Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende Mitteilungen zu machen.
Die Fraktion der FDP hat für die aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedene Abgeordnete Frau Funcke den Abgeordneten Spitzmüller als Stellvertreter des Abgeordneten Kleinert im Vermittlungsausschuß vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Spitzmüller als Stellvertreter des Abgeordneten Kleinert im Vermittlungsausschuß bestimmt.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 15. Januar 1980 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Interparlamentarischen Union fiber die 66. Jahreskonferenz der IPU in Caracas vom 11. bis 22. September 1979 ({0})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({1})
Verteidigungsausschuß
Ausschuß für Jugend. Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 3. bis 11. Oktober 1979 in Straßburg ({2})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die 25. Jahrestagung vom 22. bis 27. Oktober 1979 in Ottawa ({3})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({4}) Verteidigungsausschuß
Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Entscheidung zur Verabschiedung des Jahresberichtes fiber die Wirtschaftslage der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der wirtschaftspolitischen Leitlinien fur 1980 ({5})
zuständig:
Ausschuß für Wirtschaft ({6}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im
3. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1979 ({7})
zuständig:
Haushaltsausschuß
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 6006 Tit. 686 18 - Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft - Abt. Ausrichtung - zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens ({8})
zuständig:
Haushaltsausschuß
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgaben bei Kap. 10 02 Tit. 656 51 - Altershilfe für Landwirte - und bei Kap. 10 02 Tit. 656 55 - Krankenversicherung der Landwirte - im Haushaltsjahr 1979 ({9})
zuständig:
Haushaltsausschuß
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 - Prämien nach
dem Wohnungsbauprämiengesetz - ({10})
zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll Nummer 1 der Sammelübersicht 52 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/3045 -, über die in der 178. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Oktober 1979 noch kein Beschluß gefaßt wurde, dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister für Forschung und Technologie haben mit Schreiben vom 10. Januar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Zeitel, Hauser ({11}), Lenzer, Engelsberger, Dr. von Wartenberg, Spranger, Dr. Waigel, Kiechle, Niegel, Wimmer ({12}), Landre, Dr. Bötsch, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Glos, Feinendegen, Dr. Hoffacker, Spilker, Dr. van Aerssen, Benz, Gerstein, Dr. Hubrig, Biehle, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Dr. Blüm, Sick, Kraus, Krey, Dr. Mikat, Frau Benedix-Engler; Voigt ({13}), Frau Hoffmann ({14}). Dr. Jobst, Dr. Rose und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Staatliche Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 8/3481 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3555 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 17. Januar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wehner und Mischnick und der Fraktionen der SPD und FDP betr. Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - Drucksache 8/3478 -beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3565 verteilt.
Präsident Stücklen
Der Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 17. Januar 1980 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Voss, Dr. Jaeger, Dr. Todenhöfer, Spilker, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Graf Huyn, Spranger, Graf Stauffenberg, Klein ({15}), Dr. Jobst, Kiechle, Regenspurger, Biehle, Dr. Bötsch, Dr. Sprung, Broil, Dr. Wittmann ({16}), Dr. Müller, Dr. Langner, Würzbach, Dr. Hoffacker, Kittelmann, Dr. von Geldern, Niegel, Dr. Probst, Frau Krone-Appuhn, Neuhaus, Dr. Narjes und Genossen betr. Wahlen in Rhodesien/Zimbabwe - Drucksache 8/2862 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3572 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschlug des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 12. Dezember 1979 bis 15. Januar 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/3567 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen Oberwiesen:
Aufhebbare Dreiundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Αußenwirtschaftsgesetz - ({17})
Oberweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 20. März 1980 vorzulegen
Aufhebbare Verordnung zur Ănderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({18}) ({19})
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 17. April 1980 vorzulegen
Aufhebbare Vierzigste Verordnung zur Ănderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - ({20})
Oberweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 24. April 1980 vorzulegen
Aufhebbare Vierundvierzigste Verordnung zur Ănderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksache 8/3540)
Oberweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 24. April 1980 vorzulegen
Aufhebbare Verordnung zur Ănderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({21}) ({22})
Oberweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 17. April 1980 vorzulegen
Aufhebbare Vierundsiebzigste Verordnung zur Ănderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({23})
Überweisung an den Αusschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 24. April 1980 vorzulegen
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/3552 Die Fragestunde wird entsprechend unserem Beschluß auf eine Stunde begrenzt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts auf.
Die Fragen 86 und 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Staatsminister Dr. HammBrücher zur Verfügung.
Die Frage 89 der Abgeordenten Frau Erler wird auf Wusch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Thüsing und die Fragen 91 und 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger wurden von den Fragestellern zurückgezogen.
Die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka ist gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien in dieser Woche unzulässig.
Die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Engelsberger ist ebenfalls gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien in dieser Woche unzulässig.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Was versteht die Bundesregierung unter „Kaltem Krieg", von dem der Bundesaußenminister am 6. Januar 1980 erklärt hat, daß die Bundesregierung einem Rückfall in den Kalten Krieg keinen Vorschub leisten will?
Herr Kollege Hupka, der Bundesminister des Auswärtigen hat als Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei auf deren Dreikönigstreffen am 6. Januar 1980 in Stuttgart in einer umfassenden Rede zur weltpolitischen Lage Stellung genommen. In dieser Rede hat er den der Öffentlichkeit zur Bezeichnung einer bestimmten Periode in der Geschichte der Ost-West-Beziehungen geläufigen Begriff des „Kalten Krieges" benutzt. Er wollte damit die Haltung seiner Partei in der gegenwärtigen politischen Situation verdeutlichen. Aus dem Text der Rede ergibt sich eindeutig, was er damit gemeint hat.
({0})
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, können Sie dem Hohen Haus vielleicht mitteilen, was der Herr Bundesaußenminister mit der Formulierung „kein Rückfall in den Kalten Krieg" gemeint haben kann?
({0})
Herr Kollege, ich bin gern bereit, die entsprechende Passage aus der Rede von Herrn Bundesaußenminister Genscher hier vorzulesen. Er sagte:
Wir werden' selbstbewußt und mit kühlem Kopf unseren Weg einer realistischen Entspannungspolitik weitergehen. Wir werden nicht zulassen, daß das in den letzten zehn Jahren Erreichte
. aufs Spiel gesetzt wird. Es muß vielmehr genutzt werden, um Vernunft und Realismus auch auf andere Teile der Welt zu übertragen und die Sowjetunion zu veranlassen, nicht in anderen Teilen der Welt die Grundsätze zu verletzen, die hier in Europa Gegenstand von Verträgen und Vereinbarungen sind. Es geht also nicht um die Frage, ob unsere Friedenspolitik, unsere Politik des Ausgleichs und der Verständigung mit dem Osten fortgesetzt werden soll oder nicht. Wir wollen das. Es geht darum, wie diese Politik über Europa hinaus weltweit verwirklicht werden kann.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, was versteht aber nun der Herr Bundesaußenminister unter „Kaltem Krieg", nachdem er den Ausdruck „keinen Vorschub leisten für den Rückfall in den Kalten Krieg" tatsächlich gebraucht hat?
Herr Kollege, ich glaube, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung,
({0})
einen Begriff der Zeitgeschichte, der meines Wissens 1947 von dem amerikanischen Kommentator Walter Lippmann geprägt wurde, amtlich zu interpretieren.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Voigt.
Frau Staatsminister, trifft es zu, daß der Herr Bundesaußenminister in der von Ihnen zitierten Rede den Begriff „Kalter Krieg" in einer wesentlichen Weise dadurch definiert hat, daß er gesagt hat, er könne auf jeden Fall dadurch vermieden werden, wenn ein absoluter Wahlsieg der CDU/CSU beim nächsten Bundestagswahlkampf verhindert werde?
({0})
Herr Abgeordneter Voigt, Sie sind sich sicher selber bewußt, daß dies eine Frage ist, die ich nicht zulassen kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja ({0}) auf:
Beabsichtigt der Bundeaußenminister, bei den bilateralen Konsultationen zur Vorbereitung der KSZE-Folgekonferenz mit Polen ({1}) auch die Einhaltung des Diskriminierungsverbots und die Gewährleistung der kulturellen und nationalen Eigenart für die Deutschen in den Gebieten östlich von Oder und Neiße sowie ihre Beteiligung an den bilateralen Kulturbeziehungen gemäß der UN-Charta, gemäß dem Politischen Menschenrechtspakt und den Prinzipien der KSZE-Schlußakte zu erörtern?
Herr Kollege Czaja, die deutschpolnischen KSZE-Konsultationen, für die ein Termin noch nicht bestimmt ist, werden sich auf alle Teile der Schlußakte von Helsinki beziehen.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, ist denn bei dem einleitenden jetzigen Gespräch mit dem polnischen Außenminister über die kulturellen Rechte der Deutschen gesprochen worden, nachdem der Bundesaußenminister diesbezüglich doch auch gegenüber dem Bundesrat im Wort ist?
Herr Kollege Czaja, wie Sie wissen, hat der Bundesaußenminister bei Gesprächen mit der polnischen Regierung wiederholt auf die Gewährleistung der kulturellen und sprachlichen Eigenart der Deutschen in Polen
hingewiesen. Wir haben immer wieder betont, Herr Kollege Czaja, daß diese Frage nur auf lange Sicht lösbar ist. Die Voraussetzung dafür, daß sie lösbar ist - das möchte ich hier auch wiederholen -, ist immer wieder die allgemeine Verbesserung der deutschpolnischen Beziehungen und ist ein Klima des gegenseitigen Vertrauens.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, nachdem Sie mir nicht gesagt haben, ob dieser Punkt im Dezember mit dem polnischen Außenminister angeschnitten wurde - das soil bei den Konsultationen eine Rolle spielen - frage ich Sie zusätzlich: Verfügt das Auswärtige Amt über ausreichende Dokumentationen - oder wird es sich solche beschaffen - über die Diskriminierung der Deutschen, über das Fehlen der deutschen Vereine, des muttersprachlichen Unterrichts und Gottesdienstes als Verstoß gegen Art. 27 des politischen Menschenrechtspakts?
Herr Kollege Czaja, wir haben uns darum bemüht - wir werden das auch in Zukunft tun -, alle Unterlagen und Dokumentationen zu beschaffen, die notwendig sind, um diesen Dialog in Gesprächen und Konsultationen fortsetzen zu können.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, werden bei den Konsultationen mit dem Blick auf Madrid in jedem Fall die Fragen des Volksgruppen-rechts der Deutschen eine Rolle spielen?
Herr Kollege Hupka, diese Frage wird auf jeden Fall bei der Vorbereitung zu der Madrider Folgekonferenz und sicher auch bei der Konferenz selbst zur Sprache kommen. Sie wissen aber sehr wohl, daß das im Zusammenhang mit der Erörterung aller Probleme geschehen muß.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Welche Hilfen leistet die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar oder gemeinsam mit Verbündeten und Vertragspartnern zur Minderung der Not der im Sudan und in Pakistan befindlichen ausländischen Flüchtlinge?
Herr Kollege Czaja, zunächst zur Lage im Sudan.
Die äthiopischen Flüchtlinge im Sudan werden vom UNHCR, also vom United Nations High Commissioner for Refugees, betreut. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die vom Hohen Kommissar für diese Aufgabe zur Verfügung gestellten Mittel in der Vergangenheit von der sudanesischen Regierung nicht voll in Anspruch genommen wurden.
Dem Vernehmen nach beabsichtigt die sudanesische Regierung, in absehbarer Zeit in Khartoum eine Konferenz einzuberufen, die zur Ausarbeitung eines Programms für die Betreuung der äthiopischen Flüchtlinge im Sudan beitragen soil. Sobald ein solches Programm ausgearbeitet ist, wird der Hohe Flüchtlingskommissar in einem Aufruf um dessen finanzielle Unterstützung ersuchen. Die Bundesregierung wird dann nicht zögern, die internationalen Bemühungen um Hilfsmaßnahmen für die Flüchtlinge im Sudan durch substantielle Mittelzuweisungen an den Hohen Flüchtlingskommissar und an andere internationale Organisationen zu unterstützen.
Zu Pakistan! Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1979 insgesamt 250 000 DM aus Mitteln der humanitären Hilfe für die Betreuung afghanischer Flüchtlinge in Pakistan zur Verfügung gestellt. Es hat den Anschein, daß lediglich die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt humanitäre Hilfe geleistet hat.
Zu Beginn dieses Jahres hat die Bundesregierung die Botschaft in Islamabad angewiesen, für 1 Million DM dringend benötigte Hilfsgüter wie Zelte, warme Bekleidung, Lebensmittel und Medikamente in .Pakistan zu beschaffen und den notleidenden Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Diese Hilfsmaßnahmen werden fortgesetzt, u. a. durch einen Hilfsflug voraussichtlich Ende dieses Monats, der dringend benötigte, in Pakistan nicht erhältliche Grundnahrungsmittel transportieren wird.
Sobald der Hohe Flüchtlingskommissar sein in Aussicht gestelltes Programm für die Betreuung der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan vorgelegt hat, wird die Bundesregierung aus Mitteln der humanitären Hilfe des Auswärtigen Amts weitere namhafte Beträge zur Verfügung stellen.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, bedeutet Ihre Antwort, daß bilateral für die 500 000 Flüchtlinge im Sudan bisher eigentlich nichts geleistet worden ist, und muß diese Hilfe nicht ebenso wie die für die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan - das letzte haben Sie ja unterstrichen - erheblich verstärkt werden?
Für den Sudan, Herr Kollege Czaja, versuchen wir wie immer auf dem Wege humanitäre Hilfe zu leisten, der am erfolgversprechendsten zu sein scheint. Das ist im Sudan bisher der Weg über den Hohen Flüchtlingskommissar gewesen.
In Pakistan haben wir auch vor, uns künftig überwiegend in die Organisation der Vereinten Nationen einzuschalten, weil sie eben in umfassender Weise mit der Situation der Flüchtlinge vertraut ist und entsprechende Hilfe leisten kann.
Im allgemeinen geben wir zuerst die Soforthilfe aus den Mitteln des Auswärtigen Amts und versuchen uns dann in die internationalen Bemühungen einzufädeln.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, um den Erfolg zu sichern: Reicht eigentlich die Ausstattung der internationalen Organisationen für diese weltweite Nothilfe, die in den letzten Jahren sicher außerordentlich ausgedehnt worden ist - auch die Informationen darüber -, und reicht eigentlich die personelle und sachliche Ausstattung der betreffenden Referate des Auswärtigen Amts, um diese Hilfen rasch und weltweit sicherzustellen, oder muß da nicht noch einiges international mit Hilfe der Bundesregierung und national geschehen?
Herr Kollege, das zuständige Referat im Auswärtigen Amt ist für diese ständig zunehmende Aufgabe verstärkt worden. Im internationalen Bereich muß man natürlich leider feststellen, daß das in der ganzen Welt schrecklich zunehmende Flüchtlingselend nicht so zu bewältigen ist, wie es im Interesse unserer humanitären Verantwortung wünschenswert wäre. Aber wir bemühen uns ja außerordentlich mit immer wieder steigenden eigenen Leistungen gerade an den Hohen Flüchtlingskommissar, unserer Verantwortung und Verpflichtung gerecht zu werden, und werden das auch in Zukunft tun.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schlei.
Frau Staatsminister, ist bilaterale Hilfe nicht in gewisser Weise auch dadurch gewährleistet, daß mit Mitteln der Bundesregierung z. B. das Deutsche Rote Kreuz sehr unterstützt wird, so daß dadurch die Menschen, die hier gemeint sind, deutsche Hilfe auch direkt erfahren?
Ja, wir haben gerade bei den Vietnam-Flüchtlingen und in Indonesien - wo wir alle Bemühungen, internationale, nationale und private Initiativen, unterstützt haben - unter Beweis gestellt, daß wir hier nicht nur auf eine Organisation setzen, sondern alle Hilfswilligen unterstützen und aktivieren wollen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Die Fragen 60 des Abgeordneten Kuhlwein und 63 und 64 des Abgeordneten Kolb werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Engelsberger wird gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für diese Woche für unzulässig erklärt.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Dr. Schachtschabel auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Demgemäß werden die Fragen 55 und 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Schachtschabel schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Pensky auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal.
Präsident Stücklen
Die Fragen 57 und 58 des Herrn Abgeordneten Pensky werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwencke ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird demgemäß schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Erwägt die Bundesregierung nach dem Mord an dem türkischen Lehrer Celattin Kesim in Berlin und der Zunahme von Übergriffen türkischer Faschisten auf demokratisch gesinnte Landsleute in der Bundesrepublik Deutschland ein Verbot faschistischer türkischer Organisationen, an ihrer Spitze der „Grauen Wölfe"?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Bundesregierung hat in der zurückliegenden Zeit die Bundesländer nachdrücklich gebeten, vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Türkei die Aktivitäten türkischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland sorgfältig zu beobachten. Sie hat die jüngsten Vorfälle erneut zum Anlaß genommen, die Länder auf die Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung hinzuweisen.
Ob auf Grund dieser Vorfälle, zu denen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, strafpolizei- oder ausländerrechtliche Maßnahmen getroffen werden müssen, unterliegt der alleinigen Zuständigkeit der zuständigen Landesbehörden. In Fortführung ihrer bisherigen Praxis lehnt es die Bundesregierung aus grundsätzlichen Erwägungen ab, sich zu etwaigen und in ihre Zuständigkeit fallenden rechtlichen Maßnahmen wie Verboten in der Üffentlichkeit zu äußern.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es nicht doch einen Anlaß, auch vom Bund her das Verbot gerade der „Türk"-Organisation zu erwägen, weil diese bundesweit arbeitet und vor allen Dingen - natürlich unverkennbar - Verbindungen und Beziehungen zu ausländischen faschistischen und rechtsextremen Organisationen unterhält?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Thüsing, meine Antwort bezüglich des Verbots hat ihren Grund nicht darin, daß ich behaupten würde, die Bundesregierung sei nicht zuständig, sondern der Grund für meine Antwort liegt darin, daß es die Bundesregierung in ständiger Übung ablehnt, zu Vereins-, Organisations- oder Parteiverboten in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Die Gründe dafür sind, glaube ich, einleuchtend.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir mitteilen, ob und wie viele Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder türkischer faschistischer und rechtsextremer Organisationen, vor allen Dingen gegen Mitglieder der „Türk"-Organisatiοn und der „Grauen Wölfe", eingeleitet worden sind und ob es schon Ausweisungen aus der Bundesrepublik oder Einreiseverbote für Mitglieder solcher Organisationen gegeben hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Thüsing, ich bin selbstverständlich gern bereit, Ihnen diese Zahlen, soweit sie das Innenressort betreffen und uns bekannt sind, mitzuteilen. Soweit es um Ermittlungsverfahren geht, würde ich Ihre Frage an den Justizminister weitergeben. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich die Zahlen jetzt nicht aus dem Ärmel schütteln kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, sind Sie bei Ihrer Weitergabe des entsprechenden Gegenstands auch bereit, den zuständigen Ressortminister zu bitten, uns Auskunft darüber zu geben, wieviel Ermittlungsverfahren in Fällen von linkstürkischen militanten Organisationen eingeleitet oder inzwischen durchgeführt worden sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich bin ich gerne dazu bereit.
Es ist so - das ist der eigentliche Grund für die Sorge, mit der die Bundesregierung diese Entwicklung beobachtet - daß die Gefahr besteht, daß sich die innenpolitischen Auseinandersetzungn in der Türkei hier durch Auseinandersetzungen von rechts- und linksextremistischen Gruppierungen entladen.
({0})
Selbstverständlich werde ich versuchen, diese Zahlen für Sie zu bekommen.
Aber ich möchte vielleicht noch sagen: In den Zahlen wird sich nur ein Teil des Problems widerspiegeln, weil die Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen immer wieder vor der großen Schwierigkeit stehen, Beweise in einem gesellschaftlichen Bereich führen zu müssen, der ihnen aus sehr unterschiedlichen Gründen oft verschlossen bleibt; sei es, daß die Opfer Angst haben, Aussagen zu machen, sei es, daß es Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten gibt, sei es, daß diese Gruppen der Auffassung sind, sie könnten ihre Probleme besser selbst lösen als unter Zuhilfenahme der deutschen Sicherheitsbehörden. Das alles macht nur einen beschränkten Einblick möglich. Deswegen gleich vorweg, bevor wir diese Zahlen übermitteln, diese einschränkenden Angaben über den Aussagewert solcher Zahlen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete von Bothmer.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung von amnesty international, die sie schon 1977 geäußert hat, wonach es kaum zweifelhaft erscheint, daß die Morde innerhalb Europas und somit auch in unserem Lande - also außerhalb der Türkei - vor allem von neofaschistischen Parteimitgliedern und rechtsgerichteten radikalen Türken verübt werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es ist zweifelsohne so, daß die rechtsextremistischen türkischen Organisationen in den letzten Jah15684
Parl. Staatssekretär von Schoeler
ren ihre Mitgliederzahl wesentlich erhöht, ihre Agitation und ihre Gewaltpropaganda wesentlich verschärft haben. Das bestätigt sich letzten Endes - das ist eine traurige Bestätigung - in dem Ereignis vom 5. Januar 1980 in Berlin.
Es gibt aber auch eine wesentliche Verstärkung der Mitgliederzahl und der Aktivitäten bei linksextremistischen türkischen Gruppierungen. Ich kann nicht gewichten, von welcher Seite aus mehr an Gefahren für die öffentliche Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht Ich kann das deshalb nicht gewichten, weil die Polizei und die Staatsanwaltschaften bei vielen einzelnen Vorfällen, die für die Beurteilung dieser Frage entscheidend sind, eben vor der Schwierigkeit stehen, nicht feststellen zu können, wer angefangen hat und wer nicht. Es gibt Fälle, in denen ist das ganz klar. Der Berliner Fall vom 5. Januar 1980 ist ein solcher, wo ein Mensch aus politischen Motiven von rechtsextremistischen türkischen Organisationen zu einem gewaltsamen Tod gebracht worden ist.
Aber ich glaube, es führt nicht weiter, mengenmäßig abwägen zu wollen, von wem Gewalt ausgeht. Wir können gewalttätige Auseinandersetzungen auf deutschem Boden nicht zulassen, von wem auch immer sie ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Kann die Bundesregierung den jüngsten Überfall türkischer Rechtsterroristen in Berlin auf politisch andersdenkende Landsleute, bei der ein Türke getötet und mehrere verletzt wurden, nachdem eine ganze Reihe ähnlicher Vorfalle in jüngster Zeit in anderen Städten der Bundesrepublik Deutschland mit steigender Tendenz zu beobachten sind, zum Anlaß nehmen, Konsequenzen zu ziehen, und wenn ja, an welche Konsequenzen denkt die Bundesregierung?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, ich habe die möglichen Konsequenzen bereits in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Thüsing dargestellt. Ich könnte das nur wiederholen; Das ist aber wohl nicht nötig.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zu tun = Sie haben das schon angesprochen -, um eine weitere Radikalisierung zu verhindern, wenn man beispielsweise weiß, daß die Dachorganisation der Förderation demokratischer türkischer Idealistenvereinigungen in Europa von Mitgliedern der MHP geleitet wird, einer Partei, die anscheinend für einige Hunderte von Morden unter terroristischen Überfällen in der Türkei verantwortlich ist? Glauben Sie nicht auch, daß das letzten Endes zu einer weiteren Radikalisierung beiträgt bzw. daß hier bestimmte Fäden geknüpft worden sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es war gerade die zunehmende Bereitschaft zur Gewaltanwendung auf der rechtsextremistischen Seite der türkischen Organisationen, die uns in den letzten Jahren dazu veranlaßt hat, unsere Beobachtungstätigkeit zu verstärken. Das schlägt sich erstmals auch im Verfassungsschutzbericht 1978 nieder. Sie wissen das. Darüber haben wir bereits mehrfach miteinander gesprochen.
Wir haben darüber hinaus die Länder gebeten, ihre Beobachtungstätigkeit ebenfalls zu verstärken. Wir haben die Länder aufgefordert, dort, wo es nun nicht um eine beobachtende Tätigkeit der Behörden für Verfassungsschutz, sondern um die Durchführung konkreter, einen Einzelfall betreffender Maßnahmen des Ausländerrechts, des Polizeirechts oder des Strafrechts geht, die vorhandenen Mittel auszuschöpfen. Auf diesem Wege - verstärkte Überwachung auf der einen Seite, Ausschöpfung der Möglichkeiten des Strafrechts, des Ausländerrechts und des Polizeirechts auf der anderen Seite - glauben wir das zu tun, was möglich ist, um zu verhindern, daß diese Auseinandersetzungen auf den Boden der Bundesrepublik Deutschland überschwappen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung türkischen Gastrednern für Veranstaltungen der türkischen Kultur- und Idealistenvereine auch in Zukunft die Einreise in die Bundesrepublik erlauben, wenn zu erwarten ist, daß dabei Worte fallen wie z. B. im Oktober 1978 in der Dortmunder Westfalenhalle vor 12 000 Türken, wo der MHP-Chef Alpaslan Türkesch Sätze wie den folgenden - Herr Präsident, ich erlaube mir, aus dem Stand zu zitieren - gesprochen hat: „Die zur Versklavung unserer Bevölkerung in unsere Reihen geschmuggelten Diener der Ausbeuter und Moskauer Hunde, Kommunisten und Spalter haben in der Türkei kein Lebensrecht " Glauben Sie nicht auch, daß dadurch erst solche Situationen entstehen können, die dann eventuell zu solchen Ausschreitungen wie jetzt in Berlin führen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß wir uns darüber einig sind, daß das, was für andere Bereiche des Extremismus gilt, auch hier gelten muß, nämlich daß Verbote kein Allheilmittel sind, ob es nun Vereinsverbote oder Einreiseverbote sind. Ich will sie selbstverständlich aber auch nicht ausschließen. Wir reden, wenn überhaupt etwas gemacht wird, vorher nicht darüber, weil wir darüber öffentlich nicht diskutieren. Aber die eigentliche Ursache des Problems ist eine andere; das sollte man, glaube ich, bei der Fragestellung berücksichtigen.·Im übrigen habe ich zu der Frage des Einreiseverbots hier schon einmal Stellung genommen. Ich bin gerne bereit, Ihnen die entsprechenden Auszüge aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages zuzuschicken.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, neben Ihrer Empfehlumg an die Länder, das Treiben rechtsextremer und faschistischer türkischer Organisationen stärker zu beobachten, den Ländern auch einen verstärkten Schutz demokratischer türkischer Vereinigungen durch die Polizei zu empfehlen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: "Herr Kollege Thüsing, eine solche Empfehlung könnte man nicht generell abgeben. Dann müßte man im Einzelfall - wie das auch sonst üblich ist - einen Hinweis darauf haben, daß eine bestimmte Person einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt ist, die es rechtfertigt, daß die Polizeien der Länder trotz angespannter Personallage eine Personenschutzmaßnahme durchführen. Da gibt es für türkische Gruppen keine anderen Regeln als für deutsche Staatsbürger. Wenn ein solcher Einzelfall gegeben ist, dann würden wir uns selbstverständlich auch an die Länder wenden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Stercken.
Herr Staatssekretär, gibt es über diesen Gegenstand auch Gespräche mit der türkischen Regierung?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dazu möchte ich Ihnen im Augenblick keine Auskunft geben.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
In welcher Weise wird sich die Bundesregierung daran beteiligen, die Absicht des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik, die Voraussetzungen für den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage mit einer Jahreskapazität von 350 t abgebrannten Kernbrennstoffen in Hessen zu prüfen, möglichst bald zu konkretisieren?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: In ihrem Beschluß vom 28. September 1979 zur Entsorgung der Kernkraftwerke haben die Regierungschefs von" Bund und Ländern u. a. folgendes festgestellt - ich zitiere -:
Damit die notwendige und nach dem Bericht des Staatssekretärsausschusses mögliche Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente auf einen möglichst kurzen Zeitraum begrenzt wird, muß darauf hingewirkt werden, daß eine Wiederaufarbeitungsanlage so zügig errichtet werden kann, wie dies unter Beachtung aller in Betracht kommender Gesichtspunkte möglich ist.
Die Regierungschefs sind deshalb übereingekommen, daß die Arbeiten für das integrierte Entsorgungskonzept unter Federführung des Bundes fortgeführt werden. Diese Arbeiten sollen vom BundLänder-Ausschuß für Atomkernenergie begleitet werden und u. a. auch Untersuchungen über Kapazitäten und Standortkriterien von Wiederaufarbeitungsanlagen einbeziehen.
Sollte die Absicht des Hessischen Ministers für Wirtschaft und" Technik, die Voraussetzungen für den Ban einer Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Kernstoffe in Hessen zu prüfen, zu dem Ergebnis führen, die Verfolgung eines derartigen Projektes für einen bestimmten Standort konkret aufzunehmen, so könnten etwa bis dahin vorhandene Ergebnisse der schon erwähnten Arbeiten des Bund-Länder-Ausschusses diesem Projekt bereits zugute kommen. Die Errichtung der Anlage selber müßte Gegenstand eines üblichen atomrechtlichen
Genehmigungsverfahrens nach § 7 des Atomgesetzes werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, bis zu welchem Zeitpunkt wind die Bundesregierung bei dieser Form der Beteiligung an der Prüfung in Hessen beurteilen können, ob diese hessische Initiative zu einem Fortschritt bei der Verwirklichung des neuen integrierten Entsorgungskonzeptes werden kann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, die Frage wird sich erst beantworten lassen, wenn die Überlegungen, die gegenwärtig im Bundesland Hessen angestellt werden, ein konkreteres Stadium erreicht haben. Gegenwärtig ist eine Beantwortung dieser Frage noch nicht möglich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, welche Überlegungen werden bei der Bundesregierung angestellt, um durch frühzeitige Maßnahmen dazu beizutragen, die öffentliche Akzeptanz an möglichen Standort n für die in Aussicht genommene hessische Wiederaufarbeitungsanlage sicherzustellen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, ich glaube; auch für die Beantwortung dieser Frage befinden wir uns noch in einem viel zu frühzeitigen Stadium der hessischen Überlegungen. Je nachdem, wie diese Überlegungen in Hessen weiter verfolgt werden, wird es auch über die von Ihnen angesprochene Frage einen Kontakt zwischen Bundes-und Landesregierung geben, und frühestens dann wage die Beantwortung dieser Frage möglich.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre Antwort, daß die Bundesregierung noch gar nicht mit der hessischen Absicht in dieser Frage befaßt wurde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Becker, wenn Sie die Presse verfolgt haben - das haben Sie -, dann haben Sie festgestellt, daß mehrere Mitglieder der Landesregierung von Hessen gesagt haben, daß eine bestimmte Frage geprüft wird. In dem gegenwärtigen Stand der Prüfungen ist der Bund mit dieser Angelegenheit nicht befaßt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung.
Die Fragen 70 des Herrn Abgeordneten Braun, 74 und 75 des Herrn Abgeordneten Gobrecht und 76 des Herrn Abgeordneten Conradi werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
15686 Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode Präsident Stücklen
Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf:
Trifft es zu. daß Bundesfinanzminister Matthöfer in einem Interview mit der Kölner Wirtschaftszeitung „aktiv” erklärt hat, daß alle Verbrauchsteuern des Bundes zusammengenommen im Jahr 1978 mit einem Aufwand erhoben worden seien, der lediglich 0,54v. H. des Aufkommens erreicht habe, und ist die Bundesregierung bereit, die Erhebungskosten für die einzelnen Verbrauchsteuerarten der absoluten Höhe sowie dem Prozentsatz nach mitzuteilen?
Herr Kollege, es trifft zu, daß Herr Minister Matthöfer in dem angesprochenen Interview erklärt hat, alle Verbrauchsteuern zusammengenommen hätten 1978 nur einen Verwaltungsaufwand von 0,54% des Aufkommens erfordert. Eine Aufschlüsselung dieser Verwaltungskosten auf die einzelnen Verbrauchsteuern kann jedoch nicht mitgeteilt werden. Dazu wären umfangreiche und aufwendige Erhebungen bei über 700 nachgeordneten Dienststellen erforderlich. Ich darf hinzufügen, Herr Kollege Voss, daß sich auch der Haushaltsausschuß, der einmal eine Aufstellung gefordert hat, mit der globalen Zahlenangabe begnügt hat. Hingegen läßt sich der Verwaltungsaufwand, für alle Verbrauchsteuern zusammengenommen, ohne Aufwand feststellen, da die Verbrauchsteuern insgesamt von eindeutig abgegrenzten Organisationseinheiten verwaltet werden, die sich regelmäßig auch nur damit befassen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die hier angegebene Zahl von 0,54% irreführend ist, da wir wissen, daß es insbesondere im Bereich der Bagatellsteuern eine Reihe von Steuern gibt, die prozentual einen bedeutend höheren Kostenaufwand erfordern?
Herr Kollege, ich habe davon gesprochen, daß der Aufwand, für alle Verbrauchsteuern zusammengenommen, 0,54 % beträgt. „Zusammengenommen" bedeutet, daß auch jene Sorte von Steuern in dieser Zahl enthalten ist, von der Sie gesprochen haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß diese Zahl, die ich nach wie vor für irreführend halte, vielleicht in die Richtung gehen sollte, den Bestrebungen, im Wege der Steuervereinfachung zum Abbau von Bagatellsteuern beizutragen, entgegenzuwirken?
Das kann schon deswegen nicht der Fall sein, Herr Kollege Voss, weil Herr Minister Matthöfer nachgewiesenermaßen einer der Vorreiter für die Steuervereinfachung ist
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, ich will das nicht kommentieren, was Sie eben gesagt haben, Sie aber fragen, warum Ihrer Meinung nach der Herr Bundesfinanzminister in „aktiv" diese an sich völlig irrelevante Relation überhaupt öffentlich dargeboten hat. Was wollte der Minister damit sagen, daß nur 0,54% Aufwand auf seiten der Verwaltung bei diesen Verbrauchsteuern anfielen?
Ich kann Ihnen deswegen darauf nicht antworten, weil in Ihrer Frage eine Wertung liegt, nämlich die, daß diese Mitteilung irrelevant sei.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, festzustellen, wo eine Wertung liegt, sollten Sie bitte mir überlassen. Wenn Sie darauf aber nicht antworten wollen, so liegt dies durchaus in Ihrer Zuständigkeit.
({0})
- Einen Moment, Herr Kollege Kunz!
({1})
- Bitte.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({2}): Herr Staatssekretär, ohne Wertung: Was hat der Bundesfinanzminister dem deutschen Volk oder der Öffentlichkeit mit dieser Aussage verkünden wollen?
Er hat eine Tatsachenfeststellung treffen wollen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten von der Heydt auf:
Ist es zutreffend, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen den Wertpapierfonds die Zeichnung öffentlicher Geldmarkttitel und Kassenobligationen generell untersagen will und im Fall der ,CarterBonds" in Einzelfällen untersagt hat, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls eine derartige Aufsichtspraxis unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit, wo doch Immobilienfonds in lombardfähigen Geldmarktpapieren, wie z. B. auch .Carter-Bonds", anlegen dürfen?
Herr Kollege, wegen des engen Sachzusammenhangs möchte ich, wenn Sie zustimmen, Ihre beiden Fragen gern zusammen beantworten.
({0})
Dann rufe ich noch die Frage 72 des Herrn Abgeordneten von der Heydt auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen anzuweisen, die Erwerbsmöglichkeiten lombardfähiger Geldmarktpapiere durch Wertpapierfonds und Immobilienfonds im Wege der Analogie bzw. ergänzender Gesetzesauslegung aneinander anzugleichen, oder beabsichtigt sie, die gesetzlichen Bestimmungen über die Erwerbsvoraussetzungen gegebenenfalls zu ändern, und wenn ja, wann und in welcher Weise?
Herr Kollege, es trifft zu, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen den Kapitalanlagegesellschaften auf deren Anfrage erklärt hat, eine Zeichnung von Kassenobligationen auch öffentlicher Emittenten sei für Wertpapierfonds nach geltendem Recht unzulässig. Dies betraf auch die im November 1979 erfolgte und vielleicht wieder bevorstehende Emission von sogenannten „Carter-Βonds".
Wertpapierfonds dürfen nach § 8 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften Wertpapiere nur erwerben, wenn diese an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder bereits in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind. Bei den Carter-Bonds war zwar - wie bei derartigen Wertpapieremissionen üblich - eine Einbeziehung in den geregelten Freiverkehr nach den Ausgabebedingungen vorgesehen, aber am Tage der Zeichnung noch nicht erfolgt. Anders als bei Wertpapierfonds schreibt der § 35 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften den Immobilienfonds eine bestimmte Mindestliquidität vor, die auch durch Erwerb von Wertpapieren erfüllt werden kann, die von der Deutschen Bundesbank zum Lombardverkehr zugelassen sind. Diese Voraussetzung war bei den „Carter-Bonds" bereits am Zeichnungstage gegeben.
Herr Kollege, die Bundesregierung hält eine analoge Anwendung der auf Grund spezieller Liquiditätserfordernisse bei Immobilienfonds erlassenen Vorschrift des § 35 des Kapitalanlagegesetzes auch auf Wertpapierfonds nicht für zulässig. Sie beabsichtigt aber, anläßlich einer Novellierung des Gesetzes
1 über Kapitalanlagegesellschaften den Wertpapierfonds auch die Zeichnung von Kassenobligationen öffentlicher Emittenten zu ermöglichen, soweit der Anlegerschutz hierdurch nicht gefährdet wird.
Eine Zusatzfrage, bitte.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, ich hatte in meiner Frage 71 oder 72 - wir behandeln sie ja zusammen - auch die Frage gestellt, wann eine gesetzliche Änderung - falls eine solche beabsichtigt sei - zu erwarten sei. Haben Sie vergessen, diese Frage zu beantworten?
Nein, Herr Kollege, ich habe es nicht vergessen. Nur habe ich bei der Beurteilung der Geschäftslage des Deutschen Bundestages und im Hinblick darauf, daß er nur noch einen nicht mehr allzu großen Tell seiner Legislaturperiode vor sich hat, auch zu erwägen gehabt - gerade bei der Untersuchung der Frage, wann das geschehen könne -, ob der Deutsche Bundestag noch dazu kommt; denn es ist so, daß der Finanzausschuß einer der zuständigen Ausschüsse ware, und der hat in dieser Legislaturperiode noch erhebliche Aufgaben vor sich.
Weitere Zusatzfrage.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, was könnte eigentlich der Anlegerschutzgesichtspunkt sein, der die Bundesregierung dazu veranlassen könnte, das weiter
restriktiv zu handhaben, wo doch Carter-Bonds und andere Kassenobligationen so liquide gehandelt werden wie amtlich notierte Wertpapiere an den Börsen auch?
Herr Kollege, die Bundesregierung beurteilt die Carter-Βοnds doch nicht, sondern sie sagt nur: Bei einer Novellierung muß der Anlegerschutz gewährt werden. Es ist zwischen Ihnen und mir ernsthaft kein Zweifel, daß das geschehen muß. Ich bin aber auch sicher, daß der Anlegerschutz beim Erwerb von Carter-Bonds gesichert ist.
Weitere Zusatzfrage.
von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}): Herr Staatssekretär, wo Sie jetzt sagen, daß dem Anlegerschutz bei Zeichnung von CarterBonds durch Wertpapierfonds kein Schaden entsteht - hierin stimmen wir überein -: Ist es dann nicht möglich, daß die Bundesregierung das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen anweist, bei den Anträgen von Kapitalanlagegesellschaften, Anlagen dieser Art tätigen zu dürfen, etwas großzügiger zu verfahren, wo doch dem Anleger nichts passieren kann?
Das, Herr Kollege, geht meines Wissens deswegen nicht, weil es hier nicht um Großzügigkeit oder Kleinlichkeit geht, sondern um den Gesetzestext. Der Gesetzestext - das wird für Sie eine ganz wichtige Information sein - beruht nicht auf einer Initiative der Bundesregierung, sondern stammt aus diesem Hohen Haus.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Enders auf:
Η 1t es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß die Finanzverwaltungen bei Steuerverzug einen monatlichen Zinssatz von 1 v. H. berechnen, der betächtlich liber den Zinskonditionen liegt?
Herr Kollege Enders, Säumniszuschläge werden nach der gesetzlichen Regelung bei verspäteter Zahlung in Höhe von 1 v. H. des rückständigen Steuerbetrages für jeden angefangenen Monat der Säumnis erhoben. Der Säumniszuschlag ist kein Zins, sondern ein Mittel besonderer Art - etwas mehr als der Zeigefinger - das den Steuerpflichtigen anhalten soll, seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachzukommen. Ein Vergleich mit den Bankzinsen kann daher nicht gezogen werden.
Im Hinblick auf die steuerpolitische Zielsetzung hält die Bundesregierung die Erhebung von Säumniszuschlägen grundsätzlich für gerechtfertigt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, steht dieser Säumniszuschlag nicht dicht an der Grenze der so15688
genannten Wucherzinsen, zumal der Staatsbürger diesen Zuschlag nicht selbst dann bezahlen muß, wenn er begründet gegen die Forderung Einspruch erhebt?
Haehser, Parl Staatssekretär: Ich kann diese Beurteilung, die Sie getroffen haben, Herr Kollege, nicht teilen. Die Regel ist Gott sei Dank, daß der Steuerpflichtige seinen Steuerverpflichtungen nachkommt. Für den Fall, daß er das nicht tut, wird dieser Zuschlag erhoben.
Sollte aus irgendwelchen Gründen der Steuerpflichtige nicht zahlen können, so gibt es die Möglichkeit der Stundung, die, wie Sie sehr wohl wissen, nicht kleinlich angewendet wird.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wieweit sind auf der anderen Seite die Finanzbehörden bereit, dem Staatsbürger, der zuviel Steuern gezahlt hat oder seine Rückforderung erst nach einem Jahr stellt, ebenfalls Zinsen oder einen Zuschlag zu zahlen?
Das geht in die Richtung, die in unserer kurzen Diskussion schon angesprochen wurde, Herr Kollege Enders. Säumniszuschläge - ich wiederhole - können nicht mit Erstattungszinsen verglichen werden, da die Säumniszuschläge nur dann zu entrichten sind, wenn ein fälliger Steuerbetrag nicht gezahlt wird, während Erstattungszinsen grundsätzlich den Zeitraum vor Fälligkeit des Anspruchs betreffen.
({0})
Ich kann die Debatte über diese Problematik gut verstehen, aber ich bitte Sie, auch meine Position zu würdigen.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Sie in dieser Position im Mittelalter einige Schwierigkeiten bekommen hätten. Da wurden in Nürnberg, soweit allein der Verdacht bestand, Leute mindestens eine Minute in die Pegnitz unter Wasser gehangen. Das haben die wenigsten gesundheitlich überstanden.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedmann.
Herr Staatssekretär, wie ist diese Ihre Einlassung mit Ihrer anderen Einlassung zu vereinbaren, die. Sie vor einigen Monaten zum gleichen Problem im Haushaltsausschuß abgegeben haben, daß es nämlich wegen technischer Schwierigkeiten nicht möglich sei, Steuerrückzahlungen zu verzinsen?
Haehser, Parl Staatssekretär: Das dürfte, wenn ich das im Haushaltsausschuß so gesagt habe, damit zu erklären sein, daß neben das, was ich gesagt habe,
auch die Tatsache technischer Schwierigkeiten tritt.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Blüm auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird genauso wie die ebenfalls von ihm gestellte Frage 78 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob Pressemeldungen zutreffen ({1}), wonach staatliche Stellen der DDR jahrelang Beihilfe zur illegalen Einfuhr von hochprozentigem Äthylalkohol von ausländischen Ostblockstaaten durch die DDR geleistet haben, wobei hohe Beamte des Staatssicherheitsdienstes die Alkoholtransporte bis zur innerdeutschen Grenze begleitet hätten, und fiber welche Zeit haben sich gegebenenfalls diese Gesetzesverstöße nach den Erkenntnissen der Bundesregierung erstreckt?
Herr Kollege Jäger, die Pressemeldungen sind auf die Aussagen eines Zollfahndungsbeamten in einem Strafverfahren wegen Steuerhehlerei vor dem Landgericht Augsburg zurückzuführen. Der Beamte hat dabei die Aussagen von Kraftfahrern wiedergegeben, die diese in anderen Strafverfahren über Alkoholschmuggeltransporte gemacht hatten, die in den Jahren 1972 bis 1977 durchgeführt worden sein sollen. Es handelt sich dabei um dieselben Informationen, die den Anfragen der Abgeordneten Dr. Kraske von Ihrer Fraktion 1979 und Dr. Kunz von Ihrer Fraktion 1978 zugrunde lagen. Die Bundesregierung hat bei der Beantwortung dieser seinerzeitigen Anfragen bereits dargelegt, daß sie eine Stellungnahme zur Bewertung dieser Angaben nicht abgeben kann, solange gerichtliche Tatsachenfeststellungen nicht vorliegen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung auf Grund der Auswirkungen, die solche Vorgänge auf dem deutschen Alkoholmarkt haben können, nicht gerade angesichts der Fragen meiner Kollegen die Notwendigkeit gesehen, diesen Fragen von sich aus nachzugehen und den Sachverhalt zu klären, notfalls in Gesprächen mit der DDR?
Herr Kollege Jäger, die zuständigen Behörden der Bundesregierung sind auf Grund der Informationen, die wir nicht per Fragestunde, sondern auch auf andere Weise bekommen haben, angewiesen worden, im Rahmen der üblichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs dem Schmuggel von Äthylalkohol besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bin eigentlich sicher, kann es aber nicht sozusagen mit amtlichem Stempel versehen, daß dies auch in Gesprächen mit der DDR angeklungen sein wird.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause mitteilen, welches Ergebnis
Jäger ({0})
sowohl diese Ermittlungen der Finanzbehörden als auch die Gespräche mit der DDR gezeitigt haben?
Herr Kollege, ich hatte nicht von Ermittlungen der Finanzbehörden gesprochen, sondern davon, daB die Finanzbehörden angewiesen worden seien, im Rahmen der üblichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs dem Schmuggel von Äthylalkohol besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Erfahrung lehrt, daß, wenn die Behörden dem Schmuggel bestimmter Güter besondere Aufmerksamkeit widmen, auch Erfolge zu erwarten sind. Ich werde Ihrer Frage aber gerne nachgehen und darauf in einem Brief an Sie noch einmal zurückkommen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.
Dr. Voss ({0}).: Herr Staatssekretär, werden derartige Vorkommnisse in derselben Weise verfolgt, wie sie beispielsweise im Vergleich zu anderen Ländern verfolgt werden, und sind Ihnen Fälle bekannt, wo Anweisungen gegeben worden sind, die Dinge doch mit einer gewissen Rücksichtnahme zu verfolgen, damit nicht andere Verhandlungen gestört würden?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß diese Vorgänge, die den Warenverkehr und den Handel mit der DDR betreffen, selbstverständlich so verfolgt werden, wie das beim Warenverkehr und beim Handel mit anderen Ländern geschieht. Davon gehe ich aus, und ich kann mir nicht denken und bestreite also - sollte in Ihrer Frage eine Unterstellung dieser Art enthalten gewesen sein -, daß wir bei den Verhandlungen mit der DDR das Thema „Schmuggel von Äthylalkohol" zum Anlaß nehmen, die DDR zu bitten, uns in der einen oder der anderen Frage entgegenzukommen.
Prasident Stücklen: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.
Herr Staatssekretär, warum wurden die Behörden erst jetzt angewiesen, gegen den Schmuggel von Äthylalkohol vorzugehen, nachdem doch schon seit Jahren bekannt ist, daß durch diesen Schmuggel der innerdeutsche Alkoholmarkt durcheinandergebracht wird?
Meine Antworten auf die gestellte Frage geben Ihnen, Herr Kollege Dr. Friedmann, keinen Anlaß, in einer Fragestellung zu behaupten, die Behörden seien erst jetzt angewiesen worden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 80 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
Welcher Schaden ist nach den Erkenntnissen der Bundesregierung dem Fiskus der Bundesrepublik Deutschland durch die illegale Einfuhr von Äthylalkohol aus Ostblockstaaten durch die DDR entstanden?
Herr Kollege Jäger, der Bundesregierung liegen, wie ich Ihnen ja schon sagte, Erkenntnisse über den. Schmuggel von Äthylalkohol aus der oder über die DDR in das
Bundesgebiet vor, und zwar seit 1964. Der Gesamtumfang beläuft sich auf ca. 1 060 000 Liter Äthylalkohol. Wenn die Informationen zutreffen sollten - was, wie ich schon ausgeführt habe, noch geklärt werden muß -´ ware dadurch ein Steuerausfall von rund 16 Millionen DM entstanden.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 81 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Kraftfahrzeugversicherungen ausländische Versicherte diskriminierend behandeln, indem sie die Versicherungsverträge von Tiirken, Griechen, Jugoslawen nach einem Schadensfall häufiger kündigen als bei deutschen Versicherten?
Liebe Frau Kollegin, der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Kraftfahrtversicherer griechische, jugoslawische oder türkische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland durch Kündigungen nach einem Schadensfall diskriminierend behandelt hätten.
Nach den Bestimmungen in § 4 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung ({0}), die allen Kraftfahrt-Versicherungsverträgen zugrunde liegen und die mit den Vorschriften in § 158 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes ({1}) übereinstimmen, haben Versicherungsnehmer und Versicherer das Recht, den Vertrag nach einem Schadensfall zu kündigen. Die Versicherer machen hiervon in der Regel dann Gebrauch, wenn ihr Versicherungsbestand „negativ' wind, wenn nämlich die Aufwendungen durch die Erträge nicht mehr gedeckt werden. Gekündigt werden dann die sogenannten schlechten Risiken, d. h. solche Verträge, die besonders stark mit Schadenzahlungen belastet sind. Das trifft grundsätzlich sowohl deutsche wie ausländische Versicherungsnehmer. Anhaltspunkte dafür, daß die Staatsangehörigkeit von Versicherungsnehmern für Kündigungen maßgebend gewesen sein könnte, liegen nicht vor.
Wenn dennoch bei den in der Frage genannten ausländischen Versicherungsnehmern teilweise häufigere Kündigungen nach Schadenfällen ausgesprochen worden sein sollten als bei deutschen, läßt sieh daraus allein noch nicht auf eine schlechtere Behandlung dieser ausländischen Versicherungsnehmer schließen. Gerade für diese ausländischen Versicherungsnehmer liegen nämlich statistische Unterlagen vor, die belegen, daß die Verträge dieser Verkehrsteilnehmer in deutlich erhöhtem Umfang Aufwendungen für Schadensfälle verursachen. Das ist insbesondere auf eine höhere - teilweise beträchtlich höhere - Schadenhäufigkeit zurückzuführen. Aus der höheren Schadenhäufigkeit muß sich bei sonst gleichen Maßstäben zwangsläufig auch eine größere Zahl von Kündigungen ergeben.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, könnte die Bundesregierung mir vielleicht Zahlenangaben machen? Wenn ich nämlich in der „Wirtschaftswoche" über den Geschäftsverlauf der Colonia-Versicherung im Jahre 1979 lese, daß das Geschäft mit den Privatkunden vorzugsweise dadurch saniert wurde, daß man im Bereich der Kraftfahr15690
zeugversicherung das Geschäft mit Ausländern drastisch reduzierte, muß doch eigentlich etwas dran sein, oder?
Es muß nicht an jeder Zeitungsmeldung etwas dran sein; aber Sie haben ja aus einer seriösen Zeitung zitiert. Es kann etwas dran sein. Wir gehen der Sache nach.
Ich nenne Ihnen, Frau Kollegin, gerne Zahlen, die wir in der kurzen Frist, die wir ja zwischen der Einreichung von Fragen und dem Zwang, sie zu beantworten, nur haben, ermittelt haben.
Für die Frage, wieviel höher der Schadenbedarf dieser drei Ausländergruppen ist, von denen Sie gesprochen haben, ergeben sich folgende Zahlen. Griechen 1976: + 15,5, 1977: + 14,9, 1978: + 27,2; Jugoslawen in den drei Jahren 1976: + 33,8, 1977: + 26,3, 1978: + 25,3; Türken: + 54,8, + 53,4 und + 56,4.
Ich benutze die Gelegenheit, ganz allgemein an die Teilnehmer im Straßenverkehr - auch an unsere ausländischen Gäste - zu appellieren, sich vorsichtiger und umsichtiger im Straßenverkehr zu verhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich die Bundesregierung bitten, wenn mir Zahlen zugeleitet werden, diese zu den übrigen Zahlen, die bezüglich Autofahranfängern vorliegen, ins Verhältnis zu setzen; denn nur dann scheint es mir einen realistischen Vergleich zu geben.
Zweitens. Würde sich die Bundesregierung eine Bewertung in der „Frankfurter Rundschau" zu eigen machen, in der es heißt:
Versicherungen entstanden aus dem Gedanken der Solidargemeinschaft, auch wenn hiervon in einer Wettbewerbsgesellschaft viele nichts wissen wollen. Wenn Türken systematisch ausgesiebt werden, sind das Diskriminierungen der
' Gastarbeiter.
Ich kann mich der Wertung, die in dem Artikel der „Frankfurter Rundschau” liegt, nicht anschließen, und Sie könnten, würden Sie sich ihr angeschlossen haben, angesichts der Zahlen, die ich Ihnen nannte, bei diesem Anschluß auch nicht bleiben.
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich will gern alle Zahlen ins Verhältnis zu den Zahlen setzen, die Autofahranfänger betreffen. Sie wissen aber, liebe Frau Kollegin, daß es ein Sprichwort gibt, daß aller Anfang schwer ist, auch das Autofahren, daß man abet auch beim Anfangen von Dingen besonders vorsichtig ist.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen? Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf.
Ich rufe zunächst die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Walther auf:
Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen, daß durch die fortschreitende Errichtung von Filial-Unternehmen, wie z. B. durch die Firmen Aldi, Gutberlet und Rewe sowie durch Regiebetriebe der EdekaGruppe, ein harter Verdrängungswettbewerb gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel stattfindet, wodurch insbesondere im ländlichen, dünn besiedelten Bereich die Versorgung der dort wohnenden Bevölkerung gefährdet werden kann, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um solche Gefahren abzuwehren?
Ich würde gerne die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Walther im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Walther auf:
Könnten solche Maßnahmen in freiwilliger Selbstbeschränkung der verantwortlichen starken Gruppen oder in gesetzlichen Schutzmaßnahmen bestehen?
Die Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel war im vergangenen Jahrzehnt zwar durch einen verstärkten Strukturwandel, der sich insbesondere in einem deutlichen Rückgang der Zahl der Geschäfte in den Städten ebenso wie in den ländlichen Bereichen widerspiegelte, und durch einen erheblich härteren Wettbewerb gekennzeichnet. Diese Veränderungsprozesse haben sich in den letzten Jahren jedoch zunehmend abgeschwächt und, wie alle Untersuchungen bestätigen, insgesamt nicht zu einer Bedrohung der Versorgung der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten geführt. Im Gegenteil zeichnet sich seit einiger Zeit wieder eine stärkere Tendenz zur wohnortnahen Versorgung mit Handels- und Handwerksleistungen ab.
Nach Auffassung der Bundesregierung hat der Entwicklungsverlauf im Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen Jahren erneut das hohe Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Handel und Handwerk im Wettbewerb bewiesen. Sie sieht daher auch für die Zukunft keinen Anlaß zu der Befürchtung, daß die Versorgung mit Lebensmitteln in den ländlichen Gebieten gefährdet sein könnte. Im einzelnen darf ich hierzu auf die eingehende schriftliche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion betreffend die Versorgungslage in ländlichen Räumen vom 16. August 1978 verweisen.
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die deutliche Verschärfung des Wettbewerbs im Handel auch die Gefahr von Verzerrungen des Strukturwandels durch machtbedingte leistungswidrige Praktiken von Großunternehmen zu Lasten mittelständischer Wettbewerber erhöht hat. Sie hält daher einen wirksamen Schutz des Leistungswettbewerbs zur Sicherung fairer Wettbewerbschancen fur kleine und mittlere Unternehmen mit den Mitteln der Wettbewerbspolitik fur eine besonders wichtige Aufgabe; sie lehnt jedoch dirigistische Lenkungsund Schutzmaßnahmen, die auf eine Strukturkonservierung im Einzelhandel hinausliefen, ebenso entschieden ab. Die Wettbewerbspolitik der Bundesregierung verfolgt daher seit langem das Ziel, sowohl die freiwillige Selbsthilfe der Wirtschaft zur ,Bekämpfung leistungswidriger Praktiken zu stärken
als auch die kartellgesetzlichen Mittel gegenüber MachtmiΒbräuchen und vor allem machtbedingten Diskriminierungen und Behinderungen auszubauen. Nach der Kartellnovelle von 1973 sieht daher auch die nunmehr im Deutschen Bundestag zur Verabschiedung anstehende 4. Kartellnovelle eine Reihe von Verbesserungen des Schutzes des Leistungswettbewerbs vor.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn ich es noch richtig im Hinterkopf habe, haben Sie zu Beginn Ihrer Antwort ausgeführt, in den letzten Jahren habe sich der Verdrängungswettbewerb nicht fortgesetzt. Ich frage Sie, ob Sie diese Behauptung pauschal gemacht haben, also im Durchschnitt von städtischen und ländlichen Regionen, oder für alle Bereiche der Bundesrepublik, also für Ballungsgebiete und für ländliche Bereiche.
Ich habe hier differenziert und betont, daß es insgesamt gesehen keine Probleme bei der Versorgung im ländlichen Raum gibt und daß der Veränderungsprozeß im Lebensmitteleinzelhandel sich gegenüber früheren Jahren abgeschwächt hat.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie sagen, der Verdrängungswettbewerb habe sich abgeschwächt, frage ich Sie, ob Ihnen und der Bundesregierung bekannt ist, daß jetzt bereits in weiten Teilen des ländlichen Raums die Versorgung der Bevölkerung zumindest in kleinen Gemeinden ernsthaft gefährdet ist.
Nein, Herr Kollege; dafür liegen uns keine Informationen oder Anhaltspunkte vor. Ich ware Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns für diese Behauptung Informationen zuleiten würden. Ich verweise noch einmal auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion von 1978. Wir haben damals zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen.
Weitere Zuatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Bestrebungen von solchen Filialeinzelhandelsunternehmen, die ich in meiner Anfrage dargestellt habe, z. B. Aldi, bekannt, die darauf hinauslaufen, den Marktanteil, der jetzt bei 25 % liegt, auf 50 % auszuweiten? Wenn Ihnen diese Bestrebungen bekannt sind, frage ich Sie, was dies nach Ihrer Einschätzung für den Lebensmitteleinzelhandel, besonders im ländlichen Bereich, bedeuten würde.
Herr Kollege, das ist eine hypothetische Frage. Alle haben den Wunsch, sich auszudehnen. Mir ist nicht bekannt, daß ein solches von Ihnen genanntes Ziel angestrebt wird. Jedenfalls sind die Marktanteile, die heute erreicht sind, erheblich unter diesen Zahlen.
Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP
Namibia
- Drucksachen 8/2168, 8/3462 -
b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx, Dr. Stercken, Amrehn, Dr. Todenhöfer, Klein ({0}), Dr. Narjes, Dr. Klein ({1}), Dr. Hüsch, Dr. Köhler ({2}) und der Fraktion der CDU/CSU zur Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Afrika
- Drucksachen 8/2748, 8/3463 -
c) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU zur Politik gegenüber „Befreiungsbewegungen"
- Drucksache 8/2728 Überneisungsvorschlag des Ältestenrates:
Auswärtiger Ausschuß ({3}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stercken.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit ihrer Anfrage nach der Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Afrika sowie ihrem Antrag zur Politik gegenüber „Befreiungsbewegungen" will die CDU/CSU-Fraktion eine Debatte herbeiführen, die sich nicht auf eine Zustandsbeschreibung und einige Deklamationen beschränken darf, sondern die deutsche Interessen verdeutlicht und die Konsequenzen aufzeigt, die angesichts der wachsenden Bedrohung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Afrika unverzüglich zu ziehen sind.
Der sowjetische Imperialismus und Neokolonialismus, der in den letzten Jahren unmittelbar oder mit der Hilfe von Stellvertretern ein Geflecht an Spannungen und Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent verursachte, hat mehrere Staaten bereits in eine weitgehende militärische, politische und wirtschaftliche Abhängigkeit verstrickt.
Das Ziel dieser Operationen ist kaum die kostspielige Sicherung der Botmäßigkeit fernab liegender Staaten, sondern der Erwerb von benutzbaren oder potentiellen Stützpunkten, von denen aus jederzeit die auch für die Bundesrepublik Deutschland lebenswichtigen Schiffahrtswege der Rohstoffe und des Öls bedroht oder zerstört werden können.
({0})
Die sowjetische Strategie hat sich für den kritischen Beobachter schon seit geraumer Zeit geändert. An der europäischen Entspannungsfront ist Ruhe eingekehrt Die Beziehungen wurden in dem Maße umgänglicher, wie dies eine Diktatur zu ertragen vermag. Zum Ausgleich dafür sind fernab von Europa die gewaltigen Rohstoff- und Energiequellen
1 neues Ziel einer militärischen Drohung und politischer Erpreßbarkeit geworden.
({1})
Die Sowjets sprechen zwar mit ihren Nachbarn freundlicher über den Gartenzaun, aber sie haben' jetzt die Zufuhr von Elektrizität, Gas, Wasser und Nahrung unter ihre Kontrolle genommen und machen ihren Kontrahenten klar, daß sie ihnen den Hahn abdrehen, wenn sie sich nicht gefügig zeigen sollten.
Demgegenüber muß die deutsche Außenpolitik verhindern, daß der freie Verkehr zwischen den Völkern durch den Imperialismus einer offensiven Großmacht beeinträchtigt oder gar unterbunden werden kann.
({2})
Die Sowjetmacht und ihre Helfer wirken mit dieser Politik in Afrika den Interessen der gesamten freien Welt und damit auch der Bundesrepublik Deutschland entgegen. Diesen Zustand dürfen wir nicht hinnehmen. Mit Bedrohungen, Erpressung und Unterjochung dürfen wir uns nicht abfinden. Wir akzeptieren grundsätzlich den friedlichen Wettstreit der Systeme. Dies gehört zu unserem Verständnis von Freiheit und Gewaltverzicht. Subversion und militärische Aktionen jedoch sind mit diesem Verständnis von friedlicher Koexistenz unvereinbar.
({3})
Unsere Haltung in dieser Frage ist vielen Regierungen in Afrika nicht hinreichend deutlich geworden, weil sich im Dunstkreis marxistischer Helfer mancherlei Sympathisanten aufgehalten haben, die an der Revolution Gefallen gefunden hatten.
({4})
Sie vergaßen darüber, daß ihr Wasser letztlich nur auf die Mühlen der Sowjets floß. Niemand kann in diesen Tagen übersehen, daß das sowjetische Eingreifen in Afghanistan und die Bedrohung des Iran und Pakistans einen geostrategischen Weg markieren, der sich über die Südspitze Arabiens und das Horn von Afrika bis tief in den Süden dieses Kontinents hinein fortsetzt.
Dieser Vormarsch konnte bislang nicht entscheidend aufgehalten werden. Weder fruchtete das utopische Konzept, aus Marxisten demokratische Sozialisten zu machen, noch erfuhren unterdrückte erklärte Freunde der Europäer und der Freiheit gleiche Aufmerksamkeit oder gar Unterstützung, wie sie ihren Peinigern angeboten wurde.
({5})
Dr. Savimbi, der mit seiner Unita einen beträchtlichen Teil Angolas kontrolliert, sagte mir kürzlich: Wenn die freie Welt doch wenigstens für die Opfer so viel gäbe wie für unsere Unterdrücker.
({6})
Das Bekenntnis zu Freiheit, Stabilität und Frieden
({7})
- aber selbstverständlich -, auf das sich die freiheitlichen Demokratien gründen - in Europa und in Afrika, Herr Roth - schließt eine Anwendung vergleichbarer imperialer oder subversiver Mittel aus, wie sie die Sowjetunion Tag um Tag bedenkenlos einsetzt. Wir verfügen jedoch über die Möglichkeit, uns als freiheitliche Partner des Fortschritts anzubieten, weil unser Respekt vor der Selbstbestimmung dies erfordert und weil wir nur auf diese Weise eine freiheitliche Entfaltung junger Staaten zu begünstigen vermögen.
({8})
Natürlich bekennt sich auch die CDU/CSU-Fraktion zu dem Erfordernis, die Politik der Bundesrepublik Deutschland in europäischer und atlantischer Solidarität zu entwerfen und durchzuführen. Die Redlichkeit gebietet es jedoch, daran zu erinnern, daß nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch europäische Partner in der Wahrung ihrer eigenen Interessen oft über den gemeinsamen Rahmen hinaus politische, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen ergriffen haben, wenn es um die Abwendung einer akuten Gefahr ging. Die Vereinten Nationen wurden in solchen Fällen häufig nicht in Anspruch genommen, weil ihr Handlungsspielraum zu eng ist und sich für eine Konfliktregelung rechtzeitig keine Mehrheiten hätten finden lassen.
Niemand übersieht die friedenserhaltende Funktion der Vereinten Nationen. Doch niemand sollte auch die Möglichkeiten überbewerten, über die sie verfügen, um Recht und Freiheit in der Welt zu schützen.
({9})
Der multilaterale Rahmen der UNO allein reicht nicht zur hinreichenden Wahrnehmung deutscher Interessen. Zu viel Taktik, Opportunismus und - lassen Sie mich das hinzufügen - Scheinheiligkeit spielen hier gelegentlich mit.
({10})
Als ein Beispiel dafür muß man die Boykottforderungen betrachten, die auch von afrikanischen Staaten stürmisch verlangt werden, die ohne Handel und Verkehr mit der Republik Südafrika in die größten Schwierigkeiten geraten würden. Bei der Wahrung deutscher Interessen dürfen daher nicht Emotionen, sondern nur informationen und Interessen bestimmende Faktoren sein. Bis in dieses Hohe Haus hinein ist zu häufig so getan worden, als müsse insbesondere den Frontstaaten zuliebe ein Boykott gegen die Republik Südafrika verfügt werden. Dabei sind die Abhängigkeiten dieser Staaten vom Handel mit Südafrika besonders groß. Im Falle Mosambik kämen ohne die Hilfe der Südafrikaner der Eisenbahnverkehr und der Hafen von Maputo völlig zum Erliegen. Südafrika, Botswana, Lesotho und Swaziland bilden eine Zollunion. Die Bekämpfung von Tierseuchen ware in vielen afrikanischen Staaten ohne die jährliche Lieferung von 170 Millionen Dosen Impfstoff unmöglich, die dorthin zum Selbstkostenpreis geliefert werden. Ein großer Teil der Exporte Sambias und Zaires wird von den südafrikanischen Eisenbahnen befördert. Über die Hälfte des
Kupferexports leitet Zaire über Südafrika. Zaire importiert einen beträchtlichen Teil seines Treibstoffbedarfs aus Südafrika. Die südafrikanischen Eisenbahnen überließen Sambia Lokomotiven, um insbesondere Nahrungs- und Düngemittel im Lande zu verteilen. Malawi - ({11})
- Herr Kollege Roth, es ist ein eigenes und Gott sei Dank auch einsames Verständnis von dem Wert von Informationen, die sich jederzeit belegen lassen.
({12})
Sie haben darüber hinaus, Herr Kollege Roth, die Möglichkeit, dies an Ort und Stelle jederzeit zu überprüfen. Ich habe mir die Mühe gemacht, dies zu tun. Ich trage dies deshalb vor, damit wir allen einseitigen Informationen hier entsagen können.
({13})
Herr Abgeordneter Stercken, einen Augenblick! - Herr Abgeordneter Roth, ich bitte, ehrenrührige Unterstellungen, die da herausgelesen werden können, zu unterlassen.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Corterier? - Bitte.
Herr Kollege Stercken, trifft es zu, daß die Angaben, die Sie hier eben vorgetragen haben, aus einem Schreiben des südafrikanischen Botschafters an Mitglieder dieses Hauses stammen, und halten Sie es für richtig, diese Angaben hier einfach ungeprüft zu übernehmen?
({0})
Ich gestehe Ihnen zu, daß ein Teil dieser Informationen auch in einem Schreiben enthalten ist, das der Botschafter der Republik Südafrika versandt hat. Aber er hat dort etwas zusammengefaßt, über das ich mir an Ort und Stelle einen Eindruck verschafft habe, was Sie offenbar bei Ihrem Besuch in Südafrika nicht geleistet haben.
({0})
Ich glaube, daß dies in diesem Hause auch gesagt werden muß - um die Zweideutigkeit, mit der hier operiert wird, zu charakterisieren -,
({1})
daß etwa die südafrikanische Industrie- und Entwicklungsgesellschaft bereits über 220 Millionen
Rand in andere Staaten Südafrikas und Afrikas investiert hat und daß an den 18 Projekten der Gesellschaft „Idesa 13 afrikanische Regierungen als Partner beteiligt sind.
Ich meine, wir müssen so etwas doch zur Kenntnis nehmen, um auf der anderen Seite politisch bewerten zu können, welche moralische, sittliche und politische Bedeutung etwa die Boykοttfοrderung in den Vereinten Nationen hat
({2})
Ich habe, Herr Kollege Corterier, diese wenigen Beispiele erwähnt, um die Bedeutung eines Rituals zu charakterisieren, das bei uns oft ernster genommen zu werden scheint als bei den Antragstellern selber.
Der Verhaltenskodex der Europäischen Gemeinschaft ist ein weiteres Musterbeispiel für unsere Kunst selektiver Wahrnehmung. Man stelle sich einmal vor, die Bundesrepublik Deutschland würde die gleichen Prinzipien bei ihren Kooperationsverträgen in Ungarn und Rumänien oder gar in der Sowjetunion anwenden.
({3})
Ich will hier nicht etwas gegen das Ziel des Kodex sagen, aber ich frage mich, warum denn nur Demokratie in Südafrika und nicht in der Sowjetunion, in Ungarn oder Rumänien gefördert werden soll.
({4})
Wo fängt denn diese Moral an, und wo hört sie eigentlich auf?
({5})
Ich halte dieses ständige Messen mit zweierlei Maß für unerträglich, Herr Kollege Ehmke.
({6})
Es ist Ihrer Aufmerksamkeit sicherlich nicht entgangen, daß in diesen internationalen Organisationen auch der Begriff des Kolonialismus weiterhin so eingesetzt wird, als sei in weiten Teilen Afrikas nicht längst die Abhängigkeit von den europäischen. Staaten erloschen.
Es ist eine Absurdität unserer Tage, daß gerade die Sowjetunion diese Diffamierung systematisch zu betreiben vermag, da gerade sie es ist, die ein neues System der Abhängigkeit und der Fremdbestimmung entwickelt.
({7})
Wir sollten daher sorgsamer mit dem Wort ,,Kolonialismus umgehen. Mir jedenfalls ist keine befreundete und verbündete freiheitliche Macht bekannt, die in Afrika weiterhin Kolonialpolitik betriebe, außer der Sowjetunion und ihren Helfern, insbesondere dem Afrikakorps Honeckers.
({8})
Durch Agitation oder Konfrontation sind demokratische Entwicklungen im südlichen Afrika nicht
1 voranzubringen. Nur Gespräch und engagierende Zusammenarbeit können den beabsichtigten Aufbau einer demokratisch verfaßten Gesellschaft fördern.
({9})
Ministerpräsident Botha, Herr Corterier, verdient Unterstützung seiner Politik, nicht Distanz und Gleichgültigkeit.
({10})
Die CDU/CSU-Fraktion wird auch in Zukunft ihre intensiven Gespräche mit Regierung und Parlament Südafrikas fortsetzen, um dort deutlich zu machen, daß wir die Rassentrennung für anachronistisch halten und vernünftige Strukturreformen erwarten, damit alle Bürger an der Entwicklung des Landes beteiligt werden können.
({11})
Wer dagegen mit Rat oder Tat eine gewaltsame Auseinandersetzung fördert, muß sich sagen lassen, daß er gegen das Prinzip des Gewaltverzichts verstößt. Aus einer solchen Entwicklung haben sich noch nie in der Geschichte dauerhafte demokratische Strukturen ergeben. Für meine Fraktion sind die gewaltanwendenden Organisationen keine Partner des Fortschritts. Auch der Verzicht auf Gewalt ist unteilbar.
Fast überall, wo uns in Afrika Gewalt begegnet, ist sie das Ergebnis materieller oder finanzieller Hilfe aus anderen Kontinenten. Auch die Kontakte -Jassen Sie mich das sagen - der- Friedrich-Ebert-Stiftung zu den sogenannten Befreiungsbewegungen und ihre finanzielle Unterstützung werden von uns deshalb kritisiert, weil dieselben Bewegungen auch die Verantwortung für die Ermordung Unschuldiger und Unbeteiligter übernommen haben.
({12})
Es besteht kein Zweifel daran, daß Priester und Ordensschwestern, Mütter und Kinder noch leben würden, wenn diese Organisationen ihre Anhänger angewiesen hätten, von Massakern an der Zivilbevölkerung abzusehen.
({13})
Man sündigt auch dadurch, daß man Gutes unterläßt. Ein Wort von Nkomo, Mugabe oder Nujoma, und Tausende Unschuldiger wären noch am Leben.
({14})
Tiber sie glaubte man zum Zwecke politischer Demonstration verfügen zu können.
Herr Abgeordneter Stercken, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten von Bothmer?
Ja.
Herr Stercken, Sie sprechen von dem Respekt, den man vor der eigenen Entwicklung, vor der freiheitlichen Entwicklung anderer Länder haben muß, und Sie sagen, die Redlichkeit gebiete es, festzustellen, daß man auch in Europa noch nicht ganz davon gelassen habe, die Finger irgendwo anders mit in den Brei zu stecken. Wie ist es mit Ihrer Partei und insonderheit mit Ihrer kleinen Gruppe, die die Finger in Namibia ganz heftig in den Brei gesteckt hat? Und wenn Sie von der Friedrich-Ebert-Stiftung sprechen, so kann ich nur sagen, Sie haben verhindert, daß dort eine freie Wahl zustande gekommen ist
({0})
Frau Abgeordnete, Sie sehen, ich bin sehr großzügig. Aber Sie können hier keine Diskussion einleiten.
Also die Frage, bitte schön.
Herr Präsident, ich will Frau von Bothmer behilflich sein und die Frage, die sie stellen wollte, beantworten. Ich bekenne mich namens der CDU/CSU-Fraktion zu der Unterstützung aller demokratischen Kräfte in Afrika. Aber ich habe Bedenken, das zu leisten, was Ihre Freunde tun, nämlich mit Bewegung Verbindungen aufrechtzuerhalten, die zu gleicher Zeit die Verantwortung für die Morde an unschuldigen Menschen tragen müssen.
({0})
Niemand in diesem Hohen Hause kann sich daran vorbeireden, daß das so ist
({1})
Trotz Stacheldraht und Schießautomaten - lassen Sie wicht das am Reichsgründungstage sagen - ziehen die freien Deutschen den Einsatz von Gewalt nicht in Betracht. Die Todesstrafe wurde abgeschafft, der Straffvollzug humanisiert. Zur Folgerichtigkeit einer solchen Einstellung würde es gehören, daß auch anderen dieselben Prinzipien abverlangt werden.
({2})
Die Behauptung, man wolle diesen Menschen Demokratie nahebringen, klingt sonst wie ein billiger Vorwand.
Doppelter Moral entspricht auch die Entscheidung, der SWAPO Mittel für humanitäre Hilfe anzuvertrauen, auf eine Bitte des Hilfsfonds für die Opfer des Terrorismus in Namibia aber bislang nicht zu reagieren.
Der Förderung der Demokratie dient es gewiß auch nicht, wenn der parlamentarischen Versammlung von Namibia jedwede Anerkennung versagt wird, obwohl es eines der wenigen Parlamente ist, das aus freien Wahlen hervorgegangen ist und das in einem Lande Verantwortung übernehmen könnte, in dem es Gewaltenteilung, kein Vetorecht einer Minderheit, für jeden Bürger eine Stimme - one man, one vote - und keine Apartheid gibt. Welcher unserer zahlreichen BegünstiDr. Stercken
gungsempfänger verfügt über so viel demokratische Legitimation?
({3})
Der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage ist zu entnehmen, daß die deutsche Politik keine „einflußpolitischen Ziele" verfolge. Es ist schwer, in diese ominöse Wortschöpfung einen klaren Sinn hineinzubringen, wenn schon im nächsten Satz davon die Rede ist, daß die Bundesrepublik Deutschland dazu beizutragen habe, kritische Regionen politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Dies kann doch nur heißen, daß in der Wahrung gegenseitiger Interessen Einfluß genommen werden soll und daß das Ergebnis eines solchen Prozesses eine gemeinsame Entscheidung ist, die auch dazu führt, die Gefahren marxistischer Unterwanderung und damit beabsichtigter imperialer Einflußnahme abzuwenden. Es hat doch keinen Sinn, dies in verklausulierten Worten zu verstecken, meine Damen und Herren. Die Ausbreitung des Kommunismus in der Welt widerspricht doch unseren Interessen, denke ich.
({4})
- Das ist Ihre Sicht, Herr Ehmke. Sie wissen, daß wir eine andere haben, Gott sei Dank!
({5})
Sie widerspricht auch den Interessen aller Völker, die frei und demokratisch bleiben oder werden wollen und nicht durch Subversion und Manipulation in eine neue versklavende Diktatur eingeschmolzen werden möchten.
Man kann nicht unablässig mehr Demokratie fordern und auch hier Doppelstrategie betreiben. Ein wehrhafter demokratischer Rechtsstaat ist die beste Waffe gegen marxistische Hegemonie. Wenn es richtig ist, daß die Souveränität eines Staates in Übereinstimmung mit den Rechten seiner Nachbarn gesehen werden muß, dann sollten wir offen aussprechen, daß unsere Außenpolitik auch eine Entwicklung fördern will, die der Stärkung der Demokratie als der besten Voraussetzung für ein freiheitliches System dienen soll. Man kann nicht ständig mehr demokratische Strukturen in Südafrika verlangen und sich anderwärts einflußpolitische Abstinenz verordnen.
Unter diesen Leitlinien für eine deutsche AfrikaPolitik nehmen die Menschenrechte eine hervorragende Stellung ein; dies ist unbestritten. Mit der Menschenwürde ist auch die Rassendiskriminierung unvereinbar. Es ist jedoch wieder ein Verzicht auf letzte Konsequenz, wenn diese Grundsätze nur mit Forderungen an das südliche Afrika verbunden werden. Rassentrennung und Rassendiskriminierung gibt es auch in anderen Teilen der Welt, auch in Afrika. Dies zu unterschlagen, muß die Glaubwürdigkeit unserer Prinzipien beeinträchtigen. Die Forderung erscheint daher nicht unbillig, daß alle afrikanischen Staaten den Menschenrechtspakten der
Vereinten Nationen beitreten und Gewaltverzicht leisten sollen.
({6})
Dazu besteht um so mehr Veranlassung, als eines der Menschenrechte, nämlich das Recht auf Heimat, in wachsendem Maße auch in Afrika mißachtet wird. Niemand vermag eine exakte Zahl zu nennen. Doch dürfte die Zahl der Vertriebenen und der Flüchtlinge bereits mehrere Millionen betragen.
({7})
Die Erwartung, daß wir uns in steigendem Maße an der Linderung menschlicher Tragödien beteiligen, ist zwar eine humanitäre Selbstverständlichkeit. Genauso selbstverständlich muß jedoch die politische Auseinandersetzung mit den gewalttätigen Diktaturen sein, die dieses Elend ja heraufbeschwören.
({8})
Zu Recht sieht die Bundesregierung auch in der auswärtigen Kulturpolitik sowie bei der Entwicklung moderner Bildungsstrukturen eine Möglichkeit zur Stärkung der kulturellen Identität. Wenn dies allein in der Verantwortung des Auswärtigen Amtes geschähe, ließe sich möglicherweise sogar vermeiden, daß ein Tell der ErwachsenenbildungsProjekte dort rein ideologische Züge trägt. Bei der Debatte über die Entwicklungshilfe werden wir darauf noch einzugehen haben. Dieser Ideologietransfer steht im Gegensatz zu der Absicht, den afrikanischen Nationen die Entwicklung einer eigenen Identität zu erleichtern. Wer die Afrikaner kennt, weiß, wie wenig ihnen ideologisches Denken behagt.
({9})
Sie unterscheiden sich da nicht von Mehrheiten bei uns im Lande.
Als lebensbedrohend werden in den meisten afrikanischen Staaten die Ölpreiserhöhungen empfunden. Es gibt in den energiearmen Ländern keine Antwort auf die Frage, wie morgen die Ölimporte noch finanzierbar sein sollen, wenn schon in einem Land wie der Türkei der gesamte Außenhandel weniger einbringt, als der Import von Rohöl kostet. Hier deuten sich ernste Konflikte an. In einem Leserbrief, den Radio Akkra zum Jahreswechsel ausgestrahlt hat, heißt es - ich zitiere -:
Unsere wohlhabenden Brüder auf diesem Kontinent, deren Länder mit Ölvorräten gesegnet sind, erpressen den Rest der Welt und auch uns, ihre sogenannten Brüder. Ihre ständigen Forderungen nach höheren Ölpreisen machen unseren Kampf ums Überleben fast unmöglich. Es ist die habgierige Haltung unserer Brüder, die die wesentliche Ursache für die Zunahme der Armut, des Hungers und der Not in der heutigen Welt ist.
({10})
Das ist eine Sicht aus Ghana. Der Briefschreiber schließt:
Wenn wir im Rahmen der OAU zusammentreffen, dann werden wir von eben diesen unseren Brüdern gebeten, sie in ihrem Kampf gegen die jüdischen Imperialisten zu unterstützen, indem wir die diplomatischen Beziehungen mit Israel abbrechen. Aber wo sind diese Brüder, wenn wir in Schwierigkeiten sind? Sie investieren ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Kanada und anderswo, wo sie hohe Zinssätze bekommen. Woher kommt dann die Hilfe für uns in Zeiten der Not: ausgerechnet von den bösen Kapitalisten.
Ich finde, daß es Veranlassung gibt, sich auch einmal in diesem Hohen Hause mit einer solchen Stimme aus Afrika zu befassen.
({11})
Lassen Sie mich hier einen Gesichtspunkt erörtern, den die Antwort der Bundesregierung nicht enthält. Bei vielen afrikanischen Gesprächspartnern ist der Eindruck entstanden, daß diejenigen besonders viel Aufmerksamkeit in Bonn finden, die einen unklaren Kurs fahren und möglichst viele Schwierigkeiten bereiten. Unsere guten alten Freunde, die teilweise schon seit zwei Jahrzehnten friedlich und freundschaftlich mit uns zusammenarbeiten, halten nicht mit ihrem Eindruck zurück, daß sie in Bonn nicht das gleiche Interesse wie diejenigen finden können, deren Wohlverhalten erst durch besondere Hilfeleistungen erkauft werden soll. Dies beziehen sie dann vornehmlich auf die Entwicklungshilfe. Ich empfehle, diesem Vorbehalt nachzugehen. Es geht nicht nur um Geld, sondern um das gesamte Spektrum unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Ich meine, daß gerade die Staaten in Afrika, die sich für einen freiheitlichen und die Menschenrechte respektierenden Weg entscheiden, besonderen Anspruch auf unsere Solidarität und auf unsere Hilfe haben.
({12})
Die Bundesregierung nimmt in dieser Antwort für sich in Anspruch, auch vitale sicherheitspolitische Interessen in Afrika wahrzunehmen. Wer allerdings die zur Verfügung stehenden Schaubilder der letzten 20 Jahre miteinander vergleicht, der kann nur sagen, daß dieser Interessenwaltung eine permanente Verschlechterung der Lage gegenübersteht. Man kann sagen, daß auch andere Partner im Bündnis diese Situation kennen und mit verantworten müssen. Das ist richtig. Es bleibt allein die Frage, ob nicht die Amerikaner in den letzten Jahren von der Übernahme weitreichender Verpflichtungen und von konkreten Maßnahmen abgesehen haben, weil ihnen einige ihrer Partner fortgesetzt die Verantwortung überließen, während sie sich auf die Wahrnehmung humanitärer Aufgaben und die Mehrung wirtschaftlicher Zusammenarbeit zurückzogen. Die Gewährleistung unserer sicherheitspolitischen Interessen kann nur erfolgen, wenn alle - so auch die Bundesrepublik Deutschland - bereit sind, an der politischen Verantwortung aller dieser sicherheitspolitischen Konsequenzen mit zu tragen.
({13}) Die demokratiesichernde Funktion des Nordatlantischen Bündnisses wurde in einem Zeitpunkt begründet, als Afrika noch weithin von Kolonialmächten beherrscht wurde, die teilweise Mitglied des Nordatlantikpaktes waren.
({14})
- Nein, Sie wissen genau, Herr Roth, daß dies nicht mein Argument ist. - Es war daher in dieser Zeit nie ein Problem, auch dort die sicherheitspolitischen Konsequenzen zu ziehen, die sich möglicherweise in der Wahrung unserer Interessen aus dem Bündnis ergeben konnten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Gemeinschaft kann gewiß als eine Mitwirkung bei der inneren Stabilisierung angesehen werden.
Wir können uns jedoch das Nachdenken darüber nicht ersparen, ob der Frieden in Afrika sicherer wird, wenn Tag um Tag gewaltige Massen an Waffen in Afrika angelandet werden und keiner eine befriedigende Antwort darauf zu geben weiß, gegen welchen Aggressor sie eigentlich eingesetzt werden sollen.
({15})
Der Zeitpunkt scheint gekommen, in dem auch die afrikanischen Nationen ihre Sicherheit gemeinsam überdenken müssen. Ihre Sicherheit ist nämlich mit der unsrigen verknüpft. Alle, für die Sicherheitspolitik Sicherung der Freiheit und der Unabhängigkeit bedeutet, werden dann ihre gemeinschaftlichen Interessen bedenken müssen. Ich sehe keinen anderen Weg, wenn die Bundesrepublik in Afrika sicherheitspolitische Interessen vertreten will. Es wäre verhängnisvoll, wenn auf die Wahrung dieser Interessen verzichtet würde. Die hemmungslose Fortsetzung der Waffengeschäfte muß die Gefahr afrikanischer Bruderkriege heraufbeschwören, mindert daher die allgemeine Sicherheit in der Region, fördert Diktaturen und erleichtert marxistische Subversionen.
Schließlich wären, wie ich meine, die Milliarden für Ernährung, Ausbildung und den Ausbau von Infrastrukturen besser angelegt. Es muß doch jeden Entwicklungspolitiker schmerzen, daß ein wachsender Teil der Haushalte für militärische Zwecke reserviert wird.
({16})
Am Rande des kürzlichen Besuches des polnischen Außenministers in Bonn war zu hören, daß auch die Volksrepublik Polen beträchtliche Waffenlieferungen nach Afrika verschifft, weil sie angesichts der Versorgungslage in Polen auf die Devisen angewiesen ist, die die Empfängerstaaten von anderen Konten - möglicherweise von Krediten - abbuchen.
({17})
Es ist kaum möglich, für all das Verantwortung zu tragen. Die Bundesregierung führt an, daß sie AfriDr. Stercken
kapolitik nicht isoliert betreiben könne, und sie bekundet ihren Willen, auch weiterhin ihre Prinzipien, Ziele und Interessen in eine europäische und westliche atlantische Afrikapolitik einzubringen. Dazu bietet sich angesichts des Kriegs in Afghanistan eine neue Chance. Die Staaten der Dritten Welt werden sich ja fragen, ob die Europäische und Atlantische Gemeinschaft ihnen nicht eine lohnendere Zusammenarbeit auf der Grundlage des Vertrauens, der Freiheit und des Friedens zu erschließen vermag. Gerade jetzt ist in Afrika diese Zusammenarbeit unverzichtbar, und zwar nicht nur bei der Regulierung von Problemen, die den Konflikt schwarzer und weißer Afrikaner betreffen. In entscheidenden Stunden hat es in Afrika an Gemeinsamkeit der Verbündeten gefehlt Ganz Europa ist heute von der Entwicklung dieses Kontinents betroffen.
Wenn dieses Kriterium der Gemeinsamkeit Prüfstein für die deutsche Afrikapolitik bleiben soil, setzt dies voraus, daß wir uns auch an der Entwicklung von grundlegenden politischen Beschlüssen beteiligen, sie mitverantworten und nicht nur für humanitäre und wirtschaftliche Hilfe bereitstehen. Der Technologietransfer erhöht unsere Verantwortung, weil auch er die militärischen Möglichkeiten der Afrikaner erweitert. Dies fordert uns mehr Übernahme von Verantwortung und umfassendere Mitwirkung ab.
({18})
Die Bundesregierung stellt den weltweiten Zusammenhang der Afrikapolitik heraus. In dieser letzten Konsequenz ist eine Politik zur Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Afrika auch ein Beitrag zur Sicherung des Friedens in Europa und in Deutschland. In unserer klein gewordenen Welt sind Frieden und Entspannung auch unter sich unteilbar. Vielleicht aber ist die Bezeichnung „Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Europa" besser als dieses heutzutage gequälte Wort „Entspannung".
({19})
Das Wort hat der Her Abgeordnete Dr. Corterier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen mit einigen Bemerkungen, die Herr Stercken soeben gemacht hat, auseinandersetzen. Herr Kollege Stercken, Sie haben so sehr betont an den Reichsgründungstag erinnert
({0}): Gar nicht! Das war
nur ein kleiner Nebensatz!)
Ich muß Ihnen sagen, daß manche Passagen Ihrer Rede bei mir den Eindruck erweckt haben, als ob Sie uns auch eine Afrikapolitik im Geiste der Reichsgründungszeit empfehlen wollten.
({1})
Dies gilt vor allem für die Feststellung, mit der Sie
die Republik Südafrika ausdrücklich zur freien
Welt gerechnet haben. Ich muß diese Feststellung mit aller Entschiedenheit, mit Schärfe zurückweisen.
({2})
Ich hoffe, daß das noch im Laufe der Debatte von Ihrer Seite korrigiert werden wird; denn eine solche Feststellung muß den deutschen Interessen in Afrika schwersten Schaden zufügen.
({3})
Übrigens ist der Widerspruch, in den Sie gleich danach geraten sind, sehr bemerkenswert. Erst haben Sie Südafrika zur freien Welt gerechnet, und dann, als es um die Frage des Verhaltenskodexes für Südafrika ging, haben Sie es plötzlich mit der Sowjetunion verglichen. Wie erklären Sie sich eigentlich diesen Widerspruch? Das zeigt doch, wie brüchig Ihre Argumentation hier ist.
({4})
Die Afrikapolitik ist in diesen Tagen, da die ganze Welt und auch wir vor allem auf die besorgniserregenden Ereignisse im Mittleren Osten blicken, nur scheinbar aus dem Zentrum des Blickfeldes geraten; denn Afghanistan hat natürlich auch die Lage in Afrika tief berührt.
({5})
Die Afrikaner sind über den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan erschrocken. Gerade jene, die militärisch besonders eng an die Sowjetunion gebunden sind, haben erkennen müssen, daß auf die Einsetzbarkeit des sowjetischen Gewichtes für die nationalen Interessen der Afrikaner kein Verlaß ist. Jeder in Afrika muß sich doch in Zukunft überlegen, welche Art von Beistands- oder Freundschaftsvertrag er mit der Sowjetunion unterschreibt - wenn er es überhaupt noch tut Jeder, der schon einen solchen Vertrag unterschrieben hat, muß sich nun fragen, was er von der Sowjetunion in der Zukunft zu erwarten haben wird. Die Afrikaner müssen jetzt feststellen: Eine allzu enge Verbindung mit der Sowjetunion gefährdet ihre Unabhängigkeit.
({6})
- Vielen Dank für die Zustimmung. Ich hoffe, daß das auch im weiteren Verlauf meiner Ausführungen so bleibt
({7})
- Ja, gut
Dies hat sich schon im Abstimmungsverhalten der afrikanischen Staaten über die gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan gerichtete Resolution in der Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen gezeigt Nur zwei von ihnen haben mit der Sowjetunion gestimmt. Eine ganze Reihe anderer politisch mit Moskau verbundener Staaten hat gezeigt, wo die Gren15698
zen sind, bis zu denen sie die sowjetische Politik mitzutragen bereit sind. Zu ihnen gehören Algerien, Benin und Sambia.
Die sowjetische Intervention in Afghanistan hat die Position des Westens in Afrika allerdings eher gestärkt. Wir haben jetzt die Chance, den afrikanischen Völkern zu verdeutlichen, daß sie sich bei ihren Bestrebungen um politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit nach wie vor auf den Westen als Partner verlassen können.
({8})
Die Vertreter der Opposition möchte ich aber davor warnen, Afghanistan erneut zum Anlaß zu nehmen, den schwarzen Kontinent allein durch die Brille des Ost-West-Konflikts zu betrachten.
({9})
- Ich will das gleich an einigen Beispielen aufzeigen. Herr Stercken hat das, wie Sie gehört haben, schon wieder getan. Es gibt darüber hinaus aus den letzten Tagen eine Vielzahl von Erklärungen aus den Reihen der CDU/CSU - bis hin zu der entlarvenden Äußerung Manfred Wörners, daß wir nicht nur an der europäischen Front, sondern auch im afrikanischen Hinterland verteidigt werden müssen -, die zeigen, daß ich hier etwas Richtiges festgestellt habe.
({10})
Durch diese und andere Äußerungen erwecken Sie den Eindruck, in Afrika nichts weiter als ein Werkzeug für Ihre Interessen zu sehen. Nach Ihrem Konzept soil Afrika offensichtlich zum strategischen Glacis zwischen den beiden Supermächten und ihren militärischen und politischen Blöcken werden.
({11})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Einen Augenblick. Ich will gerade noch eine Passage zu Ende führen und stehe gleich zur Verfügung.
Afrika spielt für Sie nur als Bauer im Schachspiel zwischen Ost und West eine Rolle.
({0})
Für Sie ist Afrika, wie Sie es immer wieder allzu deutlich sagen, vor allem als Rohstofflieferant interessant. Sie verbünden sich schließlich auch mit den Rassisten in Südafrika, wenn Sie glauben, daß dies Ihren Interessen entspricht.
({1})
Die Äußerung von Herrn Todenhöfer aus den letzten Tagen, in der er uns der militärischen Destabilisierung Südafrikas bezichtigt, also der Destabilisierung eines blutigen Terrorapparates zeiht, zeigt, worum es hier geht.
({2})
Bitte sehr, Herr Dr. Sterkken.
Herr Kollege Corterier, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich die Überlegungen der CDU/CSU-Fraktion auf die militärische Bedrohung von Nachschubwegen beziehen, die für Sie, die für uns alle, was Rohstoffe und Energie betrifft, lebensnotwendig sind?
({0})
Ich will im weiteren Zusammenhang meiner Ausführungen gerne auf dieses Rohstoffargument und die Nachschubwege eingehen, möchte aber jetzt noch eine andere Ausführung anschließen.
({0})
- Überlassen Sie doch bitte mir, wann ich antworte. Ich werde es gleich tun.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie ernsthaft glauben, daß mit einem solchen Konzept, das vor allem, wenn nicht allein, an den wirklichen oder vermeintlichen Interessen des Westens orientiert ist und die Interessen Afrikas, so wie die Afrikaner sie sehen, überhaupt nicht berücksichtigt und in Rechnung stellt, die Afrikaner zu Freunden gemacht werden können. Wenn dies zur offiziellen Politik der Bundesrepublik würde, dann könnten wir uns auf dieser Basis vielleicht die Republik Südafrika zum Busenfreund machen. Im gesamten übrigen Afrika und darüber hinaus in der Dritten Welt würden wir uns aber in gefährlicher Weise isolieren..
Zu dem beliebten Argument der Kap-Route und dem 01, das da herumtransportiert wird - das Argument ist ein eiserner Bestandteil der südafrikanischen Propaganda -, nur folgendes.
({1})
- Nein, das ist keine Realität.
({2})
- Entschuldigen Sie, Herr Hupka, Sie schreien immer so laut: Wollen Sie mich antworten lassen, oder wollen Sie mich niederschreien?
({3})
- Ich will antworten, Herr Kollege Klein. Hören Sie doch auf, ständig dazwischenzuschreien. Sie können ja nachher hier heraufkommen und antworten.
({4})
- Ich bin ja dabei.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Corterier. - Ich bitte in der Tat, den Redner sich so verständlich äußern zu lassen, daß Sie auch den Eindruck haben, daß die Mühe der Antwort tatsächlich gegeben ist.
({0})
Mir hat nie eingeleuchtet, wieso die Sowjetunion eigentlich das Öl ausgerechnet an der Kap-Route angreifen sollte. Sie hat doch ganz andere, viel bessere Möglichkeiten am Persischen Golf, in der Arabischen See. Da ist sie doch viel näher dran.
({0})
Da hat sie doch ganz andere militärische Optionen, als sie sie am Kap je haben könnte.
Dieses Argument ist ja nun nach der Invasion in Afghanistan doppelt und dreifach richtig. Denken Sie doch auch einmal in dieser Richtung über die Folgen der Invasion nach! Denn die Sowjetunion hat nun die Flugplätze im südlichen Afghanistan, sie ist wenige hundert Kilometer von den Tankern entfernt. Warum sollte sie denn dann Tausende von Kilometern bis zum Kap mit Schiffen und Flugzeugen überbrücken,
({1})
um dort das 01 anzugreifen? Dieses Argument ist doch lächerlich, das ist südafrikanische Propaganda billigster Art und nichts sonst.
({2})
Herr Abgeordneter Corterier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mertes?
Ich würde jetzt gern fortfahren, sonst käme ich in Konflikt mit meiner Redezeit. Im weiteren Verlauf bin ich gern wieder bereit, eine Frage zu beantworten.
Für uns Sozialdemokraten ist jedenfalls NordSüd-Politik und damit auch Afrikapolitik nicht das Austragen des Ost-West-Konflikts auf anderen Plätzen mit anderen Mitteln. Für die Afrikaner selbst hat die Frage des Ost-West-Konflikts, ob uns das nun recht ist oder nicht, immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Von lebenswichtigem Interesse war und ist für sie vielmehr, wer ihnen im Kampf gegen die Systeme kolonialer Unterdrückung, bei der Abschaffung des Rassismus und beim Kampf gegen den Hunger beisteht und wer nicht. Zu oft haben die Afrikaner vergeblich an westliche Türen geklopft; man hat sie mit schönen Worten abgespeist oder ihnen gar die Tür gewiesen. Mich wundert es nicht, daß sich manche dann verbittert an Moskau gewandt haben, das sie natürlich mit offenen Armen aufgenommen hat.
Wir müssen endlich die Erfolge des Ostens in Afrika realistisch als Konsequenzen unserer eigenen Fehler sehen. Für uns und den Westen besteht jetzt mehr denn je die Notwendigkeit, uns mit den um Unabhängigkeit und Freiheit bemühten Kräften in Afrika zu verbünden. Dies ist nur logisch, denn wenn wir mit den aufständischen Moslems in Afghanistan - ich sage ausdrücklich: mit den Freiheitskämpfern in Afghanistan - in ihrem Kampf gegen die Eindringlinge aus der Sowjetunion sympathisieren, müssen wir auch die Unterdrückten auf dem schwarzen Kontinent unterstützen. Wer die sowjetische Intervention in Afghanistan verurteilt, muß auch die südafrikanischen Übergriffe gegen die Frontstaaten und die Interventionsdrohung gegen Zimbabwe/Rhodesien verurteilen. Die eine Intervention hat für uns genauso inakzeptabel zu sein wie die andere.
Wenn wir sagen, wir wollen uns mit den um Unabhängigkeit und Freiheit bemühten Kräften in Afrika verbünden, muß dies natürlich auch Konsequenzen für unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit ihnen haben. Unsere wirtschaftliche Hilfe und die besondere Ausgestaltung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika sind unabdingbare Bestandteile unserer Beziehungen zu diesem Kontinent.
Für diese Zusammenarbeit bietet sich vor allem die Europäische Gemeinschaft an, die mit den meisten afrikanischen Staaten durch das AK-Abkommen aufs engste verbunden ist. Zu den in das AKPAbkommen eingebundenen Staaten gehören Länder, mit völlig unterschiedlichen außenpolitischen Orientierungen und politischen Systemen. Die Europäische Gemeinschaft hat - und das in krassem Gegensatz zu dem, was die CDU/CSU in ihrem entwicklungspolitischen Papier gerade jetzt wieder gefordert hat - bewußt darauf verzichtet, den Maßstab ihrer eigenen außen- oder wirtschaftspolitischen Interessen anzulegen, wenn es um die Mitgliedschaft im AKP-Abkommen ging. Dies ist richtig so.
Mit der Europäischen Gemeinschaft arbeiten nun auf wirtschaftlicher Ebene Staaten zusammen, die militärisch noch eng mit der Sowjetunion verbunden sind. Sie merken aber mehr und mehr, welche Art der Zusammenarbeit für sie die bessere ist. Sie merken, daß von Kanonen keiner satt wird. Sie merken, daß die Sowjetunion und ihre Verbündeten weder willens noch fähig sind, interessante und faire Handelspartner zu sein. Sie merken, daß entwicklungspolitische Zusammenarbeit nur mit dem Westen, aber kaum mit dem Osten möglich ist.
Die Sowjetunion hat allerdings in den letzten Jahren ohne Zweifel einige Erfolge gehabt und sich als gewichtiger Faktor in der afrikanischen Politik etablieren können. Ich weise jedoch darauf hin, daß diese Erfolge oft mehr oder weniger zufällig und auf opportunistisches Reagieren auf westliche Fehler und Versäumnisse zurückzuführen waren.
({0})
Dem stehen aber unleugbar auch eine ganze Reihe von auffälligen Mißerfolgen gegenüber. Das Ziel der Errichtung marxistisch-leninistischer Regime in Afrika ist nicht selten spektakulär verfehlt worden. George F. Kennan hat vor kurzem in der „Zeit" daran erinnert, als er u. a. fragte - ich zitie15700
re -: Haben die Leute ihr historisches Gedächtnis verloren? Was ist aus den Erfolgen der Sowjets geworden? Was ist aus der „unverbrüchlichen' Freundschaft zwischen der Sowjetunion und Ägypten geworden, was aus den Waffen und der übrigen Militärhilfe für Milliarden von Rubeln, die die Russen in dieses Land hineingepumpt haben? Was ist aus den Marinebasen geworden, die sie einst entlang der afrikanischen Mittelmeerküste einrichten wollten? Was ist aus dem furchterregenden Flottenstützpunkt in Somalia geworden?
({1})
- Darauf komme ich gleich, nur Geduld. - Viele der Erfolge, die die Sowjetunion in Afrika gehabt hat, sind vor allem auf Fehler und schwere Versäumnisse des Westens zurückzuführen. Angola, Mozambique, Äthiopien erinnern uns daran. In diesen Ländern stehen wir heute vor den Folgen unserer eigenen Fehler.
Schauen wir uns doch die Tragödie unserer Beziehungen zu den ehemaligen portugiesischen Kolonien an. Aus falsch verstandener Solidarität haben wir es jahrzehntelang einer faschistischen Diktatur in unserer nächsten Nachbarschaft ermöglicht, einen grausamen Kolonialkrieg zu führen und darüber selbst zum Armenhaus Europas zu werden. Müssen wir uns wundern, wenn sich die so unterdrückten und gequälten Menschen dem zuwenden, dessen Hilfe entscheidend zu ihrer Befreiung beigetragen hat? Oder erinnern wir uns an Äthiopien, dessen Kaiser jahrzehntelang Garant westlicher Interessen war.
({2})
Erst sein Sturz durch radikale Menschenverächter hat den Vorhang seiner „staatsmännischen Weisheit" zerrissen und dahinter den Abgrund von Unterdrückung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit sichtbar gemacht, aus dem die äthiopischen Völker auch deshalb nicht herausgeführt werden konnten, weil jede Opposition von der vom Westen unterstützten Oligarchie im Keim erstickt worden ist.
({3})
Heute ist in Addis Abeba eine Clique an der Macht, die die Menschenrechte über Bord geworfen und viele Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat.
In allen diesen Fällen hat sich gezeigt, wie leicht die Sowjets in Afrika an Einfluß gewinnen können, wenn der Westen nicht bereit ist, seine Chancen zu nutzen, den durch Unrechtsregime und wirtschaftliche Schwäche bedrohten Völkern beizustehen.
({4})
Die Weichen aber, meine Damen und Herren, für die zukünftige Afrikapolitik der Bundesrepublik und das Verhältnis der Afrikaner zum Westen im jetzt begonnenen Jahrzehnt werden im südlichen Afrika gestellt. Hier steht das Pulverfall; das jeden Moment hochgehen kann. Wir und die westliche Welt müssen angesichts unserer großen politischen, wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen in diesem Kontinent die nötige Klugheit und das _nötige Engagement aufbringen, um zu verhindern, daß irgendwer Feuer an die Lunte legt.
({5})
Der Schlüssel dazu liegt gegenwärtig zweifellos in Zimbabwe-Rhodesien. Die Londoner LancasterHouse-Konferenz hat eine Lösung erbracht, die wir gewollt haben. Der Deutsche Bundestag hat schon im Oktober 1977 - allerdings leider gegen die Stimmen der Opposition - deutlich gemacht, daß nur eine international akzeptable Lösung der Rhodesienfrage unter Beteiligung aller politischen Kräfte des Landes von Dauer sein könne. Zu diesen politischen Kräften gehört in Zimbabwe nun einmal die Patriotische Front, die Organisation, die der eigentliche Träger des Widerstandes gegen die weiße Minderheit war. Allen an der Londoner Konferenz und dem Zustandekommen des Ergebnisses beteiligten Parteien ist für ihre Komprοmißbereitschaft und ihre ernste Friedensarbeit zu danken, besonders aber der Patriotischen Front und den sie unterstützenden Frontstaaten.
({6})
Diese Frontstaaten haben übrigens entgegen der ihnen von der Opposition immer wieder unterstellten Blockbindung im Sinne ihres nationalen Interesses gehandelt und im Gegensatz zu den Ratschlägen, die ihnen die Sowjetunion gegeben hatte.
({7})
Damit ist die Chance für eine Lösung da; aber der Weg ist noch weit und voller Gefahren.
({8})
Ich sage hier mit allem Ernst: keiner darf falschspielen, wenn es um die Realisierung der Londoner Vereinbarung geht.
({9})
Wer glaubt, durch das Abweichen von Buchstaben und dem Geist der Vereinbarung genauestens vorgezeichneten Weg kurzfristige Vorteile erzielen zu können, setzt unsere politische Position in Schwarzafrika für die nächsten zehn Jahre aufs Spiel.
({10})
Ich warne von dieser Stelle aus auch dringend die Regierung der Republik Südafrika, ihre Interventionsdrohung gegenüber Zimbabwe etwa wahr machen zu wollen. Das würde allerhöchste Kriegsgefahr bedeuten.
({11})
Bedauerlich bleibt es, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Bemühungen um eine von allen Konfliktparteien anerkannte Lösung bis heute nicht mitgetragen haben. Sie haben sich im letzten Jahr leidenschaftlich für eine interne Lösung im Sinn des Herrn Smith und der südafrikanischen
Regierung eingesetzt. Damit sind Sie nicht nur den Friedensbemühungen unserer britischen Verbündeten in den Rücken gefallen,
({12})
sondern haben auch das Risiko einer raschen Verschärfung der Konflikte im südlichen Afrika in Kauf genommen.
({13})
Von den Ereignissen in Zimbabwe wird auch abhängen, was aus Namibia wird.
({14})
Da Sie mich gerade beschimpfen, Herr Marx, will ich Ihnen jetzt ein Kompliment machen.
({15})
Sie haben in einem Gespräch, das wir vor kurzem beim Südwestfunk hatten, mit Recht und treffend von der Pilotfunktion der Rhodesien-Lösung für den Ausgang des Namibia-Konflikts gesprochen.
({16})
Das heißt doch, daß nun die illegale Mandatsherrschaft Südafrikas in Namibia so schnell wie möglich ein Ende haben muß.
({17})
Es war richtig, für Namibia mit Hilfe der Vereinten Nationen einen realistischen Plan vorzulegen, der international überwachte Wahlen mit gleichen Chancen für alle politischen Kräfte einschließt.
({18})
Dazu gehört auch die SWAPO.
({19})
Diese Initiative darf nicht einschlafen.
Eine sogenannte interne Lösung, wie sie von Pretoria für Namibia anvisiert ist und die auf die Isolierung der SWAPO abzielt, wie das ähnlich von Smith mit der Patriotischen Front in Zimbabwe beabsichtigt war, kann von uns nicht akzeptiert werden. Ein Pufferstaat Namibia für Südafrika mit einer Marionettenregierung von Gnaden Südafrikas ist für uns nicht diskutabel.
({20})
Wir fordern die südafrikanische Regierung daher auf, mit ihrer bislang gegenüber dem Westen geübten Hinhaltetaktik und gegenüber Namibia praktizierten Salamitaktik endlich Schluß zu machen.
({21})
Die Doppelstrategie Südafrikas, mit der es gegenüber dem Westen immer wieder Gesprächsbereitschaft bekundet, gleichzeitig aber Schritt für Schritt in Namibia vollendete Tatsachen zu schaffen versucht hat, muß jetzt aufgegeben werden. Und wenn Herr Todenhöfer dazwischenruft, die Südafrikaner seien vom Westen ständig betrogen worden,
({22})
dann ist das gut.
({23})
Das zeigt erneut: Die CDU/CSU steht hier wieder einmal in einer wichtigen politischen Frage gegen den Rest der Welt, vor allem gegen unsere westlichen Verbündeten, die mit uns in der Kontaktgruppe zusammenwirken.
({24})
Sie werfen hier also, genauso wie es der Außenminister Botha ständig tut, dem amerikanischen Präsidenten, dem deutschen Bundeskanzler, dem französischen Staatspräsidenten, dem britischen Premierminister, dem kanadischen Premierminister, vor, sie hätten Südafrika betrogen. Das sollte hier im Protokoll ruhig festgehalten werden.
Wir meinen, die Lösung mit allen politischen Kräften des Landes - auch mit der SWAPO -, die Lösung unter internationaler Aufsicht ist die einzige reelle Chance Namibias für einen letztlich friedlichen Wandel zur Unabhängigkeit.
Die Bundesregierung hat dies in dankenswerter Klarheit in ihrer Antwort auf die Große Anfrage von SPD und FDP zu Namibia klargemacht. Wir werden in dieser Haltung von allen unseren Verbündeten, wie ich eben schon gesagt habe, unterstützt. Aber wir wollen Unterstützung auch zu Hause. Wir würden uns freuen, wenn wir sie auch zu Hause hätten.
Die CDU/CSU sollte uns dabei nicht länger in den Arm fallen. Die Art und Weise, wie Sie in Namibia südafrikanische Positionen unterstützt haben, hat dem Ansehen der Bundesrepublik in ganz Südafrika geschadet.
({25})
An die Deutschen in Namibia appelliere ich: So wird sich viele von ihnen das mit dem Klammern an die Republik Südafrika, mit dem Setzen auf die Demokratische Turnhallenallianz vorstellen, stellen sie ihre Existenz nicht sicher. Interne Lösungen stehen auf tönernen Füßen; mehr noch, sie eröffnen der Sowjetunion die Einwirkungsmöglichkeiten, die sie schon lange in diesem Bereich sucht.
Nun noch ein Wort zu den Befreiungsbewegungen, die von Herrn Stercken auch heute wieder angegriffen worden sind. Wir meinen, sie haben in Südafrika an erster Stelle dazu beigetragen, die Entwicklung zur Unabhängigkeit Zimbabwes und Namibias zu erzwingen. Die weißen Minderheiten in Südafrika, Zimbabwe und Namibia haben bewiesen,
daß sie freiwillig zu Zugeständnissen nicht bereit sind. Trotzdem werden diese Organisationen von der CDU/CSU als Terroristen und Mörderbanden und ihre Unterstützung als Beihilfe zu Mord bezeichnet. Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, der nicht nur nicht zurückgenommen, sondern Anfang dieses Jahres sogar wiederholt worden ist.
({26})
Ihre konservativen Freunde, Mrs. Thatcher und Lord Carrington, auf die Sie sich sonst so gerne berufen, mit denen sich Herr Strauß so gerne fotografieren läßt, verhandeln also in London mit „Mördern' und setzen sich mit denen an einen Tisch und machen mit denen Politik. Das ist doch die Konsequenz dessen, was Sie sagen. - Ich bin dankbar für den Hinweis, den Herr Ehmke dazu gerade gegeben hat
Die Frage der Unterstützung von Befreiungsbewegungen, auch derer, die Gewalt anwenden, ist seit langem Gegenstand sehr ernster Diskussionen innerhalb der SPD, zwischen der SPD und den Kirchen und auch anderen Verbänden. Wir haben auch versucht, dies ernsthaft mit der CDU/CSU zu diskutieren.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stercken?
Ja, wenn es auf meine Redezeit nicht angerechnet wird.
Wenn es nicht so lange dauert, dann wird das auf Ihre Redezeit angerechnet.
Aber ich komme mit dem neuen Zählgerät nicht zurecht. Ich kann im Moment nicht übersehen, wieviel Zeit mir noch zur Verfügung steht.
Sie haben jetzt noch sechs Minuten Redezeit.
Danke sehr.
Herr Kollege Corterier, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es uns nicht auf eine politische, sondern auf eine moralische Wertung ankommt, daß wir die Frage prüfen und kritisch entscheiden, ob es gerechtfertigt ist, solche Bewegungen zu unterstützen? Haben Sie bemerkt, daß es nicht darum geht, sie politisch zur Kenntnis zu nehmen?
Es tut mir furchtbar leid, Herr Stercken, Sie haben aber dann offenbar eine sehr eigene Moral. Ich werde nie verstehen, wie es Ihnen diese Moral möglich macht, auf der einen Seite von „Mörderbanden" und „Terroristen" zu sprechen, auf der anderen Seite aber - ich habe Ihnen ja vorhin schon während Ihrer Rede diese Frage zu stellen versucht - mit der Unita aufs engste zusammenzuwirken. Sie haben eben berichtet, daß Sie mit Herrn
Savimbi Gespräche geführt haben. Wie paßt das denn zusammen?
({0})
Was ist das für eine Moral? Diese Moral kann ich mir nicht zu eigen machen.
({1})
- Das ist eine doppelte. Ich glaube, das ist die richtige Bezeichnung.
Der Standpunkt der CDU/CSU, jede Gewaltanwendung, von welcher Seite sie auch komme, ablehnen zu wollen - von der Seite der Unita lehnt man sie ja offenbar nicht ab -, ist, jedenfalls, was das südliche Afrika angeht, scheinheilig und der Standpunkt des Privilegierten, der seine Privilegien natürlich am besten dadurch verteidigen kann, daß er diejenigen, die unter dieser einseitigen Privilegierung leiden, zur Gewaltlosigkeit verpflichtet
({2})
Man darf nicht so tun, als sei die Anwendung von Gewalt völlig außerhalb unserer Tradition und unseres politischen Denkens angesiedelt Das Recht auf Widerstand - wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen - ist in unserem Grundgesetz niedergelegt
({3})
Die Opposition feiert jedes Jahr die Beteiligung der Ihren am 20. Juli 1944 an, einem zweifellos gewaltsamen Putschversuch. - Wenn Sie dazwischenrufen, Herr Todenhöfer, Widerstand gegen Unschuldige gebe es nicht: Bei dem Anschlag auf Hitler bestand doch eindeutig die Gefahr, daß auch Unbeteiligte zu Tode kommen würden.
({4})
- Herr Hupka, Ihre Zwischenrufe sind nur laut und im übrigen indiskutabel. Auf diese Zwischenrufe gehe ich nicht ein.
({5})
Ich erkläre hier: Die SPD lehnt für sich die Anwendung von Gewalt ab. Sie hat dies in ihrer langen Geschichte immer getan. Aber wir müssen auch verstehen, daß es für andere Situationen gibt, in denen sie glauben, anders als durch Gewaltanwendung keine Möglichkeit zur Durchsetzung berechtigter Forderungen, die auf die Beseitigung von Unterdrückung und Terror gerichtet sind, zu haben.
({6})
- Jetzt hören Sie doch mit Honecker auf. Wie doppelt Ihre Moral ist,
({7})
haben doch die Ausführungen des Herren Stercken gezeigt, der über die Terrorbanden gesprochen hat und dabei kein Wort über den Terror in Südafrika verloren hat.
({8})
Hat er hier ein Wort über die Toten von Soweto gesagt? Hat er etwas über den Mord an Biko gesagt? Kein Wort! Das ist eine doppelte Moral!
({9})
Wir erkennen dieses Widerstandsrecht in unserer eigenen Geschichte an. Es besteht deshalb kein Grund, diese Anerkennung Widerstandsgruppen in anderen Kontinenten - denn wir sollten ja auch an Afghanistan denken - zu versagen.
Sie von der Opposition kann ich nur bitten, diese Diskussion künftig mit mehr Sachlichkeit und Sorgfalt zu führen.
({10})
Sie sind dazu schon vor einem Jahr auf dem entwicklungspolitischen Kongreß der Kirchen aufgefordert worden. Da haben Sie es auch damals zugesagt. Die Einlösung dieses Versprechens steht bis heute aus.
Ich möchte noch einmal die Redner der Opposition, die im weiteren Verlauf der Debatte sprechen werden, bitten, uns doch einmal zu sagen, wie sie eigentlich ihre Zusammenarbeit mit der Unitá in Angola rechtfertigen wollen. Denn diese Organisation müßte doch nach Ihrer Terminologie auf jeden Fall als terroristisch bezeichnet werden. Sehr interessant wäre es auch, zu erfahren, wie Sie diejenigen in Ihr Schema einordnen, die um Freiheit in Afghanistan kämpfen.
Noch ein Wort zur Republik Südafrika, dem eigentlichen Krisenherd des südlichen Afrikas, zu dem sich für uns Frau von Bothmer nachher noch äußern wird. Ich will deshalb nur eine kurze Bemerkung dazu machen.
Wir dürfen uns nicht über die möglichen Absichten der Regierung der Republik Südafrika hinwegtäuschen. Die Erleichterung in einigen arbeitsrechtlichen Bereichen, das Einverständnis in Namibia, von dem wir bisher nicht wissen, ob es nur vorgetäuscht ist, das derzeitige Stillhalten in Zimbabwe - all das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß alles dafür spricht, daß die Entschlossenheit der weißen Südafrikaner zur Verteidigung ihrer Privilegien nach wie vor ungebrochen ist. Wir haben zu bemerken, daß in vielen Bereichen in der Republik Südafrika selbst die Repression nicht gemindert, sondern sogar verschärft worden ist. Wir müssen feststellen, daß in Zimbabwe entgegen dem Londoner Abkommen Truppen aus der Republik Südafrika stehen. Es bleibt festzustellen, daß die Regierung Pretorias mit dem Instrument der demokratischen Turnhallen-Allianz eine Regierung in Windhuk aufzubauen versucht, die die SWAPO ausschließt und die allein die Interessen der Republik Südafrika vertritt.
Die Probleme im südlichen Afrika sind noch nicht ausgestanden. Solange der Kern des Problems noch
nicht beseitigt ist, ist kein endgültiger Friede möglich. Eine dauerhafte friedliche Lösung kann nur der völlige Abbau der rassistischen Grundlagen des Staates Südafrika und seiner Gesellschaft bringen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer ({0}).
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der Beantwortung Ihrer Großen Anfrage zur Afrikapolitik erschöpfend und, wie ich meine, in sehr erfreulicher Weise unseren Standpunkt deutlich gemacht, den Sie hier erfragt haben.
({0})
Der Bundesaußenminister wird heute noch die klare Linie dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien darstellen,
({1})
die sich sehr wohltuend von dem abhebt, meine Damen und Herren von der Opposition, was Sie uns in den 60er Jahren als Afrikapolitik-Konzeption geboten haben.
Ich erinnere mich an meine erste Reise nach Afrika in ein westafrikanisches Land in den 60er Jahren. Dort hat mir ein Botschafter der Bundesrepublik gesagt: „Stellen Sie sich vor, im Nachbarland ist ein Minister der hiesigen afrikanischen Regierung bei einer Industrieausstellung unglücklicherweise an den Stand der Deutschen Demokratischen Republik gegangen, und nun bekam ich aus Bonn ein Kabel, sofort bei der Regierung zu intervenieren, daß sich das in Zukunft nicht wiederholt." Das war so in etwa die damalige Vorstellung deutscher Afrikapolitik: Hauptsache Nichtanerkennung der DDR und vor allen Dingen keine Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit irgendeinem Land, das sich nicht unserem Anspruch auf Wohlverhalten beugte.
({2})
Die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition hat ja erst eine echte und, ich würde sagen, zum erstenmal auch eine glaubwürdige Politik diesem Nachbarkontinent gegenüber ermöglicht, von dessen ständig steigender Bedeutung für Europa und wachsenden gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten und von dessen wichtiger geopolitischer Lage für uns auch Sie inzwischen, nämlich in Ihrer Anfrage, sprechen. Daraus wird erkennbar, daß Sie dazugelernt haben, daß Sie zumindest Afrika nicht mehr ganz so am Rande Ihrer Vorstellungen - wie noch in den 60er Jahren - sehen.
({3})
- Herr Stercken, erlauben Sie mir, im Verlauf der Debatte noch darauf einzugehen. Ich darf noch ein paar Worte sagen.
({4})
Schäfer ({5})
- Da mein Verhältnis zu Herrn Stercken so hervorragend ist, fürchte ich, daß es durch eine solche Auseinandersetzung verändert wird. Aber jetzt bin ich neugierig geworden. Bitte schön.
Herr Dr. Stercken, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Schäfer, ich wollte Sie nur fragen, ob mich meine Erinnerung völlig im Stich läßt, daß in den 60er Jahren eine gewisse Freie Demokratische Partei an der Bundesregierung beteiligt war und daß es damals einen Entwicklungsminister Scheel gab.
({0})
Haben Sie die Absicht, dies in Ihre Betrachtungen einzubeziehen?
Ich habe auf die damalige deutsche Außenpolitik abgehoben
({0})
und nicht auf die ersten Ansätze zu einer vernünftigen Entwicklungspolitik, die wir Walter Scheel zu verdanken haben.
({1})
- Meine Damen und Herren, auch durch Schreie werden Sie hier nicht überzeugen können.
Herr Kollege Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hamm-Brücher?
Herr Kollege Schäfer, können Sie bestätigen, daß die Freien Demokraten 1966 aus der Bundesregierung ausgeschieden sind?
Vielen Dank. Frau Hamm-Brücher, ich kann das bestätigen. Aber ich wiederhole: Die Richtlinien der Politik werden verfassungsgemäß ja wohl noch vom Bundeskanzler und die Außenpolitik entscheidend vom Außenminister bestimmt. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir damals den Entwicklungshilfeminister gestellt, den ersten, der hier Zeichen gesetzt hat.
({0})
- Ihr Störfeuer wird mich nicht daran hindern, Ihnen noch einige sehr unangenehme Dinge zu sagen.
Die Bundesregierung hat in Beantwortung dieser Ihrer Anfrage die große Bedeutung des deutschen Verhältnisses zu Afrika herausgestellt und unsere Afrikapolitik als Teil unserer Friedenspolitik unterstrichen.
({1})
Entscheidend erscheint mir daher die Prämisse, daß unsere Politik zur Friedenssicherung und Stabilisierung dieses Kontinents keine machtpolitischen Zwecke verfolgen darf, im Geiste gleichberechtigter Partnerschaft erfolgen soll und von dem Ziel getragen sein muß, die von den afrikanischen Staaten erworbene Unabhängigkeit zu verteidigen und wirtschaftlich zu sichem.
Wir wollen es diesen Staaten ermöglichen, ihren Teil zu einer friedlichen Entwicklung in dieser Welt beizutragen. Wir wollen ihnen helfen, die teuer erkaufte nationale Selbstbestimmung zu wahren.
Daß wir die Erreichung dieser Ziele von den Prinzipien der Achtung vor der Souveränität dieser Staaten und damit der Nichteinmischung in deren innere Angelegenheiten aus angehen, daß wir aber gleichzeitig die Anwendung von Gewalt ebenso verurteilen, wie wir die Verwirklichung der Menschenrechte fordern, ist kein Gegensatz, wie das auch heute morgen von Herrn Stercken wieder herauszustellen versucht wurde.
Nur sollte hier niemand so tun, als ware es eine einfache Sache für junge Staaten gewesen, die ja nicht auf natürlichem Weg entstanden sind, sondern über Stammesgrenzen hinweg als ehemalige Kolonien zueinanderfinden mußten, die Folgen des Kolonialismus von heute auf morgen zu überwinden. Grausamkeiten und Stammesfehden, das wußte jeder, waren die Konsquenz einer solchen Entlassung dieser Staaten in die Freiheit von heute auf morgen. Wir sollten uns hier nicht auf die moralisch hohe Warte begeben und dies aus der Sicht eines Kulturstaats beurteilen, wenn wir wissen; daß in diesen Ländern eine Nachholentwicklung durch die Kolonialpolitik der westlichen Machte eingetreten ist, die versäumt haben, in diesen Ländern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß es heute eine friedliche Situation gibt.
({2})
- Ich bin grundsätzlich nicht bereit, auf derartige Zwischenrufe autoritärer Art wie „Beantworten Sie das!" zu antworten, Herr Todenhöfer.
({3})
Daß chaotische Übergangszustände von uns heute mit Geduld ertragen werden, daß wir aber dazu beitragen müssen, diese Zustände zu verhindern und zu einem vernünftigen Miteinander der Afrikaner zu kommen, ist, glaube ich, hier im Hause nicht umstritten.
Um so mehr geht es nun darum, diese schlimme Situation durch wirtschaftliche, politische und insbesondere auch durch kulturelle Hilfe zu mildern.
Die Ära der regierenden Feldwebel und Unteroffiziere, die in Afrika zum Teil an die Macht gelangt waren, geht ihrem Ende entgegen. Wir registrierten ja am Ende des letzten Jahres, daß z. B. die Herren Bokassa, Idi Amin oder Nguema eben nicht mehr Präsidenten ihrer Staaten sind, daß z. B. inzwischen in Nigeria, Ghana und Obervolta Militär- durch Zivilregierungen ersetzt wurden - Gott sei Dank -, eine Entwicklung, die wir doch nur begrüßen können.
({4})
Schäfer ({5})
Nach unserer Auffassung kommt es vor allem darauf an, Verständnis für den schwierigen Prozeß der Selbstfindung dieser jungen Staaten aufzubringen. Es wäre töricht und selbstgerecht, unsere Vorstellungen einer freien und gut funktionierenden Gesellschaftsordnung zum Maßstab unserer Hilfeleistungen an diese Staaten zu machen. Wer das fordert, muß sich fragen lassen, ob er nicht genau das tut, was er anderen vorwirft. Wer einerseits die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der afrikanischen Staaten entschieden verwirft, um eine friedliche Entwicklung aller Staaten in Afrika in Freiheit zu fördern - so wörtlich in Ihrer Anfrage, meine Damen und Herren von der CDU/CSU -, gleichzeitig aber in diesen Staaten - ich zitiere wiederum, allerdings aus einem anderen Papier, nämlich Ihren sehr beachtlichen entwicklungspolitischen Thesen, Herr Todenhöfer - den Aufbau von Systemen betreibt, die den gesellschaftlichen Pluralismus und eine sozial verpflichtete Marktwirtschaft bejahen, und ihnen auch noch Wohlverhalten bei internationalen Konferenzen abfordert, muß sich allerdings fragen lassen, ob das noch eine Politik ist, die mit dem übereinstimmt, was Sie in Ihrer Anfrage formuliert haben. Ich sehe hier einen beachtlichen Widerspruch in Ihren Formulierungen.
({6})
- Herr Köhler, es geht jetzt um Ihre Papiere, um eine Gegenüberstellung von Texten.
Man muß sich doch fragen lassen, Herr Todenhöfer, ob man es wirklich ehrlich meint oder man nicht versucht - allerdings auf sublimere Weise als durch Militärpräsenz, die Sie mit uns zu Recht kritisieren - genau eine solch massiven Einfluß auf diese Staaten zu nehmen.
Ich darf Sie noch einmal auf Ihr Papier ansprechen. Ich habe es sehr sorgfältig gelesen; ich habe es hier. Das Wort „Selbstbestimmungsrecht" kommt in diesem Papier der CDU/CSU nicht mehr vor.
({7})
Das steht nicht mehr in dem Papier. Aber es steht der Satz darin: „Völlige Unabhängigkeit, wie sie von den Entwicklungsländern häufig gefordert wird, kann es für kein Land geben.” Ein sehr interessanter Satz.
({8})
Ich kann nur sagen, Herr Todenhöfer: Die Formulierungen werden, wenn Sie das weiterverfolgen, ja noch schlimmer.
({9})
Sie schreiben z. B. - ich darf das auch noch zitieren
„Erforderlich für unsere Entwicklungshilfe ist
ferner die Beendigung der undifferenzierten Unterstützung jener Entwicklungsländer, die sich in die
aggressive Globalstrategie der Sowjetunion eingeordnet haben. Sie bringen wieder einmal keine Beispiele. Es wäre sehr interessant, zu wissen, wen Sie eigentlich meinen.
Wenn Sie diese sich der sowjetischen Globalstrategie angeblich unterordnenden Länder einmal etwas genauer analysieren, kommen Sie doch zu sehr interessanten Ergebnissen. Sie kommen z. B. zu dem Ergebnis, daß gerade Angola und Mozambique - ich nehme an, daß Sie diese Länder gemeint haben
- in der letzten Zeit deutlich gemacht haben, wie sehr ihnen daran liegt, aus einem Einfluß herauszukommen, der ihnen deshalb aufgebürdet wurde, weil sich auch der Westen - darauf hat Herr Corterier ja schon hingewiesen - um diese Länder nicht gekümmert hat. Ich kann immer wieder nur sagen, Herr Todenhöfer: Es ist schlecht, wenn man immer nur die Wirkungen feststellt und daraus Schlüsse zieht, statt sich etwas intensiver mit den Ursachen auseinanderzusetzen.
Ihr Thesenpapier ist verräterisch. Eine Entwicklungspolitik dieser Art weist für mich in die 50er und 60er Jahre zurück und beinhaltet Züge einer bereits überholten und für meine Begriffe abgestandenen Hallstein-Doktrin.
({10})
- Ich kann Ihnen gerne die Thesen der FDP zur Nord-Süd-Politik zustellen, die wesentlich älter und besser als das sind, was Sie erst jetzt formuliert haben. Ich möchte sie hier im einzelnen nicht darlegen.
({11})
Aber ich schicke sie Ihnen gerne.
Wir müssen uns die Frage stellen: In welcher Form glauben Sie eigentlich diese Politik einem selbstbewußt gewordenen jungen Kontinent noch aufzwingen zu können? Haben Sie aus der Entwicklung der letzten Jahre immer noch nicht gelernt? Eine solche Entwicklung treibt doch all jene Staaten
- Sie müssen wirklich anfangen, das zu begreifen -, die nicht in Ihr Verhaltensmuster passen, geradezu in die Hände der östlichen Seite, was wir alle vermeiden wollen.
({12}) Das ist doch der entscheidende Fehler Ihrer Politik: diese Staaten nicht zu unterstützen und damit den Sowjetrussen ein Alibi zu schaffen, ihnen Hilfestellung zu leisten, um sie sich abhängig zu machen. Insofern ist es grotesk, wenn Sie hier ständig nur die Sowjetunion beschuldigen, statt sich selbst zu fragen, was Sie selbst an Vorleistung für die Sowjet- union durch diese unglückselige Politik erbringen.
Entweder halten Sie sich an Ihr Bekenntnis, das Sie in dieser Anfrage hier formuliert haben, daß Sie nämlich das Selbstbestimmungsrecht als ein fundamentales, friedenssicherndes Prinzip bejahen - dann müssen Sie Ihre Nord-Süd-Thesen, meine Damen und Herren, dem Papierwolf anvertrauen -, oder aber Sie bekennen sich hier zu einer Doppelstrategie, die Sie immer anderen vorwerfen. Das allerdings können wir politisch nicht mitmachen.
Schäfer ({13})
Es bleibt Ihrem entwicklungspolitischen Sprecher, der den Saal leider gerade verlassen hat, vorbehalten, immer wieder zu behaupten, dieser Bundesregierung sei es nicht gelungen, den Herausforderungen an unsere Entwicklungspolitik, unsere Außenpolitik, unsere Sicherheitspolitik, unsere Außenwirtschaftspolitik und unsere auswärtige Kulturpolitik mit einem überzeugenden Gesamtkonzept zu begegnen. Nun wundert mich, daß Herr Todenhöfer sogar noch die auswärtige Kulturpolitik anspricht. Denn hier hatte ich das Gefühl, daß wir alle gemeinsam, Frau Hamm-Brücher, eine Konzeption - wir sitzen seit Monaten zusammen - entworfen haben. Mir ist zum erstenmal aufgefallen, daß Sie diese Gesamtkonzeption offensichtlich gar nicht für gut halten.
({14})
- Möglicherweise kennt er sie auch nicht; das ist durchaus denkbar. In dieser Hinsicht würde ich empfehlen, daß man Entwicklungspolitik und Außenpolitik etwas mehr abstimmt. Sonst wird es allmählich sehr verwirrend mit der Folge, daß es uns schwerfällt, Ihnen überhaupt noch zu folgen.
Ich weiß auch nicht, ob Herr Todenhöfer allen Ernstes eine solche Behauptung aufstellen kann, da er doch so oft reist, es sei denn, er reist mit geschlossenen Augen und mit verstopften Ohren, was natürlich denkbar ist. Vielleicht reist er auch in die falschen Länder, meine Damen und Herren. Er sollte gelegentlich auch einmal den Kongo überqueren, um von Kinshasa aus in ein sogenanntes sozialistisches Land zu fahren, um festzustellen, daß diese sogenannten sozialistischen Länder eben gar nicht dem entsprechen, was hier ständig behauptet wird, nämlich daß sie Moskautreu, Lenin-treu - und was weiß ich, was sonst noch - seien.
({15})
- Entschuldigen Sie, das, was Sie mir hier unterstellen, kann ich, glaube ich, dadurch zurückweisen, daß wir gelegentlich auch über Erfahrungen verfügen, die Ihnen fehlen, weil Sie solche Länder meiden, wir nicht; das ist doch der Unterschied.
({16})
Wenn uns dann gar noch - als weiteres neues Konzept - am vergangenen Wochenende von Ihrem verteidigungspolitischen Sprecher, Herrn Wörner, in einer für meine Begriffe erschreckenden Rede angedient wurde, es sei Aufgabe der NATO, die Sicherung der Rohstoff- und Ölversorgung zu einer zentralen Aufgabe zu machen, meine Damen und Herren, dann wundern Sie sich bitte nicht, daß Ihnen in Afrika gesagt wird: „Was anderes tun Sie denn? Auch Sie wollen doch nur Ihr System übertragen, auch Sie nehmen doch die gleichen Mittel in Anspruch, die wir der Sowjetunion zu Recht hier vorwerfen!" Damit aber werden wir doch in einem unglaublichen Maße unglaubwürdig.
Natürlich, Herr Kollege Mertes, sind auch wir entschlossen - ich fand Ihre Rede auf dem Parteitag der CDU Rheinland-Pfalz in Lahnstein sehr beachtenswert -, uns fur unsere politischen Vorstellungen und unsere ethischen Werte in der Dritten Welt einzusetzen, selbstverständlich! Nur machen wir daraus kein politisches Geschäft. Wir drohen auch nicht mit Pressionen, wie das neuerdings bei Ihnen üblich wird. Wir werden die Fehler der Sowjetunion und ihrer Freunde nicht nachahmen, sich aufzudrängen und Leistungen von politischen Vorleistungen abhängig zu machen. Diese Politik wird auf Dauer scheitern, so wie sie bereits in Ägypten, Somalia, Ghana und Guinea und einigen anderen afrikanischen Staaten gescheitert ist oder zu scheitern im Begriffe ist, jedenfalls nach den Erkenntnissen, die man nach dem Einmarsch in Afghanistan auch dort mit Sicherheit ziehen wird.
({17})
- Ich habe in Ihrer Abwesenheit, Herr Todenhöfer, darauf hingewiesen, daß ich nach wie vor der Meinung bin, daß wir gerade den Ländern helfen sollten, die sich noch in Abhängigkeit befinden, statt sie zu verdammen und sie in Abhängigkeit zu belassen. Ich darf das hier an dieser Stelle auf Ihren Zwischenruf hin wiederholen.
({18})
- Herr Todenhöfer, es mag sein, daß Sie all das, was andere sagen, für falsch halten. Ich stelle bei Ihnen keinen Erkennungsprozeß fest, wenn ich Ihre politischen Äußerungen der letzten drei Jahre untersuche. Aber ich bin mit einigen Freunden aus Ihrer Partei der Auffassung, daß wir das, was Sie in Afrika und außerhalb Afrikas von sich geben, nicht immer ganz ernst nehmen können.
Herr Todenhöfer, Sie sollten zumindest das Abstimmungsverhalten einiger dieser von Ihnen kritisierten afrikanischen Staaten in dieser Woche in den Vereinten Nationen zur Kenntnis nehmen. Auch da stimmt Ihr Freund-Feind-Bild, das Sie hier dauernd aufrichten, nicht mehr.
({19})
Nehmen Sie doch einmal Tansania und den vielgescholtenen Präsidenten Nyerere! Das ist auch ein Sozialist, und er ist deshalb nach Ihrer Vorstellung bereits abzulehnen. Ich kann nur sagen, wir sind dankbar, daß solche Präsidenten ihr Wort bei solchen Abstimmungen in die Waagschale werfen.
({20})
Ich brauche das Mißverhältnis zwischen sowjetischen Waffenlieferungen und sowjetischer Entwicklungshilfe, auf das die Bundesregierung und der Bundesaußenminister immer wieder hingewiesen haben, hier nicht mehr darzustellen; er wird es sicherlich nachher auch noch tun.. Ich glaube aber, daß sich unsere afrikanischen Freunde sehr wohl darüber bewußt sind, von wem sie zunächst zwar die Waffen bekamen, weil sich der Westen verweigerte,
Schäfer ({21})
von wem sie aber langfristig die Gelder bekommen, um ihre Staaten aufzubauen. Ich bin hier nicht so pessimistisch wie Sie, Herr Stercken, und manche Ihrer Freunde. Ich glaube, daß diese Staaten wissen, wer letztendlich ihre Landwirtschaft verbessert, ihr Verkehrssystem erweitert, ihr Schul- und Gesundheitswesen und ihre Verwaltung mit aufbaut Ich glaube, wir sollten hier in aller Ruhe mit dieser Politik fortfahren. Ich glaube, hier sollte es keinen Dissens geben, und hier sollten wir nicht in diese schreckliche Politik verfallen, schwarzweiß nach Lagern vorzugehen, indem wir den einen etwas geben und den anderen nichts geben.
({22})
Diese Bundesregierung wird in enger Kooperation mit ihren europäischen Partnern ihre Bemühungen auf diesem Weg unbeirrt fortsetzen und sich nicht der Methoden bedienen, die wir gerade auf der anderen Seite immer wieder festgestellt haben. Wir werden dazu beitragen, die ökonomischen Mißverhältnisse zwischen Nord und Süd abzubauen. Wir werden aber nicht dazu beitragen, nun wieder ein ideologisches Einflußsystem unserer Art zu errichten und davon unsere Hilfe abhängig zu machen.
Die afrikanischen Staaten sind sich der Gefahr be- wußt, die ihnen durch den Ost-West-Konflikt droht. Um so mehr werden sie langfristig denen vertrauen, die bemüht sind, sie aus dem Ost-West-Konflikt herauszuhalten, und dieser Bemühung gilt unsere Anstrengung.
({23})
Alle Voraussetzungen für dieses Vertrauen sind natürlich dann bedroht, wenn wir nicht deutlich machen und unsere Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, die letzten Bastionen eines von Weißen vertretenen Rassismus abbauen zu helfen. Wer dem verehrten Herrn Fraktionsvorsitzenden Kohl gefolgt wäre, hätte nach der Schwarzweißtheorie, die er betrieben hat, niemals Verhandlungen mit einer, wie Sie sagen, kommunistischen Guerillaorganisation namens Patriotischer Front aufgenommen. Sie haben statt dessen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihre Unterstützung für Bischof Muzorewa und seine interne Lösung angekündigt Nun - darauf ist hingewiesen worden - war es eine konservative Partei in England, die diesen Schritt getan hat. Wir können hoffen, daß die Ergebnisse der LancasterHouse-Konferenz durchgesetzt werden können, daß sie zur Durchführung wirklich echter Wahlen unter Beteiligung wichtiger Stammesführer führen werden, die dieses Land nicht verlassen haben, um aus heiterem Himmel kommunistische Guerillas zu werden, sondern die letzten Endes auf Grund der Politik aus diesem Lande fliehen mußten, die in Rhodesien noch vor 10 und 15 Jahren geherrscht hat Es kommt doch nicht von ungefähr, daß sich solche Freiheitsbewegungen gebildet haben.
({24})
Der Waffenstillstand ist noch von manchen Unwägbarkeiten bedroht. Ich verweise auf einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung" von gestern, aus dem hervorgeht, daß die Sorge in den angrenzenden Staaten über eine mögliche gefährliche Entwicklung
bis hin zu den Wahlen Ende Februar noch nicht aufgehört hat Insbesondere wird die Präsenz südafrikanischer Truppeneinheiten auf rhodesischem Boden, die nicht mit den Londoner Abmachungen übereinstimmt, mit großer Sorge verfolgt Ich kann nur hoffen, daß die Republik Südfrika genau wie wir jedes Ergebnis der Wahlen in Rhodesien anerkennen und sich nicht zu irgendeinem Abenteuer verleiten lassen wird, das die positiven Konsequenzen der sowjetischen Afghanistan-Okkupation in der Dritten Welt für den Westen wieder gefährdet. Ich kann nur hoffen, daß man sich .bei uns ebenso mit der Lösung, die in Rhodesien herauskommen wird, abfindet und bereit ist, dann auch zu helfen und zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch von der Unabhängigkeit Namibias zu sprechen, von der wir hoffen, daß sie bald und endlich zustande kommen wird. Herr Corterier hat hierzu heute morgen bereits Ausführungen gemacht Ich wäre dankbar, wenn man auch von seiten der Opposition fiir eine solche Lösung gelegentlich mehr Enthusiasmus spüren würde - gerade bei den sehr engen Bindungen, die Sie ja nun alle zu Namibia haben. Ich vermisse dies ein wenig und war sehr betroffen, als Sie sich seinerzeit sehr schnell und sehr kurzatmig mit der internen Lösung abzufinden schienen, statt den Bemühungen der fünf Westmächte und dieses Bundesaußenministers etwas mehr Vertrauen zu schenken und ihnen etwas mehr Unterstützung zu geben, zu einer Lösung zu kommen, die es auch der SWAPO in Zukunft unmöglich machen wird, noch in irgendeiner Weise - wie Sie sagen - Terror auszuüben, was dann der Fall wäre, wenn sie nicht in die Wahlen eingebunden würde.
({25})
Wir können nur hoffen, daß die Südafrikaner im Anschluß an eine vernünftige Rhodesienlösung bereit sind, endlich ihre letzten und manchmal, wie mir scheint, vorgeschobenen Argumente, die den Prozeß immer wieder verzögern, aufzugeben, und bereit sind, auch für Namibia eine Lösung zu ermöglichen, die für die Weißen in diesem Land langfristig und nicht kurzfristig, wie es die interne Lösung gewesen wäre, hilfreich sein wird.
Wir sollten in diesem Zusammenhang. den Frontstaaten immer wieder für ihre großen Bemühungen - etwa bei der Londoner Konferenz - danken, die uns bis in die Details bekannt sind und bei denen deutlich geworden ist, mit welchen massiven Mitteln sich die Führer dieser Frontstaaten auch gegenüber der Patriotischen Front zum Einlenken bemüht haben. Wir sollten dies nicht geringschätzen. Wir sollten nicht geringschätzen, daß angeblich marxistische, kommunistische Führer - wie Sie sie immer nennen - wie Herr Neto oder sein Nachfolger dos Santos von sich aus erklärt haben: Wir sind bereit, eine demilitarisierte Zone einzuräumen. - Damit sind sie einen großen Schritt in unsere Richtung gegangen. Das muß man doch auch feststellen, wenn man Afrikapolitik differenziert betreibt, statt immer gleich zu sagen: Das sind Kommunisten; sie kommen für uns nicht in Frage. - Sehen Sie doch bitte solche Zeichen als positive Entwicklung an. Ich
Schäfer ({26})
meine, wir haben wirklich Grund dazu, hier nach vorwärts zu gehen und nicht nach rückwärts zu marschieren.
({27})
Wir hoffen alle - ich glaube, hier gibt es keinen Dissens -, daß den weißen Minderheiten, die in Rhodesien und Namibia verbleiben werden, genau die Rechte gegeben werden, die den schwarzen Mehrheiten lange Zeit verweigert worden sind. Wir werden alles tun, um einen vernünftigen Prozeß des Miteinanderlebens zu fördern. Sowohl Rhodesien als auch Namibia können unserer Hilfe gewiß sein. Ich habe mich darüber gefreut, daß gestern seitens der EG bereits vier Millionen Dollar als erste Hilfe für eine Repatriierung rhodesischer Flüchtlinge in Aussicht gestellt worden sind.
Unsere große Sorge gilt der weiteren Entwicklung der Republik Südafrika. Ich will hier nicht mehr im einzelnen auf die Kritik eingehen, die Sίe an uns wegen unseres Verhältnisses zu Südafrika geübt haben. Ich möchte nur wiederholen, daß ich es für schlimm halte, daß das dort herrschende System immer noch glaubt, seine Existenz auf Dauer mit Mitteln einer Rassenpolitik sichern zu können, die überholt ist, die niemand in der Welt, der ehrlich ist, mehr vertreten kann.
Wir haben die neuen Vorstellungen des südafrikanischen Premierministers Botha zur Kenntnis genommen. Es gibt aber auch negative Analogien zu dieser Politik. Wir haben insbesondere immer wieder lesen müssen, daß der wirtschaftliche Zwang wohl mehr als der freie Wille das Motiv für diese Änderungen war.
Leider müssen wir feststellen, daß bislang noch kein Wort über eine Änderung der ,Großen Apartheid zu hören war, von der wir glauben, daß sie eigentlich die gefährlichste Angelegenheit ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann nicht begreifen, daß Sie in einer Anfrage an die Bundesregierung mit einem Unterton der Empörung oder zumindest der Kritik formulieren, wie wir es denn eigentlich mit unserer humanitären Einstellung vereinbaren könnten, daß wir den Homelands keine Unterstützung zukommen ließen. Hier hat die Bundesregierung eine klare Antwort erteilt. Wir können diese Homeland-Politik nicht mitmachen. Diese Homeland-Politik führt nicht zu einer langfristigen Lösung der Probleme der Schwarzen und der anderen unterdrückten Gruppen in Südafrika. Wir pflegen hei unseren Reisen alle, auch die Opposition, zu treffen, Herr Stercken. Sie werden genau wie ich wissen, daß diese Politik bei niemandem Zustimmung findet, daß diese Politik keine Zukunft hat und daß es töricht ware, zu glauben, mit einigen kleinen Änderungen bei der Petty-Apartheid könnte man die Welt befriedigen und seine Homeland-Politik fortsetzen.
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In diesem Zusammenhang muß ich auch noch einmal sagen: Ich halte es für grotesk, wenn Südafrika Entwicklungshilfezahlen nennt, aber meint, mit solchem Geld die Homelands finanzieren zu können. Was heißt hier Entwicklungspolitik? Die schwarzen
Burger des Staates Südafrika haben ein Recht auf wirtschaftliche Unterstützung. Wenn man sie gar in Homelands abschiebt, kann hier doch wohl nicht mehr von Entwicklungspolitik gesprochen werden, vielmehr handelt es sich um minimale Bemühungen, diese Lösung nach außen hin moralisch abzusichern.
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Es stünde gerade Ihnen bei Ihrem sehr freundlichen, wenn nicht sogar sehr freundschaftlichen Verhältnis zu der regierenden Nationalen Partei Südafrikas - Herr Todenhöfer nennt Südafrika Ihren Freund - gut an, Ihren größeren Einfluß auf diese Partei vielleicht auch gelegentlich einmal in der Weise geltend zu machen, daß Sie mit dazu beitragen, daß man in diesem Land Einsicht gewinnt, damit man weiterkommt, statt daß Sie sich immer auf die strategische und wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder für uns zurückziehen. Herr Stercken, ich vermisse das. Ich sehe die freundschaftlichen Gesten, aber ich wäre für das eine oder andere Wort der Kritik aus Ihren Reihen dieser Partei gegenüber sehr dankbar.
Wenn Sie in Ihrer Anfrage hinsichtlich der Apartheid noch nicht einmal das Wort .Abschaffung" erwähnen, sondern sagen, Sie warteten sozusagen auf eine „Überwindung", dann wird deutlich wie sehr milde Sie im Vergleich zu Ihrer Kritik an anderen Vorgängen in der Welt diese Apartheid beurteilen.
Meine Damen und Herren, noch ein letztes Wort zu der Frage der Befreiungsbewegungen und Ihrem Antrag: Wir haben uns darüber schon in der Vergangenheit sehr häufig unterhalten. Ich will hier nicht auf Gewalt-Definitionen im moralischen oder verfassungsrechtlichen Sinne eingehen, aber ich darf doch eines dazu sagen: Wir sollten Ihren Spitzenkandidaten, der gestern hier von einem historischen Verständnis gesprochen hat, das wir alle haben müßten, um Weltkonflikte zu begreifen, schon sehr ernstnehmen und dürfen Sie einmal aufrufen, ein historisches Verständnis für die Entwicklung dieser Befreiungsbewegungen aufzubringen.
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Sίe haben bisher doch immer nur davon gesprochen, daß das böse kommunistische Guerillas seien, von der Sowjetunion finanziert, ausgerüstet - das rag zutreffen die Zivilpersonen ermordeten. Sie haben aber niemals gefragt: Wie kam es denn zur Gründung der SWAPO, wie kam es denn zur Patriotischen Front, warum haben denn Nkomo, Mugabe, warum haben Führer der SWAPO, auch ein Herr Shipanga, den ich hier nenne, der jetzt wieder zurückgekommen ist, ihre Länder seinerzeit verlassen? Wieso kam es denn zu der Gründung? Bitte, meine Damen und Herren, machen Sie sich doch endlich einmal über diese Dinge Gedanken, statt immer nur Ursache und Wirkung zu vertauschen. Ich glaube, wir alle in diesem Hohen Hause kämen wesentlich weiter, wenn wir bereit wären, auch historiSchäfer ({31})
sche Entwicklungen ernstzunehmen, und uns bemühten, ihre schlimmen Folgen zu überwinden.
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Nichts anderes will die deutsche Afrikapolitik.
Ich bin der Bundesregierung für die Beantwortung dieser Anfrage dankbar, die in erschöpfender Weise deutlich macht, daß wir sehr wohl, Herr Todenhöfer, eine hervorragende Gesamtkonzeption für Afrika haben, die in Afrika bereits deutlich ihre Früchte in unserem Sinne zeitigt.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Genscher.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte, die wir gestern hier geführt haben, hat die Auswirkung der sowjetischen Intervention in Afghanistan auf die Staaten der Dritten Welt und natürlich auch auf Afrika eine große Rolle gespielt - und das zu Recht. Wir haben heute bei dieser Aussprache die Gelegenheit, uns mit diesem wichtigen Teil der Dritten Welt, Afrika, zu befassen, mit der Entwicklung dort und natürlich auch mit den Themen, die gestern eine Rolle gespielt haben.
Wir alle wissen, daß Afrika für Europa, für die Bundesrepublik Deutschland ein besonders wichtiger Teil und auch Faktor der Dritten Welt ist. Afrika ist Europa benachbart. Afrikanische Entwicklungen berühren die Situation in Europa, unsere Interessen, noch viel unmittelbarer, als das in anderen Teilen der Welt der Fall ist. Das südliche Afrika, das Horn von Afrika sind Regionen, wo politisches Geschehen leicht in weltpolitische Dimensionen umschlagen kann. Afrikanische Themen finden wir immer wieder in den Vereinten Nationen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die afrikanischen Staaten in den Vereinten Nationen ein Drittel der Mitglieder stellen. Die Organisation der Dritten Welt, die ,,Gruppe-der77' -Bewegung der Blockfreien werden etwa zur Hälfte von Afrikanern gestellt. Das zeigt, daß dieser Kontinent auch bei der weltpolitischen Meinungsbildung und bei die ganze Welt betreffenden Entscheidungen ein immer stärkeres Gewicht bekommt.
Das Verhältnis der Deutschen zu den Staaten Afrikas wird durch vielschichtige historische, wirtschaftliche, kulturelle und menschliche Beziehungen geprägt. Es wird deutlich, daß die Verbindungen der Bundesrepublik Deutschland mit den Staaten Afrikas in den letzten Jahren immer stärker geworden sind und daß diese Entwicklung von dem auf beiden Seiten vorhandenen Bewußtsein wachsender Interdependenz getragen ist, d. h. wachsenden gegenseitigen Abhängigseins voneinander, von gemeinsamen Interessen. Das macht deutlich, warum unsere prinzipielle Position, daß wir Staaten der Dritten Welt in ihrer Unabhängigkeit, in der Bewahrung ihrer Unabhängigkeit, in ihrer selbständigen Entwicklung stärken werden und wollen, ein besonderes Gewicht für Afrika hat.
Wenn wir die Politik unseres Landes gegenüber Afrika zu definieren haben, so müssen wir wissen, daß hier wie überall die Frage der Glaubwürdigkeit entscheidend ist. Nur glaubwürdige Politik setzt uns in den Stand, in Afrika als einem wichtigen Teil der Dritten Welt auch einen Beitrag zum Abbau vorhandener Spannungen zu leisten. Nur Glaubwürdigkeit befähigt uns, zusammen mit anderen Partner aktiv an der friedlichen Lösung von Konflikten mitzuwirken.
Meine Damen und Herren, hier möchte ich sehr herzlich bitten, daß in der Art, wie über afrikanische Staaten und über afrikanische Staatsmänner gesprochen wird, etwas mehr Behutsamkeit gezeigt wird, als ich das immer wieder höre.
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- Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will. Vielleicht stellen Sie Ihren Protest wenigstens bis dahin zurück, wenn ich gesagt habe, was ich meine.
Wenn permanent Staatsoberhäupter und führende Persönlichkeiten afrikanischer Staaten als „Helfer von Terroristen" bezeichnet werden, wenn Sie Befreiungsbewegungen über einen Kamm scheren, so tun, als ob das alles kommunistisch beeinflußte,- von der Weltrevolution geprägte, mit dem Ziel, ganz Afrika in die Einflußzone der Sowjetunion bringende Gruppen seien, sage ich Ihnen, daß Sie Gefühle verletzen, auch von solchen afrikanischen Staatsmännern, die enge Partner unseres Landes sind. Sehen Sie doch einmal nach, wie viele der heute bestimmenden Persönlichkeiten in Afrika selbst einmal durch eine Befreiungsbewegung überhaupt erst in die politische Verantwortung gekommen sind.
({1})
Sehen Sie sich auch einmal an, wie viele sich auf dem Weg zur Unabhängigkeit ihres Landes - das mag uns gefallen haben oder nicht - auch von. der Sowjetunion haben unterstützen lassen.
Es gibt einen bemerkenswerten Redebeitrag aus der letzten Generalversammlung der Vereinten Nationen, wo der Delegierte eines sehr wichtigen, von uns allen hochgeschätzten - ich sage: von uns allen - afrikanischen Landes sich zu der sowjetischen Intervention in Afghanistan geäußert hat. Dieser Mann hat in dem ersten Teil seiner Rede die Geschichte der Beziehungen seines Landes zur Sowjetunion dargestellt. Er hat gesagt, es habe ein langes Stück des Weges gegeben, wo die Sowjetunion mit seinen Anhängern zusammen gegen die Überwindung des Kolonialismus gekämpft habe. Diese Partnerschaft habe man damals von der Sowjetunion angenommen. Aber jetzt sei man ein unabhängiger Staat, und man wolle nicht, daß andere Staaten durch die Sowjetunion in eben das Schicksal geführt werden, das man damals mit Hilfe der Sowjetunion habe überwinden können. Meine Damen und Herren, vielleicht spüren Sie, was sich da in der Dritten Welt tut.
Es hat eben in der Zeit der Entkolonisierung unabhängige Persönlichkeiten in der Dritten Welt ge15710
geben, die bereit waren, Hilfe von jedem, der sie ihnen gab, in Anspruch zu nehmen, auch wenn sie mit dessen politischer Überzeugung überhaupt nicht übereingestimmt haben. Jetzt haben sie einen Status der Unabhängigkeit, und den wollen sie nicht neu - jetzt an die Sowjetunion - verlieren. Deshalb müssen wir uns, glaube ich, behutsamer und differenzierender auch mit diesen Gruppierungen auseinandersetzen. Deshalb ist es so wichtig, daß wir in der Frage der Überwindung der Rassendiskriminierung dort, wo sie noch vorhanden ist, auch jene Behutsamkeit und Klarheit in der Position zeigen, die notwendig ist, damit unsere Politik glaubwürdig bleibt.
Denn es besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß mit der Beendigung des Entkolonisierungsprozesses in Afrika auch jene Phase des Verhältnisses der Sowjetunion zu den Staaten der Dritten Welt zu Ende geht, in der es für bestimmte Gruppen Gründe gab, sich von der Sowjetunion helfen zu lassen. Meine Damen und Herren, im Grunde ist die friedliche und vernünftige Lösung der Probleme, um deren Regelung es in Rhodesien und in Namibia und in Südafrika geht, auch eine ganz wichtige Garantie dafür, daß sich in diesem Gebiet eben nicht über einen Rassenkrieg die Chancen für eine sowjetische Intervention ergeben.
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Wir haben in diesem Hause nie einen Zweifel daran gelassen, daß es moralische Gründe sind, Gründe, die wir in unserer eigenen Verfassungsordnung finden, Gründe, die wir in unserer Überzeugung finden, die uns veranlassen, für die Gleichberechtigung aller Rassen einzutreten.
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Aber zu diesen moralischen Gründen kommen auch ganz wichtige weltpolitische Erwägungen hinzu, wenn wir sagen, daß ein friedlicher Übergang zur Gleichberechtigung der Rassen auch ein Beitrag zur Stabilisierung in dieser Region ist. Oder, um es anders auszudrücken, nicht eine Verzögerung des Übergangsprozesses im südlichen Teil Afrikas sichert die wirklichen oder vermeintlichen Interessen der westlichen Demokratien; nein, seine Beschleunigung schafft dort Strukturen, auf deren Grundlage unabhängige Partner gemeinsam mit uns dem Versuch widerstehen werden, den sowjetischen Einfluß in Afrika auszudehnen.
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Deshalb ist es so wichtig, daß wir eine glaubwürdige und eine realistische Politik im südlichen Teil Afrikas betreiben.
Meine Damen und Herren, da wird ganz deutlich, daß natürlich von allen afrikanischen Staaten, wie immer sie ihren weltpolitischen Standort verstehen, wie immer sie ihre innere Ordnung verstehen, die Glaubwürdigkeit von Ländern anderer Kontinente danach beurteilt wird, wie sie zu der prinzipiellen Frage der Überwindung der Rassendiskriminierung stehen. Daran werden wir gemessen, das ist der Prüfstein. Deshalb ist hier eine klare Position der Bundesrepublik Deutschland notwendig.
Das heißt, wir sind für die Beendigung und Besettigung des Restkolonialismus. Deshalb unterstützen wir mit Nachdruck die Anstrengungen der britischen Regierung, in Rhodesien diesen Übergang jetzt zu vollziehen. Deshalb bemühen wir uns zusammen mit unseren Partnern um die Durchführung der Namibia-Initiative, und deshalb nehmen wir unseren Einfluß wahr, um in Südafrika zu einem friedlichen Übergang beizutragen.
Diese Politik, die wir betreiben, war von Anfang an in eine Gesamtpolitik des Westens eingebettet. Da verstecken wir uns gar nicht hinter dem, was andere Regierungen sagen. Es wird gelegentlich behauptet: Dann, wenn diese Regierung etwas Falsches tut, begründet sie es damit, daß andere westliche Staaten auch etwas Falsches tun. Nein, wir sind der Meinung, daß diese Politik des Westens richtig ist und daß wir zusammen mit unseren Partnern diesen Weg gehen sollten.
Dabei ist es - auch vor dem Hintergrund der Solidaritätserklärungen, die gestern aus guten Gründen von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages abgegeben worden sind - wirklich nicht gut, wenn der amerikanische Präsident permanent Gegenstand von persönlich herabsetzender Kritik von Mitgliedern dieses Hauses ist, die sich in Worten wie dem ergehen, er spiele eine traurige Rolle in Afrika,
({5})
weil er Rücksicht auf farbige Stimmen in den Vereinigten Staaten nehme. Nein, meine Damen und Herren, die Politik, die wir zusammen mit den Vereinigten Staaten und unseren europäischen Partnern in Afrika betreiben, ist nicht eine Rücksichtnahme auf amerikanische farbige Wähler, sondern sie entspringt der Einsicht in die Notwendigkeit der Durchsetzung moralischer Prinzipien und politischer Interessen der westlichen Demokratien.
({6}) Das ist der Grund.
Deshalb ist es wichtig, -daß wir die gleichberechtigte Partnerschaft mit den afrikanischen Staaten suchen und daß wir diese Partnerschaft ausbauen. Deshalb haben wir uns für das Lome-Abkommen mit solchem Nachdruck eingesetzt.
Ich mache auch gar keinen Hehl daraus, daß wir deshalb gemeinsam gerade vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Wochen auch unserem Lande sagen sollten, in der Entwicklungshilfe werden noch größere Anstrengungen als die, die sich im Augenblick in unseren Haushaltszahlen ausdrücken, notwendig sein.
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Ich habe gestern als einen wichtigen Punkt festgehalten, daß Vertreter aller Fraktionen, auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion sich dafür ausgesprochen haben. Dies wird eine Aufgabe sein, die unserer Öffentlichkeit nicht leicht verständlich zu machen sein wird.
Wir müssen damit deutlich sagen, diese Hilfe für die Dritte Welt ist ein Beitrag zur Lösung der grοßen weltweiten sozialen Frage, wie es Herr Brandt
hier gestern formuliert hat, die uns für den Rest dieses Jahrhunderts gestellt ist. Wenn wir hier nicht noch schneller Fortschritte erzielen, werden wir weltpolitische Belastungen bekommen, deren Ausmalt heute noch niemandem wirklich vorstellbar ist. Diese Leistungen sind aber auch wichtig, um dort zur Stabilität beizutragen.
Wenn ich sage, daß höhere Zahlen notwendig sind, meine ich nicht, daß diese Aufgabe von uns bisher nachlässig wahrgenommen wäre. Nein, wir haben allen Anlaß, das herauszustellen, was unser Land hier tut.
Wir haben in einer internationalen Diskussion über Leistungen, und zwar wirkliche Leistungen zur Entwicklung dieser Länder auch nicht zu verschweigen, wie sich der Anteil der westlichen Demokratien und wie sich der Anteil der kommunistischen Staaten darstellt. Das ist gerade in der jetzigen Lage von großer Bedeutung.
Herr Kollege Schäfer hat mich ermuntert, erneut Zahlen zu erwähnen. Es ist vielleicht auch notwendig, dies zu tun; darauf muß man die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit lenken.
Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahre 1978 bei den Nettoleistungen der öffentlichen Entwicklungshilfe 4,2mal, also mehr als viermal mehr Entwicklungshilfe geleistet, als alle Staaten des Warschauer Pakts zusammengenommen.
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Wenn Sie pro Kopf umrechnen, dann ist pro Kopf der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland fast 25mal soviel gezahlt worden wie pro Kopf der Einwohner in den Staaten des Warschauer Pakts. Das ist etwas, was wir in der internationalen Diskussion verwenden müssen ({9})
- ja, ich tue das, Herr Kollege Mertes, ich habe das sogar vor den Vereinten Nationen getan - weil es wichtig ist, diese Zahlen in ein Verhältnis zu den Aufwendungen des Warschauer Pakts für Rüstung zu setzen. Mich hat es außerordentlich beeindruckt, daß ein afrikanischer Staatsmann bei einem Besuch hier in Bonn gesagt hat: Afrika braucht keine Stalinorgeln, Afrika braucht Traktoren. Ich glaube, er hat mit dieser einfachen Formulierung sehr deutlich gemacht, um was es im Verhältnis zur Dritten Welt geht: um konstruktive, aufbauende, stabilisierende, menschenrechtsverletzende Umstände überwindende Maßnahmen. Dénn natürlich ist die Lage in vielen Entwicklungsländern so, daß man noch nicht von Freiheit von Hunger und Not, einem ganz elementaren Menschenrecht, sprechen kann. In der Menschenrechtsdiskussion wird dieser Umstand ja immer wieder, ich will nicht sagen: vergessen, aber vielleicht doch unterschätzt.
Deshalb es es so wichtig, daß wir auch auf diese Notwendigkeit der Erhöhung der Hilfe hinweisen. Ich halte es auch für geboten, daß wir der Weltöffentlichkeit deutlich machen, wer Entwicklungshilfe leistet.
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- Ich bedanke mich sehr. Ich sehe, wie stark der Anteil und das Interesse der weiblichen Mitglieder unseres Hohen Hauses offenbar gerade bei dieser Thematik sind.
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Es wird in dieser Zeit so viel von vertrauensbildenden Maßnahmen geredet. Wir halten das für einen wichtigen Punkt für die internationale Sicherheitsdiskussion. Ich greife noch einmal einen Vorschlag auf, den der Bundeskanzler schon einmal vor den Vereinten Nationen vorgetragen hat, nämlich man möge doch bei den Vereinten Nationen ein Register errichten, dem Waffenexporte von den Exporteuren und Waffenimporte von denen, die die Waffen hereinnehmen, mitgeteilt werden müssen. Es solches Register würde zeigen, wohin Werkzeuge des Friedens und wohin Werkzeuge des Krieges geliefert werden und wer die Werkzeuge des Friedens und wer die Werkzeuge des Krieges liefert.
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- Was haben Sie gerufen, Herr Kollege? Sind Sie damit nicht einverstanden?
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Es wird also notwendig sein, daß wir in unserem Verhältnis zu den afrikanischen Staaten durch eine glaubwürdige sachliche Position und die Fortsetzung unserer konstruktiven ökonomischen Zusammenarbeit dazu beitragen, daß sich diese Länder in Wahrung oder manchmal auch erst in Findung ihrer eigenen Identität entwickeln können. Da dürfen und wollen wir auch gar nicht verlangen, daß sie unser Modell unserer Staats- und Gesellschaftsordnung - das wir natürlich anbieten - übernehmen. Wir wollen das nicht exportieren. Das müssen diese Völker und Länder selber entscheiden. Wir werden, hoffe ich, Pluralität auch in Afrika erleben.
Aber dort, wo es darum geht, noch vorhandene Rassenkonflikte zu überwinden, ist es wirklich notwendig, daß wir zusammen mit unseren Partnern eine den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung der Rassen entsprechende klare Haltung einnehmen.
Ich glaube, die Kollegen der CDU/CSU, die heute noch manches kritische Wort zur Politik der Bundesregierung sagen werden - wie sollte es bei einer Opposition, für die es legitim ist, auch anders sein? - sollten vielleicht auch einmal ein Wort sagen, daß Sie sich in Ihrer Haltung zu dem Prozeß in Rhodesien getäuscht haben. Sie wissen selbst: Sie
haben die Bundesregierung aufgefordert, die Regierung Muzorewa anzuerkennen, eine Regierung, von der die englische Regierung, die frühere und die jetzige, gesagt hat, daß sie eben nicht ihren Vorstellungen von der Vertretung des Volkes in Zimbabwe entspricht; deshalb werden ja ein zweites Mal Wahlen abgehalten.
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Wenn wir damals Ihrem Ratschlag gefolgt wären, hätten wir nicht nur den Friedensprozeß, um den sich die britische Regierung bemüht, behindert und gehemmt, weil wir diejenigen, die ebenfalls zustimmen mußten und die schon durch diese Wahl in wichtige Stellungen gekommen waren, ermutigt hätten, sich den Bemühungen der Engländer zu widersetzen. Hier haben wir die richtige Position eingenommen. Das sollte man anerkennen.
Ich will hier gar nicht Dokumente bewegen, aber ich möchte doch auf einen Punkt hinweisen, meine Kollegen, der zeigt, wie schnellebig eben manchmal politische Auffasungen sind. Sie haben im letzten Jahr eine Kleine Anfrage zu dem Verhalten der Bundesregierung gegenüber der Entwicklung in Rhodesien eingebracht. Davon möchte ich nur eine einzige Frage vorlesen, weil sie auch für Sie Grund zum Nachdenken ist. Es ist gottlob keine Frage der Fraktion CDU/CSU, aber doch von einer großen Anzahl ihrer Kollegen, die z.T. auch heute hier sind. Da wird die Bundesregierung gefragt, „welche Gründe sie zu nennen vermag, die für eine Teilnahme der Patriotischen Front bei UN-beaufsichtigten Wahlen sprechen". Meine Kollegen, sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, welches Demokratieverständnis aus einer solchen Frage spricht?
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Seit wann muß man denn Gründe dafür nennen, daß jemand sich an einer Wahl beteiligen kann? Unsere Vorstellung ist doch wohl, daß alle das Recht haben, sich an einer Wahl zu beteiligen,
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wenn jemand sie hindern will, dann muß er begründen, warum er das tut.
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Meine Damen und Herren, hier steht:
Die Bundesregierung wird gefragt, welche Gründe sie zu nennen vermag, die für eine Teilnahme der Patriotischen Front bei UN-beaufsichtigten Wahlen sprechen.
Da brauche ich gar nicht auf die Partriotische Front zurückzugreifen, sondern da sage ich ganz klar, Herr Todenhöfer: Dafür spricht unser prinzipielles Verständnis, daß bei Wahlen in demokratischen Staaten - im Gegensatz zu kommunistischen Staaten und anderen Diktaturen - niemand von der Wahl ausgeschlossen werden soll. Das ist unsere Meinung.
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Wissen Sie, das sind eben die Dinge, von denen ich meine, daß es wirklich notwendig ist, sich etwas differenzierter auszudrücken, damit wir auf diese Weise nicht hervorragende Ansatzpunkte für ein gutes Verhältnis mit den Staaten der Dritten Welt verschütten. Es geht also darum, daß wir den Prozeß - ({19})
- Bitte schön, Herr Kollege Marx.
Herr Außenminister, darf ich Sie bei dieser Stelle noch einmal daran erinnern, daß wir vor wenigen Wochen, an einem Abend, als wir den Haushalt diskutierten, dieses Thema kurz ansprachen und ich dort für meine Fraktion die britische Politik, die zu den Verhandlungen in London geführt hat, ausdrücklich unterstützt habe? Ich möchte Sie daher bitten, nicht den Eindruck zu erwecken, als ob wir gegen diese Politik jetzt stünden.
({0})
Herr Kollege Marx, ich glaube, alle, die mir aufmerksam zugehört haben, konnten nicht den Eindruck gewinnen, daß ich behaupten wollte, Sie seien jetzt gegen die britische Politik. Ich habe gesagt, man möge doch einmal darüber nachdenken, ob Sie damals nicht wirklich von Ihrer Seite in bezug auf die Anerkennung z. B. der Regierung Muzorewa, zu der Sie die Bundesregierung aufgefordert haben, eine politische Fehleinschätzung vorgenommen haben.
({0})
Wenn eine solche Debatte sachlich geführt werden soll und wenn wir hier einen wirklichen Austausch von Argumenten haben wollen, dann ist es sicher gut, auch dazu ein Wort zu sagen, weil es ja sein könnte, daß, wenn Sie sich damals geirrt haben, vielleicht dieser oder jener Irrtum auch noch hinsichtlich anderer Fragen, die heute anstehen, vorhanden ist.
({1})
Darf ich Sie noch fragen, Herr Bundesminister, ob es zutriffi, daß die frühere Politik einer anderen britischen Regierung mit anderen Zielen und Inhalten geführt worden ist als die der gegenwärtigen?
({0})
Herr Kollege, daß die frühere britische Regierung in bestimmten Fragen andere politische Ziele hatte als die jetztige, wissen wir alle. In dieser Frage gibt es keine Meinungsverschiedenheit. Weder die frühere Regierung noch die jetzige war bereit, das Ergebnis der Wahlen, die zur Bildung der Regierung Muzorewa geführt haben, anzuerkennen. In dieser Frage war Labour und Konservative einer Meinung und nur Sie anderer Meinung. Das ist unbestritten. Ich beschränke mich auf diese Frage, weil ich nicht das Parteiprogramm der englichen Sozialisten mit dem
der englischen Konservativen und mit Ihrem Programm vergleichen möchte.
({0})
Aber in dieser Frage war es wirklich so, daß die beiden britischen Regierungen, die aufeinander folgten, eine klare Position hatten, die mit der der Bundesregierung übereinstimmt.
({1})
Herr Bundesminister, haben Sie die Absicht, das Zwiegespräch weiterzuführen?
({0})
Das hängt davon ab, welches Interesse das Haus an diesem Zwiegespräch nimmt. Ich habe das Gefühl, es ist noch nicht gänzlich erschöpft, und wäre deshalb bereit, eine zweite Frage von Herrn Marx zu beantworten.
Bitte, Herr Marx.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, das ist die letzte Frage. Sie haben ja nur einen kleinen Teil des Unterschiedes, den ich herausarbeiten wollte, geschickterweise aufgefangen.
Aber würden Sie bereit sein, zuzugeben, daß auch in der Handlung der britischen Regierung z. B. bei der Commonwealth-Konferenz in Lusaka eine andere Qualität der Beurteilung des Problems und der eigenen Bereitschaft, sich in der Sache wieder neu einzusetzen, erkennbar geworden ist als bei der vorhergehenden Regierung?
Herr Kollege Marx, ich habe hier auf eine Frage in Ihrer Anfrage Bezug genommen, die sich ausschließlich mit der Teilnahme der Patriotischen Front an UN-beaufsichtigten Wahlen befaßt. In dieser Frage und in der Haltung zur Regierung Muzorewa - was ja unmittelbar damit zusammenhängt - gab es bei den beiden britischen Regierungen keine unterschiedlichen Meinungen. Übrigens stimmen auch beide mit uns darin überein, daß man die Namibia-Initiative fortsetzen muß.
Wir können das Ergebnis der Konferenz in London als ermutigend bezeichnen. Trotzdem müssen wir wissen, daß viele, die diesen Prozeß sehr konstruktiv unterstützt haben, sich Sorge machen, ob in dem weiteren Verfahren alle dort vereinbarten Grundsätze von allen Beteiligten gewahrt werden.
({0})
Ich glaube, wir haben allen Anlaß, alle Gesprächskontakte, die wir zu allen beteiligten Seiten haben, zu nutzen, um ihnen zu sagen, daß nur die Einhaltung dieser Grundsätze durch alle Beteiligten es möglich machen wird, daß dieser Prozeß zu der gewünschten friedlichen Lösung führt.
Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß das Ergebnis der Konferenz in London nicht so möglich gewesen wäre - wenn es überhaupt möglich gewesen ware -, wenn nicht im Vorfeld und während der Konferenz wichtige Staaten des südlichen Afrika - ich erwähne ausdrücklich Sambia und Tansania - eine außerordentlich konstruktive Rolle gespielt hätten.
({1})
Das Ergebnis der Wahlen muß von allen politischen Kräften in Zimbabwe selbst und von allen Staaten der Region, von Schwarz und Weiß gleichermaßen respektiert und anerkannt werden. Wir selbst werden das Ergebnis der fairen unter internationaler Beobachtung stattfindenden Wahlen ohne Vorbehalt anerkennen. Wir sind auch gewillt, durch partnerschaftliche Zusammenarbeit die neue Regierung bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes zu unterstützen. Die britische Regierung hat angeregt, eine deutsche Delegation möge zur Beobachtung der Wahlen nach Zimbabwe kommen. Wir werden dieser Anregung folgen. Ich habe dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages vorgeschlagen, daß dieser Delegation auch drei Mitglieder des Deutschen Bundestages angehören sollten. Wir sind dabei, ein Büro zur Betreuung der Deutschen und zur Aufnahme von Kontakten zu allen politischen Kräften im Lande zu errichten.
Wenn die Bevölkerung von Zimbabwe auf friedlichem Wege ihre Unabhängigkeit erhält, dann wird das nicht - das ist auch hier schon von allen Rednern gesagt worden - ohne Auswirkungen auf Namibia und auf die Republik Südafrika selbst bleiben. In Namibia gilt es, das Land durch freie, international überwachte Wahlen, an denen alle relevanten politischen Kräfte unter gleichen Bedingungen teilnehmen, in die Unabhängigkeit zu führen. Die südafrikanische Regierung hat Anfang Dezember den Vorschlag von Generalsekretär Waldheim grundsätzlich angenommen, auf beiden Seiten der Nordgrenze Namibias eine entmilitarisierte Zone zu schaffen. Damit dürfte ein wichtiges Hindernis auf dem Wege Namibias in die Unabhängigkeit überwunden seif. Ich möchte hier ausdrücklich anerkennen, daß die Frontstaaten auch bei dieser Entwicklung eine konstruktive Rolle gespielt haben. Der Vorschlag einer entmilitarisierten Zone, der aus einer Stagnation einen wichtigen Prozeß der Entwicklung herausführte, war übrigens ein Vorschlag Angolas.
Wir werden weiter mit den Vereinigten Staaten von Amerika, mit dem Vereinigten Königreich, mit Frankreich und mit Kanada für eine friedliche und international anerkannte Lösung des Problems arbeiten und die Bemühungen der Vereinten Nationen, ihres Generalsekretärs und seines Beauftragten unterstützen. Das tun wir gerade auch im Bewußtsein unserer Verantwortung für die dort lebenden Deutschen und Deutschstämmigen.
Herr Kollege Marx, ich hatte auf diesen Punkt Ihrer Haltung bei Rhodesien eigentlich nur hingewiesen, weil ich glaube, daß es auch bei Namibia sehr wichtig sein wird, daß wir uns hier im Hause darüber einig werden, daß es notwendig ist, auch dort inter15714
national überwachte und international anerkannte Wahlen durchzuführen. Genauso, wie das, wie ich hoffe, in Rhodesien zu einer friedlichen Lösung führt, wird das auch für Namibia die Chance einer solchen Lösung ergeben. Auch hier sollte man nicht die jetzt schon geschaffenen Autoritäten als die endgültigen betrachten, weil das in den dort handelnden Personen den Eindruck erwecken könnte, sie brauchten sich nicht so konstruktiv zu den internationalen Bemühungen zu stellen, wie das von allen Seiten notwendig ist, wenn man Ergebnisse erzielen wilL
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- Sie können davon ausgehen, daß immer dann, wenn die westlichen Regierungen mitwirken, diese fairen Voraussetzungen gegeben werden. Wir hatten dieses Vertrauen in die englische Regierung. Wenn Sie es nicht in die Bundesregierung haben, dann haben Sie es doch wenigstens auch bei Namibia in die englische Regierung, denn die wirkt ja dort auch mit
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Was Südafrika angeht, so fordert die Bundesregierung mit Nachdruck, die Rassendiskriminierung in allen ihren Formen abzuschaffen. Ich glaube, daß es richtig und notwendig ist, daß wir uns zu diesen Fragen auch sehr klar äußern.
Ich habe mit Interesse in einem Pressedienst - ich glaube, es ist derjenige der Landesgruppe der CSU - eine Verlautbarung gelesen, in der davor gewarnt wird, sich in die inneren Angelegenheiten Südafrikas einzumischen, und zwar mit einer bemerkenswerten Begründung, die Bedeutung für einen anderen wichtigen Aspekt der deutschen Außenpolitik hat; deshalb erwähne ich es hier. Da heißt es: „Der Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, im Ost-West-Verhältnis basierend auf den Beschlüssen der KSZE in Helsinki, sollte auch gegenüber Südafrika mehr Geltung haben.'
Nun muß ich Ihnen sagen, daß präzise die Beschlüsse von Helsinki die Grundlage dafür sind, daß wir in Menschenrechtsfragen in den Staaten Osteuropas mitreden können. Das hat nämlich dem Prinzip der Nichteinmischung eine neue Qualität gegeben. Das ist doch gerade das positive Ergebnis, das Sie übrigens genauso anerkennen wie wir, daß sich durch die Unterzeichnung des Schlußdοkuments von Helsinki auch die Staaten Osteuropas bereit erklären, ihre innere Ordnung unter den Gesichtspunkt dieses Dokuments mit der internationalen Diskussion zu stellen. Warum halten wir denn sonst überhaupt Nachfolge- oder Überprüfungskonferenzen im KSZE-Prozeß ab, wenn es dort nicht darum geht, zu prüfen, wieweit die Beschlüsse von Helsinki verwirklicht sind?
({4})
Deshalb ist es natürlich ganz schlimm, wenn in einem Dokument einer Fraktion gesagt wird, das Dokument von Helsinki sei die Bestätigung des Prinzips der Nichteinmischung, man dürfe sich also
nicht in die inneren Angelegenheiten einmischen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das entzieht unserer Argumentation in der Menschenrechtsfrage im Ost-West-Verhältnis die Basis. Ich denke, das sollten Sie heute hier zurücknehmen. Das kann einmal passieren, daß ein Kollege das sagt; nur: Es muß vom Tisch, damit es nicht ein Berufungsdokument in einer anderen wichtigen politischen und internationalen Frage wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0})?
Bitte, Herr Kollege.
Herr Bundesminister, da ich davon ausgehen darf, daß Ihnen der Wortlaut des Prinzips 6 der KSZE-Schlußakte mit dem Einmischungsverbot bekannt ist, darf ich Sie fragen: Würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß diese Verlautbarung, die Sie eben zitiert haben, sofern sie auf Afrika und speziell auf den südlichen Teil Afrikas gemünzt ist, natürlich jenen Teil des Prinzips 6 zum Gegenstand hat, der die Unterstützung und Förderung subversiver Organisationen und Aktionen beinhaltet, was nach Prinzip 6 der KSZE-Schlußakte ausdrücklich verboten ist, während die CDU/CSU-Fraktion keinen Augenblick daran denkt oder daran gedacht hat, die Aufforderung zur Einhaltung der Menschenrechte als einen unter das Einmischungsverbot fallenden Tatbestand zu bezeichnen?
Herr Kollege, ich will es Ihnen ersparen, die ganze Erklärung vorzulesen. Ich kann sie Ihnen nachher zeigen. Ich rede nicht über subversive Organisationen, sondern ich rede darüber, ob wir etwas dazu sagen dürfen und können, wenn in anderen Ländern die Menschenrechte nach unserer Meinung noch nicht verwirklicht sind. Da sage ich ja.
({0})
Die Kraft müssen wir haben, Herr Kollege, ob das in kommunistischen Staaten, in Südafrika, in schwarzafrikanischen Staaten oder wo immer auf dieser Welt ist. Ich denke, darüber sollten wir uns verständigen.
({1})
- Das ist gut. Damit ist diese Sache erledigt.
Wir wünschen zügige und konsequente Schritte auf das Ziel hin, allen Bevölkerungsgruppen die Teilnahme an der politischen Verantwortung und an den wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften des Landes zu ermöglichen. Wir wollen keinen Rassenkrieg am Kap, wir wollen keine Ausbreitung von Macht- und Einflußzonen außerafrikanischer Mächte, insonderheit nicht im südlichen Afrika.
Wenn wir davon hören, daß es in Teilen von Afrika - das ist unbestreitbar - auch einen schwarzen Rassismus gebe, so müssen wir uns natürlich ernsthaft die Frage vorlegen, ob das immer so war oder ob das nicht vielmehr eine Reaktion auf gar nicht oder zu spat durchgeführte Reformen gewesen ist. Das ist eigentlich die entscheidende Grundfrage.
Lassen Sie uns durch unsere Politik dazu beitragen, daß all denjenigen afrikanischen Staaten und Staatsmännern, die für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gerade mit den westlichen Demokratien eintreten, dies nicht erschwert wird, weil es im südlichen Afrika noch immer ungelöste Rassenprobleme gibt. Wir wollen eine solche friedliche Entwicklung in Südafrika fördern. Deshalb setzt die Bundesregierung gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und in Nordamerika ihre politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zur Republik Südafrika ein, um zur Erreichung eben dieses Zieles beizutragen.
Uns ist bewußt, daß auch in den Fragen Namibias und Zimbabwes die südafrikanische Regierung ein wichtiger Ansprechpartner ist, insbesondere wenn es gilt, auch dort einen friedlichen Übergang zu einer politischen Ordnung zu erreichen, deren Ergebnis die freie Willensentscheidung der ganzen Bevölkerung sein muß. Fortschritte in diesen Fragen, zu denen die Regierung Südafrikas beiträgt, andern nichts an der Überzeugung der Bundesregierung - sie verstärken sie vielmehr -, in der Republik Südafrika müßten die Weichen für eine neue, stabile innere Ordnung gestellt werden. Wir tun das. Ich habe das auch in meinem Gespräch mit dem südafrikanischen Außenminister im Herbst wieder getan.
Ich zögere auch nicht festzustellen, daß wir die Bemühungen der südafrikanischen Regierung, Fortschritte in dieser Richtung zu machen, sehr wohl wahrnehmen und ernst nehmen. Wir sind der Meinung, sie müssen energischer und zügiger fortgeführt werden, wenn der friedliche Übergang wirklich gesichert werden soil. Es ist hier die Frage, ob noch rechtzeitig genug oder ob zu spat. Das mögen auch alle diejenigen beachten, die, was wir wissen, in der weißen Minderheit die Bemühungen der südafrikanischen Regierung behindern. Da sollten wir auch alle Gesprächskontakte nutzen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß solche Bemühungen bei der weißen Minderheit im ganzen Lande Unterstützung finden. Dann wird es möglich sein, die notwendigen Fortschritte zu erzielen.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Tagen den ersten zusammenfassenden Bericht auf der Grundlage des Verhaltenskodex veröffentlicht, den die Staaten der Europäischen Gemeinschaft aufgestellt haben und der hier durch den ersten Sprecher der Opposition eine so schlechte Beurteilung erfahren hat. Meine verehrten Kollegen, dieser Verhaltenskodex für Südafrika ist nicht Ausdruck einer doppelten Moral, sondern er ist Ausdruck des Willens der Staaten der Europäischen Gemeinschaft, es dort, wo sie die Möglichkeit dazu haben, zu bewirken, daß wenigstens soziale Gleichberechtigung geschaffen wird. Eine solche Möglichkeit haben wir - wenn schon nicht im Wege der Gesetzgebung, so doch im Wege der Uberzeugung und des Gesprächs -- bei den Firmen unserer Staaten, die Gesellschaften, Niederlassungen, Tochterfirmen in Südafrika unterhalten. Ich denke, daß es für die künftige Gestaltung Südafrikas, ich denke, daß es für die Haltung der schwarzen Mehrheit gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ohne Zweifel positiv ist, wenn man sagen könnte oder kann, daß deutsche Firmen jedenfalls im Rahmen der südafrikanischen Gesetze alles tun, um die soziale Gleichberechtigung ihrer schwarzen Arbeitnehmer herbeizuführen.
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Das ist das Anliegen, aber keine doppelte Moral.
({3})
Da paßt der Hinweis nicht, daß wir keinen Verhaltenskodex für deutsche Firmen in kommunistischen Staaten haben. Sie wissen doch so gut wie ich, daß es eine Verharmlosung der Situation in kommunistischen Staaten ist, wenn man sich vorstellt, es gäbe private Firmen der Bundesrepublik Deutschland, die in einem osteuropäischen kommunistischen Staat privatrechtlich organisierte, ihrer vollen Entscheidung unterliegende Gesellschaften unterhielten. Das ist doch der Unterschied zu Südafrika. Ich muß offen sagen: Das ist in dieser Form ein hinkender Vergleich, Herr Kollege. Konzentrieren wir uns auf Südafrika und sorgen wir dafür - in Zusammenarbeit mit den deutschen Unternehmen -, daß es zu den Qualitätsmerkmalen deutscher Industrie in Südafrika auch gehört, dort soziale Gleichberechtigung zu schaffen. Das ist eine langfristige Strategie der Stabilisierung dieses Landes. Das ist die beste Abwehr gegenüber kommunistischer Unterwanderung in Südafrika, die man sich überhaupt vorstellen kann.
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Deshalb, meine Damen und Herren, ist es so wichtig, daß wir immer wieder erkennen: Wo Frieden und Stabilität vorherrschen, wird all denen der Boden entzogen, die bemüht sind, ihren Einflußbereich durch scheinbar selbstlose militärische Unterstützung, ideologische Schulung und wirtschaftliche Verflechtung auszudehnen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Narjes?
Ich darf nur einen Gedanken noch zu Ende führen. - In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas zurückkommen, was der Kollege Brandt gestern gesagt hat. Es ist verständlich, daß wir - unter dem Eindruck der Intervention in Afghanistan - diese ganze Diskussion heute, unser Verhältnis zu den afrikanischen Staaten, die Notwendigkeit auch der Zahlung von Entwicklungshilfe sehr stark unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Unabhängigkeit dieser Länder und ihrer politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung führen bzw. sehen. Aber bitte, machen wir immer wieder deutlich: Das
Grundanliegen ist, daß wir hier eine moralische Verpflichtung erfüllen, ein großes, weltweites soziales Problem durch unsere Mitwirkung zu lösen. So wichtig das andere ist, diese prinzipielle Position darf dabei nicht verdeckt werden, wenn nicht unsere Hilfe als reines Machtkalkül mißverstanden und auch in den Staaten der Dritten Welt wiederum mit einem Fragezeichen versehen werden soil.
({0}) - Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Bundesaußenminister, angesichts Ihrer Feststellung, daß in Südafrika eine gewisse Entwicklung in Gang gekommen ist, und angesichts Ihrer mehrfachen Betonung des Ziels der sozialen Gleichheit möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, dieses Ziel der sozialen Gleichheit, eine Generalformel, so zu präzisieren, daß in etwa verständlich ist, was damit gemeint ist, und können Sie dann auch erklären, daß die Bundesregierung bereit ist, die ganze Operation Verhaltenskodex aufzugeben, sobald dieses so präzisierte Ziel erreicht ist?
Verehrter Herr Kollege, wenn in der Republik Südafrika der Prozeß der Herstellung der Gleichberechtigung, der staatsbürgerlichen, der sozialen Rechte und Lebenschancen erreicht wird, besteht für den Kodex kein Bedürfnis mehr; aber das ist heute noch nicht der Fall.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben in Ihrer Antwort soeben die staatsbürgerliche Gleichheit mit eingeführt, die in Ihrer Rede noch nicht als Kriterium enthalten war. Darf ich daraus entnehmen, daß mit dem Verhaltenskodex nicht nur die soziale Gleichheit, sondern auch die staatsbürgerliche Gleichheit erzwungen werden soil?
Herr Kollege, der Verhaltenskodex bezieht sich auf die soziale Gleichheit. Etwas anderes können die Firmen dort nicht bewirken. Aber der Prozeß der Entwicklung zeigt, daß die Herstellung der sozialen Gleichheit, wie wir sie verstehen, natürlich gar nicht denkbar ist, wenn nicht auch die staatsbürgerlichen Rechte voll geschaffen werden. Die Vorstellung, es könnten wirtschaftliche Mündigkeit und politische Unmündigkeit gleichzeitig praktiziert werden und trotzdem könnte im wirtschaftlichen Bereich Gleichberechtigung hergestellt sein, halte ich für abenteuerlich, Herr Kollege.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja, bitte, natürlich.
Können Sie sich nicht vorstellen, daß der Weg auch umgekehrt über die soziale Gleichheit zur staatsbürgerlichen Gleichheit verlaufen kann?
Natürlich.
({0})
- Ich glaube, da sind Sie mindestens insoweit einzig, als Sie mich als einziger nicht verstanden haben, Herr Kollege.
Es geht darum, daß wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln der zulässigen politischen Einflußnahme, des Gesprächs, der Nutzung unserer Beziehungen, die wir in vielfältiger Weise haben, dazu beitragen, bei Verantwortlichen und Bürgern in Südafrika das Verständnis dafür zu stärken, daß es höchste Zeit ist, in diesem Land die Rassendiskriminierung zu überwinden, wenn explosive Entwicklungen vermieden werden sollen.
Hier ist von dem Herrn Kollegen Schäfer mit Recht darauf hingewiesen worden, daß es eine Betrachtung der Entwicklung in Afrika notwendig macht, sich auch mit dem Verhalten afrikanischer Staaten in den Vereinten Nationen zu befassen. Es ist eindrucksvoll, wie viele afrikanische Staaten die sowjetische Intervention in Afghanistan zurückgewiesen und unsere Position unterstützt haben. Genauso eindrucksvoll sind auch die positiven Entwicklungen in afrikanischen Staaten, sowohl bei der Überwindung von Gewaltregimen als auch bei der Überführung von Staaten, die unter militärischer Herrschaft standen, in zivile Regierungsformen. Es lohnt sich, auch das mit anzuerkennen, weil das zeigt, welche große Dynamik in der afrikanischen Entwicklung vorhanden ist und weil das deutlich macht, wie wichtig eine gleichberechtigte, zum beiderseitigen Vorteil beitragende Gestaltung der Beziehungen ist, um solche Entwicklungen zu fördern. Es zeigt zugleich die Pluralität, die auf diesem großen Kontinent vorhanden ist.
Vor dem Hintergrund der sowjetischen Intervention in Afghanistan muß auch über das sowjetische Engagement in Afrika und das Wirken seiner Helfershelfer aus dem Warschauer Pakt, aber auch aus Kuba gesprochen werden. Wir können heute feststellen, daß die Haltung der afrikanischen Staaten zu diesen Aktivitäten in einem grundsätzlichen Wandel begriffen ist. Die Bundesregierung hat diese Bestrebungen der Sowjetunion und ihrer Verbündeten und Partner von Anfang an scharf verurteilt, als Versuch, auf afrikanischem Boden Macht und Einfluß zu erringen und die vor kurzem unabhängig gewordenen jungen Staaten Afrikas in neue Formen der politischen und ideologischen Abhängigkeit zu bringen, als Anschlag auf nationale Unabhängigkeit und Selbständigkeit und zugleich auf die Ungebundenheit und auf die Einheit des afrikanischen Kontinents. Für uns in der Bundesrepublik Deutschland ist es natürlich besonders bedrückend zu sehen, daß
zu den Helfershelfern der Sowjetunion in Afrika auch die DDR zählt. Ich meine damit nicht solche Experten, die für den friedlichen Aufbau, für die friedliche Förderung eingesetzt werden. Ich meine Soldaten, Militärpersonen, die auf die militärische Ausbildung, auf den Sicherheits- und Medienbereich afrikanischer Staaten Einfluß nehmen. Das eben ist kein Beitrag zur Verwirklichung afrikanischer Unabhängigkeit, sondern im Gegenteil eine auf der Selbstbestimmung dieser Länder und Völker schwer lastende Hypothek.
({1})
- Bitte.
Herr Bundesminister, wird die Bundesregierung die Gelegenheit ihrer beabsichtigten Offensive in der Dritten Welt im Sinne der Information auch nutzen, um in den Vereinten Nationen und bilateral in diesen Staaten darauf hinzuweisen, daß es - dies war das Anliegen des Kollegen Stercken - eine Unterdrückung der Menschenrechte eben nicht nur in der Form der Rassendiskriminierung in Südafrika gibt, sondern daß auch in einem Teil Deutschlands eine systematische Gewaltherrschaft und eine systematische Unterdrückung der Menschenrechte stattfinden?
Herr Kollege, ich würde nicht von Offensive sprechen,
({0})
wenn ich von unseren Bemühungen rede, in den Staaten der Dritten Welt noch deutlicher zu machen, daß wir Partner der Unabhängigkeit und Selbständigkeit sind. Was die Verletzung von Menschenrechten überall in der Welt angeht, so hat die Bundesregierung unabhängig von dem, was sich in Afrika vollzieht, immer die gleiche Haltung vertreten und dabei keinen Staat ausgenommen. Das gilt auch in Zukunft.
({1})
Wir dürfen uns nicht täuschen: Die afrikanischen Staaten blicken in dieser schwierigen Phase der weltpolitischen Entwicklung mit großen Erwartungen gerade auf die Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Sie kennen uns als Partner aus dem Lοme-Αbkοmmen. Sie wissen, daß diese Gemeinschaft keine Ziele der Vorherrschaft verfolgt. Sie wollen deshalb mit uns zusammenarbeiten. Es ist sehr wichtig, daß wir diese Zusammenarbeit weiter ausbauen und intensivieren.
Es ist aber auch offenkundig - darauf hat gestern der Kollege Strauß zu Recht hingewiesen -, daß im Hinblick auf die Frage der Wahrung der Selbständigkeit von Staaten der Dritten Welt Verantwortliche in diesen Staaten darauf blicken, ob der Westen sowjetischen Bestrebungen, sich Staaten der Dritten Welt einzuverleiben, mit Entschlossenheit entgegentritt, weil angesichts der Instabilitäten, z. B. in Afrika, natürlich jeder genau prüft, ob es sich lohnt, die Partnerschaft mit dem Westen zu suchen, oder ob diese Partnerschaft sich später möglicherweise
als Nachteil für sein Land erweist, wenn sich Entwicklungen durchsetzen, die weder jene afrikanischen Staaten noch wir wollen. Deshalb war die klare Position der westlichen Staaten zur Entwicklung in Afghanistan, deshalb war das gemeinsame Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen von einer so weltpolitischen Bedeutung - eben weil hier deutlich wurde, wer der Partner der Unabhängigkeit ist: wir, die westlichen Demokratien. Das ist ein Kapital; das ist eine Plattform, auf der wir aufbauen können, um jetzt eine konsequente Politik der Partnerschaft mit diesen Staaten durchzuführen. Ich bitte darum, daß wir nicht in den Fehler verfallen, die Form der Zusammenarbeit nach der inneren Ordnung der afrikanischen Staaten zu bestimmen, daß wir afrikanische Staaten nicht deshalb diskriminieren, weil sie irgendwann einmal mit der Sowjetunion zusammengearbeitet haben, daß wir nicht in den Fehler verfallen, künstlich von uns aus durch Etikettierungen wie „prοsοwjetisch" oder „prowestlich" den Ost-West-Konflikt nach Afrika zu übertragen, noch durch voreilige Etikettierungen, diesen Ländern einen Wandel ihrer außen- und innenpolitischen Position sozusagen unmöglich zu machen, weil sie ja als kommunistische Satelliten abgestempelt sind.
Meine Damen und Herren, nehmen wir diese afrikanischen Staaten so, wie sie sind, als Staaten, die ihre Unabhängigkeit behaupten wollen, und öffnen wir uns für die Zusammenarbeit auch mit denen, die sich aus schon vorhandener Umklammerung durch kommunistische Länder lösen wollen. Das ist eine Aufgabe, die Dynamik in Richtung auf Unabhängigkeit und auf Selbständigkeit in Afrika bringen wird.
({2})
Ich glaube, daß eine solche Politik, bei der wir nicht allein stehen werden und bei der wir auf die Unterstützung und Zusammenarbeit aller unserer westlichen Partner, auch der in der Afrikapolitik oft gescholtenen Amerikaner, rechnen können, in Wahrheit die zukunftsträchtige Politik ist.
Ich möchte sie noch einmal beschreiben: Sie besteht darin, durch Stärkung von Unabhängigkeit und Selbständigkeit, durch partnerschaftliche Zusammenarbeit, auch durch Ausbau unserer Hilfe wirtschaftliche und soziale Stabilität in den Staaten der Dritten Welt zu schaffen, unseren Beitrag zur Lösung der großen sozialen Frage am Ende dieses Jahrhunderts und zur Überwindung der Not, des Hungers in den Staaten der Dritten Welt zu leisten, den Staaten in der Dritten Welt, die ihre Unabhängigkeit behaupten wollen, auch durch die politische Zusammenarbeit zu helfen und damit zu zeigen, daß nicht die Sowjetunion und ihre Verbündeten der natürliche Partner der Dritten Welt ist, sondern daß die westlichen Demokratien das Angebot einer gleichberechtigten, auf gegenseitiger Achtung beruhenden Partnerschaft machen, die es den Staaten der Dritten Welt ermöglicht, ihre Identität zu finden und, wo sie schon vorhanden ist, zu stärken, damit in einer Welt der Pluralität und der Überwindung der Vorherrschaften auch durch friedliche Mittel die letzten vorhandenen Probleme Südafrikas gelöst
werden können und, vor allen Dingen, damit in einer solchen Welt die Ressourcen der Industriestaaten und Entwicklungsländer nicht für Krieg, Rüstung und Waffenhilfe ausgegeben werden müssen, sondern für die friedliche Entwicklung dort ausgegeben werden können, wo es am notwendigsten ist, in der Dritten Welt. Dieser Aufgabe wollen wir uns stellen. Das ist unser Konzept für die Politik gegenüber der Dritten Welt. Das ist unser Konzept der Afrikapolitik.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Todenhöfer.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung versteht ihre Afrikapolitik als Friedenspolitik. Auch gestern war viel von Friedenspolitik und Entspannungspolitik die Rede. Leider wurden die alten, falschen und auch verbrauchten Formeln der Bundesregierung wie das Schlagwort ,,Es gibt keine Alternative zur Entspannungspolitik dieser Bundesregierung" mühsam weitergeschleppt. Das Schlimme dabei ist, daß die Bundesregierung nicht nur etwas verteidigt hat, was in der Praxis gescheitert ist - die Entspannungspolitik der Sowjetunion war das größte Täuschungsmanöver seit dem Zweiten Weltkrieg sondern daß auch deutlich wurde, daß die Koalition, sich über den wesentlichen Inhalt dessen, was „Entspannung" eigentlich bedeuten soil, nicht einig ist
Für Herrn Außenminister Genscher ist Entspannung unteilbar - ich begrüße das -; für große Teile der SPD ist Entspannung teilbar - das können wir und. werden wir nicht begrüßen. Wir können auch nicht begrüßen, daß die SPD in dieser Frage mit der Sowjetunion übereinstimmt. Die Sowjetunion lehnt eine globale Entspannung und damit einen Verzicht auf Interventionen in der Dritten Welt, in Afrika ab.
({0})
Kriegspolitik in der Dritten Welt und in Afrika steht für die Sowjetunion nicht im Widerspruch zur sogenannten Entspannung im Ost-West-Verhältnis.
({1})
Die Bundesregierung hätte das sehr leicht schon am Beispiel des sowjetisch-kubanischen Einmarsches in Angola erkennen können. Kurz nach jener Intervention in Angola erklärte Breschnew auf dem XXV. Parteitag der KPdSU am 24. Februar 1976 triumphierend:
Die Entspannung hebt die Gesetze des Klassenkampfes nicht auf. Die Weltrevolution schreitet fort.
({2})
Die Bundesregierung hat dieser Kriegs- und Brandstifterpolitik der Sowjetunion in Afrika und Asien nirgendwo den erforderlichen politischen Widerstand entgegengesetzt. Sie hat über Jahre hinweg verharmlost, beschwichtigt, ja, sie hat teilweise
den sogenannten „Waffenbrüdern" der Sowjetunion Entwicklungshilfe geleistet. Die Bundesregierung hat der Sowjetunion, Herr Außenminister, das Kriegführen in der Dritten Welt sehr leicht gemacht.
({3})
- Durch Verharmlosung und durch Appeasement, Herr Wehner.
({4})
Der Sowjetunion ist es gelungen, am Indischen Ozean eine strategisch wichtige Position nach der anderen zu erobern. Das geht von Vietnam, Laos, Kambodscha über Afghanistan, Südjemen, Äthiopien, Mozambique bis Angola. Sie wissen alle - auch der Außenminister weiß dies sicherlich -, daß der, der den Indischen Ozean beherrscht, Afrika kontrolliert, Asien kontrolliert und damit langfristig auch die Chance hat, Westeuropa zu kontrollieren.
Die CDU/CSU hat vor dieser sowjetischen Globalstrategie immer wieder gewarnt. Die Bundesregierung und die SPD/FDP - wie häufig haben wir das hier von dieser Stelle erleben müssen - haben diese Warnungen als Scharfmacherei verhöhnt, verspottet, heruntergespielt, bagatellisiert. Heute steht die Bundesregierung gerade auf Grund dieser sowjetischen Globalstrategie in der Nord-Sud-Politik und in der Afrika-Politik, ob sie das nun zugibt oder nicht, vor einem Scherbenhaufen. Afghanistan hat nicht nur bewiesen, daß die Nord-Süd-Politik im Ansatz falsch war, sondern auch, daß die Afrika-Politik dieser Bundesregierung im Ansatz schwere Fehler hatte.
Wir wissen, daß der Bundeskanzler aus Anlaß der sowjetischen Intervention in Afghanistan seine Neujahrsansprache ändern mußte. Herr Außenminister, wenn die Bundesregierung konsequent, ehrlich und lernfähig wäre, hätte sie doch die Antwort auf die Große Anfrage zur Afrika-Politik in wesentlichen Punkten genauso ändern müssen, noch stärker ändern müssen, als sie ihre Haltung gegenüber der Asien-Politik der Sowjetunion geändert hat. Man kann doch nicht, wie Herr Außenminister Genscher, konkrete politische Maßnahmen, auch amerikanische Maßnahmen, im Falle Afghanistans gutheißen und gleichzeitig in Afrika die dort mindestens ebenso aggressive sowjetische Globalstrategie und auch Kriegspolitik der Sowjetunion weiter verharmlosen. Herr Außenminister, ich frage Sie: Wieviel afrikanische Länder muß die Sowjetunion eigentlich noch überfallen, bevor die Bundesregierung eine ausgewogene, aber auch politisch wirksame Strategie vorlegt, die den afrikanischen Ländern wirklich die Möglichkeit gibt, sich in Frieden zu entwikkeln.
Die Bundesregierung verteidigt ihren Verzicht auf eine konkrete Gegenstrategie gegenüber der sowjetischen Herausforderung in der Dritten Welt mit folgenden Argumenten: Erstens handle es sich in Afghanistan und auch in Afrika nicht um einen OstDr. Todenhöfer
West-Konflikt - so im Originalton wieder Herr Genscher -, sondern um einen Konflikt zwischen dem Ostblock und der Dritten Welt. Zweitens gebe die sowjetische Aggression in der Dritten Welt den Entwicklungsländern Gelegenheit zu erkennen, wer ihre wirklichen Freunde und Partner seien. Die Sowjetunion schade sich mit ihrer aggressiven Globalstrategie in der Dritten Welt langfristig nur selbst. Sie werde dies früher oder später erkennen und dann wieder zur alten Entspannungspolitik zurückkehren. Die deutsche Politik des Verzichts auf politische Einflußnahme und der Beschränkung auf wirtschaftliche Unterstützung werde sich dabei langfristig auszahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Philosophie ist entweder Ausdruck einer bewußten Irreführung, oder sie ist Ausdruck einer für unser Land, wie Afghanistan gezeigt hat, gefährlichen Fehleinschätzung. Die Sowjetunion ist doch in den letzten fünf Jahren - seit Angola - durch die Beschwichtigungspolitik des Westens in überhaupt keiner Weise veranlaßt worden, ihre Offensive abzuschwächen; sie hat ihre Offensive im Gegenteil verschärft. Die Sowjetunion beruft sich doch heute im Fall Afghanistan auf einen Freundschaftsvertrag, den sie in ähnlicher Form mit zahlreichen anderen Entwicklungsländern auch mit afrikanischen - geschlossen hat, mit Ländern wie Angola, Mozambique, Äthiopien, dem Südjemen oder dem asiatischen Vietnam. Von diesen Ländern hat sich bisher - mit Ausnahme des Sonderfalles Irak - kein einziges von der sowjetischen Aggression in Afghanistan distanziert, auch nicht in der UNO-Vollversammlung. Das hätten Sie, Herr Außenminister, vielleicht auch erwähnen sollen.
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Was das bisherige Verhalten der so viel gelobten „Blockfreien" angeht - und auch wir verfolgen jede positive Entwicklung in dieser Bewegung mit großem Interesse und auch mit der Bereitschaft, jede positive Wendung zu unterstützen -, so muß festgestellt werden, daß trotz des Überfalls auf Angola Kuba, das Angola überfallen hat, zum Sprecher der Blockfreien gewählt worden ist. Folgerichtig - auch das haben Sie nicht erwähnt, Herr Außenminister - gibt es bisher seitens des Koordinationsbüros der Bewegung der Blockfreien keinerlei kritische Stellungnahme gegenüber. dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, keinerlei Stellungnahme!
Es ist ferner unbestreitbar, daß trotz der zunehmenden sowjetischen Aggression in der Dritten Welt in den letzten Jahren - auch in den letzten Monaten und noch in diesen Tagen - in der Dritten Welt, nicht nur im islamischen Bereich, eine antiamerikanische Welle, wie wir sie nie zuvor erlebt haben, zu beobachten ist.
Die Bundesregierung hat trotzdem mehrfach auf eine angeblich ausgesprochen positive Entwicklung der Bewegung der Blockfreien hingewiesen. Sie fühlt sich - ich darf wieder Herrn Genscher zitieren - in dieser Analyse vor allem durch die UN-Abstimmung, die Sie, Herr Genscher, vorhin sehr
positiv bewertet haben, bestätigt. Auch wir bewerten diese Abstimmung teilweise sehr positiv.
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- Das werde ich Ihnen gleich sagen. - Diese Bewertung mag im Blick auf Lateinamerika und im Blick auf Asien berechtigt sein. Aber, Herr Außenminister, von 50 afrikanischen Staaten haben drei - nicht zwei, wie Sie, Herr Corterier, gesagt haben - mit der Sowjetunion gestimmt, und 19 haben sich enthalten oder sind der Abstimmung ferngeblieben. Das heißt: fast die Hälfte der afrikanischen Staaten war nicht bereit, die Sowjetunion zu verurteilen, sei es, weil sie sich außenpolitisch mit der Sowjetunion verbunden fühlt, ihre machtpolitische Bedeutung sieht und es mit der Sowjetunion nicht verderben will, oder sei es wegen der westlichen Schwache.
Afrika aber, Herr Bundesaußenminister, ist ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungshilfe. Daß diese Entwicklungspolitik unseren und den westlichen außenpolitischen Interessen wirklich mit durchgreifendem Erfolg gedient hätte, kann ich nicht erkennen.
({7})
Angesichts dieser Realitäten bedeutet es doch - das ist der entscheidende Punkt - einen lebensgefährlichen Verzicht auf Politik, wenn die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Genscher erklären, sie verfolgten keine einflußpolitischen und keine machtpolitischen Ziele der Außenpolitik in Afrika und insgesamt in der Dritten Welt. Herr Außenminister, wenn der Westen in Angola der Sowjetunion machtpolitisch entgegengetreten wäre, gäbe es heute wahrscheinlich kein kommunistisches Äthiopien, wahrscheinlich kein Flüchtlingsproblem in Kambodscha und wahrscheinlich auch kein gesetztes Afghanistan.
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- Es ist eine geschichtliche Erfahrung, Herr Schäfer, daß Appeasement-Politik gegenüber totalitären Regimen und Diktaturen bisher immer nur Unglück für die Menschen gebracht hat. Appeasement-Politik hat noch nie Frieden gebracht,
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Appeasement-Politik hat sehr häufig Krieg gebracht.
Meine Damen und Herren! Um das noch einmal im Anschluß an die gestrige Debatte zu sagen: Keine Regierung hat in der Vergangenheit so viel von Frieden geredet wie die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren. Aber keine deutsche Regierung nach dem Krieg hat im Ergebnis so wenig für den Frieden erreicht wie diese Bundesregierung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Corterier?
Ja.
Herr Kollege Todenhöfer, da Sie von Appeasement-Politik gegenüber totalitären Staaten sprechen: Wie würden Sie denn die Politik charakterisieren, die seinerzeit von der CDU/CSU geführte Regierungen gegenüber Portugal betrieben haben, als es noch den blutigen Kolonialkrieg gab? War das nicht sogar eine aktive Unterstützung der Politik eines totalitären Staates?
Wir haben uns damals für eine Afrika-Politik der Vernunft ausgesprochen.
({0})
Wir haben in vielen internen Gesprächen, beispielsweise mit dem portugiesischen Außenminister, mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß Portugal eine Lösung in Afrika finden muß, die nicht zu den blutigen Folgen führt, wie sie in Angola und Mozambique nun zu verzeichnen sind.
Die Bundesregierung hat den Frieden auch nicht sicherer gemacht; der Friede ist unsicherer geworden. Die Bundesregierung hat auf die militärische und geopolitische Bedrohung sowie auf die Gefährdung unserer Energie- und Rohstoffwege durch die Sowjetunion in der Dritten Welt nur eine wirtschaftliche Antwort gegeben. Diese Antwort heißt Förderung der Unabhängigkeit der Entwicklungsländer durch Wirtschafts- und Entwicklungshilfe.
Natürlich ist auch meine Fraktion für eine Stärkung der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder. Aber eine Analyse der wirtschaftlichen und militärischen Potenz der schwarzafrikanischen Staaten heute zeigt, daß zumindest mittelfristig die Länder Afrikas allein nicht in der Lage sein werden, ein echtes Gegengewicht gegenüber dem sowjetischen Einfluß in Afrika zu bilden.
Das im Zuge der Entkolonialisierung in Afrika entstandene Machtvakuum übt geradezu zwangsläufig angesichts der großen strategischen und rohstoffpolitischen Bedeutung dieses Kontinents
({1})
eine große Anziehungkraft auf, politische Kräfte außerhalb Afrikas aus. Wer daher, wie der Westen, darauf verzichtet, in Afrika politischen Einfluß zu nehmen, überläßt der Sowjetunion das Feld.
Es wird häufig und zu Recht - ich unterstreiche das, was Außenminister Genscher hier gesagt hat - auf die geringe wirtschaftliche Hilfsfähigkeit des sowjetischen Blocks und darauf hingewiesen, daß seine Aktivitäten sich in erster Linie auf den militärischen Bereich konzentrieren. So leisten die Sowjetunion und ihre Verbündeten nur den vierzigsten Teil der Entwicklungshilfe der westlichen Länder. Auch in Afrika, wo die Sowjetunion ihre Hilfsanstrengungen konzentriert hat, leistet sie im Vergleich zu den westlichen Ländern nur ein Siebentel. Aber, meine Damen und Herren, einen entscheidenden politischen Vorteil kann der Westen doch nur dann daraus ziehen, wenn er sich gezielt auf diese Schwäche der Sowjetunion einstellt und sie sich zunutze macht. Das aber tut diese Bundesregierung nicht.
Die Praxis in den betreffenden Entwicklungsländern sieht in der Regel so aus, daß die Sowjetunion in den entscheidenden machtpolitischen Sektoren, d. h. Militär, Bereich der Sicherheitsorgane, staatliche Wirtschaft und Verwaltung, Einflußmöglichkeiten wahrnimmt, während die Bundesrepublik Deutschland und die übrigen westlichen Staaten umfangreiche Entwicklungshilfe für alle anderen Bereiche erbringen dürfen. Diese Politik ermöglicht es der Sowjetunion, die westliche Hilfe als flankierende Maßnahme ihrer eigenen militärischen und politischen Strategie zu nutzen.
Wenn die Bundesregierung glaubt, sie könne mit dieser Strategie wichtige prosowjetische Staaten aus der sowjetischen Globalstrategie herauslösen, ist sie entweder naiv oder unehrlich. Und sie weckt mit dieser Strategie bei unseren Freunden, bei den Freunden des Westens in der Dritten Welt, auch in Afrika, zunehmend den Zweifel, ob es sich überhaupt lohnt, auf der Seite des Westens zu stehen.
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Meine Damen und Herren, die westlichen Interessen verlangen eine gezielte Förderung unserer Freunde und nicht unserer Gegner in Afrika. Gegenüber Entwicklungsländern, die .sich in die sowjetische Globalstrategie einordnen und dadurch die Sicherheit des Westens gefährden, hat meine Fraktion seit Angola stets folgende Strategie vertreten:
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Erstens. Entwicklungshilfe an derarige Länder ist grungsätzlich problematisch. Das war Punkt 1.
Punkt 2: Wir haben immer gesagt: Entwicklungshilfe an derartige Länder ist dann zu rechtfertigen, wenn diese Länder ernsthafte Anstrengungen zu einem außenpolitischen Kurswechsel unternehmen oder wenn sie außenpolitisch oder wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistungen erbringen.
Diese flexible Strategie erlaubt es uns, jederzeit und rechtzeitig auf sich ändernde Verhältnisse einzugehen. Wir sind in dieser Frage ideologisch nicht ganz so unbeweglich wie die Bundesregierung.
Die Reaktion der Bundesregierung auf diese bewußt flexible Strategie war unredlich und polemisch. Die Bundesregierung hat stets die zweite Hälfte unserer Strategie weggelassen, um so ungenierter auf die erste Hälfte einschlagen zu können.
Wir haben das gestern abend wieder von Herrn Wischnewski im Fall Somalia erlebt. Die ganze Bundesregierung - zumindest große Teile von ihr -hat diese Verfälschung, das Weglassen des zweiten Teils unserer Strategie, im Fall Somalia geradezu mit Inbrunst vorgenommen. Die Bundesregierung hat mehrmals behauptet - und Herr Wischnewski hat den Eindruck gestern wieder bestätigt -, die Rettung der Geiseln von Mogadischu sei nur wegen der Leistung deutscher Entwicklungshilfe an Somalia möglich gewesen. Die CDU/CSU sei natürlich zum Zeitpunkt der Ereignisse von Mogadischu aus
außenpolitischen Gründen gegen deutsche Entwicklunghilfe gewesen.
Das ist eine bewußte Irreführung der deutschen Off entlichkeit.
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Die Bundesregierung weiß ganz genau, daß die Ereignisse in Mogadischu zu einem Zeitpunkt stattfanden, als Somalia wegen der Änderung der sowjetischen Politik am Horn von Afrika sich bereits aus der sowjetischen Umarmung löste. Die Bundesregierung verschweigt das. Sie täuscht damit vorsätzlich die deutschen Bürger.
Ich glaube, es muß hier ein Satz noch einmal sehr deutlich gesagt und wiederholt werden. Der somalische Staatspräsident Siad Barre hat immer wieder eindeutig, teilweise sogar bittend, erklärt, daß seine Mithilfe in Mogadischu aus moralischen Gründen und nicht wegen deutscher Entwicklungshilfe erfolgt sei. Ich halte es für einen ganz besonders miserablen politischen Stil, wenn Vertreter der Bundesregierung, um aus innenpolitischen Gründen ihre „Sοmalia-Legende" am Leben zu erhalten, dem somalischen Präsidenten, der unserem Land in höchster Not geholfen hat, nun unterstellen, er habe dies nur getan, um deutsches Geld zu bekommen. Ich halte das für schäbig.
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Wir fordern von der Bundesregierung, im südlichen Afrika im Interesse des Friedens anstelle prosowjetischer marxistischer Guerillaorganisationen verstärkt gemäßigte demokratische und prowestliche Organisationen zu unterstützen. Das gilt für Rhodesien und Namibia genauso wie für Südafrika.
Die Bundesregierung hat behauptet, ihre Rhodesien-Politik sei durch das Londoner Abkommen bestätigt worden. Ich will hier nicht auflisten, Herr Außenminister, in welchen Punkten dieses Abkommen in Widerspruch zu früheren Aussagen und Forderungen dieser Regierung und dieser Koalition steht.
Die Bundesregierung behauptet heute vor allem, die Politik der CDU/CSU, insbesondere die Forderung unseres Fraktionsvorsitzenden und auch meine Forderung nach einer Aufhebung des Wirtschaftsboykotts vor Lusaka, hätte, wenn sie befolgt worden wäre, eine Isolation unseres Landes gebracht, und wir seien der konservativen britischen Regierung in den Rücken gefallen.
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Das ist, wie die Bundesregierung und auch Sie wissen, barer Unsinn.
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Unsere Haltung - Herr Genscher wartet ja in diesem Punkt auf eine Antwort - war bis Lusaka stets mit den öffentlich erklärten Absichten der
konservativen britischen Regierungschefin Margaret Thatcher identisch.
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Wir haben, anders als die Bundesregierung, den Versuch gemacht, der neuen britischen Regierung in dieser schwierigen Frage von Anfang an zur Seite zu stehen.
Folgerichtig haben wir die englische Regierung auch nach Lusaka bei ihrem Bemühen um eine Lösung der Rhodesien-Frage voll unterstützt. Die Bundesregierung hingegen hat monatelang die britische Regierung nach dem Regierungswechsel in der Rhodesien-Politik alleingelassen und versucht, sie zugunsten der Patriotischen Front zu beeinflussen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Genscher?
Ja,wenn ich dies nicht auf meine Redezeit angerechnet bekomme.
Bitte schön.
Herr Außenminister, ich darf eine Vorbemerkung machen. Sie haben mir in den letzten 18 Monaten jede Frage abgeschlagen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich es anders als Sie mache und selbstverständlich eine Zwischenfrage zulasse.
Da Sie, Herr Abgeordneter, soeben nur davon gesprochen haben, Ihre Fraktion und Sie selbst hätten die Aufhebung von Sanktionen. nach der Wahl der Regierung Muzorewa gefordert, frage ich Sie: Würden Sie mit bitte bestätigen, daß Sie außerdem auch die Anerkennung dieser Wahl und dieser Regierung gefordert haben, und würden Sie mir darüber hinaus bestätigen, daß die neue britische Regierung zu keiner Zeit die Anerkennung dieser Regierung gefordert hat?
Herr Außenminister und Herr Abgeordneter Genscher, ein großer Teil der konservativen Partei und die Beobachter der konservativen Partei Englands, die die Wahlen beobachtet haben, haben diese Wahl als „fair und frei' betrachtet. Es gab eine Reihe von Äußerungen der englischen Premierministerin Thatcher, die ganz eindeutig auf eine Anerkennung der Regierung Muzorewa gerichtet waren.
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Aber Sie haben recht: Ich habe nicht nur die Aufhebung der Sanktionen, sondern auch die Anerkennung der Regierung Muzorewa - ebenso wie mein Fraktionsvorsitzender Helmut Kohl - gefordert.
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- Ich darf aber um Verständnis bitten, Herr Außenminister - Sie haben vorhin über eine Stunde gesprochen -, wenn ich jetzt hier fortfahre.
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- Nein, herzlichen Dank.
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Die Bundesregierung verteidigt ihre Haltung - Herr Genscher hat es soeben getan - mit zwei Argumenten: man brauche erstens eine international anerkannte Lösung - nur diese könne Frieden bringen -, und zweitens müßten alle wichtigen politischen Kräfte des Landes an dieser Lösung beteiligt sein.
Die Bundesregierung führt dieses Probleme nicht nur in Rhodesien, sondern auch in Namibia und Südafrika vor allem zugunsten kommunistischer Guerilla-Organisation ein.
Dort aber, Herr Genscher, wo kommunistische Guerilla-Organisationen schon an die Macht gekommen sind, vergessen Sie diese Maßstäbe. In Angola beispielsweise hat die MPLA unter Vertragsbruch die Unit& und die FLNA mit Hilfe sowjetischkubanischer Truppen aus der politischen Verantwortung gedrängt. Seit diesem Zeitpunkt - seit rund fünf Jahren - haben wir dort einen blutigen Bürgerkrieg. Dennoch wurde dieses Regime, das über keinerlei demokratische Legitimität verfügt, international - auch von der Bundesregierung - anerkannt. Ich frage Sie, Herr Genscher: Wann haben Sie von der angolanischen Regierung, die heute die Wiederholung der Wahlen in Namibia und Rhodesien fordert, jemals die Abhaltung freier Wahlen gefordert? Beantworten Sie bitte einmal diese Frage.
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- Ich habe eine Frage von ihm zugelassen. Das reicht.
Meine Damen und Herren, ob die Rhodesien-Politik dieser Bundesregierung richtig ist, wird sich nicht in dieser Debatte, sondern erst in den nächsten Monaten zeigen. Ich hoffe sehr - wie Außenminister Genscher -, daß eine friedliche und gerechte Lösung in Rhodesien gefunden wird. Aber ich hoffe auch sehr, daß sich die Bundesregierung nicht noch einmal so irrt, wie sich vor Jahren Herr Eppler und andere führende Mitglieder dieser Koalition geirrt haben, als sie sich für die marxistischen Guerilla-Organisationen Frelimo und teilweise auch für die MPLA einsetzten, auf deren Konto heute Hunderttausende von Toten und Millionen von Vertriebenen und Entwurzelten gehen, und als sich führende Vertreter dieser Regierung für die Marxisten in Vietnam und Kambodscha einsetzten, die. nach der Machtübernahme die barbarischste Unterdrükkungs-, Tötungs- und Vertreibungsmaschinerie in Bewegung setzten, die die Welt seit 30 Jahren gesehen hat.
Diese Bundesregierung hat die politische Entwicklung in Angola; Mozambique, in Vietnam und Kambodscha in tragischer Weise falsch eingeschätzt. Erwarten Sie, Herr Außenminister, daher
nicht, daß wir Ihrer Politik in Rhodesien, Ihrer Politik in Namibia, Ihrer Politik in Südafrika übertrieben großes Vertrauen entgegenbringen. Ein Angola, ein Mozambique, ein Vietnam und ein Kambodscha sind mehr als genug.
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- Herr Wehner, über Ihre Scherze lachen nur noch Ihre Parteigenossen, und die auch nur noch selten.
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- Das ist auch richtig so.
Die Bundesregierung muß sich darüber im klaren sein, daß die Entwicklung in Rhodesien, wie das auch hier richtig angeführt worden ist, eine wichtige Vorentscheidung für die Entwicklung Namibias bedeutet. Das sage ich mit großem Nachdruck. Nur wenn die prowestlichen demokratischen schwarzen Kräfte und die weiße Minderheit in Rhodesien eine faire Chance erhalten, wird Südafrika aus berechtigten sicherheitspolitischen und existeriziellen Gründen einer internationalen Lösung in Südwestafrika zustimmen.
Herr Außenminister, die Namibia-Politik der Bundesregierung, für die Sie verantwortlich sind, ist bisher unserer großen traditionellen Verantwortung für dieses Land leider nicht gerecht geworden.
Die Nord-Slid-Politik und die Afrika-Politik Bundeskanzler Schmidts und Außenminister Genschers sind noch immer durch zum Teil unrealistische Thesen, durch Vernachlässigung unserer eigenen Interessen und auch unserer Freunde in der Dritten Welt und durch Verharmlosung gekennzeichnet.
Wer die sowjetische Offensive in der Dritten Welt beschwichtigend verharmlost, wer prokommunistische Guerilla-Organisationen und Entwicklungsländer, die sich in die sowjetische Globalstrategie einordnen, undifferenziert mit Entwicklungshilfe unterstützt, wer wie Bundeskanzler Schmidt und Außenminister Genscher die teilweise barbarischen Folgen des Kommunismus in der Dritten Welt aus opportunistischen Gründen nicht mehr beim Namen nennt, wer bei seinen moralischen Grundsätzen bezüglich der Menschenrechte bei prowestlichen Entwicklungsländern härtere Maßstäbe anlegt als bei prosowjetischen Entwicklungsländern, wer wie Bundeskanzler Schmidt die Afrikapolitik fast ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten sieht und dabei kulturelle, auch machtpolitische, sicherheitspolitische und außenpolitische Faktoren vernachlässigt, und wer, wie die sozialdemokratischen Mitglieder dieser Regierung, entsprechend der Aufforderung des SPD-Parteitages in Berlin bereit ist, einen Wirtschaftsboykott gegenüber Südafrika zu prüfen, obwohl die Bundesregierung weiß, daß dies bis zu sieben Millionen deutschen Arbeitnehmern den Arbeitsplatz wegnehmen würde, wer eine solche Politik betreibt, der vertritt nicht deutDr. Todenhöfer
sche Interessen, der betreibt auch keine freiheitliche Politik, der verfolgt eine opportunistische Anpassungspolitik, die die Zukunft auch unseres Landes - wie Afghanistan gezeigt hat - aufs Spiel setzt.
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Afrika ist für den Westen, für die EG, für die NATO als Gegenküste Europas, als Anrainer der Ölversorgungsrouten, als wachsender Handels- und Wirtschaftspartner, als Lieferant nicht substituierbarer strategischer Rohstoffe, als wichtiger Partner im internationalen System von hoher politischer, strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Darüber hinaus, auch das muß man betonen, stellt Afrika eine unverwechselbare vielschichtige kulturelle und auch religiöse Kraft dar.
Leider sind der derzeitige wirtschaftliche und soziale Entwicklungsstand Afrikas, die Menschenrechtssituation in vielen afrikanischen Ländern, Grenz- und Regionalkonflikte und insbesondere die gegen die Freiheit Afrikas und die Freiheit des Westens gerichtete sowjetische Globalstrategie für die westliche, aber auch für die deutsche Außenpolitik und Entwicklungspolitik eine große entwicklungspolitische, aber auch sicherheitspolitische Herausforderung. Wenn ich sage „sicherheitspolitische Herausforderung", unterstreiche ich voll und ganz das, was mein Kollege Wörner auf dem sicherheitspolitischen Kongreß der CDU gesagt hat und was mein Kollege Dregger gestern abend in der Debatte zu Afghanistan ausführte.
Auf diese entwicklungspolitische, sicherheitspolitische, aber auch kulturelle Herausforderung fast ausschließlich mit Wirtschaftshilfe antworten zu wollen, wie dies der Außenminister offensichtlich will, erscheint uns naiv und aussichtslos. Die Antwort der Bundesregierung zur Afrikapolitik ist leider ein Dokument der Ratlosigkeit, das Dokument einer Politik, die leider in die Sackgasse geraten ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Entwicklungspolitiker und Außenpolitiker der CDU ansprechen, die wir ernst nehmen müssen. Ich möchte zu Ihnen sprechen, Herr Köhler, zu Herrn Mertes, der gerade den Raum verlassen hat, und zu all den anderen, die wir aus der Ausschußarbeit kennen und deren konstruktive Beiträge wir schätzen.
Meine Damen und Herren von der CDU, glauben Sie, daß Sie sich auf Dauer einen derartigen Mann in einer verantwortlichen Nord-Süd-Funktion leisten können?
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Was dieser Mann für Ihre Partei in der Afrikapolitik zerschlägt, können Sie in Jahren nicht ausbügeln!
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Er sieht zwar aus wie ein Dressmann, aber in ganz Afrika ist er der häßliche Deutsche!
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Ich erzähle Ihnen ein Beispiel: Vertreter der CDU, die hier im Saal sind, werden Ihnen bestätigen, daß. dies so vorgekommen ist.
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Sie kennen vielleicht wie ich die Lage des Landes Botswana, ein Nachbarland von Südafrika, seit Jahren eingeklemmt in diesen Krieg zwischen Rhodesien, Sambia, Südafrika; ein Land, das unter diesem Krieg bitter gelitten hat, das schwere Opfer brachte, beispielsweise auch schwere Opfer im Sinne von Hunger, Not und Tod.
Wir hatten im Rahmen einer afrikanischen Konferenz die Freude, mit dem Außenminister von Botswana konstruktiv zu diskutieren. Er bat uns um Hilfe. Er legte seine Ideen über die Lösung des rhodesischen Konflikts dar, die den Sachverhalten sehr ähnlich sind, die wir jetzt als Auswirkung der Rhodesien-Konferenz im Lancaster-House erlebt haben. Er war konstruktiv in jeder Beziehung.
Durch einen Zufall - nicht von uns gebracht, sondern von dritter Seite - fiel der Name „Todenhöfer'. In diesem Moment war der Mann wie ausgewechselt. Herr Köhler, Sie werden das bestätigen. Er bebte vor Zorn und erzählte folgende Geschichte. Todenhöfer war in Botswana und hatte gebeten, ein Flüchtlingslager zu besuchen, das von den Botswanern mit großer Hingabe finanziert wird, weil es ganz junge Leute waren. Das Lager befand sich in der Nähe von Selebi Pikwe.
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Todenhöfer ging in dieses Lager, sprach mit jungen Leuten. Herr Schäfer, Sie waren meines Wissens auch einmal dort, ebenso wie ich. Es waren in der Regel 17-, 18jährige Jungs, die, wenn man sie ansprach, natürlich in heftigster Weise für den Befreiungskampf in Rhodesien, für ihr Zimbabwe, argumentierten.
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Herr Todenhöfer erklärte nach dem Besuch im Lager öffentlich - weil er der damaligen Ministerin Marie Schlei eins auswischen wollte, die für dieses Lager gewisse Hilfen geleistet hat -, dort würden Terroristen herangebildet,
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dort würden Terroristen mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland und von Botswana für den
terroristischen Kampf, für Mord und Tod im südlichen Afrika ausgebildet.
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Dieser konstruktive Mann konnte nur dadurch beruhigt werden, daß ihm deutlich gemacht wurde - auch durch Herrn Köhler; Sie erinnern sich -, daß es in der Union auch andere gibt. Ich war ihm dafür damals sehr dankbar.
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Ich habe dieses Beispiel so detailliert dargestellt, damit Ihnen in der CDU/CSU einmal bewußt wird, wie über Sie gesprochen wird, weil Sie in Ihren Reihen einen Mann haben, der in der internationalen Szene in unverantwortlicher Weise auftritt und Ihnen mehr als alles andere schadet.
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- Hören Sie das bis zu Ende an; dann wissen Sie, welche Probleme Sie haben.
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Ich hätte mir gewünscht, daß Herr Todenhöfer gestern mitgekriegt hätte, wie sein großes Vorbild, Herr Strauß, in dieser Scharfmacherpolitik eine kleine Kehrtwendung vollzogen hat. Bei Herrn Todenhöfer war das nicht zu verspüren. Es tut mir leid, daß ich doch so viel Zeit brauchte, um einen Sachverhalt deutlich zu machen, der unsere Erregung auch verstehbar macht.
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Lassen Sie mich am Anfang Herrn Bundesaußenminister Genscher für die Entwicklung einer AfrikaPolitik danken. Lassen Sie mich an dieser Stelle ferner in Erinnerung bringen, wie sehr Frau Schlei an der Vorarbeit und Mitarbeit dieser Afrika-Politik in den letzten Jahren beteiligt war. Herr Offergeld hat das inzwischen aufgenommen.
Ich habe diese Minister genannt, weil ich gleichzeitig an einen Beamten erinnern wollte, der heute hier säße und der Diskussion mit Leidenschaft folgen würde. Ich glaube, wir verdanken seiner Arbeit im Außenministerium viel, vor allem für die afrikanischen Menschen. Ich meine den früheren AfrikaBeauftragten Müller, der vor einiger Zeit gestorben ist. Sein Tod ist nicht zuletzt auch durch seine Arbeit verursacht worden. Er hat sich als Beamter aufgeopfert. In einer Zeit, wo so oft von Beamten die Rede ist, die angeblich nichts tun bzw. nichts schaffen, ist es, glaube ich, sinnvoll, in diesem Zusammenhang Herrn Müllers zu gedenken, der, wie ich meine, beispielhaft vom Schreibtisch weg in die Praxis - in diesem Fall muß man sagen: in den Busch - gegangen ist.
Ich glaube, er hat die Grundkonzeption der Afrika-Politik ganz wesentlich mitgestaltet. Ich kann diese Grundkonzeption, die unseren liberalen Partner und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion auszeichnet, auf drei Schritte kοnzentrieren. Erstens. Wir überlegen uns und befassen uns leidenschaftlich damit: Was sind die Interessen unserer Partner, wie sieht ihre Situation aus? Zweitens. Welches sind unsere Interessen, auf welcher Basis können wir unsere Interessen im außenpolitischen Rahmen durchsetzen? Drittens. Welches sind die internationalen Bedingungen? Das ist unser Gang der Uberlegungen.
Es tut mir leid, sagen zu müssen: Bei der CDU/ CSU sehen wir nur zwei Schritte. Da wird zuerst gefragt: Was will die Sowjetunion?, und dann sagt man: Dann machen wir einmal das Gegenteil; vielleicht haben wir dann irgend etwas Sinnvolles getan. Das ist keine Außenpolitik. Vor allem ist das eine Politik, die nicht erst in Sackgassen rennen muß, sondern sich permanent darin befindet; denn die Interpretation der Nord-Süd-Probleme auf dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts ist exakt das, was die afrikanischen Menschen, die afrikanischen Wähler, Bürger, ihre Regierungen nicht akzeptieren dürfen und niemals akzeptieren können.
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Unterlassen Sie es, alles, was afrikapolitisch geschieht, auf den Ost-West-Konflikt zu trimmen. Das hilft Ihnen nichts.
Wenn das z. B. damals gegenüber Ägypten gemacht worden ware: Was wäre denn eigentlich mit unserem Verhältnis zu Ägypten? Damals wurde gesagt, daß es ein auf Dauer an die Sowjetunion gebundener Satellit werden würde.
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Heute ist es ein unabhängiges Land. Aus guten Gründen ist die Zusammenarbeit niemals eingestellt worden.
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Ich glaube, wir sollten uns tatsächlich mit den Interessen unserer afrikanischen Partner beschäftigen. Ihr Interesse ist nun in der Tat, unabhängig, in Selbstbestimmung zu leben, ihr Gesellschaftssystem, ihr politisches System unabhängig zu wählen und dann den Kampf gegen Unterentwicklung und Hunger anzutreten. Das scheint mir ihr Hauptinteresse zu sein.
Natürlich ist es selbstverständlich, daß sie immer Ausschau halten, wer ihnen am wirksamsten hilft. Herauskommend aus den Konflikten des Kolonialismus und bestimmten imperialistischen Tendenzen, die bis heute vorhalten, haben die afrikanischen Länder sehr oft gedacht, ihre entscheidende Unterstützung käme aus dem Osten, käme von der Sowjetunion, von der DDR und anderen Ländern. Sie haben auf Grund des antiimperialistischen, antikolonialistischen Wortgeklingels den Eindruck gehabt, von denen werde ihnen am meisten geholfen. Deshalb haben sie sich fälschlicherweise, wie sie inzwischen immer mehr einsehen, sehr oft an diese Seite gewandt.
Ich glaube, die Lockerung der Beziehungen zur Sowjetunion, die wir in vielen Ländern feststellen können - ich will jetzt nicht einzelne Länder aufzählen; das kann sicherlich auch schriftlich noch geschehen -, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es viele Partner in Westeuropa gab, die fair geholfen haben. Ich nenne hier ein unabhängiges, ein neutrales Land, nämlich Schweden, das den besten Ruf in Afrika hat und das doch wohl ohne Zweifel eine der fundiertesten Demokratien in der Welt ist, das mitgeholfen hat, in vielen Ecken Afrikas demokratische Fundamente zu legen. Das ist der Weg der Afrika-Politik, die ich für vorbildlich halte und die man auch hier in der Bundesrepublik betreiben muß. Wir sind hier ein gutes Stück weitergekommen.
Ich will ein paar Bedingungen nennen, die diese Arbeit erschweren. Zuerst ist hier Südafrika zu nennen. Es war für mich sehr interessant, daß Herr Stercken es ganz einfach machte. Er sagte: Südafrika ist Teil der freien Welt. Wir helfen uns in der freien Welt gegenseitig; damit ist alles geklärt. - Meine Damen und Herren, wenn die freie Welt auf Rassendiskriminierung, auf Nichtbeteiligung der Mehrheit der Bevölkerung an den Wahlen aufgebaut wäre, dann wäre die freie Welt verloren.
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Niemand im Westen akzeptiert diese Position. Sprechen Sie mit Präsident Carter und seinen Mitarbeitern über dieses Thema; sprechen Sie mit dem vielbewunderten UN-Botschafter Don McHenry über diese Frage. Fragen Sie, was sie von dem Begriff „Südafrika ist freie Welt" halten würden. Sie würden empört sein, und sie sind empört. Gerade Präsident Carter hat in dieser Frage nie Zweifel entstehen lassen. Und, Herr Todenhöfer: Sie sind in dieser Frage in zentralem Widerspruch zur Afrika-Politik der US-Regierung.
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Die Frage der Stidafrika-Politik ist nicht, alles zu verdammen, was dort weiß ist, oder alles zu verdammen, was dort im politischen Raum tätig ist. Ich stimme mit Herrn Bundesaußenminister Genscher völlig überein, daß es notwendig ist, jeden -- ich sage: jeden, auch den bescheidensten -- Reformprozeß zu ermutigen, der in Südafrika stattfindet. Aber in dieser Phase des Reformprozesses so tun, als sei das schon halb freies Land, als sei das schon eine Demokratie, als seien dort schon Gerechtigkeit und Freiheit eingekehrt, heißt mithelfen, den Reformprozeß in Südafrika abzustoppen. Nein, wir müssen, gerade um den Reformkräften zu helfen, unser ren Druck zur Schaffung von mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie in diesem Lande aufrechterhalten. Deshalb sind die Diskussionen über Vorbereitung von Sanktionen und die Ermutigung von Reformkräften in Südafrika zwei Seiten einer Medaille, einer einheitlichen Afrika-Politik. Wir sollten diesen Zusammenhang sehen und die dort Handelnden insofern begünstigen, als wir sie nicht ständig an der falschen Stelle loben, nämlich beim Zehntel oder Hundertstel des Weges, den sie inzwischen erst gegangen sind.
Ich weiß natürlich, wie stark Sie durch die südafrikanische Propaganda beeinflußt werden. Es ist in der deutschen Presse fast untergegangen, daß im Rahmen jenes berühmten Skandals einer der Betroffenen auch ausgesagt hat, daß Mitglieder der CDU/ CSU,
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Mitglieder des Deutschen Bundestages sogar von der südafrikanischen Regierung in großer Zahl eingeladen und diese Reisen durch das Apartheid-Regime finanziert worden seien.
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Das ist, wie gesagt, leider kaum wahrgenommen worden. Jetzt schreien Sie hier nicht: Das stimmt nicht! Sonst nenne ich Ihnen sogar Namen.
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- Herr Todenhöfer, ich sage z. B., daß der frühere Kollege Wohlrabe, finanziert von der Südafrikanischen Republik, dort Reisen gemacht hat, und zwar nicht nur einmal. Ich halte es für unerträglich, daß sich Vertreter eines frei gewählten Parlaments von einem faschistischen Regime Reisen bezahlen lassen.
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Bringen Sie das einmal in Ordnung! Sie kennen ja auch die übrigen Namen; ich will das jetzt nicht ausweiten.
Der zweite Punkt, der unsere Afrika-Politik behindert - das ist unstreitig, da stimme ich mit Herrn Schäfer und Herrn Corterier überein -, ist die Politik der Sowjetunion. Diese Politik ist nach meiner Auffassung gegen die Interessen der afrikanischen Bevölkerung auf Entwicklung gerichtet. Deshalb ist es sinnvoll, daß wir die Ausdehnung der sowjetischen Interessen in Afrika bekämpfen, und zwar nicht deshalb, weil wir dort Ost-West-Konflikt auf neuem Felde machen, sondern weil wir Bedingungen für eine positive Entwicklung in Afrika schaffen wollen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen: Ich halte es - ich weiß, daß das die Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist -- für beschämend, wie stark sich die DDR inzwischen durch Militärberater - etwa 3 000 - in Afrika beteiligt hat. ich halte das für eine schreckliche Sache, die sich auch gegen das wohlverstandene Interesse der DDR auswirken wird. Das ist zwar kein AfrikaKorps, weil es keine Kampfeinheiten sind; aber es sind an vielen Ecken Militärberater, die nichts Positives leisten, sondern zur Mehrrüstung in diesem Kontinent beitragen. Wir als Sozialdemokraten lehnen diese Aufrüstung Afrikas von außen konsequent ab.
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Wir haben auch in all diesen Bereichen nur humanitär geholfen, weil das unser Grundprinzip ist und bleibt.
Der dritte Bereich, der Behinderungen schafft, sollte nicht verschwiegen werden. Das ist der Bereich der Wirtschaftsinteressen, die sich in vielen Ländern Afrikas gegen die menschlichen Interessen durchsetzen. Das ist z. B. Ausbeutung durch internationale Märkte, das ist auch z. B. Ausbeutung durch die Tatsache, daß wir im Westen einen flotten Inflatiοnsprοzeß, in großen Ländern bis zu 15 %, haben und die Preise für Rohstoffe weitgehend stabil geblieben sind, jedenfalls für die Rohstoffe, die Afrika produziert, wenn man einmal von Nigeria absieht. Das heißt, wir haben für viele Länder negative Wirtschaftsbedingungen wegen der Inflation in den Industrieländern.
Was die Ölstaaten in den letzten Jahren gegenüber Schwarzafrika betreiben, ist nach meiner Auffassung - ich weiß, was ich jetzt sage, und ich benutze diesen Begriff - nichts anderes als Ausbeutung von armen Leuten, die am Hungertuch nagen. Ich halte die Politik der Ölstaaten bis heute in dieser Frage für unerträglich.
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Es sollte gerade von einer sozialdemokratischen Partei in Richtung auf die Ölstaaten gesagt werden: Beteiligt euch an einem - nennen wir es so - Marshall-Plan für Afrika, indem ihr eure Übergewinne aus dem afrikanischen Geschäft refinanzierungsmäßig voll wieder für die Aktivitäten in Afrika, für Entwicklung, für den Ausbau der Infrastruktur usw. hergebt!
Das sind Punkte unserer Afrika-Politik, die wir anpacken müssen, bzw. Hindernisse, die wir beseitigen müssen. Es kommt uns darauf an, faire Chancen für die Entwicklung zu bieten.
Lassen Sie mich zum Schluß in paar Bemerkungen zur Rhodesien-Konferenz, zur Vorgeschichte und zum Ablauf machen. Herr Todenhöfer, Sie haben die Hauptbeteiligten, nämlich die beiden Abteilungen der Patriotischen Front, an der LancasterHouse-Konferenz seit Jahren als Terroristen diffamiert, die an und für sich gar nicht mehr verhandlungsfähig seien. Das ist der Punkt gewesen, an den Herr Außenminister Genscher vorhin in der Zwischenfrage zu Recht gemahnt hat. Sie hätten mit Ihrer Politik nie einen Verhandlungsfrieden zustande gebracht, sondern Sie hätten das Blutvergießen bis auf den Gipfel getrieben. Das ist die Wahrheit.
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Wir haben in den ganzen Jahren die Diskussion mit diesen schwierigen Partnern von der Patriotischen Front - ich sage ganz bewußt „schwierige Partner"; so einfach ist das nicht, wenn man in einem derartigen Konflikt steht - nicht abgestoppt, sondern sie ständig gemahnt, an einem Friedensprozeß teilzunehmen. Sie sind bis heute mitgegangen.
Meine große Sorge ist übrigens nicht, daß Herr Nkomo oder Herr Mugabe abspringen. Meine große Sorge ist, daß es mit einem Friedensprozeß unvereinbar ist, wenn Herr Soames es der Südafrikanischen Republik genehmigt, daß in einem Zipfel von Rhodesien südafrikanische Truppen stehen, die gewissermaßen bereit sind, in bestimmten Situationen, nämlich dann, wenn die Wahlen nicht so ausgehen, wie sie es erwarten, d. h. wenn Herr Muzorewa nicht gewinnt, einzumarschieren. Diese Gefahr sehe ich.
Wir werden weiterhin wie bisher unsere Möglichkeiten ausschöpfen, um auf die beiden Organisationen der Patriotischen Front, die gespalten sind und gespalten im Wahlkampf antreten werden, einzuwirken, daß der Friedensprozeß in Richtung auf eine demokratische Wahl weitergeht und daß nach dieser Wahl jedes Wahlergebnis akzeptiert wird. Das ist die Aufgbe, die wir haben - nicht aber Verleumdung, wie auch heute wieder geschehen, der Beteiligten an diesem Friedensprozeß. Ich freue mich, Herr Hoffacker, daß Sie mehr Vernunft haben - durch Ihr Nicken zeigen Sie das - als Ihr Kollege vor Ihnen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Köhler? Eine Anrechnung auf die Zeit kann aber nicht mehr vorgenommen werden.
Ja, ich lasse sie zu.
Herr Kollege Roth, nachdem Sie und Ihre Kollegen sich nun den ganzen Vormittag der lückenlosen Übereinstimmung mit der Regierung in London gerühmt haben, frage ich Sie, was Sie eigentlich dazu führt, die klare Aussage von Lord Soames in bezug auf die südafrikanischen Truppen und das Verhalten der Anhänger von Mugabe plötzlich nicht zu akzeptieren?
Hochverehrter Herr Köhler, im Lancaster House war das Thema der südafrikanischen Truppen nicht ausverhandelt worden, wie Sie gut wissen. Es war gesagt worden, daß alle fremden Truppen - mit Ausnahme der rhodesischen Armee und der bewaffneten Anhänger der beteiligten anderen Seite - das Land zu verlassen haben. Herr Soames hat sich daran nicht gehalten, sondern hier einen neuen Punkt gesetzt. Ich sage Ihnen: Dies erfüllt mich mit großer Sorge, denn ich habe die Angst, daß jene Aufmarschbasis der südafrikanischen Republik mißbraucht wird und daß dann andere wiederum die Chance wahrnehmen, um ihrerseits aufzumarschieren. Diese große Gefahr sehe ich. Weil ich diese Gefahr sehe, will ich auch in Richtung auf die britische Regierung sagen, sie möge darauf sehen, was ihr Gouverneur in den letzten 14 Tagen entschieden hat.
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- Das sage ich im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion, Herr Marx. Selbst wenn ich völlig unwichtig bin - von meiner Fraktion könne Sie das nicht sagen. Präsident Machei aus Mozambique, den Sie auch mit Ihren Injurien belegen, hat der britischen Regierung noch am 8. Januar einerseits sehr für den Verhandlungsprozeß gedankt, andererseits aber schon darauf hingewiesen, daß derartige Probleme entstehen würden, wenn die Frage der südafrikanischen Truppen nicht gelöst werde. Ich will dies hier ganz bewußt am Schluß meiner Ausführungen sagen.
Ich glaube, daß eine differenzierte Afrika-Politik, die nicht nur Negation gegenüber anderen enthält, sondern positiven Aufbauwillen und Unterstützung von Friedensprozessen beinhaltet, das einzige ist, was Afrika braucht.
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Das Wort hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen Afrika und Europa gibt es vielfältige historische, politische und kulturelle Verflechtungen. Die europäischen Kolonialmächte haben die Länderkarte Afrikas quer durch zahlreiche Volks-und Stammesbindungen gezeichnet. Sie haben deutliche Spuren ihrer Kultur hinterlassen. Viele der heute drängenden Probleme Afrikas - nicht nur in Zimbabwe/Rhodesien, sondern auch in Namibia - wurzeln in der Kolonialzeit Unsere menschliche Solidarität wird durch etwa drei Millionen Flüchtlinge auf diesem Kontinent gefordert. Nicht zuletzt ist zu sagen, daß 20 der 30 am wenigsten entwickelten Länder der Welt, die wir vorrangig fördern, in Afrika liegen.
Europa und Afrika sind wirtschaftlich aufeinander angewiesen. Das zeigt sich im gegenseitigen Handel. Durch unsere Rohstoff- und Erdölabhängigkeit erhält Afrika aber auch eine entscheidende strategische Bedeutung.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Marx?
Ja.
Herr Bundesminister Offergeld, darf ich Sie fragen, ob Sie es eigentlich für ein faires Verfahren halten - wenn ich mir jetzt einmal die Einteilung der Zeit, die zwischen den Teilen des Hauses vorausbesprochen war, vor Augen führe -, daß Sie sich jetzt, wohlwissend, daß Sie weit mehr als die vereinbarte Zeit gebraucht haben, zu Wort melden und nicht erst den anderen Kollegen die Möglichkeit geben, das Wort zu nehmen, und sich dann erst zu Wort melden - gegen Ihre Wortmeldung an sich hat niemand etwas? Glauben Sie nicht, daß das unfair und im Grunde genommen unzumutbar ist?
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Wir würden Ihnen gerne zuhören, aber unter diesen Bedingungen wird das sehr schwer.
Herr Dr. Marx, ich glaube nicht, daß das unfair ist. Es ist eine zweite Debattenrunde vereinbart gewesen. Jetzt spreche ich. Ich glaube nicht, daß es unrichtig ist, daß, wenn zwei Ihrer Redner massive Vorwürfe gegen die Entwicklungspolitik der Bundesregierung erhoben haben, der zuständige
Minister dazu nach der zweiten Runde Stellung nimmt.
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Afrika ist all den Gründen, die ich gerade genannt habe, ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungshilfe. Dieser Schwerpunkt wurde in den letzten Jahren ganz besonders betont. Während von 1950 bis 1977 die Entwicklungsländer Afrikas mit gut 8 Milliarden DM an Darlehen und Zuschüssen schon ein Viertel der gesamten deutschen staatlichen Hilfe erhielten, hat sich dieser Anteil 1977 und 1978 auf mehr als ein Drittel erhöht.
Dieser Schwerpunkt wird besonders deutlich, wenn man die Hilfe für Afrika mit der für andere Regionen vergleicht: Während nur 18% der in den Entwicklungsländern lebenden Menschen in Afrika wohnen, erhalten sie 38 % - also mehr als doppelt soviel - der gesamten deutschen Hilfe. Von dieser deutschen Hilfe konzentrieren sich wiederum 50% auf acht afrikanische Länder.
Unsere Hilfe wird nicht nur wegen ihres Volumens geschätzt. Westliche Wirtschaftshilfe ist der des Ostens in vielerlei Hinsicht überlegen. Das gilt für die deutsche besonders. Sie erzwingt keine Bindungen, sie verlangt keine Unterwerfung, sie verlangt keine Unterordnung in ein Bündnissystem.
Die Zusagen an bilateralen Leistungen der Bundesrepublik in Afrika sind mit 4,2 Milliarden US-Dollar im letzten Zehnjahreszeitraum allein höher als die aller Warschauer-Pakt-Staaten mit nur 3,4 Milliarden US-Dollar. Alle EG-Länder zusammen haben in der gleichen Zeit bilaterale Leistungen von über 21 Milliarden US-Dollar vorzuweisen.
Auch in Afrika kann man zählen und vergleichen. Man weiß dort sehr wohl zwischen der sogenannten brüderlichen Solidarität und zwischen partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit uns zu unterscheiden. Zunehmend werden daraus auch Schlußfolgerungen gezogen. Wenn nicht Hysterie, sondern Geduld, Festigkeit und Fairneß unser Handeln bestimmen, dann wird das politisch-strategische Kalkül der Sowjetunion in Afrika nicht aufgehen.
In Afrika ist die politische Bewegung im Fluß. Deshalb trete ich nachdrücklich dafür ein, auch zukünftig mit sogenannten „sοzialistischen" Regierungen afrikanischer Staaten zusammenzuarbeiten. Wir dürfen afrikanische Länder auch dann nicht abschreiben, wenn sie gegenwärtig oder in der Vergangenheit mehr Vorteile in einer ideologischen und wirtschaftlichen Bindung an die Staaten des Warschauer Paktes sehen oder gesehen haben.
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Gerade wenn wir den Einfluß des Ostblocks in Afrika verringern wollen - und so habe ich die Argumente der Opposition verstanden -, darf man diesen Staaten den Weg zur Blockfreiheit, zur Unabhängigkeit nicht verbauen. Wir können ihn mit unserer Hilfe erleichtern - einen Weg, den nachweislich viele Staaten schon gegangen sind und den andere noch gehen können.
Die Afrikaner haben den alten Kolonialismus nicht abgeschüttelt, um sich einem neuen zu unter15728
werfen. Deshalb gehört es zu unserer entwicklungspolitischen Konzeption, die Wirtschaft der afrikanischen Staaten zu entwickeln und ihre politische Unabhängigkeit zu stärken, wo immer dies möglich ist. Wir wollen uns nicht in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einmischen. Wir billigen jedem Land das Recht zu, seine Entwicklung selbst zu bestimmen. Die Afrikaner müssen frei von Bevormundung und einseitigen Abhängigkeiten ihren eigenen Weg finden.
Wenn wir den Begriff „Selbstbestimmung" auch für die Afrikaner ernst nehmen, so heißt dies: Eigenständige Wertvorstellungen aus der Sicht Afrikas werden auch zu anderen Gesellschaftssystemen als in Europa führen. Die Freiheit der Entscheidung gilt fur Afrika nicht nur unter der Voraussetzung, daß die Afrikaner in allen Fällen zu gleichen Entscheidungen wie wir kommen.
Die oft unter großen Opfern gewonnene Unabhängigkeit der jungen Staaten Afrikas wahren zu helfen liegt in unserem Interesse. Die politische und die wirtschaftliche Stärke dieser Länder schützt sie vor eigennützigen Bestrebungen außerafrikanischer Machte und ihrer Stellvertreter. Es ware falsch - wie die Opposition dies immer wieder tut -, die Denkkategorien des Ost-West-Konflikts schematisch auf Afrika zu übertragen.
Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren, war es richtig, daß wir auch mit Staaten, die vorübergehend ideologisch und politisch dem Ostblock zuneigten, unsere langfristige entwicklungspolitische Zusammenarbeit fortgesetzt haben. Dies zeigt auch die Entwicklung in einigen Ländern Afrikas. Ich nenne nur Ägypten und Somalia. Wenn Herr Todenhöfer hier wieder versucht hat, das anders darzustellen, als es wirklich war, muß man eben daran erinnern, daß er Ende April 1977 nach den Beratungen im Entwicklungshilfeausschuß zum Haushalt 1977 nachdrücklich den Abbruch der entwicklungspolitischen Beziehungen zu Somalia gefordert hat, also wenige Monate vor den berühmten Ereignissen in Mogadischu.
({2})
- Herr Dr. Köhler, ich kann Ihnen das zitieren. Ich kann Ihnen sogar eine Erklärung im Pressedienst der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 22. April 1977 zitieren. Da lautet es wörtlich:
Die CDU/CSU hat heute bei den Haushaltsberatungen im Entwicklungshilfeausschuß beantragt, kommunistischen Entwicklungsländern künftig keine Entwicklungsleistungen mehr zuzusagen. Im einzelnen handelt es sich um ...
Dann kommt eine ganze Reihe von Ländern, und darunter war Somalia.
({3})
Das war wenige Monate vor Mogadischu. Herr Todenhöfer hat dann - ich erspare es mir, das zu zitieren - in der „Bild-Zeitung" noch nachgefaßt und hat von einem Skandal gesprochen, daß wir Somalia
Entwicklungshilfe zusagen. Marie Schlei hat das alles erlebt. Sie sitzt da und nickt mit dem Kopfe.
({4})
- Das ist dokumentarisch belegbar, Herr Köhler. Ich bedaure, daß Sie nicht imstande sind, hier einmal einzugestehen, daß Herr Todenhöfer einen Fehler gemacht hat. Er macht viele andere zusätzlich.
({5})
Gerade in Afrika ist politisch vieles in Bewegung. Die statische Betrachtungsweise der Opposition, nämlich „Entwicklungshilfe nur für erklärte Freunde", ist falsch. Die Entwicklungshilfe trägt dazu bei, Verbindungen zu knüpfen. Sie trägt dazu bei, neue Partner zu finden. Sie ist ein dynamischer Vorgang.
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Zwei sektorale Schwerpunkte, die die wirtschaftliche Unabhängigkeit Afrikas fördern, bestimmen die Entwicklungspolitik der Bundesregierung in Afrika, erstens die Unterstützung der Landwirtschaft, zweitens der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Ich nenne nur diese beiden Stichworte, um Zeit zu sparen.
Im Verkehrssektor hat die Bundesrepublik für 326 afrikanische Projekte bisher schon über 2,6 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Zugegeben, angesichts der gewaltigen Probleme reicht dies nicht aus. Mein Ministerium hat ein Sonderprogramm zur Förderung der Verkehrssysteme im südlichen und östlichen Afrika mit einem Volumen von rund 700 Millionen DM ausgearbeitet. Wir werden dieses Konzept gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern schrittweise realisieren.
Die Bundesrepublik - davon war heute die Rede, und das hat die Kritik der Opposition in besonderem Maße hervorgerufen - hat sich in der Vergangenheit stark auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit den sogenannten Konfliktrandstaaten konzentriert. Dies wird in Zukunft so bleiben. Die durch die politischen Spannungen im südlichen Afrika verursachten menschlichen und politischen Probleme können sicher nicht mit unserer Hilfe allein gelöst werden. Doch haben die betroffenen Staaten einen Anspruch auf unsere Solidarität und Unterstützung. Unsere Leistungen für diese Länder wurden in fünf Jahren vervierfacht. Das ist eine Entwicklung, die schon unter Frau Schlei begonnen wurde und die ich voll fortgesetzt habe.
Hinzu kommt ein umfangreiches Stipendienprogramm für Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika in einer Größenordnung von 55 Millionen DM, d. h. für über 650 Stipendiaten. Wir werden dieses Programm fortsetzen, wir werden es ausbauen.
Das ungeheure Konfliktpotential des südlichen Afrika kann nicht dadurch entschärft werden, daß kolonialistische Relikte aufrechterhalten werden. Ich zähle zu kolonialistischen Relikten, Herr Köhler, um die Diskussion von vorhin aufzunehmen, auch das Regime Muzorewa-Smith. Die Opposition war es, die sich fur die Aufrechterhaltung dieser Relikte
eingesetzt hat, Herr Todenhöfer noch am Vorabend der Konferenz von Lusaka.
({7})
Dies soil ja hier auf einmal alles wegdiskutiert werden.
Der Frieden im südlichen Afrika kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn wir auch für diese Region das Selbstbestimmungsrecht ernst nehmen, das wir für uns verlangen. Selbstbestimmungsrecht bedeutet Herrschaft der Mehrheit. Selbstbestimmungsrecht schließt rassische Diskriminierung aus. Unser entwicklungspolitisches Engagement in den Konfliktrandstaaten und - ich unterstreiche das angesichts der heutigen Diskussion - unser Gespräch mit den Befreiungsbewegungen haben dazu beigetragen, daß Zimbabwe nun zumindest eine große Chance zur friedlichen Entwicklung erhalten hat. Ich bedaure, hier insofern einen deutlichen Mangel an Differenzierungsvermögen feststellen zu müssen, als heute in dieser Debatte wieder von „pro-kommunistischen Befreiungsbewegungen" gesprochen worden ist. Herr Köhler, Sie haben nachher Gelegenheit, einer differenzierteren Betrachtungsweise Raum zu geben und sich von diesen unverantwortlichen Äußerungen des Herrn Todenhöfer einmal mehr zu distanzieren.
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Es gibt in Ihrer Fraktion Kollegen, die schon den Mut hatten, sich von Äußerungen des Herrn Todenhöfer, z. B. im Zusammenhang mit dem Kirchenkongreß, zu distanzieren. Tun Sie das hier auch!
Die Konfliktrandstaaten haben zu den Friedensbemühungen der letzten Monate einen entscheidenden Beitrag geleistet. Es wird nicht zuletzt an ihnen liegen, ob die Entwicklung zum Frieden erfolgreich abgeschlossen und die Gefahr eines langen Rassenkrieges endgültig gebannt werden kann.
Wenn die politische Entwicklung, was wir wohl alle hoffen, in Zimbabwe und in Namibia zu einer friedlichen und international anerkannten Regelung der noch ungelösten Fragen führt, wird die Bundesregierung ohne Zögern, d.h. sofort, eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit anbieten. Daß wir schnell helfen können, haben wir vor wenigen Tagen bewiesen. Wir haben Sambia für den SambesiFluß per Flugzeug eine Pontonfähre geliefert. Diese Fähre wird die Auswirkungen des Krieges für Sambia mildern helfen. Unser Angebot, auch mit Angola und Mozambique zusammenzuarbeiten, besteht - ich wiederhole dies nach dieser heutigen Debatte ganz bewußt - weiterhin.
Die politischen Entwicklungen im südlichen Afrika haben die Politik der Bundesrepublik voll bestätigt. Diese Politik befand sich auch - im Gegensatz zu den Vorschlägen der Opposition - zu jedem Zeitpunkt in voller Übereinstimmung mit den westlichen Verbündeten. Wir werden diese Politik ganz konsequent weiterführen.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Erstens. Entwicklungspolitik bekämpft Armut und Not. Sie stärkt damit die Eigenständigkeit der Länder in der Dritten Welt.
Zweitens. Entwicklungspolitik ist für uns nicht Bündnispolitik mit anderen Mitteln. Wir wollen die Unabhängigkeit und die wirkliche Blockfreiheit der Staaten der Dritten Welt. Wir unterstützen sie mit unserer Entwicklungspolitik.
Drittens. Die Bundesrepublik sucht nicht Hegemonie, sondern unabhängige Partner. Wenn sich aus Partnerschaft Freundschaft entwickelt, ist eine solche Entwicklung willkommen. Sie ist keine Bedingung für die Zusammenarbeit.
Schließlich viertens. Die Bundesregierung sucht die Zahl ihrer Freunde und Partner zu vergrößern. Dies schließt übertriebene Abgrenzungspolitik aus. Wir folgen nicht der Stalinschen These: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!"
In der künftigen Geschichte Afrikas wird es vermutlich nicht anders sein als in der Geschichte unserer Republik: Helfen wir mit unserer Entwicklungspolitik, mit unserer Afrika-Politik mit, gerechte und menschenwürdige Verhältnisse auf diesem Kontinent zu schaffen; dann wird die Fünfte Kolonne es schwer haben, Unfrieden zu stiften.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Köhler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition! Meine Herren Minister! Lieber Kollege Hammans! So sehr es mir schmeichelt, hier allein gegen alle fechten zu dürfen, so möchte ich Ihnen doch am Anfang einen Eindruck vermitteln: In diesem Lande sind die Menschen seit Tagen aufs tiefste wegen der weltpolitischen Situation beunruhigt. Sie fragen sich beklommen, was eigentlich auf den Kontinenten rund um uns vorgeht. Und dann besprechen wir, nachdem wir gestern, wie mir scheint, in guter Fasson diskutiert haben, heute die Probleme unseres südlichen Nachbarkontinents in einem Hause, das fast leer ist, und in einem Stil, bei dem Sie uns in einer vierstündigen Debatte - die auch noch auf Grund einer Großen Anfrage unserer Fraktion geführt wird - gerade noch eine Stunde die Chance lassen, überhaupt miteinander zu argumentieren. Dies alles betrübt mich aufs äußerste.
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Dann, wenn es wirklich um Fragen geht, die in dieser Welt - auch für unsere Zukunft - von brisantester Bedeutung sind, kommen Sie, verehrter Kollege Roth, um hier die zehnte Selebi-Pikwe-Debatte anzufangen und um zum ich weiß nicht wievielten Male den Versuch zu machen, nicht über die brennenden Sachfragen zu sprechen, sondern die ganze Debatte in eine Τοdenhöfer-Beschimpfung zu verwandeln.
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Nicht eine Minute werde ich darauf eingehen, aber ich verbiete Ihnen, mich dafür in Anspruch zu nehmen.
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Wenn Sie schon von der Ebert-Stiftung-Konferenz in Aruscha berichten, sollten Sie uns auch einmal erzählen, wie Herr von Dohnanyi und Herr Offergeld dort acht Tage lang sowohl in der tansanischen Presse wie in der Diskussion der Konferenz mit ihrer so hoch gepriesenen Afrika-Politik auf massivste Kritik und auf bitterste Worte gestoßen sind, die ich selbst als ungerecht empfand, die aber zeigen, daß Sie mit Ihrer Afrika-Politik nicht so glänzend dastehen, wie Sie es heute darstellen wollen.
Herr Bundesaußenminister, es ware dann auch noch ein bißchen darüber zu reden, wie es mit Anspruch und Wirklichkeit der von Ihnen hier noch einmal soeben in fast 60 Minuten entwickelten Politik aussieht. Wir werden so, wie die Dinge hier jetzt von Ihnen gestaltet sind, dafür nicht mehr allzuviel Zeit haben. Aber, Herr Bundesaußenminister, da wir beide, glaube ich, uns in einem zivilisierten Tonfall miteinander zu unterhalten pflegen, nehmen Sie das, was ich jetzt sage, bitte auch in diesem Sinne: Wenn es so ist, wie Sie eben hier gesagt haben, dann ersparen Sie doch in Zukunft z. B. dem Vorsitzenden der Deutsch-Afrikanischen Parlamentariergruppe dieses Hohen Hauses - der ich bin - die ständig wiederholte Klage, daß mancher - nicht einer - afrikanische Botschafter viele Jahre lang in Bonn auf Posten ist, ohne bis zu Ihnen vorgedrungen zu sein. Und ersparen Sie uns bitte die bewegte Klage darüber, daß Sie, wenn Sie in Afrika sind, oft zwischen Pressekonferenzen und der verständlichen Sorge um Ihre Partei zuwenig Zeit haben für die Leute dort am Ort.
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- Herr Bundesaußenminister, ich würde dies nicht sagen, wenn ich es inzwischen nicht mehr als lächerlich empfände.
Meine Damen und Herren, lassen Sie rich nun zu der Linie kommen, die ich Ihnen hier in der Hoffnung zu unterbreiten versuche, daß es vielleicht doch noch eine Chance gibt, daß wir hier miteinander über Argumente diskutieren.
Es ist kein Zufall, daß diese Große Anfrage, zu deren Beantwortung Sie unglaublich viele Monate gebraucht haben, und daß die heutige Debatte von uns unter dem Titel „Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung in Afrika" herbeigeführt wurde. Wir meinen, daß Europa und unser Land eine geschichtliche Verantwortung für Afrika besitzen, die mit der Entkolonialisierung, wann immer sie beendet sein mag, nicht erschöpft sein kann. Und damit wir uns gleich recht verstehen: Diese Verantwortung heißt in meinem Verständnis nicht die Verantwortung eines überlegenen, väterlichen Partners für junge Leute, die sich in Freiheit zu üben haben, sondern bedeutet Verantwortung für Partner des Fortschritts, für gleichberechtigte Völker, mit denen wir gemeinsam auf dieser Welt die Zukunft zu gestalten haben. Ich bitte, mir hier nichts unterstellen zu wollen.
Die von unserer Außenpolitik gern verwendete Formel „Afrika den Afrikanern" darf nicht bedeuten, daß unser südlicher Nachbarkontinent seinen Problemen überlassen bleibt; und ich bin sicher, daß der
Herr Außenminister das auch nicht so sieht. Aber manch einer denkt, der Rückzug der Kolonial-machte aus Afrika sei die Lösung aller Probleme gewesen. Das war es nicht. Dieser Rückzug hat an manchen Stellen ein bedrohliches Vakuum hinterlassen, das bis heute noch nicht wieder aufgefüllt worden ist. Und auch da, wo sich unser Land mit seinen wirtschaftlichen Interessen engagiert glaubt, aber in seiner politischen Handlungsfähigkeit enge Grenzen hat, gibt es noch manches Vakuum, das uns Sorge machen muß. In diese Situation stößt die Sowjetunion immer wieder zielbewußt hinein.
Wir sind uns in diesem Hohen Hause sicher darüber einig, daß es nie und nimmer das Ziel der Dekolonialisierung gewesen sein darf, Afrika einem neuen Imperialismus auszuliefern. Eben weil dies richtig ist, fordern auch die afrikanischen Staaten von uns mehr, als daß wir sie ihrer eigenen Entwicklung überlassen. Sie wünschen unsere Hilfe zur Sicherung von Freiheit, Stabilität, Frieden und Entwicklung.
Europa und Afrika sind in vieler Hinsicht aufeinander angewiesen. Wenn wir es für vordringlich halten, angesichts der doch offenkundigen imperialistischen Bedrohung durch die Sowjetunion, ihre Komplizen und Komparsen einen aktiven Beitrag dazu zu leisten, daß in Afrika spezielle Feindschaften unter den bedrohten Nationen abgebaut und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zunehmend stabilisiert werden, dann geht es uns weiß Gott nicht um die Errichtung neuer Einflußzonen - das unterscheidet uns ja gerade von der Sowjetunion -, sondern es geht uns um die Freiheit der Völker Afrikas, die ihnen nach aller historischen Erfahrung eben doch vom Westen eher garantiert wird als vom kommunistischen Block.
Wir haben in diesen Tagen allen Grund, uns zu fragen, ob der Westen in Afghanistan und im Nahen und im Mittleren Osten die Aufgabe einer langfristigen Stabilisierungspolitik seit Jahren nicht zureichend erfüllt hat - dies ist von manchen deutschen Kommentatoren als Vorwurf ausgesprochen worden -, so daß dort das sowjetische Vordringen auf Grund solcher Vakua möglich wurde.
Ich meine, wir müssen unter diesem Gesichtspunkt unsere Verantwortung für Afrika definieren und die Afrika-Politik ständig überprüfen, ob sie dem Ziel langfristiger Stabilisierung zur Verhütung größerer Übel dient
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und ob sie geeignet ist, vorhandene Spannungen und Feindschaften am Ort abzubauen.
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Nach meiner Ansicht zeigen die Ereignisse der letzten Jahre nur zu deutlich, daß Europa, auch die Bundesrepublik, in dieser Hinsicht ihre Anstrengungen verstärken muß, und zwar, Herr Offergeld und Herr Genscher, bitte nicht nur in der Form von Geld, nicht nur materiell, sondern gerade geistig. Die Aufgabe, der wir uns stellen müssen, ist, bei einer Weiterentwicklung der politischen Kultur Afrikas rechtschaffen und ehrlich im Sinn der Stabilisierung zu helfen. Denn die Destabilisierung nutzt nur
Dr. Köhler ({6})
der Sowjetunion; sie schadet den Afrikanern und gefährdet unsere lebenswichtigen Interessen.
Angesichts der weltpolitischen Konstellation kann es aus unserer Sicht nicht länger ertragen werden, daß es nach dem Rückzug der Kolonialmächte zwar amerikanische Interessen in Afrika gibt, daß Frankreich eine spezifische Afrika-Politik verfolgt, daß die deutschen Wirtschaftsinteressen die Bundesrepublik zu afrikapolitischen Bemühungen veranlassen, daß es aber weder eine ausreichend klare Arbeitsteilung noch eine tragfähige westliche Gesamtkonzeption der Afrika-Politik gibt.
Ich meine, daran müssen wir die Afrika-Politik der Bundesregierung messen: ob sie darauf abgestellt ist, das angesichts der Größe des Problems unerläßliche Zusammenwirken aller westeuropäischen Staaten und der USA herbeizuführen. Die Willenserklärung in der Beantwortung unserer Gro-Ben Anfrage genügt nicht. Denn von einer wirklichen Harmonisierung der französischen, englischen, deutschen und amerikanischen Afrika-Politik sind wir in vielen Einzelheiten noch weit entfernt. Der Hinweis auf das Lomé-Abkommen, den Sie Herr Bundesaußenminister, gegeben haben und der auch unter ökonomischen Aspekten möglich ist, zeigt nur um so deutlicher das politische Defizit.
Afrika steckt auf Grund seiner politischen und territorialen Strukturen voll Zündstoff, der noch lange Zeit jede imperialistische Einmischung möglich machen wird. Kein afrikanischer Staat ist ohne Minderheitsprobleme. Millionen von Flüchtlingen sind auf diesem Kontinent in Bewegung. Viele Staaten Afrikas kämpfen um die Überwindung veralteter Stammesstrukturen. Die Entwicklung der nationalen Identität ist das große Thema, vielerorts auch die Stärkung der politischen Zentralgewalt.
Wenn dieser Prozeß nicht entwicklungshemmend verlaufen soil - leider ist dabei oft genug nur die Herrschaft der Hauptstädte über das flache Land herausgekommen -, müssen dauerhaft tragfähige Problemlösungen gesucht werden.
Wir Europäer haben selber einen mühsamen Pro-zeB der Gestaltung unserer .Einheit in der Vielfalt hinter uns und zum Teil noch gar nicht hinter uns. Wir haben in diesem Prozeß der Überwindung der Gegensätze und der Versöhnung der Verschiedenartigkeiten den Wert föderalistischer Strukturen als Mittel der Befriedigung und Spannungsauflösung erkannt. Diese Erfahrungen sollten wir unseren afrikanischen Freunden anbieten.
Nur ein aufrichtiger Dialog über diese Fragen kann die Furcht beseitigen, daß wir hier neue koloniale oder alte koloniale Herrschaftssysteme propagieren, z. B. das Prinzip der „indirect rule". Darum geht es uns weiß Gott nicht. Aber mit den Afrikanern gar nicht mehr über die Formen staatlicher Strukturen des Zusammenlebens zu diskutieren, weil, wie man so oft sagt, das Westminster-Modell gescheitert sei, und sie allein der Irrlehre des sozialistischen Zentralismus zu überlassen, das nenne ich eine geistige Kapitulation.
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Tatsächlich beginnen ja einige afrikanische Staaten, wie der Sudan und in mancher Hinsicht auch Nigeria, ihre inneren Probleme durch den Aufbau föderalistischer Strukturen zu lösen. Andere - wie Kenia - betreiben vorsichtig Modelle der Stabilisierung im Verhältnis ihrer Volksgruppen. Ich meine, wir sollten vornehmlich solche Versuche unterstützen, nicht aber ständig wechselnde Modelle sozialistischer Patentlösungen.
Ein zweites wichtiges Interesse im Sinne des Themas unserer Anfrage muß die Entwicklung innerafrikanischer Kommunikationsstrukturen und besonders der Verkehrssysteme sein. Was ist das eigentlich für eine afrikanische Einheit, bei der sich die Partner zum Gespräch immer nur auf dem Weg über London oder Frankfurt treffen können? Wer hier Fortschritte ermöglicht, erleichtert auch die aktuelle politische Willensbildung der afrikanischen Völker. Und nun sage man mir nicht, Afrika habe uns keine entsprechenden Vorschläge gemacht, für die wir Geld bewilligen könnten. Meine Herren, es gibt auch eine Erfahrung, die zeigt, daß das vernünftig definierte Angebot die Nachfrage zu konkretisieren vermag.
Zahlreiche Probleme in Afrika lassen sich nur lösen, wenn es wirklich zur Bildung regionaler Zusammenschlüsse politischer und wirtschaftlicher Art kommt. Welches Konzept westafrikanischer Wirtschaftszonen unterstützt die Bundesregierung eigentlich? Welche Mittel setzt sie ein, um die Einigung der rivalisierenden Staaten zu fördern?
Wenn wir schon bei regionalen Ereignissen sind: Wie denkt die Bundesregierung darüber, daß an Stelle der zerbrochenen Organisation der Ostafrikanischen Einheit eine tansanische Herrschaftszone entstanden ist, die von Uganda bis zu den Komoren und Seychellen reicht?
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Wie gedenkt man eigentlich die Unabhängigkeit von Madagaskar und Mauritius zu stützen, die doch auch an der Ölroute liegen? Oder ist alles, was im südlichen Indischen Ozean geschehen kann, nach dem, was Herr Corterier vorhin sagte, inzwischen irrelevant, weil die Russen bald die Möglichkeit haben, den Flaschenhals von Hormus direkt zuzustöpseln? Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Was kann die Bundesrepublik tun, um die Aussöhnung von Kenia und Somalia zu fördern, zwei Ländern, denen wir jeweils in anderer, besonderer Weise verpflichtet sind und deren Zusammenwirken zur Stabilisierung am Horn von Afrika unerläßlich ist?
Es genügt jetzt nicht mehr, sich aus diesen Problemfeldern herauszuhalten oder nur die Antwort des Geldes zu geben. Die politische Zurückhaltung, die wir noch vor einem Monat in der Frage Somalia spüren mußten, muß nun wirklich durch eine klare Konzeption ersetzt werden. Die Kette der Absagen von Ministerbesuchen in Somalia - seit 1977 waren es fünf Besuche - können bei Wahrung unserer In15732
Dr. Köhler ({9})
teressen am Horn von Afrika weiß Gott nicht mehr fortgesetzt werden.
Da wir gerade bei Somalia sind, will ich nur eine Bemerkung machen. Wer lesen will, kann feststellen, daß wir im April 1977 eine qualifizierte Sperre auf Zeit bis zur Veränderung der Umstände vorgeschlagen haben.
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Wir haben keinen Abbruch der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit vorgeschlagen. Einen Monat vorher hatte die deutsche Botschaft in Mogadischu der Bundesregierung genau dasselbe empfohlen.
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Auf dem Höhepunkt des Umschwungs in Somalia, meine Damen und Herren, hatte ich die Gelegenheit, im Auftrag meiner Fraktion dort an Ort und Stelle zu sein. Sofort anschließend hatte sich meine Fraktion in Ansehung der veränderten Umstände anders erklärt. Gleichzeitig wurde der Besuch von Frau Minister Schlei in Somalia abgesagt.
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Uber Somalia könnten wir noch eine ganze Weile weiterreden, aber ich habe das Gefühl, es hat keinen Zweck. Amerika hat jedenfalls in Somalia inzwischen gehandelt.
Ein letztes. Auch im Westsahara-Konflikt - davon bin ich überzeugt - wird Neutralität der Regierung - in der Koalition kann davon schon längst keine Rede mehr sein - nicht mehr lange als Antwort auf die Frage ausreichen, ob die Destabilisierung Marokkos für uns und für Europa nicht eine schwere Gefahr darstellen würde.
Besondere Tragweite hat die Frage nach der für uns lebenswichtigen Stabilisierung afrikanischer Verhältnisse natürlich im südlichen Afrika. Die innere Entwicklung der Südafrikanischen Republik in den letzten Monaten und die Lage der in langen kriegerischen Auseinandersetzungen erschöpften Konfliktrandstaaten machen nach unserer Auffassung neue Überlegungen erforderlich und beanspruchen in den nächsten Wochen und Monaten unsere volle Aufmerksamkeit.
Über eines sind wir uns doch einig: Aus vielen Gründen - darunter auch aus rohstoff- und sicherheitspolitischen Gründen - können wir und unsere' Verbündeten das Versinken dieses Raumes im Chaos keinesfalls riskieren. Es genügt am allerwenigsten, sich rechtzeitig mit denen gut zu stellen, die möglicherweise am Ende eines Chaos die Überlebenden sind. Alle Gründe sprechen dafür, zur Stabilisierung dieses Raumes beizutragen, solange das möglich ist. Es verdient Aufmerksamkeit, daß seit einiger Zeit auch dort föderative Lösungen für das Zusammenleben der Afrikaner verschiedener Hautfarben in die Diskussion gekommen sind, auch Überlegungen zu einer Wirtschaftsgemeinschaft, die auf den realen Interessen der benachbarten Staaten basieren.
Wir müssen uns in aller Nüchternheit fragen, ob die Voraussetzungen für eine neue Politik gegenüber dem südlichen Afrika jetzt nicht zwingend gegeben sind. DaB sie für unsere Interessen angesichts der Weltlage in höchstem MaBe wünschenswert sind, kann man doch wohl nicht ernsthaft bestreiten. Wir können diese Situation dort nicht isoliert von der imperialistischen Drohung der Sowjetunion betrachten. Wir haben also eine Chance, dort Stabilisierung zu fördern.
Damit kein Mißverständnis aufkommt: für unsere Fraktion sind seit eh und je unerläßliche Voraussetzungen die Beseitigung der Apartheid und der ehrliche Wille zu einem gleichberechtigten Zusammenwirken zwischen der Südafrikanischen Republik und ihren Nachbarstaaten.
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- dazu komme ich gleich, Herr Kollege -, gerade auch im Rahmen weitgehend schon bestehender wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Wenn es auf dieser Basis eine Chance gibt, den Prozeß der Stabilisierung im südlichen Afrika konstruktiv zu fördern, dann muß sie besser heute als morgen endlich ergriffen werden.
Nun zu Ihrer Frage. Unzweifelhaft ist doch die innenpolitische Szene in Südafrika in Bewegung geraten. Verglichen mit der Situation vor einigen Jahren kann man von einem Abbau der Apartheid sprechen. Premierminister Botha hat auch mit der Ankündigung einer Arrondierung und einer weiteren Entwicklung der Homelands eine qualitative Änderung der Homeland-Politik eingeleitet. Die südafrikanische Öffentlichkeit hat begriffen, daß die eigentliche Gefährdung des Landes nicht in irgendeiner Bedrohung von guBen, sondern im Inneren liegt, wenn es nicht gelingt, das Zusammenleben der Völker und Rassen auf die Basis eines dauerhaften Konsenses zu stellen. ({14})
- Verehrte Frau Kollegin, ich kann leider angesichts der Zeit die Frage nicht zulassen.
Das südafrikanische Arbeitsministerium hat in schneller Folge mit der Verwirklichung arbeitsrechtlicher Maßnahmen begonnen, die den schwarzen und den farbigen Südafrikanern gerechte Entlohnung, Aufstiegsmöglichkeiten und Leitungsverantwortung in der Wirtschaft sichern sollen. Die Verbesserung des Schulwesens für Schwarze und Farbige wird endlich ernsthafter diskutiert. Schwarze und multirassische Gewerkschaften werden zugelassen, ihre Zusammenarbeit mit weißen Gewerkschaften hat sich verbessert. Die Zielsetzung einer föderativen Struktur für das Zusammenleben der Völker und Rassen in Südafrika wird immer offener angesprochen.
Natürlich sind dies Ansätze und noch nicht die Lösung und Erfüllung. Aber ich stimme den Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu, die auf dem Südafrika-Symροsium des Auswärtigen Amts gesagt haben, sie sähen bei allen Mängeln und Einzelklagen, die uns Herr Loderer ja auch wieder mitgeteilt hat - und ich bestreite nicht die BerechDr. Köhler ({15})
tigung dieser Mitteilung -, eine Chance, die unbedingt genutzt werden müßte. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Natürlich hat nach unserer Auffassung die Beseitigung der Apartheid, die wir seit Jahren fordern, noch nicht das Maß und die Vollendung erreicht, die wir wünschen. Aber wir sehen auch die Schwierigkeiten. Die Verwirklichung des Wiehahn-Reports zur Gestaltung des Arbeitsrechtes stößt natürlich auf Schwierigkeiten und ist noch nicht vollkommen erfolgt.
Man muß aber auch sehen, dah es hier nicht nur um Gesetzeswerke. geht, sondern um die tiefgreifende Veränderung von in 300 Jahren entwickelten Gewohnheitsstrukturen des Zusammenlebens zwischen weiß, schwarz und farbig. Das ist ja auch im Bewußtsein der Menschen nicht über Nacht zu machen.
Ob eine föderative Lösung ausreicht oder ob weiterreichende Modelle besprochen werden müssen, kann man diskutieren. Aber daß Herr Botha mit Ernst und Nachdruck eine Entwicklung eingeleitet hat, glaube ich, kann man nicht mehr bestreiten. Er beansprucht seine politische Basis dabei aufs äußerste und nimmt Absplitterungen in Kauf und geht mit einem Mut gegenüber seinen eigenen Parteifreunden vor, der auf der Welt keineswegs allgemein gleich verbreitet ist.
Nun ist die Gleichberechtigung der Rassen und Völker in Südafrika allerdings nicht nur eine politische und gesellschaftliche, sondern auch in großem Umfang eine ökonomische Aufgabenstellung. Der Übergang von der getrennten Entwicklung zu einer offenen Leistungsgesellschaft mit Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für jedermann - gleich, welcher Hautfarbe - stellt gewaltige Anforderungen an Staat, Schulwesen, Wirtschaft und Gesellschaft. Man muß sich einmal vergegenwärtigen, dah in den Jahren bis 1985 in Südafrika jährlich weit mehr als 500000, zeitweise bis zu einer Million neue Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt drängen. Eine solche Problemlage ist selbst bei großen Wirtschaftsnationen kaum zu bewältigen. Welche Schwierigkeiten hat das große Amerika mit der Integration einer schwarzen Minderheit! In Südafrika geht es um eine Mehrheit.
Ich meine: Wenn sich bei nüchterner Analyse in Südafrika Anlaß zur Hoffnung bietet, dann haben wir uns bier zu fragen, ob wir nicht gegenüber diesem Versuch eine förderliche Haltung einnehmen müssen. Ich habe Sie vorhin nicht unähnlich verstanden, Herr Außenminister. Es geht dort um so viel, daß wir diesen Topf nicht allein sich selbst überlassen dürfen oder ihn lediglich mit der Politik der Pressionen, des Boykotts und des Embargos immer noch fester zudrücken dürfen. Das ist eine Politik, die für meine Begriffe langsam zunehmend stupide wird. Eine solche Politik läuft Gefahr, unberechenbare Eruptionen in Kauf zu nehmen. Wer die Änderung will, muß auch bereit sein, sie zu fördern. Deswegen ist im Lichte der Erfahrungen der letzten Tage und Wochen meines Erachtens die SüdafrikaPolitik besonders zu überprüfen.
Dies kann bedeuten, dah wir angesichts der ökonomischen Dimensionen, wenn es einen ernsthaften Weg gibt, auch die Frage prüfen müssen, ob wir bei Ausbildungsdingen helfen müssen, ob wir Manpower zur Verfügung stellen müssen, wo sie nicht vorhanden ist, wo das Land dies selbst nicht aufbringen kann, ob wir nicht eventuell durch Handelsvorteile, welche die Europäische Gemeinschaft einräumen könnte, das wirtschaftliche Wachstum initiieren, das zur Lösung dieser Probleme insgesamt nötig ist.
Dazu gehört Courage. In einer bedrohlichen Weltpolitik neue Ansätze zu finden, erfordert Mut. Neue politische Konzeptionen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen, darf aber nicht an Leichtherzigkeit und Kleinmütigkeit scheitern. Genau dies verlangen wir von dieser Regierung.
Wer erneute weltpolitische Krisen auf afrikanischem Boden vermeiden will, darf sich nicht mit Harmoniemodellen zufriedengeben, sondern er muf die deutsche Afrikapolitik, eingebettet in den anzustrebenden Konsens der Verbündeten, weit konkreter und noch konstruktiver gestalten, als das heute der Fall ist, um Freiheit, Frieden und Entwicklung in diesem Kontinent sichern zu helfen. Dies ist unsere Forderung in dieser Stunde.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine. Damen und Herren! Ich habe volles menschliches Verständnis dafür, wenn sich die Opposition beklagt, daß sie, bevor Herr Köhler begann, erst eine Stunde zu Wort gekommen war. Ich habe erneut das Wissen gewinnen können, daß es hoffnungslos und aussichtslos ist, sich mit den Argumenten von Herrn Todenhöfer auseinanderzusetzen. Ich habe nicht den Eindruck, daß er beabsichtigt, aus eigenen Fehleinschätzungen heute und in Zukunft zu lernen. Deshalb möchte ich darauf verzichten, auf seine Ausführungen einzugehen.
Ich erwarte darüber hinaus, daß es zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Herrn Köhler und anderen Parteifreunden von Herrn Todenhöfer kommt. Ich möchte Herrn Köhler in seinem Mut nur bestärken, auch weiterhin Reden zu halten, die weit von dem abweichen, was seine Parteifreunde sagen.
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Ich bitte darüber hinaus um Verständnis, wenn ich insoweit auf meinen Redebeitrag verzichte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich immer noch - ich hätte beinahe gesagt: trotz 30jähriger Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag - an die Kraft der Logik und des Arguments glaube, werde ich trotz des Pessimismus meiner verehrten jungen Kollegin doch die Rede halten, die ich mir vorgenommen habe.
Ich möchte einleitend bemerken, daß ich tiefe Gegensätze zwischen den Reden meiner Fraktionskollegen Todenhöfer und Köhler nicht entdeckt habe. Sie haben sich ergänzt.
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Meine Damen und Herren, die Sowjetunion hat ihr Ziel, den Sozialismus über die ganze Welt auszubreiten, in ihrer Verfassung niedergelegt. Ich zitiere aus der neuen Verfassung von 1977:
Die Große Sozialistische Oktoberrevolution ... stürzte die Macht der Kapitalisten und Gutsbesitzer ... und schuf den Sowjetstaat ... zum Aufbau des Sozialismus und Kommunismus. Damit begann für die Menschheit die welthistorische Wende vom Kapitalismus zum Kommunismus...
Die Außenpolitik ist darauf gerichtet ..., die staatlichen Interessen der Sowjetunion zu schützen, die Position des Weltsozialismus zu stärken, den Kampf der Völker um nationale Befreiung und sozialen Fortschritt zu unterstützen ...
Das Staatswappen der UdSSR besteht aus Hammer und Sichel auf einem sonnenüberstrahlten, von Ähren umrahmten Erdball mit der Aufschrift: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
In diesen Tagen erleben wir mit erschreckender Deutlichkeit, wie konkret die Sowjetunion ihre Verfassung versteht und wie folgerichtig sie das Ziel der Ausbreitung ihres Systems verfolgt.
Wenn ich für die CDU/CSU ein letztes Wort zur heutigen Afrika-Debatte zu sagen habe, so habe ich mit Absicht das Zitat der neuen sowjetischen Verfassung vorangestellt, um Sie erneut auf den politischen Plan aufmerksam zu machen, der die sowjetische Strategie auf der ganzen Welt diktiert; nicht nur in Afrika, aber gerade auch dort.
Es sind drei Zwecke, die die Sowjetunion bei ihrem Vorstoß über Afghanistan nach Mittelasien, in den Nahen Osten, zum Horn von Afrika und in die Weite und in den Süden Afrikas verfolgt: die langfristige Sicherung der eigenen Erdöl- und Rohstoffbasis; die Beherrschung der für Europa lebenswichtigen Flanke, um die Europäer in Abhängigkeit, in Verwundbarkeit und Erpreßbarkeit zu bringen und damit schließlich die europäisch-amerikanische Partnerschaft aufzubrechen.
Winston Churchill hat - ich glaube, es war sogar schon im Ersten Weltkrieg - davon gesprochen, daß der Balkan der weiche Unterleib Europas sei und daß man von dort her in Europa eindringen und Europa erobern könne. Afrika ist zwar nicht der weiche Unterleib Europas, weil es kein Bestandteil Europas ist, aber es ist heute die geographische Größe, von der aus man nach Europa hineindringen kann - mit verschiedenen Methoden, wirtschaftlich und notfalls auch militärisch. Schon Lenin hatte gesagt: Wer Afrika kontrolliert, kontrolliert Europa.
Im Bericht der Bundesregierung zur Afrika-Politik, der manche gute Passagen enthält, vermisse ich eine mutige, ungeschminkte Darstellung dieser langfristigen Ziele der Sowjetunion und geeigneter Mittel, sie abzuwenden. Der Kern der Antwort der Bundesregierung lautet: „Die Bundesregierung hält ihre Politik der Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der politischen Selbständigkeit der Staaten Afrikas durch entwicklungspolitische Zusammenarbeit und durch Förderung ihres Außenhandels für das geeignetste Mittel, um sowjetischem Einfluß in Afrika entgegenzuwirken."
Hehre Ziele, friedliche und brave Mittel! Sie passen für eine friedliche und brave Welt, die wir uns alle wünschen, die aber leider nicht existiert, schon gar nicht in Afrika.
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Hinter diesen Mitteln steht eine Unterschätzung -der Konsequenz, der Brutalität, der Rücksichtslosigkeit der sowjetischen Politik, eine Unterschätzung, die als Grundfehler der Außenpolitik der Bundesregierung angesehen werden muß.
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Sie gipfelt in der Passage des SPD-Parteitagsbeschlusses vom 14. Dezember 1979, deren politische Kurzsichtigkeit und Naivität in der jetzigen Situation kaum noch ertragen werden kann. Sie lautet:
Die konkurrierenden Staaten und Bündnisse
- gemeint sind die NATO und der Warschauer Pakt müssen von der Friedensbereitschaft des anderen ausgehen, diese Auffassung auch aussprechen und aufhören, sich das Gegenteil zu unterstellen.
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Wenn dieser Gedanke die Grundlage der Außenund Sicherheitspolitik der SPD als der Hauptregierungspartei wäre, dann ware Europa verloren. Ich fordere die SPD und die von ihr getragene Bundesregierung auf, von dieser Philosophie sofort Abschied zu nehmen. Sie mag ein gutes Prinzip für das Zusammenleben in einem Müttergenesungsheim sein, nicht aber für den Schutz unseres Staates vor der planmäßig aufgebauten Druckkulisse der Sowjetunion.
Nun speziell zur Afrika-Politik! Wenn man den Bericht der Bundesregierung liest, könnte man glauben, die Existenz unseres Landes und Volkes sei durch die Republik Südafrika gefährdet. Ihr nämlich gelten die massivsten Vorwürfe; sie ist das eigentliche Ziel der deutschen Sorgen und Befürchtungen in Afrika.
Natürlich teilt die Fraktion der CDU/CSU die Kritik an der Apartheidspolitik. Natürlich lehnt eine Partei, die christlich und demokratisch begründet ist, diese Apartheid ab. Aber wir wundern uns, daß die Bundesregierung und die Sozialdemokratische Partei zwar über die Menschenrechtsverletzungen in Südafrika große Erklärungen abgeben, aber viel schwerere Menschenrechtsverletzungen im komDr. Jaeger
munistischen Bereich mehr oder weniger schweigend hinnehmen.
Diese Regierung hat Zurückhaltung, um nicht zu sagen Kritik geübt an der Menschenrechtspolitik eines Carters gegenüber der Sowjetunion, aber sie polemisiert, weil es weltweit gut ankommt, gegen die Menschenrechtsverletzungen in Südafrika. Man schweigt seitens der Bundesregierung - auch in den Vereinten Nationen - über die Menschenrechtsverletzungen der DDR, obwohl sie uns doch weiS Gott näherliegt - geographisch und in mancher anderen Hinsicht.
Der „Spiegel" hat dieser Tage geschrieben, Berlin sei wichtiger als Kabul. Das gilt für uns Deutsche, und das gilt international. Aber, meine Damen und Herren, dann sind doch auch die Menschenrechtsverletzungen in der DDR für uns viel wichtiger als die in Südafrika.
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Und wo ist die klare Stellungnahme der Bundesregierung zu den Terrorakten im Süden Afrikas, wie sie etwa von der SWAPO geübt werden?
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Diese Doppelmoral der Bundesregierung ist zwar bequem, aber sie ist unmoralisch und letzthin unpolitisch. Denn der Blick der Bundesregierung und der Sozialdemokratischen Partei bleibt auf den Rassenkonflikt fixiert. Die übrigen Probleme, die KapRoute und die Rohstoffe, sieht man nicht.
Wie wir aus den Analysen der Wirtschaftsexperten wissen, ist unser eigenes Land in seiner wirtschaftlichen Entwicklung und in seinem Wohlstand bedroht, wenn Südafrika als Handelspartner ausfallen sollte. Eine Regierung, die den Handel mit den kommunistischen Ländern fördert - wofür ich sie nicht tadele -, und zwar fördert, obwohl dort Menschenrechtsverletzungen vorkommen, kann doch dann nicht überzeugtermaßen gegen den Handel mit Südafrika sein. Das ist ein Vorwurf, der mehr gegen die Sozialdemokratische Partei als gegen die Bundesregierung zu erheben ist.
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Meine Damen und Herren, es gibt ein benachbartes, aber doch anders gelagertes Problem, das Problem Südwestafrika/Namibia. In diesem Lande gibt es praktisch keinen Rassenkonflikt mehr; denn man hat die Apartheid abgeschafft. Es geht also hier nicht mehr um schwarz und weiß, nicht um die Vorherrschaft einer weißen Minderheit, sondern um die Frage: Demokratie oder Diktatur? Wenn es in diesem Lande zum Bürgerkrieg käme - was hoffentlich verhindert wird -, dann würden Sie Schwarze auf beiden Seiten finden; auf der Seite der Demokratie wie - leider auch - auf der Seite der marxistischen Diktatur. Es ist interessant, daß vor noch gar nicht langer Zeit drei evangelisch-lutherische Kirchenführer - ein Weißer und zwei anderer Hautfarbe - davor gewarnt haben, daß ihr Land dem Marxismus anheimfallen könne. Südwestafrika, haben sie gesagt, sei in die weltweite geistige Auseinandersetzung der Ideologien einbezogen.
Es ist Aufgabe der Entwicklungspolitik, meine ich, auch die politische Entwicklung zu fördern und auch den Parteien beim Aufbau zu helfen. Das ist Sache der Parteien und ihrer Stiftungen. Wir haben - Sie selber haben es erwähnt - gewisse Beziehungen zur Demokratischen Turnhallen-Allianz, die die Idee einer gemischtrassigen, freiheitlichen Gesellschaft proklamiert. Ich habe den Eindruck, daß auf der Seite der Freien Demokraten wenigstens gewisse Ansatzpunkte einer Verbindung zur Namibischen Nationalen Front gegeben sind, zu einer anderen, kleineren demokratischen Parte. Nur die Sozialdemokraten haben keinen demokratischen Partner in Südwestafrika. Man hat den Endruck, Ihr Partner ist die marxistische, auf Diktatur lüsterne SWAPO und nicht die demokratische SWAPO eines Herrn Shipanga. Ich meine, Sie als demokratische Partei dürften sich nicht mit denen verbünden, die Tod und Terror nach Südwestafrika tragen.
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Meine Damen und Herren, die Bundesregierung versteckt sich in ihrem Bericht gern hinter dem Rücken der vier anderen Westmächte, die mit ihr in dieser Gruppe tätig sind, die sich sicherlich einige Verdienste erworben hat. Aber ich meine, das moralische Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Südwestafrika muß größer sein als etwa das Kanadas. Schließlich leben in Südwestafrika 5 000 deutsche Staatsbürger, denen wir rechtlich Schutz zu gewähren haben, und ungefähr 20 000 Menschen deutscher Abstammung, denen gegenüber wir doch moralisch in der Pflicht stehen.
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Deutschland ist hier besonders gefordert. Wir fordern die Verwirklichung der Menschenrechte für alle Bewohner dieses Landes, gleich, welche Hautfarbe sie haben, gleich, welcher Nationalität und welcher Stammeszugehörigkeit sie sind. Aber unsere besondere Sorge gilt doch dem Schicksal der deutschen Volksgruppe. Die Aufhebung des deutschen Konsulats in Windhuk war sicherlich keine Maßnahme, um dieser Sorge adäquaten Ausdruck zu geben. Sie bedeutet eine Distanzierung vom Schicksal Südwestafrikas und der dort lebenden Deutschen.
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Dabei brauchen wir Deutsche in Deutschland uns der Deutschen in Südwestafrika nicht zu schämen: weder ihrer historischen noch ihrer heutigen Leistungen. Sie haben diesem Land schließlich weitgehend die Infrastruktur gegeben, die es hat. Sie haben beim Aufbau der Landwirtschaft, des Handwerks, des Handels und der Industrie Wesentliches geleistet. Sie haben nach dem Zweiten Weltkrieg ihren politischen Beitrag gegen die Apartheid und für die multirassiale Gesellschaft geleistet. Wir sollten sie beim Aufbau einer Demokratie unterstützen. Leider wird das durch Nichtbeachtung dieser Gruppe, durch die Politik der gegenwärtigen Regierung und vor allem der Koalition behindert.
Ich möchte die Regierung und die Koalition zu einem Haltungswechsel auffordern. Es darf nicht ein Tag kommen, an dem 25 000 Landsleute aus Südafrika ausgeflogen werden müssen, um hier neben der schlesischen, ostpreußischen und sudetendeutschen Landsmannschaft am Ende noch eine südwestafrikanische Landsmannschaft zu bilden.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Herrn Kollegen Corterier sagen! Er hat die Männer und Frauen des 20. Juli schwerstens beleidigt, indem er sie mit den Terroristen des südlichen Afrikas auf eine Stufe gestellt hat.
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Ich kenne den Herrn Kollegen Corterier und halte ihn für einen aufrichtigen Demokraten. Entweder hat er sich nicht mit dem Studium des 20. Juli oder nicht mit den Verhältnissen im südlichen Afrika be-f aßt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Roth?
Ja, Herr Kollege Roth, bitte.
Verehrter Herr Kollege, nehmen Sie zur Kenntnis, daß es das Argument von Herrn Corterier war, daß in jeder Befreiungsaktion, unabhängig von welchem Zeitalter, auch das Leben Unschuldiger gefährdet wird? Er hat dieses am Beispiel des 20. Juli entwickelt. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß er nicht willens und auf Grund der Zeit auch nicht in der Lage war, Vergleiche zwischen zwei historischen Epochen anzustellen?
Die Antwort steht schon in dem, was ich mir in Stichworten notiert habe. Ich meine, es geht nicht darum, ob einmal aus Versehen durch eine unglückliche Lage unschuldige Menschen gefährdet sind, sondern es geht darum, daß dort im südlichen Afrika von den Terroristenbewegungen Zivilisten planmäßig ermordet werden.
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Wenn im Juni 1978 in einer Missionsstation bei Umtali zwölf Personen, einschließlich Frauen und Kinder, ermordet worden sind, mit Holzscheiten, Pfählen und Bajonetten die Schädel eingeschlagen und Frauen geschändet wurden, wenn ein drei Wochen altes Baby durch Bajonetthiebe und -stiche getötet wurde, bezeugt durch zwei Vertreter des Schweizerischen Roten Kreuzes, dann ist es keine zufällige Gefährdung von Unschuldigen, sondern das ist dann ein planmäßiger Mord, und das darf man auch nicht gedanklich irgendwie nur an den Rand der Taten der Männer und Frauen des 20. Juli bringen.
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In der Antwort der Bundesregierung ist die Rede vom schlimmen Restkolonialismus in Afrika. Was meint die Bundesregierung eigentlich damit? Werden die deutschen Interessen etwa dadurch bedroht, daß Ceuta an der Küste Nordafrikas ein spanisches
Städtchen ist? Der wirkliche Kolonialismus, der in Südafrika existiert und uns die Lebensader abdrükken will und die Afrikaner mit dem sozialistischen System in Abhängigkeit und Armut führt, ist der der Sowjetunion und ihrer Satelliten, einschließlich der DDR. Zu diesem Problem hätte sich die Bundesregierung deutlicher ausdrücken sollen.
Mit der Absicht der Bundesregierung, die Länder in Afrika durch Außenhandel und Entwicklungshilfe zu unterstützen, sind wir voll einverstanden. Es fehlt aber eine Koordinierung der Handels- und Entwicklungshilfepolitik mit unseren Sicherheitsinteressen, die Einbindung unserer Tätigkeit in Afrika in unsere Sicherheits- und Bündnispolitik. Warum will die Bundesregierung eigentlich keine eigenen staatlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen, wie die Soziale Marktwirtschaft, nach Afrika exportieren, wenn diese gut sind und allen Völkern der Erde nützen? Warum will sie nicht politische Klugheit und partnerschaftliche Zusammenarbeit belohnen und feindseliges Verhalten ahnden? Hat die Bundesregierung nicht selbst ihren erwähnten Grundsätzen entgegengehandelt, als sie - ich füge hinzu: zu Recht - Somalia als Dank für das Verhalten der dortigen Regierung im Mogadischu-Zwischenfall Wirtschaftshilfe gewährte?
Die Fraktionen der Christlich Demokratischen und Christlich-Sozialen Union fordert eine Einstellung aller direkten und indirekten Hilfen aus Steuermitteln für sogenannte Befreiungsbewegungen, die der Ausbreitung des sowjetischen Einflußbereichs dienen.
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Dies sollte auch für die nicht dementierte Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung an die SWAPO gelten. Wir fordern eine öffentliche Mißbilligung solcher Hilfsmaßnahmen durch andere Organisationen, eine Vermehrung und Stärkung der Entwicklungshilfeprojekte, die den Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft, des Eigentums und der freien Landwirtschaft fördern, deren Erfolg den Bauern zugute kommt, die damit Produktion und Wohlstand steigern. Wir fordern die moralische, politische, wirtschaftliche, kultur- und entwicklungspolitische Stützung der Regierungen, die sich der Ausweitung des sowjetischen Macht- und Einflußbereiches widersetzen. In diese Hilfe sollen auch Ausbildungs- und Stipendienwesen und geeignete Zusammenarbeit auch auf dem Gebiet der Verteidigung und der Polizei einbezogen werden.
Wir fordern ein verstärktes Eintreten für die Aufrechterhaltung und Verbreitung des marktwirtschaftlichen Prinzips in der Weltwirtschaftsordnung und in den nationalen Volkswirtschaften, für die Freiheit des Handels, der Meere und die Aufrechterhaltung des Seeverkehrs, notfalls auch durch gemeinsame Retorsionsmaßnahmen in den Gewässern und Häfen der westlichen Welt. Wir fordern eine Stärkung der westlichen Handelsflotten und geeignete Schritte zur Zurückdrängung der Dumpingmaßnahmen der Ostblockstaaten. Schließlich fordern wir eine aktive Unterstützung der Maßnahmen unserer Bündnispartner auf sicherheitspolitischem Gebiet, die diese zur Zurückdrängung des sowjeDr. Jaeger
_ tischen Einflusses treffen, durch politische und wirtschaftliche Solidarität und gegebenenfalls durch logistische Beteiligung.
Ich komme zum Schluß. Wir müssen auch in Afrika - wie überall in der Welt - des Ost-West-Konflikts eingedenk sein. Herr Dr. Corterier hat gemeint, man dürfe den Nord-Süd-Konflikt nicht nur durch die Brille des Ost-West-Konflikts betrachten. Hier hat er recht. Es gibt eigenständige Probleme im Nord-Süd-Konflikt, der eigentlich gar kein Konflikt, sondern ein wirtschaftliches und soziales Gefälle ist, das man dann friedlich lösen könnte, wenn es den Ost-West-Konflikt nicht gäbe. Aber alles auf dieser Welt gerät nun einmal in den Bann des Ost-West-Konfliktes, der weltweit ist, weil die Sowjetunion sich auch in Sachprobleme einmischt, die eigentlich ihre Interessen gar nicht berühren und die in ihrem Ursprung nichts mit dem Kommunismus zu tun haben. So verfälscht die Sowjetunion die Sachprobleme, well sie von der Idee der Weltrevolution und der Weltherrschaft ausgeht, und zwar in Europa, in Asien, in Afrika und in Südamerika.
Herr Kollege Dr. Corterier meinte, einige Länder hätten sich verbittert an Moskau mit der Bitte um Hilfe auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik gewandt. Dazu muß ich - selbst wenn ich das Beispiel Ägypten aus einer bestimmten Zeit kenne - sagen: Im Grunde ist es doch so, daß der Westen unverhältnismäßig mehr Entwicklungspolitik als der Osten und die Bundesrepublik Deutschland unverhältnismäßig mehr als die DDR leistet. Was die Russen liefern, sind eben ihre Stalinorgeln, die die Bundesregierung zu Recht nicht für ein Mittel der Entwicklungspolitik hält. Die Diktatoren und diejenigen, die Macht ausüben und andere unterwerfen wollen, wenden sich deswegen eben an die Sowjetunion. Der Schatten Moskaus über Afrika ist in den letzten Jahren immer dunkler und tiefer geworden. Dessen müssen wir eingedenk sein. Wer dessen nicht eingedenk ist, verletzt nicht nur die deutschen Interessen, sondern sieht Afrika auch nicht in der richtigen Perspektive.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/2728 dem Auswärtigen Ausschuß zur federführenden Beratung und dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Mitberatung zu überweisen. - Ich stelle allseits Einverständnis fest. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wir stehen damit am Schluß unserer heutigen Beratungen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. Januar 1980, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.