familien mehr Zimmer als bisher leisten können. Weiter geht es um eine Berücksichtigung der besonderen Belastungen, die eine sogenannte unvollständige Familie mit einem alleinerziehenden Elternteil ohnehin hat, durch einen besonderen Einkommensfreibetrag. Ich nenne die Belassung zumindest eines Taschengeldes bei dem mitverdienenden oder in Ausbildung befindlichen Kind in Form eines Einkommensfreibetrags sowie die einkommensmindernde Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen beim Zahlungspflichtigen.
Diese Maßnahmen zusammen lohnen bereits eine Novelle, weil sie zu größerer sozialer Gerechtigkeit führen werden. Kinder- und Familienfreundlichkeit, über die gestern hier debattiert worden ist, muß, sowie sie überhaupt mit materiellen Dingen zusammenhängt, nicht nur dadurch praktisch dokumentiert werden, daß man sich immer neue und schönere Maßnahmen einfallen läßt. Der Gesetzgeber kann Kinder- und Familienfreundlichkeit auch dadurch beweisen, daß er bewährte Instrumente wie das des Wohngeldes so weiterentwickelt, daß sie auf die konkrete Familiensituation anwendbar sind.
({7})
Im übrigen können die vorgeschlagenen Maßnahmen einen zusätzlichen Beitrag dazu leisten, daß
sich einkommensschwächere Familien, die das wollen, ihren Wunsch nach Wohneigentum leichter erfüllen können.
Der dritte Aspekt ist die finanzpolitische Komponente, die es zweifellos gibt und die natürlich zu Konsequenzen führt. Einerseits sinken die Wohngeldausgaben durch eine Dynamisierung nach unten von Jahr zu Jahr um etwa 120 Millionen DM, Bund und Länder zusammengenommen. Sie würden also auch weiterhin sinken, wenn keine Anpassung der Einkommens- und der Wohnkostengrenzen erfolgte. Andererseits stoßen Anpassungen der Tabellen auf haushaltsmäßige Grenzen im Bund und in den Ländern. Von diesen Grenzen können wir ein Lied singen. Es ist also nicht so, daß die Bundestagsfraktionen von SPD und FDP im Herbst 1979 gemeint hätten, die höchsten Beträge seien gerade gut genug. Eine vollständige Anpassung und Weiterentwicklung des geltendem Rechts und die Einführung der geschilderten strukturellen Besserstellung von Haushalten von vier und mehr Personen hätten mehr Geld gekostet als die jetzt vorgelegte Novelle; da gibt es keinen Zweifel.
({8})
Die Situation ist nämlich folgende. Für Haushalte ab vier Personen werden die vorgeschlagenen Verbesserungen zusammengenommen etwa einen Betrag von knapp 390 Millionen DM - gemeinsam bei Bund und Ländern - im Jahre 1982 zusätzlich erfordern. Stehen dann für die Verbesserung insgesamt aber nur 600 Millionen DM zur Verfügung, so ist der Rest von 210 Millionen DM logischerweise auf rund drei Viertel aller Haushalte, nämlich auf die Ein-, Zwei- und Drei-Personen-Haushalte, zu verteilen. Hier kann es also allenfalls um eine Erhaltung der Wohnkaufkraft gehen; diese ist allerdings erreichbar.
Wer für die Ein-, Zwei- und Drei-Personen-Haushalte mehr erreichen will, muß sagen, woher er zusätzliche Mittel durch Einsparungen an anderen Stellen bekommen will.
({9})
- Ich kann keine Zwischenfrage zulassen, weil meine Redezeit abläuft.
Wir haben gern vernommen, daß Sie, Herr Minister Hirsch, an die Fraktionen appelliert haben. Der Appell an die SPD-Fraktion fällt auf jeden Fall auf fruchtbaren Boden. Wir hoffen, es gelingt uns, durch Überlegung herauszufinden - selbstverständlich mit unserem Koalitionspartner -,
({10})
wie es ermöglicht werden kann, aus den Haushalten, von denen ich gerade sprach, eine noch etwas bessere Finanzmasse für die Wohngeldgesetzgebung zu bekommen. Das ist nur möglich, wenn wir das Steuerentlastungspaket, das hier ebenfalls debattiert worden ist, nicht etwa in der Substanz verändern, sondern uns gewisse Umverteilungen überlegen. Vielleicht gelingt es uns, während der Ausschußberatungen noch etwas für die Wohngeldempfänger zu tun.
Eines können wir allerdings schon jetzt mit aller Deutlichkeit sagen:
({11})
Das Gesetz bleibt nicht so, wie es ist; wir werden durch geeignete Maßnahmen Vorsorge dafür treffen, daß das Folgegesetz zum 21. Rentenanpassungsgesetz, das ja durch Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags zu einer scheinbaren Einkommensverbesserung für Rentner ab 1982 führen würde, für die Rentner keine Belastungen bringt, sondern sozusagen wohngeldneutral ist. Diese Einkommenserhöhung ist ja nicht echt und darf daher auch nicht wohngeldmindernd wirken.
Im übrigen werden wir durch zügige Beratungen in den Ausschüssen dafür Sorge tragen, daß eine endgültige Verabschiedung der sechsten Wohngeldnovelle bis Jahresmitte erfolgt und das Gesetz damit, wie vorgesehen, am 1. Januar 1981 in Kraft treten kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegt mir daran, am Ende dieser Debatte deutlich zu machen, was es mit dem Vorbehalt auf sich hat, den die FDP zu den Steuerbeschlüssen erklärt hat. Ich tue dies in Absprache mit meinem Parteivorsitzenden und Außenminister.
Parlamentarische Initiativen sollen gemeinhin zum Erfolg führen. Wie die Bundesregierung gehen deshalb auch die Koalitionsfraktionen davon aus, daß diese Gesetzesvorlagen möglichst wie vorgesehen verwirklicht werden. Ebenso wie die Bundesregierung kann aber auch die Fraktion der Freien Demokratischen Partei finanzwirtschaftliche Rückwirkungen aus der Entwicklung der internationalen Lage nicht ausschließen, dies um so weniger, als solche Risiken voll zu Lasten des Bundeshaushalts gehen. Dies ist der Grund, warum die Freien Demokraten erklärt haben, daß Einschränkungen des Volumens des Steuerpakets dann in Erwägung gezogen werden müssen, wenn Leistungen, die ihre Ursache im wesentlichen in der internationalen Entwicklung haben, nur so ausgeglichen werden können.
Es ist zwar richtig, daß es keine neuen Tatsachen gibt, die es rechtfertigen würden, über den Umfang des Steuerentlastungspakets grundlegend neu zu beraten. Tatsache ist aber auch, daß die in Mark und Pfennig auszudrückenden finanziellen Konsequenzen aus diesen Fakten bis heute noch nicht auf dem Tisch liegen. Angesichts dieser Unklarheit kommt es jetzt für das Parlament darauf an, das Ausmaß der von allen Parteien gewollten Steuererleichterungen für den Bürger gegen die Haushaltsrisiken sorgfältig abzuwägen.
Gewiß ist das Programm zur Steuerentlastung und Familienförderung ein mutiges Programm; aber
Mut allein genügt nicht. Die isolierte Betrachtung nur eines Aspekts der Politik, und mag er noch so bedeutsam sein wie das Steuerpaket 1981 /82, verbietet sich angesichts der vom Bundesfinanzminister mit seinem Schreiben vom 31. Januar 1980 ausgebreiteten Überlegungen von selbst. Wenn sich der Herr Finanzminister, wie er es heute hier noch einmal dargetan hat, bei der Aufstellung des nächsten Haushalts vor enorme Schwierigkeiten gestellt sieht und stärkste Bedenken gegen eine noch höhere Kreditfinanzierung anmeldet, dann muß die Entscheidung über Struktur und Umfang des Pakets in die finanzielle Gesamtlage eingebettet bleiben.
({0})
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten sind deshalb der Meinung, daß die Steuerentlastung nicht zu einer Gleichung mit drei Unbekannten werden darf. Unbekannt ist die Höhe der auf den Haushalt zulaufenden Mehrausgaben aus internationaler Verpflichtung. Unbekannt ist, in welchem Umfang eine solche Mehrbelastung des Haushalts durch eine Umsatzsteuerneuverteilung zwischen Bund und Ländern ausgeglichen werden kann. Unbekannt sind außerdem die Veränderungen auf der Einnahmeseite des Haushalts, die erst die neue Steuerschätzung offenkundig machen wird.
Das Parlament darf sich deshalb seiner gesamtpolitischen Verantwortung nicht entziehen. Niemand wird sich die Peinlichkeit leisten wollen, morgen eine steuerpolitische Entscheidung von heute als Irrtum entschuldigen zu müssen. Für raffiniert inszenierte taktische Spiele ist in dieser schwierigen Phase internationaler und nationaler Politik kein Platz. Die Bevölkerung ist hellhörig geworden und will wissen, woran sie ist. Dabei ist den Bürgern sehr klar, daß zusätzliche Belastungen von der Bundesrepublik Deutschland übernommen werden müßten. Die Bürger wissen, daß dies auch für sie Einschränkungen und Abstriche bedeutet.
({1})
Die Zielkonflikte, die sich auftun, gilt es von uns zu lösen. Keine der anstehenden Entscheidungen darf präjudiziert werden. Wir müssen unbefangen über die Kürzung von beschlossenen Ausgaben, über den Abbau von Subventionen und über die Neuverteilung der Finanzmasse reden. Nur die Flucht in eine unvertretbare Ausweitung der Staatsverschuldung darf es unter keinen Umständen geben.
({2})
Deshalb bin ich dem Finanzminister dankbar für seine heute hier abgegebene eindeutige Erklärung gerade zu diesem Punkt.
Aber weil das so ist, muß auch das heute behandelte Steuerpaket auf seine Finanzierbarkeit hin abgeklopft werden. Alle Parteien sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß wir die politische Handlungsfähigkeit erhalten. Deshalb, so glaube ich, müssen wir gemeinsam so handeln, daß wir unser Vertrauenskapital beim Bürger nicht verspielen.
Es wird sich zeigen, ob die Angebote der Opposition zur Zusammenarbeit und zum Kompromiß ernst gemeint sind
({3})
oder ob wir es nur mit werbenden Sprüchen zu tun haben. Die Nagelprobe kommt bald.
({4})
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Haack.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ganz kurz zum Wohngeldentwurf zurückkommen, der im Zusammenhang mit dem Steuerpaket zu sehen ist, und auch einige Bemerkungen zu diesem wichtigen Gesetzentwurf aus der Sicht der Bundesregierung machen.
Ich möchte zuerst darauf hinweisen, daß der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf an die vierte Wohngeldnovelle anschließt, die wir damals in der Regierungserklärung vom Dezember 1976 angekündigt hatten und gleich im Jahre 1977 beschlossen hatten. Sie konnte dann mit Wirkung vom 1. Januar 1978 in Kraft treten. Ich glaube, in der wohnungs- und städtebaupolitischen Bilanz dieser Legislaturperiode spielt die vierte Wohngeldnovelle eine ganz wichtige Rolle. Im Jahre 1979, also im Jahr der vollen Wirksamkeit dieser vierten Novelle, betrugen die Wohngeldausgaben von Bund und Ländern zusammen über 1,8 Milliarden DM. Ein so hohes Leistungsniveau wurde in keinem der Vorjahre erreicht. Im Vergleich zu 1977, dem letzten Jahr vor der Anpassung, sind die Wohngeldleistungen damit um nahezu 26% gestiegen. Die Zahl der Wohngeldempfänger hat sich 1978 auf 1,7 Millionen Haushalte erhöht gegenüber rund 1,6 Millionen im Jahre 1977. Ich könnte mir vorstellen, daß es sogar noch mehr Wohngeldempfänger gewesen wären, wenn die Informationen, um die sich Bund, Länder und auch Gemeinden gemeinsam bemühen, bei jedem angekommen wären. Wir stehen hier nach wir vor vor einem Informationsproblem. Sie werden es wissen, Herr Kollege Möller, auch aus Ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit. Ich kann nur an alle appellieren, sich dieser Informationspflicht zu unterziehen. Das Wohngeld ist nämlich keine Sozialhilfe, sondern ein Teil unserer staatlichen Wohnungspolitik.
Ich darf, weil das im Zusammenhang mit diesem neuen Gesetzentwurf eine Rolle spielt, noch bemerken, daß gerade bei der letzten Wohngeldverbesserung Haushalte mit ein und zwei Personen, insbesondere Rentner, begünstigt worden sind. Die Befürchtung, daß die Herabsetzung des ursprünglich einheitlichen pauschalen Abzugs vom Jahreseinkommen von 30 % auf 150/o für Nichterwerbstätige zusammen mit den eingetretenen Rentenerhöhungen dazu führen würde, daß sich die Wohngeldzah16534
lungen an Rentner verringern, hat sich als unbegründet erwiesen.
({0})
- Darauf komme ich gleich.
Entscheidend für den vorliegenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, den wir heute beraten und der sich mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung deckt, den wir mittlerweile beim Bundesrat eingebracht haben, ist das Bestreben, das Wohngeld noch stärker als bisher als Instrument der Familienpolitik zu nutzen. Ich habe der Debatte entnommen, daß hier völlige Übereinstimmung besteht. Wir wissen alle, daß stärkere staatliche Hilfen als bisher notwendig sind, um es Familien mit Kindern zu ermöglichen, eine familiengerechte Wohnung zu beziehen. Neben der stärkeren Konzentration der Objektförderung des sozialen Wohnungsbaus auf Familien mit Kindern ist die noch stärkere familienpolitische Ausrichtung des Wohngeldes wohl das beste Instrument.
Die familienbezogenen Verbesserungen des Wohngeldes durch die heute eingebrachte Novelle konzentrieren sich - auch darauf darf ich noch einmal hinweisen - gezielt auf Haushalte mit vier und mehr Personen sowie - das ist neu - auf alleinerziehende Väter und Mütter. Die Leistungsverbesserungen für größere Haushalte mit Kindern werden durch überproportionale Erhöhung der Höchstbeträge für die zuschußfähigen Wohnkosten und durch stärkere Anhebung der Wohngeldbeträge in den Tabellen erreicht. Familien wird auch dadurch geholfen, daß mitverdienende Kinder, die noch nicht das 24. Lebensjahr vollendet haben, aber noch in der Elternwohnung wohnen, künftig von ihrem Jahreseinkommen bis zu 2 400 DM absetzen können.
Als Folge dieser Änderungen - wenn sie, was ich glaube, im familienpolitischen Teil so beschlossen werden - werden sich die Wohngeldleistungen im Schnitt - und eine so große Verbesserung hatten wir bisher noch nie - bei Haushalten mit vier Personen um etwa 76 DM im Monat, bei Haushalten mit fünf Personen um 85 DM und bei Haushalten mit sechs und mehr Personen um über 100 DM erhöhen. Das sind natürlich, wie gesagt, Durchschnittssätze. Bekanntlich muß in jedem Einzelfall nach der Miethöhe, nach dem Einkommen und nach der Haushaltsgröße geprüft werden, welcher Satz zur Verfügung steht. Aber diese Durchschnittszahlen zeigen eben die wesentlich familienpolitische Ausrichtung dieses Gesetzentwurfs.
({1})
Das wird allgemein begrüßt, und das sollten wir hier auch als wesentliche Verbesserung festhalten.. Das gilt im übrigen auch für die eben schon erwähnte Verbesserung für alleinerziehende Väter und Mütter, für eine Gruppe, die in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig ist.
Nun kommt der entscheidende Punkt: Wegen dieser familienpolitischen Ausrichtungen des Wohngelds, die im Rahmen dieses Steuerpakets die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen sozusagen noch zusätzlich ergänzen sollen, kann im Rahmen des verfügbaren Finanzvolumens das Wohngeld für kleine Haushalte zunächst nur in dem unabweisbaren Umfang angepaßt werden. Haushalte mit ein bis drei Personen sollen bei Bewilligungen im Jahre 1981 auf der Basis des hier diskutierten Entwurfs im Durchschnitt zwischen 13 und 33 DM mehr Wohngeld erhalten. Das heißt konkret, der Gesetzentwurf geht für das Jahr der vollen Wirksamkeit, 1982, von einem Finanzvolumen für die Wohngeldverbesserung von 300 Millionen DM beim Bund und 300 Millionen DM bei den Ländern - sprich, von 600 Millionen DM - aus. Da er auf die familienpolitische Ausrichtung einen Schwerpunkt gesetzt hat, bleiben etwa 220 Millionen DM jährlich für Verbesserungen bei Ein- und Zweipersonenhaushalten übrig.
Nun muß ich mich allerdings gegen eine Äußerung von Ihnen, Herr Kollege Möller, wenden. Sie haben hier vorhin in Ihrem kurzen Beitrag davon gesprochen, hier seien bei den Rentnern Kürzungen in einer Größenordnung von 260 Millionen DM vorgesehen. So kann natürlich nicht diskutiert werden! Hier sind überhaupt keine Kürzungen vorgesehen;
({2})
hier sind zunächst einmal wesentliche Verbesserungen vorgesehen,
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in erster Linie familienpolitische, aber darüber hinaus - auch für die Rentner - solche in einer Größenordnung von 220 Millionen DM. Sie können doch nicht sagen: Es wäre wünschenswert, daß noch 100 oder 150 Millionen DM mehr ausgegeben werden, und da das zunächst nicht geschieht, handelt es sich um eine Kürzung. - Dadurch entsteht doch draußen in der Offentlichkeit ein völlig falscher Eindruck:
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0})?
Wenn ich mit dem Satz zu Ende bin; dann läßt sich vielleicht auch leichter zwischenfragen. Ich lasse also die Zwischenfrage gleich zu.
Hier geht es um einen Gesetzentwurf mit einer Verbesserung gegenüber der jetzigen Regelung mit einem Finanzvolumen von 600 Millionen DM! Selbst in diesem Rahmen gibt es für die Ein- und Zweipersonenhaushalte - sprich: im wesentlichen für die Rentnerhaushalte - noch eine Verbesserung um 220 Millionen DM. Natürlich kann man, wie Herr Hirsch oder Herr Waltemathe das getan haben, darüber sprechen, ob es innerhalb des Gesamtpakets noch zu einer weiteren Verteilung kommt. Aber ich stelle auf der Basis dieses Entwurfs fest: Eine wesentliche Verbesserung um 600 Millionen DM, und selbst dabei bleiben für die Rentner 220 Millionen
DM übrig. Es ist nicht richtig, hier zu sagen, es gehe um eine Kürzung.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß in der Bundestagsfraktion der SPD ein völlig anderer Entwurf mit einem größeren Ausgabevolumen diskutiert und beschlossen worden ist, und warum ist nicht vorher abgeklärt worden, was finanziell machbar ist?
({0})
Daß ich das zugebe, ist klar. Außerdem wußten Sie es schon vorher; Sie waren davon auch unterrichtet worden. Es ist ganz selbstverständlich, daß, rein wohnungspolitisch gesehen, weitergehende Vorschläge diskutiert worden sind und daß ich als Wohnungsbauminister ein größeres Volumen für dieses Wohngeld begrüßen würde.
Aber, Herr Kollege Jahn, mir kommen diese Fragen gerade aus Ihrer Richtung ganz eigenartig vor. Sie haben heute durch Herrn Häfele doch auch ein Steuerpaket vorgelegt. Aber in Ihrem Steuerpaket ist nicht einmal eine Mark für Wohngeld drin.
({0})
Und jetzt sagen Sie, daß bei unserem Ansatz von 600 Millionen DM Rentner- und andere Haushalte benachteiligt würden! Legen Sie doch auch erst einmal einen Gesetzentwurf über Wohngeld vor. Dann könnten wir sinnvoller diskutieren. Daß jemand, der Null vorschlägt, jemandem, der 600 Millionen DM mehr ausgeben will, sagt, er kürze woanders um 220 Millionen DM, habe ich in der bisherigen Diskussion noch nie gehört. Das ist offensichtlich auch eine neue _Dimension.
({1})
Ich darf hier noch eine weitere Bemerkung machen, um es im Zusammenhang zu sagen: Mittlerweile hat die Bundesregierung unabhängig von diesem Gesetzentwurf eine fünfte Novelle zum Wohngeldgesetz vorgelegt, die in die Richtung zielt, die Herr Minister Hirsch mit Recht angesprochen hat, Verwaltungsvereinfachung und vor allem auch Rechtsbereinigung. Der Bundesrat hat diese Novelle bereits in erster Lesung beraten. Das heißt, daß der Anwendungsbereich des Wohngeldgesetzes und der Regelungen über die Mietbeihilfe für Wehrpflichtige nach dem Unterhaltssicherungsgesetz sowie des Rechts der Ausbildungsförderung in Zukunft abgegrenzt werden. Wir kommen von daher auch zu einer Verwaltungsvereinfachung.
Ich meine, daß wir - bei all den Fragen, die hier noch offen sind - erkennen müssen, daß das Wohngeld nach wie vor in unserer Wohnungspolitik einen wichtigen Stellenwert hat. Wir müssen auch erkennen - das sage ich gerade auch im Blick auf die aktuelle wohnungspolitische Diskussion in unserem Lande -, daß wir weiterhin auf mehreren Gleisen fahren müssen, d. h. daß wir in Zukunft sowohl eine Subjektförderung - Wohngeld - als auch noch für längere Zeit eine Objektförderung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus haben müssen, weil wir in manchen Regionen übersetzte Nachfrage haben, wie wir alle wissen, und wir nach wie vor Gruppen in unserer Bevölkerung haben, die öffentlicher Hilfe bedürfen.
Ich begrüße es sehr, daß der Deutsche Städtetag in dieser Woche in München eine wohnungspolitische Fachkonferenz abgehalten hat, wo der Deutsche Städtetag ganz deutlich auch die finanzielle Verantwortung der deutschen Städte und Gemeinden für die Wohnungspolitik unterstrichen hat und wo sogar der Präsident des Deutschen Städtetages kritisch, an die Kommunen gewandt, gesagt hat: Ihr müßt auch im Rahmen der euch zur Verfügung stehenden Finanzmassen nicht nur spezielle, bisher übliche kommunale Investitionen vornehmen - es war von Opernhäusern und ähnlichem die Rede -, sondern ihr müßt euch ganz engagiert auch hier in der Wohnungspolitik betätigen.
({2})
Wenn das gemacht wird und wenn wir weiterhin Wohnungsbau als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ansehen, wenn wir das Wohngeld als wichtiges Instrument ansehen, glaube ich, kommen wir ein weiteres gutes Stück voran, um die wichtigen Probleme des Wohnungsbaus in unserem Lande zu lösen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen die Überweisung der Gesetzentwürfe - Punkt 29 bis 35 der Tagesordnung -, wie aus der Tagesordnung ersichtlich, vor. - Dagegen erhebt sich offensichtlich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 36 der Tagesordnung, Durchführung des Umsatzsteuergesetzes 1979. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/3345 für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer Beratungen.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung für Mittwoch, den 19. März, 12 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.