Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zwei Mitteilungen zu machen.
Erstens. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 11. Februar 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung durch die Bundesregierung betreffend Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1979 zur Harmonisierung der Umsatzsteuersätze - Drucksache 8/3606 zuständig: Finanzausschuß
4. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Berichtszeitraum 1978/79 - Drucksache 8/3591 zuständig:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Wohngeld- und Mietenbericht 1979 - Drucksache 8/3528 - zuständig:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0}) Haushaltsausschuß
Rheumabericht der Bundesregierung - Drucksachen 8/3625, 8/3693 zuständig:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der ostdeutschen Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1976, 1977 und 1978 - Drucksache 8/3563 zuständig:
Innenausschuß ({2})
Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Die zweite Mitteilung: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung um den Zusatzpunkt Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 8/873, 8/2987, 8/3005 - ergänzt.
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf und die Beschlußempfehlung an den federführenden Innenausschuß zurückzuverweisen.
Ist das Haus auch damit einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Bundesminister für Forschung und Technologie haben mit Schreiben vom 7. Februar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Probst, Dr. Köhler ({3}), Lenzer, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Spilker und der Fraktion der CDU/CSU betr. Technologien für Entwicklungsländer - Drucksache 8/3593 - beantwortet. Ihr Schreiben wird als Drucksache 8/3652 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 13. Februar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Unland, Frau Dr. Riede ({4}), Niegel, Dr. Hammans, Lampersbach, Frau Dr. Neumeister, Hasinger, Frau Karwatzki, Kroll-Schlüter, Frau Männle, Dr. Kunz ({5}), Regenspurger, Kiechle, Hartmann, Dr. Jobst, Frau Krone-Appuhn, Dr. Waigel, Sauter ({6}), Susset, Spranger, Höpfinger, Spilker, Picard, Gerstein, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Mindesthaltbarkeitsdatum für Bier nach der EG-Lebensmittelkennzeichnungsrichtlinie - Drucksache 8/3617 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3672 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 13. Februar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rühe, Dr. Köhler ({7}), Broll, Dr. Hornhues, Pfeifer, Frau Benedix-Engler, Daweke, Prangenberg, Frau Dr. Wilms, Dr. Sprung, Werner, de Terra, Dr. Hubrig, Picard, Benz, Dr. Stercken, Kunz ({8}), Lampersbach und der Fraktion der CDU/CSU betr. Wirtschaftliche Lage der deutschen Zirkusunternehmen - Drucksache 8/3626 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3679 verteilt.
Der Chef des Bundeskanzleramtes hat mit Schreiben vom 19. Februar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Erhard ({9}), Spranger, Dr. Miltner, Volmer, Krey, Dr. Laufs, Regenspurger, Biechele, Dr. Jentsch ({10}), Dr. Bötsch, Dr. Wittmann ({11}), Dr. Klein ({12}), Dr. Stark ({13}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten mit dem Magazin "Stern" - Drucksache 8/3618 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3693 verteilt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/3692 Zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz: Der Herr Abgeordnete Wüster bittet, seine Fragen 102 und 103 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Simpfendörfer auf:
Präsident Stücklen
Hält die Bundesregierung die Einführung der von der EG-Kommission vorgeschlagenen „Superabgabe" oder ähnlicher Quotensysteme zur Drosselung des Anstiegs derMilchproduktion schon bei den diesjährigen Agrarpreisverhandlungen für wahrscheinlich, und wie beurteilt sie die Interessengegensätze der EG-Staaten in diesem Zusammenhang?
Herr Präsident, ich würde wegen des Sachzusammenhangs die beiden Fragen gern zusammen beantworten.
Einverstanden?
({0})
Ich rufe daher auch die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Simpfendörfer auf:
Ist die Bundesregierung für den Fall, daß eine Einigung über die genannten Maßnahmen zur Mengenregulierung nicht zustandekommt, bereit, im Rahmen eines Maßnahmebündels für eine durchgreifende Verbesserung der bisherigen Nichtvermarktungsprämien einzutreten, und würde sie dann den in Agra-Europe, Nummer 3/80, vorgeschlagenen Satz von 0,25 DM je Kilogramm nicht vermarkteter Milch als mittlere Orientierungsmarke für ein wirksames Prämiensystem befürworten?
Herr Kollege, zusammen mit den Vorschlägen für die Marktordnungspreise für das Wirtschaftsjahr 1980/81 hat- die Kommission ihre Vorschläge zu einer Sonderabgabe der Molkereien in überarbeiteter Fassung vorgelegt. In den Stellungnahmen von verschiedener Seite ist die Problematik einer derartigen Regelung dargestellt worden. Bei den bisherigen Verhandlungen in den EG-Gremien hat sich gezeigt, daß verschiedene andere Mitgliedstaaten, vor allem das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Dänemark, eine ablehnende Haltung gegenüber der von der Kommission vorgeschlagenen Sonderabgabe einnehmen.
Ich bitte um Ihr Verständnis, daß ich in diesem frühen Verhandlungsstadium das Ergebnis noch nicht voraussagen kann und möchte. Das gilt auch hinsichtlich Ihrer Frage zu den Prämien für die Nichtvermarktung und Umstellung. Hierzu verweise ich auch auf meine Antwort auf Ihre Fragen in der Fragestunde am 13. Februar 1980.
Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, bei vollem Verständnis für Ihre Haltung, Ihre Verhandlungsposition nicht verschlechtern zu wollen, stellt sich mir die Frage, und ich bitte, die Frage zu beantworten, ob, was den Vorschlag der verbesserten Nichtvermarktungsprämie angeht, die Bundesregierung dies als eine denkbare Marschrichtung betrachtet.
Herr Kollege, Sie wissen, daß der Vorschlag zwei, eigentlich drei Komponenten enthält: die Mitverantwortungsabgabe, die Nichtvermarktungsprämie und die Quotenregelung in bezug auf die Molkereien. Über das Gesamtpaket ist noch nicht endgültig entschieden. Schon bisher hat es die Nichtvermarktungsprämie gegeben. Eine Million Kühe sind in der EWG abgeschlachtet worden. Trotzdem ist die Zahl der Kühe beinahe gleichgeblieben und die Menge der angelieferten Milch gestiegen. Von dieser Warte aus könnte man durchaus zu der Überzeugung kommen, daß dieses Instrumentarium nicht so wirksam ist, wie weithin angenommen wird. Dennoch bin ich persönlich der Auffassung, daß, wenn das unterblieben wäre, die Situation heute schwieriger wäre, als sie ohnehin ist.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Überlegungen, durch eine administrative Verteuerung von Eiweißfuttermitteln die Möglichkeiten zur Mehrproduktion zu begrenzen?
Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie hier in erster Linie an die Importfuttermittel denken, an Sojaschrot und ähnliches. Ölsaaten und Ülkuchen können - entsprechend den vertraglichen Regelungen im GATT - zoll- und abgabenfrei in die Gemeinschaft eingeführt werden. Fertige Öle sind mit einem geringen Zollsatz belastet. Eine Verteuerung der Importfuttermittel durch EG-Maßnahmen ist also nicht möglich.
Außerdem ist die Bundesrepublik Deutschland als ausfuhrorientiertes Industrieland an einer freien Entwicklung des Welthandels und der Vermeidung von protektionistischen Maßnahmen interessiert. In diesem Bereich kann allenfalls an Selbstbeschränkungsabkommen gedacht werden, wie die EG dies zur Zeit bei Tapioka anstrebt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da dies sicher nur eine langfristig zu sehende Möglichkeit ist: Wie beurteilen Sie die andere Möglichkeit, die Milchproduktion auf der Angebotsseite durch eine Senkung der Nettoauszahlungspreise zu drosseln?
Herr Kollege, die Bundesrepublik Deutschland hat sich in Brüssel für eine vorsichtige Preispolitik eingesetzt. Im Milchwirtschaftsjahr 1979/80 blieben die Marktordnungspreise für Milch - in ECU und in der Bundesrepublik Deutschland in D-Mark unverändert auf dem Stand des Vorjahres. Preissenkungen können im Hinblick auf die Einkommenssituation der Landwirtschaft nicht in Betracht gezogen werden. Verschiedene andere Mitgliedstaaten haben in Brüssel Preissenkungen als Mittel zur Lösung der Milchmarktprobleme abgelehnt.
Die vorsichtige Preispolitik, die wir anstreben, wird durch die seit 1977 praktizierte Erzeugermitverantwortungsabgabe flankiert, die zur Zeit 0,5 des Richtpreises beträgt. Ein Ausbau dieses Instruments wird deutscherseits unterstützt. Die Mitverantwortungsabgabe ist ein geeignetes Signal für die Erzeuger gegen Mehranlieferungen und stellt eine Möglichkeit zum Abbau der Haushaltsprobleme dar.
Letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts der Problematik der aus Ihren Antworten hervorgehenden Möglichkeiten, Instrumente einzusetSimpfendörfer
zen: Teilen Sie nicht doch meine Auffassung, daß eine deutliche Erhöhung der Prämienregelung ein wirksames Instrument wäre, das kurzfristig zu einer Verminderung der Produktion führen könnte?
Herr Kollege, was mögliche Regelungen im Blick auf die Zukunft betrifft, um die Überschußsituation bei der Milch in den Griff zu bekommen, so bin ich da in der Zwischenzeit sehr vorsichtig geworden. Ich bin der Meinung, daß in der EG sicher ein ganzer Strauß von Entscheidungen notwendig sein wird, um das Problem in einigen Jahren in den Griff zu bekommen. An schnelle Lösungen, an Lösungen innerhalb eines halben oder eines Jahres, kann nach Lage der Dinge sowieso nicht gedacht werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klinker.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung inzwischen eine eigene Konzeption für die Milchverhandlungen erarbeitet, und ist diese Konzeption mit der deutschen Milchwirtschaft, mit allen daran Beteiligten abgestimmt, oder sind Sie noch dabei?
Herr Kollege, die deutsche Bundesregierung hat in bezug auf die Verhandlungen, die in Brüssel ja erst noch stattfinden, eine eigene Konzeption. Wir sind in dauerndem Gespräch mit den deutschen Verbänden, die an diesen Entscheidungen zwangsweise interessiert sein müssen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ist gesichert, daß die deutsche Bundesregierung - welche Regelung von der Kommission auch vorgeschlagen wird - einer für die deutsche Landwirtschaft gegenüber anderen EG-Ländern wettbewerbsnachteiligen Regelung nicht zustimmen wird?
Herr Kollege, die deutsche Bundesregierung hat bei allen bisherigen Verhandlungen in der EWG sowohl die Interessen der deutschen Landwirtschaft als auch die Interessen der deutschen Verbraucher vertreten. Aber Tatsache ist, daß die Entscheidung, wenn Sie die Entscheidung konkret ansprechen, letzten Endes davon abhängig ist, auf welches Gesamtpaket man sich einigen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine Regelung betreffend Überschüsse speziell auf dem Milchsektor nicht ohne einen Nebenblick auf die Bereiche von Butter-und Rindfleischerzeugung getroffen werden kann?
Herr Kollege, ich bin der Auffassung, daß die Milchmarktordnung in engem Zusammenhang mit der Rindfleischmarktordnung steht Nach meiner Meinung ist das Verhältnis
der beiden Faktoren Milchpreis und Rindfleischpreis zu eng geworden. Auf Grund der Tatsache, daß das so ist, haben wir den Sachverhalt zu beklagen, daß die einseitig genutzte Milchkuh in der europäischen Landwirtschaft betriebswirtschaftlich den Vorrang bekommen hat. Es besteht die Gefahr, daß die Doppelnutzungsrassen in Europa verschwinden. Ich glaube, daß wir in der EG einiges tun müssen, damit das nicht stattfindet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Chance, daß der Deutsche Bauernverband seinen Einfluß innerhalb der COPA dahin gehend geltend macht, daß auch von dort aus ein einheitlicher Vorschlag kommt, der die Bestrebungen, die hier wichtig sind, unterstützt?
Zunächst einmal darf ich die Bemühungen des Deutschen Bauernverbandes, europaweit zu einer Regelung auf dem Milchsektor zu kommen, begrüßen. Zweitens muß ich sagen, daß sich der Deutsche Bauernverband mit seinen eigenen Vorschlägen in der COPA nur zu 50 bei den übrigen Mitgliedern hat durchsetzen können. Das beweist, daß es schwer sein wird, in dieser Frage zu einer einheitlichen Auffassung in der EG zu kommen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten von Geldern auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die dänischen Maßnahmen gegen drei deutsche Fischereifahrzeuge unter Grönland unter Berücksichtigung der Rechtslage im EG-Meer?
Herr Kollege von Geldern, der dänische Fischereiaufsichtsdienst stellte Mitte Februar 1980 bei der Kontrolle von drei deutschen Fischereifahrzeugen in der 200-SeemeilenFischereizone vor Grönland fest, daß diese unzulässig gezielt auf Kabeljau gefischt hatten. Er hat daraufhin die drei Kapitäne aufgefordert, einen grönländischen Hafen anzulaufen, und er hat Gerichtsverfahren wegen unzulässigen Fischfanges eingeleitet. Diese Maßnahmen sind zulässig und entsprechen der Rechtslage im EG-Meer.
Die Bundesregierung legt entscheidenden Wert darauf, daß die innerhalb der EG vereinbarten Fangbestimmungen eingehalten werden. Sie beurteilt die dänischen Maßnahmen gegen die drei deutschen Fischereifahrzeuge als in jeder Hinsicht korrekt.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, muß ich Ihre eben gegebene Erklärung und Ihre gestern zu diesem Vorfall gegenüber der Presse abgegebene Erklärung, daß nämlich die Bundesregierung die Schuldigen dem Gewicht der widerrechtlichen Handlungsweise entsprechend zur Verantwortung ziehen werde, so verstehen, daß Sie die Betroffenen bereits als Schuldige ansehen, ohne daß eine deutsche Untersuchung
stattgefunden hätte, und daß Sie nach den empfindlichen Strafen, die von Dänemark bereits verhängt worden sind, eine erneute, zweite Bestrafung wollen?
Herr Kollege, es ist lediglich die Frage angesprochen, ob von deutscher Seite ein Bußgeldverfahren in Gang gesetzt werden muß, um das Vorgehen eines dieser drei Hochseefahrzeuge, das entkommen ist, zu ahnden. Ich glaube, weiter kann man das nicht auslegen.
Ich habe eine zweite Zusatzfrage.
Ja, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die „Nordsee-Zeitung", die gerade über Fischereifragen ständig fundiert Bericht erstattet, recht hat, wenn sie heute schreibt, es sehe danach aus, als ob der dänischen Regierung durch das Aufbringen der deutschen Trawler ein sehr erfolgreicher politischer Fischzug durch die Überreaktion der deutschen Bundesregierung gelungen sei?
({0})
Herr Kollege von Geldern, ich kann dem nicht zustimmen. Ich entnehme auch Ihrer Pressemitteilung, die Sie veröffentlicht haben, daß Sie das Verhalten dieser drei Fischereifahrzeuge eindeutig verurteilt haben.
({0})
Moment, Sie können nicht gleich eine Aktuelle Stunde anhängen.
({0})
Herr Präsident, ich muß mich berichtigen. Diese Erklärung stammt nicht von Ihnen, Herr Kollege von Geldern, sondern vom Herrn Kollegen Grunenberg. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Gestern ist - wenn ich noch ein Wort hinzufügen darf - ein Fernschreiben von der Botschaft in Kopenhagen bei uns eingegangen, in dem die Haltung des grönländischen Fischereiministers noch einmal eindeutig dargelegt worden ist. In Grönland wird davon gesprochen, daß es sich bei den deutschen Fischereifahrzeugen um Piratenfischerei handele. Anscheinend wollen die Grönländer auf Grund dieser Vorkommnisse ihre Bemühungen verstärken, überhaupt aus der EG auszuscheiden. Es wird daran gedacht, jegliche Fischerei vor Grönland zu verbieten bzw. für alle Fänge Abgaben an Grönland zu verlangen. Ich glaube nicht, daß die Bundesrepublik zur Dramatisierung beigetragen hat. Vielmehr machen wir die deutsche Hochseefischerei schon seit langer Zeit darauf aufmerksam, daß sie sich an den Beifang von 10 % Kabeljau halten sollte, damit diese Abmachungen, die mit Grönland bzw. Dänemark bestehen, nicht in Gefahr kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klinker.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß sich die Kapitäne auf Grund der bisherigen Unklarheit in der EG-Fischereipolitik in einem Irrtum befunden haben können, daß es nun, wie auch Herr Kollege von Geldern gesagt hat, darauf ankommt, beide Seiten zu hören, daß dann auch die deutschen Kapitäne ein Recht auf Schutz durch die Bundesregierung haben und eventuell auch die Konventionalstrafe von der Bundesregierung übernommen wird, weil die Meldungen an die Kapitäne nicht früh genug durchgekommen sind?
Herr Kollege, selbst das Verhalten der zuständigen Kapitäne und der zuständigen Reedereien beweist, daß man sich dessen, was man getan hat, sehr wohl bewußt war.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.
Herr Staatssekretär, beziehen sich die von Ihnen erwähnten 10 % auf die Fangquote eines ganzen Jahres oder jeweils auf die einzelne Fangquote?
Entschuldigen Sie, Herr Kollege, ich muß das noch etwas erklären. Es ist möglich, beim Gesamtfang einen Beifang von 10 % Kabeljau zu haben. Es ist nicht zulässig, daß diese Prozentzahl überschritten wird. Insbesondere ist es dann wohl auch nicht zulässig, daß sich überwiegend Kabeljau im Schiff befindet.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Vogelsang ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Plant die Bundesregierung eine Änderung der bisherigen Regelung, wonach Arbeitslose im Krankheitsfall - wegen ihres Anspruchs auf Krankengeld - nicht mehr an die zuständige Krankenkasse verwiesen werden, sondern an Stelle des Krankengelds das Arbeitslosengeld in Höhe von 68 v. H. bis zu sechs Wochen von der Bundesanstalt für Arbeit „fortgezahlt" werden soll, und wenn ja, aus welchen Gründen?
Herr Präsident, wegen des Zusammenhangs möchte ich die Fragen 4 und 5 gern gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Wie würde sich eine solche „Arbeitslosengeldfortzahlung" jeweilig für die Bundesanstalt für Arbeit und die Krankenkassen finanziell und verwaltungstechnisch auswirken?
Herr Abgeordneter Müller, die Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld erhalten bei Arbeitsunfähigkeit keine Leistungen der Bundesanstalt, sondern in gleicher Höhe Krankengeld von der Krankenkasse. Der Wechsel des SozialleistungsParl. Staatssekretär Buschfort
trägers kann vor allem bei kurzfristigen Erkrankungen zu Unzulänglichkeiten für die Betroffenen und die Träger führen. Nehmen Sie folgenden Fall: Ein Umschüler wird kurzfristig krank, nach geltendem Recht muß das Arbeitsamt die Zahlung von Unterhaltsgeld einstellen, und der Umschüler muß bei seiner Krankenkasse Krankengeld beantragen. Dabei kann es zu Verzögerungen bei der Leistungsgewährung kommen. Wird der Kranke wieder gesund, so spielt sich das Ganze erneut in umgekehrter Richtung ab.
Wegen des baldigen Ablaufs dieser Legislaturperiode plant die Bundesregierung nicht, noch diesem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Lösung dieser Probleme zuzuleiten. Die Frage wird zur Zeit jedoch von den die Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen erörtert. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung zu diesen Erörterungen nicht äußern möchte.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, plant die Bundesregierung eine Änderung, wenn auch nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Würde sich dadurch die Dauer des Leistungsbezuges des Arbeitslosen um bis zu sechs Wochen verlängern oder umgekehrt um die Zeit der Arbeitsunfähigkeit verkürzen?
Herr Kollege Müller, das ist auch schon jetzt nicht so. Die Zeit der Erkrankung beeinträchtigt die Arbeitslosengeldbezugsdauer nicht. Das würde auch zukünftig nicht sein können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gilt das also nicht nur für das Arbeitslosengeld, sondern auch für die Arbeitslosenhilfe und das Unterhaltsgeld?
Das ist richtig.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen. Bitte sehr.
Würde sich durch eine solche Änderung die Höhe der Beitragsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit an die Krankenversicherung ändern, und in welchem Verhältnis? Bis jetzt wird ja die Summe aller Leistungen - Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld - für den Krankenversicherungsbeitrag für Versicherte mit sofortigem Anspruch auf Krankengeld zugrunde gelegt.
Herr Kollege Müller, natürlich würde sich die Beitragsleistung der Bundesanstalt für Arbeit an die Krankenkassen verändern müssen. Die Krankenkasse kennt zur Zeit zwei Tarife, einen für Mitglieder, die sofort Anspruch auf Krankengeld haben, und einen für Mitglieder, die erst nach der Lohnfortzahlung Anspruch auf Krankengeld haben. Hier müßte dann natürlich
ein Weg gefunden werden, der die notwendige Gleichstellung herbeiführt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würde eine solche Regelung nicht der Unterschiedlichkeit der Versicherungsleistungen im Falle von Krankheit, von Arbeitslosigkeit, von Umschulung usw. widersprechen, und wäre das nicht der erste, wenn auch nur ein kleiner Schritt in die Einheitsversicherung?
Herr Kollege Müller, das hat mit der Einheitsversicherung nichts zu tun. Sowohl das Krankengeld als auch das Arbeitslosengeld haben Lohnersatzfunktion.
({0})
- Für beides werden Versicherungsbeiträge gezahlt, und weil Versicherungsbeiträge dafür gezahlt werden, gibt es in dem einen Fall den Anspruch auf Arbeitslosengeld und im anderen Fall den Anspruch auf Krankengeld, eventuell nach Lohnfortzahlung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ließe sich bei der von Ihnen eben geschilderten beabsichtigten Neuregelung der Fortzahlung des Arbeitslosengeldes auch die Fortzahlung des Kindergeldes verwaltungsmäßig vereinfachen?
Herr Kollege Ey, ich darf wiederholen: Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit diese Veränderung nicht. Die Koalitionsfraktionen von SPD und FDP beschäftigen sich zur Zeit mit dieser Frage. Aber ich will hinzufügen: Wir sind immer sehr aufgeschlossen, wenn wir sinnvolle Verwaltungsvereinfachungen auch auf anderen Gebieten erreichen können.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 6 der Frau Abgeordneten Männle auf:
Ist der Bundesregierung die Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum Erwerbsverhalten verheirateter Frauen vom vergangenen Jahr bekannt, und was tut die Bundesregierung zur Schaffung der dort für die nächsten fünf Jahre prognostizierten 274 000 ({0}) neuen Teilzeitarbeitsplätze?
Herr Präsident, auch die Fragen 6 und 7 würde ich wegen des Sachzusammenhangs gern gemeinsam beantworten.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 7 der Frau Abgeordneten Männle auf:
Ist die Bundesregierung bereit, durch finanzielle Anreize die Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen zu erleichtern?
Frau Kollegin, die Bundesregierung beschäftigt sich seit langem mit dem gesellschaftspolitisch vielschichtigen Problem der Teilzeitarbeit. Die genannte Untersuchung ist
ihr bekannt. In diesem Zusammenhang darf jedoch die zur Zeit weitaus höhere Zahl von Frauen nicht übersehen werden, die eine Vollzeitarbeit suchen. Auch die Interessen der in Vollzeitarbeit stehenden Frauen müssen ausgewogen berücksichtigt werden.
Die Bundesregierung sieht in der Teilzeitarbeit eine Arbeitsform zur Überbrückung von Zeiten besonderer familiärer Anforderungen. Sie hat deshalb wiederholt sowohl öffentliche als auch private Arbeitgeber durch Appelle, Informationsschriften und Empfehlungen zur Schaffung zusätzlicher, möglichst qualifizierter Teilzeitarbeitsplätze aufgefordert und gedenkt dies fortzusetzen. Auch die Ausdehnung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen insbesondere im sozialen Bereich hat das Ziel, das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen zu erhöhen. Ferner steht das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium des Arbeitsförderungsgesetzes mit den Leistungen des Einarbeitungszuschusses, der Eingliederungsbeihilfe und zur Förderung der Arbeitsaufnahme den Teilzeitarbeit Suchenden zur Verfügung. Auch die Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung kommen ihnen zugute.
Die Bundesregierung begrüßtes, daß sich die konjunkturelle Aufwärtsbewegung auf den Teilzeitarbeitsmarkt positiv ausgewirkt hat und daß die Bereitschaft der Arbeitgeber wächst, zusätzliche Teilzeitarbeitsplätze einzurichten.
So war im Januar 1980 die Zahl der teilzeitarbeitslosen Frauen gegenüber dem gleichen Stichtag des Vorjahres um mehr als 14 % zurückgegangen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Teilzeitarbeitskräfte hat 1979 mit nahezu 1,6 Millionen einen Höchststand erreicht.
Wie ich schon ausgeführt habe, hat die Bundesregierung über den Einsatz des bewährten Instrumentariums des Arbeitsförderungsgesetzes hinaus etliche Maßnahmen zur Förderung der Teilzeitarbeit ergriffen, so im Rahmen des arbeitsmarktpolitischen Programms vom Mai 1979. Der Forderung, die Wirtschaft zusätzlich dazu durch Subventionen zur Bereitstellung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen zu ver- anlassen, steht die Bundesregierung jedoch skeptisch gegenüber. Sie birgt die Gefahr, daß eine derartige Maßnahme zu Lasten von Vollzeitarbeitsplätzen geht und damit die Frauen benachteiligen würde, die auf ein volles Einkommen angewiesen sind.
Zusatzfrage, bitte.
Vor etwa zwei Jahren hat Ihr Ministerium zugesichert, sich dem Thema qualifizierter - ich betone extra: qualifizierter - und sozialversicherungsrechtlich auch abgesicherter Teilzeitarbeitsplätze verstärkt zuzuwenden und diese zu fördern. Aus Ihrer Antwort habe ich entnommen, daß Sie außer allgemeinen Appellen hier keine Maßnahmen getroffen haben. Sehe ich das so richtig?
Frau Kollegin, das sehen Sie falsch. Ich will noch einmal auf zwei Bereiche eingehen.
Die Veränderungen des Arbeitsförderungsgesetzes sollten - das haben sie auch getan - dazu beitragen, daß wir den Frauen im bildungspolitischen Bereich qualifizierte Angebote unterbreiten können, die auch für den Teilzeitbereich genutzt werden können.
Der zweite Bereich. Einen besonderen Schwerpunkt bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellen die sozialen Bereiche dar. Diese sozialen Maßnahmen wurden auch dazu eingeführt, um dann zu Dauerarbeitsplätzen überleiten zu können. Gerade in diesem sozialen Bereich wird es sich aber in einem beachtlichen Umfange immer wieder um Teilzeitarbeitsplätze handeln.
Darüber hinaus haben wir ja auch die Eingliederungsbeihilfen und auch die Hilfen zur Förderung der Arbeitsaufnahme eingeführt und immer wieder - von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr - fortgesetzt. Dies sind auch gezielte Maßnahmen, die auch den Teilzeitarbeitsuchenden zugute kommen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Habe ich Ihre Antwort, die Sie vorhin gegeben haben, auch richtig verstanden, daß Sie nicht bereit sind, Modelle zur Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen in der Wirtschaft zu entwickeln, wie dies z. B. das Land Rheinland-Pfalz getan hat, und ist Ihre Begründung tatsächlich nur darauf zurückzuführen, daß Sie Vollzeitarbeitsplätze für alle Frauen wollen?
Frau Kollegin, wir wollen nicht Vollzeitarbeitsplätze für alle Frauen. Wir wollen Vollzeitarbeitsplätze für die Frauen, die auf ein volles Einkommen angewiesen sind und diesen Arbeitsplatz benötigen. Im Hinblick auf die anderen Frauen halten wir es durchaus für angemessen und richtig, uns zu bemühen, daß diese Frauen einen Teilzeitarbeitsplatz erhalten, wenn sie es wünschen. Wir wollen dies im Rahmen unserer Möglichkeiten immer wieder unterstützen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind Sie nicht bereit, ein ähnliches Programm wie das vorliegende Programm für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen zu entwickeln und dies z. B. auch der Problemgruppe Frauen, speziell teilzeitarbeitsuchenden Frauen, zukommen zu lassen?
Frau Kollegin, die Programme, die wir in der Vergangenheit eingeleitet haben - ich darf hier insbesondere das Programm vom Mai 1979 erwähnen, auf das ich bereits vorhin Bezug genommen habe -, haben sowohl Aussagen zum Bereich Vollzeitarbeitsplätze als auch zum Bereich Teilzeitarbeitsplätze gemacht und beide Bereiche in die Förderung einbezogen. Da es sich hier um ein Programm handelt, das bundesweit für Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit gilt, dürfen Sie gewiß sein, daß hier sowohl Vollzeitarbeitslose als auch Teilzeitarbeitsplätze suchende Arbeitskräfte ihre Unterstützung gefunden haben.
Letzte Zusatzfrage.
Sie haben vorhin die Zahlen angesprochen und gesagt, daß die Anzahl der Teilzeitarbeitsplätze Suchenden zurückgeht. Liegen Ihnen auch Zahlen vom Teilzeitarbeitsmarkt über diejenigen Personen vor, die unterhalb der sozialversicherungsrechtlich relevanten 20 Arbeitsstunden liegen, und sehen Sie - falls hierzu keine Zahlen vorliegen - eine Notwendigkeit, diese Zahlen zu erfassen, und wie könnte dies in etwa geschehen?
Frau Kollegin, hier muß bei Ihnen ein Hörfehler vorliegen. Ich habe nicht gesagt, daß das Angebot zurückgegangen ist, sondern ich habe gesagt, daß wir derzeit den Höchststand erreicht haben. Ich habe eine Information darüber, daß beispielsweise im öffentlichen Dienst allein in der Zeit von 1974 bis 1978 die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze im öffentlichen Dienst von rund 200 000 auf 558 000 angestiegen ist.
Zu Ihrer zweiten Frage, ob uns Informationen über den Anteil der Beschäftigten unterhalb der 20Stunden-Grenze vorliegen, kann ich im Moment nur sagen: Ich werde das prüfen lassen. Dies festzustellen wird schwer sein; denn sozialversicherungsrechtlich wird, wie Sie wissen, durch eine gesetzliche Initiative nicht mehr die 20-Stunden-Schwelle, sondern die 15-Stunden-Schwelle erfaßt. Ich weiß nicht, ob wir gesonderte Untersuchungen für beide Bereiche haben. Ich werde Ihnen aber das Material, das uns zur Verfügung steht, zuleiten.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Benachteiligung zahlreicher Impfgeschädigter zu ziehen, die nach jahrelangen Prozessen vor Sozialgerichten deshalb keine Entschädigung erhalten, weil in einzelnen Gutachten der Zusammenhang des Gesundheitsschadens mit einer vorausgegangenen Impfung nicht mit an „Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" angenommen wird, obwohl nach § 52 Abs. 2 des Bundesseuchengesetzes die Anerkennung des Gesundheitsschadens erfolgen kann, wenn über die Ursache des Leidens als Folge einer Impfung in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht?
Herr Kollege Enders, für die Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz gelten dieselben Kausalitätsvoraussetzungen wie im übrigen sozialen Entschädigungsrecht, z. B. im Bundesversorgungsgesetz. In diesen Bereichen muß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis - in Ihrer Frage wäre das die Impfung - und einem gesundheitlichen Schaden bestehen. Dieser ursächliche Zusammenhang muß dabei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Es genügt die Wahrscheinlichkeit, d. h., es muß mehr dafür als dagegen sprechen.
Es gibt allerdings Leiden, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang nur deswegen nicht wahrscheinlich ist, weil in der medizinischen Wissen- schaft Ungewißheit über die Ursachen herrscht, z. B. bei der Multiplen Sklerose, auch bei bestimmten Arten von Krebs. Für diese Fälle ermöglicht der von Ihnen erwähnte § 52 Abs. 2 Satz 2 des Bundesseuchengesetzes unter bestimmten Voraussetzungen - z. B. bei einem bestimmten zeitlichen Ablauf oder bei bestimmten Einwirkungen - eine sogenannte Kann-Versorgung. Diese Vorschrift deckt aber nicht eine Ungewißheit im Einzelfall ab, z. B. wegen eines zweifelhaften Sachverhalts oder wegen Meinungsverschiedenheiten der Gutachter.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sollte aber nicht insofern Klarheit geschaffen werden, als bei widersprüchlichen Gutachten der Impfgeschädigte selber der Leidtragende ist und keine Entschädigung erhält?
Herr Kollege Enders, ich darf noch einmal darauf eingehen. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Gutachter widersprechen. Hier, so müßte ich antworten, würden wir es immer so verstehen, daß der Anspruch gegeben ist, wenn mehr dafür als dagegen spricht. Wenn aber die Wissenschaft sagt, daß eine bestimmte Erkrankung mit einem Ereignis wie der Impfung nicht ursächlich zusammenhängt, dann kann eine Leistung nicht gewährt werden. Nur wenn in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit über die Ursachen herrscht, kommt eine sogenannte Kann-Versorgung in Betracht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Ey auf:
Durch welche bemerkenswerten Eigenschaften zeichnet sich der Arbeitsstoff Asbest aus, und welche Folgen hätte ein Verbot des Arbeitsstoffs Asbest für die gesamte deutsche Industrie?
Herr Kollege Ey, Asbest hat eine Vielzahl technischer Eigenschaften. Zu nennen sind insbesondere Unbrennbarkeit, Hitze- und Säurebeständigkeit, Beständigkeit gegen Mikroorganismen, hoher Leitwiderstand, Widerstandsfähigkeit gegen mechanischen Verschleiß. Diese Eigenschaften machen Asbest zu einem wirtschaftlich vorteilhaft' einsetzbaren Material in zahlreichen Industriezweigen.
Ein totales Verbot von Asbest würde sich wirtschaftlich erheblich auswirken. Betroffen würden etwa 20 000 Arbeitnehmer im Produktionsbereich der Asbestindustrie. Im Verwendungsbereich - Handwerker usw. - würden etwa 60- bis 80 000 Personen mittelbar betroffen.
Der Bundesarbeitsminister bereitet noch für dieses Jahr neue Schutzvorschriften für den Umgang mit krebsgefährdenden Substanzen vor. Zu diesem Zweck wird die Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe erweitert. Für ca. 40 krebserregende Substanzen werden, abgestuft nach dem Gefährdungsgrad, Kennzeichnungen der Stoffe mit dem Wort „krebsgefährdend", Meldepflichten vor der Verwendung, eine Pflicht zu Verwendung von Ersatzstoffen, Verbotsmöglichkeiten durch die Gewerbeaufsicht und Verwendungsverbote in der Verordnung vorgeschrieben werden. Die Verordnung wird sicherheitstechnische Maßnahmen wie Staubbe16140
kämpfung, Einhaltung des Standes der Technik, Meßverpflichtungen, hygienische Auflagen, ärztliche Untersuchungen und betriebsorganisatorische Maßnahmen enthalten.
Diese neuen Arbeitsschutzbestimmungen werden auch für Asbest gelten. Ein totales Verbot von Asbest ist nicht vorgesehen. Es sind Verwendungsbeschränkungen für bestimmte asbesthaltige Erzeugnisse geplant. Diese Beschränkungen stimmen weitgehend mit den in einem EG-Richtlinien-Vorschlag enthaltenen Regelungen überein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die deutsche Industrie - welche Regelung über Asbest künftig auch immer getroffen werden mag - gegenüber konkurrierenden Industrien anderer Länder nicht benachteiligt werden darf?
Herr Kollege Ey, ich glaube, man muß deutlich zum Ausdruck bringen, daß zunächst einmal die gesundheitlichen Notwendigkeiten im Vordergrund zu stehen haben.
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Ich begrüße sehr nachdrücklich, daß wir uns auf der Grundlage von Vorschlägen, die die EG bereits erarbeitet hat, bewegen können. Es muß selbstverständlich sein, daß hier keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen.
Strengere Maßstäbe und eine bessere Beachtung der gesundheitlichen Notwendigkeiten können aber auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten, denn ich kann mir sehr gut vorstellen, daß ein verarbeitender Betrieb, wenn er weiß, daß er es nun mit einem Artikel zu tun hat, der nicht krebserzeugend ist, möglicherweise einen größeren Umsatz erzielen kann als dann, wenn er in der alten Verfahrensweise fortfährt. Auch das muß man erwägen.
Ich will nicht verhehlen, daß dabei die wirtschaftlichen Fragen natürlich auch in einem gewissen Umfang eine Rolle spielen können; aber ich darf wiederholen: Die gesundheitliche Frage muß absoluten Vorrang haben.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich stimme Ihrer Auffassung zu, möchte Sie aber zusätzlich fragen: Wie gedenkt die Bundesregierung die Überwachung oder Weiterentwicklung von Schutzmaßnahmen in asbestverarbeitenden Betrieben angesichts der besonderen Gefährdung durch Asbest durchzuführen?
Herr Kollege, ausführende Stellen werden sicherlich wie bisher die jeweilige Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften sein. Begleitend sind Forschungsaufträge notwendig. Ich kann hinzufügen, daß bereits einige Aufträge vergeben wurden und daß sich Institute eingehend mit den Fragen der Gesundheitsgefährdung beschäftigen. Ich denke, daß wir dann, wenn nun die genannte Verordnung und die anderen rechtlichen Bestimmungen beraten werden, auf diese Untersuchungsergebnisse noch einmal zurückkommen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob und, wenn ja, welche Maßnahmen die Industrie mittlerweile ergriffen hat, um die Gefahren, die sich abs der Verarbeitung von Asbest ergeben könnten, zu vermeiden?
Herr Kollege, mir ist zum einen bekannt, daß die Betriebe selbst bemüht sind, im Arbeitsverfahrensbereich Umstellungen vorzunehmen, z. B. um die Staubentwicklung zu verhindern. Mir ist aber auch bekannt, daß die Betriebe sich intensiv bemühen, Ersatzstoffe einzusetzen, die die bisher bekannten Gefährdungen nicht mit sich bringen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich rufe Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger auf:
Welche Substitutionsprodukte für den Arbeitsstoff Asbest sind der Bundesregierung bekannt?
Herr Präsident, wegen des Zusammenhangs würde ich gern auch die Fragen 11 und 12 gemeinsam beantworten, wenn Herr Dr. Jenninger damit einverstanden ist.
Gut, dann rufe ich zusätzlich Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger auf:
Wäre die Bundesregierung bereit, die Forschung auf dem Gebiet der Substitutionsprodukte zu fördern?
Herr Kollege Dr. Jenninger, der Ersatz von Asbest durch andere Fasermaterialien ist aus technischer Sicht bereits heute in größerem Umfange möglich. Zu nennen sind Anwendungsgebiete wie Spritzisolierungen, Wärme- und Schalldämmung, Schutzkleidung und feuerfeste Textilien, Bauschutzisolierungen, Filter für Gas- und Flüssigkeitsfiltration sowie Verstärkungsmaterial und Füllstoff für Kunststofferzeugnisse. Auf folgende Ersatzstoffe wird beispielsweise hingewiesen: asbestfreie Bauplatten auf der Basis von Gips, Aluminiumsilikat, Blähbeton; Leitungen aus Metall oder Kunststoff; Textilien für den Brand-, Wärme- und Schallschutz unter Verwendung von Glasschaum, Flachsfasern, Steinwolle, Calciumsilikat u. ä.; Dichtungen und Packungen aus Aluminiumsilikat, Textilfasern.
Zu Ihrer zweiten Frage ist folgendes zu bemerken: Der Frage des Einsatzes von Ersatzstoffen für Asbest wird von der Bundesregierung seit längerer Zeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Vom Bundesministerium für Forschung und Technologie sind in Abstimmung mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung verschiedene Forschungsvorhaben zum Auffinden von Ersatzfasern, u. a. für Asbest in Asbestzement sowie in cheParl. Staatssekretär Buschfort
misch beständigen Kunststoffteilen, vergeben worden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß nur solche künstlich hergestellten Fasern als Ersatzstoffe in Betracht kommen, die nicht ein ähnliches cancerogenes oder sonstiges gesundheitsschädliches Potential wie bei Asbeststaub befürchten lassen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob und welche gesundheitlichen Gefahren von der Verwendung dieser Substitutionsprodukte ausgehen?
Herr Kollege, wir müssen natürlich sehr sorgfältig prüfen, welche Gefahren bei den Ersatzstoffen auftreten können. Deshalb sind die Forschungsvorhaben von großer Bedeutung. Es hat keinen Zweck, krebserzeugende Stoffe als Ersatzstoffe einzusetzen, die uns dann nicht weiterführen. Wir müssen Wert darauf legen, daß in der Tat feststeht, daß dieser Ersatzstoff gesundheitlich besser ist als Asbest. Man muß allerdings hinzufügen: Bei Asbest wissen wir heute, daß er krebserzeugend ist.
Weitere Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, sind bei der Vergabe von Forschungsvorhaben zum Auffinden von Ersatzfasern für Asbest durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie Auflagen der Art gemacht worden, daß auch die von den Ersatzstoffen ausgehenden Gesundheitsgefahren untersucht werden?
Herr Kollege, ich will diese Frage gern noch schriftlich beantworten. Ich weiß aber im Zusammenhang mit einer anderen Frage, die hier im Bundestag einmal behandelt worden ist, daß bei einem bestimmten Stoff diese Auflage erteilt worden ist. Ich will diese Frage aber gerne noch einmal schriftlich beantworten.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung aus der neuesten Forschung Verfahren bekannt, die zur Vermeidung der Feinstaubentwicklung beitragen, und wenn ja, welche?
Herr Kollege, uns sind mehrere Verfahren bekannt. Sie haben auch in unseren Instituten, z. B. in Dortmund, eine Rolle gespielt. Wir glauben, daß in bestimmtem Umfange, z. B . durch Abschirmung, z. B. durch Flüssigkeitsbeigabe wesentliche Veränderungen erzielt werden können. Ich glaube, auch hier wäre es aber richtig, wenn nicht der Parlamentarische Staatssekretär antwortete, sondern wenn Ihnen aus der Sicht der Sachverständigen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, eine detaillierte Antwort gegeben würde.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich. rufe Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Starke ({0}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Die Fragen 14 und 15 der Abgeordneten Frau Krone-Appuhn, die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Voigt ({1}) und die Frage 18 des Abgeordneten Engelsberger werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Ich rufe Frage 19 des Herrn Abgeordneten Hauck auf:
Mit welchen Aktionen und Maßnahmen ist dem besonderen Anliegen des Internationalen Jahrs des Kindes, die Situation der Kinder in der Dritten Welt verbessern zu helfen, entsprochen worden?
Herr Kollege Hauck, das Schwergewicht lag auf diesem Feld bei Maßnahmen zur Verbesserung der Information über die in manchen Ländern der Dritten Welt extrem schwierige Lage der dort lebenden Kinder. Mit der Durchführung einer bundeszentralen Fachtagung hat die nationale Kommission für das Internationale Jahr des Kindes das Anliegen verfolgt, das Thema „Dritte Welt" in Schule und Jugendarbeit aufzuarbeiten und für die Praxis weiterzuentwickeln. Lehrer, Erzieher und freie Träger der Jugendhilfe trugen ebenfalls zur Information über die Probleme der Kinder in Entwicklungsländern bei. So gab es in verstärktem Maße Unterricht über dieses Thema in den Schulen. Dazu trug nicht unwesentlich die Herausgabe einer Broschüre mit dem Titel „Kinder in der Dritten Welt" bei.
Zu diesen Bemühungen um mehr entwicklungspolitisches Bewußtsein in der Bundesrepublik kam die Förderung konkreter Vorhaben der Entwicklungshilfe hinzu. In Jugendgruppen und kirchlichen Organisationen wurde das Schwergewicht auf die Information über konkrete Entwicklungsprojekte und auf Spendenaktionen gelegt. So wurde z. B. von kleineren Gruppen für Patenschaften geworben, oder es wurden Ernährungsgutscheine der deutschen Welthungerhilfe verkauft.
Die Planung und Durchführung von Entwicklungsprojekten oblag den Fachorganisationen, die Untersuchungen über neue Möglichkeiten der Hilfe und der Weiterentwicklung bestehender Projekte durchführten. Hinzu kamen Spendenaufrufe und Spendenaktionen aller Organisationen.
Die Bundesregierung hat aus Anlaß des Internationalen Jahres des Kindes UNICEF Treuhandmittel in Höhe von 2,1 Millionen DM zur Förderung von Immunisierungsprogrammen in der Arabischen Republik Ägypten und in der Demokratischen Republik Sudan bereitgestellt. Aus gleichem Anlaß sind UNICEF für ein Immunisierungsprogramm in Nicaragua weitere Treuhandmittel in Höhe von 550 000 US-Dollar zur Verfügung gestellt worden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es bei den Vereinten Nationen eine Instanz, welche die Bemühungen und Ergebnisse des Internationalen Jahres des Kindes in bezug auf die Kinder der Dritten Welt erfaßt und auswertet?
Herr Kollege Hauck, es gibt bei uns in der Bundesrepublik die Nacharbeiten, die die nationale Kommission jetzt betreibt. Es ist auch vorgesehen, die Ergebnisse der nationalen Kommissionen in geeigneter Weise international zusammenzufassen. Da die Probleme der Kinder in der Dritten Welt die drängendsten Probleme von Kindern auf der Welt überhaupt sind, nehme ich an, daß dies einen hervorragenden Platz in der Zusammenfassung einnehmen wird.
Im übrigen war es nicht zu erwarten, daß man diese gewaltigen Probleme in der Dritten Welt innerhalb eines Jahres energisch hätte angehen können. Hier bedarf es vielmehr intensiver Nacharbeit. Vielleicht wird die Zusammenfassung der veränderten Lage der Kinder der Dritten Welt weitere Anstöße auf internationaler Ebene ermöglichen - ich hoffe das jedenfalls.
Weitere Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, sobald ein solcher Bericht auf internationaler Ebene vorliegt, uns den zugänglich zu machen?
Selbstverständlich.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Welche Maßnahmen wurden im Internationalen Jahr des Kindes getroffen, um den Schutz von Kindern vor Mißhandlungen zu verbessern?
Im Internationalen Jahr des Kindes ist die Aufmerksamkeit gegenüber Kindesmißhandlungen gewachsen und verstärkt eine Diskussion über notwendige Kinderschutzmaßnahmen geführt worden. Viele Veranstalter versuchten, durch Plakataktionen, Informationen und andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit der Kindesmißhandlung entgegenzuwirken.
Unter dem Leitmotiv „Für eine kinderfreundliche Welt" haben der Deutsche Kinderschutzbund und die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe besonders auf das Problem der körperlichen und seelischen Gewalt gegen Kinder aufmerksam gemacht.
Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge sieht ein Verbot entwürdigender Erziehungsmaßnahmen vor. Verbesserungen für die Fälle, in denen das Wohl des Kindes gefährdet wird, ohne daß gegen die Eltern ein Schuldvorwurf erhoben oder bewiesen werden kann, hat die Neufassung des § 1666 BGB gebracht. Das Vormundschaftsgericht kann nunmehr auch dann zum Schutze der betroffenen Kinder eingreifen, wenn dies durch unverschuldetes Versagen der Eltern gefährdet wird.
Zur Unterstützung der Arbeit derjenigen, die durch ihre berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit
mit Familien in Kontakt kommen, in denen für Kinder die Gefahr einer Mißhandlung besteht, ist im Auftrage des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit das Handbuch „Erkennen und Helfen - eine praktische Anleitung" entwickelt worden. Dieses Handbuch soll dazu dienen, gefährliche Situationen für Kinder zu erkennen und wirksam zu helfen, ehe es zu Mißhandlungen kommt, und geschehene Mißhandlungen zu erkennen, um durch Hilfe eine Wiederholung zu verhindern. Hilfebedarf und Hilfsangebote für Kinder in gewaltbestimmten Ehen werden derzeit an Hand wissenschaftlicher Untersuchungen ausgewertet. Die Bundesregierung verspricht sich von den genannten rechtlichen Änderungen und den praktischen Hilfen künftig eine Besserung der Situation.
Eine Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, darüber nachzudenken und für die Zukunft zu prüfen, ob nicht ein ausdrückliches Züchtigungsverbot eine wirksamere Hilfe sein könnte, um Kindesmißhandlungen zu verhindern - etwa nach schwedischem Muster, wo der Reichstag eine eindeutigere Bestimmung ins Gesetz geschrieben hat, als wir das im Sorgerecht getan haben?
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Herr Kollege Kuhlwein, wir haben erst seit Beginn des Jahres die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge, in dem entwürdigende Erziehungsmaßnahmen untersagt sind, in Kraft. Ich rege an, zunächst einmal abzuwarten, ob sich hier spürbare Veränderungen ergeben.
Natürlich ist es die Aufgabe der Bundesregierung, darauf zu achten, welche Erfahrungen in anderen Ländern mit anderen Vorschriften gemacht werden;
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denn es ist in der Tat nicht zu verkennen, daß wir eine beängstigend große Zahl von Kindesmißhandlungen immer noch beobachten können.
Ich schlage Ihnen also vor, zunächst einmal die Erfahrungen mit der Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge abzuwarten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Hat nach Auffassung der Bundesregierung die Arbeit in der nationalen Kommission für das Internationale Jahr des Kindes zu einer verstärkten Kooperation und Koordination zwischen den zahlreichen öffentlichen und privaten Aufgabenträgern bei Maßnahmen zugunsten von Kindern beigetragen?
Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das Internationale Jahr des Kindes zu einer besseren und wirkungsvolleren Zusammenarbeit zwischen den zahlreichen öffentlichen und privaten Aufgabenträgern geführt hat. Die pluralistische Zusammensetzung der nationalen Kommission für das Internationale Jahr des Kindes hat nicht nur zu eiParl. Staatssekretär Zander
nem breiten Spektrum an Vorschlägen und Maßnahmen zugunsten von Kindern geführt; die während des Jahres des Kindes durchgeführten Maßnahmen und Aktionen unterstreichen auch, auf wie vielen Gebieten die Situationen von Kindern zu verbessern sind, und daß nicht mit wenigen Einzellösungen geholfen werden kann, sondern in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Voraussetzungen für eine bestmögliche Entwicklung des Kindes verbessert werden müssen.
Zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene, zwischen Verwaltungen und Initiativen, Schulen und Kindergärten, Bürgern und Politikern ist es insbesondere im Rahmen von Aktionstagen gekommen. Veranstaltungen aus Anlaß -des Internationalen Jahres des Kindes wurden ferner oft in gemeinsamer Regie von Stadt und Jugendorganisationen durchgeführt.
Mit den „Kinderkulturwochen" hatte die „Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung" ein Modell für Kinder- und Jugendkulturarbeit entwickelt, dessen konkrete Ausgestaltung in den Händen der freien Träger, Kommunalverwaltungen und Initiativen vor Ort lag.
Erstmalig kam es bei der Durchführung der „Woche des behinderten Kindes" in manchen Städten zu einer Kooperation der Behindertenverbände und zu einer gemeinsamen Vorstellung ihrer Arbeit, so daß für die Zukunft erwartet werden kann, daß auf kommunaler Ebene für die Interessen des behinderten Kindes gemeinsam vorgegangen wird.
Die mit dem Internationalen Jahr des Kindes aufgeworfenen Probleme und Aufgabenstellungen haben auch andere Verwaltungsbereiche - wie Bau. oder Verkehrsämter - zur Mitwirkung und zum Umdenken veranlaßt. Sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch auf kommunaler Ebene konnte das Internationale Jahr des Kindes dazu beitragen, das Bewußtsein für ressortübergreifende und integrierte Planungen zu fördern. Die durchgängig positiven Erfahrungen mit neuartigen Zusammenschlüssen von Gruppen und Verbänden unterschiedlicher Zielsetzung und Aufgabenbereiche sind in vielen Fällen Anlaß für die erklärte Absicht, diese neuen Kooperationsformen auch über das Jahr 1979 hinaus fortzusetzen.
Zusatzfrage, bitte.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß auch der von ihr vorgelegte Entwurf für ein Jugendhilfegesetz neue Kooperationsformen in der Jugendhilfe zugunsten der Kinder institutionalisiert?
Herr Kollege Kuhlwein, Sie wissen als Berichterstatter für dieses Gesetzgebungswerk, daß entsprechende Bemühungen im Gange sind, eine solche Regelung herbeizuführen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf:
Welche Anstöße hat das Jahr des Kindes gegeben, um die häufig beklagte Kinderunfreundlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland abzubauen?
Herr Kollege Fiebig, im Internationalen Jahr des Kindes konnte wie in noch keinem Jahr zuvor die Bereitschaft von einzelnen, von Gruppen, von Verbänden, Verwaltung und Politik geweckt und gestärkt werden, den Problemen und Entwicklungsbedingungen von Kindern mehr Bedeutung einzuräumen und die Konflikte und Belastungen, denen Kinder heute ausgesetzt sind, kritisch - häufig auch selbstkritisch - zu analysieren.
Da vielfach Bedingungen vorhanden sind, die den Bedürfnissen von Kindern entgegenstehen, weil sie sich an Maßstäben von Erwachsenen orientieren, war es vor allem notwendig, durch Öffentlichkeitsarbeit und Bewußtseinsbildung darauf hinzuwirken, daß die Interessen und Bedürfnisse von Kindern erkannt und berücksichtigt werden. Die während des Jahres des Kindes durchgeführten Aktionen und Aktivitäten zielten vor allem auf Problembereiche, die die nationale Kommission für das Internationale Jahr des Kindes in ihrem Aktionsprogramm herausgestellt hat.
Berichte, die der nationalen Kommission vorliegen, zeigen, daß die Belange von Kindern heute weniger leicht übersehen, verdrängt oder gar vernachlässigt werden können als früher. Trotz der neuen verständnisvolleren Einstellung zu Kindern und auch der größeren Bereitschaft zuständiger Stellen, auf die Gestaltung einer kinderfreundlichen Umwelt Einfluß zu nehmen, bedarf es unverminderter Bemühungen, um dem Jahr des Kindes einen dauernden Erfolg zu sichern. Die während des Jahres des Kindes in Gang gesetzten Entwicklungen reichen weit über das Jahr 1979 hinaus.
Mit welchem Erfolg die im Rahmen von Kampagnen, Aktionsprogrammen und Fachtagungen aufgezeigten Probleme von Kindern gelöst und wie nachhaltig Lebensbedingungen von Kindern verbessert werden können, läßt sich erst in den kommenden Jahren abschließend beurteilen. Gegenwärtig faßt die nationale Kommission die ihr vorliegenden Berichte zu einem Abschlußbericht zusammen, der in Kürze vorliegen wird.
Zusatzfrage, bitte.
Standen dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit genügend finanzielle Mittel zur Verfügung, um die von Ihnen angesprochene Öffentlichkeitsarbeit im gewünschten Umfang betreiben zu können?
Ich bin der Auffassung, daß die Mittel dem Zweck angemessen waren. Selbstverständlich hätte man noch mehr Mittel gebrauchen können. Aber ich glaube, daß in diesem Fall zwischen den Anforderungen und den bewillig16144
ten Mitteln ein vernünftiger Mittelweg gefunden wurde.
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Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, bezog sich das Aktionsfeld insbesondere auf die Familie und das Wohnumfeld, oder haben Sie in Ihre Überlegungen auch die Situation der Kinder in den Schulen einbezogen?
Herr Kollege Immer, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß es eine nationale Kommission gegeben hat, die allen Problembereichen nachgegangen ist. Hier sind selbstverständlich Probleme - angefangen von den Schulwegen bis zur Gestaltung der Schule und den Anforderungen dort - zu beachten. Ich habe den Eindruck, daß insgesamt auch auf allen anderen politischen Ebenen - hier sind z. B. die Kultusminister angesprochen - die Bereitschaft gewachsen ist, mehr auf solche Probleme zu achten.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Balser.
Da Sie, Herr Staatssekretär, eben festgestellt haben, daß die Bemühungen dazu geführt haben, daß die Belange der Kinder weniger leicht übersehen werden, möchte ich fragen, ob die Bundesregierung vielleicht noch Anstrengungen überlegt, insbesondere in öffentlichen Einrichtungen darauf hinzuwirken, daß Kinder als existente Wesen überhaupt berücksichtigt werden - durch Modellversuche oder wie auch immer.
Frau Kollegin Balser, dies geschieht ständig. Es gehört zu den Aufgaben des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, solche Dinge in der Gesetzgebung, aber auch in konkreten Modellvorhaben zu berücksichtigen. Ich bin gerne bereit, Ihnen einmal aufzulisten, was auf diesem Gebiet im einzelnen geschieht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß die sehr starke Problematisierung der Erziehung von Kindern und des Lebens der Kinder in unserer Gesellschaft auch dazu führen kann, daß immer mehr Menschen Angst davor haben, überhaupt noch Kinder zu haben und aufzuziehen, und daß durch weiter absinkende Kinderzahl die Kinderfreundlichkeit noch weiter abnehmen und die Kinderunfreundlichkeit der Umwelt noch weiter zunehmen könnte?
({0})
Ich halte es für falsch, wenn Probleme, die es heute gibt, die durch die gesellschaftliche Entwicklung bedingt sind und die Kinder belasten, dramatisiert werden; ich halte es
aber auch für falsch, wenn sie ignoriert werden. Ich bin dafür, daß wir realistisch erkennen, daß es in unserer Gesellschaft Entwicklungen und Bedingungen gibt, die ungünstig sind für Kinder. Ich wäre für gemeinsame Anstrengungen dankbar, solche Bedingungen zu beseitigen; denn zu einem sehr großen Teil werden ja die Infrastrukturbedingungen für Kinder nicht durch Maßnahmen des Bundesgesetzgebers oder der Bundesregierung beeinflußt, sondern durch die Kommunen oder - wenn ich an die Schulen denke - durch die Länder. Ich wäre für eine realistische Sicht und für koordinierte Anstrengungen auf diesem Gebiet dankbar.
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Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Internationalen Jahr des Kindes getroffen, um die wirtschaftliche Situation der Familie zu verbessern?
Herr Kollege Fiebig, einen Schwerpunkt der Hilfen für die Familien bildeten die wirtschaftlichen Hilfen. Vorrang vor linearen Anhebungen der Kindergeldsätze hatten strukturelle Verbesserungen:
Mit den Erhöhungen des Kindergeldes im Jahre 1979 wurde die Einkommenssituation von Mehrkinderfamilien deutlich verbessert. Die gezielte Anhebung des Kindergelds für dritte und alle weiteren Kinder auf 200 DM monatlich zum 1. Januar 1979 sowie die Erhöhung des Kindergeldes für zweite Kinder auf 100 DM monatlich zum 1. Juli 1979 hilft, die bei zunehmender Familiengröße fühlbarer werdende Belastung des Familienhaushalts zu vermindern.
Mit dem Unterhaltsvorschußgesetz werden die Schwierigkeiten vermindert, die alleinerziehende Eltern haben, wenn die Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils ausbleiben. Dieses Unterhaltsvorschußgesetz, das für etwa 73 000 Kinder in den ersten Lebensjahren den Unterhalt sichert, ist am 1. Januar 1980 in Kraft getreten.
Die Anhebung der Bedarfssätze und der anrechnungsfreien Einkommenbeträge, mit der die BAföG-Leistungen verbessert wurden, trat zum 1. Oktober 1979 in Kraft.
Der Mutterschaftsurlaub hat nicht nur den Arbeitsschutz für Mütter verbessert. Notwendige finanzielle Ergänzung hierzu ist die Weiterzahlung des Mutterschaftsgeldes, das die Mutter finanziell in die Lage setzt, den Mutterschaftsurlaub in Anspruch zu nehmen.
Um die wirtschaftliche Situation der Familie künftig weiter zu verbessern, sehen die jüngsten Kabinettbeschlüsse über die Steuerentlastungsmaßnahmen für 1981 steuerliche Kindergrundfreibeträge, Einführung eines Zuschlages zum Kindergeld nach der Geburt eines Kindes für sechs Monate ab 1. Januar 1982 in Höhe von 300 DM monatlich, Verbesserung des Wohngeldes mit nachhaltiger Verstärkung der familienpolitischen Komponenten und steuerliParl. Staatssekretär Zander
chen Besserstellung der alleinerziehenden Elternteile vor.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat sich auch die wirtschaftliche Lage der Familien mit Kindern, die Leistungen nach dem Bundesozialhilfegesetz bekommen, verbessert bzw. wie könnte die wirtschaftliche Lage dieser Familien in Zukunft verbessert werden?
Herr Kollege Fiebig, Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, auch Regelsätze für Kinder, werden im jährlichen Abstand laufend angepaßt, um der wirtschaftlichen Entwicklung zu entsprechen.
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, bezeichnet es die Bundesregierung auch als eine besonders kinderfreundliche Maßnahme im Jahr des Kindes, daß sich der Bundesfinanzminister nach wie vor gegen eine unbürokratische Lösung beim Kinderbetreuungsbetrag, die von verschiedenen Landesregierungen angestrebt wird, sträubt und querlegt?
Ich habe nicht die Absicht, einen Streit, der zwischen dem Bundesfinanzminister und den Finanzministern der Länder über die Auslegung einer von den gesetzgebenden Körperschaften getroffenen Vorschrift im Steuerrecht besteht, hier zu kommentieren. Das ist eine Frage an die Adresse des Bundesministers der Finanzen.
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Herr Abgeordneter Immer, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die rheinland-pfälzische Landesregierung noch immer nicht bereit ist, wie alle anderen Bundesländer die Lern- und Lehrmittelfreiheit und die Schülerfahrtkostenfreiheit einzuführen?
Herr Kollege Immer, ich habe auch nicht die Absicht, dies zu kommentieren; denn ich kann die Tatsache, von der Ihre Frage ausgeht, im Augenblick nicht nachprüfen.
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Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der Forderung der nationalen Kommission für das Internationale Jahr des Kindes nach Verbesserung der Familienbildungsangebote die derzeitige Entwicklung in diesem Bereich?
Die Forderung der Nationalen Kommission nach Ausbau der Elternund Familienbildungsangebote hat im Internationalen Jahr des Kindes eine große Resonanz gefunden. Träger von Eltern- und Familienbildung haben sich darum bemüht, mehr Familien als bisher für Veranstaltungen und Diskussionsabende zu gewinnen. In 20 Modellversuchen hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen den bezahlten Bildungsurlaub für Familienbildungsveranstaltungen genutzt. Viele Kreise und Gemeinden haben 1979 erstmals Elternbriefe als Mittel der Familienbildung eingesetzt. Diese Briefe werden an Eltern nach der Geburt eines Kindes in Abständen kostenlos zugestellt. Allein der Arbeitskreis „Neue Erziehung" in Berlin belieferte 1979 40 weitere Kreise und Gemeinden und hat die Gesamtzahl seiner versandten Elternbriefe von 2,5 Millionen auf 3 Millionen gesteigert. Er hat begonnen, Elternbriefe auch für Ausländerfamilien als Hilfe für die Erziehung ihrer Kinder zu entwickeln.
Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat Orientierungsmaterialien für Eltern- und Familienbildung mit dem ausdrücklichen Ziel entwickeln lassen, mehr Familien, insbesondere Arbeitnehmerfamilien, für Elternbildung zu gewinnen. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat ferner pädagogische Grundlagen für die Fortbildung der Fachkräfte von Bildungsträgern erarbeiten lassen. Zur Verbesserung der frühkindlichen Erziehung ausländischer Kleinkinder trägt das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mit einem Modellprojekt bei, das ausländische Eltern durch Beratung in erzieherischen und pflegerisch-medizinischen Fragen unterstützt und ihnen die Inanspruchnahme der familienbezogenen Angebote erleichtert.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die dargestellte Entwicklung weiter zu verstärken?
Ich hoffe, daß es gelingt, die von uns geförderten Elternbriefe weiter zu verbreiten, weil das ein sehr wichtiges Instrument ist. Aber die Entscheidung darüber obliegt den Kreisen und Gemeinden. Wir können auf vielen Gebieten, z. B. durch die Verabschiedung des Jugendhilferechts, das im Deutschen Bundestag zur Zeit beraten wird, bei der besseren Qualifizierung der Eltern für ihre Erziehungsaufgabe sicher helfen. Ich habe nicht grundlos den Aspekt der Arbeitnehmerfamilien und der Ausländer hervorgehoben. Hier gilt es noch viel zu verbessern.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß für das Kinder wie Eltern häufig belastende Spannungsfeld Familie/ Schule besonders verstärkte Angebote nötig sind?
Herr Kollege Marschall, ich kann nicht im einzelnen beurteilen, wo hier Ansatzpunkte sind. Nur, ich kann auch nicht
übersehen, daß hier eine Reihe von Spannungen entstehen kann. Die Elternbriefe, von denen als einem Instrument, hier zu helfen, ich Ihnen berichtete, gehen auch auf solche durch die Schule bedingten Probleme bei der Erziehung von Kindern in der Familie ein. Es ist auch hier die Aufgabe, die Qualifizierung der Eltern insgesamt zu verbessern.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Marschall auf:
Auf welche Weise können nach Auffassung der Bundesregierung die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Pflegestellenerziehung wirksam verbessert werden?
Herr Kollege, aus dem Tagesmutter-Modell ist die Erkenntnis gewonnen worden, daß die Erziehung von Kindern in Pflegestellen verbessert werden kann. Um die Entwicklung zu beschleunigen und Hilfen für praktisches Handeln im Bereich der Jugendhilfe geben zu können, wird die Pflegestellenerziehung in einem vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeinden durchgeführten Modell gefördert. Die Bundesregierung sieht wichtige Verbesserungen der Pflegestellenerziehung im Gesetzentwurf zum Jugendhilferecht. Zur Verbesserung der Pflegestellenerziehung sollen u. a. folgende Anforderungen gestellt werden: Erstens. Der Minderjährige soll in die Pflegefamilie langsam eingewöhnt werden. Zweitens. Pflegeeltern müssen sorgfältig ausgewählt werden und brauchen vor der Aufnahme des Minderjährigen, zu Beginn des Pflegeverhältnisses und in Krisensituationen gezielte Schulung und Beratung. Drittens. Zahlung eines angemessenen Familienpflegegeldes. Damit kommt zugleich zum Ausdruck, daß die Pflegeeltern eine wichtige Jugendhilfeaufgabe übernehmen. Viertens. Regelungen für die Familienpflegevermittlung.
Durch die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge sind erstmals Vorschriften zum Schutz des Pflegekindes in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden. Ab 1. Januar 1980 ist eine Trennung des Pflegekindes von den Pflegeeltern nicht mehr ohne weiteres möglich. Nach dem neuen § 1632 des Bürgerlichen Gesetzsbuches kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag der Pflegeeltern anordnen, daß das Pflegekind bei den Pflegeeltern bleibt, wenn und solange das Wohl des Kindes durch eine Wegnahme aus der Pflegestelle gefährdet ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 26 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf:
Sind der Bundesregierung die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt, wonach jährlich in der Bundesrepublik Deutschland ca. 12 000 Kinder wegen Vergiftungen durch Putz- und Spülmittel in Krankenhäusern behandelt werden müssen und innerhalb der letzten zehn Jahre über 500 Kinder an solchen Vergiftungen starben, und wann wird die Bundesregierung für die Packungen derartiger gefährlicher Mittel kindersichere Verschlüsse zwingend vorschreiben?
Frau Kollegin, nach meinen Feststellungen beruhen die von Ihnen genannten Zahlen auf der Schätzung eines Versicherungsunternehmens. Diese Zahlen kann die Bundesregierung nicht bestätigen, da eine Bundesstatistik auf diesem Gebiet nicht besteht. Anfragen beim Bundesgesundheitsamt, bei einzelnen Vergiftungszentralen und bei der Aktion „Das sichere Haus" haben keine Anhaltspunkte für ein solches Ausmaß von Vergiftungsfällen gegeben. Die in meinen Antworten vom 18. Januar und 18. Mai 1979 auf Ihre Anfragen wegen kindergesicherter Verschlüsse bei bestimmten Bedarfsgegenständen genannte DIN 55 559 „kindergesicherte Packungen" ist bisher auf Grund weiterer Einsprüche noch nicht abgeschlossen worden. Der Geschäftsführer des zuständigen DIN-Ausschusses rechnet nunmehr mit ihrer Verabschiedung bis Mitte dieses Jahres. Die inzwischen vom Bundesgesundheitsamt aufgestellte Liste von Bedarfsgegenständen für kindergesicherte Packungen bedarf noch einer eingehenden Uberarbeitung, bevor sie Grundlage für den Einsatz kindergesicherter Verschlüsse werden kann.
Ferner bestehen auch noch ungelöste technische Probleme. So gibt es z. B. in der Bundesrepublik für Bedarfsgegenstände wie Fleckenentferner, Farbverdünner, Pinselreiniger und Farbabbeizmittel noch kein geeignetes kindergesichertes Verschlußsystem, weil die enthaltenen Lösemittel das Kunststoffmaterial der Verschlüsse angreifen und somit das Sicherheitssystem bis zur Funktionsunfähigkeit beeinträchtigen. Solange diese Schwierigkeiten nicht ausgeräumt sind, kann kein Zeitpunkt angegeben werden, wann für Haushaltsmittel, die zu Gesundheitsschäden führen können, kindergesicherte Verschlüsse festgelegt werden.
Angesichts dieser Sachlage muß dafür Sorge getragen werden, daß die in wichtigen Teilbereichen realisierbaren Schutzmaßnahmen auf freiwilliger Basis möglichst umgehend getroffen werden. Die Hersteller von kindergesicherten Verschlüssen haben hierzu auf Veranlassung des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit entsprechende Vorschläge vorgelegt. Auf der Grundlage dieser Vorschläge sind in diesen Tagen die zuständigen Wirtschaftsverbände gebeten worden,, diejenigen Haushaltsmittel mit ätzenden und anderen gesundheitsschädlichen Eigenschaften, für die nach dem derzeitigen technischen Stand kindergesicherte Verschlüsse verwendet werden können, nur noch in gesicherten Packungen in den Verkehr zu bringen.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf die statistischen Grundlagen, d. h. auf die Zahlenermittlung. Ich habe hier schon mehrfach danach gefragt, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, wenn sie solche Zahlen immer wieder für unrealistisch hält, selbst dafür zu sorgen, daß die Zahlen bei Krankenhäusern, bei Ärzten auf einwandfreier Grundlage ermittelt werden. Meine erste Frage ist: Wie weit sind Sie hier gekommen?
Es gibt, wie gesagt, keine umfassende Bundesstatistik. Wir sind immer auf Rückfragen, etwa bei Giftzentralen und bei andeParl. Staatssekretär Zander
ren Einrichtungen, angewiesen, die uns naturgemäß auch keine vollständige Übersicht geben können. Es ist auch sehr schwierig, abzugrenzen, worauf einzelne Erkrankungen bei Kindern zurückzuführen sind und welche Ursachen dabei eine Rolle spielen. Ich kann Ihnen im Augenblick tatsächlich nicht in Aussicht stellen, daß wir gesichertere statistische Grundlagen bekommen werden. Dennoch reichen die Grundlagen, die wir haben, aus, um zu erkennen, daß hier ein Problem ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich bedanke mich zunächst sehr für ihre Antwort, wenn ich auch darauf hinweisen muß, Herr Staatssekretär, daß auch die von den Giftzentralen genannte Zahl von Vergiftungsfällen sehr hoch ist. - Meine zweite Frage indes bezieht sich auf die Rechtsverordnung auf Grund des Lebensmittelbedarfsgegenständegesetzes, von der Sie soeben gesagt haben, der Zeitpunkt sei nicht absehbar, wann Sie sie in Kraft setzen könnten. Darf ich daran erinnern, Herr Staatssekretär, daß meine letzten Fragen, die jeweils im Abstand von einem halben Jahr gestellt wurden, zu Ihrer Antwort geführt haben, Sie wären Mitte des letzten Jahres bzw. Anfang dieses Jahres in der Lage, eine derartige Verordnung herauszugeben. Wenn dies jetzt nicht möglich sein sollte, möchte ich Sie fragen, wie sie die eben von Ihnen angeführte Möglichkeit einschätzen, daß die Wirtschaftsunternehmen auf freiwilliger Ebene zu dem gleichen Ergebnis kommen.
Was die DIN-Norm angeht, so haben wir die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten bei den früheren Antworten in der Tat unterschätzt. Es hat sich herausgestellt - auch auf Grund von Einsprüchen, die man in diesem Umfang gar nicht übersehen konnte, die aber als solche in jedem Falle gerechtfertigt sind -, daß hier noch sorgfältiger gearbeitet werden muß, um die technische DIN-Grundlage für eine solche Entscheidung zu schaffen. Man kann hier nur auf einer gesicherten technischen und rechtlichen Grundlage vorgehen. Weil diese Dinge sich länger hingezogen haben, bemühen wir uns zur Zeit darum, auf freiwilliger Grundlage eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Ich kann nur hoffen, daß dies zu einem möglichst umfassenden Ergebnis führen wird. Da es sich um eine freiwillige Aktion handelt, kann ich jetzt aber noch nicht absehen, inwieweit sie erfolgreich sein wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für mindestens ebenso wirkungsvoll wie die vorgeschlagenen raffinierten technischen Konstruktionen und DIN-Normen, daß in Schule und Elternbildungseinrichtungen ständig und vermehrt auf die durch die technische Entwicklung steigenden Gefahren für Kinder hingewiesen wird?
Herr Kollege, ich muß sagen, daß ich in der Schule einen sehr unzweckmäßigen Ansatzpunkt sehe, denn es sind ja gerade die kleinen Kinder, die vor solchen Stoffen, die im Haushalt verwandt werden, geschützt werden sollen. Adressat solcher Informationen wären also in erster Linie die Eltern. Die Erfahrung zeigt aber, daß die Eltern auch bei bestem Willen gar nicht in der Lage sind, solche Gegenstände vor Kindern immer sicher zu verschließen, auch wenn sie über die Gefährlichkeit im Bilde sind. Deshalb liegt uns sehr daran, daß die technischen Möglichkeiten, die vorhanden sind, kindersichere Verschlüsse zu entwickeln, genutzt und solche Verschlüsse dann auch eingeführt werden. Das Risiko ist schließlich trotz vieler Informationen immer sehr groß. Man kann die Augen ja nicht überall haben. Die Schule ist somit - wie ich es sehe - ein unzweckmäßiger Ansatzpunkt. In der Öffentlichkeit sollte allerdings noch mehr auf die Gefahren hingewiesen und über sie aufgeklärt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 27 der Frau Abgeordneten Dr. Balser auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Beiträge zur Förderung einer kinderorientierten Gestaltung der Wohnumwelt, z. B. in der Verbesserung der Verkehrssicherheit und in der Verbesserung des Angebots an Kinderspielplätzen, geleistet werden konnten?
Frau Kollegin, der Bundesregierung liegt keine Übersicht vor, aus der Ihre Frage lückenlos beantwortet werden kann. So viel aber steht fest: Die Kritik an dem erheblichen Mangel an Spielplätzen und an der dürftigen Ausstattung bestehender Spielplätze hat im Jahr des Kindes großen Widerhall gefunden und vielfältige Aktivitäten ausgelöst. Überall in der Bundesrepublik ist das Jahr des Kindes zum Anlaß genommen worden, mehr kindgerechte Spielmöglichkeiten zu schaffen und einer kindorientierten Gestaltung der Wohnumwelt näherzukommen.
Der Frage, inwieweit Spielplätze als kinderfreundlich zu bewerten sind, waren nicht nur Informationsveranstaltungen und Wettbewerbe gewidmet, sondern ebenso die Überprüfung der Spielplätze vor Ort und die Entwicklung von Spielplatzbedarfsplänen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, die Frage ist sicher etwas weit gespannt; darf ich trotzdem zusätzlich fragen: Wäre es der Bundesregierung möglich - vielleicht durch eine Umfrage insbesondere in größeren Städten -, festzustellen, wieweit durch gezielte Wohnumweltverbesserungen, durch Einbeziehung von Spielmöglichkeiten innerhalb des nahen Wohnbereichs für Kinder die Verkehrssicherheit oder die Sicherheit des Sich-Bewegens im Straßenbereich hat gefördert werden können, damit auf diesem in der Bundesrepublik noch relativ neuen Feld auch Anregungen weiter vermittelt werden können?
Frau Kollegin, es hat im Jahr des Kindes selbstverständlich ganz wichtige Initiativen des Bundedesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und des Bundesver16148
kehrsministers auf diesem Gebiet gegeben, die auch zu sichtbaren Erfolgen geführt haben. Die Berichte, die hierüber vorliegen, werden zur Zeikt im Abschlußbericht der nationalen Kommission für das Jahr des Kindes zusammengefaßt. Wenn er vorliegt, werden Sie darin das, was Sie durch eine Umfrage zu ermitteln bitten, dokumentiert finden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Da hier auch nach der Verkehrssicherheit gefragt ist, möchte ich gern wissen, ob und in welcher Weise die Bundesregierung weiter darum bemüht ist, die bedauerlich geringe Verkehrssicherheit der Kinder zu fördern, was z. B. auch durch eine neue Führerscheinprüfungspraxis geschehen könnte, indem man beispielsweise Autofahrer fragt, wie sich Kinder im Straßenverkehr überhaupt benehmen können.
Ich weiß nicht, ob es zweckmäßig ist, beim Führerschein anzusetzen. Aber angesichts der Zahl der Verkehrsunfälle, in die Kinder verwickelt sind, ist es ganz sicher notwendig, die Information darüber zu verbessern, wie Kinder Verkehrsabläufe empfinden und darauf reagieren. Der Bundesminister für Verkehr hat im Rahmen der internationalen Verkehrsausstellung in Hamburg mit Plakaten und akustischen Mitteln dargestellt, wie sich Kinder im Verkehr verhalten. Diese Verkehrsausstellung wurde inzwischen als Wanderausstellung in mehreren Städten der Bundesrepublik gezeigt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, inwieweit die haftungsrechtlichen Hemmnisse beseitigt werden können, die heute noch vielfach einer Spielplatzgestaltung entgegenstehen, die wirklich kreatives Spielen durch Kinder ermöglicht und Spielplätze bevorzugt, die außer Standardklettergerüsten den Kindern auch andere Angebote machen?
Wenn es hier hemmende Vorschriften gibt, so kann man die Frage, ob man diese überprüfen will, nur bejahen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Langguth auf :
Teilt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß der deutsche Vorsitzende der UN-Rauschgiftkommission ca. 65 000 Drogenabhängige und eine jährliche Zuwachsrate von ca. 10 v. H. nennt, die Einschätzung der Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Huber, und ihrer Staatssekretäre, die anhaltend, z. B. in Erklärungen vom 13. November 1979, 12. Dezember 1979 und 31. Januar 1980 behaupten, es gebe nur ca. 45 000 Drogenabhängige in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Zahl stagniere?
Herr Kollege Dr. Langguth, die Zahlen über den Bestand an Konsumenten harter Drogen variieren, je nachdem welche Basiszahl zugrunde gelegt wird und welche Dunkelziffer angenommen wird. Unter Berücksichtigung der Schätzzahlen für Konsumenten harter Drogen aus den einzelnen Bundesländern, der Angaben aus den Landeskriminalämtern sowie der
Zahl der bei den Gesundheitsämtern und Drogenberatungseinrichtungen bekanntgewordenen Fälle und der Dunkelziffer geht die Bundesregierung nach wie vor von einem Bestand von etwa 45 000 Konsumenten harter Drogen aus. In dem Aktionsprogramm der Bundesregierung vom 16. Januar 1980 hat sie diese Zahlen erneut veröffentlicht. Sie hat bei dieser Gelegenheit auch zu den in der Öffentlichkeit genannten Zahlen von 60 000 bzw. 80 000 Konsumenten Stellung genommen und dargelegt, daß diese Zahlen als überhöht angesehen werden müssen. Für die Höhe der Dunkelziffer gibt es keine fundierte Schätzung; sie scheint jedoch niedriger zu sein, als in der Öffentlichkeit angenommen.
In Wien hat der deutsche Vorsitzende der UN-Suchtstoffkommission die in dem Aktionsprogramm der Bundesregierung genannte Zahl von 45 000 Konsumenten harter Drogen dargestellt. Er ist jedoch auch auf die höheren Schätzzahlen und deren Problematik eingegangen. Anscheinend haben Pressemitteilungen seine Darstellung nur verkürzt wiedergegeben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Auch wenn die politische Gewichtung der Frage der Gefährdung vor allem der jungen Generation durch harte Drogen nicht allein von konkreten Zahlen abhängt, ob es 40 000 oder 60 000 sind, so muß dennoch darauf hingewiesen werden, daß Frau Minister Huber in einer Erklärung von 38 000 sprach, daß in Erklärungen Ihres Ministeriums von 45 000 die Rede war, daß es in der Begründung zum Regierungsentwurf zum Betäubungsmittelgesetz 40 000 bis 50 000 waren. Ich meine, daß der deutsche Vorsitzende der UN-Rauschgiftkommission die Schätzzahl von 60 000 genannt hat; denn ich habe keine Zweifel an der Presseberichterstattung. Herr Präsident Herold vom Bundeskriminalamt hat von 60 000 gesprochen.
Herr Abgeordneter Dr. Langguth, Sie sollten zu Ihrer Frage kommen.
Ich stelle die Frage, ob die Bundesregierung nicht versuchen sollte, zu einer einheitlichen Sprachregelung zu kommen.
Zu einer einheitlichen Sprachregelung kann man kommen, wenn man zu einem jeweils gegebenen Zeitpunkt eine Aussage macht. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Zahlen variieren. Wir stützen uns nicht auf irgendwelche Schätzungen, die wir selbst anstellen, sondern wir nehmen die Schätzzahlen der Drogenbeauftragten der Länder und addieren diese Zahlen. Darin sind auch Hochrechnungen auf Grund der bekannten Dunkelziffer enthalten, die möglicherweise auch in einzelnen Bundesländern ganz unterschiedlich sind. Daß diese Zahlen im Zeitablauf etwa bei der Abfassung der Begründung des Betäubungsmittelgesetzes als Addition für die Bundesrepublik eine andere Zahl ergeben haben mögen, ist eine Sache, die Sie nicht der Bundesregierung anlasten können. Hier sind zu verschiedenen Zeitpunkten Schätzungen adParl. Staatssekretär Zander
diert worden, und dies hat zu etwas variierenden Zahlenangaben geführt. Ich stimme Ihnen aber im Kern zu, daß es im wesentlichen darauf ankommt, etwas zu unternehmen; denn das Problem ist auch bei 45 000 Drogenabhängigen dramatisch genug.
Eine Zusatzfrage.
Ich möchte gern wissen, ob Sie die Auffassung - die nicht die meinige wäre - teilen, daß eine Stagnation der Zahl der Konsumenten harter Drogen festzustellen ist, angesichts der Tatsache, daß die Strafverfolgungsstatistik für 1975 8 792 Verurteilungen ausweist, für 1976 10 132, für 1977 11 874 und für 1978 sogar 15 712 Verurteilungen und damit ein erheblicher Anstieg festzustellen ist, noch mehr als der Anstieg von etwa 10 %, von dem der Drogenbeauftragte gesprochen hat?
Die Zahl der Verurteilungen bei Rauschgiftdelikten läßt überhaupt keine Schluß darauf zu, wie hoch die Zahl der Konsumenten harter Drogen ist. Hierin dokumentiert sich auch die wesentlich höhere Aufklärungsquote, die in den letzten Jahren Gott sei Dank erreicht worden ist.
({0})
Aber auch hier sind wir auf Schätzungen angewiesen, auch hier handelt es sich in einer gewissen Marge um Spekulationen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Laufs.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen möglich, die Zahl der Dauerkonsumenten von weichen Drogen und das Potential derer, die zu Konsumenten harter Drogen werden können, abzuschätzen?
Das erste ist mir im Moment nicht möglich. Ich kann Ihnen möglicherweise Unterlagen darüber verschaffen, wie hoch der Anteil derjenigen geschätzt wird, die von weichen Drogen auf harte Drogen übergehen. Aber das erste ist zu diffus in seiner Abgrenzung. Die Frage der Dauer des Konsums und der Art des Konsums sind außerordentlich schwierig abzugrenzen. Ich vermute, darüber gibt es keine einigermaßen verläßlichen Unterlagen. Wenn ich hier jetzt etwas sagte, würde ich wieder eine Frage in einigen Monaten provozieren, warum nun von irgendeiner anderen Stelle eine andere Schätzung angegeben wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung nicht die Auffassung, daß angesichts der Dramatik der Situation auch hohe Schätzzahlen, wie sie eben in der Frage des Kollegen Langguth angesprochen worden sind, der Öffentlichkeit mitgeteilt werden müssen, um auch jeder Gefahr einer Verniedlichung und Verharmlosung der Situation zu begegnen?
Daß die Bundesregierung die Situation nicht verharmlost, sehen Sie daraus, daß von der Bundesregierung allein in den letzten Monaten mit der Vorlage des Betäubungsmittelgesetzes und mit der Vorlage des Aktionsprogramms zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschgiftkonsums ganz entscheidende Schritte eingeleitet wurden. Es ist in meinen Augen aber äußerst unseriös, nicht fundierte Schätzungen von verschiedenen Instanzen jeweils der Öffentlichkeit vorzulegen. Für die Bundesregierung werden wie bisher die addierten Schätzzahlen der Drogenbeauftragten der Länder Grundlage für die Gesamtsituation sein.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Die Fragen 31 und 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}), 33 und 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele und 42 und 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz ({1}). - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 30 der Frau Abgeordneten Benedix-Engler. - Die Abgeordnete ist ebenfalls nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:
Teilt der Bundesverkehrsminister die Auffassung, daß die Beschränkung des Fernsprechnahbereichs auf 20 Kilometer in den dünnbesiedelten ländlichen Regionen zu einer Benachteiligung gegenüber den Ballungsgebieten führt, und ist der Bundesverkehrsminister aus diesem Grund bereit, in solchen dünnbesiedelten Räumen, wie z. B. im westmittelfränkischen Bundeswahlkreis Ansbach, statt dessen den 30-Kilometer-Entfernungsbereich vorzusehen?
Herr Kollege, die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, daß die vorgenommene Nahbereichsabgrenzung zu einer Benachteiligung der dünnbesiedelten Gebiete gegenüber den Ballungsgebieten führt. Durch die im neuen Tarifsystem geschaffenen 20-km-Fernsprechnahbereiche entstehen gegenüber den bisherigen Ortsnetzen um ein Vielfaches vergrößerte einheitliche Tarifgebiete. Mit diesen neuen Tarifgebieten werden vorhandene Tarifungerechtigkeiten zwischen städtischen Bereichen und dem flachen Land stark abgebaut und wird sichergestellt, daß jeder Bürger mit seiner Gemeindeverwaltung zur niedrigsten Gesprächsgebühr telefonieren kann. Nur in Grenz- und Küstengebieten sind 25bzw. 30-km-Radien der Nahbereiche vorgesehen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß zahlreiche kommunal- und regionalpolitische Gremien, Kreis-, Stadt- und Gemeindeparlamente exakt diese Benachteiligungen vorgetragen haben, und wollen Sie mit Ihrer Antwort zum Ausdruck bringen, daß all diese Gremien nach Ihrer Auffassung eine unrichtige Konsequenz dieser Nahbereichsregelung prognostizieren?
Herr Kollege, Benachteiligungen - gemessen am Grad der Wünsche der Gemeinden und der betroffenen Bürger - will ich gern zugeben. Aber wir gehen ja von einem vorhandenen System aus. Die Ungerechtigkeiten des bisherigen Systems, wo viele Bürger in ganz kleinen Ortsnetzen nur mit wenigen Dutzenden oder Hunderten von Menschen zum gleichen Tarif telefonieren konnten wie die Bürger in Großstädten, die mit vielen Tausenden von Teilnehmern sprechen konnten, werden durch das neue System weitgehend abgebaut. Natürlich gibt es darüber hinaus immer noch Wünsche, den einen oder anderen Ortsbereich mit zu erreichen. Dies ist aber angesichts der technischen Konzeption des Nahbereiches überhaupt nicht möglich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, muß also davon ausgegangen werden, daß Sie trotz dieser Bedenken bei der jetzt beschlossenen - nach unserer Auffassung starren - Regelung bleiben, und sind Sie auch nicht bereit, angesichts der offenkundig werdenden negativen Entwicklungen differenzierende Entscheidungen korrigierend zu treffen?
Ich habe schon wiederholt Gelegenheit gehabt, in der Fragestunde zu diesem Komplex Stellung zu nehmen, Herr Kollege Spranger.
Erstens lassen sich bei diesem technischen Konzept unterschiedliche Regelungen, die auf verschiedene Gegebenheiten in bestimmten Regionen Rücksicht nehmen, nicht realisieren. Es muß ein einheitliches Konzept sein.
Zweitens habe ich wiederholt darauf hingewiesen, daß es nach den Erfahrungen mit diesem Nahbereitskonzept selbstverständlich auch das Bestreben der Deutschen Bundespost sein wird, dieses Konzept weiterzuentwickeln; das heißt, die Tendenz wird dahin gehen, die Nahbereiche später Zug um Zug zu vergrößern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerlach.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht den Fall für unerträglich halten, daß ein ganzer Landkreis in den 20-km-Nahbereich hineinfällt, aber eine einzige Gemeinde, nämlich die am weitesten entfernte, die strukturell sowieso sehr stark benachteiligt ist, diesen Vorzug des Nahbereichs nicht genießen kann, und sollte nicht wenigstens in einem solchen extremen Fall eine Ausnahmeregelung getroffen werden?
Herr Kollege Gerlach, wir haben eine ganze Anzahl solcher Fälle. Es gibt nicht einen einzelnen Extremfall, sondern in den Randbereichen, insbesondere in den sehr dünn besiedelten Gebieten, treten diese Fälle immer wieder auf. Nur muß man sehen, daß das technische Konzept eine solche Ausnahme gar nicht zuläßt, weil natürlich die Verschiebung eines Meßpunktes, die Einbeziehung eines weiteren Ortsnetzbereiches automatisch Auswirkungen auf alle anderen Ortsnetzbereiche hätte. Insofern würde das also eine weitgehende Verschiebung dieses Konzepts nach sich ziehen. Dies ist nicht möglich. Es würde das gesamte Konzept, an dem mehrere Jahre gearbeitet worden ist, in Frage stellen. Deswegen habe ich zum Ausdruck gebracht, daß wir nach den Erfahrungen mit diesem neuen Nahbereichskonzept natürlich - sobald das möglich ist - versuchen werden, diese - aus der Sicht der Betroffenen - Ungereimtheiten abzubauen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie einem technischen Laien einmal erklären, weshalb es eigentlich unmöglich sein soll, in solchen extremen Grenzfällen eine Ausnahme zu machen, wenn man davon ausgeht, daß die Leitungen, aus denen diese Netze bestehen, ohnedies nie in der Luftlinie verlaufen, sondern meistens einen wesentlich längeren Weg als 20 km vom Ort des Anrufs bis zu dem Empfängerort zurücklegen?
Dies geht deswegen nicht, weil jeder Ortsbereich durch einen sogenannten fiktiven Meßpunkt, Mittelpunkt, mit dem anderen in einem 20-km-Radius verbunden ist. Wenn Sie also eine Beziehung von einem Ortsnetzbereich zu einem anderen verändern und sagen - das ist ja das, was Sie ansprechen -: Wir wollen in diesem Ausnahmefall über die 20 km hinausgehen, dann verschieben sich automatisch alle anderen Nahbereiche in der Umgebung dieses einen Ortsbereiches, und dann stimmt das ganze Konzept nicht mehr, weil das eben nicht nur in einem Fall ausgedehnt werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort dennoch entnehmen, daß das gilt, was im Raumordnungsbericht '78 von der Bundesregierung - sicherlich mit Ihrem Hause abgestimmt - erklärt worden ist, nämlich daß nach der technischen Durchführung des jetzigen Konzepts eine Überprüfung mindestens in der Richtung möglich sein wird, daß die Zentren der Verwaltung und der Versorgung in einem ganz bestimmten Bezugspunkt zu den peripheren Orten gebracht werden?
Ich habe zum Ausdruck gebracht - ich will es wiederholen -, daß nach einem bestimmten Zeitablauf der Erfahrung mit diesem neuen Nahbereichssystem die Post selbstverständlich daran interessiert sein wird, das,
was heute von dem einen oder anderen als Ungereimtheit angesehen wird, auszubügeln. Das kann nur dadurch geschehen, daß die Nahbereichszonen generell ausgedehnt werden, d. h. daß auch entfernte Punkte in die Nahbereiche einbezogen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie mehrmals von einem Erfahrungszeitraum gesprochen haben, frage ich Sie, wie lange dieser sein wird, wie lange Sie benötigen, um das Konzept noch einmal zu überprüfen.
Ich denke, daß es mindestens zwei Jahre sein müssen.
Die letzte Zusatzfrage in der heutigen Fragestunde stellt Herr Abgeordneter Paterna.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Lage, den Kollegen von der Opposition mit Zahlen deutlich zu machen, daß es sich hier nicht um eintretende Nachteile, sondern um wesentliche Verbesserungen handelt? Und können Sie mir weiter bestätigen, daß es gerade Kollegen von der Opposition gewesen sind, die die Einführung der Nahbereiche, welche zu wesentlichen Vorteilen führen, hier zu blockieren versucht haben?
({0})
Herr Kollege Paterna, ich habe eingangs darauf hingewiesen, daß ich schon wiederholt Gelegenheit hatte, in der Fragestunde auf die Vorteile der neuen Regelung, insbesondere für die Bewohner in den dünnbesiedelten ländlichen Zonen, hinzuweisen.
({0})
Zweitens will ich Ihnen gern bestätigen, daß es im zuständigen Ausschuß sehr großer Mühe bedurfte, die Kollegen der Opposition dazu zu bringen, das Konzept mitzutragen.
Sie können sicher mitfühlen, wie ich hier oben bei einer solchen Diskussion blokkiert bin. Aber Disziplin erfordert, daß sich auch der Präsident daran hält.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.