Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/18/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll heute morgen nur der Agrarbericht 1977 eingebracht werden; danach wird die Sitzung beendet werden, um den Fraktionen Gelegenheit zu Fraktionssitzungen zu geben. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entwurf für ein Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Republik Osterreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Republik Osterreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren ({0}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates betreffend Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über den Handel mit Textilerzeugnissen ({1}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({2}) des Rates zur Aufhebung der Verordnung ({3}) Nr. 1823/76 des Rates über die Genehmigungspflicht für die Einfuhr von Baumwollgarnen, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, mit Ursprung in Mexiko, in die Länder der Benelux ({4}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in der Republik Korea in die Länder des Benelux ({5}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({6}) des Rates über den Abschluß des Zusatzprotokolls und des Finanzprotokolls zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik ({7}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({8}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({9}) des Rates über die Reiseinfuhren aus der Arabischen Republik Ägypten über die Einfuhr von Kleie und anderen Rückständen vom Sichten, Mahlen oder anderen Bearbeitungen von Getreide mit Ursprung in der Arabischen Republik Ägypten ({10}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({11}) des Rates über die finanzielle und technische Hilfe zugunsten der nichtassoziierten Entwicklungsländer ({12}) überwiesen an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({13}), Haushaltsausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung der Kommission an den Rat über die Verhandlungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Libanesischen Republik und Empfehlung für eine Verordnung ({14}) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Libanesischen Republik und Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen mit der Libanesischen Republik über den Abschluß eines Interimsabkommens zu eröffnen ({15}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({16}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Juteerzeugnisse mit Ursprung in der Republik Indien ({17}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({18}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({19}) Nr. 3168/76 zur Festlegung der Bedingungen für den Verschnitt und die Verarbeitung von Erzeugnissen des Weinsektors mit Ursprung in Drittländern in den Freizonen im Gebiet der Gemeinschaft ({20}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({21}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 30 000 Stück Färsen und Kühe bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für 5 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b des Gemeinsamen Zolltarifs ({22}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Auf Wunsch des federführenden Ausschusses hat der Präsident des Deutschen Bundestages die nachstehenden EG-Vorlagen der 6. und 7. Wahlperiode erneut überwiesen: Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanz, der Wirtschaft und des Rechnungswesens und Präsident Carstens Richtlinie des Rates zur Festsetzung der Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen für bestimmte Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanz, der Wirtschaft und des Rechnungswesens und Empfehlung des Rates betreffend das Großherzogtum Luxemburg ({23}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Vorschlag einer Verordnung ({24}) des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ({25}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({26}) Rechtsausschuß Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend ein Aktionsprogramm für die europäischen Luftfahrtindustrie und Luftfahrt und Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Einführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Zivilluftfahrtindustrie und der Zivilluftfahrt und Entwurf einer Entschließung der im Rat vereinigten Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend Kauf und Entwicklung von Luftwaffensystemen ({27}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({28}) Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Gründung eines Instituts der Europäischen Gemeinschaften für Wirtschaftsanalyse und Wirtschaftsforschung ({29}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({30}) Haushaltsausschuß Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien über den Handel mit Kokoserzeugnissen ({31}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die zulässigen Skalen von Nennfüllmengen bestimmter Erzeugnisse in Fertigpackungen ({32}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Beschluß des Rates zur Festlegung eines technologischen Forschungsprogramms für den Schuhsektor ({33}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates betreffend Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Föderativen Republik Brasilien über den Handel mit Textilerzeugnissen ({34}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates betreffend Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Kolumbien über den Handel mit Textilerzeugnissen ({35}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Mitteilung an den Rat über die Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und Sao Tomé e Principe Kap-Verde im Hinblick auf deren Beitritt zum AKP-EWG-Abkommen von Lomé ({36}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Richtlinie des Rates zur Beseitigung der Systeme der Kostensteigerungsgarantie bei Ausfuhrgeschäften mit Drittländern ({37}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Mitteilung an den Rat betreffend Abweichung von Artikel 1 des den Abkommen zwischen der EWG und den EFTA- Staaten als Anlage beigefügten Protokolls Nr. 3 im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Artikels 23 auf die in der dem genannten Protokoll als Anlage beigefügten Liste C genannten Waren ({38}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung ({39}) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in der Türkei ({40}) ({41}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnungen ({42}) des Rates zur Festsetzung der Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Osterreich ({43}) zur Festsetzung der Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Finnland ({44}) zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Island ({45}) zur Festsetzung der Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Norwegen ({46}) zur Festsetzung von Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Portugal ({47}) zur Festsetzung der Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Schweden ({48}) zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in der Schweiz ({49}) Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zur Einrichtung einer Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Osterreich ({50}) Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zur Einrichtung einer Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Schweden ({51}) ({52}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates zur Errichtung einer europäischen Agentur F R handelspolitische Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern ({53}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({54}) Haushaltsausschuß Mitteilung an den Rat über den Beitritt von drei früheren ÜLG zum AKP/EWG-Abkommen von Lomé und Vorschläge für verschiedene diesbezügliche Rechtsakte ({55}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in der Republik Singapur ({56}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in Malaysia ({57}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung des Rates zur Verlängerung der Verordnungen ({58}) Nr. 1509/76 und 1522/76 über die Einfuhr von Sardinenzubereitungen oder -konserven mit Ursprung in Tunesien bzw. Marokko in die Gemeinschaft ({59}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung ({60}) des Rates über die Einfuhr einiger Erzeugnisse des Weinbaus mit Ursprung in Griechenland in die drei neuen Mitgliedstaaten ({61}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Verordnung ({62}) des Rates zur Aufstockung des für das Jahr 1976 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 4 Gewichtshundertteilen oder mehr der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs ({63}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf: Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung - Drucksachen 8/80, 8/81 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({64}) Haushaltsausschuß Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Wort.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kalenderjahr 1976 war für die Landwirtschaft in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Um zunächst die erfreuliche Seite zu nennen: das Wirtschaftsjahr 1975/76 brachte, wie der Agrarbericht zeigt, ein überdurchschnittliches Einkommensergebnis. In den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben lag das Reineinkommen je Familien-Arbeitskraft um 20,1 % über dem Vorjahresniveau und damit deutlich über dem langfristigen Trend. Auch in den Weinbaubetrieben hat sich die Einkommenssituation nach einer guten Ernte deutlich verbessert. Insgesamt erfreulich ist auch die Lage im Gartenbau, der seine Wettbewerbsposition in der Gemeinschaft festigen konnte. In der Fischwirtschaft zeichnet sich nach den Absatzschwierigkeiten im Jahre 1975, die sowohl auf konjunkturelle Einflüsse als auch auf Billigangebote aus Drittländern zurückzuführen waren, eine Verbesserung der Marktsituation ab. Dadurch dürfte sich die Ertragslage der Fischereiwirtschaft wieder verbessern. Auch die Leistungen der Forstwirtschaft möchte ich hervorheben. Die Sicherung der Schutz- und Erholungsfunktion unserer Wälder ist in unserer hochindustrialisierten Gesellschaft mit all ihren Umweltbelastungen eine wichtige Aufgabe. Eine gesunde - und nur eine auch ökonomisch gesunde - Forstwirtschaft bietet die beste Gewähr dafür, daß diese Aufgabe auch in Zukunft erfüllt wird. Um so mehr muß die Ertragslage in der Forstwirtschaft in Zukunft aufmerksam verfolgt werden. Außergewöhnlich waren 1976 auf der anderen Seite die Witterungsbedingungen. Die deutsche Nordseeküste wurde Anfang Januar von einer schweren Sturmflut heimgesucht, die erhebliche Schäden verursachte. Der Sommer war extrem niederschlagsarm und führte in einigen Regionen zu großen Trockenschäden. Die Witterungsabhängigkeit der landwirtschaftlichen Produktion wird sich im laufenden Wirtschaftsjahr spürbar auf die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft auswirken. In den Vollerwerbsbetrieben ist deshalb 1976/77 mit einem Einkommensrückgang zu rechnen, der nach unseren gegenwärtigen Informationen bis zu 6 % betragen kann. Die Bundesregierung hat in beiden Fällen schnell und unbürokratisch geholfen und gemeinsam mit den Bundesländern Mittel zur Überwindung der Schäden bereitgestellt. Die staatliche Hilfe war von einer großen Solidarität der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten und innerhalb des Berufsstandes begleitet. Was wäre die Gesellschaft ohne die Bereitschaft zur Solidarität, zur selbstlosen Unterstützung derjenigen, die unverschuldet in Not geraten sind? Nicht alle Verantwortung kann dem Staat zugeschoben werden, die Ansprüche an den Staat können nicht unbegrenzt sein. Dies entspricht nicht unserer Vorstellung von Freiheit im demokratischen Sinne. Staatliche Eingriffe müssen Rahmenbedingungen setzen. Staatliche Unterstützung ist Hilfe zur Selbsthilfe. Sie muß es bleiben, damit Eigeninitiative und Leistungsstreben nicht erlahmen, damit die Grundlagen unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht gefährdet werden. Zu den Grundpfeilern zählt auch, daß wir eine breite Schicht selbständiger, mittelständischer Unternehmen erhalten. Unsere Agrarpolitik ist genau daraufhin ausgerichtet. Diese Politik war in den zurückliegenden Jahren erfolgreich. Es ist uns gelungen - trotz des gewaltigen Strukturwandels in der Landwirtschaft -, einer sozialen Erosion ländlicher Gebiete und jeglichen Radikalisierungstendenzen in der ländlichen Bevölkerung nicht nur entgegenzuwirken, sondern den ländlichen Raum wieder zunehmend attraktiv zu machen. Ein Blick über die Grenzen lehrt uns, daß dies nicht überall so ist. Auch die Verbraucher sind mit der Agrarpolitik nicht schlecht gefahren. Die Nahrungsmittelpreise sind die Bundesrepublik in den letzten Jahren weitaus schwächer angestiegen als in den anderen Mitgliedstaaten; sie haben bei uns im mehrjährigen Durchschnitt dämpfend auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten gewirkt. Allerdings war der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln im Jahre 1976 stärker. Dies ist jedoch nicht auf Preiserhöhungen bei Marktordnungsprodukten zurückzuführen, vielmehr war der Einfluß der extremen Witterung auf die Preisentwicklung bei saisonabhängigen Produkten die Hauptursache. Im Mittelpunkt der Agrar- und Ernährungspolitik steht die sichere Versorgung der Verbraucher mit Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen. Es ist unser Ziel, die Qualität und Vielfalt der Produkte ständig zu verbessern. Die Verbraucher sind bei uns wie in kaum einem anderen Land durch eine vorausschauende Verbraucherpolitik geschützt. Der Anspruch der Bevölkerung an die Be- und Verarbeitung von Agrarprodukten steigt mit wachsendem Wohlstand. Trotzdem ist der Anteil der Nahrungsmittelausgaben in den gesamten Ausgaben für den privaten Verbrauch von 34 % im Jahre 1960 auf 24 % zurückgegangen. Ich werte dies als Ergebnis und Erfolg unserer Wettbewerbswirtschaft, die sich auf der Erzeugerstufe wie auch auf den vor- und nachgelagerten Marktstufen zum Nutzen des Verbrauchers ausgewirkt hat. Das ist übrigens ein weiterer Beweis für die Leistungsfähigkeit unserer gesamten Agrarwirtschaft, sei es Landwirtschaft, Ernährungshandwerk oder Ernährungsindustrie. Seit dem Inkrafttreten des Landwirtschaftsgesetzes hat es eine Vielzahl von Verbesserungen im Agrarbericht gegeben. In diesem Jahre haben wir eine Gliederung der Testbetriebe in Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe vorgenommen und damit auch den Wünschen des Parlaments Rechnung getragen. Dadurch wird der Sektor Landwirtschaft den tatsächlichen sozialökonomischen Verhältnissen entsprechend abgebildet, wird die Bedeutung der Einkommenskombination angemessen berücksichtigt. Ich möchte hier allen testbuchführenden Betrieben für die Mitwirkung herzlich danken. Das Testbetriebsnetz für die landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe ist voll repräsentativ, d. h., die Ergebnisse sind für diesen ökonomisch wichtigsten Teil der Landwirtschaft verallgemeinerungsfähig. Rund 44 % aller Betriebe sind Vollerwerbsbetriebe; auf sie entfallen rund 80 % aller Milchkühe, Schweine und Legehennen sowie 80 % der Verkaufserlöse. Außerdem wurde zusätzlich ein Testbetriebsnetz der Forstwirtschaft geschaffen. Über welchen Sektor unserer Volkswirtschaft, meine Damen und Herren, liegt schon ein ähnlich umfassendes Informationsmaterial vor? Umfangreiche Informationsunterlagen dieser Art werden von Menschen und Maschinen, sprich: Computern mit allen ihren Stärken und Schwächen, erstellt. Da kann es - wie auch in früheren Grünen Berichten und Agrarberichten -trotz aller Plausibilitätskontrollen leider passieren, daß an dem umfangreichen Zahlenwerk, das in bewährter Teamarbeit in Bund und Ländern unter ungeheurem Zeitdruck erstellt wird, nachträglich einige Korrekturen vorgenommen werden müssen, zumal für diesen Agrarbericht in einigen wenigen Betrieben seitens der betreuenden Buchstellen beim Boden Wertberichtigungen vorgenommen und irrtümlich als „Sonstige Einkommen" gebucht wurden, wie meine Mitarbeiter und andere aufmerksame Leser des Agrarberichts nachträglich festgestellt haben. Diese irrtümlichen Fehlbuchungen haben in einigen Betriebsgruppen und damit auch für die Vollerwerbsbetriebe insgesamt zu überhöhten Gesamteinkommen und Bodeninvestitionen geführt, die vor der Behandlung in den Parlamentsausschüssen berichtigt werden. Das erkläre ich hier frank und frei, um alle weiteren Spekulationen auszuschließen. Entscheidend ist, daß die Kernaussagen des Agrarberichts, die sich entsprechend dem Landwirtschaftsgesetz bekanntlich auf den betrieblichen Einkommensbereich beziehen, von den genannten Fehlbuchungen, wie jeder Fachmann weiß, überhaupt nicht berührt werden. An dem im Agrarbericht 1975/76 ausgewiesenen erfreulichen Einkommenszuwachs von 20,1% je Familien-Arbeitskraft in den Vollerwerbsbetrieben ändert sich also nichts. Der Agrarbericht ist eine Leistungsbilanz nicht nur der Agrar- und Ernährungspolitik der Bundesregierung, sondern auch eine Bilanz der Leistungen der in der Landwirtschaft, dem Wein- und Gartenbau, der Forst- und Fischwirtschaft tätigen Menschen. Diese Menschen verstehen sich als Unternehmer, und sie sind Unternehmer, die Risikobereitschaft zeigen und Zukunftsinvestitionen tätigen. Im Wirtschaftsjahr 1975/76 erhöhten sich die Bruttoanlageinvestitionen der Landwirtschaft insgesamt um knapp 27 %. Die Landwirtschaft war damit wichtiger Auftraggeber von Industrie und Handel. Sie hat zum Wiederaufschwung der Konjunktur und damit auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft beigetragen. Als Unternehmer haben die Landwirte stärker als andere mit dem nicht kalkulierbaren Risiko von Witterungs- und Ernteschwankungen zu leben. Die Arbeitsbelastung ist groß. Sie ist es auch in anderen Bereichen unserer Wirtschaft. Aber kaum in einem anderen Beruf muß so häufig auf freies Wochenende, auf Urlaub verzichtet werden wie in der Landwirtschaft. Wir müssen insbesondere in unserem Bemühen um weitere Erleichterungen für die mitarbeitende Ehefrau fortfahren. Mit Rücksicht auf die vorgenannten Faktoren kann die Lage der Landwirtschaft nur dann sachgerecht beurteilt werden, wenn sie für einen längeren Zeitraum und wenn sie differenziert gesehen wird. So habe ich immer wieder darauf hingewiesen, daß das Ergebnis eines Wirtschaftsjahres nicht isoliert betrachtet werden darf. Überdurchschnittliche Ergebnisse, wie die des abgelaufenen Wirtschaftsjahres 1976/77, sollten nicht überbewertet werden. Genauso wenig sollte ein Einkommensrückgang, wie wir ihn für das laufende Wirtschaftsjahr 1976/77 erwarten, dramatisiert werden. Die längerfristige Einkommensentwicklung - und allein das ist das Entscheidende - ist seit 1968/69 in der Landwirtschaft ähnlich verlaufen wie in der übrigen Wirtschaft. Die Landwirtschaft hat an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen. Durchschnittsergebnisse sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Es gibt eine Kehrseite, der wir in Zukunft noch mehr Beachtung schenken müssen als bisher; ich meine die innerlandwirtschaftliche Einkommensdifferenzierung. Zwei grundsätzliche Bemerkungen möchte ich zu diesem Problemkreis vorausschicken. Erstens. Häufig wird der Eindruck erweckt, als sei die Einkommensdifferenzierung innerhalb der Landwirtschaft größer als in anderen Berufs- und Bevölkerungsgruppen. Dies ist, wie jeder im Agrarbericht nachlesen kann, nicht der Fall. Gemessen am Gesamteinkommen je Familie ist die Streuung in den landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben geringer als etwa bei den Selbständigen insgesamt oder den Angestellten. Zweitens. Einkommensunterschiede gibt es in einer freien Marktwirtschaft in allen Bereichen. Sie beinhalten Leistungsanreize, fördern Leistungsstreben und sind Motor des wirtschaftlichen Fortschritts. Aufgabe unserer Politik muß es sein, derartige Einkommensunterschiede nicht zu vergrößern, sondern in einem sozial erträglichen Rahmen zu halten. Dies ist vor allem auch deshalb nötig, weil die Landwirtschaft in unserer hochtechnisierten Industriegesellschaft wichtige Aufgaben zu erfüllen hat. Wir brauchen zur Sicherung der Versorgung mit preisgünstigen Nahrungsmitteln eine leistungsfähige Landwirtschaft. Wir benötigen eine ausgewogene Siedlungsstruktur, ein gesundes Nebeneinander von landwirtschaftlichen Betrieben und Betrieben aus Handel, Handwerk und Gewerbe. Wir können auf die ökologische Schutz- und Ausgleichsfunktion der Land- und Forstwirtschaft nicht verzichten. Zur Verwirklichung dieser Ziele und Aufgaben haben wir in der vergangenen Legislaturperiode eine Vielzahl von Maßnahmen eingeführt bzw. den bestehenden Maßnahmenkatalog ausgebaut. Ich möchte darauf verzichten, die Aktivitäten im einzelnen zu nennen. Ich möchte vielmehr den Blick in die Zukunft richten; denn vor uns liegt eine Fülle von Problemen, die eine Anpassung des vorhandenen Instrumentariums an die veränderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordert. In der Weltwirtschaft vollziehen sich weiterhin tiefgreifende Veränderungen. Die Ölkrise von Ende 1973 war der Ausgangspunkt, die Auseinandersetzungen um eine neue Weltwirtschaftsordnung sind die Folge. Die Konsequenzen dieses weltweiten Verteilungskampfes stellen die marktwirtschaftlich organisierten Länder, sie stellen auch unsere Volkswirtschaft vor eine Bewährungsprobe. Auch die Landwirtschaft ist davon nicht ausgenommen. Weltweit stehen wir vor dem Problem, einen vernünftigen Ausgleich zwischen Überfluß und Mangel zu erreichen. Linderung der unmittelbaren Not und ein verstärkter Kapital- und Wissentransfer - beides ist erforderlich. Für unsere Landwirtschaft haben sich die Anpassungsbedingungen ebenfalls geändert. Die starke Sogwirkung eines schnellen Wirtschaftswachstums und einer Überbeschäftigung besteht nicht mehr. Die Wachstumsraten sind abgeflacht; ein hoher Sockel an Arbeitslosigkeit ist zum vorrangigen wirtschaftspolitischen Problem geworden. Die Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Sektor sind noch nicht voll zu übersehen. Trotzdem zeichnen sich die Problembereiche ab. Zunächst ist festzustellen, daß die Betriebe mit günstiger Produktionsstruktur in der Vergangenheit durchaus gute Einkommen erzielt haben. Zu diesem Bereich können die Betriebe mit einem Standardbetriebseinkommen von über 20 000 DM gezählt werden. Das sind zirka 30 % aller Betriebe, von denen jedoch knapp 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaftet werden. Ich bin sicher, daß diese auch zukünftig in der Lage sind, den Anschluß an die allgemeine Einkommensentwicklung weitgehend aus eigener Kraft zu halten. Die Situation der Nebenerwerbsbetriebe, in denen ja mehr als 50 % des Gesamteinkommens aus außerlandwirtschaftlicher Tätigkeit erzielt werden, gibt im großen und ganzen ebenfalls keinen Anlaß zur Sorge. Natürlich gibt es in dieser Betriebsgruppe, die rund 40% aller Betriebe umfaßt, Problembetriebe. Deshalb haben wir ein Nebenerwerbsprogramm eingeführt, um gezielt helfen und Anpassungserleichterungen geben zu können. Einen Problembereich stellen jedoch die Zuerwerbs- und die kleineren Vollerwerbsbetriebe dar. Dieser Gruppe müssen wir gerade unter den erschwerten Anpassungsbedingungen unsere besondere Aufmerksamkeit widmen; denn auf der einen Seite sind die Wachstumsmöglichkeiten der Betriebe, z. B. durch Flächenaufstockung, begrenzt, auf der anderen Seite ist es schwieriger geworden, einen außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatz zu finden und damit den Weg der Einkommenskombination zu gehen. Viele dieser Betriebe liegen in landwirtschaftlich reizvollen Gebieten. Hier hat der Tourismus zahlreiche Möglichkeiten zur Einkommensverbesserung eröffnet. Durch unsere Aktion „Urlaub auf dem Bauernhof" unterstützen wir die Bemühungen der Landwirte, diesen Betriebszweig auszubauen. Auch das Bergbauernprogramm leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. In den benachteiligten Gebieten schafft es die Voraussetzungen dafür, daß die Bewirtschaftung und Pflege der Landschaft zur Sicherung funktionsfähiger ländlicher Räume aufrechterhalten bleiben. Meine Damen und Herren, es gibt und kann keine Patentrezepte zur Lösung der aufgezeigten Probleme geben. Eines möchte ich jedoch hervorheben: Grundvoraussetzung einer soliden Fortentwicklung unserer Politik ist das konsequente Festhalten an unserer Stabilitätspolitik. Mit Inflationspolitik werden keine Probleme gelöst, auch nicht für die Landwirtschaft. ({0}) Daß sich die deutsche Landwirtschaft dank der Stabilitätspolitik der Bundesregierung im Wettbewerb mit den EG-Mitgliedstaaten gut behaupten konnte, ist ein schlagender Beweis dafür. Als Beispiel nenne ich nur die günstige Entwicklung des deutschen Agrarexports. Deutsche Qualitätsprodukte sind in unseren Partnerstaaten und in Drittländern viel gefragt. Insgesamt belief sich die ernährungswirtschaftliche Ausfuhr 1975/76 auf rund 11 Milliarden DM. Dieser Erfolg basiert auf dem hohen Leistungsstandard unserer Landwirtschaft, aber auch des Ernährungsgewerbes. Die mittelständische Struktur dieses Bereiches gewährleistet eine hohe Flexibilität. Das hat sich auch wieder in der zurückliegenden Rezession gezeigt, in der das Ernährungsgewerbe zu den Wachstumsbranchen zählte. Den in diesem Bereich tätigen Menschen gebührt für ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit unser Dank und unsere Anerkennung. Nach wie vor aber sieht sich die Gemeinschaft Belastungsproben ausgesetzt. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verläuft nicht gleichgerichtet. Unterschiedliche Inflationsraten, Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen und schwerwiegende Probleme auf dem Arbeitsmarkt, das ist der schwankende Grund, auf dem sich die Gemeinschaft bewegt. Solange die gemeinsame Agrarpolitik zur Lösung wirtschaftlicher und innenpolitischer Probleme benutzt wird, ist eine harmonische Fortentwicklung entsprechend den ursprünglichen integrationspolitischen Zielsetzungen nur schwer möglich. Trotzdem gibt es keine Alternative zur gemeinsamen Agrarpolitik. Vor allem darf ihr Zusammenhang mit der Zollunion im industriell-gewerblichen Bereich nicht übersehen werden. Daß die Gemeinschaft in wichtigen Bereichen durchaus zu einer Weiterentwicklung fähig ist, zeigen die jüngsten Erfolge in der Fischereipolitik. So haben die Mitgliedstaaten zum 1. Januar 1977 ihre Fischereizonen in abgestimmten Vorgehen auf 200 Seemeilen ausgedehnt. Die Verhandlungen mit Drittländern über die Nutzung der Fischbestände in den EG-Zonen haben inzwischen zu ersten Erfolgen geführt. Ferner konnten konkrete Maßnahmen zur Bestandserhaltung im EG-Meer - wie Heringsfangverbote - eingeleitet werden. Ich möchte einige Bemerkungen zur Markt- und Preispolitik machen. Der Währungsausgleich ist teuer. Eine Reduzierung der Kosten ist unerläßlich. Unbestritten ist allerdings, daß er als Instrument zur Aufrechterhaltung des gemeinsamen Agrarmarktes nach wie vor unentbehrlich ist. Die EG-Kommission hat nun in ihren Preisvorschlägen für 1977/78 vorgeschlagen, die EG-einheitlichen Marktordnungspreise um durchschnittlich rund 3 % anzuheben. Entsprechend der unterschiedlichen Kostenentwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten sind - wie in den beiden vorhergehenden Jahren - differenzierte Preisanhebungsraten für die einzelnen Mitgliedsländer vorgesehen. Eine Differenzierung der nationalen Preisanhebungsraten ist sicher unvermeidlich. Ich muß jedoch feststellen, daß die Vorschläge der Kommission in der vorliegenden Form unausgewogen sind. Mein Verhandlungsziel ist es, einen ausgewogenen Kompromiß zu erreichen. Er muß sowohl die europa- und stabilitätspolitischen Ziele der Gemeinschaft insgesamt als auch die berechtigten Einkommensansprüche der Landwirtschaft berücksichtigen. Die Preisfestsetzung, meine Damen und Herren, muß an den leistungsfähigen Vollerwerbsbetrieben ausgerichtet werden. Ich glaube, daß dies zwischen uns unstreitig ist. Die Einkommensprobleme in den übrigen Betriebsgruppen können nachhaltig nur durch andere Maßnahmen gelöst werden. Bevor ich darauf eingehe, noch einige Bemerkungen zum Milchmarkt: Die Probleme brennen uns hier auf den Nägeln. Ohne Mut zu unpopulären Entscheidungen drohen die Kosten jedes vertretbare Maß zu überschreiten und das ganze System zu sprengen. Das müssen wir im Interesse Europas verhindern. Das Aktionsprogramm der Kommission ist eine geeignete Grundlage. Eine vernünftige Preispolitik, Erzeugermitverantwortung an den Kosten der Überschußverwertung, Nichtvermarktungs- und Umstellungsprämien sind geeignete Instrumente. Die vorgeschlagene Fettabgabe ist handels- und verbraucherpolitisch problematisch. Ein besonderer Schwerpunkt im Bereich der nationalen Agrarpolitik wird in der 8. Legislaturperiode wiederum die Agrarstrukturpolitik sein. Was hier in den vergangenen Jahren geleistet worden ist, zeigt sich an den Erfolgszahlen der Jahre von 1970 bis 1976: ca. 117 000 Betriebe wurden im einzelbetrieblichen Bereich gefördert. Fast 140 000 Betriebe erhielten eine Wohnhausförderung. Mehr als 90 000 Betriebe erhalten Ausgleichszulage im Rahmen des Bergbauernprogramms, ca. 90 000 km land- und forstwirtschaftliche Wege wurden ausgebaut, ca. 1,6 Millionen ha wurden im Rahmen der Flurbereinigung zugeteilt, über 2 Millionen Einwohner im ländlichen Raum wurden an die zentrale Wasserversorgung, ca. 4,1 Millionen an zentrale Abwasseranlagen angeschlossen. Der Bund hat diese Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zu 60 % mitgetragen. Ein Kernstück der Strukturpolitik ist das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm. Leider wird die Diskussion über dieses Programm immer wieder aus Gründen billiger politischer Effekthascherei hochstilisiert, obwohl es, wie meine Mitarbeiter und ich immer wieder aus der Praxis hören, gut läuft. Jeder weiß, daß die Zahl der vorliegenden Anträge wesentlich höher ist als das, was augenblicklich bewilligt werden kann. Auf der einen Seite, z. B. von Teilen der Wissenschaft, wird mir vorgeworfen, daß das Programm in den letzten Jahren durch Überbrückungshilfe, Aufstiegshilfe, Wohnhausförderung, Bergbauernprogramm und Nebenerwerbsförderung zu sehr aufgeweicht worden sei. Damit sei eine Rückkehr zur Gießkanne eingeleitet worden. Auf der anderen Seite - aus dem politischen Raum - wird dem Programm immer noch das Etikett einer einseitigen Wachstums- oder Vollerwerbsideologie angehängt. Beide Positionen dürften schlecht miteinander zu vereinbaren sein. Sie zeigen mir, daß ganz offensichtlich das Konzept richtig ist, nämlich ein flexibles Programm einzusetzen, das einerseits dem Anliegen einer effizienten Verwendung öffentlicher Mittel Rechnung trägt und andererseits jedem in der Landwirtschaft Tätigen eine auf seine speziellen Verhältnisse zugeschnittene Förderung anbietet. Die Fortentwicklung dieses Programms in den letzten Jahren hängt eng mit den veränderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der verringerten Mobilität im Agrarbereich zusammen. Ich teile nicht die Auffassung derer, die die Agrarstrukturpolitik nur unter Wachstumsgesichtspunkten sehen. Agrarstrukturpolitik heute ist Politik für alle Menschen im ländlichen Raum. Sie verfolgt mehrere Ziele einkommenspolitischer, umweltpolitischer und gesellschaftspolitischer Art. Wir können es uns einfach nicht leisten, heute eine große Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben in wirtschaftsschwachen Regionen zu einer sich selbst überlassenen Restgröße zu degradieren. Differenzierte Zielsetzungen erfordern auch ein differenziertes Programm. Wir müssen dabei vermehrt darüber nachdenken, wie wir den Problemgebieten, die keine außerlandwirtschaftliche Alternative haben, verstärkt helfen können. Für die Teilmaßnahmen des Einzelbetrieblichen Förderungsprogramms, die mit sehr hohem staatlichem Mittelaufwand gefördert werden - Aussiedlung, Althofsanierung, Auffangbetriebe -, benötigen wir nach wie vor strenge Maßstäbe. Das sind z. B. Förderungsschwelle und Betriebsentwicklungsplan oder Buchführung, die eine entsprechende Eigenkapitalbildung belegt. Diese Maßstäbe sind bei der Förderung mit hohen Subventionswerten erforderlich, um Förderungswürdigkeit und Förderungsbedürftigkeit festzustellen und den Mittelaufwand vor dem Steuerzahler zu rechtfertigen. Bei kleineren Investitionen, die nur mit Zinsverbilligung gefördert werden, benötigen wir diesen Aufwand nicht. Wir haben bei der Überbrückungshilfe, der Nebenerwerbsförderung und der Wohnhausförderung diesen Aufwand auch bisher nicht betrieben. Wir denken deshalb zur Zeit darüber nach, ob die Zinsverbilligung für kleine und mittlere Investitionen darüber hinaus noch vereinfacht werden kann. Bei der Fortentwicklung der einzelbetrieblichen Investitionsförderung müssen wir auch darauf achten, daß Strukturpolitik und Marktpolitik aufeinander abgestimmt sein müssen. Dies wird z. B. geBundesminister Ertl wisse Konsequenzen im Bereich der Milchviehhaltung haben, insbesondere in Gebieten mit Produktionsalternativen. Als ein besonderes Problem sehe ich neben der Berücksichtigung der kleineren Voll- und Zuerwerbsbetriebe in der Strukturpolitik die richtige Maßnahmenkombination für die benachteiligten Regionen an. Die regionale Wirtschaftsförderung stößt in diesen Gebieten an ihre Grenzen. Wir müssen deshalb nach Wegen suchen, wie wir einerseits die regionale Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hier effektiver gestalten können und wie wir andererseits diese Aktivitäten mit struktur-, sozial- und einkommenspolitischen Mitteln wirksam ergänzen können. Nicht zuletzt im Interesse dieser benachteiligten Regionen habe ich mich nachdrücklich für eine angemessene Berücksichtigung des ländlichen Raumes im Rahmen des mehrjährigen Investitionsprogrammes eingesetzt. Sowohl die Maßnahmen in meinem Zuständigkeitsbereich, die Programmkomplexe „Wasserwirtschaft" und „Dorfsanierung", als auch zahlreiche Maßnahmen im Verkehrssektor lassen nachhaltige Wachstums- und Beschäftigungsimpulse in ländlichen Problemgebieten erwarten. Ein besonderer Hinweis sei mir in diesem Zusammenhang auf die Nebenerwerbslandwirtschaft gestattet, die im letzten Jahrzehnt insbesondere in den Gebieten mit ungünstigen Produktionsverhältnissen an Bedeutung zugenommen hat. Sie trägt in diesen Gebieten in erheblichem Maße zur Erhaltung der Wirtschaftskraft und auch der Kulturlandschaft und ihres Freizeit- und Erholungswertes bei. Wir müssen die Nebenerwerbslandwirte deshalb angemessen in unserer Förderungspolitik berücksichtigen, ({1}) sei es, um ihnen die Anpassung an arbeitswirtschaftliche Erfordernisse zu erleichtern, sei es, um für sie Arbeiten, Wohnen und Leben auf dem Lande durch Verbesserung der Wohnverhältnisse attraktiver zu gestalten. ({2}) Erste Ergebnisse von Modellvorhaben, die wir in diesem Bereich durchgeführt haben, zeigen uns, daß es hier durchaus vielversprechende Möglichkeiten gibt. Ich habe eingangs darauf hingewiesen, daß wir auf Solidarität in unserer Bevölkerung nicht verzichten können. Unser soziales Sicherungssystem ist auf diesem Prinzip aufgebaut. Da betrifft sowohl die Solidarität der Gesamtgesellschaft mit dem Sektor Landwirtschaft, ausgedrückt in den Bundeszuschüssen zur agrarsozialen Sicherung, das betrifft aber auch und insbesondere die innerlandwirtschaftliche Solidarität. Diese Solidarität muß durch ein ausreichendes Maß an Eigenverantwortlichkeit ergänzt werden. Unstreitig dürfte inzwischen sein, daß das sektorspezifische agrarsoziale Sicherungsystem den besonderen Problemen der Landwirtschaft und den Belangen des eigenverantwortlich wirtschaftenden Landwirts in hervorragender Weise Rechnung zu tragen vermag. In der vor uns liegenden Zeit wird es einmal darum gehen, den sozialen Schutz der landwirtschaftlichen Bevölkerung abzurunden. Hier denke ich insbesondere an die Versorgung der jüngeren Witwen mit waisengeldberechtigten Kindern. ({3}) Von vielleicht noch größerer Bedeutung ist es, das System in sich selbst zu sichern. Dabei wird es nicht zu vermeiden sein, daß mit steigendem Solidarbeitrag der Allgemeinheit in Form steigender Bundeszuschüsse verstärkt Fragen nach der Solidarität innerhalb der landwirtschaftlichen Versichertengemeinschaft gestellt werden. ({4}) Mit dem Ausbau der landwirtschaftlichen Sozialversicherung wächst daher die Verantwortung des Berufsstandes, aus dessen Vertretern sich die Selbstverwaltungsorgane zusammensetzen. Selbstverwaltung, die wir wollen, darf nicht nur als ein Recht verstanden werden, sondern sie ist auch und vor allem eine große Verpflichtung. 1976 haben eine Reihe von Beschlüssen und Aktivitäten der Selbstverwaltung dazu beitragen, erstmals den Kostenanstieg in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung entscheidend abzubremsen. Dafür möchte ich den Selbstverwaltungsorganen an dieser Stelle besonders danken. Die Solidarität innerhalb der Landwirtschaft geböte es allerdings, daß sowohl alle im Gesetz vorgesehenen Beitragsklassen gebildet würden, als auch der Abstand zwischen der niedrigsten und höchsten Beitragsklasse in ein Verhältnis gebracht würde, welches der Form der Solidargemeinschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung besser entspräche. ({5}) Mit der vorgesehenen Ausweitung der gesetzlich als Mindestmaß vorgesehenen Größe dieser Spanne vom 2,5fachen auf das 3fache wollen wir den Selbstverwaltungen hierzu positive Denkanstöße vermitteln. Auch in der Unfallversicherung sollte der bisherige Trend der Kostensteigerung nicht als naturgegeben hingenommen werden. Jeder Versicherte muß selbstverständlich den notwendigen Schutz erhalten, aber ebenso selbstverständlich müssen bei jedem Mitglied Eigenvorsorge und Selbstkontrolle aktiviert werden. In den letzten Wochen hat sich die Öffentlichkeit eingehend mit der Besteuerung der Landwirtschaft befaßt. Ich halte es für notwendig, daß dieses Thema in der Diskussion versachlicht wird. ({6}) Hauptangriffspunkt ist die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 13 a Einkommensteuergesetz. Die jetzt gültigen Wertansätze der Durchschnittssatzbesteuerung sind zuletzt 1974 heraufgesetzt worden. Die Frage, inwieweit eine Aktualisierung dieser Wertansätze vorzunehmen ist oder ob auch andere Lö1140 sungsmöglichkeiten für eine gerechtere Besteuerung anzustreben sind, wird im einzelnen zu prüfen sein. Die Koalition ist übereingekommen, daß dieses Thema wissenschaftlich untersucht werden soll. Zu diesem Zweck ist eine unabhängige Kommission eingesetzt worden, die inzwischen ihre Arbeit aufgenommen hat. Wir sollten das Ergebnis, das die Kommission vorlegen wird, abwarten. Aus agrarpolitischer Sicht möchte ich auf folgendes hinweisen: Nach § 1 des Landwirtschaftsgesetzes ist die Teilnahme der Landwirtschaft an der fortschreitenden Entwicklung der Volkswirtschaft auch mit Mitteln der Steuerpolitik sicherzustellen. ({7}) Steuerpolitische Hilfen sind unbestreitbar erforderlich, um die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft zu unterstützen, die in hohem Maße durch den Ersatz von Arbeit durch Kapital gekennzeichnet ist. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Verzinsung des eingesetzten Kapitals in der Landwirtschaft vergleichsweise niedrig ist. Die Landwirtschaft ist deshalb weit mehr als andere Wirtschaftszweige gezwungen, Investitionen aus erwirtschafteten Eigenmitteln zu bestreiten. Mein Anliegen ist nach wie vor eine gerechte Besteuerung innerhalb der Landwirtschaft. Das Hauptproblem besteht auch in diesem Zusammenhang darin, eine verwaltungsmäßig praktikable Lösung zu finden. ({8}) Es gibt in der Landwirtschaft eine große Zahl von Kleinbetrieben; bei diesen muß abgewogen werden, inwieweit der zu erwartende Verwaltungskostenaufwand durch das Mehraufkommen an Steuern zu rechtfertigen ist. ({9}) Lassen Sie mich zusammenfassen. Die von der Bundesregierung vertretene Agrar- und Ernährungspolitik hat in den vergangenen beiden Legislaturperioden nicht nur bei der Mehrzahl der Landwirte, sondern auch beim überwiegenden Teil der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung Zustimmung gefunden. ({10}) Im politischen Raum sind keine realisierbaren Alternativen aufgezeigt worden. ({11}) Es liegt deshalb nahe, auf diesem bewährten Weg auch in der 8. Legislaturperiode fortzufahren. ({12}) Dabei wird es beim Gesetzgebungsprogramm im Agrarsektor weniger auf die Quantität ankommen als vielmehr darauf, daß wir den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt unseres politischen Handelns stellen. ({13}) Denn wir wollen und werden die Agrarpolitik als eine umfassende Gesellschaftspolitik für die Menschen im ländlichen Raum weiter ausbauen. ({14}) Wir werden der steigenden Inanspruchnahme von Natur und Landschaft durch verstärkte Aktivitäten im Bereich der Umwelt- und Naturschutzpolitik begegnen. Schließlich werden wir auch weiterhin um einen fairen Interessenausgleich zwischen den Einkommenserfordernissen der Landwirte, den Wünschen der Verbraucher und der Belastbarkeit der öffentlichen Haushalte bemüht sein. ({15}) Dieses Bemühen gilt auch - und ganz besonders - im Verhältnis der EG-Staaten untereinander. Zum Schluß noch ein Wort an die Landwirte. In seiner Regierungserklärung vom 16. März 1976 hat der Bundeskanzler bekräftigt ({16}) - Dezember?! ({17}) - vielleicht war es die Versuchung, an den Namenstag zu denken -, ({18}) in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 hat der Bundeskanzler bekräftigt, daß die Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung wie in den beiden. vergangenen Legislaturperioden so auch in der neuen Legislaturperiode das Ziel bleiben wird. ({19}) - Weil wir es bisher schon erreicht haben, können wir es auch in Aussicht stellen. Das ist der Unterschied, Herr Kollege Kiechle. ({20}) Wenn man sieben Jahre etwas unter Beweis gestellt hat, kann man es für die Zukunft wieder in Aussicht stellen. Wenn man das aber vorher nicht gekonnt hat, muß man es versprechen. Das ist der Unterschied damit wir hier auch der deutschen Sprache gerecht werden. ({21}) Auch von daher besteht also keinerlei Anlaß zur Resignation, im Gegenteil, der Beruf des Landwirts hat an Attraktivität gewonnen. Eine wachsende Zahl junger Menschen läßt sich in landwirtschaftlichen Berufen ausbilden. Ich werte dies nicht als Nostalgiewelle „Zurück aufs Land", sondern als Zeichen der Zuversicht, als Beweis, daß der Beruf des Landwirts durchaus Zukunft hat. Und dies ist vielBundesminister Ertl leicht der erfreulichste Aspekt: daß wir nämlich wieder feststellen können, daß die jungen Menschen auf dem Lande ihrem Beruf mit Zukunftsfreude nachgehen. Ich möchte am Schluß meinen Mitarbeitern für die Erstellung des Berichts danken. Ferner möchte ich all jenen danken, die ihr Tagewerk in der deutschen Landwirtschaft und Agrarwirtschaft verbringen. ({22})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Aussprache zum Agrarbericht 1977 wird nach einer interfraktionellen Vereinbarung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Ich bin von der CDU/ CSU-Fraktion gebeten worden, mitzuteilen, daß eine Sitzung dieser Fraktion unmittelbar im Anschluß an diese Bundestagssitzung stattfindet. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, den 23. März 1977, 13 Uhr ein. Ich schließe die Sitzung.