Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/28/1979

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende Mitteilungen zu machen. Zunächst zwei Glückwünsche: Am 21. November wurde der Abgeordnete Dr. Jahn ({0}) 65 Jahre. ({1}) Am 26. November wurde Frau Abgeordnete Schlei 60 Jahre. Herzlichen Glückwunsch! ({2}) Frau Abgeordnete Funcke hat mit Wirkung vom 23. November 1979 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als ihr Nochfolger ist am 26. November 1979 der Abgeordnete Schleifenbaum in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße den neuen Kollegen recht herzlich und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit. ({3}) Gestatten Sie mir, daß ich bei dieser Gelegenheit der ausgeschiedenen Frau Kollegin Funcke, die zum Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in Nordrhein-Westfalen berufen worden ist, für ihre 18jährige Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, wovon sie zehn Jahre Vizepräsident dieses Hauses und sechs Jahre Vorsitzende des Finanzausschusses war, sowie für ihre Mitarbeit und ihre Leistung für die Demokratie und für dieses Haus recht herzlich danke. ({4}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung ergänzt um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Pfennig, Dr. Marx, Dr. Klepsch, Luster, Blumenfeld, Dr. Müller-Hermann, von Hassel, Frau Dr. Walz und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betreffend Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Ratifizierung des Vertrages über den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft - Drucksache 8/3408 -. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen. Im interfraktionellen Einvernehmen wird für die Woche vom 10. Dezember 1979 folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde empfohlen: In der Woche vom 10. Dezember 1979 finden mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen keine Fragestunden statt. Jedes Mitglied des Hauses ist jedoch berechtigt, für diese Sitzungswoche bis zu vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. Diese Abweichung von der Geschäftsordnung muß vom Bundestag nach § 127 unserer Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Ich bitte diejenigen, die mit der Empfehlung einverstanden sind, um ihr Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 27. November 1979 den Vorschlag gemacht, das Mitglied des Deutschen Bundestages Richard Wurbs zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages zu wählen. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Dies ist nicht der Fall. Nach einer internationalen - ({5}) - Ja, wenn ich mich hier so umschaue, dann habe ich dabei auch andere Gedanken. Ich brauche zu dieser Abstimmung nämlich die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Das hat mich abgelenkt, meine Damen und Herren. - Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll gemäß § 127 der Geschäftsordnung in Abweichung von ihren Vorschriften auf die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln verzichtet werden. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich muß feststellen, ob zur Abstimmung 260 Abgeordnete hier im Saal anwesend sind. - Vielleicht ist die Regierung so freundlich, sich auf die Abgeordnetensitze zu begeben. ({6}) So sieht es schon wesentlich besser aus. - Das Präsidium ist der Meinung, daß 260 Mitglieder im Saal sein könnten. Wird das von irgendeiner Seite angezweifelt? - Aus einem Ausschuß, der bereits vor 9 Präsident Stücklen Uhr zu tagen begonnen und seine Sitzung abgebrochen hat, erscheinen jetzt im Plenarsaal weitere Mitglieder des Bundestages. Jetzt sind hier ohne Zweifel mehr als die Hälfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages anwesend. Wer dem Vorschlag der FDP-Fraktion, Richard Wurbs zum Vizepräsidenten zu wählen, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Zwei Enthaltungen. Der Abgeordnete Richard Wurbs ist damit zum Vizepräsidenten gewählt. Ich frage ihn ob er die Wahl annimmt. ({7}) Im Namen des Hauses übermittle ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche und bitte um kollegiale Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern des Bundestages und mit dem Präsidium. Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung - Drucksachen 8/3281, 8/3331 Bevor ich die Aussprache eröffne, frage ich: Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist vereinbart worden, die Debatte zu Punkt 3 der Tagesordnung mit der Debatte zu den nächsten vier Punkten und dem Punkt 18 zu verbinden. Daher rufe ich jetzt auch die Tagesordnungspunkte 4 bis 7 und 18 auf: 4. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ({8}) - Drucksache 8/2779 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie ({9}) - Drucksache 8/3409 Berichterstatter: Abgeordnete Lenzer Stockleben ({10}) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({11}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für ein Fünfjahres-Forschungsprogramm auf dem Gebiet des Plutoniumkreislaufs und seiner Sicherheit ({12}) - Drucksachen 8/2846, 8/3411 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Hubrig Flämig 8. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag eines Forschungs- und Ausbildungsprogramms ({14}) der Europäischen Atomgemeinschaft auf dem Gebiet der kontrollierten Kernfusion - Drucksachen 8/2858, 8/3410 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Engelsberger Flämig 9. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Neue Leitlinien der Europäischen Gemeinschaft zur Energieeinsparung - Drucksachen 8/3163, 8/3422 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Narjes 18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes - Drucksache 8/3348 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({16}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß gemäß i 96 GO Zur Begründung wird nicht das Wort gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland ruht auf tönernen Füßen. Zwar scheint die Ölzufuhr für den kommenden Winter gesichert - unter der Voraussetzung, daß kein weiteres wichtiges Ölland ausfällt -, doch wie die Lage in den folgenden Jahren aussehen wird, ist zur Stunde mehr als ungewiß. Im Bereich der Rohölversorgung ist die Bundesrepublik zu nahezu 100 % von Importen abhängig, im Bereich der Gasversorgung sind es 60 %. Beim Öl ist die mittelfristige Versorgung besonders gefährdet; denn zur enormen Exportabhängigkeit kommt hinzu, daß die Ölvorräte begrenzt sind und die Erschließung neuer Lagerstätten immer schwieriger und kostspieliger wird. Die wichtigsten Anbieter von Rohöl haben sich zu einem Kartell zusammengeschlossen und benutzen ihre Produktion zunehmend als außenpolitischen Machtfaktor. Die Ölkrise von 1973 und die aktuelle Lage im Iran beweisen das.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Zimmermann, einen Augenblick bitte. Darf ich bitten, daß die Damen und Herren, die an dieser Debatte teilnehmen wollen, auch ihre Plätze einnehmen. ({0}) Ich bitte, so lange zu warten, bis die Damen und Herren ihre Plätze eingenommen oder den Plenarsaal verlassen haben. Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort. ({1})

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Soweit ich weiß, Herr Kollege Wehner, überträgt das „Zweite Deutsche Fernsehen" original. Ihr Wunsch ist damit erfüllt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das war kein Wunsch, Herr Abgeordneter. Das war nur eine Feststellung, die uns alle angeht. ({0})

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe keine Kritik an dieser Feststellung geübt, Herr Präsident. Wenn die westlichen Industrieländer in absehbarer Zeit ihre Abhängigkeit nicht vermindern, werden sie außenpolitisch in zunehmendem Maße erpreßbar. Energiepolitik, meine Damen und Herren, darf nicht isoliert gesehen werden. Die vor uns liegenden politischen Probleme, Erhaltung des sozialen Netzes, Wiedererreichung der Vollbeschäftigung, Konsolidierung der Staatsfinanzen, Fortentwicklung des Umweltschutzes, Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation - um nur einige zu nennen -, erfordern zu ihrer Lösung ein angemessenes Wirtschaftswachstum. Jedes Wirtschaftswachstum ist nur auf der Grundlage einer sicheren Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen möglich. ({0}) Die Sicherung unserer Energieversorgung ist demzufolge die Voraussetzung für die Lösung der wichtigsten vor uns liegenden Probleme. Deswegen haben CDU/CSU mit einer Großen Anfrage zur Energiepolitik die Bundesregierung zu einer Stellungnahme veranlaßt, die vorliegt. Es war notwendig, daß diese Debatte heute stattfindet und nicht hinausgeschoben wurde. Die Probleme müssen jetzt behandelt werden, dort, wo sie hingehören, im Deutschen Bundestag. Da konnten wir nicht Rücksicht auf irgendwelche Parteitage nehmen. ({1}) - An einen ganz bestimmten. Es ist der Ihrige. ({2}) Die heutige Debatte wird, so hoffe ich, die Standpunkte in der Energiepolitik deutlicher machen, die Unterschiede aufzeigen, aber auch - so hoffe ich ebenfalls - eine Suche nach einer gemeinsamen Position sein. ({3}) - Die CDU/CSU-Fraktion hat, trotz Ihres hämischen Lachens, Herr Kollege Wehner, die Absicht, dies zu versuchen. ({4}) - Wir sind Ihre semantischen Neuschöpfungen so gewohnt, Herr Kollege Wehner, daß wir uns versagen, das hier zu klassifizieren. ({5}) - Ja, „wir", die Fraktion der CDU/CSU, meine ich; für die spreche ich nämlich hier. ({6}) Und diese Fraktion der CDU/CSU, für die ich hier spreche, Herr Kollege, ist in dieser Frage - im Gegensatz zu Ihrer Fraktion - geschlossen und nicht zerrissen. Das ist der riesige Unterschied. ({7}) Betrachtet man die globale Entwicklung, so zeigt sich, daß richtungweisende energiepolitische Entscheidungen unverzüglich getroffen werden müssen. Von 1950 bis 1975 nahm die Weltbevölkerung um rund 60 % zu, während im gleichen Zeitraum der Weltenergieverbrauch um gut 250 %, also mehr als das Vierfache, gestiegen ist. Die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik gewinnbaren Weltenergievorräte werden auf rund 900. Milliarden t Steinkohleeinheiten geschätzt. Davon entfallen 70 % auf Kohle, 15 % auf Erdöl, 9 % auf Erdgas und 6 % auf Uran. Der Weltenergieverbrauch betrug 1978 gut 9 Milliarden t Steinkohleeinheiten, und dieser Verbrauch wurde zu 33 % durch Kohle, zu 46 % durch 01, zu 20 % durch Erdgas und nur zu 1 durch Uran gedeckt. Die Wasserkraftnutzung ist dabei nicht berücksichtigt. Diese Zahlen beweisen das gefährliche Auseinanderklaffen der Energievorräte und des Energieverbrauchs. Lassen Sie mich kurz auf die Entwicklungsperspektiven unseres eigenen Landes eingehen. Der Primärenergieverbrauch betrug 1978 388 Millionen t Steinkohleeinheiten, und er wird gemäß der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung nach diesen Prognosen bis 1985 auf 480 Millionen t, bis 1990 auf 530 Millionen t und bis zum Jahr 2000 auf rund 600 Millionen t ansteigen. Wie läßt sich - das ist die entscheidende, vor uns liegende Frage - dieser enorme Energiebedarf dekken? Wie kann im Laufe der 80er Jahre das Entstehen einer Energielücke verhindert werden? Allein die Dimension der Bedarfsentwicklung macht deutlich: die Sicherstellung einer ausreichenden Energieversorgung zu tragbaren Preisen ist heute schon die nationale Existenzfrage Nummer eins. ({8}) Es gibt nur zwei Möglichkeiten: das Treibenlassen der Dinge, die bewußte Inkaufnahme von Versorgungsengpässen, die dann natürlich verwaltet und bewirtschaftet werden müßten, oder eine konsequente Energiepolitik mit dem Ziel, Vorsorge für ein ausreichendes und bezahlbares Energieangebot zu treffen und die gefährliche Importabhängigkeit zu verringern. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt die bewußte Inkaufnahme einer Energielücke ab. Wir wollen keine Bewirtschaftung eines drohenden Energiemangels. ({9}) Wir wollen vielmehr unverzüglich die politischen Voraussetzungen für die Deckung des künftigen Energiebedarfs schaffen. Manche Sparapostel versichern, eine rationelle und sparsame Energieverwendung reiche zur Lösung der Energieprobleme aus. Sicherlich, hier bestehen noch Reserven. Doch es ist klar, daß der Energiebedarf in den 80er und 90er Jahren durch Sparmaßnahmen allein nicht entscheidend verringert werden kann. Einschneidende Maßnahmen wie etwa das Verbot eines privaten Individualverkehrs auf Benzinbasis oder das Verbot elektrisch betriebener Haushaltsgeräte sind zwar theoretisch denkbar, in Wirklichkeit aber völlig utopisch. Sparmaßnahmen sind also in Teilbereichen sinnvoll, sie vermögen aber das Energieproblem als Ganzes nicht zu lösen. Wer, wie die maßgeblichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes das bisher erreichte Niveau des Wohlstands der breiten Schichten unserer Bevölkerung bewahren und ausbauen will, muß den Realitäten ins Gesicht sehen. Diese Realitäten sind: Öl wird weltweit teurer und knapper; eine Steigerung der Ölimporte wird aus beiden Gründen nicht mehr möglich sein. Auch der Beitrag des Erdgases wird spätestens Ende der 90er Jahre zurückgehen. Die Förderung deutscher Braunkohle läßt sich nach Aussagen der Experten nicht mehr steigern. Der Beitrag der sogenannten alternativen Energieträger wie Wind, Sonne, Abwärme wird in unseren geographischen Breiten auch im Jahre 2000 nur eine bescheidene Rolle spielen. Damit steht fest, daß zur Deckung des steigenden Energiebedarfs nur Kernenergie und Steinkohle - ich betone: Kernenergie und Kohle! - zur Verfügung stehen. Spätestens die Ölkrise von 1973 hat deutlich gemacht, daß die Weichen in der Energiepolitik neu gestellt werden müssen. Das aber hat die Bundesregierung versäumt. Die in der ersten Fortschreibung des Energieprogramms 1974 genannten Ziele konnten so gut wie nicht erreicht werden. Die Abhängigkeit von den Ölimporten ist unverändert hoch. Die langfristige Sicherung unseres Energiebedarfs zu bezahlbaren Preisen ist so ungewiß wie nie zuvor. Von der damals propagierten beschleunigten Nutzung der Kernenergie kann weiß Gott nicht gesprochen werden. Das einzig Nennenswerte seit 1973 ist die Verabschiedung einiger Sparmaßnahmen im Wohnungsbereich sowie Maßnahmen zur Vorbeugung im Krisenfall. Was - und das ist das Entscheidende - völlig versäumt wurde, sind Maßnahmen zur Bereitstellung eines mengenmäßig ausreichenden und sicheren Energieangebots. Seit vier Jahren erleben wir im Kraftwerksbereich einen Investitionsstau, der einzig und allein auf mangelnder Entscheidungsfähigkeit und mangelndem Entscheidungswillen der Koalition und der Bundesregierung beruht. ({10}) Das Bewußtsein der Bundesbürger in Fragen der Energieversorgung ist sprunghaft gestiegen. Repräsentative Umfragen, von der Bundesregierung in Auftrag gegeben, haben ergeben, daß die Zahl derer, denen die Sicherung unserer Energieversorgung in den 80er Jahren Sorge bereitet, von 30 auf 75 Punkte gestiegen, d. h. in der Demoskopie geradezu explodiert ist. Die SPD vor allem und mit ihr die Bundesregierung sind der Bevölkerung in dieser Sorge die Antwort schuldig geblieben. ({11}) Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag verlangt keineswegs, daß die Bundesrepublik mit Kernkraftwerken überlastet wird. Wir sind aber der Auffassung, daß auf die Kernenergie in absehbarer Zukunft nicht verzichtet werden kann, ({12}) daß sie einen angemessenen Beitrag zur Deckung unseres Strombedarfs leisten muß. ({13}) Ein bedarfsgerechter Zubau neuer Kernkraftwerke ({14}) ist unter Sicherheitsaspekten vertretbar, ({15}) energiepolitisch unerläßlich und gesamtwirtschaftlich geboten. ({16}) Nachdem die interessanten Zwischenrufe aus der SPD-Fraktion für die Zuschauer beim deutschen Fernsehen nicht verständlich sind, muß ich es mir versagen, auf sie einzugehen. ({17}) Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben am 2. Mai dieses Jahres vor der Energiekommission beim Hauptvorstand der IG Chemie die entscheidenden Punkte für einen Ausbau der Kernkraft genannt. ({18}) Ich möchte Sie, die Bundesregierung und die Koalitionsparteien, daran erinnern und nenne fünf zentrale Aussagen. - Ach, Frau Kollegin, Sie haben noch fünf Stunden Gelegenheit, zu dem, was ich jetzt sage, Stellung zu nehmen, darüber zu debattieren, sich dagegen zu äußern. ({19}) - Debattieren heißt Rede und Gegenrede, debattieren heißt Wechselrede, ({20}) debattieren, Herr Wehner, heißt nicht Gebrüll und heißt nicht Geschrei. ({21}) Auf Ihrem Parteitag könnten Sie jemanden, der in dieser Sache so deutlich spricht wie ich, gut gebrauchen! ({22}) Ich fahre fort mit der Wiedergabe der Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers und nenne fünf zentrale Aussagen, die der Bundeswirtschaftsminister am 2. Mai beim Hauptvorstand der IG Chemie gemacht hat. ({23}) Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge droht ab Mitte der 80er Jahre eine Lücke in der Stromversorgung. Langfristig ist einschließlich des Ersatzes alter Anlagen ein Zubau in der Größenordnung von 50 000 MW erforderlich. Eine Deckung des Bedarfs allein auf der Basis der Steinkohle sei, so wurde gesagt, nicht möglich, da deren Förderkapazitäten begrenzt sind. Die Nutzung der Kernenergie sei, so wurde weiter ausgeführt, unter Sicherheitsaspekten vertretbar. Meine Damen und Herren, weltweit sind zur Zeit 250 Kernreaktoren in Betrieb; ca. 300 befinden sich im Bau bzw. im Planungsstadium. Wir in der Bundesrepublik Deutschland können auf rund 100 sogenannte Kernreaktorbetriebsjahre zurückblicken; weltweit sind es 1 700 Betriebsjahre. In der gesamten zurückliegenden Zeit ist gottlob ({24}) kein Mensch Opfer eines radioaktiven Unfalls durch kerntechnische Anlagen geworden. ({25}) Laut Bericht der Bundesregierung über Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung beträgt der Anteil der durch kerntechnische Anlagen verursachten Strahlenbelastung 1 mrem, und zwar im Vergleich zur gesamten natürlichen und künstlichen Belastung in Höhe von 170 mrem. Die Strahlenbelastung im Umfeld von Kernkraftwerken entspricht der Belastung durch ein Fernsehgerät, und das haben schließlich fast alle in ihrer Wohnung stehen. Wie bei jeder technischen Anlage kann auch bei Kernkraftwerken eine absolute Sicherheit nicht gewährleistet werden. Absolute Sicherheit ist Illusion. Eine solche Forderung zu erheben ist gleichbedeutend mit dem Verzicht auf die Nutzung sämtlicher technischen Errungenschaften. Kernkraftwerke sind umweltfreundlich. Die Abwärmeprobleme sind lösbar. Im Gegensatz dazu ist, wie wir wissen, die Kohle geradezu ein Produzent von Schadstoffen. ({26}) Auch der Einbau von hochwertigen Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerke vermag dieses Problem nur zu verringern, nicht jedoch vollständig zu lösen. Hinzu kommt das Problem der Kohlendioxydabgabe mit ihren Folgen für das Klima der Erde. Schließlich beträgt die radioaktive Strahlenbelastung im Umfeld von Kohlekraftwerken ein Mehrfaches der Strahlung im Umfeld von Kernkraftwerken. ({27}) - Herr Kollege, das sagt der Strahlenbericht der Bundesregierung. Den kennen Sie offenbar nicht. ({28}) Alles das, was ich hier vortrage, sind die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers vor der IG Chemie. Auch das paßt Ihnen offenbar nicht. Setzen Sie sich doch bitte mit Herrn Lambsdorff selbst auseinander und nicht mit mir! ({29}) - Herr Wehner, daß Sie heute so schlecht gelaunt sind, ist doch offenbar auf Ihre eigene Fraktion zurückzuführen, nicht auf mich. ({30}) - Herr Wehner, Kassandra wird nicht gewählt. ({31}) Die Stromerzeugung auf Kernkraftbasis ist im Grundlastbereich um rund 3 Pfennig je Kilowattstunde billiger als auf der Basis fossiler Energieträger, und wenn man die Kosten für die Entschwefelung bei Kohlekraftwerken mit einbezieht, beträgt die Kostendifferenz sogar 5 Pfennig je Kilowattstunde. Dabei geht es gesamtwirtschaftlich nicht um Pfennige, sondern natürlich um Milliardenbeträge. Beim Bau eines Kernkraftwerks sind rund 700 Firmen beteiligt; 70 % davon sind dem mittelständischen Bereich zuzuordnen. Ein Verzicht auf die Kernkraftnutzung würde den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in diesem Wirtschaftszweig zur Folge haben. Das in diesen Unternehmen vorhandene wissenschaftliche Know-how wäre für immer verloren. Der Arbeitskreis „Nukleare" Betriebe in der IG Chemie hat vor kurzem warnend darauf hingewiesen, daß im Falle eines weiteren Ausbleibens der Entscheidung über die Zukunft der Kernkraftnutzung mit der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus diesem Wirtschaftbereich zu rechnen wäre. Teile unserer Bevölkerung stehen der friedlichen Nutzung der Kernenergie ablehnend oder ängstlich gegenüber. Diese Ängste sind verständlich, weil der ablaufende Prozeß der Energiegewinnung in einem Kernkraftwerk das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen überfordert. Diese Ängste abzubauen, die politische Voraussetzung für die Nutzung der Kernenergie in der Bevölkerung zu schaffen, ist Aufgabe aller politisch Verantwortlichen. Aber gerade hier haben insbesondere die SPD und auch der Bundeskanzler versagt. ({32}) Die vor uns stehenden Versorgungsprobleme wurden jahrelang verharmlost und heruntergespielt, die erforderlichen Entscheidungen verzögert und verschleppt. ({33}) Die SPD selbst ist in dieser nationalen Existenzfrage in sich total zerstritten. ({34}) Der Antikernkraftflügel in der SPD sammelt sich auf der Linken bei den Jusos und bei einer Reihe von Bundestagsabgeordneten der SPD; sie verlangen den totalen Verzicht auf Kernkraftnutzung. Eppler und seine Genossen wollen auf den Bau neuer Kernkraftwerke verzichten. Andere wiederum finden sich mit einem begrenzten Ausbau der Kernenergie ab, ohne die dafür notwendigen politischen und rechtlichen Voraussetzungen auch wirklich schaffen zu wollen. ({35}) Die Frage ist nun: Wie verhält sich der Kommandeur dieser Armee, der Bundeskanzler? ({36}) - Zunächst ist er nicht da, richtig. ({37}) Er hat vor sich das Feld mit den ungelösten Energieproblemen. Er wäre nach seiner Sachkompetenz durchaus in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen; aber er hat hinter sich eine Armee, die aus unentschlossenen, resignierenden und fahnenflüchtigen Truppen besteht. ({38}) Der Bundeskanzler hat seine Führungsaufgabe zu lange nicht wahrgenommen, und seine eigenen wechselnden und schwankenden Stellungnahmen haben entscheidend zur Verunsicherung in der Bevölkerung beigetragen. ({39}) Vor Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber hat der Bundeskanzler versichert, es gehe ohne Kernkraft nicht. Nach dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio erklärte er vor dem Deutschen Bundestag, die Bundesrepublik könne in absehbarer Zeit auf Kernenergie nicht verzichten. Auf dem Rückweg von seiner letzten Amerikatour hat er Journalisten auf die unverantwortlichen Folgen einer weiteren Steinkohlenutzung hingewiesen und ein Krisenszenario über Umweltbelastung durch Ruß und Abgase gemalt, über Klimaveränderungen bis hin zum Abschmelzen der Polkappen. Neuerdings ist vom Bundeskanzler zu hören, er sei schon von jeher für den Vorrang der heimischen Kohle eingetreten. ({40}) Kohle wird plötzlich wieder zum Allroundmittel, ({41}) versorgt die Hochöfen, trägt die Hauptlast der Stromversorgung, soll in Zukunft auch noch veredelt, also in 01 und Gas umgewandelt werden. Woher die erforderlichen Kohlemengen und die notwendigen Arbeitskräfte kommen sollen und wie man mit einer solchen Umweltbelastung fertig werDr. Zimmermann den will, darauf ist man uns die Antwort schuldig geblieben. ({42}) Schließlich ist der Bundeskanzler auf die Lückenbüßertheorie eingeschwenkt: Kernenergie wird jetzt für erforderlich gehalten, um den Restbedarf, wie es heißt, von Energie zu decken, und später werde sie gleichsam von selber überflüssig. Diese ständigen Positionswechsel sind am wenigsten geeignet, die Diskussion um die friedliche Nutzung zu entmythologisieren. Hier fehlt es dem Bundeskanzler und der Bundesregierung an einem klaren und zukunftsorientierten Bekenntnis, an dem Mut, sich den Kernkraftgegnern in der eigenen Partei zu stellen und für klare Mehrheiten zu sorgen. ({43})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Moment, Herr Abgeordneter Wehner, ich rufe Sie zur Ordnung. ({0}) - Herr Abgeordneter Wehner, es gibt keine Diskussion zwischen uns beiden. Die Schriftführerin ist dazu da, den Präsidenten in seiner Amtsführung zu unterstützen. Sie hat mir mitgeteilt, daß Sie „Verleumder" gerufen haben, und dieses Wort „Verleumder" weise ich mit einem Ordnungsruf zurück, Herr Abgeordneter Wehner. ({1}) Dr. Zimmermann CDU/CSU: Auf dem letzten SPD-Parteitag - ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Moment, Herr Abgeordneter Barzel. ({0}) Herr Abgeordneter Barzel, ich werde mir das Protokoll vorlegen lassen. Es wird hier nichts übersehen, wenn auch das eine oder andere einmal überhört wird. ({1})

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auf dem letzten SPD-Parteitag wurde unter maßgebender Mitwirkung des Bundeskanzlers ein Beschluß gefaßt, der die erste Teilerrichtungsgenehmigung für den Bau neuer Kernkraftwerke von dem Nachweis der Entsorgung abhängig macht. Die Bundesregierung legte dann ein entsprechendes Programm vor, das von allen Fraktionen begrüßt wurde. Als es jedoch um die Verwirklichung der integrierten Entsorgung, d. h. um ein geschlossenes Konzept mit anschließender Wiederaufarbeitung, Wiederverwertung, ging, waren die eigenen Truppen des Bundeskanzlers wieder nicht mehr zu sehen. ({0}) Der Ministerpräsident Albrecht sah sich plötzlich einer SPD-Front gegen das von der Bundesregierung unterstützte Entsorgungszentrum in Gorleben gegenüber. ({1}) Ich frage mich, ({2}) wie die Bundesregierung und Sie, Herr Wehner, die Notwendigkeit der Kernkraftnutzung in der Bevölkerung glaubwürdig begründen wollen, wenn die Kernenergie gleichzeitig von den Provinzstatthaltern des Herrn Bundeskanzlers und weiten Teilen der SPD fortwährend dämonisiert wird. ({3}) Anstatt nun die eigenen Linien zu schließen, tat der Bundeskanzler das Gegenteil. Er hat im Nuklearrat die Ministerpräsidenten der CDU/CSU-geführten Bundesländer aufgefordert, in dieser Frage der Kernenergie Dampf zu machen. Es kam am 29. September zu der gemeinsamen Vereinbarung. Da saßen allerdings die SPD-Ministerpräsidenten und -Bürgermeister still und unbeteiligt am Tisch. Das war eigentlich nur eine Einigung zwischen der Bundesregierung und der CDU/CSU. Jeder, der dabei war, weiß das. Es geht nicht an - das sage ich der Bundesregierung -, daß die Energieprobleme auf die Bundesländer abgeschoben werden. ({4}) Die Bundesregierung ist gefordert, die politischen Voraussetzungen zu schaffen. Der Bundeskanzler muß hier Farbe bekennen oder eingestehen, daß es jedenfalls in dieser Frage seine Richtlinienkompetenz nicht mehr gibt. ({5}) Die SPD wird in wenigen Tagen aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer ausreichenden Mehrheit einen energiepolitischen Leitantrag des SPD-Parteivorstandes in Berlin verabschieden. Herr Wehner hat sich in seinem eigenen SPD-Verband nicht einmal für diesen lächerlichen Antrag durchsetzen können. ({6}) Mit diesem Antrag wird der Kanzler, wie es so schön heißt, leben können. Aber dieser Antrag enthält in den grundlegenden Fragen lediglich inhaltslose Formelkompromisse. Da wird die Organisation und Führung der Elektrizitätswirtschaft nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen gefordert. Das löst die Probleme mit Sicherheit! ({7}) Da wird gefordert, neue Kernkraftwerke nur noch zu genehmigen, wenn der Antragsteller schlüssig beweist, daß der Strombedarf nicht durch den Bau eines mit heimischer Kohle betriebenen Kraftwerks gedeckt werden könne. Dieser Teil des Antrags stellt de facto ein Kernkraftmoratorium dar, weil ein solcher Beweis im Einzelfall im Grunde genommen überhaupt nicht zu führen ist. ({8}) Mit diesem Teil des Antrags kann vielleicht der Antikernkraftflügel der SPD leben; der Bundeskanzler sollte nicht damit leben können. ({9}) In diesem Leitantrag heißt es ferner, die Zeit für eine definitive Entscheidung für oder gegen die weitere Kernenergienutzung sei noch nicht reif. ({10}) Eine solche Behauptung stellt die Tatsachen allerdings auf den Kopf. Die Zeit ist überreif! ({11}) Jeder hier im Saale weiß, daß der Bau neuer Kraftwerke - gleich, auf welcher Basis - einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren erfordert. Wer eine Energielücke Mitte und Ende der 80er Jahre verhindern will, muß heute die erforderlichen Entscheidungen treffen. Es bleibt kein Spielraum mehr für das Vertagen von Entscheidungen. ({12}) Der Bundeskanzler verhält sich in dieser Frage gegenwärtig wie jemand, der zwar nicht nein sagen kann, aber sich auch nicht ja zu sagen traut. Seine jüngsten Pilgerreisen zu den Versammlungen einiger SPD-Unterbezirke sind sehr spät gewesen. Seine Reden dort hätten bereits vor Jahren gehalten werden müssen. Was jetzt in Berlin herauskommen wird, ist nicht mehr als eine Option für das Offenhalten weiterer Optionen. Aber das Spiel mit den Optionen sollte jetzt ein Ende haben. ({13}) Wir müssen jetzt in der Frage der Entsorgung, der Genehmigungspraxis und der Rechtssicherheit im Umweltschutzbereich die für das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigung und die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie erforderlichen Entscheidungen treffen. Die deutsche Wirtschaft, die Unternehmer, besonders die betroffenen Arbeitnehmer verlangen nach vier Jahren an haltender Diskussion über den weiteren energiepolitischen Kurs nun endlich Richtlinien und Entscheidungen, wie der Weg in die Zukunft aussehen soll. ({14}) Nach einem Bericht des „Spiegel" vom 16. Juni erklärte der Bundeskanzler vor versammelter Kabinettsriege: ({15}) „Die Lage ist so ernst, daß für mich durchaus Grenzen sichtbar sind. Wenn irgend jemand meint, man könne sich opportunistisch an vorhandene Strömungen anpassen, dann gibt es für mich einen Punkt, wo ich nicht mehr mitmache.” Der Bundeskanzler hat das nicht dementiert. Unterstellt, daß das so gesagt wurde, sagen wir dem Bundeskanzler: Wir teilen im Hinblick auf den Ernst der Lage seine Auffassung. ({16}) CDU und CSU sind bereit, sich dieser politischen Verantwortung zu stellen. Wir sind bereit, die Bundesregierung bei der Sicherung unserer Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten zu unterstützen, ({17}) wenn die Bundesregierung das tut, was die Lage erfordert. ({18}) Es ist jedoch ein für das parlamentarische System unerträglicher Vorgang, daß die Bundesregierung und der Bundeskanzler ihr politisches Handeln nach den Beschlüssen von Parteitagen ausrichten wollen. Entweder sorgt der Bundeskanzler für eine entsprechende Unterstützung in seiner Partei und Fraktion, oder er muß unabhängig davon seine Pflicht erfüllen! ({19}) Wir bieten Kooperation auf diesem wichtigen Gebiet der nationalen Existenz an. ({20}) Wir werden es dem Bundeskanzler nicht gestatten, sich hinter seiner Partei zu verstecken.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bin bereits beim Ende. Ich möchte keine Frage mehr beantworten. ({0}) Herr Wehner, die SPD hat in den 50er Jahren -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Augenblick! Herr Abgeordneter, ich unterbreche Sie. Herr Abgeordneter Wehner, ich bitte doch, diese Schärfe mit solchen Ausdrücken zu unterlassen. ({0}) - Einen Moment! Dies erfordert überhaupt keinen Ordnungsruf. Dies ist eine Feststellung über einen Versuch, die für einen Abgeordneten dieses Hauses gegenüber anderen Abgeordneten mir noch zulässig erscheint. ({1}) - Na, na! Einen Moment! Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann, fahren Sie fort.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die SPD hat in den 50er Jahren - und das ist nicht vergessen - eine unselige Kampagne gegen das westliche Bündnissystem und unsere Sicherheitsinteressen geführt. Die SPD hat sich in den 60er Jahren weit für die radikale Linke geöffnet und leidet unter Unterwanderung. Jetzt, zum Ausgang der 70er Jahre, steht die SPD vor der Bewährungsprobe der Sicherung unserer Energieversorgung, ({0}) und diesmal ist die SPD Regierungspartei. Ihr Versagen würde schwerwiegende Folgen für alle in der Bundesrepublik Deutschland haben. Wenn die SPD in dieser nationalen Existenzfrage Nr. 1 versagt, wenn der Kanzler sich nicht durchsetzt, dann haben beide die moralische Legitimation zur politischen Führung verloren. ({1}) Die heutige Debatte und die kommenden Wochen werden dem Bürger eine Antwort darauf geben. Ihre Nervosität in dieser Frage, Ihre Hektik, Ihre unqualifizierten Zwischenrufe, Herr Wehner, ({2}) sprechen Bände, wie unsicher Sie sich in dieser Frage fühlen und wie zerrissen Sie sind. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt diese Energiedebatte. Sie bietet uns Gelegenheit, aktuelle energiepolitische Fragen in der gebotenen Sachlichkeit, mit dem gebotenen Ernst, in der erforderlichen Klarheit ({0}) und in dem Stil, wie wir es gewohnt sind, dieses Thema zu behandeln, zu erörtern. ({1}) Nach der Premiere Ihres neuen energiepolitischen Sprechers - im Moment weiß man gar nicht, wer für die Opposition auf diesem Sektor eigentlich zuständig ist ({2}) wird es sicher jetzt Zeit, daß wir uns sachlich den Fragen zuwenden, die die Bürger uns stellen und auf die die Bürger in diesem Land eine Antwort erwarten. ({3}) Diese Debatte wird uns wieder einmal Gelegenheit geben, die deutsche Öffentlichkeit über unsere Bewertung der Lage auf dem Weltenergiemarkt und in unserem Land zu informieren. Prädident Stücklen: Herr Abgeordneter, einen Augenblick bitte. Darf ich bitten, daß die Abgeordneten Platz nehmen, die an der Debatte teilnehmen wollen. - Einen Moment noch! Es wird anscheinend im Saal nicht gehört. Darf ich bitten, daß die Abgeordneten, die an der Debatte teilnehmen wollen, doch ihre Plätze einnehmen. Danke schön. - Bitte, fahren Sie fort.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir werden den Nachweis führen, daß wir für unser Land ein vernünftiges Energieprogramm haben und eine verantwortungsbewußte Energiepolitik betreiben. ({0}) Alle Ihre Versuche, Herr Zimmermann, mit kräftigen und starken Worten diesen Eindruck zu verwischen, werden scheitern. ({1}) Wir wissen, daß Sie die Debatte hier und heute ganz vordergründig gefordert haben. Sie haben eine Große Anfrage gestellt, die diesen Titel nicht verdient. ({2}) Ihr Motiv ist klar, genauer gesagt: zu durchsichtig. Sie fragen die Bundesregierung nach dem Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung, obwohl die Opposition weiß, daß wir seit 1973 das erste Energieprogramm, unter sozialliberaler Koalition geschaffen, in der Bundesrepublik Deutschland haben, ({3}) daß es eine erste und zweite Fortschreibung, daß es Aktualisierungen und Akzentuierungen gibt, daß wir den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. Dezember 1978 haben, ({4}) der heute noch voll gültig ist und von uns voll getragen wird, ({5}) Wolfram ({6}) und daß der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 4. Juli dieses Jahres erneut klare Aussagen gemacht hat. ({7}) Sie stellen primitive Fragen; Sie wollen provozieren. Es wird Ihnen nicht gelingen. Ich muß nur sagen: Es ist beschämend, daß eine Opposition, die ernstgenommen werden will, z. B. eine Frage stellt wie die, ob die Bundesregierung zu ihren internationalen Verpflichtungen steht. Ich muß ehrlich sagen: Ich schäme mich für Sie, daß Sie so etwas überhaupt unterstellen. ({8}) Meine Damen und Herren von der Opposition, wir werden Ihnen auf Ihre Fragen die Antworten geben, die Sie verdienen. Sie können kurz und knapp sein. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, hier die Berliner Parteitagsdebatte vorwegzunehmen. Aber was wir Ihnen schon heute als Sozialdemokraten versprechen können, ist eins: Die Sozialdemokraten werden auch auf ihrem Berliner Parteitag kontroverse schwierige Fragen mit dem gebotenen Ernst, mit der gebotenen Sachlichkeit in gegenseitiger Fairneß diskutieren und klare Mehrheitsentscheidungen treffen. ({9}) Alle Versuche der Opposition, hier und heute zwischen Bundesregierung und Koalitionsfraktionen einen Keil zu treiben, die Bundesregierung und unseren Bundeskanzler einerseits und die SPD-Fraktion andererseits auseinanderzudividieren, ({10}) sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. ({11}) - Warum sind Sie denn so nervös? ({12}) Sie haben dazu doch überhaupt keinen Grund. Sie haben Fragen gestellt, die Bundesregierung hat Ihnen kurz, klar und knapp geantwortet, und jetzt hören Sie sich doch einmal die Stellungnahme der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion steht zu ihren energiepolitischen Beschlüssen und Erklärungen, die in diesem Hause abgegeben worden sind. Diese Beschlüsse basieren auf den Energieprogrammen der Bundesregierung, die wir unterstützen. Die SPD-Fraktion steht vor allem zu den Konkretisierungen, die durch die energiepolitischen Beschlüsse der SPD-Fraktionsvorsitzenden aus den Parlamenten des Bundes und der Länder am 24. und 25. Februar 1978 in Düsseldorf und am 28. und 29. September 1979 in Bremen vorgenommen worden sind. ({13}) In Düsseldorf hatten die Fraktionsvorsitzenden als gemeinsame Energiepolitik aller SPD-Fraktionen den Hamburger Parteitagsbeschluß der SPD bekräftigt, wonach der heimischen Steinkohle Vorrang bei der Energieversorgung zukommen muß. Sie haben gefordert, daß in allen Bundesländern mit Vorrang neue Kohlekraftwerke auf Steinkohlenbasis errichtet werden sollen. Sie haben die Bundesregierung darin unterstützt, dem deutschen Steinkohlenbergbau in einer schwierigen Phase staatliche Überbrückungsmaßnahmen zu gewähren. Ende September dieses Jahres haben sie in Bremen unter Vorsitz unseres Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner eine Zwischenbilanz gezogen und folgendes festgestellt: Die Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung für den deutschen Steinkohlenbergbau haben wesentlich dazu beigetragen, einen lebens- und leistungsfähigen Bergbau zu erhalten. ({14}) Das ist das Verdienst der Sozialdemokraten. Da können Sie versuchen, auf das Trittbrett zu springen; aber es wird Ihnen nicht gelingen. Die CDU/CSU hat von jeher ein gebrochenes Verhältnis zur heimischen Kohle. ({15}) Das hat Herr Zimmermann heute einmal mehr bewiesen. ({16}) Sie haben keine klare Antwort auf die Frage gegeben, wie Sie es mit der heimischen Kohle wirklich halten. Die Formel „Kernenergie und Kohle" ist zu einfach, als daß sie glaubwürdig ist. ({17}) Sie ist vor allem deshalb nicht glaubwürdig, weil Sie, wenn man Frau Breuel in Niedersachsen, Herrn Stoltenberg in Schleswig-Holstein, Sie in Bayern hört, unter Kohle eigentlich nur Importkohle, nicht aber deutsche Steinkohle verstehen. ({18}) Das ist doch zunächst einmal ein Faktum. Alle Versuche, das zu leugnen, ändern daran nichts. Wo ist denn in den CDU/CSU geführten Ländern und aus Ihrem Munde ein Beitrag erkennbar, neue Steinkohlenkraftwerke auf der Basis heimischer Steinkohle zu bauen? Wo?! Sie fordern zwar immer wieder neue Kernkraftwerke, aber nirgendwo hört man aus Ihrem Munde die Forderung: Auch in Bayern, in Baden-Württemberg, in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen müssen neue Steinkohlenkraftwerke auf Wolfram ({19}) der Basis der heimischen Steinkohle errichtet werden. Das ist eine Tatsache. ({20}) Im übrigen - man braucht es nicht zu rekapitulieren -: Die Bürger in diesem Lande, vor allem die Bergleute an der Saar und in Nordrhein-Westfalen, ({21}) wissen es: Wenn es nach der CDU/CSU gegangen wäre, wäre die heimische Steinkohle längst im Keller, aber nicht im Keller der Energieverbraucher, sondern sie wäre kaputt. ({22}) Die Sozialdemokraten haben dafür gesorgt, daß die heimische Steinkohle heute eine Förderkapazität von knapp 100 Millionen Tonnen aufzuweisen hat. ({23}) Wir haben dabei viele Mittel eingesetzt, die von Ihnen kritisiert worden sind. Ich erinnere an die Aussagen Ihres Fraktionskollegen Hubrig, der die Milliarden-Subventionen kritisiert hat. Ich erinnere an viele Aussagen von prominenten CDU/CSU-Politikern, die es innerlich immer abgelehnt haben, der heimischen Steinkohle über eine schwierige Phase zu helfen. ({24}) Das sind Fakten; da gibt es überhaupt kein Vertun. Meine Damen und Herren, die sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden - ich möchte das vor der Öffentlichkeit ins Bewußtsein rufen - haben klar zum Ausdruck gebracht, daß die Steinkohle ein unverzichtbarer Energieträger und Rohstoff ist, daß die weitere Förderung der deutschen Steinkohle eine nationale Aufgabe ist und daß sie Priorität genießt. Die Fraktionsvorsitzenden kritisieren zu Recht, daß die vorrangige Errichtung von Steinkohlenkraftwerken noch nicht verwirklicht ist und daß der Ersatz und Zubau neuer, umweltfreundlicher Steinkohlenkraftwerke und die Substituierung von Heizölkraftwerken nicht schnell genug vor sich gehen. ({25}) Herr Dr. Zimmermann, man könnte Sie zumindest mit dem Hinweis auf die zu erwartende Stromlücke ernst nehmen, wenn Sie klipp und klar gesagt hätten, was Sie in den 80er Jahren zur Deckung der Stromlücke im Grund- und im Mittellastbereich erwarten, wenn Sie gesagt hätten: Wir erwarten den Zubau von Kernkraftwerken in der und der Größenordnung und treten mit dafür ein, daß neue Steinkohlenkraftwerkskapazitäten in einer bestimmten Größenordnung geschaffen werden. Nichts davon haben Sie gesagt! ({26}) Kein Wort dazu haben wir aus Ihrem Munde gehört. Ich fordere Ihre weiteren Sprecher auf, klipp und klar zu erklären, welchen Versorgungsbeitrag die deutsche Steinkohle bei der Stromerzeugung nach Ihrer Auffassung leisten soll. Wir Sozialdemokraten geben der deutschen Öffentlichkeit und der Elektrizitätswirtschaft eine klare Antwort. Wir fordern: Erstens. Elektrizitätswirtschaft und heimischer Bergbau sollen sich schnellstens - nicht erst im Januar, Februar oder März - zusammensetzen und den Zehn-Jahres-Vertrag unbefristet verlängern. ({27}) Zweitens. Wir fordern, daß im Durchschnitt nicht 33 Millionen, sondern 40 Millionen, vielleicht sogar 45 Millionen Tonnen Steinkohle eingesetzt und verstromt werden. Wir fordern die Elektrizitätswirtschaft ferner auf, im Zusammenwirken mit den einzelnen Bundesländern Standorte für neue Steinkohlenkraftwerke auszusuchen. Wir sind im Ruhrgebiet und an der Saar sicherlich bereit, zusätzliche Steinkohlenkraftwerkskapazitäten auf der Lagerstätte zu schaffen. Wenn Sie von Disparitäten in der Energieversorgung, von Problemen im Krisenfall reden, dann müssen Sie aber hier auch erklären, ob Sie für den Bau neuer Steinkohlenkraftwerke auf der Basis heimischer Steinkohle in Bayern oder in Schleswig-Holstein sind. ({28}) Wir Sozialdemokraten fordern vor allem auch, daß Heizölkraftwerke schnellstens auf Steinkohlenbasis umgestellt werden. Wenn man es mit der Politik „Weg vom 01" ernst meint, muß man eben dort schnellstens substituieren, wo man es am ehesten kann - und das ist nun einmal bei der Verstromung und beim Öleinsatz in der Industrie. Hier möchte ich auch noch ein Wort zur Klarstellung sagen. Herr Dr. Zimmermann, die Bundesregierung ist es von Ihnen gewohnt, für alles verantwortlich gemacht zu werden. ({29}) - Sie müßten es aber eigentlich besser wissen. Wenn nicht, so lassen Sie sich doch einmal von Ihren Fachleuten in der Fraktion beraten, die ja bei solchen Debatten nicht mehr reden dürfen! Lassen Sie sich von denen doch einmal beraten! ({30}) Sie wissen, die Entscheidung über den Bau eines Kraftwerkes - damit meine ich Standortentscheidung, Investitionsentscheidung und Bauentscheidung - trifft doch nicht die Bundesregierung. Sie wird von autonomen Energieversorgungsunternehmen getroffen. ({31}) Wolfram ({32}) Helfen Sie doch dort, wo Sie politischen Einfluß haben, mit, daß die deutsche Elektrizitätswirtschaft, die bislang - das will ich, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, anerkennen - die Stromversorgung in unserem Lande in einer vorbildlichen Weise gesichert hat, ({33}) im Sinne der energiepolitischen Zielsetzungen und Vorgaben dieser Bundesregierung ihre Entscheidungen auch über den Bau neuer Steinkohlenkraftwerke treffen kann. ({34}) Uns werden Sie dann auf Ihrer Seite haben. Es ist doch viel zu einfach, der Bundesregierung die Verantwortung zuzuschieben. Sie müßten wissen, daß z. B. ein Stromriese - ich will jetzt nicht sagen: ein Monopolist - wie das RWE morgen mit dem Bau neuer Steinkohlenkraftwerke an Orten, wo es keinerlei Einsprüche der Bürgerschaft gibt, wo es keine Risiken in Genehmigungsverfahren gibt, beginnen könnte und es nicht tut. Warum? Weil man möglicherweise darauf spekuliert, daß wir irgendwann einmal in Zugzwang geraten und schneller ein Kraftwerk genehmigen müssen, als es unserem Grundsatz „Kohlenkraftwerke vor Kernkraftwerken" entspricht. Das machen wir nicht mit. ({35}) Meine Damen und Herren, ich finde es auch außerordentlich gut, daß die Sozialdemokraten in Bund und Ländern die Bundesregierung aufgefordert haben, zusammen mit dem Bundesrat noch einmal zu überprüfen, ob es nicht ein verbessertes Finanzierungs- und Zuschußsystem geben könnte, das den verstärkten Einsatz und die Lagerung der heimischen Kohle in revierfernen Gebieten ermöglicht. Ich hätte heute von Herrn Zimmermann auch erwartet, daß er ein Wort dazu gesagt hätte, wie denn das Verhältnis heimischer Kohle zu Importkohle aus der Sicht von CDU/CSU sein sollte. Ich habe vorhin schon behauptet - möglicherweise wird Herr Ministerpräsident Stoltenberg sich dazu äußern -, daß sie im Hinterkopf eher an Importkohle als an heimische Kohle denken. ({36}) Wir Sozialdemokraten sagen klipp und klar: Für uns hat zunächst einmal die heimische Kohle Vorrang, weil das die sicherste Kohle ist, auch in Zukunft. Sie müssen damit rechnen, daß es auch bei der Importkohle Versorgungsrisiken geben kann. ({37}) - Aber selbstverständlich wollen wir heimische Kohle vorrangig einsetzen. Wir sagen weiterhin: Importkohle darf heimische Kohle nicht verdrängen. Wir sind aber bereit, dann, wenn der Bedarf steigt, mit uns darüber reden zu lassen, daß die Importkohle einen höheren Versorgungsbeitrag übernimmt, vor allem dann, wenn wir zur großtechnologischen Anwendung der Kohleveredlung kommen werden. Da sind wir völlig offen. Es ist doch merkwürdig, daß das Land Schleswig-Holstein fordert, daß die Importmenge ab sofort auf 10 Millionen t Steinkohle erhöht werden soll. Sie beweisen damit einmal mehr, daß Sie den zusätzlichen Bedarf eigentlich nur über Importkohle decken wollen. Die Bundesregierung hat von ihrer Ermächtigung, das Importkontingent um 20 % aufzustocken, Gebrauch gemacht. Wir sind, wie gesagt, für den weiteren Ausbau der Kohleförderkapazität. Wir werden in einem Programm klar zum Ausdruck bringen, daß die heimische Steinkohle für uns der wichtigste und sicherste Energieträger ist, daß wir ihre Förderkapazität sichern und angemessen ausbauen wollen, was voraussetzt, daß - wie es mein Kollege Adolf Schmidt in der letzten Energiedebatte schon gesagt hat - enorme Mittel zum Aufschluß neuer Lagerstätten und zum Abteufen neuer Schächte investiert werden. Wir müssen im Personalbereich mit Engpässen rechnen. Aber ich bin zuversichtlich: Eine erstklassige Nachwuchs- und Ausbildungspolitik und ein neues Sozialprogramm für die Bergbauwirtschaft werden helfen, mehr inländische Fachkräfte zu bekommen, als es heute der Fall ist. Ich sage im Namen meiner politischen Freunde: Der Bergmann muß wieder an die Spitze der Lohnskala kommen. Dazu muß eine Reihe anderer flankierender sozialer Maßnahmen kommen. Dann werden genügend Arbeitskräfte bereit sein, Beschäftigung im Bergbau aufzunehmen und auszuüben. ({38}) Wie ich eingangs gesagt habe, hat die CDU/CSU erst in den letzten Monaten die Energiepolitik entdeckt. Vieles von dem, Herr Kollege Zimmermann, was uns heute beschäftigt, ist darauf zurückzuführen, daß Sie bis Anfang der 60er Jahre überhaupt kein Energiekonzept hatten, daß Sie 01 ungehindert hereingelassen und den Verdrängungswettbewerb des Öls gegen die Kohle zugelassen haben. ({39}) Sie haben geglaubt, 01 werde jederzeit in beliebiger, unbegrenzter Menge zu niedrigsten Preisen verfügbar sein. ({40}) Lassen Sie mich noch ein Wort zu der These von der „billigsten Energie" sagen, die Sie jetzt schon modifizieren. Sie sprechen nicht mehr von der „billigsten" Energie. Sicher sind Energiekosten ein wichtiger Bestandteil in der Kalkulation. Aber, meine Damen und Herren, niemand in unserem Lande käme doch auf die Idee, zu behaupten, wir könnten nur wettbewerbs- und leistungsfähig sein, wenn wir niedrigste Löhne hätten. Wie wir wissen, steht die Bundesrepublik mit ihrem Lohnniveau international in einer Spitzenposition. Die These, man sollte nur auf die billigste Energie setzen, ist doch falsch. Wir müssen dafür sorgen, daß die Energie überhaupt in Wolfram ({41}) ausreichender Menge, so kostengünstig wie möglich, zur Verfügung steht. Daran kann doch wohl kein Zweifel bestehen. Wenn man vor fünf Jahren gesagt hätte, Kohle werde 1979 preiswerter als Importöl sein, hätte es niemand geglaubt. Aber heute ist es so. Sie als CDU/ CSU haben doch jahrelang verhindert, daß wir genügend Ersatzenergien an Stelle des Öls zur Verfügung haben. Heute haben wir die Ölverknappung und die Ölpreisexplosion, und jeder weiß, daß man die Abhängigkeit vom Ölimport nicht kurzfristig verringern kann. Ich habe schon in der letzten Debatte den verehrten Kollegen Narjes gewarnt, er sollte nicht so undifferenziert auf die OPEC-Staaten klopfen. In Ihrem Entschließungsantrag fordern Sie, bis 1990 praktisch völlig unabhängig vom OPEC-Öl zu werden. ({42}) Meine . Damen und Herren, wo wollen Sie das 01 denn dann herholen? Können Sie mir das einmal verraten? Unsere Aufgabe ist doch vielmehr, die OPEC-Staaten bzw. das OPEC-Kartell durch eine vernünftige Politik zu bewegen, von einer Mengen-und Preispolitik Abstand zu nehmen, die auch für die Ölförderländer gefährlich und problematisch ist. Wir müssen diesen Ländern Kooperation anbieten und versuchen, sie zusammen mit den Energieverbraucherländern zu einem koordinierten und vernünftigen Verhalten zu bewegen. Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zur Lage auf dem Mineralölmarkt machen. Ich gehe davon aus, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister nachher im einzelnen dazu noch äußern wird. Aus unserer Sicht ist dazu festzustellen, daß die Versorgungslage kurzfristig gesichert ist. Mittelfristig gibt es aber Risiken, die weit über das hinausgehen, was uns heute aus dem Iran ins Haus steht. Wir müssen deshalb Ernst machen mit der Politik „Weg vom Öl!" Ich fordere noch einmal im Namen meiner Fraktion alle Energieverbraucher - industrielle wie private - auf, jede Möglichkeit zu nutzen, 01 durch andere Energien zu ersetzen. Konkret: Im privaten Bereich ist es in vielen Gegenden und Städten möglich, die Ölheizung zu ersetzen und sich an vorhandene Fernwärmenetze anzuschließen. In der Industrie ist es möglich, 01 durch Kohle zu ersetzen. In der Elektrizitätswirtschaft ist das auch möglich. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zur Rolle der großen internationalen Ölgesellschaften sagen. Es wäre sicherlich falsch, undifferenziert auf die Multis draufzudreschen. Andererseits kann man ihr Verhalten auch nicht in jedem Falle billigen. Ich erkenne an, daß sie über lange Strecken in der Lage waren, die Versorgung der Bundesrepublik zu angemessenen Bedingungen zu sichern. Aber wir alle verfolgen mit großer Sorge die Politik in den letzten Wochen und Monaten, die Gewinnexplosion, die sich auf diesem Sektor zeigt. Ich meine die Tatsache, daß man sehr differenziert zwischen Preisen für Vergaserkraftstoffe und für Heizöl. Wir verfolgen mit großer Sorge die Bemühungen, im Rahmen eines Verdrängungswettbewerbs die kleinen und mittleren, die freien und unabhängigen Selbständigen vom Markt zu verdrängen. Wir erwarten, daß die großen Ölgesellschaften die Marktsituation nicht rücksichtslos ausnutzen. Wir fordern von ihnen, daß sie eine verantwortungsbewußte Preispolitik gegenüber den Energieverbrauchern betreiben und daß sie sich ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung bewußt sind. Denn jeder weiß, daß ein hoher Anteil der Preissteigerungsrate auf die Ölpreisexplosion zurückgeht und nicht jeder Ölpreis, der heute gefordert wird, ist notwendig oder vertretbar. Wir fordern vor allem mehr Transparenz. Die Ö1gesellschaften täten gut daran, von sich aus eine Politik der „gläsernen Taschen" zu betreiben, mit einem unabhängigen Gutachten einverstanden zu sein, das die Kosten- und Ertragskalkulation der Multis offenlegt. Sie sollen die Karten auf den Tisch legen, damit die Spekulationen über ihre Gewinne begrenzt werden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Debatte in den Vereinigten Staaten - auch auf den Einfluß von Förderländern auf die Ölverbraucherländer -, die Bemühungen der Ölkonzerne, ihre Gewinne noch stärker steigen zu lassen, zu begrenzen. Wir erwarten, daß die Kartellbehörden alle vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen, um auf die Konzerne Einfluß zu nehmen. Wir erwarten vor allem auch von den Europäischen Gemeinschaften und von der Europäischen Kartellbehörde, daß sie in der Gemeinschaft und darüber hinaus mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten, weil wir die internationalen Verflechtungen au f dem Ölmarkt kennen. Wir erwarten vor allem auch eine Aussage in der heutigen Debatte von der Opposition, insbesondere von den CDU/CSU-Sprechern auf der Bundesratsbank, zu der Frage: Wie halten Sie es denn mit den windfall profits im Lande? Wir Sozialdemokraten sagen klipp und klar: Es ist ungerechtfertigt, wenn die Gesellschaften für Rohöl aus inländischer Förderung die gleichen Preise nehmen, wie sie die OPEC heute fordert, und die riesigen Differenzialgewinne in ihre eigene Tasche stecken. Das, was Frau Breuel - ich hätte beinahe gesagt: in einer Nacht-und-Nebel-Aktion - mit dem Abschluß eines Vertrages, der eine Erhöhung des Förderzinses von 15 % auf 17 % zum Inhalt hatte, in den Sommerferien - sicherlich erst nach starkem öffentlichen Druck - gemacht hat, ist meines Erachtens ein bescheidener Schritt. Er reicht nicht aus. Herr Ministerpräsident Stoltenberg, ich erwarte vor allem von Ihnen ein klärendes Wort: Teilen Sie unsere Auffassung, daß es notwendig wäre, die windfall profits in einem viel stärkeren Maße abzuschöpfen und im Energiesektor zu reinvestieren? ({43}) Wolfram ({44}) Ich glaube, das ist eine große volkswirtschaftliche Aufgabe, deren Erfüllung wir uns gemeinsam vornehmen sollten. ({45}) Wir fordern vor allem die Multis auf, die Marktstrukturen nicht zu verändern. Die Existenz der kleinen und mittleren, der freien und unabhängigen Tankstellenbesitzer und Mineralölhändler darf in solch einer Situation nicht gefährdet werden. Es ist die Pflicht der Politik, dafür zu sorgen, daß dieser Bereich „Hilfe zur Selbsthilfe" erhält. Wir müssen mit dafür sorgen, daß deren Versorgung gesichert bleibt. ({46}) Wir erwarten vom Mineralölwirtschaftsverband eine Anschlußregelung an das zeitlich auf drei Monate und auch mengenmäßig befristete Abkommen. Wir erwarten aber auch von der Bundesregierung, sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, daß wir gemeinsam unseren ganzen Einfluß geltend machen, daß diese Kleinen und Mittleren, Freien und Unabhängigen nicht nur ihre Existenz erhalten, sondern in unserer Markt- und Wettbewerbswirtschaft ihre Funktion erfüllen können. Lassen Sie mich noch ein Wort zur Energieeinsparpolitik sagen. Die Bundesregierung hat ihrerseits alle ihr gegebenen Mittel und Möglichkeiten wahrgenommen, viele konkrete Programme vorzulegen und die dafür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen. Trotzdem sind wir überzeugt, daß in diesem Bereich noch beträchtliche Reserven stekken. Herr Zimmermann, Sie haben es sich einmal mehr zu einfach gemacht, als Sie abwertend von „Sparaposteln" gesprochen haben - obwohl Sie doch gerade mit dem Wort „Apostel" verantwortungsbewußter umgehen sollten. ({47}) Leider ist das Energiesparbewußtsein noch nicht so ausgeprägt, wie es sein könnte und sollte. Wir könnten den Vergaserkraftstoffverbrauch senken, wenn man vernünftiger und weniger führe, wir könnten den Bedarf im Bereich der Raumheizungen verringern, wenn man die Raumtemperaturen verringerte. Die Bundesregierung hat das ihre getan. Ich wiederhole einmal mehr unseren Sparappell an die Energieverbraucher, an die privaten wie an die industriellen. ({48}) Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls der Energiesparpolitik auch zukünftig einen ganz hohen Stellenwert einräumen, weil auf diesem Sektor noch wertvolle Energiereserven vorhanden sind. ({49}) Ich möchte noch ein Wort zum Erdgas sagen. Erdgas ist eine wichtige Energiequelle. Die Erdgaswirtschaft hat ihren Versorgungsbeitrag bislang vorbildlich erfüllt. Sie hat lange Zeit ihr Preisniveau angemessen gehalten. Wir betrachten aber mit Sorge, daß es jetzt und in Zukunft auch zu Preisexplosionen auf dem Erdgassektor kommt. Die Koppelung der Erdgaspreise an die Weltmarktpreise für 01 ist problematisch. Wir fordern deshalb die Erdgasproduzenten und die Erdgaslieferanten auf, verantwortungsbewußt zu handeln und nicht etwa jede Marktchance auszunutzen. Auch auf dem Erdgassektor müssen wir mit Risiken rechnen. Das geplante Dreiecksgeschäft Iran-UdSSR-Bundesrepublik Deutschland beweist das. Auch mit Erdgas ist ein sinnvoller und rationeller Umgang geboten. Ich meine, das wertvolle Erdgas müßte für die Verbrennung unter Kraftwerkskesseln eigentlich zu schade sein. Mittelfristig sollte meines Erachtens eine Umstellung der Erdgaskraftwerke ins Auge gefaßt werden. Zu den Ausführungen von Herrn Zimmermann ließe sich noch vieles sagen. ({50}) - Sie haben völlig recht, es läßt sich dazu nichts Gescheites sagen, weil der Inhalt dieser Rede so unzulänglich war, daß es sich kaum lohnt, darauf näher einzugehen. ({51}) Ich stelle abschließend fest: Wenn wir nicht heute noch etwas Konkreteres von Ihren folgenden Rednern hören, dann haben Sie einmal mehr bewiesen, daß die CDU/CSU auch heute noch kein „Energiekonzept" hat. Sie schwört auf die Formel „Kernenergie", wobei sie sich vorstellt, mit der Methode „Anweisen"-„Durchsetzen" wäre das alles zu machen. Die Opposition hat kein alternatives Energiekonzept zu dem Energieprogramm der Bundesregierung. Wir Sozialdemokraten stehen hinter dem Bundeskanzler, hinter der Bundesregierung und deren Energieprogramm. Wir Sozialdemokraten werden nach unserem Berliner Parteitag weitere klare Antworten auf die Fragen geben, die unsere Bürger bewegen. ({52}) Es ist erschreckend, das man bei der CDU/CSU feststellen muß, daß sie weder willens noch fähig ist, das Thema Kernenergie in einer kritischen, sachlichen, kontroversen Form aufzugreifen und zu diskutieren. Deshalb sind Sie auch unfähig, die Energiepolitik dieses Landes zu lenken und zu leiten. ({53}) Ich betone erneut und abschließend: Die Bundesregierung hat unsere volle Unterstützung auch in der Energiepolitik! ({54})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann. ({0})

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute zum wiederholten Male mit dem Thema Energie, Energiepolitik und Kernenergie, und ich bin der Meinung, das dies gut ist. Dieses ist ein eminent wichtiges Thema. Dem Bürger draußen, aber auch uns selbst muß immer wieder bewußt gemacht werden, was wir auf diesem Gebiete zu tun haben und wie wir veränderten Situationen Rechnung tragen können. Herr Kollege Zimmermann, es ist deswegen nicht gut, wenn wir uns hier mit dem einen oder anderen Parteitagsantrag befassen. Wir haben uns vielmehr mit dem zu befassen, was die Bundesregierung, gestützt durch die Koalitionsfraktionen, an praktischer Politik auf diesem Gebiete leistet. Die Opposition hat mit ihrer Anfrage „Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung" erneut Gelegenheit geschaffen, über dieses wichtige Thema zu diskutieren. Der Eindruck ist aber wohl nicht falsch, daß es Ihnen dabei weniger um die Sache selbst als vielmehr darum ging, die Kollegen von der SPD-Fraktion vor deren Parteitag in der nächsten Woche in Berlin festzulegen oder in Schwierigkeiten zu bringen. ({0}) Anders kann ich mir Ihren besonderen Eifer, diese Debatte unter Verschiebung der Haushaltsdebatte noch vor dem Parteitag zu führen, nicht erklären. ({1}) DaB es Ihnen weniger um das eigentliche und zweifellos eminent wichtige Thema der Energieversorgung in der Zukunft geht, zeigen doch Ihre drei kurzen knappen Fragen. Ich sage Ihnen, wenn ich Bundesregierung gewesen wäre, ich hätte diese Ihre Fragen jeweils mit einem kurzen knappen, aber deutlichen und unmißverständlichen Ja beantwortet. Sie wissen auch, daß Ihre Fragen nicht erschöpfend die ganze Problematik umfassen. Sie wissen auch - ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihnen das entgangen sein könnte, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition -, daß die Bundesregierung konsequent und unmißverständlich in ihrem Energieprogramm und dessen Fortschreibungen die dort festgelegte energiepolitische Linie verfolgt und daß wir, die Koalitionsfraktionen, diese Linie mit allem Nachdruck unterstützen. ({2}) - Es fragt sich natürlich auch, wie man mit dem Lesen des Energieprogramms überkommt. Ich habe nach den Ausführungen des Kollegen Zimmermann den Eindruck, daß er bei der ersten Fortschreibung angekommen ist, ({3}) weil er nämlich die Bundesregierung dafür verantwortlich macht, daß wir die Ziele dieser Fortschreibung nicht erreicht hätten. Dabei geht es doch gerade in diesem Bereich darum, daß das Energieprogramm den aktuellen Entwicklungen angepaßt und dementsprechend fortgeschrieben wird, was die Bundesregierung mit der zweiten Fortschreibung getan hat. Ich vermag derzeit keinen Grund zu erkennen, warum diese zweite Fortschreibung nun einer weiteren Veränderung bedarf. Ich glaube, daß wir mit diesem Programm auch die derzeitige Situation durchaus werden meistern können. Darüber hinaus hat, der Bedeutung des Themas entsprechend, der Deutsche Bundestag die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Künftige Kernenergiepolitik" beschlossen, die den Auftrag hat, bis zum Frühjahr 1980 einen Bericht vorzulegen, der sich - ich muß dies hier wohl nicht in allen Einzelheiten wiederholen - mit dem Problem der Akzeptanz der Kernenergie, den Folgewirkungen auf Mensch und Gesellschaft und der Prüfung der Frage befassen soll, inwieweit künftig auf die Nutzung von Kernenergie verzichtet werden kann. Sie soll dies im Zusammenwirken mit Sachverständigen und Experten in der ganzen Breite der Notwendigkeiten beraten und dem Parlament entsprechende Entscheidungsempfehlungen vorlegen. Wenn hier in wiederholten Debatten vorweg alles festgeschrieben werden soll, wenn die Ergebnisse der Beratungen der Enquete-Kommission vorweggenommen werden sollen, dann steigert dieses Verfahren nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit des Parlaments bei der Bevölkerung, vor die wir doch mit dem Hinweis getreten sind, daß wir die Gesamtproblematik, auch das, was sich außerhalb der rein technischen und energiepolitischen Entwicklungen der Kernenergie ergeben wird, aufgreifen, beraten und daß wir versuchen wollen, darauf Antworten zu geben. Ich glaube, wir sollten hier nichts unternehmen, was dazu beitragen könnte, diese Glaubwürdigkeit gegenüber der Bevölkerung noch weiter zu verspielen. ({4}) Wir haben uns unvoreingenommen und unbeeinflußt mit den zweifellos vorhandenen Problemen zu befassen, die mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie verbunden sind. Wir haben uns aber gleichzeitig - und ich sage dies mit allem Nachdruck - auch mit den Schwierigkeiten zu befassen, die bei einem Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie u. U. national wie international entstehen könnten. Es ist die Frage zu klären, wie wir den Energiebedarf im nationalen Bereich, aber auch den weltweit steigenden Energiebedarf decken können. Die Energienachfrage wird - daran gibt es wohl keinen Zweifel - weltweit stärker werden, und zwar zunehmend stärker werden. Aber wir müssen in dieser Diskussion die Fragen, die Sorgen und auch die Ängste der Menschen in unserem Lande aufnehmen, müssen Antworten finden und müssen bei der Formulierung der Energiepolitik die Auffassungen und Haltungen politischer und gesellschaftlicher Kräfte - auch der Kräfte, die anderer Meinung sind als wir - aufnehmen und in praktische Politik umsetzen. Dies gehört nun einmal zu den Aufgaben eines Parlaments. ({5}) Energiepolitische Entscheidungen sind im nationalen wir im internationalen Kontext auch mit allen Bindungen, allen Auswirkungen und allen Verflechtungen darzustellen. Dies nach draußen zu vertreten ist ebenfalls eine Aufgabe dieses Hauses; dieses Haus muß die Gesamtzusammenhänge darstellen und darf sich nicht auf die Behandlung des einen oder des anderen speziellen Problems beschränken. Deswegen kann man das Thema „Kernenergie" nicht diskutieren, ohne auf den Gesamtzusammenhang der energiepolitischen Notwendigkeiten einzugehen. ({6}) Wir führen diese Diskussion um die Zusammenhänge und Notwendigkeiten auch auf dem Gebiet der Energiepolitik auch innerhalb der Partei sehr intensiv. Wir befinden uns - auch innerparteilich; ich verhehle das nicht - in einem dauernden Dialog, und wir greifen dort unterschiedliche, ja manchmal konträre Positionen auf und bemühen uns darum, sie in sachlicher Auseinandersetzung zusammenzuführen. Dies sollten wir, so meine ich, durchaus auch hier praktizieren. Ich wundere mich allerdings darüber, daß es innerhalb der CDU keine divergierenden Meinungen zur Nutzung der Kernenergie geben soll. Der Herr Kollege Zimmermann hat vorhin starke Worte gebraucht. Aber, Herr Kollege Zimmermann, lassen Sie mich Sie doch fragen: Wieso haben Sie sich dann gegen ein Kernkraftwerk Isar II ausgesprochen? ({7}) Ich will nicht noch andere Beispiele erwähnen, aber dies scheint doch zu signalisieren, ({8}) daß sich auch in Ihren Reihen gewisse Vorbehalte gegenüber dem forcierten Ausbau bemerkbar machen. Ich widerspreche Ihnen in diesem Punkte ja gar nicht. Ich sage ausdrücklich: Auch Sie, Herr Kollege Zimmermann, haben doch offenbar Bedenken dagegen, in Ohu eine zweite Anlage zu errichten. Ich weiß nicht, ob ich richtig informiert bin, aber ich habe gehört, daß sich etwa der Kollege Lenzer aus Standortgründen - ja, weswegen denn sonst? - gegen eine kerntechnische Anlage in Borken ausgesprochen hat. ({9}) Ich weiß nicht, inwieweit diese Information zutrifft; ich sage das mit allem Vorbehalt. ({10}) Ich möchte auch fragen, woher sich denn die Grünen etwa in Ahaus rekrutieren. Nach meinen Informationen sind diese 25 % Grünen in Ahaus bisher CDU-Wähler gewesen. Das signalisiert doch zumindest, daß sich auch in Ihren Reihen gewisse kritische Haltungen gegen den unbeschränkten und forcierten Ausbau der Kernenergie bemerkbar machen. Ich meine, daß es gut wäre, auf diese Bewegung einzugehen und diese Haltungen und Stimmungen auf zugreifen. Herr Zimmermann hat davon gesprochen, die Bundesregierung müsse den Realitäten ins Gesicht sehen. Ich frage ihn, wo sie dies nicht getan hätte. Er hat das zwar behauptet, den Beweis dafür aber nicht erbracht. Nun, das Energieprogramm der Bundesregierung - und dazu steht die FDP-Fraktion; das betone ich noch einmal ausdrücklich - wird konsequent umgesetzt. Wir sehen das doch; wir haben auch heute wieder in verbundener Debatte zumindest einen Teilbereich zu bescheiden. Die Prioritäten sind in diesem Programm richtig gesetzt. Vorrangiges Ziel - dies sollte noch einmal nachdrücklich unterstrichen werden - ist der Abbau der Abhängigkeit vom Öl, sowohl aus politischen Gründen, d. h. kurz- und mittelfristig, wie aber auch langfristig wegen der Begrenztheit der Verfügbarkeit von 01, wegen der Begrenztheit der Vorräte. Die Vorgänge im Iran, aber auch in Mekka, signalisieren uns eine gefährliche, instabile politische Lage. Sie erfordern größte Anstrengungen, die Ö1-importe wirksam zu reduzieren. Auch die Entdekkung neuer großer Öllagerstätten in Venezuela, wie Pressemeldungen der letzten Tage auswiesen, ändern nichts an dieser Situation auch im Hinblick auf die Preisentwicklung auf dem Ölmarkt und deren wirtschaftliche Auswirkungen. Nun, die CDU will - Herr Zimmermann hat es ausgeführt - keine Bewirtschaftung eines Energiemangels. Ich frage: Wer will das bei uns? Denn wir haben doch noch leidvolle Erfahrungen selbst beim Numerus clausus, daß jede Bewirtschaftung eines Mangels den Mangel selbst nur noch vergrößert. ({11}) Sparen sei utopisch, wurde gesagt. Ich bin nicht dieser Meinung; denn dies ist geboten, und es ist eine Aufgabe, dies politisch verstärkt durchzusetzen. Keine Bewirtschaftung? Ich frage Sie: Wie sollen wir eigentlich 01 durch Strom ersetzen? Gerade wenn Sie auf den Individualverkehr abheben, muß ich darauf hinweisen: der läuft nun noch nicht mit elektrischem Strom. Wir sind noch weit davon entfernt, den Individualverkehr auf elektrischen Strom umstellen zu können. Darüber haben wir vor einiger Zeit hier debattiert. Ich meine: wichtiges Ziel ist Reduzierung und Abbau der Abhängigkeit von Ölimporten. ({12}) Um dieses Ziel zu erreichen, sind vorrangig die Bemühungen zur rationellen Energieverwendung mit allen - ich betone dies - wirtschafts- und ordnungspolitischen Mitteln fortzusetzen. ({13}) Neue Energiequellen - auch Sonne, Wind und Erdwärme, wenn auch mit bescheidenem Anteil an der Gesamtenergiebedarfsdeckung; aber dieser Anteil ist wichtig -, neue alternative Energiequellen sind zu nutzen, aber auch neue Energietechniken bei der Energieumwandlung wie bei der Energienutzung sind zu entwickeln und in den Markt einzuführen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Probst?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, gern, Herr Kollege.

Dr. Albert Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001752, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Laermann, würden Sie dem Hause mitteilen, welche Größenvorstellungen Sie etwa davon haben, in welcher Menge Energie eingespart werden kann durch rationelle Energiegewinnung und durch sogenannte neue, alternative Energiequellen? Wieviel können Sie da pro Jahr in den nächsten 20 Jahren etwa einsparen?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Probst, ich bin sicherlich nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, wieviel wir da in den nächsten Jahren pro Jahr einsparen können. Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt. Ich gehe davon aus, daß wir bei intensiven Bemühungen unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten in den nächsten 20 bis 25 Jahren durchaus wohl 25 % des Primärenergiebedarfs - ich sage ausdrücklich: des Primärenergiebedarfs - locker und leicht einsparen können. ({0}) - Dies ist auch unter Berücksichtigung des Zuwachses des Energiebedarfs zu sehen. Auch an dieser Stelle möchte ich - und ich komme vielleicht noch einmal darauf zurück - sagen, daß wir - ({1}) - Welches Basisjahr? Etwa das Verbrauchsniveau, das wir derzeit haben. Die Frage ist nur, Herr Kollege Narjes, wie man dieses Ziel erreicht. Und darüber sollten wir uns nun keine Illusionen machen - deswegen zögere ich etwas, die Frage des Kollegen Probst zu beantworten: Wieviel denn pro Jahr? -: das wird natürlich ganz entscheidend vom Verbraucherverhalten abhängen, das wird ganz entscheidend von der Preisentwicklung abhängen. Und es wird eben notwendig sein, daß wir auch Umstellungen größerer Art vornehmen. Die Wärmedämmung allein reicht wohl nicht, sondern parallel müssen auch die entsprechenden Haustechniken umgestellt werden, beispielsweise bei der Raumheizung. Dies ist ein langwieriger Umstellungsprozeß, der enorme private Investitionen erfordert. Dieser Prozeß wird sich über Jahrzehnte hin erstrecken. Ich gehe davon aus, daß dieser Prozeß mit zunehmender Tendenz läuft, zunächst langsam, dann sich hoffentlich jedenfalls beschleunigend. Deswegen möchte ich mich nicht auf Prozentzahlen festlegen; es würde im übrigen ja wieder dazu führen, daß Sie uns bei nächster Gelegenheit sagen: Ihre angegebenen Zahlen und Ziele haben Sie ja nicht erreicht. Ich möchte es noch einmal betonen: rationelle Energieverwendung ist wichtig, dies ist Priorität im Energieprogramm. Dabei soll es auch bleiben. Dabei wird - auch das soll hier nochmals und zum wiederholten Male betont werden, da es so wichtig ist, daß es nicht oft genug wiederholt werden kann, und auch mein Vorredner, der Kollege Wolfram, hat schon darauf hingewiesen - die Kohle, und zwar sowohl die Braunkohle als auch die Steinkohle, eine weltweit zunehmende Bedeutung wiedergewinnen. Mit neuen Kraftwerkstechnologien zur Stromerzeugung, mit neuen Entwicklungen zur Kohleverflüssigung und zur Kohlevergasung wird sie natürlich einen wesentlichen Beitrag - ich meine, den wesentlichen Beitrag - zur Substitution von 01 und Ölderivaten leisten. Wie gesagt, 01 und Ölderivate lassen sich nicht ohne weiteres - darüber gibt es hier wohl auch keinen Streit - durch elektrische Energie ersetzen. Es ist also im wesentlichen die Substitution von Ölderivaten durch Kohle und veredelte Kohle anzustreben. Hier ist auch die Frage zu stellen, wie groß die verfügbare Menge an Kohle ist, wobei zwischen der Menge zu differenzieren ist, die an heimischer Kohle für uns verfügbar ist, und derjenigen, die für uns am Weltmarkt verfügbar und zugänglich ist. Wir haben über das Thema Kohleveredelung und Einsatz der Kohle - ({2}) - Ich sehe hier gar keinen Widerspruch. ({3}) - Herr Kollege Breidbach, ich habe keine Hemmungen, das auszusprechen, was ich denke. Zu diesem Berufe bin ich Mitglied in diesem Hause und werde dies auch tun, sooft mir Gelegenheit dazu geboten wird. ({4}) Mir geht es um die Sache, Herr Kollege. Ich möchte versuchen, das wieder auf die Sache zurückzuführen, die mir zu bedeutend ist, um sie hier zu parteipolitischen Auseinandersetzungen zu mißbrauchen. ({5}) Wir haben erst vor vier Wochen, wie ich glaube, hier in diesem Hause über das Problem eines Verbundes zwischen der Kohle und der Kernenergie gesprochen. Ich möchte es mir ersparen, hier noch einmal ausführlich darauf einzugehen. Ich verweise auf die Diskussion. Sie sollte den Interessierten noch in Erinnerung sein. Alle diese Bemühungen, Ö1 zu substituieren, Energie einzusparen, von der Information über Ein14824 sparmöglichkeiten beim Verbraucher bis zur Entwicklung und Investition umweltverträglicher Kohleumwandlungstechnologien, kosten in erster Linie sehr viel Geld und - dies ist bezüglich der Umsetzung das noch größere Problem - brauchen Zeit. Wir brauchen Jahrzehnte, bis wir tatsächlich zu durchgreifenden Ergebnissen kommen. Machen wir uns darüber keine Illusionen, und hoffen wir, daß wir die Zeit haben werden, mit dem wachsenden Bewußtsein des Energienutzers unter Einsatz marktwirtschaftlicher Mittel in kontinuierlicher Entwicklung dieses gesteckte Ziel zu erreichen. Bei allen diesen Bemühungen um Einsparungen und Alternativen werden wir sowohl im nationalen Bereich als auch weltweit unvermeidbar eine steigende Nachfrage nach Nutzenergie oder, wie man hier durchaus sagen kann, nach Energiedienstleistungen zu erwarten haben, für die die erforderlichen Primärenergien zur Verfügung stehen müßten. Steigender Einsatz fossiler Primärenergieträger, insbesondere der verstärkte Einsatz von Kohle, stellt uns aber auch hier vor schwerwiegende langfristige Umweltprobleme. Die klimatologischen Auswirkungen des bisher in dieser Hinsicht als völlig unproblematisch angesehenen Kohlendioxyds können zu katastrophalen Langzeitfolgen führen. Aus diesen und den vorher erwähnten Gründen erscheint es unverzichtbar, die Kernenergie zur Deckung des Energiebedarfes einzusetzen. Dabei geht es nicht so sehr darum, ob wir im nationalen Bereich in der Lage wären, darauf zu verzichten; denn die Probleme, die damit verbunden sind, sind grenzüberschreitend, und niemand wird sich wohl der Illusion hingeben, daß es uns gelingen könnte, etwa unseren westlichen Partner Frankreich oder gar unsere östlichen Nachbarstaaten, die RGW-Staaten, daran zu hindern, ihr Programm zum Ausbau der Kernenergie zu reduzieren, weil wir Probleme und Risiken sehen. ({6}) Der Ansatz muß anders sein. Diese hier vorhandenen Probleme und Risiken müssen deutlich aufgezeigt und analysiert werden, und dann müssen wir uns zunächst im nationalen Bereich, in dem wir die Möglichkeit dazu haben, dann aber auch intensivst im internationalen Bereich um die Lösung dieser vielfältigen Probleme - ich stehe nicht an, das hier zu erwähnen - zu bemühen. Das geht über die Sicherheitsanforderungen und die Harmonisierung und Standardisierung der Sicherheitsanforderungen von Kernkraftwerken und kerntechnischen Anlagen bis hin zu Fragen der Entsorgung, der Endlagerung und der Proliferationsproblematik unter Einbeziehung des Plutonium-Managements. Es ist heute auch über einige EG-Vorlagen zu diesen Themen zu beschließen. Es ist zu begrüßen, daß auch in diesen Vorlagen deutlich zum Ausdruck kommt, welche Bedeutung innerhalb der EG diesen Sicherheitsauflagen, diesen Sicherheitsstandards und der Entwicklung von Maßnahmen zur Erzielung von mehr Sicherheit beigemessen wird. Wir sollten diese Bemühungen nachdrücklich unterstützen. Deswegen begrüße ich für unsere Fraktion diese Vorlagen der EG-Kommission. Es erscheint unverzichtbar, sich über den bisherigen Umfang hinaus einem maßvollen Zubau der Kernenergie zuzuwenden, und zwar aus folgenden Gründen. ({7}) - Ich will auch dieses nicht quantifizieren. Das könnte im übrigen schon wieder den Eindruck erwecken, als wolle das Parlament oder gar die Bundesregierung der privaten Wirtschaft, der Energieversorgungswirtschaft Vorschriften machen, wie viele Anlagen sie bauen solle. Überlassen wir dies doch bitte der Entscheidung der Wirtschaft und der Industrie selbst. ({8}) Ich nehme an, daß wir da übereinstimmen, Herr Kollege Probst. ({9}) - Sie sehen, welche Auswirkungen das alles haben kann. Es ist natürlich zu fragen, ob der von Herrn Zimmermann beklagte und beschriebene Zustand allein von der Bundesregierung zu verantworten ist. Soweit ich darüber informiert bin, liegt die Zuständigkeit für die Genehmigung solcher Anlagen bei den Ländern. Warum läuft denn da nichts? ({10}) Haben Sie vielleicht die Vorstellung, die Bundesregierung solle Einfluß auf Gerichtsverfahren nehmen? Es würde mich doch sehr wundern, wenn Sie einen solchen Standpunkt verträten. ({11}) Die Bundesregierung hat doch keinen Einfluß auf die Dauer von Gerichtsverfahren. Was soll hier also der Vorwurf der Entscheidungsunfähigkeit oder Entscheidungsunwilligkeit der Bundesregierung? Sie müssen hier einmal klar sagen, was die Bundesregierung wo tun kann und wo sie ganz konkret etwas versäumt hat. Diesen Nachweis möchte ich gern sehen. ({12}) - Herr Kollege Hennig, ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben. Ich kann nur feststellen, daß maßgebende Minister, die mit diesem Problem befaßt sind, hier anwesend sind, z. B. der Wirtschaftsminister und der Innenminister, den ich vorhin gesehen habe. ({13}) Ich will kurz ausführen, warum wir für einen maßvollen Zubau eintreten. Es geht zum einen darum, die Technik weiterzuentwickeln in Richtung auf mehr und bessere Sicherheit. Zum anderen geht es darum, Einfluß und Einwirkungsmöglichkeiten auch auf die internationale Entwicklung zu behalten. Wir können uns hier nicht ausblenden, denn dann verlieren wir jedes weitere Mitspracherecht. Es geht auch darum, die Möglichkeit zur Nutzung der Kernenergie zu erhalten. Man kann Technologie und Wissen, man kann Manpower nicht einfrieren und gegebenenfalls nach einer bestimmten Zeit wieder ausgraben. Dieses müssen wir einfach erkennen. Der Verlust an Know-how wäre nicht wieder auszugleichen. Im übrigen sind natürlich auch die Auswirkungen auf die übrigen Industriebereiche zu berücksichtigen. Ich darf in diesem Zusammenhang an den Turbinenbau, den Generatorenbau oder den Transformatorenbau erinnern. Ich möchte schließlich darauf hinweisen, daß wir als Industrienation wohl kaum noch würden bestehen können, wenn wir uns hier auch der Exportchancen begäben. Exportchancen sind nur dann gegeben, wenn wir im eigenen Land zumindest entsprechende Referenzanlagen bauen und betreiben. Auf Blaupausen hin gibt uns heute niemand mehr etwas in der Welt. Wir wollen die Schwierigkeiten und Probleme nicht verkennen, die damit verbunden sind. Deshalb darf ich hier noch einmal sagen: Die Nutzung der Kernenergie, zusammen mit anderen Energietechniken, muß auf Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit hin geprüft werden. Die ökonomischen Auswirkungen sind zu prüfen und zu bewerten. Es muß das Prinzip gelten, daß der Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen hat. Dieses Prinzip ist aber nicht allein auf eine - sagen wir - technische Sicherheit, sondern auch eine Sicherheit der Energieversorgung zu beziehen. Denn ohne ausreichende Energie sind unsere Lebensbedingungen höchst gefährdet. Man mag dies bedauern, man mag dies beklagen, als eine Folge von technischem Fortschritt und technischen Entwicklungen. Aber wir haben uns mit der Tatsache abzufinden, daß wir auch die Folgen des technischen Fortschritts nur dadurch überwinden und negative Auswirkungen vermeiden können, daß wir weiter auf dem Weg des technischen Fortschritts fortfahren, allerdings mit anderen Intentionen, die mehr auf den Schutz von Leben und Lebensbedingungen der Menschen in der Welt gerichtet sind. ({14}) Sicherheit bedeutet aber auch politische Sicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Als rohstoffarmes Land sind wir zur Existenzsicherung auf eine steigende Industrieproduktion angewiesen. Auch im Hinblick auf den erforderlichen Strukturwandel, der sich in der Welt vollziehen wird, müssen wir größere Anstrengungen zur Entwicklung intelligenterer Produkte unternehmen. Eine weitere Komponente möchte ich einführen. Wir sind nicht nur ein rohstoffarmes Land. Als Industrienation und im Verein mit anderen Industrienationen haben wir wohl auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß es keine Verteilungskämpfe zur Deckung der steigenden Energienachfrage gibt. Wir haben die Verpflichtung, zu verhindern, daß es wegen eines solchen Verteilungskampfs zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt. Das Kernproblem bei der Nutzung der Kernenergie - dies möchte ich hier doch noch ansprechen dürfen - ist die Frage der Entsorgung. Ich begrüße auch für meine Fraktion hier ausdrücklich die Vereinbarung vom 28. September. Wir halten es für dringend geboten, daß auf Grund dieser Vereinbarung nun die Entsorgungsgrundsätze angepaßt werden. Dies ist nicht eine Frage, die die Bundesregierung allein durchsetzen kann. Auch hier sind alle Bundesländer aufgefordert. Sie sind gemeinsam für die Lösung des Problems verantwortlich. Es kann wohl nicht angehen - die Stadtstaaten nehme ich da aus -, daß die Bundesländer sagen: Eine Wiederaufbereitungsanlage kommt bei uns nicht in Frage. ({15}) Das bedeutet, daß sie konsequenterweise auch keine Genehmigung für ein Kernkraftwerk erteilen dürfen. ({16}) Denn eine Genehmigungsvoraussetzung ist die Entsorgung, und zwar nicht eine Teilentsorgung, sondern eine Entsorgung nach dem Atomgesetz und den Entsorgungsgrundsätzen. Und die umfaßt nun einmal Zwischenlagerung, Wiederaufarbeitung und gegebenenfalls Bearbeitung von Brennelementen und die sichere Verbringung radioaktiven Abfalls in ein Endlager. Das kann man nicht aufspalten. Man kann auch nicht behaupten, daß die Cogema-Verträge, die nur Dienstleistungsverträge sind, für Zwischenlagerung und Wiederaufbereitung ein Entsorgungsnachweis in vollem Umfang seien. Sie sind nur Überbrükkungsmaßnahmen, zeitlich und mengenmäßig befristet, und können uns bis in die Mitte der 90er Jahre hinüberretten. Aber dann steht die Frage knallhart an, daß die Endlagerung radioaktiven Abfalls, zu dessen Rücknahme von der Cogema eine Verpflichtung besteht, gesichert werden muß. Der Bottleneck und die Kernfrage sind, daß wir mit der Klärung der Frage überkommen müssen: Ist der Salzstock bei Gorleben als Endlager für radioaktiven Abfall geeignet? Dies scheint mir die Kern' frage zu sein. Unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension müssen wir die Lösung dieser Frage vorrangig betreiben. Auch die, die die Kernenergie völlig ablehnen und den sofortigen Bau- und Betriebsstopp verlangen, müßten ein besonderes Interesse daran haben, daß die Erkundungs- und Aufschließungsbohrungen nicht behindert werden, damit nun endlich - lassen Sie mich es etwas salopp sagen - das Loch gefunden wird, in dem man all das Ungeliebte endgültig und unwiederbringlich beerdigen kann. Widerstände hiergegen vermag ich nicht zu verstehen. In letzter Zeit sind nun, wenn ich das noch kurz erwähnen darf, Diskussionen um das Atomgesetz in Gang gekommen, insbesondere um § 7 Abs. 2. Die Juristen sagen, der unbestimmte Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik" müsse durch den Gesetzgeber im Sinne der gebotenen Rechtssicherheit konkretisiert werden. Gerade die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Kernenergie unterliegen einer Dynamik und weisen ein rasantes Tempo auf. Vor dem Hintergrund der Forderung, die Sicherheit von kerntechnischen Anlagen ständig weiter zu verbessern, darf es nach meiner Meinung im sicherheitsrelevanten Bereich keine frühzeitige Festlegung auf Normen oder Standards geben. Hier Klarheit zu verschaffen wird eine unserer parlamentarischen Aufgaben sein. Der nächste Punkt, den ich noch kurz ansprechen darf - bedauerlicherweise ist meine Redezeit abgelaufen -: Die Straffung der Genehmigungsverfahren scheint mir notwendig und möglich zu sein, ebenso die Eindämmung der Dokumentationsflut; denn der steigende Umfang der Genehmigungsunterlagen bringt die Gefahr der Unübersichtlichkeit mit sich und könnte damit neue Sicherheitsrisiken heraufbeschwören. Vor allem aber sollte unser politisches Bemühen dahin gehen, die Gerichtsverfahren zu straffen und zu beschleunigen. Ich möchte abschließend bemerken: Internationale Regelungen im Interesse der Sicherheit von kerntechnischen Anlagen sind wichtig, und wir unterstützen die Bundesregierung nachdrücklichst in ihren Bemühungen, solche zu erwirken. Ebenso unterstützen wir die Aktivitäten der Bundesregierung auf der INFC-Konferenz. Eine internationale Kooperation bietet die beste Gewähr dafür, daß Proliferationsprobleme gar nicht erst entstehen. Diese können nicht allein mit technischen Maßnahmen bewältigt werden, sondern hier geht es vorwiegend um politische Maßnahmen. Internationale vertragliche Vereinbarungen sind deshalb vonnöten. Die Bemühungen der Bundesregierung werden von meiner Fraktion nachdrücklichst unterstützt. ({17})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Große Anfrage der Opposition, weil sie Gelegenheit gibt, die Grundzüge der Energiepolitik in einer energiepolitisch - vor allem was die außenwirtschaftlichen Bedingungen anbelangt - sehr schwierigen Phase noch einmal darzulegen. Ich nehme die kritische Anmerkung des Kollegen Laermann gerne zur Kenntnis, der gemeint hat, er hätte an Stelle der Bundesregierung alle Fragen schlicht mit Ja beantwortet und sich dadurch die Sache einfacher gemacht. ({0}) Wir haben im Bundeskabinett darüber diskutiert, wieviel Kürze man der Opposition bei der Beantwortung einer solchen Großen Anfrage zumuten dürfe, ohne unhöflich zu sein, und sind zu dem Ergebnis gelangt, kurz, bündig und eindeutig zu antworten, so wie es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" dann kommentiert hat: zur Überraschung der Opposition sehr eindeutig. Natürlich spielt das Thema Kernenergie in dieser Anfrage und in dieser Debatte eine hervorragende Rolle. Aber das Thema Kernenergie ist in die Gesamtszene unserer Energiepolitik eingebettet. Sie erwarten daher, wie das vorhin in der Debatte angeklungen ist, von mir mit Recht ein breiteres Bild unserer aktuellen Energiesituation und ihrer künftigen Perspektiven. Gerade die jüngsten Ereignisse im Iran werfen für die stark energieimportabhängigen Länder wie die Bundesrepublik erneut - und aus der Sicht des Bürgers ja durchaus berechtigt - die Frage auf, ob wir unmittelbar vor einer Energiekrise stehen und wie wir dafür national und international gerüstet sind. Über die Bedeutung des Iran für den Welterdölmarkt haben wir in diesem Hause erst am 15. November 1979 anläßlich der Verabschiedung der Novelle zum Energiesicherungsgesetz gesprochen. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Aber ein Wort zu den jüngsten Daten über die aktuelle Versorgungslage. Zunächst die internationalen Daten: Die kurzfristige Versorgung ist - bei allen Unwägbarkeiten der Entwicklung im Iran - nach wie vor gesichert. Insofern ist die Situation heute deutlich besser, als das noch bis zum Sommer vorhersehbar war, Die Weltrohölproduktion ist im ersten Halbjahr 1979 um 5,4 % gestiegen. Die 20 Mitgliedstaaten der Internationalen Energie-Agentur, die mehr als die Hälfte des Weltenergiebedarfs auf sich vereinigen und mehr als 80 % der Ölausfuhr der OPEC-Staaten aufnehmen, verfügen gegenwärtig über rund 410 Millionen Tonnen Bestände. Das sind 25 Millionen Tonnen mehr als vor der Iran-Krise zu Beginn dieses Jahres. Durch die Wiederindienststellung stillgelegter Tanker schwimmt auf den Meeren eine zusätzliche Reserve von 10 bis 15 Millionen Tonnen; der „Tankerfriedhof" in der Geltinger Bucht ist leer. Ebenso ist die Versorgungslage der Bundesrepublik Deutschland insgesamt als gut zu bezeichnen. Die Rohöleinfuhren erhöhten sich im Zeitraum Januar bis September 1979 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 15,6 %. Die Einfuhren an Fertigerzeugnissen gingen um rund 10 % zurück. Insgesamt liegt damit die Zufuhr von Mineralöl mit plus 7 % wesentlich über der Zuwachsrate des Inlandabsatzes. Daraus ergibt sich ein erfreulicher Aufbau der Vorräte, die Ende Oktober 1979 für 116 Tage reichten; das sind vier Tage mehr als zum entsprechenden Vorjahreszeitpunkt. Auch die Bestände in den Heizöltanks der Verbraucher haben inzwischen wieder das Vorjahresniveau erreicht. Wir sind für den bevorstehenden Winter gut gerüstet. Allerdings, meine Damen und Herren: Zur Selbstzufriedenheit oder gar zum Ausruhen auf diesem Polster besteht überhaupt kein Anlaß. Die Situation im Iran und die Unruhe, die auch andere Teile der islamischen Welt zu erfassen scheint, unterstreichen deutlich Labilität und Risiken der künftigen, längerfristigen Versorgungslage. Die gegenwärtigen Preisbedingungen sind für niemanden mehr kalkulierbar. Sie sind auch nicht mehr ökonomisch nachzuvollziehen, und sie sind nun wirklich kein Beweis für eine verantwortungsbewußte, die weltweiten Wirtschaftsabläufe berücksichtigende Preispolitik der OPEC-Mitglieder. Täglich werden neue Preisabschlüsse gemeldet. Der OPEC-Preis für Rohöl liegt weltweit um zirka 64% über dem Preis vom Dezember 1978. Die Durchschnittspreise für in die Bundesrepublik Deutschland eingeführtes Rohöl stiegen von 197 DM je Tonne im Oktober 1978 auf 320 DM je Tonne im Oktober 1979. Das ist eine Steigerung um mehr als 62 %. Der Anstieg der deutschen Verbraucherpreise war bei Benzin und Dieselkraftstoff mit 14 bis 18 % noch relativ gering, während sich die Preise für leichtes Heizöl fast verdoppelten. Die Forderung nach bezahlbarer Energie, Herr Kollege Zimmermann, die Sie aufgestellt haben, klingt gut - es wäre auch sehr erfreulich, wenn die Bundesregierung die Möglichkeit hätte, dieses „bezahlbar" darzustellen -, aber wie wir das machen sollen, haben Sie uns bisher nicht verraten. Sie werden es auch nicht verraten können, weil Sie es selbst nicht wissen. Beunruhigend, meine Damen und Herren, ist die jüngste Entwicklung auf den Spot-Märkten. In Rotterdam liegen die Rohölpreise um bis zu 50 % über dem offiziellen Preisniveau, wobei ich hinzufüge: was immer das offizielle Preisniveau heute eigentlich sein mag. Allgemein zeichnet sich - das ist jedenfalls mein Eindruck - in der Preispolitik der ölproduzierenden Staaten in der letzten Zeit eine immer stärker werdende Tendenz zu autonomer Preisfestsetzung außerhalb der OPEC-Preisrunde ab. Wir betrachten dies mit großer Sorge, da dieses Verhalten zu ständigen Preiseskalationen führt. Wir haben abzuwarten - hoffentlich mit positiven Resultaten -, ob die OPEC-Konferenz in Caracas, die sich hier ein mehr einheitliches Verhalten zum Ziel gesetzt hat, erfolgreich sein kann. Wenn man die Entwicklung dieses internationalen Ölkartells einmal betrachtet, so ist es schon eine kuriose Situation, daß wir heute diejenigen sind, die am Funktionieren dieses Preiskartells interessiert sein müßten; denn die Preise, die von uns gefordert werden, brechen immer nach oben weg, leider niemals nach unten. Hinzu kommt die offensichtlich gezielte Veränderung der traditionellen Absatzstrukturen durch die Förderstaaten. Diese Entwicklung hat bereits 1973 begonnen. Sie wird jetzt verstärkt fortgesetzt und führt zu einer verminderten Flexibilität des internationalen Verteilungssystems, deren Auswirkungen wir, die Ölverbraucherländer, sehr sorgfältig verfolgen müssen. ({1}) Meine Damen und Herren, es genügt aber natürlich nicht, die Ölpreisexplosion zu beklagen und für die Risiken unserer längerfristigen Ölversorgung die politische Instabilität von Förderländern verantwortlich zu machen. Wir müssen davon ausgehen, daß sich der Weltenergiebedarf bis zum Jahre 2000 verdoppelt und bis 2030 sogar auf das Drei- oder Vierfache ansteigt. Ursächlich hierfür sind vor allem Bevölkerungswachstum der Entwicklungsländer und deren beträchtlicher industrieller Nachholbedarf. Dieser steigenden Nachfrage steht aber nur ein begrenztes Angebot vor allem des auf Jahre hinaus noch wichtigsten Energieträgers, des Öls, gegenüber. Der Nachweis neuer Ölvorkommen hält mit dem Anstieg des Verbrauchs nicht mehr Schritt. Die Erschöpfung der aus heutiger Sicht förderbaren Ölreserven zeichnet sich also ab. Es ist daher weder überraschend noch unökonomisch, wenn die Ölstaaten ihre knapper werdenden Vorräte zunehmend schonen. So hart diese Haltung für die Verbraucher leider sein mag, sie sollte nicht als reine Willkür verteufelt werden. Schließlich darf es nicht wundernehmen, daß es manchem Produzentenland sicherer erscheint, das 01 vorläufig im Boden zu lassen, als jetzt für überschüssige Erlöse weltweit nach günstigen Anlagemöglichkeiten zu suchen, die nicht von der Inflation bedroht sind. Wir müssen anerkennen, daß insbesondere die arabischen OPEC-Länder in den vergangenen Jahren erhebliche Inflationsverluste hinnehmen mußten und auch die Absorptionsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaften durch nur mittel- und längerfristig zu ändernde strukturelle Faktoren begrenzt bleibt. Aus alledem folgt - ich betone dies ganz bewußt -: Die Welt muß sich darauf einstellen, daß Energie - nicht nur 01 - knapp und deshalb teuer ist und auch teuer bleibt. Bis zum Zweiten Weltkrieg war dies im übrigen für unser Land eine Selbstverständlichkeit, die andere Völker heute erst lernen müssen. Diese geschichtliche Erfahrung gehört sicherlich mit zu den Gründen, warum bei uns Wirtschaft und Verbraucher positiv auf die Anregung zur Energieeinsparung reagieren. Dies, so meine ich, sollten wir hier einmal klar sagen: Das Interesse der deutschen Bürger an Möglichkeiten zur Energieeinsparung ist hervorragend. Ausnahmen wird es immer geben. Ich finde es durchaus nicht zufriedenstellend, wenn sich nach jüngsten Umfragen noch rund 20 % der Autofahrer auf unseren Autobahnen keineswegs energiebewußt verhalten. Von der Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbegrenzung bin ich aber ebensowenig beeindruckt, wenn ich von einem unserer Nachbarländer erfahre und höre, daß ein solches Verbot von mehr als 33 % der Autofahrer übertreten wird. Mir scheint, daß hier ein erneuter Appell - ich benutze die heutige Gelegenheit, ihn zu wiederholen - an die Einsicht unserer Bürger angebracht ist. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber die altmodische Bemerkung hinzufügen, daß Appelle nur dann etwas helfen, wenn derjenige oder diejenigen, die sie von sich geben, sich auch selber danach richten und sich vorbildlich verhalten. ({2}) Ich bin nicht sehr angetan davon, daß Geschwindigkeitskontrollen in Bonn jetzt auch von anderen als der Polizei wahrgenommen werden. Ich frage mich, ob das eigentlich ein sinnvoller Weg ist. ({3}) Die Ergebnisse, die sich dann in den Zeitungen finden, sind aber ebensowenig erfreulich. ({4}) In der internationalen Klassifizierung der Einsparpolitiken liegen wir gut, aber die konsequente Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Einschrän14828 kung der Nachfrage nach 01 ist sicherlich noch nicht am Ende. Leider - auch diese Erfahrung müssen wir akzeptieren - erfordern Strukturveränderungen in der Produktion und im Verbrauch von Energie Zeit, Geld und Geduld. Trotzdem: Unsere Chancen, die international vereinbarten Ziele zu erreichen, d. h., den Ölverbrauch und damit die Öleinfuhren zu senken, sind gut. Es ist eine Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland bereits seit 1974 bei ihren kurz- und mittelfristigen Maßnahmen - anders als manche unserer Partner - das Schwergewicht eindeutig auf die Energieeinsparung legte. Als Beispiele nenne ich das 4,35-Milliarden-Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen in bestehenden Gebäuden und die WärmedämmNormen für neue Gebäude, die Förderung der Fernwärme, die steuerlichen Anreize für energiesparende Investitionen in der Industrie, das Markteinführungsprogramm für energiesparende Technologien und Produkte, die Maßnahmen zur Aufklärung der Verbraucher und schließlich die Kataloge der Beschlüsse vom 16. Mai und vom 12. September dieses Jahres bis hin zum Energieeinsparungsgesetz von 1976, das gegenwärtig zur Novellierung ansteht. Ich kann auf eine weitere Auflistung der Einsparmaßnahmen verzichten; sie sind Ihnen bekannt. Aber ich darf zwei Anmerkungen machen: Erstens. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Energieeinsparung unterstützen in erster Linie die Kräfte des Marktes, d. h. den Preis als Steuerungsinstrument. Wer Zweifel am Erfolg dieser Strategie hat, mag Seite 316 im neuesten Sachverständigengutachten aufschlagen. Dort heißt es - ich zitiere -: Ein Setzen auf die Wirksamkeit des Preismechanismus in der Erwartung, daß real steigende Preise Einspareffekte bewirken werden, ist insoweit schon Energiepolitik, als sie das Durchwirken steigender Erdölpreise auf den Endverbrauch zuläßt. Nicht in jedem Industrieland ist dies erklärte Politik. Die Bundesrepublik tut gut daran, auf dieser Linie fortzufahren. Ich gebe zu, daß es manchmal international schwierig ist, verständlich zu machen, daß dieser Einsatz der Marktkräfte zur Energieeinsparung nicht bloßes Zuschauen, nicht laissez-faire bedeutet, sondern eine mutige und langfristig angelegte politische Entscheidung erfordert. ({5}) Zweitens. Wem dies zu allgemein ist, der kann konkretere Resultate zur Effizienz marktmäßiger Bewältigung von Verknappungserscheinungen beim 01 in einer neuen Untersuchung des als kritisch bekannten Kieler Instituts für Weltwirtschaft finden, die auf dem Ölpreisschock von 1973/74 basiert. Die Ergebnisse lauten in Kurzfassung: Seit 1973/ 74 ging die deutsche Einfuhr von Mineralöl nach der Verdoppelung des relativen Preises insgesamt um 20 % zurück. Seit 1974 nimmt die Einfuhr von Mineralöl im Trend nicht mehr zu. Das heißt: es wurde ein langfristiger Anpassungsprozeß ausgelöst. Als Reaktion auf die Verdoppelung des relativen Heizölpreises gab es einen kurzfristigen Einspareffekt von etwa 10 %. Entscheidend ist aber die Veränderung im langfristigen Verbraucherverhalten. Die verstärkte Nachfrage nach alternativen Energieträgern sowie baulichen Veränderungen haben wesentlich dazu beigetragen, daß der bis 1973 steigende Trend des Heizölverbrauchs durch eine Stagnation abgelöst wurde. Für Motorenbenzin gilt, daß sein Preis in den vergangenen 15 Jahren insgesamt nicht stärker gestiegen ist als das Niveau der allgemeinen Verbrauchsgüter. Das erklärt, daß sich der langfristige Verlauf nicht verändert hat. Kurzfristig jedoch reagieren die Verbraucher auch hier durchaus preisbewußt. Es gibt eine Elastizität der Nachfrage in bezug auf den relativen Preis. Nun wissen wir alle, meine Damen und Herren, daß Einsparpolitik über den Preis nicht ausreicht und natürlich auch sozial ihre Grenzen hat. Deshalb kann auch unser Land nicht auf „incentives", auf Anregungen und Eingriffe, verzichten. Der durchaus stattliche Katalog deutscher Einsparpolitik auf dieser Basis wird bei nationaler und internationaler Kritik manchmal ganz gern übersehen. Aber lassen Sie mich auch sagen: Ich bin ganz entschieden gegen Aktionen, nur um Aktivität unter Beweis zu stellen. Dies gilt auch für eine Aktion, die der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten zur Diskussion stellt. Er wirft die Frage auf, ob nicht die Energieeinsparung durch eine Energiesteuer beschleunigt werden könnte, insbesondere durch Erhöhung der Mineralölsteuer auf Motorenbenzin und Heizöl. Ich denke, meine Reaktion wird niemanden überraschen: Ich bin kein Anhänger einer solchen staatlich verordneten Preisanhebung, so bestechend sie theoretisch auf den ersten Blick auch erscheinen mag. Lassen Sie mich hier einen Einschub machen. Herr Kollege Probst hat eben in einem Zwischeruf eingeworfen, Lambsdorff sei für Bewirtschaftung. Er bezieht sich dabei - insofern ist sein Irrtum erklärlich - auf einen Zeitungskommentar, der gestern nach meiner Rede in Kassel veröffentlicht wurde, in der ich zum xten Male darauf hingewiesen habe, daß wir, wenn es zur Unterdeckung von 7 % kommen sollte und der internationale Krisenmechanismus gezogen wird, nach den Vorschriften der Internationalen Energie-Agentur - wie alle ihre Mitglieder - verpflichtet sind, Verbrauchseinschränkungen eventuell bis hin zu einem Zuteilungssystem mit allen Folgen einzuführen. ({6}) Was mich daran bestürzt, Herr Probst, ist, daß die deutsche Öffentlichkeit, selbst die fachkundige Diskussion -- wenn ich Sie dazu rechnen darf -, von dieser Tatsache, die überhaupt nicht wegzuleugnen ist, einfach keine Kenntnis nehmen will, sondern sich jedesmal überrascht gibt, wenn man auf diesen längst bekannten, hier im Hause mehrfach vorgetragenen Tatbestand hinweist. Wenn es zu einer Verknappung des Angebots kommt, das die 7%-Grenze überschreitet, und zwar für ein einzelnes MitgliedsBundesminister Dr. Graf Lambsdorff land der IEA, aber erst recht für den Gesamtbedarf der Länder der Internationalen Energie-Agentur, kann der Mechanismus der Bewirtschaftungsvorschriften auf Grund einer internationalen Vereinbarung, der wir alle zugestimmt haben, ausgelöst werden. ({7}) - Natürlich. Die anderen haben sogar den Vorschlag gemacht. Schon vor wenigen Monaten, Herr Kollege Glos, hatte die schwedische Regierung in der Internationalen Energie-Agentur dargelegt: „Wir liegen bei etwa minus 8 %. Setzt das Verfahren in Gang!" Wir haben dann Absprachen getroffen, um die schwedische Versorgung zu verbessern und eine Auslösung des Krisenmechanismus zu verhindern. Es muß jedermann klar sein, daß wir mit unserer Einsparpolitik, mit dem Einsparen durch jeden einzelnen Bürger, auch dazu beitragen, diese höchst unerwünschte Konsequenz auszuschließen und von uns zu wenden. Es darf niemand so tun, als gäbe es diese Bedrohung nicht. ({8}) Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Vorschlag des Sachverständigenrates zurück. Eine Politik der gezielten Energiesteuererhöhung widerspräche nach meiner Auffassung unserer marktwirtschaftlichen Orientierung der Energiepreispolitik an der Entwicklung der Weltmarktpreise. Aber es gibt auch andere Gründe. Niemand kann beispielsweise den langfristigen Ölpreistrend voraussehen, an dem sich eine solche Steuer orientieren müßte. Wir würden für unsere Wirtschaft Wettbewerbsprobleme gegenüber unseren Partnern schaffen; denn es ist sicher unrealistisch, anzunehmen, daß wir einen internationalen Gleichklang in der äußerst sensiblen Frage der Preissetzung für Mineralöl erreichen könnten, ganz abgesehen davon, daß wir mit einer künstlichen Erhöhung des Ölinlandspreisniveaus den Ölländern Anlaß zur erneuten Preisanhebung geben würden. Nochmals: Ich bin fest davon überzeugt, daß in erster Linie unsere am Weltmarkt orientierte Preispolitik im Mineralölbereich - d. h. weder künstliche Verteuerung noch künstliche Herabsubventionierung - den gewünschten und notwendigen Anstoß zum Energieeinsparen beim privaten Verbraucher und auch in der Wirtschaft gegeben hat und auch weiter geben wird. Der Herr Kollege Wolfram hat in diesem Zusammenhang das Thema der Gewinne der Ölgesellschaften angesprochen. Ich bin in der Beurteilung dieses Vorgangs mit ihm einig. Ich möchte gerne ganz kurz auf zwei dabei von ihm erwähnte Punkte eingehen. Wir bemühen uns seit einigen Monaten um eine Übereinkunft mit der Mineralölwirtschaft hinsichtlich der Möglichkeit, die Zahlen, die Erträgnisse der Mineralölgesellschaften offenzulegen, d. h. der Öffentlichkeit mitzuteilen. Bisher sind diese Bemühungen nicht von Erfolg begleitet gewesen. Das, was uns als zur Veröffentlichung freigegeben zur Verfügung gestellt wird - Sie wissen, daß wir die Zahlen bekommen, diese aber selbstverständlich, so, wie sich das gehört, vertraulich behandeln müssen und auch behandeln -, ist nach unserer Auffassung nicht vergleichbar und ist deshalb keine sachgerechte Information. Wenn sich die Bundesregierung schon überhaupt entschließen könnte, selber - und das birgt immer die Gefahr in sich, daß man ein amtliches Gütesiegel auf solche Zahlen prägt, das ihnen nicht zusteht - oder durch eine Bundesoberbehörde derartige Ziffern zu veröffentlichen, dann müssen wir selbst davon überzeugt sein, daß sie einen zuverlässigen Informationswert haben. Sonst würden wir dazu beitragen, daß die .Öffentlichkeit unzuverlässig informier würde. Dies wollen wir nicht. Wir wollen dieses Gespräch weiter führen. ({9}) Zweiter Punkt, Herr Wolfram: die Einschaltung der Kartellbehörden: Sie wissen, daß die Bundesregierung seit langer Zeit darum bemüht ist, gerade auf dem Gebiete des internationalen Kartellrechts Fortschritte zu erzielen, die Zusammenarbeit zwischen wenigstens den großen Wirtschaftsländern der westlichen Welt zu fördern. Aber die Fortschritte auf diesem Gebiet sind bisher sehr gering. Wir haben mit den Vereinigten Staaten eine gewisse Übereinkunft erzielen können. Mit unseren Partnern in Japan ist dies bisher nicht möglich gewesen. Dort gibt es nicht einmal ein nationales Kartellgesetz. Ich möchte deswegen davor warnen, die Möglichkeiten der Kartellbehörden, und zwar sowohl der nationalen wie die der Europäischen Gemeinschaft, zu überschätzen. Der Kartellamtspräsident hat einmal gesagt: „Meine Kanonen schießen nur bis Aachen." Dies ist zutreffend. Wir haben die Möglichkeiten nicht zur Verfügung und werden sie auch in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung bekommen, die wir brauchten, um die Eingriffe vornehmen zu können, die Sie für wünschenswert halten. Ich teile die Beurteilung, daß sie wünschenswert wären. Letztlich, ein dritter Punkt, Herr Kollege Wolfram: windfall profits. Ich bin der Meinung, daß ordnungspolitisch die Besteuerung von windfall profits gerechtfertigt und notwendig ist. ({10}) Darüber kann man Streit führen. Es gibt aber nach meiner Kenntnis kein einziges Förderland, in dem insbesondere die Förderung von Rohöl nicht an der Quelle mit einer Zusatzsteuer oder Konzessionsabgabe, was immer es ist, belegt wird. Nur: ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundesregierung angesichts einer sehr schwierigen finanzverfassungsrechtlichen Lage, die sich bei der Prüfung der möglichen Besteuerung aufgetan hat, mit der niedersächsischen Landesregierung dahin übereingekommen war, daß durch Erhöhung des Förderzinses zwischen der niedersächsischen Landesregierung und den Fördergesellschaften - dies ist eine privatrechtliche Vereinbarung - das Problem gelöst werden könnte und gelöst werden sollte. ({11}) Wir haben diesen Weg deswegen als den einzig erfolgversprechenden angesehen, weil er dazu führt, daß gezahlt wird und nicht in Karlsruhe prozessiert wird, wovon wir alle nichts gehabt hätten. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung sich die Aussage, Frau Breuel habe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion diese Dinge geregelt, nicht zu eigen machen kann. Wir haben erklärt: das, was dort vereinbart worden ist, enspricht zwar nicht voll unseren Vorstellungen, wir hätten die Ölgesellschaften gern etwas mehr zur Kasse gebeten, aber wir halten es unter den gegebenen Umständen für vertretbar. ({12}) - Über das Bundesberggesetz, Herr Kollege Wolfram, werden wir miteinander zu sprechen haben. Ich könnte mir auch vorstellen, daß der Herr Ministerpräsident Stoltenberg hier eine gewisse Großzügigkeit an den Tag legen kann, weil in seinem Land keine windfall profits anfallen, jedenfalls nicht in großem Umfang. ({13}) - Herr Stoltenberg, wenn das wirklich so ist, dann müssen wir Sie auch noch auffordern, schleunigst eine entsprechende Vereinbarung mit den Mineralölgesellschaften zu schließen. ({14}) Aber wir wissen ja, daß der Löwenanteil der Förderung in Niedersachsen liegt. Nun zu den mittel- und langfristigen Perspektiven für unsere Energieversorgung. In der Frage der mittel- und langfristigen Substitutionsmaßnahmen zum Öl besteht unter den westlichen Industriestaaten Einigkeit, daß Kohle und Kernenergie die beiden Hauptstützen der künftigen Energieversorgung sein werden. Alternative Energiequellen - Sonne, Wind, Biomasse - können allenfalls sehr langfristig einen wesentlichen Anteil an der Energieversorgung übernehmen, und ich bitte, sehr genau zuzuhören: langfristig einen wesentlichen Anteil übernehmen. Hierzu stellt auch der Sachverständigenrat fest: „Mit der Substitutionsstrategie werden in der Öffentlichkeit die größten Hoffnungen verbunden. Auf mittlere Frist gesehen, kann Öl vor allem durch Steinkohle und Kernenergie, in Grenzen auch durch Erdgas und Braunkohle ersetzt werden.' Wie sieht es konkret bei uns aus? In der Bundesrepublik entfällt heute bereits der größte Teil der Stromerzeugung auf Stein- und Braunkohle. 1978 waren es 25,3 % Braunkohle und 28,9 % Steinkohle, zusammen 54,2 %. Hier zahlt sich aus, daß wir die Steinkohle als bedeutsamsten heimischen Energieträger und gleichsam als nationales Sicherheitspolster bereits seit Jahren mit Milliardenbeträgen unterstützt haben, im Jahre 1978 allein mit 6 Milliarden DM. Das ist das Ergebnis einer gezielten, wie wir heute wissen, richtigen Politik. Damals waren diese Aufwendungen mit vielen Fragezeichen versehen. Die sogenannten „Kohlefraktionen" in den Parlamenten wurden gelegentlich hämisch glossiert. Heute wissen wir: diese Politik war richtig und hat zu für uns durchaus erleichternden Ergebnissen geführt. ({15}) Die Kohle wird - Herr Kollege Wolfram hat darauf hingewiesen - in Zukunft nicht nur in wachsendem Maße zur Stromerzeugung dienen, sondern im Zuge fortschreitender Erhöhung der Ölpreise auch allmählich wieder unter die Kessel der verschiedenen Industriezweige zurückkehren. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung, um die Möglichkeiten zur 01-substitution im industriellen Bereich zu erweitern, das Zollkontingent für Importkohle für diesen Zweck um 1,1 Millionen Tonnen aufgestockt. Meine Damen und Herren, ich habe den Antrag des Landes Schleswig-Holstein, das Importkontingent zu verdoppeln, außerordentlich begrüßt, und zwar deswegen, weil sich unter dem Schutzmantel dieses übertriebenen und mit Rücksicht auf die deutsche Steinum kohle nicht vertretbaren Antrages die Erhöhung m die 1,1 Millionen Tonnen ganz reibungslos und ohne Schwierigkeiten durchsetzen ließ. Insofern bin ich dem Herrn Ministerpräsidenten Stoltenberg für seine Schützenhilfe sehr dankbar. ({16}) Was im übrigen den bisherigen Abruf der Wirtschaft von rund 10 % des Erhöhungsspielraums nach der Aufstockung angeht, so ist er enttäuschend, aber nicht überraschend. Die Umstellung der Kessel von Öl auf Kohle bedeutet nun einmal investieren und in den meisten Fällen auch die Notwendigkeit neuer Genehmigungen mit Umweltauflagen. Ich habe auch Verständnis dafür, daß die Wirtschaft bei dieser kostenmäßig keineswegs ungewichtigen Umrüstung von Öl auf Kohle eine langfristig gesicherte Versorgung - langfristig! - mit preiswerter Kohle gewährleistet sehen will. Die Bundesregierung wird zu Beginn des nächsten Jahres über ein Programm zur Kohleveredlung entscheiden. In dem Zusammenhang werde ich dem Bundeskabinett, wie der Kollege Wolfram das eben erwähnt bzw. angeregt hat, auch Vorschläge zur langfristigen Weiterführung der Kohlepolitik unter Einschluß der Importkohle vorlegen. Ich will dem heute nicht vorgreifen und bitte deswegen auch den Kollegen Narjes bezüglich seiner Bemerkung am 15. November in diesem Hause noch um etwas Geduld. Ich hatte an sich angenommen, Herr Narjes, wir könnten heute noch ein paar Fragen, die Sie im Laufe der Zeit gestellt haben, beantworten. Ich bin aber durch Erfahrung gewitzt, meine Damen und Herren: Wenn ich den Kollegen Narjes nicht mehr auf der Rednerliste entdecke - eigentlich ist er als energiepolitischer Sprecher dafür vorgesehen -, dann schalte ich morgens um 7.15 Uhr den „Deutschlandfunk" an. Da bekomme ich die Fragen auch serviert, Herr Narjes. ({17}) Irgendwo muß man ja die Möglichkeit haben, seine Reden loszuwerden, und Sie haben das heute morgen getan. Herr Narjes, mir kam es darauf an, hier noch einmal eine Frage zu bestätigen, die Sie in der Debatte zum Energiesicherungsgesetz aufgeworfen hatten. Wir wollen die Aktivitäten der Deminex selbstverständlich weiter fördern. Wir sind daran interessiert, daß wir auf diese Weise etwas dazu beitragen, unsere nationale Basis für eine eigene Rohölproduktion mit eigenen Konzessionen und eigenen Fördermöglichkeiten zu verbessern. Nur sollte man sich über die Begrenztheit der Möglichkeiten - wir haben damals schon darüber gesprochen, daß die Welt auf diesem Sektor eigentlich verteilt ist - keine Illusionen machen. Ich will Ihnen dazu nur zwei Zahlen geben, meine Damen und Herren. Die Deminex hat in den Jahren 1975 bis 1978 für Exploration und Kauf von Feldern 2,2 Milliarden DM ausgeben können. Die Exxon hat im gleichen Zeitraum 32 Milliarden DM ausgeben können. Das sind die Größenordnungen und Unterschiede, mit denen wir es zu tun haben. Manchmal ist es vielleicht ganz gut, man führt sich Zahlen zu Gemüte, um zu erkennen, wie klein die Bundesrepublik eigentlich, wenn wir einmal alles zusammen sehen, in Wirklichkeit ist. ({18}) - Nein, fündig ist man mit 2,2 Milliarden DM noch nicht. Gefunden worden ist bisher noch nichts von Gewicht. Das ist leider richtig, Herr Wolfram. Aber der Einkauf in ein fündiges Feld ist gelungen. Meine Damen und Herren, jede realistische Analyse unserer Energieversorgungslage zeigt, daß wir auf den Beitrag der Kernenergie zur Deckung unseres Energiebedarfs angewiesen sind. Diese Feststellung gilt sowohl international, und zwar nicht nur für die wichtigsten westlichen Industrieländer, sondern auch besonders für den Comecon-Bereich, als auch für unsere spezifisch deutsche Situation. Damit komme ich zum eigentlichen Anlaß der heutigen Debatte. Betrachten wir zunächst die Lage der Kernenergie im Ausland. Frankreich verfolgt sein Ziel, im Jahre 1985 die Hälfte seines Strombedarfs aus Kernenergie zu decken, mit großem Nachdruck. Neben den 14 bereits betriebenen Kraftwerken werden gegenwärtig 35 weitere gebaut. Zusätzlich befinden sich 20 Anlagen in der Planungsphase. Auch Großbritannien, das gegenwärtig über 19 Kernkraftwerke verfügt, strebt die verstärkte Erzeugung von Nuklearstrom an. Selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen es nach dem Reaktorunfall von Harrisburg zu einer Pause in der Erteilung von Genehmigungen gekommen ist, wird allgemein damit gerechnet, daß die heute in Bau befindlichen rund 90 Kernkraftwerke in Betrieb genommen werden. Die für 1990 erwartete amerikanische Kernkraftwerkskapazität von rund 140 000 MW dürfte einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der amerikanischen Ölabhängigkeit und Ölimportabhängigkeit leisten. Ebenso setzt der Ostblock sein Ausbauprogramm fort. Zwar beobachten wir erstmals auch in der Sowjetunion eine Zunahme von sicherheitstechnischen, ökologischen und standortpolitischen Problemen und Diskussionen, aber das ändert nach deutlichen Verlautbarungen der sowjetischen Regierung nichts an der Grundsatzentscheidung für die Kernenergie und nichts an der Entschlossenheit, das Programm auch zügig zu verwirklichen. Ich sagte, daß wir auf die Nutzung der Kernenergie nicht verzichten können. Der weitere Ausbau der Kernenergie in der Bundesrepublik ist notwendig und, wie wir in der Antwort auf die Große Anfrage erneut ausgeführt haben, auf Grund des erreichten hohen Sicherheitsstandards auch vertretbar. Lassen Sie mich aber gleichzeitig hinzufügen, daß es keinen Zweifel daran gibt, daß der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Kernenergie Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen zukommt. Dennoch dürfen wir ökonomische Aspekte nicht außer acht lassen. Die Kernenergie hat bei der Stromerzeugung nach wie vor einen klaren Kostenvorsprung vor der Kohle und dem 01. Gerade angesichts der zielbewußten Energiepolitik unserer Nachbarländer ist es dringend erforderlich, die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Strompreisniveaus und damit unserer Industrie und unserer Wirtschaft insgesamt zu erhalten. Der Verzicht auf den Bau von weiteren Kernkraftwerken in der Bundesrepublik würde nicht nur in der deutschen Nuklearindustrie direkt viele hochspezialisierte Arbeitsplätze und damit einen wesentlichen Teil unserer international renommierten Spitzentechnologie vernichten, sondern indirekt auch noch viel weitergehende Wirkungen haben. Letztlich könnte dies ein Beitrag zum Abschied vom Industriestaat werden. ({19}) Schließlich muß auch gesehen werden: Eine Ausweitung der Anwendungsbereiche der Kohle ist nicht ohne sorgfältige Überprüfung der damit verbundenen Umweltbelastungen möglich. Anders ausgedrückt, das Problem des Kohlendioxids stellt sich bei der Kernenergie nicht. ({20}) Meine Damen und Herren, die Unsicherheiten, die sich nach der Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung vom Mai dieses Jahres im Bereich der Entsorgung ergeben hatten, sind durch den Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 28. September 1979 beseitigt worden. Wir haben uns für das weitere Vorgehen einen festen Terminplan gesetzt. Die Bundesregierung hat mit ihrer Antwort auf die Große Anfrage bekräftigt, daß sie die dort vereinbarten Schritte in ihrem Verantwortungsbereich zügig durchsetzen wird. Sie erwartet dies - und das steht ebenfalls in der Antwort - auch von den Ländern, die dies in der zügigen Behandlung anstehender Genehmigungsverfahren zum Ausdruck bringen können. Herr Kollege Zimmermann, ich wehre mich gegen die Formulierung, wir sollten die Probleme nicht auf die Länder abschieben, weil in ihr mindestens das Mißverständnis liegen kann, daß irgend jemand hier im Hause glaubte, das ginge ohne Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. ({21}) Keiner kann für sich allein dieses Programm durchsetzen und Fortschritte erzielen. ({22}) Wir sollten aber auch kein Schattenboxen aufführen und sollten nicht so tun, als gäbe es nicht auf allen Ebenen neben den rechtlichen und technischen Problemen handfeste praktische und politische Schwierigkeiten, übrigens, wie wir alle wissen, keineswegs nur im Bereich der Kernenergie, sondern ebenso im Bereich von Kohlekraftwerken und anderen Industrieanlagen. ({23}) Ich werde daran alle Redner, die mutig für die Kohleveredelungsanlagen eintreten, erinnern, wenn es um die Frage der Auswahl von Standorten für diese Anlagen geht. ({24}) - Mit dem Kollegen Baum gibt das überhaupt keine Probleme, meine Damen und Herren. Dies alles sind - ich komme darauf noch zurück - Probleme des Sankt-Florian-Prinzips. Ich habe schon in einer der letzten Debatten die Opposition aufgefordert: Sorgen Sie doch einmal dafür, daß ein Antrag auf Erteilung einer ersten Teilerrichtungsgenehmigung für ein Kernkraftwerk auf den Tisch der Bundesregierung kommt, und stellen Sie uns auf die Probe. ({25}) Es ist doch nicht zu übersehen, daß der letzte Antrag - der für Philippsburg II - jetzt zweieinhalb Jahre zurückliegt, und es ist ebenso wenig zu übersehen, daß die Probleme vor Ort allen Landesregierungen - gleichgültig, ob sie sozialliberal oder CDU/CSU-geführt sind - die gleichen Schwierigkeiten machen. Oder sind es denn nur Falschmeldungen, die darüber berichten, daß die örtlichen Verbände der CSU gegen nahezu jeden Kernkraftwerksplan - sei es bei Landshut, sei es bei Schweinfurt, sei es woanders im Freistaat Bayern - remonstrieren? ({26}) - Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit Ihnen, Herr Glos, daß das auch für Sie nicht so einfach ist. Wir finden doch überall das zwar verständliche, aber gemeinsam von uns zu bekämpfende SanktFlorian-Prinzip vor. ({27}) Der Kollege Laermann hat schon darauf hingewiesen - auch ich stelle es mit besonderem Interesse fest -, daß dies ja wohl auch für den Wahlkreis des heute morgen in dieser Frage etwas vollmundig daherredenden Kollegen Florian ({28}) - Entschuldigung, Friedrich Zimmermann - gilt. ({29}) - Herr Kollege Zimmermann, Sie führen den Streit und die Auseinandersetzung darüber offensichtlich nicht nur mit Ihrem Parteivorsitzenden, sondern jetzt auch mit dem Bundeskanzler, über Kernkraftwerke, wie viele und mit - ({30}) Bitte schön!

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundeswirtschaftsminister, ist Ihnen bekannt, daß der Bezirksverband Niederbayern der CSU einen einstimmigen Beschluß für den Bau von Kernkraftwerken in Niederbayern gefaßt hat ({0}) und daß es lediglich darum geht, in welcher Reihenfolge diese Kraftwerke in Niederbayern gebaut werden? ({1}) Wissen Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß, wenn es diesen Beschluß in allen Gliederungen der SPD und der FDP gäbe, die Bundesregierung nicht die geringsten Probleme mit der Kernkraft in der Bundesrepublik Deutschland hätte? ({2})

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Kollege Zimmermann, wenn solche Beschlüsse in den Gremien von SPD und FDP gefaßt würden, so würde uns das jedenfalls dann nichts helfen, wenn diejenigen, die ihre Wahlkreise in der Gegend haben, sich an diese Beschlüsse nicht halten, sondern zum Beispiel der Meinung sind, daß Ohu II, das in einem Standortsicherungsplan der Bayerischen Staatsregierung fest verankert ist, doch besser woanders hin kommen sollte, nämlich nach Pleinting. Da hat Ihnen der bayerische Ministerpräsident antworten müssen, er brauche aber beide Standorte. ({0}) Herr Zimmermann, wir wollen das Thema nicht weiter vertiefen. Die Frage ist klar. Das Sankt-FlorianPrinzip gilt natürlich nicht nur in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen, es gilt eben auch bei Ihnen. ({1}) - Ich weiß wohl, Herr Probst; aber bis zum Anstekken und Feuerlegen geht es noch nicht; das tun Sie allenfalls politisch, aber noch nicht faktisch. Meine Damen und Herren, nicht zuletzt hat die Dritte Welt - lassen Sie mich das sagen - nach meiner Ansicht Anspruch darauf, daß die entwickelten Volkswirtschaften diese ihnen zur Verfügung stehende Technik nutzen und damit ihre Nachfrage nach konventioneller Energie auch zugunsten der Entwicklungsländer in Grenzen halten. ({2}) Ich kann nur mit Verwunderung feststellen, daß Szenarien, die den Verzicht auf Kernenergie anstreben, offensichtlich ohne jede Rücksicht auf die energiepolitischen Notwendigkeiten der Länder der Dritten und Vierten Welt aufgestellt werden. ({3}) Meine Verwunderung erhöht sich noch, wenn ich die Namen der Verfasser lese und daran denke, wie laut und wie oft sie uns alle daran erinnern, die wirtschaftlichen und politischen Probleme der Entwicklungsländer doch ernster zu nehmen. Das letzte findet meine volle Zustimmung; aber wo Worte und Taten sich nicht decken, fehlt es an Überzeugungskraft. ({4}) Meine Damen und Herren, viele der nicht ölproduzierenden Entwicklungsländer gehören zu den von der Ölpreiserhöhung am stärksten betroffenen Volkswirtschaften. Mit den Sorgen dieser Staaten um die zunehmende Belastung der ohnehin häufig defizitären Zahlungsbilanzen durch Ölimporte und die weit geringeren, vor allem finanziellen und technischen Möglichkeiten eines zielstrebigen Ausweichens auf andere Energieträger bin ich in vielen Gesprächen während meiner Reisen in Asien und Südamerika immer wieder konfrontiert worden. Und immer wieder hieß es: ihr müßt in den Industrieländern eure technischen Möglichkeiten nutzen, um uns Entwicklungsländern den Zugang zum 01 zu erhalten oder zu erleichtern. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio haben die Probleme der Entwicklungsländer eine wichtige Rolle gespielt. Wir haben diese Herausforderung angenommen und unterstützen alle multi- und bilateralen Möglichkeiten, diesen Ländern zu helfen, multilateral z. B. im Rahmen der Vereinten Nationen, indem wir die Konferenz über neue und erneuerbare Energiequellen vorantreiben und uns für einen weltweiten Energiedialog einsetzen, bilateral, indem wir den Anteil der Energieprojekte an unserer Entwicklungshilfe erhöhen. Lassen Sie mich zusammenfassen. Unsere Ölversorgung für den kommenden Winter ist aus heutiger Sicht gesichert. Die mittel- und langfristigen Notwendigkeiten einer verstärkten Politik des „Weg vorn 01" sind durch die Vorgänge im Nahen Osten noch dringlicher geworden. Wir werden in der internationalen Energie-Agentur am 9. und 10. Dezember dieses Jahres über die Verstärkung unserer gemeinsamen Strategie beraten. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang alle Bemühungen um eine weltweite vertiefte Diskussion der Energieprobleme sowohl mit den erdölproduzierenden Staaten und den Entwicklungsländern als auch zwischen Ost und West. Unsere nationale Politik zur Öleinsparung ist vorbildlich. Die Kombination von marktwirtschaftlicher Steuerung mit staatlichen Anregungen ist gut gelungen, die Erfolge werden zunehmend deutlich. Die Bundesregierung wird diese Politik ständig kritisch überprüfen und sie intensivieren. Schließlich können auf mittlere Sicht wirksame Alternativen zum 01 für uns nur Kohle und Kernenergie sein. Ich baue auch bei der Bewältigung der noch vor uns liegenden Energieprobleme vor allem auf die Kräfte einer freien Wirtschaftsordnung und die Einsicht freier Bürger. Ich bin sicher, daß unsere Wirtschaftsordnung und unsere Gesellschaftsordnung auch diese Herausforderung meistern. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat nun der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese energiepolitische Debatte des Deutschen Bundestages - es ist die 10. oder 11. seit 1973 - vollzieht sich, wie wir alle wissen, unter dramatisch verschlechterten politischen Rahmenbedingungen. Die tiefgreifende Erschütterung im Nahen Osten, gleichsam im regionalen Kern der OPEC, die neuen Ankündigungen über massive Preiserhöhungen, von einigen Ländern schon vollzogen, von anderen auf die Tagesordnung der Dezember-Konferenz der OPEC gesetzt, das jedenfalls in der ersten Bilanz erkennbare Verfehlen der von den Regierungschefs der führenden westlichen Industrieländer formulierten Einsparungsziele, vor allem aber im Verantwortungsbereich der staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland die anhaltende Blockade beim Ausbau von Kohle- und Kernkraftwerken, das immer krassere Verfehlen der Ziele des heute erneut beschworenen Energieprogramms der Bundesregierung, das sind die Sachverhalte, die vielen Menschen in unserem Lande mehr Sorgen bereiten, als es in den Reden meiner drei Vorredner hier zum Ausdruck kam. ({1}) Bei allem Respekt, Herr Bundesminister Graf Lambsdorff - Respekt auch vor den Sprechern der SPD und FDP -, muß derjenige, der die Erfahrung der letzten Jahre vor allem in der inneren Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland bilanziert, feststellen: Es geht heute nicht in erster Linie um die Erläuterung der geschriebenen Programme, also der zweiten, dritten oder vierten Fortschreibung des Programms der Bundesregierung, es geht heute auch nicht in erster Linie darum, politische Absichten gut zu begründen, sondern die Kernfrage ist, wie die Absichten der Bundesregierung, die Absichten der staatlichen Verfassungsorgane der Bundesrepu14834 Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({2}) blik Deutschland in die Wirklichkeit umgesetzt werden können. ({3}) Wir reden hier nicht - das ist uns sicher allen über die Grenzen der Parteien hinweg bewußt - über eines der vielen bedeutenden Spezialthemen, die ständig Bundestag und Bundesrat beschäftigen, wir sprechen über die voraussichtlich größte politische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Die Sicherung der Energieversorgung zu noch tragbaren Preisen, d. h. ohne schreckliche soziale Erschütterungen in unserem Lande, ist wahrscheinlich zu einer Überlebensfrage geworden, die in ihrem Rang nur noch mit den Grundproblemen der auswärtigen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist. Das ist uns, soweit wir aufmerksam waren und nachdenklich geblieben sind, seit 1973 sehr wohl bewußt; denn damals ist erstmals das Öl als politische Waffe von der OPEC eingesetzt worden - in diesen Wochen vor genau sechs Jahren -, mit einer Stoßrichtung nicht nur gegen Israel, sondern mittelbar auch gegen die westlichen Industrienationen. Dies hat eine breite Diskussion ausgelöst, die sich auch ausdrückte in engagierten Regierungserklärungen der Bundeskanzler Brandt und Schmidt und in den Ausführungen vieler anderer, in denen die Ziele neu formuliert wurden. Die Vermutung, daß die OPEC entschlossen ist - auch mit einem gewissen Prozeß der inneren Radikalisierung, der sich dort in wichtigen Ländern vollzieht -, zum einen die Preise ständig massiv zu erhöhen bis an die Grenzen der Belastbarkeit unserer Sozialsysteme, daß sie zum anderen aber auch latent in der Lage ist, die Versorgungssicherheit in Frage zu stellen, ist in jüngster Zeit noch stärker geworden. Meine Damen und Herren, es kommen - der Bundeswirtschaftsminister hat es kurz erwähnt - auch die Appelle der gemäßigten Staaten aus dem Bereich der ölexportierenden Länder an uns hinzu, endlich den Ölverbrauch zu reduzieren, endlich die alternativen Energieträger zu entwickeln und einzusetzen, damit die Ölförderländer ihre Produktion begrenzen können zwecks Schonung ihrer Reserven und in Beachtung gewisser Umweltprobleme, die auch eine Ölförderung zunehmend mit sich bringt. Diese politischen Gefahren - möglicherweise lebensbedrohend -, aber auch die freundschaftlichen Warnungen - in der letzten Debatte ist hier ausführlich ein Interview des saudiarabischen Ölministers Jamani zitiert worden - sind für jeden, der Verantwortung trägt, der verantwortlich an dieser Diskussion als Bürger oder Publizist teilnimmt, unüberhörbar geworden. Sie sind in amtlichen Reden auch im Energieprogramm immer wieder aufgenommen worden. Der beunruhigende Befund des ausgehenden Jahres 1979 ist für die Bundesrepublik Deutschland, daß der Gegensatz zwischen den Regierungserklärungen und Programmen in Bonn und der tatsächlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland immer größer geworden ist. Das ist das Problem, über das wir hier sprechen müssen. ({4}) Diese Kluft zwischen Reden und Handeln ist eine unerträgliche Belastung nicht nur für eine in sich so offenkundig innerlich zerrissene Regierungskoalition geworden - wobei die Bruchlinie nicht zwischen den beiden Koalitionspartnern liegt, sondern quer durch sie in einer Gemengelage hindurchgeht -, sondern auch für die Zukunft unseres Landes, seiner Wirtschaft, seiner Arbeitsplätze und damit seiner Bürger. Ich brauche hier im einzelnen die innere Entwicklung der beiden Parteien, vor allem der Sozialdemokratischen Partei, nicht nachzuzeichnen. Der Herr Abgeordnete Zimmermann hat heute morgen einiges dazu gesagt. ({5}) - Ich kommen noch auf Sie zu sprechen, Herr Wolfram. Mir ist dies sehr wichtig, weil es zum Befund gehört. Wenn man eine Krise überwinden will, muß man die Analyse an den Anfang stellen. Das ist in der Wissenschaft so und gelegentlich auch in der Politik. ({6}) Natürlich sind diese Auseinandersetzungen dadurch erschwert, daß es objektiv größere Spannungen gibt, die wir alle spüren, mit denen wir uns alle auseinandersetzen müssen, die uns alle bewegen. Die Entscheidungen auch innerhalb der nationalen Energiepolitik stehen heute in einem stärkeren Spannungsfeld als vor sechs, zehn oder zwölf Jahren, besonders angesichts der bedeutenden ökologischen Bewegung far Umweltschutz, für Natur. Wir kennen die sachlichen Notwendigkeiten alle miteinander über die Grenzen der Parteien hinweg seit vielen Jahren. Wir bejahen sie, und wir bemühen uns in Bund und Ländern um Antworten. Auf der anderen Seite steht die Feststellung, daß die Bürger der Bundesrepublik Deutschland und die Betriebe eine ständig steigende Energienachfrage ausüben. Auf der Basis von autonomen Entscheidungen der Bürger dieses Landes wird ständig mehr Energie verbraucht. Seit die schlimmsten Folgen der Rezession überwunden sind, wächst die Stromnachfrage der Betriebe sogar überdurchschnittlich. Auf der anderen Seite gibt es die Sorgen derselben Bürger, zumindest vieler von ihnen, im Hinblick auf die Umweltbelastungen unter dem Vorzeichen der Diskussion vor allem über Kernkraftwerke, aber auch über Kohlekraftwerke. Einfache Antworten und einfache Lösungen gibt es hier nicht. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu Recht betont, daß auch in den Planungen und Diskussionen über alternative neue Energieerzeugungsformen, etwa unter dem Vorzeichen Kohlevergasung und Kohleverflüssigung, erhebliche Umweltprobleme auf uns zukommen, die wir zu meistern haben. Natürlich müssen wir alle die Veränderung im öffentlichen Bewußtsein und die gewachsene. SensibiMinisterpräsident Dr. Stoltenberg ({7}) lität in dieser Umweltdiskussion ernst nehmen und uns dieser Diskussion stellen. Überzeugend und mit einer prägenden Kraft stellen wir uns ihr, freilich nur dann, wenn wir sie von eigenen Grundsätzen her und immer in Ehrlichkeit der Sprache ohne opportunistische Anpassung an den jeweiligen wechselnden Partner führen. ({8}) Zu den ehrlichen Antworten gegenüber den engagierten Gegnern der amtlichen Energiepolitik aus Umweltmotiven, ob es um Kernenergie oder Kohle geht, gehört nach meiner Überzeugung der Hinweis auf eine große Gefahr: Wir sind in der Gefahr, als Bundesrepublik Deutschland vom Kapital der Vergangenheit in Investitionen und Leistungen der vergangenen Jahrzehnte zunehmend auf Kosten der Zukunft zu leben, nicht nur auf dem Energiesektor, aber auch hier. ({9}) Betrachten wir etwa die Probleme veralteter Anlagen. Reden Sie einmal nicht nur mit den Vorständen, sondern auch mit den Betriebsräten und Arbeitern der Energieversorgungsunternehmen, die alte Kohlekraftwerke über die wirtschaftlich und ökologisch vernünftige Zeit hinaus weiterbetreiben müssen, weil die neuen Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke nicht kommen. Dies ist im Grund eine eindimensionale Politik. ({10}) Die politische Perspektive verkürzt sich zunehmend auf die Gegenwart. Das richtige Verhältnis zwischen Gegenwart und Zukunft wird gestört. Der Zukunftsbedarf unseres Volkes, unserer Gesellschaft wird systematisch unterschätzt. Das gilt besonders für die Energiepolitik. Die Wiederherstellung des richtigen Gleichgewichts zwischen aktuellem Handeln, aktuellem Verbrauch und der Zukunftssicherung ist ein Grundproblem für die Bundesrepublik Deutschland geworden - weit über die Energiepolitik hinaus. ({11}) Sollte es durch die energiepolitischen Versäumnisse und Blockaden dieser Jahre zu einer dramatischen Krise kommen - sie ist ja, wie wir den behutsamen Bemerkungen des Bundeswirtschaftsministers entnommen haben, auch aus seiner Sicht nicht mehr auszuschließen -, dann gäbe es nur eine Konsequenz: In einer energiewirtschaftlichen Notstandssituation müßten sich die politischen Kräfte dieses Landes jedenfalls ganz überwiegend für ein Notstandsprogramm zusammenfinden, auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze bedroht sind, und Betriebe, die in einer solchen Notstandssituation zusammenbrechen könnten. Eine neue große Bewegung würde dies von uns allen verlangen. Dieses Energieprogramm unter extremem Zeitdruck, eine Art Crash-Programm, müßte natürlich ökologische Gesichtspunkte einschneidend gegenüber dem vernachlässigen, was wir heute sichern und leisten können, und würde zudem zu ökonomisch wahrscheinlich untragbar kostspieligen Lösungen führen. Deswegen verlangen Handlungsfähigkeit und Zukunftsvorausschau auch in der Energieversorgung, d. h. vor allem im Kraftwerksbau, nicht nur ein verantwortbares, sondern auch ein ökologisch richtiges Handeln, wenn wir über den Tag hinaussehen. ({12}) Ich sagte schon - und darin sind wir uns alle einig -: Einfache Antworten gibt es nicht. Aber diese kritische Umweltdebatte hat ja auch ihre sichtbaren Wirkungen. Ich stimme dem Bundeswirtschaftsminister zu, der erneut gesagt hat, daß wir in den Sicherheitsstandards unserer Kraftwerke und auch anderer Anlagen der Energieerzeugung heute eine Spitzenstellung im internationalen Vergleich haben. Das gilt zwar nicht für alle Bereiche, für die die Bundesregierung das ständig behauptet. Aber hier ist es richtig, und hier kann ich es ausdrücklich unterstreichen. Auf keinem Gebiet moderner Technologien gibt es eine so breit angelegte, wissenschaftlich fundierte Sicherheitsdebatte wie bei den Kernkraftwerken. Und sie wird öffentlich geführt. In diesem Spannungsfeld, das hier beschrieben ist, haben die führenden Industrienationen in Ost und West fast ohne Ausnahme eine klare Antwort gefunden. Sie haben sich seit 1973 überwiegend dafür entschieden, den Ausbau der Kernenergie als Kernstück der Politik „weg vom Öl" zu bejahen und voranzutreiben. Wir alle haben im Deutschen Fernsehen das sehr eindrucksvolle Interview des französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing bei seinem letzten Besuch in Bonn verfolgen können, in dem er diese Entscheidung klar begründete, die in Frankreich übrigens von den Gaullisten bis zu den Kommunisten überparteilich getragen wird. Dort sogar von den Regierungsparteien, von den Mehrheitsparteien, nicht nur von der demokratischen Opposition wie bei uns. Das muß man ausdrücklich betonen. ({13}) Aber der französische Präsident gab auch - ich möchte sagen: natürlich in den Formen der Höflichkeit - seiner außerordentlichen Verwunderung, ja seiner Beunruhigung über die Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland Ausdruck: ({14}) daß wir, ein Land mit einer so großen wissenschaftlich-industriellen Kraft, mit einem so hohen Leistungsstand in der friedlichen Nutzung der Kernenergie, Frankreich - ich kann das aus meiner eigenen amtlichen Erfahrung der 60er Jahre sagen - ohne Zweifel in wichtigen Bereichen lange überlegen, im Begriff sind, unsere Chancen durch Handlungsunfähigkeit der Verantwortlichen in der Politik zu verspielen. ({15}) Ich nehme nicht an, daß der Herr Bundeskanzler diese Sätze des französischen Staatspräsidenten mit besonderer Freude gelesen oder gehört hat. Einfache Antworten gibt es nicht. Aber die Entscheidungen der meisten unserer Partner im Westen und auch der Staaten im Osten gehen in diese Richtung. Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({16}) Was mich nun in Verbindung mit der eben behandelten Umweltdiskussion besonders beunruhigt, ist eine Beobachtung. Große Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland - große Gruppen auch innerhalb der beiden Regierungsparteien SPD und FDP - sind bis heute nicht bereit, die jüngste Entwicklung der ernsthaften wissenschaftlichen Umweltdiskussion auf dem Sektor der Immissionen zur Kenntnis zu nehmen. Die international führenden Klimaforscher und Meteorologen weisen seit einigen Jahren mit wachsender Eindringlichkeit in sehr vielen Veröffentlichungen - nicht nur in Fachzeitschriften, auch in populären Publikationen - auf die un-kalkulierbaren Risiken der ausschließlichen, der einseitigen Nutzung fossiler Brennstoffe, also für uns Kohle und Öl, hin. In der Tat - es gibt dazu ja auch eine Stellungnahme der Bundesregierung zu einer Kleinen Anfrage vor wenigen Monaten -: Jahr für Jahr werden nicht Millionen, sondern Milliarden Tonnen Kohlendioxyd in die Atmosphäre ausgestoßen, die nach der Befürchtung vieler schon etwa in zwei Generationen drastische Klimaveränderungen bewirken können. Ein Mann wie Carl-Friedrich von Weizsäcker, dessen Autorität in diesen Fragen doch überparteilich anerkannt ist, hat davon gesprochen, daß das möglicherweise schlimmer sein könne als die Folge eines großen Krieges. Für die gegenwärtige große Kontroverse hat er daraus gefolgert: so wenig fossile Brennstoffe, Kohle und 01, wie möglich, so viele andere Energieträger wie nötig. Sehr geehrter Herr Wolfram, wenn ich Carl-Friedrich von Weizsäcker so zitiere, um ein wissenschaftliches Problem deutlich zu machen, damit aber auch ein politisches, so bitte ich, das nun nicht erneut als eine unfreundliche Haltung gegenüber der deutschen Steinkohle zu bewerten. ({17}) Ich will Ihnen gerne auf Ihre Kritik -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reuschenbach? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Bitte sehr.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Ministerpräsident Stoltenberg, wenn Sie aus verständlichen Gründen auf eine so restriktive Beurteilung hinweisen, können Sie mir dann erklären, was eine neue - wie es im Antrag Ihrer Parteifreunde steht, der dem Haus jetzt vorliegt - „offensive Kohlepolitik" sein soll? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Ich möchte gern, sehr geehrter Herr Abgeordneter, zu den politischen Folgerungen aus diesem beschriebenen Stand der wissenschaftlichen Diskussion noch kommen. Mir ist völlig klar, daß wir derartige, zum Teil dramatische wissenschaftliche Aussagen jetzt nicht kurzschlüssig in radikale politische Folgerungen umsetzen können. Vielmehr bemühe ich mich, das Feld, das Spannungsfeld zu beschreiben, in dem wir die künftige Energiepolitik zu gestalten haben, vor allem in der Abwägung von Risiken anstelle einer einseitigen und zum Teil verblendeten Emotionalisierung gegen einen Energieträger. ({1}) Ich wollte nur gern deutlich machen, worum es mir im Augenblick geht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Ministerpräsident, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Gern, eine noch, aber dann darf ich fortfahren.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Ministerpräsident, wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß dieses Problem im Bericht der Energiekommission des SPD-Parteivorstandes sehr eingehend aufgegriffen und behandelt wird, und wollen Sie bitte auch bestätigen, daß es noch keine international abgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt? Daß das ein Problem ist, daß wir es ernst zu nehmen haben, wissen wir alle. Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Ich begrüße es zunächst, daß Sie das in Ihren Bericht ausführlich aufgenommen haben. Ich hoffe, daß auch Herr Matthiesen, Herr Jansen, Herr Eppler und viele andere das lesen, die es bis heute noch nicht zur Kenntnis genommen haben. ({1}) - Ja, ich hoffe es. Ich sage das ohne Polemik. Das Schwergewicht meiner Tätigkeit liegt im Lande. Das hat gegenüber einer Tätigkeit in Bonn gewisse Vor-und Nachteile; ich kann das vergleichen. Der Vorteil ist, daß man deutlicher noch als manche hier sieht, was sich im Lande an Meinungsbildung und Diskussion wirklich vollzieht. Deswegen begrüße ich es sehr, daß Sie diese außerordentlich gewichtige Frage auch in Ihrer Partei zur Diskussion stellen, und hoffe, daß das dann auch die Meinungsbildung beeinflußt. Ich gebe Ihnen übrigens recht, daß man heute quantifizierbare Ergebnisse noch nicht vorhersehen kann. Aber darüber, daß dieser Sachverhalt die lang- und mittelfristigen Strategien in der Energiepolitik sehr wohl beeinflussen muß, sind wir uns, Herr Ehmke, sicher einig. ({2}) - Ja, auch über die Energiepolitik hinaus. Ich freue mich über dieses Einvernehmen, weil damit auch klar ist, Herr Wolfram, daß dies politisch keine Absage an die Steinkohle impliziert. Ich will hier jetzt nicht in die Vergangenheit hineingehen, aber Sie haben doch ein bißchen - ich darf das mal so sagen - Legendenbildung betrieben. Die Behauptung, daß die CDU/CSU oder auch nur die norddeutsche CDU die deutsche Steinkohle nicht schätze oder mißachtet habe, ist falsch. Ich freue mich, daß der Herr Bundeskanzler gerade in diesen Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({3}) Tagen in einem Interview eine richtigere Darstellung gegeben hat. Er hat in einem Interview, das mir heute vorgelegt worden ist, festgestellt, daß wir schon ein halbes Jahrzehnt vor dem Jahre 1973, nämlich in den 60er Jahren, in Bonn eine Entscheidung getroffen haben - es war zur Zeit der Großen Koalition -, die deutsche Steinkohle auf keinen Fall „absaufen" zu lassen. Herr Wolfram, der Herr Bundeskanzler hat in diesem Punkte recht. Ich war in der Großen Koalition, im Kabinett Kiesinger dabei. Wir haben schon damals die richtigen Entscheidungen für die deutsche Steinkohle getroffen. Es gibt sogar noch frühere Initiativen, Initiativen schon in den ausgehenden 50er Jahren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang in diesem Hohen Hause nur einmal an die intensiven Bemühungen eines Mannes wie Professor Fritz Burgbacher ({4}) und auch mancher aus Ihren Reihen. Also, betreiben wir keine Legendenbildung! Herr Wolfram, hier gibt es ein anderes Problem: Sie müssen sehen, daß wir in den Küstenländern hinsichtlich der Kosten und hinsichtlich sonstiger Fakten eine andere Ausgangssituation als Sie im Ruhrgebiet haben. Das ist ja gar kein parteipolitisches Thema. Ich bin mit Herrn Klose in vielen Fragen zwar überhaupt nicht einer Meinung, aber in Fragen der Kohlepolitik sind sich der Hamburger Senat und die schleswig-holsteinische Landesregierung immer sehr nahe. Denn wir haben die Situation, daß bei uns an der Küste Kohlekraftwerke auf der Grundlage deutscher Kohle mit ihren Strompreisen 25 bis 40 % über denen des Ruhrgebiets liegen. Damit aber drohen wir die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Das ist einer der Gründe, warum wir die Kernenergie für nötig halten, auch regionalpolitisch. Das ist einer der Gründe, warum wir für ein höheres Importkohlekontingent eintreten. Wir glauben nämlich - in Übereinstimmung mit den Sachverständigen der Energieversorgungsunternehmen -, daß man durch eine Erhöhung des Importkohlenkontingents für die Küstenländer - das gilt zum Teil auch für den süddeutschen Raum, die revierfernen Gebiete - einen Mischpreis zwischen billiger Importkohle und teurer deutscher Steinkohle erzielen kann, ({5}) der sogar die Chance eröffnet, auch der deutschen Steinkohle an der Küste im Kraftwerksbau Absatzmöglichkeiten zu eröffnen, die sie heute nicht hat. Wir entscheiden doch nicht, welche Kraftwerke gebaut werden. Die Nordwestdeutsche Kraftwerke AG ist immerhin eine mittelbare Tochter des Bundesunternehmens. Das ist auch in anderem Zusammenhang ganz interessant. Die Hamburger Elektrizitätswerke gehören zu 76 % dem Hamburger Senat, also Ihren politischen Freunden, was Herr Klose vor unseren Landtagswahlen gelegentlich vergißt, wenn es um den Standort für Kernkraftwerke geht. ({6}) Wir entscheiden doch nicht darüber, welche Anträge die Energieversorgungsunternehmen stellen. Diese Energieversorgungsunternehmen - ob sie nun Töchter des Bundes oder direkte Töchter des Hamburger Senats sind - sagen uns: Wir können Kohle nur dann neu investieren, wenn wir einen Mischpreis bekommen. - Deswegen halten wir eine Erhöhung des Importkohlekontingents für erforderlich. Darüber können wir ganz vernünftig pro und kontra reden. Dies ist nicht eine Frage, mit der die Zukunft der deutschen Steinkohle und unser Ja zu ihrer unverzichtbaren Rolle für die Energiepolitik verbunden sind. ({7}) Mir lag daran, klarzumachen, daß es keinen Weg der Energiesicherung ohne Risiken gibt. Risiken müssen erkannt, in ihrer Eigenart und ihren Größenordnungen verglichen und dann begrenzt werden. Daran fehlt es heute weiterhin noch. Kann man weiter ernsthaft annehmen, die politischen Gefahren - vor allem aus dem Nahen Osten - für unsere Energieversorgung seien geringer als die Risiken der Kernenergie? Nach dem politischen Feuerbrand, der jetzt den Iran, ergriffen hat und der auch andere Ölförderländer jederzeit ergreifen kann, wäre es eine provinzielle Verengung, diese Frage nicht zu stellen, sondern weiterhin in sachlicher und zum Teil auch emotionaler Übersteigerung nur noch von den angeblichen oder wirklichen Gefahren der Kernenergie in der Bundesrepublik zu reden. ({8}) Diese Risikodiskussion muß deshalb im Umweltschutzbereich, von dem ich gesprochen habe, auch auf die Probleme der Kohle, aber vor allem auf die internationale politische Dimension erweitert werden. Wenn das nicht gelingt, wenn hier nicht eine Wende erreicht wird, können nur eine Verlängerung gefährlicher Versäumnisse und politischer Fehlurteile, ein Immobilismus mit unkalkulierbaren Konsequenzen die Folge sein. Es fehlt hier auch an geistiger und politischer Führung. Pressemeldungen zufolge hat der Herr Bundeskanzler vor kurzem führenden Vertretern der wirtschaftlichen Spitzenverbände gesagt, sie hätten nicht genug zur Klärung dieser Fragen beigetragen. Ich will das nicht untersuchen, aber ich warne davor, daß hier die wirklichen Verantwortlichkeiten verwischt und verschoben werden. ({9}) Angesichts der tiefen Erregung und Beunruhigung großer Teile der Bevölkerung, angesichts des Risses, der viele Gruppen in unserem Lande, vor allem aber die Sozialdemokratische Partei heute durchzieht, sind nun einmal die Bundesregierung und der Bundeskanzler in erster Linie gefordert. Sie waren auch in der Prägung der öffentlichen Meinung nicht in der Lage, diese Aufgaben wahrzunehmen, wahrscheinlich belastet durch den ständigen unglaublichen Dauerkonflikt in den eigenen Reihen, mit der eigenen Partei. Zu den Verirrungen der Sozialdemokraten gehört es ja, daß man seit 1976 versucht hat, Landtagswah14838 Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({10}) len zu Volksabstimmungen gegen die Kernenergie oder einzelne Kernkraftwerke umzufälschen. ({11}) Dies sind wirklich schreckliche Verirrungen. Das haben wir im April in Schleswig-Holstein erlebt. Wir - die CDU Schleswig-Holsteins, die Opposition in Bonn - waren die einzige politische Kraft, die in dieser Wahl konsequent, klar und geschlossen für das Energieprogramm der Bundesregierung eingetreten ist. ({12}) Ich habe - dies sage ich hier ganz offen ohne Schärfe . - mit einigem Erstaunen gesehen, unter welchen Bedingungen und zum Teil auch mit welchen Wendungen die großen Wahlhelfer von SPD und FDP aus Bonn gekommen sind, ({13}) der Herr Bundeskanzler, der Herr Vizekanzler und eine Reihe von Bundesministern. Ich könnte Ihnen hier an Hand der Berichte der schleswig-holsteinischen Zeitungen einiges über Reden und Interviews und auch - so weit ging es - persönliche polemische Angriffe vortragen. Ich werde das nicht tun. Eines aber will ich hier deutlich sagen: Mit Ausnahme des Bundeswirtschaftsministers Graf Lambsdorff hat dort keiner von Ihnen so geredet, wie er hier im Deutschen Bundestag oder bei internationalen Konferenzen redet. ({14}) Man kann das rückblickend mit einer gewissen persönlichen Gelassenheit sagen. Wenn trotzdem ein knapper Wahlerfolg - für mich der dritte - in meinem Heimatland erzielt worden ist, dann gewinnt man von diesen Dingen etwas Abstand, und dann spielen überhaupt keine persönlichen Empfindlichkeiten mehr eine Rolle. ({15}) - Nein, Herr Wehner, wenn man drei Wahlen nacheinander mit absoluter Mehrheit gewonnen hat, dann hat man in diesem Punkt ein gewisses und auch berechtigtes Gefühl der Gelassenheit. ({16}) Ich sage das, weil ich die große Sorge habe: Das geht so weiter. Ich denke da etwa jetzt an Baden-Württemberg. Es wird von großem Interesse sein, in welcher Form der Herr Bundeskanzler und die Bundesminister es für möglich halten, Herrn Erhard Eppler etwa in diesen Fragen gegen eine andere CDU-geführte Landesregierung zu unterstützen oder nicht. Sie müssen sich, meine Damen und Herren, bei allem Respekt vor verantwortungsbewußten Gesprächen, die wir im staatlichen Bereich auf verschiedenen Ebenen miteinander führen, völlig darüber im klaren sein: Derartige Beispiele setzen Maßstäbe auch für die mögliche Zusammenarbeit über Wahlen hinaus. ({17}) Ich komme darauf nachher noch einmal zu sprechen. Ihr Grundproblem, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, ist heute doch folgendes. Man kann nicht in Bonn regieren und im Lande die Protestbewegungen gegen ein Kernstück der eigenen Regierungspolitik über Jahre hinweg anführen wollen. ({18}) Dies ist nicht nur eine politische, sondern auch eine sozialethische und moralische Frage über Jahre hinweg. ({19}) Ich respektiere - verstehen Sie mich da gar nicht falsch - die Gewissensprobleme oder die Entscheidungsschwierigkeiten für einzelne Mitbürger und auch für einzelne Abgeordnete. Aber wir alle sind Politiker. Wir wissen, daß es sich, wenn dieser Widerspruch auf Dauer - dann leider bei manchen auch mit Erscheinungen des Opportunismus - zu einem Wesensmerkmal einer großen politischen Partei wird, dazu der führenden Regierungspartei, nicht mehr um eine Frage der Reflexion oder der Gewissensskrupel und der Entscheidungsschwierigkeiten des einzelnen handelt, sondern daß dadurch eine politische Kategorie und damit eine unerhörte Belastung für unser Land entsteht. Das ist das Problem. ({20}) Da helfen Ihnen die Hinweise auf Enquete-Kommissionen und - was ich alles respektiere - neue Forschungen und Studien nichts; das ist eigentlich eine Aufgabe der Wissenschaft. Aber eine politische Partei muß unter dem unerhörten Problemdruck, unter dem wir stehen und den wir gemeinsam sehen, entscheidungsfähig sein. Wenn sie das auf die Dauer nicht ist, dann muß sie auf den Anspruch verzichten, dieses Land weiter zu regieren. ({21}) Meine Damen und Herren, dies alles ist Ihnen sehr früh gesagt worden. Ich möchte aus meinem letzten Beitrag zur energiepolitischen Debatte im Deutschen Bundestag nur einen Satz in Erinnerung rufen. Ich habe am 20. Januar 1977 vor diesem Hohen Hause auf dem Hintergrund der damals beginnenden Kontroversen und des parteipolitischen Mißbrauchs um Brokdorf folgendes ausgeführt, was ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wiederhole: ... wer in SPD und FDP aus taktischen Gründen weiterhin die Durchführung des Energieprogramms der Bundesregierung zum parteipolitischen Schlaginstrument gegen die zuständigen Landesregierungen benutzen will, der gefährdet die Grundlagen dieses Energieprogramms und damit unsere Energieversorgung der 80er Jahre. Ich habe dieser Feststellung im Lichte der Erfahrungen von drei Jahren nichts hinzuzufügen und bitte Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({22}) Sie herzlichst, meine Damen und Herren, endlich die Konsequenzen daraus zu ziehen. ({23}) Noch einige Anmerkungen zur künftigen Sachpolitik: Es geht darum, daß wir alle und die Öffentlichkeit unseres Landes uns von Illusionen befreien, daß wir Tatsachen und Trends, die unbezweifelbar sind, zur Kenntnis nehmen. Seit der Beendigung der Rezession steigt der Energiebedarf wieder deutlich an. Der Bundeswirtschaftsminister hat die Zahlen im einzelnen genannt. Ich brauche nicht viel hinzuzufügen. Es steigt der Bedarf an Strom und Öl. Die Mineralölnachfrage nimmt trotz der anderslautenden Ankündigungen auf den Weltwirtschaftsgipfeln zu. Wir müssen, wenn wir nicht eine Rezession mit verheerenden sozialen Folgen einkalkulieren, trotz aller Bemühungen um Energieeinsparung für die 80er Jahre von einer ständig steigenden Stromnachfrage ausgehen, wenn auch einem vielleicht auch verlangsamten Wachstum des Primärenergieverbrauchs insgesamt. Selbst erneute extreme Preissteigerungen beim Öl haben nur eine geringfügige Verlagerung zum Erdgas und zur Kohle hin im letzten Jahr bewirken können. Beim Energieeinsparen, Herr Bundeswirtschaftsminister, sehe ich auch die bemerkenswerte Initiative vieler Forscher, Techniker, Arbeiter, Amateure, Bürger, die sich in eindrucksvoller Weise bemühen, neue Verfahren anzuwenden, zu entwickeln und dann auch zu nutzen. Wir sollten sie fördern. Das sollte nach meiner Überzeugung nicht nur durch das 4,25-Milliarden-DM-Programm, mit dem wir im wesentlichen lediglich konventionelle Investitionen - Fenster und Türen - erreicht haben, geschehen. Weil dieses Programm befristet war, ergab sich auch noch ein Nachfragestoß mit preistreibenden Wirkungen. Wir müssen nach meiner Überzeugung gerade für anspruchsvolle technisch-fortschrittliche Bemühungen um Energieeinsparung den Weg unbefristeter steuerlicher Entlastungen und Anreize gehen, ergänzt durch gezielte Zuschüsse für diejenigen, die steuerliche Anreize nicht nutzen können. Das sieht jedenfalls der von Schleswig-Holstein beantragte und vom Bundesrat beschlossene Gesetzesvorschlag vor, auf dessen aufgeschlossene Behandlung in diesem Hohen Hause ich sehr hoffe. Insofern sind wir mit dem Energieeinsparen doch nicht ganz so weit gekommen, wie es gelegentlich angenommen wird. Wie immer man aber die Varianten in Wachstum und Energieeinsparung setzen mag: Auch bei optimistischen Annahmen für sparsamere Energienutzung kommen wir um einen Neubau von Kraftwerken nicht herum. Hier, sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, stimme ich Ihnen nicht zu. Hier gibt es seit 1973 eine schlimme statistische Bilanz. Nach den Unterlagen der Vereinigten Deutschen Elektrizitätsunternehmen sind von den Energieversorgungsunternehmen Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 23 998 MW in sechs Jahren bestellt oder in der Vorform einer Bestellung vorgemerkt. Bei Anlagen mit einer Gesamtleistung von 16 883 MW ist mit dem Bau noch nicht begonnen. Das heißt, bei zwei Dritteln der bestellten oder vorgemerkten Kohlekraftwerke ist in der Referenzperiode von sechs Jahren noch nicht einmal der erste Spatenstich getan worden. ({24}) Bei der Kernenergie ist die Relation ähnlich. Bestellt oder bestellreif sind Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 15 469 MW. Der Bau ist bei 50 % noch nicht begonnen worden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Ministerpräsident, erlauben Sie eine Frage des AbgeordnetenWehner? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Bitte sehr.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Ministerpräsident, wäre es nicht notwendig, wenn Sie eine solche Differenz zwischen dem, was man brauchte, und dem, wozu der erste Spatenstich noch nicht gemacht worden ist, nennen, festzustellen, wieviel davon wegen gerichtlicher Entscheidungen und Hinausschleppen nicht in Angriff genommen werden konnte? Ich meine, in eine politische Debatte gehört das doch wohl auch. Oder irre ich mich da? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Herr Abgeordneter Wehner, ich wollte, ein bißchen mit dem Blick auf die Uhr, zum Schluß zu dem Thema Abbau investitionshemmender Vorschriften und mehr Rechtsklarheit für die Bauherren noch einige Ausführungen machen. Ich darf dann darauf zurückkommen und jetzt ein bißchen raffen. Wir können nicht daran vorbeigehen, meine Damen und Herren, daß nach den ernsthaftesten Sachverständigenprognosen bereits 1985 5000 MW gegenüber einem möglichen Spitzenbedarf fehlen. Wir können auch in der etwas freundlicheren oder gedämpfteren Atmosphäre einer solchen Sachdebatte nicht an den eindringlichen Warnungen der kompetentesten Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland vorbeigehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Ministerpräsident, erlauben Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Ehmke? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Wenn Sie mir das freundlicherweise bei der Bemessung meiner Redezeit zugute halten, gerne. - Herr Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stoltenberg, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir wie Sie bedauern, daß eine ganze Reihe von Kohlekraftwerken nicht gebaut worden sind, würden Sie aber so gut sein, das Hohe Haus auch Ihre Meinung zu der Tatsache wissen zu lassen, daß eine ganze Reihe von Kohlkraftwerken nicht gebaut wird, obwohl sie genehmigt sind? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Ja, ich höre das gelegentlich. Es berührt nicht unsere Region. Ich möchte dann einmal fragen, wer eigentlich in diesem ja stark gemeinwirtschaft14840 Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({1}) lich orientierten großen Energieversorgungsunternehmen in den Leitungsgremien sitzt. ({2}) - Ich sage das ohne jede Polemik, Herr Ehmke. Ich höre das gelegentlich, und weil es kein schleswigholsteinisches oder norddeutsches Problem ist, stelle ich diese Frage einmal. Es muß doch möglich sein, bei stark gemeinwirtschaftlich orientierten Unternehmen solche Entscheidungen herbeizuführen. Vielleicht können Sie mich durch eine Zwischenbemerkung belehren. Ich gebe zu, daß ich es hier nicht genau übersehe.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stoltenberg, warum weichen Sie jetzt aus? Warum stimmen Sie uns, da offenbar die EVUs nicht einmal die genehmigten Kohlekraftwerke bauen, nicht darin zu, daß wir zusammen, Bund und Länder, dafür sorgen müssen, daß sie dazu angehalten werden und daß wir Vorschriften dafür machen? Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Also ich bin grundsätzlich damit einverstanden, daß wir uns hier bemühen. Aber unabhängig davon können wir an Äußerungen nicht vorbeigehen, die eine dramatische Situation vorhersagen. Ein Mann wie Bernhard Plettner hat zur Stromsituation der 80er Jahre gesagt: Hier treiben wir langsam, aber sicher einer Katastrophe zu. Führende Männer der Wissenschaft und der Wirtschaft, Professor Beckurts, Professor Lüst, Manfred Lennigs, Klaus Knizia und viele andere haben das in dramatischer Weise beschrieben. Wer einmal die wissenschaftlichen Institute auf diesem Gebiet oder die Entwicklungsabteilungen der großen Firmen besucht, muß sagen, daß sich unter den brillantesten Leuten unseres Landes, auch den jüngeren Leuten zunehmend Sorge und Pessimismus ausbreiten. Es muß Schluß damit sein, daß jeder Mann der Wirtschaft, der solche Bemerkungen macht, von einem Teil der veröffentlichten Meinung als angeblicher Profitinteressent abqualifiziert wird. ({1}) Auch das gehört zu dem schlimmen Verfall, den wir in Teilen der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik zu beklagen haben. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat vor wenigen Tagen eine Sammelbuchbesprechung einer Reihe von Taschenbüchern gegen die Kernenergie - erschienen in den großen Verlagen Rowohlt, Fischer, Westdeutscher Verlag und anderswo - mit der treffenden Überschrift beschrieben „Der Aufstand der Amateure". ({2}) Ich halte das für eine sehr zutreffende Beschreibung. Wir hören immer wieder zu Recht, daß diese Fragen der Kernenergie zu wichtig seien, um sie allein den Experten zu überlassen. Das ist richtig. Sie gehören in die Öffentlichkeit der Parlamente und in die Debatte. Aber die Folgerung aus der Forderung, sie nicht allein den Experten zu überlassen, kann doch nicht sein, daß wir sie den Amateuren übergeben, auch leider zum Teil in der Berichterstattung mancher öffentlich-rechtlicher Medien und in der Meinungsbildung auf vielen Sektoren. ({3}) Nein, wir müssen die politische Verantwortung wahrnehmen und müssen uns wieder stärker um den Kontakt zur kompetenten Wissenschaft in diesem Bereich bemühen - kompetente Wissenschaft: ich denke an die bedeutende Rolle, die ein Mann wie Professor Leo Brand einmal in Ihrer Partei in diesen Fragen gespielt hat, der Gründer der Kernforschungsanlage Jülich, mit dem ich selber eng zusammengearbeitet habe -, statt uns nur an sogenannten Basisgruppen und an bestimmten Tagesströmungen der elektronischen Medien zu orientieren. Jetzt komme ich auf den Punkt, Herr Abgeordneter Wehner: Abbau investitionshemmender Vorschriften. Das war ein großes Thema auch für die Bundesregierung vor drei, vier Jahren. Ich kann nicht feststellen, daß viel auf diesem Gebiet erreicht worden ist. Ich gebe auch zu, daß es schwierig ist. Aber die Unberechenbarkeit der Verwaltungsgerichte, Herr Abgeordneter Wehner, mit all den jahrelangen Verzögerungen, mit den zweistelligen Milliarden-Mehrkosten, die ja die Verbraucher bezahlen müssen, hat ihre Ursache auch in Widersprüchen der vielen Verordnungen, Richtlinien und Verwaltungvorschriften des Bundes. ({4}) Wer heute ein Kraftwerk baut, muß über tausend Einzelvorschriften beachten. Ich will Ihnen an einem Beispiel, nämlich der Rechtsprechung des hochangesehenen Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, deutlich machen, um was es hier geht. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in einer Grundsatzentscheidung eines der wichtigen Kernkraftwerke - HEW/NWK in Krümmel - mit erheblichen zusätzlichen Auflagen versehen. Es hat auch eine Entscheidung für Brunsbüttel getroffen, die zu einer langen Stillegung führt. Die erste Entscheidung beruht darauf, daß das Oberverwaltungsgericht Lüneburg einen Widerspruch zwischen den §§ 45 und 28 der Strahlenschutzverordnung insofern verzeichnet, als in § 45 ganz bestimmte Mengen exakt als Obergrenzen für Immissionen beschrieben sind. Nach diesem Paragraphen haben sich natürlich die Reaktorbauer, die EVUs und die Genehmigungsbehörden gerichtet. Das Oberverwaltungsgericht sagt dann aber, in § 28 gebe es darüber hinaus ein allgemeines Minimierungsgebot. Das heißt, das Oberverwaltungsgericht legt § 28 so aus, daß jeder Erbauer verpflichtet ist - wohlgemerkt: bei einem Bau über sieben oder acht Jahre hinweg -, jederzeit die neuesten Möglichkeiten der Wissenschaft und Technik anzuwenden, um die Grenzwerte zu unterschreiten. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sagt, daß deshalb nur ein Bruchteil von 5 oder 10% der in § 45 verankerten Immissionen möglich ist. Manfred Lennigs hat erst vor wenigen Tagen auf eine Fülle solcher Widersprüche hingewiesen, auch beim Bau von Kohlekraftwerken. Ich will das aus Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({5}) wird seit Jahren geführt. Aber der hier in erster Linie verantwortliche Bundesinnenminister, der genügend Juristen hat, die Urteile zu lesen und auszuwerten, ist im wesentlichen untätig. Das ist ein ganz schlimmes Versäumnis, meine Damen und Herren. ({6}) Er ist im wesentlichen untätig gewesen, er bewegt sich nicht, er agiert nicht, er ergreift nicht die Initiative. Ich habe zu meiner Überraschung gelesen, daß Herr Baum dem „Spiegel" anvertraut habe, er erwäge eine Bundesexekution gegen Bayern. Notwendig ist eine Bundesexekution gegen das. Bundesinnenministerium, ({7}) damit endlich einmal der entscheidende Beitrag zur Herstellung von mehr Rechtssicherheit geleistet wird, ({8}) damit nicht Milliardenschäden entstehen, damit die Energieversorgung nicht weiter gefährdet wird. Ich appelliere an den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundeswirtschaftsminister, diese „Bundesexekution" im Rahmen der Meinungsbildung des Kabinetts herbeizuführen. Wir sind bereit, dazu gute Argumente beizutragen. Meine Damen und Herren, ich komme mit einem Blick auf die Uhr jetzt zum letzten Punkt. Ich muß natürlich noch ein paar Bemerkungen zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern machen, die ich schon einmal berührt habe. Wenn ich mir die Jahre seit 1973 und den schweren Konflikt 1976 noch einmal in Erinnerung rufe, dann nehme ich für meine Landesregierung, aber auch für andere in Anspruch, daß wir unseren Beitrag zur Verwirklichung des Energieprogramms der Bundesregierung geleistet haben, manchmal über das eigentlich politisch Zumutbare hinaus. ({9}) Natürlich hat uns die Kampagne der schleswigholsteinischen SPD, an der sich auch Abgeordnete des Bundestages wie Herr Ueberhorst und andere maßgeblich beteiligt haben, Tausende von Stimmen gekostet. ({10}) Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Da gibt es auch für jeden Politiker eine Grenzbelastung. Wir brauchen uns bei aller Bereitschaft, sachliche Kritik zu einzelnen Punkten zu hören, wie wir es besser machen können, dieser Diskussion nicht zu entziehen. Vom Bundeswirtschaftsminister und anderen ist auch zu Recht die große Bedeutung des Beschlusses der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 28. April 1979 hervorgehoben worden, zu dem auch wir einen maßgeblichen Beitrag geleistet haben. Diese Zusammenarbeit mit der Bundesregierung wollen wir verantwortungsbewußt fortsetzen. In diesen Jahren sind aber auch Grenzen sichtbar geworden, nämlich solange der massive Widerstand großer Teile der SPD und stellenweise auch der FDP gegen dieses Energiekonzept als Schlaginstrument benutzt wird. Wir sehen dem Bundesparteitag der SPD mit Interesse entgegen. Ich sage aber auch hier, Herr Bundeskanzler: Entscheidend wird nicht sein, was immer mit einer wie großen Mehrheit auch beschlossen wird, entscheidend wird sein, ob es Ihnen gelingt, in Verbindung mit diesem Parteitag endlich auch geistig die deutliche Mehrheit Ihrer Partei für Ihre Politik zu gewinnen. ({11}) Mir hat ein sehr sachkundiger namhafter Gewerkschaftler vor ein paar Tagen gesagt: In der Energiepolitik wird ein Drittel der Delegierten aus Überzeugung für Herrn Schmidt stimmen, ein Drittel mit der Faust in der Tasche, weil sie sagen: „Wir brauchen ihn halt für die Bundestagswahl", und ein Drittel wird ohne Rücksicht auf Verluste ablehnen. Die Frage ist aber, ob es Ihnen gelingt - nicht, um im Vorfeld der Bundestagswahl eine Abstimmung zu gewinnen -, diese Partei, die Sozialdemokratische Partei, in ihren tragenden Kräften auf eine Politik zu verpflichten, die Sie für notwendig halten und die wir für notwendig halten und die die Überlebensfragen unseres Landes berührt. ({12}) Ich habe gelesen, daß Ihr Parteivorsitzender, Willy Brandt, vor wenigen Wochen gesagt hat: „Wir wollen die Bundesregierung nicht daran hindern, das Notwendige zu tun.” ({13}) Auch da kann ich mir noch eine nachhaltigere Form der Unterstützung für Sie und für Ihre Politik vorstellen. Ich will nun noch etwas, weil es hier am Rande anklang, zu Gorleben sagen, meine Damen und Herren. Im Januar dieses Jahres haben wir gemeinsam, der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder, dem Kollegen Albrecht gesagt, er müsse Gorleben trotz der unerhörten Schwierigkeiten bauen. Im März dieses Jahres, vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl, hat der Hamburger Bürgermeister Klose, der bei unserer Januar-Sitzung dabei war, auf einer öffentlichen Wahlversammlung in der Nähe Hamburgs - und das heißt auch: in der Nähe Gorlebens - unter großem Beifall jugendlicher Kernkraftwerksgegner gesagt, er habe entschiedene Zweifel, ob dieses integrierte Entsorgungskonzept verwirklicht werden könne. ({14}) Dies begründet auch bei mir den Zweifel, ob man unter derartigen politischen Umweltbedingungen bis in den Bereich der Kollegen auf der Länderebene hinein das ursprüngliche Konzept verwirklichen konnte. Ein Mindestmaß an Solidarität zumindest zwischen denjenigen, die im staatlichen Bereich Regierungsverantwortung tragen, ({15}) dazu in derselben Region, ist unerläßlich, ({16}) Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({17}) wenn derartige nationale Aufgaben mit ihren unerhörten Problemen wahrgenommen werden sollen. Ich bin sehr zufrieden, daß wir dennoch mit der Bereitschaft Niedersachsens, die Endlagerung in Gorleben vorzunehmen, einen neuen Ansatz gefunden haben. Aber wir brauchen für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern auch eine klare, jederzeit verläßliche und berechenbare Politik in Bonn, um unseren Beitrag zu leisten. ({18})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. ({0})

Helmut Schmidt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben eine sachlich ernst zu nehmende Rede gehört. ({0}) - Ich freue mich über Ihre Zustimmung. Sie unterstützen indirekt, was ich meinte: Nicht alle Reden zu diesem Thema, die von Ihrer Seite bisher gehalten wurden, waren sachlich ernst zu nehmen. ({1}) An dieser Rede war, wenn ich von den polemischen Einsprengseln einmal absehe, manches richtig, ({2}) einiges war unzutreffend. Ich will auf zwei Punkte eingehen. Aber zweifellos ist der Ministerpräsident Stoltenberg besser legitimiert, so zu reden, wie er heute morgen hier gesprochen hat, als etwa sein Kollege Albrecht, dessen Meinungen von ihm selber ja sehr unstetig, wechselhaft und unzuverlässig vertreten werden. Die Verteidigung, Herr Ministerpräsident Stoltenberg, die Sie am Schluß für das Land Niedersachsen kollegialiter und solidarischerweise andeuteten, kann ich so nicht gelten lassen. Aber darauf kommt es mir hier nicht an. Bundesminister Lambsdorff hat für die Bundesregierung schon gesprochen. Es bedarf deshalb auch nach der Intervention von Herrn Ministerpräsidenten Stoltenberg nicht einer erneuten Rede. Zwei Punkte allerdings möchte ich knapp ansprechen dürfen, Herr Stoltenberg. Der erste Punkt: Es sind nicht die politischen Parteien oder Teile von ihnen, es sind nicht einzelne Abgeordnete, die Planungen und Genehmigungsverfahren unterbrochen haben - Sie selber haben zum Schluß einen richtigeren, besser treffenden Hinweis gegeben -, sondern es sind die Gerichte, z. B. das Verwaltungsgericht in Schleswig, z. B. das Gemeinsame Oberverwaltungsgericht der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen in Lüneburg. Man darf - ich weiß nicht, ob Sie dies gewollt haben - auch nicht indirekt den Eindruck hervorrufen, als ob man die politischen Parteien oder Teile von ihnen oder einzelne Politiker oder Abgeordnete verantwortlich machen wollte für in Ihren Augen - auch in meinen Augen - zweifelhafte Gerichtsentscheidungen. Eine solche Insinuation wäre eine Mißachtung der rechtsprechenden Instanzen. ({3}) Herr Ministerpräsident Stoltenberg, man darf zweitens - und da muß ich nun ganz hart widersprechen - die Verantwortung für solche Entscheidungen der Gerichte, die Sie für unzweckmäßig halten - auch ich halte manche dieser Entscheidungen für unzweckmäßig -, weder dem Bundesgesetzgeber noch dem Bundesverordnungsgeber zuschieben; dann müßte man ehrlicherweise hinzufügen, daß diese Gesetze und Verordnungen mit Ihrer Zustimmung so beschlossen worden sind. ({4}) Sie wissen, wie schwierig es ist, allein unter den sechs CDU/CSU-Ministerpräsidenten die Zustimmung für etwas zu erlangen, was noch nicht einmal Rechtsordnung ist, sondern nur Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den elf Ministerpräsidenten oder Bürgermeistern. ({5}) Sie waren an der Vorarbeit dafür beteiligt. Ich weiß, daß Sie große Mühe hatten, unter den Kollegen Ihrer Couleur - aber ich räume ein, Sie hatten Erfolg ({6}) wenigstens insoweit im Vorwege eine gemeinsame Meinung herzustellen. Hinterher, im Gespräch mit anderen Ministerpräsidenten und mit mir brach dann einiges wieder auf. Ich werfe Ihnen das nicht vor. Ich halte Meinungsverschiedenheiten in diesem schwierigen Fragenkomplex für etwas Notwendiges. Wenn jemand auftritt und sagt, wir sind alle von vornherein einstimmig dieser oder jener Meinung in dieser oder jener Frage z. B. bei der Sicherheit eines Kernkraftwerkes, dann könnte ich ihn nicht ernst nehmen. Ich nehme Sie insbesondere deshalb ernst, weil es bei Ihnen darüber verschiedene Meinungen gibt, und ich bitte Sie, uns ernst zu nehmen, weil es bei uns verschiedene Meinungen darüber gibt. ({7}) Ich mache Sie, Herr Ministerpräsident, ausdrücklich auf den Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes aufmerksam, aus dem sich ergibt, daß der ganze Verfahrensvollzug in diesen Dingen Ihre Sache ist, und daß, weil es Ihre Sache ist, Ihre Zustimmung im Bundesrat zu all den Verordnungen verlangt ist, die Sie hier angegriffen haben. Wenn Sie der Meinung sind, die Verordnungen sollten geändert werden - wir sind zum Gespräch bereit. Wenn Herr Albrecht der Meinung war, das Atomgesetz solle geändert werden, dann waren Sie - das weiß ich - genau wie ich dazu nicht bereit, weil wir gewußt haben, das würde die Gefahr uferloser Unsicherheiten auslösen. Aber so zu tun, als ob die von Ihnen viele Male apostrophierte sozialliberale Gesetzgebungsmehrheit dieses Hauses diese Gesetzesbestimmungen gegen Ihre Stimme oder die sozialliberale Bundesregierung die Verordnungen gegen die Mehrheit des Bundesrates - z. B. die Strahlenschutzverordnung - gemacht hätte, Herr Stoltenberg, dies war über die Grenze der Redlichkeit hinaus. ({8}) Ich komme zu meinem zweiten Punkt. Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein hat mich viele Male apostrophiert. Ich sagte schon, ich will darauf heute nicht eingehen; ich habe sowieso nächste Woche Gelegenheit, in einem anderen Rahmen etwas ausführlicher über Energiepolitik zu sprechen. Für die Regierung hat Graf Lambsdorff schon geredet. Aber an einer Stelle haben Sie mich, ohne mich beim Namen anzureden, indirekt eingeschlossen. Das war, als Sie Ihr persönliches Werturteil aussprachen, Mitglieder der Bundesregierung redeten hier im Bundestag oder in Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Länder anders, als wenn sie in Ihrem Land Schleswig-Holstein auftreten. ({9}) Ich habe den Eindruck gehabt, Sie wollten mich dabei einbeziehen. ({10}) Herr Stoltenberg, ich weise dies als unredlich zurück. ({11}) Jeder Bürger Ihres Landes Schleswig-Holstein, jeder Zeitungsleser und jeder Fernsehzuschauer Ihres Landes, Herr Ministerpräsident, weiß, ({12}) daß ich in einer Reihe von energiepolitischen Fragen klar und deutlich andere Auffassungen als manche meiner schleswig-holsteinischen Parteifreunde vertrete. Daran kann es keinen Zweifel geben. Ich bitte Sie - bei all der Ernsthaftigkeit, auch der inneren Ernsthaftigkeit, die ich Ihrem Vortrag abgelesen und abgehört habe; ich habe einleitend gesagt, daß ich diesen sachlichen Beitrag respektiere, den Sie leisten -, das Gewicht Ihrer Ausführungen nicht dadurch zu verringern, daß Sie, vielleicht nicht ganz gewollte, Formulierungen gebrauchen, die andere Menschen beleidigen müssen. ({13})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich aufregen. Das Wort hat der Herr Ministerpräsident Stoltenberg. Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nur deshalb noch zu einer kurzen Bemerkung zu Wort gemeldet, weil ich im Hinblick auf die Schlußformulierung des Herrn Bundeskanzlers zwei Dinge klarstellen will. Er hat zweimal den Begriff der Redlichkeit hineingebracht. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er von der Richtigkeit gesprochen hätte. Diese kann er bezweifeln. Ich glaube, man sollte diese Diskussion nicht auf den moralischen Begriff der Redlichkeit oder gar der Beleidigung bringen. Ich bin in diesem Punkt anderer Meinung, der die Verantwortung des Bundesinnenministers berührt. Es geht nicht darum, daß in der Tat mit dem Sachverstand des Bundes und der Lander in der Verantwortung des Bundes die Strahlenschutzverordnung einmal so erlassen ist, sondern mir kommt es darauf an, daß in dem Augenblick, in dem eine bestimmte Auslegung der hier zitierten Paragraphen, manchmal gegen die Intentionen des Gesetzgebers oder der zuständigen Verwaltung, notwendige Kraftwerke blockiert werden, der verantwortliche Bundesminster die Initiative ergreifen muß, um die Veränderung zu bewirken. Das ist nach der Diskussion, die nicht nur von uns, sondern von vielen heute mit wachsender Sorge in den Energieversorgungsunternehmen geführt wird, bis heute nicht mit der notwendigen Zügigkeit und Konsequenz betrieben worden, Herr Bundeskanzler. ({1}) Ich wäre sehr gespannt, von Ihnen gelegentlich einen Bericht darüber zu hören, was aus Ihrer Initiative zum Abbau investitionshemmender Vorschriften im Jahre 1976 geworden ist. Ich kann das bis heute nicht erkennen. Nach meinem Eindruck ist sie unverändert Spezialkommissionen der Verwaltung zugewiesen, und dies ist ein Kernbereich, wenn wir von dem Thema des Abbaues investitionshemmender Vorschriften sprechen. Insofern ist das nicht eine Frage der Redlichkeit, sondern des Austausches von Argumenten. ({2}) In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Redlichkeit sicher verfehlt. Herr Bundeskanzler, ich erinnere mich an die Leitartikel einiger großer unabhängiger schleswigholsteinischer Zeitungen nach Ihren Wahlkampfauftritten. ({3}) - Nein, auch andere. Wir haben mehrere. Von Flensburg über Kiel, Lübeck, Rendsburg haben wir eine relativ breite Presselandschaft. Diese Leitartikel haben ziemlich übereinstimmend festgestellt, daß Sie in der für Sie schwierigen Allianz mit Ihren schleswig-holsteinischen Parteifreunden vor Wahlen nicht mit der Klarheit und Deutlichkeit Ihre energiepolitischen Positionen sichtbar gemacht haben, obwohl sie dazu vorher auch von Journalisten und Politikern aufgefordert wurden, die man eigentlich hätte erwarten müssen. ({4}) Ministerpräsident Dr. Stoltenberg ({5}) Ich erinnere mich aus den Versammlungsberichten, daß Sie viel über die Kohle geredet haben, daß aber Ihre Willensrichtung im Hinblick auf das heute so entscheidende Thema der Kernenergie nicht deutlich wurde. Diese Bewertung müssen Sie mir erlauben. Das ist nach meiner Auffassung keine Frage der Redlichkeit, und ich habe schon gar nicht die Absicht, Sie zu beleidigen. Sie haben eine undeutliche Aussage getroffen - im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminister, der als einziges Kabinettsmitglied in Schleswig-Holstein so geredet hat, wie wir das auch hier im Deutschen Bundestag von ihm hören. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Narjes.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich darüber beschwert, daß die Anfrage so kurz gehalten worden sei und daß man es sich hätte leichtmachen können, sie nur mit Ja zu beantworten. Herr Bundeswirtschaftsminister, diese Anfrage war die einzige Möglichkeit, diese Debatte zu diesem Zeitpunkt zu erzwingen. Wie notwendig diese Anfrage war, und wie richtig es war, nicht auf eine Vereinbarung zu warten, hat der Ablauf des heutigen Tages gezeigt. ({0}) Vor allen Dingen die Beteiligung der sozialdemokratischen Minister der Bundesregierung an dieser Debatte zeigt, wie richtig es war, den heutigen Zeitpunkt und keinen anderen zu wählen. Die Koalition hat sich heute bemüht, das Bild einer fast heilen Welt, einer konsequenten, weitsichtig angelegten Energiepolitik vorzuführen. Diese Welt wäre vielleicht ganz heil, gäbe es nicht einige Schatten und schwarze Schafe auf dem linken Flügel der SPD. Diese Idylle gibt es leider nicht. Wir haben vorrangig zwei Krisen. Wir haben die internationale, uns von außen aufgezwungene Krise der Versorgung mit Öl, und wir haben die in Deutschland gemachte, in Deutschland entstandene Krise der Akzeptanz der Kernenergie. Letztere kann nur in Deutschland mit Mitteln der deutschen Politik behoben werden; erstere ist eine Frage der versorgungsstrategischen Abwehr. Ich möchte mich auf die Ölversorgungskrise konzentrieren, weil sie mir in dieser Debatte zu kurz gekommen zu sein scheint. Die Auffassungsunterschiede zwischen Regierung und Opposition in dieser Hinsicht sind größer, als es die Regierung offensichtlich wahrhaben möchte. Der Bericht des Sachverständigenrats ist gerade wegen seiner zurückhaltenden Sprache auch in dieser Hinsicht eindrucksvoll. Gerade weil es sich um eine nationale Frage handelt und gerade weil wir die Frage nach den Möglichkeiten der Gemeinsamkeit gestellt haben, ist das Bemühen um Klarheit erste Voraussetzung für den Erfolg. Die Klarheit gebietet es herauszustellen, daß die gemeinsam benutzte Formel „Weg vom 01" mehr Gemeinsamkeit vortäuscht, als tatsächlich vorhanden ist. Diese Formel „Weg vom 01" besagt nämlich nicht, wohin der Weg führen soll, mit welchem Vehikel er durchmessen werden muß. Diese Formel sagt vor allen Dingen nicht - das ganz wesentlich -, wie schnell der Weg zu gehen ist. Die Ölpolitik der Bundesregierung stellt jedenfalls keine unserer strategischen Bedrohung angemessene und versorgungsstrategisch tragfähige Abwehr dar. Die Vorkehrungen gegen kurzfristige Versorgungsstörungen gefallen uns nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister. Es sind erheblich stärkere Belastungsproben denkbar, als wir bisher erfahren mußten. Die abschreckende Wirkung großer Vorräte ist nicht erkannt worden. Die nationale 01-reserve war zu Beginn der Krise nur zu 60 % aufgefüllt. Mittel- und langfristig - darauf haben wir schon vor Monaten an dieser Stelle hingewiesen - haben Sie sich in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms, die noch heute gilt, für das Jahr 1990 immer noch auf einen Versorgungsbeitrag des Ms von mehr als 42 % eingerichtet. Angesichts der jetzigen Phase des Iran-Konflikts frage ich mich, wie viele Mahnungen ernster Art wir noch von draußen überhaupt haben müssen, bis die Bundesregierung wirklich eine ernsthafte Konsequenz aus dieser jeden Tag bedrohlicher werdenden Lage zu ziehen bereit ist. Jedenfalls ist die Beibehaltung des Ziels von 42 oder 45 % aus der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms schlicht naiv, ja absurd. Sie ist unter keinen Umständen verantwortbar. Hat sich die Bundesregierung - so möchte ich Sie fragen - eigentlich klargemacht, daß in den Vereinigten Staaten in den letzten Wochen unter dem Eindruck der Iran-Krise das dortige Energieprogramm nunmehr zügig verabschiedet wird und daß sich der amerikansiche Importbedarf in den nächsten zehn bis zwölf Jahren ganz wesentlich reduzieren wird? Das hätte nämlich zur Folge, daß der verbleibende Restbedarf in den benachbarten Staaten Mexiko, Kanada und den Staaten Lateinamerikas gedeckt werden könnte. Eine solche langfristige Verlagerung der Importquellen auf strategisch sichere Zonen hat dort schon begonnen. Dies wie- denim bedeutet das Ende der amerikanischen Abhängigkeit vom OPEC-Öl auf mittlere Sicht. Hat sich die Bundesregierung klargemacht, daß Großbritannien ohnehin schon von Importöl unabhängig ist? Weiß die Bundesregierung, daß Kanada die völlige energiepolitische Autarkie anstreben kann und spätestens 1990 erreicht haben wird? Weiß die Bundesregierung, daß das gewaltige Kernenergieprogramm Frankreichs - in wenigen Jahren wird alle 90 Tage ein Reaktor in Dienst gestellt - ganz wesentlich dazu beitragen wird, daß die französische Abhängigkeit von Importenergie auf politisch beherrschbare Größen zurückgeführt sein dürfte? Und weiß die Bundesregierung, welche gewaltigen Anstrengungen Japan macht, um dasselbe Ziel zu erreichen? Im Vergleich zu diesen Anstrengungen der mit uns in der Weltgipfelkonferenzgruppe verbundenen Staaten bleibt allein die Bundesregierung mit ihrem gegenwärtigen Programm ganz deutlich hinter dem zurück, was versorgungsstrategisch die Minimalanstrengung sein müßte. Glaubt denn - und das ist die ernsteste Frage - die Bundesregierung unter diesen Umständen wirklich, daß die Vereinigten Staaten, sobald sie kein lebenswichtiges Interesse ihrer eigenen Versorgung aus OPEC-Staaten mehr zu schützen haben, noch bereit sein könnten, die volle strategische Sicherung dieser Ölversorgung notfalls unter Einsatz von Interkontinentalraketen zu gewährleisten, namentlich wenn es nur noch darum geht, die Versorgung eines einzigen, zudem energiepolitisch säumigen Verbündeten, nämlich Deutschlands, zu sichern? Kann die Bundesregierung eine solche Frage überhaupt noch stellen angesichts des ohnehin für die 80er Jahre gefährdeten strategischen Gleichgewichts zwischen Ost und West? Wenn sie hingegen die Ansicht der Opposition teilen sollte, daß ein solches amerikanisches Verhalten nicht unbedingt erwartet werden kann, dann müßte sie doch daraus für die gesamte Energiepolitik einschneidende und entscheidende Konsequenzen ziehen, vor allen Dingen die, die Bundesrepublik Deutschland spätestens zu diesem Zeitpunkt von jeder politisch oder militärisch nutzbaren Abhängigkeit von OPEC-Lieferungen zu befreien, zu dem die wesentlichsten und wichtigsten Verbündeten dieses Ziel erreicht haben dürften. Mit anderen Worten: Deutschland muß sich darauf einrichten, etwa 1990 vom OPEC-Öl unabhängig zu sein. Die Zeit bis dann ist ohnehin sehr lang, und ihre Überbrückung wird hohe Anforderungen an Diplomatie und Außenpolitik stellen. Eine solche Politik der forcierten Lösung vom Nahost-OZ wäre konkrete Friedenssicherung und gäbe uns politische Handlungsfreiheit zurück. Sie bedeutet aber auch gar keinen Affront gegen die OPEC-Staaten, schon gar nicht gegen ihre gemäßigten Mitglieder. Sie trüge vielmehr auch dazu bei, die Weltnachfrage zu entlasten und vor allen Dingen die nicht energieproduzierenden Staaten der Dritten Welt mengenmäßig stärker als bisher zu schützen. Ich teile voll alles, was der Bundeswirtschaftsminister zu diesem Thema gesagt hat. Ich möchte nur einen Vorwurf von ihm präzisieren. Wenn der Kollege Brandt von der SPD zugleich einer Nord-Süd-Kommission vorsitzt - und ihr sogar seinen Namen geben möchte - und eine Partei führt, die sich einem bedarfsgerechten Ausbau der Kernenergie verschließt, befindet er sich damit persönlich in einem unauflösbaren, auch seine Glaubwürdigkeit berührenden Widerspruch. ({1}) „Weg vom 01" als dominierendes Ziel unserer Energiepolitik hat weittragende Auswirkungen auf alle zentralen Entscheidungen unserer Energiewirtschaft. Herr Kollege Wolfram - oder war es Herr Kollege Reuschenbach? - hat heute morgen im Zusammenhang mit der Kohle gefragt, wo denn das Programm bleibe, das wir verwirklichen wollten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat Ihnen die Antwort abgenommen. Er hat es für Anfang Januar für den Bereich der Veredelung angekündigt. Die gleichen Initiativen erwarten wir auch für die Verstromung. Wir wissen auch noch nicht, welche Mittel und welche Instrumente die Bergbaugesellschaften haben, um das vorgegebene Förderziel von etwa 102 Millionen Tonnen im Jahr 2000 zu erreichen. Wenn wir das nicht wissen, haben wir keine klare Importpolitik, obwohl wir doch einen Mindestbedarf von 130 Millionen Tonnen Kohle erwarten müssen. Herr Kollege Wolfram, ich habe den Eindruck, daß die deutsche Kohle in erster Linie unter den Wolframs leidet, unter den Abgeordneten mit zu engem Blick, die nur polemisch für den Wahlkreis sprechen und nicht zur Sache. ({2}) Mit Ihren falschen Alternativen von deutscher Importkohle können Sie diesem Thema nicht mehr gerecht werden. Die deutsche Stromwirtschaft ist bereits durch Engpässe gekennzeichnet, die angesichts der langen Vorlaufzeiten gar nicht mehr voll behoben werden können. Die Bundesregierung wird die Verantwortung tragen, wenn unsere wirtschaftliche und energiepolitische Landschaft durch zunehmende Verknappung gekennzeichnet wird. Zur Kernenergie ist außer einer einzigen Frage nichts hinzuzufügen. In dem vom Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder vereinbarten Entsorgungsprogramm ist die Zahl von 53 000 MW Kernenergiekapazität für das Jahr 2000 erwähnt worden. Angesichts der gegenwärtigen Rechtslage - damit knüpfe ich an die Unterhaltung des Bundeskanzlers mit dem Ministerpräsidenten Stoltenberg an - ist es mir schlicht unerfindlich, wie diese 53 000 MW tatsächlich ausgebaut werden können. Hier handelt es sich um ein Problem der Qualität der Gesetzgebung, ein Problem, das wir seit Jahren ansprechen, das wir in Form eines Vorwurfes gegenüber dem Vorgänger des Kollegen Baum, Herrn Professor Maihofer; so formuliert haben: Wir warnen vor der mit Sicherheit zu erwartenden MaihoferKrise. In der Zwischenzeit hat es keinen durchgreifenden Versuch gegeben, diese in ihrer Qualität untragbare Gesetzgebung auf dem energiepolitischen Gebiet so zu verbessern, daß wenigstens Obstruktion und Verschleppung ausgeschaltet werden und ein sachgerechter Ausbau unserer Kernenergie ohne Verkürzung der Bürgerrechte möglich wird. ({3}) Sie, Herr Kollege Baum, und auch Ihr Vorgänger haben durch Ihre Politik ein faktisches Moratorium der Kernenergie und auch des Ausbaus der Kohlekraftwerke bewirkt. Dafür tragen Sie die persönliche Verantwortung. ({4}) Ein letzter Punkt wird zunehmend deutlich, und ich knüpfe insoweit an die Rede des Bundeswirtschaftsministers an. Er hat durch den Vergleich der Investitionskapazitäten der Deminex mit der Exxon darauf hingewiesen, wie knapp die Mittel sind, die deutschen Unternehmen zur Verfügung stehen, um sich außerhalb des OPEC-Raumes in Lagerstät14846 ten, Förderungskapazitäten, Infrastrukturmaßnahmen und andere energierelevante Großprojekte einkaufen zu können. Herr Bundeswirtschaftsminister, der Vergleich zwischen Deminex und Exxon - wir könnten das noch erweitern, indem wir alle deutschen und alle amerikanischen Investitionsaufwendungen zusammenzählen - darf damit nicht das Ende der Überlegungen sein. Es ist zwar richtig, daß die anderen Unternehmen wesentlich größer sind; es ist auch richtig, daß wir sechs Jahre vertan haben und deshalb zu größeren Anstrengungen gezwungen sind, als sie sonst erforderlich gewesen wären. Das Verhältnis von 1 : 16 zwischen Deminex und Exxon läßt jedenfalls nicht den Schluß zu, daß es sich um ein aussichtsloses Unternehmen handelt. Die Bevölkerungszahl Deutschlands beträgt bei gleicher Wirtschaftskraft nur ein Viertel der Bevölkerungszahl der Vereinigten Staaten. Vor diesem Hintergrund sollten wir der Deminex und anderen Unternehmen weit mehr zutrauen, als Sie das - wenn ich Ihre Worte richtig interpretiere - resignierend tun. Hier sind große nationale Anstrengungen, die nicht billig sein können, unverzichtbar. Die strategische Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, läßt Ihnen und uns gar keine andere Wahl, als diesen Weg zu gehen. Wir haben im übrigen einen Parteitag der SPD vor uns, der durch einen energiepolitischen Leitantrag gekennzeichnet ist und der schon Gegenstand der öffentlichen Diskussion war. Lassen Sie mich zum Schluß nur eine Feststellung machen: Dieser Leitantrag wäre keine geeignete Grundlage einer Regierungspolitik - das sollte ja wohl das eigentliche Kriterium seiner Tauglichkeit sein -, die unter den gegebenen Umständen der inneren und äußeren Krisen, die wir zu bewältigen haben, heute verantwortlich geführt werden müßte. ({5}) Wenn dieser Leitantrag Grundlage einer Regierungspolitik werden müßte, würde die Bundesrepublik Deutschland unabwendbaren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Nachteil erleiden. Das heißt: Dieser Leitantrag ist durch seine Existenz die parteiamtlich beurkundete Unfähigkeit der Sozialdemokratischen Partei zur Energiepolitik in Deutschland. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Union kann sich wirklich glücklich schätzen, daß Ministerpräsident Stoltenberg heute Zeit gehabt hat, hier nach Bonn zu kommen. Denn wäre das anders gewesen, wären die Debattenbeiträge, wäre die Debatte seitens der Union so ähnlich gewesen, wie auch die Anfrage formuliert worden ist. ({0}) In den ersten Tagen meiner Zugehörigkeit zum Bundestag habe ich einmal versucht, mich bei einem unserer Fraktionsgeschäftsführer sachkundig zu machen, und mir die Geschäftsordnung des Bundestages erklären lassen. Da hat er mir gesagt: Also, mein lieber Peter, die Großen Anfragen z. B. sind hervorragende Instrumente, sich seitens der Bundesregierung Politik, sachliche Notwendigkeiten, Überlegungen, Motive und Gründe darlegen zu lassen. Also, wenn ich an diese Erklärung des Sinns einer Großen Anfrage zurückdenke, dann muß ich schon sagen, daß die Union mehr und mehr dabei ist, ({1}) dieses Instrument zu einem Instrument des billigen und vordergründigen parteitaktischen Streites verkommen zu lassen. ({2}) - Zur Sache, Schätzchen - vielen Dank! Ich würde mir nicht wünschen, von Ihnen immer so angesprochen zu werden. ({3}) Ich fand es bemerkenswert, mit welcher Betonung auch Herr Narjes davon sprach, nun müsse man aber ganz forciert ans Ölsparen herangehen. Das irritiert mich deshalb, weil in Ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 8/3434 auf Seite 2 gefordert wird: ... ein ... Programm für eine Energiesparpolitik auszuarbeiten, das unter Absage an ... Dirigismus sich konsequent an den Geboten der marktwirtschaftlichen Ordnung orientiert .. . Wer dies so sagt und ernst meint - in Wirklichkeit meinen Sie es ja gar nicht ernst; im Ausschuß sind Sie ja schon kräftig auf dem Dampfer staatlicher Eingriffe und Ge- und Verbote -, kann nicht wenige Sätze weiter so reden, als ob man mit diesem Instrument im Jahre 1990 vom OPEC-Öl unabhängig sei. ({4}) Wer den Menschen in diesem Lande das suggerieren will, täuscht sich und andere. ({5}) Ein paar Hinweise von Herrn Stoltenberg auf die Diskussion hierzulande fand ich bemerkenswert. Ich finde es wichtig und auch notwendig, das Stichwort aufzugreifen: Einfache Lösungen gibt es nicht. Und an anderer Stelle hieß es: Objektiven Schwierigkeiten sollte man nicht aus dem Wege gehen. Wenn ich mir das in Erinnerung rufe, dann muß ich schon sagen, daß es eine ganz merkwürdige Partei wäre - um welche es sich auch immer handelt -, die ihre Erörterungen und Betrachtungen unberührt von den landauf und landab stattfindenden Diskussionen und Auseinandersetzungen um Stellenwert und um Sicherheit der friedlichen Nutzung der Kernenergie anstellte. ({6}) - Wenn ich an die Neuordnung des Rundfunks im Norden unseres Landes denke, so sind im Augenblick andere dabei, Systemveränderer zu sein. ({7}) Es ist doch wirklich töricht, so zu tun, wie Herr Zimmermann das insbesondere heute morgen getan hat und wie andere es bei anderer Gelegenheit tun, als ob diese Debatte im wesentlichen nur von Sozialdemokraten, von Bürgerinitiativen oder von Bunten, Grünen oder K-Gruppen geführt würde. Sie können doch nicht übersehen, daß diese - auch kritische, zum Teil Ablehnung zum Ausdruck bringende - Diskussion und Argumentation in weiten Teilen beider Kirchen in unserem Lande stattfindet und daß sich Wissenschaftler - ich meine nicht nur die Amateure, von denen Ministerpräsident Stoltenberg gesprochen hat -, Gewerkschaften und internationale Organisationen daran beteiligen, und zwar nicht nur hierzulande, sondern in allen demokratischen Ländern. Insofern ist die CDU/CSU schon eine merkwürdige Partei, als sie - jedenfalls hier - so tut, als ob sie allein von alledem nichts anzunehmen habe, als ob sie allein es nicht nötig habe, sich immer wieder zu fragen, ob doch noch offene Fragen vorhanden sind, und als ob sie allein nicht dazu angehalten und verpflichtet wäre, den Dialog mit besorgten und kritischen Menschen zu führen. ({8}) Was Sie von Parteitagen halten, sagen Sie ja nicht nur mit Blick auf die Sozialdemokratische Partei, sondern Sie haben dies auch in einer der wichtigsten Fragen unter Beweis gestellt: Im Zusammenhang mit der Nominierung des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl hat ein Parteitag bei Ihnen überhaupt nicht stattgefunden. ({9}) Es ist zwar schon oft betont worden, aber ich will es in diesem Zusammenhang trotzdem wiederholen: In Wirklichkeit führen die Koalitionsparteien stellvertretend für das ganze Parlament diese notwendige, schwierige und kritische Debatte, ({10}) von der Herr Stoltenberg sagt, daß sie nötig sei, daß es einfache Fragen in ihr nicht gebe, wohl aber objektive Probleme gebe, die man nicht übersehen könne. Was in den zurückliegenden 20 Jahren auf dem Felde der Energiepolitik stattgefunden hat, haben Kollegen, die länger hier sind als ich, selbst miterleben können; dies kann aber auch nachgelesen werden. Die CDU/CSU hat überhaupt keinen Grund, sich in Sachen Energiepolitik auf das hohe Roß zu setzen. ({11}) Wenn Herr Dr. Narjes die Abhängigkeit vom 01 zu 50 % und mehr beklagt, dann muß er sich doch die Frage gefallen lassen, wer denn Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre bewußt und trotz deutlicher und lauter Warnungen diese Abhängigkeit vom importierten 01 in diesem Lande herbeigeführt hat. Das geschah, nachdem Herr Erhard aus dem Hause der Ruhrkohle hinauslief, weil er sich mit den Vertretern der Ruhrkohle über gewisse finanzielle Fragen nicht verständigen konnte. Sein letztes Wort war: Das werden Sie mir büßen, meine Herren an der Ruhr. Daraufhin wurden die Schleusen für 01 in diesem Lande geöffnet. Das war der Grund. ({12}) - Wir sprechen über dieses Land und Sie haben die Abhängigkeit in diesem Lande beklagt. ({13}) Auch bei der Kapazitätsveränderung der Steinkohleförderung in diesem Lande hat die Union in ihrer energiepolitischen Geschichte alles andere als eine hervorragende Figur gemacht. Als Herr Stoltenberg vorhin davon sprach, daß diese energiepolitischen Fragen seit 1973 allen als die zukunftsentscheidenden Fragen bewußt geworden seien, habe ich mich daran erinnert, wie es war, als 1973/1974 das erste energiepolitische Programm seitens der Bundesregierung vorgelegt wurde. Ich habe nicht vergessen, mit welchen Argumenten damals Sprecher der Union dagegen zu Felde zogen, angeblich weil zuviel Staat und zuviel Dirigismus darin enthalten seien. Erinnern Sie sich bitte auch daran, daß im Dezember 1978, also vor einem Jahr, als der Bundestag nach unserer Meinung endlich zur zweiten Fortschreibung des Energieprogramms aus dem Jahre 1977 - nach mehr als einem Jahr! - Stellung nehmen sollte, Herr Lenzer, der damals für die Union sprach, hier an dieser Stelle gesagt hat, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe diese Debatte jetzt nicht gewollt; wir hätten noch viel Zeit, um die zweite Fortschreibung des Energieprogramms gründlich zu beraten. Die Entschließung, die damals zur zweiten Fortschreibung gefaßt wurde, hat die Union aus billigen parteitaktischen Gründen abgelehnt. Sie hat der Bundesregierung bei ihrer zweiten Fortschreibung des Energieprogramms, von dem die Union in der Sache ja gar nicht gesagt hat, es sei alles falsch, aus purer Taktik Knüppel zwischen die Beine zu werfen versucht. Im Grunde wäre es Ihnen lieb gewesen, wenn aus besonderen Gründen noch fünf, sechs oder sieben Abgeordnete aus den Reihen der Koalitionsparteien mit Ihnen nein gesagt hätten. Dies hätte zur Konsequenz gehabt, daß Ihre Darstellung, wie sehr Sie sich um die Zukunft der Energiepolitik in diesem Land sorgen, in Wirklichkeit nichts als pure Heuchelei ist. ({14}) Denn Sie waren damals bereit, die Bundesregierung daran zu hindern, eine notwendige Energiepolitik zu praktizieren. ({15}) Wenn Sie nach der Haltung der SPD-Bundestagsfraktion fragen, dann brauchen Sie nur schlicht und einfach in den Beschluß vom 14. Dezember 1978 des Deutschen Bundestages hineinzuschauen, der gegen Ihre Stimmen gefaßt wurde. Auf den Kern unserer heutigen Erörterungen bezogen, ist zu zitieren: Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms enthaltene Konzept konsequent zu verwirklichen und dabei die Maßnahmen den sich ändernden und flexiblen Veränderungen anzupassen. Der Deutsche Bundestag hält unter Aufrechterhaltung der Option für die friedliche Nutzung der Kernenergie den Ausbau der Kernenergie für vertretbar, wenn der sichere Betrieb und Entsorgung gewährleistet sind. Es wird außerdem vom Entsorgungskonzept usw. gesprochen. Hieran hat sich im Prinzip nichts geändert. Aber in der energiepolitischen Landschaft hat sich schon etwas geändert, und zwar etwas Gravierendes, nicht etwa durch Bürgerinitiativen, auch nicht durch Koalitionsfraktionen und auch nicht durch die Beschlüsse regionaler Parteitage, sondern durch die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung, nicht dieses integrierte Entsorgungskonzept zuzulassen, von dem bis zum Frühjahr dieses Jahres nahezu alle überzeugt waren, daß es richtig sei. Wir haben gesehen, wie weit auch bei Ihnen die Fehleinschätzung gegangen ist. Herr Riesenhuber hat am 14. Dezember 1978 von diesem Pult aus zu Gorleben gesagt: Albrecht führt da einen tollen Dialog; er macht eine tolle Aufklärung. Und dann hat er gesagt: Aus solchem Vertrauen kann ein großes Projekt durchgehalten werden. Es ging dann bis zum Mai des vorigen Jahres. ({16}) - Ja, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Dazu will ich einmal folgendes sagen. Wenn sich der Bundeskanzler und die Bundesregierung bei schwierigen Fragen so verhalten würden wie der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, indem sie sagen würden, weil die Opposition in diesem Hause nicht mitmache, sollte man es besser lassen, dann fände in diesem Hause bei dieser Art von Opposition überhaupt nichts mehr statt. ({17}) Ich hielt es nicht für staatsmännische Größe, was da an den Tag gelegt wurde. Auch Herr Stoltenberg hat die Entscheidung des Herrn Albrecht ja nur sehr behutsam in Schutz genommen oder um mildernde Umstände gebeten und sie keineswegs als staatsmännische Großtat gelobt. Aber wie es auch sei, dieses integrierte Entsorgungskonzept für Gorleben ist den Bach herunter. Nun müssen sich alle miteinander damit herumschlagen, welche Alternative an seine Stelle tritt. Denn auch Sie wollen doch nicht sagen, ohne eine gesicherte Entsorgung oder ohne ein sicheres Entsorgungskonzept, das wahrscheinlich kommen wird, könne die Genehmigung für neue Kernkraftwerke gegeben werden. Das haben Ihre Ministerpräsidenten jedenfalls am 28. September dieses Jahres zu Papier gebracht. Dort heißt es: Sie - die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler bekräftigen den Grundsatz, daß die sichere Gewährleistung der Entsorgung der Kernkraftwerke eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die weitere Nutzung und für den weiteren begrenzten Ausbau der Kernenergie bildet. Diese Koppelung wollen Sie nicht aufgeben. An der Alternative arbeiten nun viele. Das tun Bundesregierung, Landesregierungen, Fraktionen, Bundestag und, wie ich annehme, auch die CDU/CSU. Sie können sich darauf verlassen: Bei den Sozialdemokraten wird jeder der Entsorgungsfrage seine ganze Kraft widmen. Denn auch derjenige, der kein einziges neues Kernkraftwerk für wünschbar hält oder gebaut sehen möchte, wird dafür eintreten, daß für die vorhandenen solches passiert. Zurück zu dem Eindruck, den die CDU/CSU gelegentlich erweckt, als ob es für sie überhaupt keine Frage mehr gäbe. Da hatte Herr Lenzer am 14. Dezember vorigen Jahres, als er meinte, die Enquete-Kommission Kernenergie sei vielleicht doch nur ein Alibi, vorsorglich hinzugefügt: „Aber wir sind ja lernfähig. Vielleicht wird uns im Laufe der Beratungen das eine oder andere noch deutlich:' Nun, drei Monate später war es ihm und seinen Fraktionskollegen wohl deutlicher. Denn dann verlangten auch Sie - gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen - die Einsetzung einer Enquete-Kommission für die künftige Nutzung der Kernenergie mit dem Arbeitsauftrag - zusammengefaßt -: Beide Anträge - der der Koalition und der der Opposition - verlangten die Einsetzung einer Enquete-Kommission mit der Aufgabe, „zur Vorbereitung künftiger Entscheidungen des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit der Kernenergie die zukünftigen Entscheidungsmöglichkeiten und Entscheidungsnotwendigkeiten unter ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und Sicherheitsgesichtspunkten national wie international darzustellen und Empfehlungen für entsprechende Entscheidungen vorzubereiten und auszuarbeiten." Nun müssen Sie mir einmal folgenden Widerspruch erklären: Wie können Sie, wenn Sie wirklich der Meinung wären, daß es keine offenen, noch unbeantworteten Fragen gebe, die Einsetzung einer solchen Kommission verlangen und - zweitens - bei der Arbeit der Kommission ein entsprechendes Arbeitsprogramm mit verabschieden und schließlich in dieser Kommission sehr engagiert mitarbeiReuschenbach ten? Ich will gern hervorheben, daß die drei Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion in dieser Kommission ihren Beitrag leisten. Aber vor diesem Hintergrund kann man wohl doch nicht sagen, es gäbe nichts zu klären, und es gäbe nichts zu prüfen. Das ist nicht glaubwürdig. Sie dürfen sich darauf verlassen - das gilt für heute und das gilt auch für morgen -, daß diese Koalitionsfraktionen immer dafür sorgen werden, daß die Bundesregierung in Fragen der Energiepolitik handlungsfähig bleibt. Manchmal helfen wir da auch ein bißchen nach, wenn wir den Eindruck haben, daß etwas zu langsam gehen könnte. Vor allen Dingen überhören wir bei dem, was wir hier tun und entscheiden, nicht die Mahnungen der meisten Industriegewerkschaften und nicht die Feststellung im Aktionsprogramm des DGB, daß nach dem heutigen Erkenntnisstand auf die Anwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke nicht verzichtet werden kann. Das ist für uns nicht irgend eine x-beliebige Stellungnahme. Dennoch weiß ich - glaube ich jedenfalls -, daß wir am Ende für unsere Energiepolitik nicht von allen Seiten Beifall erhalten werden. Dann dürfen wir jedenfalls sagen: Wir haben uns nach besten Kräften um richtige Erkenntnisse bemüht, auch den schwierigen Meinungsaustausch nicht gescheut. Wir werden alles daransetzen, das als richtig Erkannte zu verwirklichen. So wird man wohl auch dem Auftrag und der Verpflichtung eines freigewählten Parlaments gerecht. ({18})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man vielfältigen Ratschlägen, die Analyse an den Anfang zu stellen, folgt, muß man, glaube ich, heute zu dem Schluß kommen, daß dies eine „kleine" Anfrage zu einem großen Thema ist. ({0}) Das ist eine „kleine" Anfrage, weil diese drei lapidaren Fragen doch wohl nicht die Überschrift „Große Anfrage" verdienen. Wir stimmen aber offensichtlich in diesem Hause darin überein, daß es sich um ein großes Thema handelt - so habe ich jedenfalls auch den ersten Sprecher der Opposition, Herrn Dr. Zimmermann, verstanden. Um so nachdenklicher hat es mich allerdings gemacht, daß bei zwei dieser drei Fragen - ob die Bundesregierung in der Durchsetzung der Kernenergie weitergehen werde, ob sie für die Entsorgungsregelung eintreten werde und ob sie ihre Auslandsverpflichtungen einhalten werde -, die man alle mit einem kurzen Ja beantworten kann, „unabhängig von Parteitagsbeschlüssen" eingefügt war. Ich will bekennen, daß mich das betroffen hat - eben weil das ein so bedeutsames Thema ist. Ich frage mich, wie wir Themen, die wir auf den ersten Platz stellen, in diesem Hause als gewählte Parlamentarier ohne Rücksicht auf Parteitagsbeschlüsse behandeln sollen bzw. können. Diesem Ratschlag der Opposition kann ich - unabhängig von den Sacherwägungen - nach meinem Demokratieverständnis - und ich hoffe, ich stehe damit nicht allein - überhaupt nicht folgen. ({1}) Was kann denn dieses „unabhägig von Parteitagsbeschlüssen", das von Herrn Dr. Zimmermann noch erhärtet wurde, bedeuten? Wollen wir wichtige Themen am Herzen, am Verstand, an der Information der Bürger vorbei behandeln? Ist das das Angebot der Demokratie, die wir uns gemeinsam bewahrt haben sollten? Soll man so etwas in eine Große Anfrage schreiben und damit diesen Ratschlag hier erteilen? Bei mir hat das äußerste Bedenken hervorgerufen und ein Kopfschütteln zur Folge gehabt. ({2}) - Der Weg, auf Parteitagsbeschlüsse einzugehen, sie ernst zu nehmen, bis zum Aufhetzen von Leuten” ist wohl ein sehr weiter. Lassen Sie doch diese billigen, in den meisten Fällen nicht treffenden Alternativen! Einfache Lösungen gibt es ja angeblich nicht, auch nicht im Stilistischen, was Sie damit andeuteten, daß Sie sagten, man solle nicht von einem Extrem ins andere pendeln. Die Aussage, man solle die Sache nicht den Experten überlassen, sie aber auch nicht den Amateuren anheimstellen, ist ein schönes Wortspiel, das aber den Kern der Sache nicht trifft. ({3}) Ein Stück Ernsthaftigkeit wäre hier schon gut. Wir übernehmen nicht Wort für Wort Parteitagsbeschlüsse. Wir sind nicht das Notariat der Regierung. Aber wir haben als gewählte Parlamentarier äußerst ernst zu nehmen, was in der Bevölkerung gedacht und gefühlt wird, ({4}) und nicht in einem solchen Kurvenzug darüber hinwegzugehen. Wollen wir denn Parteiverdrossenheit und Staatsverdrossenheit, die in einem solchen Einschubsatz zum Ausdruck kommt, ({5}) etwa noch fördern, um uns dann über die Bürgerinitiativen zu beklagen, die in dieser und in anderen Fragen uns gemeinsam Schwierigkeiten bereiten? Das kann doch wohl nicht logisch und demokratisch sinnvoll sein. ({6}) Ich jedenfalls folge diesem Ratschlag nicht, weil er eine Geringschätzung der Parteimitglieder und der Wahlbürger darstellt, und das ist nicht mein Demokratieverständnis. ({7}) Wenn das dann noch durch einen Sprachgebrauch untermalt wird - ich habe ein paar Dinge notiert: „Kommandeur", „Feldwebel", ({8}) „Provinzstatthalter", womit Dr. Albrecht gemeint war, „Parteisoldaten", „Exekutieren" -, dann kann ich nur sagen: wir sollten von diesem militärischen Sprachgebrauch lassen. ({9}) Ich schlage vor, zum sportlichen Sprachgebrauch zurückzukehren. Der ist von etwas mehr Anstand und Fairneß - gepaart mit Härte -, und das halte ich für dem Thema angemessener. Was den Inhalt anlangt, möchte ich folgendes sagen. Wenn die Fragen schon sehr lapidar waren, so ist hier auch - bis auf ganz wenige Ausnahmen - die Chance vertan worden, worauf ich eigentlich gewartet hatte, diese lapidaren Fragen zu substantiieren und zu präzisieren. Was weithin geschehen ist, ist, Widersprüche aufzuzeigen, und das haben Sie ganz alleine selber getan. Ich erinnere beispielsweise an einige Passagen des ersten Sprechers, Herrn Dr. Zimmermann. Er hat heftig gegen die Vokabel vom „Restbedarf" bei der Kernenergie, man muß schon fast sagen, gewettert. Aber in einem Nebensatz wurde er dann offensichtlich auch nachdenklich und sagte: man muß ja nicht alles mit Kernkraft in diesem Staat überlasten. Die Andeutung, die hinsichtlich des Verhaltens in den Wahlkreisen und in den Regionen im Verlauf der Debatte fiel, macht ein Stück Nachdenklichkeit und die Schwierigkeit deutlich, die man nicht einfach mit dem Vorwurf „Was ist schon Restbedarf?" übergehen kann. Keiner will doch mehr als nötig tun. Die Kalkulation, das Nötige herauszufinden, ist die Aufgabe, die wir uns gemeinsam stellen müssen. Wir dürfen sie nicht so desavouieren. Ich halte das jedenfalls für einen Widerspruch. Zu dessen Aufklärung haben Sie hier nicht beigetragen. Wir von der FDP stehen für den notwendigen Ausbau der Kernenergie, aber für den vorsichtigen Umgang mit der Kernenergie, was sowohl die Mengen als auch die Bedingungen anlangt. ({10}) Daß dies nach wie vor nötig ist, dafür braucht man doch nur Stichworte aufzuzählen, den Harrisburg-Report, die Erfahrungen, Herr Dr. Stoltenberg, Herr Ministerpräsident, die in Brunsbüttel gemacht wurden. Da kann man in das Sachverständigengutachten schauen. Ich brauche nur drei Sachverständige zu zitieren, die von nicht unerheblichen Risiken gesprochen haben. Das legt doch wohl eine gewisse Vorsicht und Umsicht nahe. Sie können sich dann nicht verweigern, einen Teil der Sicherheitsbedingungen dort mit zu schaffen, wo Sie es können. Ich möchte die Gelegenheit nehmen, für mich und die Fraktion klipp und klar zu sagen: es mag für eine Regierung in einem Bundesland wünschbar sein, bei einem gewissen Thema eine größere Mehrheit hinter sich zu haben. Aber man kann sich nicht damit entschuldigen, daß die Opposition oder andere nicht zustimmen, wenn man Dinge mit der eigenen Mehrheit machen könnte, die man angesichts dieses Themas Nummer eins für wichtig, für richtig und für notwendig hält. Ich meine damit den Beitrag zur Entsorgungsfrage, für die wir ein Konzept vorgelegt und auch seitens FDP und SPD die notwendigen Schritte unternommen haben. Ich habe mir noch einmal das CDU-Programm von Hannover vorgenommen. Man kann nicht in das eigene Parteiprogramm hineinschreiben, daß die Wiederaufbereitung zur Entsorgung gehöre, man kann nicht pro Kernenergie plädieren, wenn man dann im konkreten Falle seine Mehrheit nicht dafür einsetzt, daß Schritte in Richtung auf eine Verwirklichung getan werden. Alles andere ist Ausrede. Herr Minister Dr. Stoltenberg, wenn ich zu Ihnen hinübersehe, erinnere ich mich daran, daß in einem Bundesland mit einer Stimme Mehrheit - ich will das gar nicht kritisieren - eine Wahlrechtsreform durchgeführt wurde. Das ist ein Thema, bei dem man sich normalerweise vom demokratischen Geschmack und Stil her auf einen breiteren Konsens abstützen sollte. ({11}) Da geht das, aber in einem anderen Bundesland reichen zehn Stimmen nicht aus, für die Bedingung, für die wir sind, einzutreten und sich dafür zu entscheiden. Dann läuft man Pirouetten und kommt nicht zur Sache. Dabei gestehe ich ein, daß eine größere Mehrheit wünschbar wäre. Sie .ist aber keine notwendige Bedingung. Hier ist ja auch die Ethik bemüht worden. Ich halte es da mit Kant - der hat auch damit etwas zu tun -: Dann soll man so vorgehen, daß die Prämisse des eigenen Handelns, der eigenen Entscheidung so sein möge, daß man sie jedermann als Modell zum Nachmachen anbieten kann. Verhielte man sich in Niedersachsen so, daß man seine Entscheidung in der Entsorgungsfrage trifft und inhaltlich dazu steht, dann gibt man damit ein Beispiel und braucht sich um vieles andere nicht zu kümmern. Das wäre politisch-ethisches Verhalten. ({12}) Ich darf Herrn Kant, der für uns als Liberale als Vater der Aufklärung eine geistige Plattform bietet, hier einmal zitieren und hoffe, es gilt als nicht zu weit hergeholt. Die Stichworte kommen aber nicht von mir, sie sind heute in die Debatte eingeführt worden. Ich bin auch sicher, Politik in diesem Bereich verlangt nicht nur pragmatisches Handeln, sondern bedarf auch der breiten Zustimmung in der Bevölkerung wie auch einer klaren Fundierung der Entscheidungsgrundlagen. Ich möchte in der kurzen Zeit, die mir in der Debatte zur Verfügung steht, noch auf zwei oder drei weitere Stichworte zu sprechen kommen. Es ist der . Vorwurf erhoben worden, die Regierung habe es versäumt, etwas für die Menge des Energieangebotes zu tun. Hier kann man nur Stichworte nennen. Sie, Herr Dr. Narjes, haben mehr Zeit gehabt, um das weiter auszuführen. Ich meine aber, daß wir im Bereich der Diversifizierung der Energieträger, der DiZywietz versifizierung der Bezugsregionen beim Erdgas, beim Erdöl und bei der Kohle - bei der Importkohle teile ich die Auffassung, daß wir bei allen Rücksichtnahmen doch noch ein Stück weitergehen müßten und könnten - im Sinne der Verbreiterung und Vertiefung des Energieangebots viel getan haben. Vorwürfe so pauschaler Art gehen einfach ins Leere. Ich habe auch ganz und gar nicht verstanden, wieso der Sprecher der Opposition den massiven Vorwurf erhoben hat, wir spielen mit den Optionen und sollten dies lassen. Was soll das bedeuten? Das ist doch ein Beitrag zur Verbreiterung des mengenmäßigen Angebots im Energiebereich. Wir haben durch Grundlagenforschung, durch Pilotprojekte vielfältige Optionen, die in industrielle Projekte zur Energiedarbietung übergeleitet werden können. Was ist das anderes? Das können Sie doch nicht in die Ecke drücken, indem sie sagen, das sei ein Spiel mit billigen Optionen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, sie müssen zum Schluß kommen. Holen Sie nicht noch einmal so weit aus.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, ich muß wirklich sagen, dies stellt in keiner Weise die Energiepolitik in Frage, die wir von der Koalition aus konzipiert haben. Sie haben - das müßte bitter für Sie sein - an keiner wesentlichen Stelle darüber hinausgehende Vorschläge und Angebote gemacht. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gruhl.

Dr. Herbert Gruhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000741, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren ist immerzu von einer Energiekrise die Rede. In diesem Hause jagt praktisch eine Energiedebatte die andere. Dies geschieht in einer Zeit, in der weltweit so viel Energie verbraucht wird wie noch nie in der Geschichte. Vor ungefähr 20 Jahren wurde bei uns in der Bundesrepublik etwa halb so viel Energie verbraucht wie in den letzten Jahren. Damals ist nie von einer Energiekrise gesprochen worden. Eine Antwort auf die Energiekrise - gegeben von Herrn Dr. Knizia von den Deutschen Elektrizitätswerken Anfang Oktober in Salzburg - lautet: Bis zum Jahre 2020 braucht die Menschheit jährlich achtmal soviel Energie wie heute. Wenn es dazu kommen sollte, wäre dies ein Wahnsinn. Das würde bedeuten, alles zu vernachlässigen, was auch heute hier zum Teil zur Sprache gekommen ist. Das Wichtigste ist gar nicht einmal das viel bemühte Kohlendioxid, sondern die Abwärmeentwicklung einer Energiemasse, die achtmal so groß ist und die in logischer Fortführung dieses Gedankengangs im Jahre 2001 jährlich dann etwa hundertmal so groß sein müßte wie heute. Damit bin ich bei einem der Hauptprobleme, denn es kann ja wohl in der Debatte nicht darum gehen, von dem Heizölvorrat des nächsten Winters zu sprechen, wie es der Wirtschaftsminister auch getan hat, sondern wir müssen von den langfristigen Aspekten sprechen. Nun haben wir Gott sei Dank inzwischen nicht nur die Aussagen dieser Fachleute, von denen der Professor Schulten einmal gesagt hat: Das sind die Experten, die über den Bau und die Art der Werke bestimmen und die für ihre Unternehmen Geld verdienen müssen. Ich bin der Meinung, Herr Ministerpräsident Stoltenberg, Sie sollten nicht so abwertend von einem „Aufstand der Amateure" sprechen, denn was wären wir ohne Amateure? Ich möchte gar nicht fragen, wieviel Amateure hier im Bundestag sitzen. In bezug auf die Energie- und Kernenergieproblematik sind hier bestimmt mehr Amateure als Fachleute. Es sind jetzt nicht nur die Amateure, die Stellung nehmen, sondern, Herr Stoltenberg, es sind weltweit inzwischen auch eine ganze Menge von Wissenschaftlern, die eine andere Haltung einnehmen. „Besorgte Wissenschaftler" nennen sie sich in Amerika; bei uns sind sie anders. Warum es bei uns so wenig sind, ist auch völlig klar. Dies ist eine Existenzfrage für diese Wissenschaftler. Normalerweise gibt es für sie Geld nur dann zu verdienen, wenn sie ihre Fachkenntnisse Unternehmen zur Verfügung stellen. ({0}) Für Gutachten können sie nicht bezahlt werden. Aber es gibt inzwischen trotzdem eine ganze Menge solcher „Amateure". Herr Stoltenberg, Sie haben weiter, an die Adresse der Bundesregierung gerichtet, gesagt, die Kluft zwischen Reden und Handeln solle beseitigt werden. Wenn die Kluft zwischen Reden und Handeln beseitigt wird, dann heißt das, daß ohne Nachdenken gehandelt wird. Wenn wir aber vorher nachdenken, dann entsteht eine Pause des Nachdenkens. Das finde ich sehr richtig. ({1}) In dieser Pause sind auch Verantwortung und Gewissen gefragt. Ich bin etwas erstaunt darüber, Herr Ministerpräsident - auch andere Redner haben das gesagt -, daß plötzlich die Sowjetunion ein Vorbild für uns sein soll, weil sie Kernkraftwerke baut. Sie hat zur Zeit trotz der Größenordnung des Landes und der hohen Bevölkerungszahl nicht mehr Kernkraftwerke als die Bundesrepublik Deutschland, was draußen meistens niemand weiß. Wie soll das ein Vorbild sein? Dann kommt plötzlich ein weiteres Vorbild ins Gespräch: Frankreich. Fragen Sie einmal Ihre CDU-Kollegen an der Saar, ob sie erfreut darüber sind, daß Frankreich - ohne jemanden zu fragen - vier Riesenblöcke in Cattenom direkt vor die Nase der Saarländer und der Luxemburger gebaut hat. Lesen Sie einmal die Erklärung der Bischöfe von Metz, Trier und Luxemburg zu dieser Frage, oder lesen Sie einmal als engagierter evangelischer Christ, der Sie, wie ich annehme, sind, die Erklärung der Lutherischen Landeskirche von Hannover, die sie vor einigen Jahren abgegeben hat. Da werden Sie ganz an14852 dere Ausführungen finden, als Sie sie heute hier gemacht haben. Wenn wir die Frage jetzt längerfristig betrachten, geht es nicht nur um eine Pause wegen moralischer Skrupel, die wir eigentlich alle haben sollten, sondern auch um wirtschaftspolitische Skrupel. Ich kann da an eine gigantische Fehlhandlung der deutschen Politik erinnern. Ich meine die seinerzeitige Stillegung der Kohlenbergwerke mit Milliardenbeträgen aus Haushaltsmitteln ({2}) - ich war damals allerdings nicht hier - der CDU/ FDP-Regierung unter - ich weiß nicht, wie starker - Unterstützung der SPD. Die damalige Förderung des Erdöls hat uns erst einmal in diese phantastische Abhängigkeit gebracht, die wir nun heute haben und unter der wir leiden. Was geschieht nun seit einigen Jahren? Jetzt sind bereits wieder über 20 Milliarden DM aus öffentlichen Haushalten zur Förderung der Kernenergie ausgegeben worden. Diese zweite Welle der Förderung einer anderen Energie bringt uns nun in die Abhängigkeit von Uran und von den Ländern, die über Uran verfügen, und das sind wir selber nicht. So wird auch hier eine neue Fehlplanung eingeleitet, die uns in größere Abhängigkeit vom Ausland und zugleich in viel größere technische Risiken bringt. Solche Risiken sind nicht auszuschließen. Das gibt inzwischen selbst die Atomindustrie zu. Diese Risiken könnten eine nationale Katastrophe zur Folge haben, wie ein Gericht formuliert hat, mit der Folge, daß die Bevölkerung verlangen wird - dann wahrscheinlich hundertprozentig -, die Werke sofort stillzulegen. Man hat sich dann in eine neue, verheerende Form von Abhängigkeit begeben. Inzwischen wird eine ganze Menge Untersuchungen darüber angestellt, welche anderen Möglichkeiten es in der Energieversorgung gibt. Das Ökologische Institut in Freiburg hat der Presse bereits etwas vorgestellt, was Anfang nächsten Jahres in Buchform erscheinen wird. Da wird nun einmal nicht von Amateuren, sondern auch von Wissenschaftlern untersucht, welche anderen Möglichkeiten wir haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Von Philosophen! - Sie sollten es erst einmal lesen. Es wird ganz realistisch von Grund auf festgestellt, was bei Haushalten und Kleinverbrauchern an Mehr- oder Minderbedarf zu erreichen wäre. Man kommt dabei zu dem Schluß, daß im Jahre 2000 selbst bei größeren Wohnflächen bei der Heizung mit zwei Drittel der heutigen Energiemenge auszukommen wäre. Ich habe in 15 Minuten nicht die Zeit, die einzelnen Maßnahmen darzustellen. Man kommt weiterhin zu dem Schluß, daß die Geräte im Haushalt künftig so konstruiert werden könnten, daß sie nur halb soviel Energie wie heute verbrauchen. Natürlich wird auch Sonnenenergie zur Warmwasserbereitung und Heizung mit berücksichtigt. Man kommt zu dem Ergebnis, daß selbst bei Zunahme des Autoverkehrs ein Mindereinsatz von Energie möglich wäre. In der Industrie sieht es ebenso aus: Auf Grund neuer Technologien, besserer Ausnutzung der Energie - neuer Antriebsarten, elektronische Steuerung der Motoren und dergleichen - kann in der Industrie ebenfalls eine Ersparnis von 30 % erzielt werden. Selbst bei Unterstellung eines weiteren wirtschaftlichen Wachstums wäre nach den Berechnungen dieses Instituts eine Einsparung von insgesamt 30 % möglich. Aber dieses Institut steht mit dieser Meinung nicht allein. Eine Veröffentlichung amerikanischer besorgter Wissenschaftler aus dem September kommt ungefähr zu den gleichen Ergebnissen wie das Öko-Institut in Freiburg. Es heißt dort: Eine bemerkenswerte Revolution in der Art des Energiekonsums hat bereits begonnen. In den fünf Jahren vor dem Ölembargo 1973 stieg der Energieverbrauch um 22 % ({3}). In den fünf Jahren danach nahm er noch um 4 % zu. Nur ein kleiner Teil dieser Differenz ist dem schwächeren wirtschaftlichen Wachstum in der zweiten Periode zuzurechnen. Seit 1973 akzeptierten die amerikanischen Firmen und Konsumenten als Antwort auf steigende Energiepreise eine Vielzahl von energiesparenden Techniken, um die für Energie ausgegebenen Dollars zu strecken. Sie erzielten Verbesserungen in der Wirksamkeit der Energie und erreichten das Äquivalent von 3,8 Millionen Barrel Erdöl pro Tag an Einsparungen, und im Vergleich dazu stieg die Energieversorgung aus anderen Quellen nur noch um 1,45 Millionen Barrel täglich. In anderen Worten: Die Verbesserung der Wirksamkeit der Energie trug mehr als zweieinhalbmal soviel zum wirtschaftlichen Wachstum bei, als es die größeren Ölimporte taten, Atomenergie und Kohleproduktion zusammengenommen. Das war die Aussage der amerikanischen Wissenschaftler. Sie kommen dann zu dem weiteren Ergebnis, daß der Einsatz von Atomenergie in den Vereinigten Staaten auf die Hälfte des gegenwärtigen Standes reduziert werden könnte, statt sie zu verdoppeln, wie gegenwärtig geplant, und daß man bei der Kohleproduktion mit 60 % der geplanten Steigerungen auskommen würde. Das wäre fast eine Halbierung. Sie kommen drittens zu dem Schluß, daß Investitionen für synthetische Brennstoffe weithin vermeidbar sind, weil diese anderen Maßnahmen genügend Möglichkeiten bieten, die entsprechende Energie zur Verfügung zu stellen. Ich kann nicht die Tausende von Arbeiten hier darlegen, die inzwischen erschienen sind, und die vielen Institute nennen, die daran arbeiten. Ich verweise aber auf die etwa drei Jahre alte Arbeit der UNO-Wirtschaftskommission für Europa mit Sitz in Genf, die neulich diese weltweite Tagung abhielt. Jene schon vor drei Jahren vorgelegte umfangreiche Arbeit kam zu dem Ergebnis, daß der gegenwärtige europäische Lebensstandard auch mit der Hälfte der Primärenergie erreichbar wäre, die wir heute einsetzen. Diese wenigen Beispiele aus Untersuchungen - nicht etwa nur von Amateuren, sondern von WisDr. Gruhl senschaftlern, vielleicht auch von Amateuren, die etwas Neues entwickeln - beweisen, daß wir hier andere Wege gehen können. Diese anderen Wege sind mit der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen verbunden, als sie die Atomindustrie jemals bieten kann. Das ist überall nachzuweisen. Gerade diese kleinen Technologien, die neuen Installationen für Wärmedämmung, neue Raumheizung und dergleichen, bieten kleinen Handwerksbetrieben eine Menge von Möglichkeiten und damit auch eine Menge von Arbeitsplätzen. Dies müßte alles gründlich behandelt und besprochen werden, statt immer wieder die alte Platte aufzulegen, die sich aus den Hochrechnungen der Vergangenheit ergibt: Mehr Verbrauch von Energie mit der Folge, daß man sie auf alte Weise decken möchte, also mit entsprechender Vervielfachung der Zahl der Kernkraftwerke und all den Problemen, die damit zusammenhängen, die hier schon wiederholt diskutiert worden sind und für deren Darlegung mir auch heute wieder die Zeit fehlt. Ich möchte, weil die Anhänger unserer Richtung oft als Pessimisten bezeichnet werden, abschließend folgendes sagen: Wir sind in Beziehung auf die Energieversorgung Optimisten. Während der Debatte heute fiel mir ein Wort des englischen Künstlers und Kritikers Sir Herbert Read ein, der in den 60er Jahren sagte - das paßt sehr gut zu dem Bild von den ausgehenden Lichtern, das oft bemüht wird -: „Es wird in den 80er Jahren dieses Jahrhunderts überall Licht geben, nur nicht in den Köpfen der Menschen." ({4}) Was der Menschheit dringend fehlt, ist nicht Energie, sondern ein realistischer Geist, auch ein technischer Geist und auch ein politischer Geist, der alle Umstände der heutigen Welt, ihre Grenzen, aber auch ihre Möglichkeiten und neue Möglichkeiten in die Entscheidungen mit einbezieht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stavenhagen.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers ist, daß er ständig in Landtagswahlkämpfen Persönlichkeiten zur Wahl empfehlen muß, die seiner eigenen Energiepolitik direkt entgegengestellt sind. ({0}) Wir. in Baden-Württemberg sind natürlich sehr gespannt, mit welchen Argumenten der Herr Bundeskanzler uns Herrn Eppler zur Wahl empfehlen wird. Wir haben auch Verständnis dafür, daß man versucht, diese Schwierigkeiten abzuwiegeln. Nur: Wenn man uns hier ernsthaft empfiehlt, die Wiederaufarbeitung gewissermaßen mit der Brechstange durchzusetzen, dann schadet man dem Vertrauen, dann schadet man der Akzeptanz und fördert sie nicht. Das Problem in der Energiepolitik ist, daß wir wieder lernen müssen, offen miteinander zu reden, daß wir offen die Argumente austauschen und daß wir auch Tatsachen nennen, die der eigenen Position nicht dienlich sind, daß wir ehrlich miteinander umgehen. ({1}) Harrisburg ist zum Inbegriff für die besonderen Probleme geworden, die mit der Kernenergie verbunden sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß etwas passiert, ist zwar sehr klein, aber sie ist eben nicht Null. Wenn etwas passiert, dann kann die Gefahr schnell groß werden. Der Bericht der vom amerikanischen Präsidenten eingesetzten Kommission zeigt die Schwierigkeiten auf, denen sich der Mensch bei immer größer und komplizierter werdender Technik ausgesetzt sieht. Ich verstehe sehr gut, daß sich die Bürger bei uns in Deutschland nicht damit begnügen, wenn man ihnen sagt, unsere Sicherheitsphilosophie sei sehr viel besser. Die Bürger fordern - dies unterstütze ich nachhaltig -, daß man ständig weiter Anstrengungen unternimmt, nicht nur die Wahrscheinlichkeit, daß etwas passiert, weiter zu verringern, sondern auch den möglichen Schadensumfang weiter zu verringern. Wir werden nicht sachlich miteinander reden können, wenn wir nicht gegenseitig Anstrengungen unternehmen, die Ängste und Sorgen derer, die hier anders denken als wir, als Ängste und Sorgen verantwortlicher Menschen ernst zu nehmen. ({2}) Entscheidungen in der Energiepolitik sind aber auch Entscheidungen darüber, wie wir leben wollen und wie wir nicht leben wollen. ({3}) Hier sind wir in gewisse Vorgaben eingebunden. Erstens. Die Entscheidung, aus unserem Land eine hochtechnisierte Industrienation zu machen, ist längst von den Generationen vor uns getroffen worden. Dies hat zu einem Einkommensniveau und zu einem Lebensstandard geführt, die international mit ganz vorn sind. Wer dies leichtfertig kritisiert, sollte sich selbst fragen, worauf er zu verzichten bereit ist. ({4}) Zweitens. In unserer wirtschaftlich und politisch eng verflochtenen Welt müssen wir die Wirkungen unserer Entscheidungen auf andere und umgekehrt berücksichtigen. Auf die Anwendung einer Technologie zu verzichten, die mittlerweile weltweit eingesetzt wird, erscheint mir persönlich schwer vorstellbar. Drittens. Der Weltenenergieverbrauch wird so lange kräftig steigen, wie die Weltbevölkerung zunimmt. Da der Energieverbrauch pro Kopf weltweit sehr ungleich verteilt ist und 701)/0 der Weltbevölkerung einen Verbrauch weit unter dem Durchschnitt haben, gilt dies selbst für den Fall, daß es den hochindustrialisierten Ländern gelingt, keinen nennenswerten weiteren Energiezuwachs zu haben. Viertens. Die heute gängigsten Energieträger sind begrenzt. Ersatz muß gefunden werden, auch wenn bei uns der Energieverbrauch nicht mehr oder nur noch sehr langsam steigt. Ich habe Verständnis dafür, daß einige junge Leute aus unseren Lebensgewohnheiten ausbrechen und ein alternatives Leben ausprobieren wollen. Nur kann sich die Richtschnur unseres politischen Handelns nicht an dieser Minderheit orientieren. ({5}) Die politisch Planenden müssen Wege suchen, auf denen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz vereint werden können. Wer mit undurchsetzbaren Forderungen seinen Weg selber zur Ungangbarkeit verurteilt, steigt aus der politischen Verantwortung. aus. Wer aus der Verantwortung für Mensch und Umwelt handelt, muß die Gefahren durch Energiemangel genauso in Rechnung stellen wir die Gefahren durch Unfälle in Kraftwerken. ({6}) Die Probleme der Kernenergie müssen wir ehrlich diskutieren. Wer meint, Kohle könne Kernenergie überflüssig machen, darf auch nicht verschweigen, daß wir seit Kriegsende im deutschen Kohlenbergbau ungefähr 15 000 Tote hatten. Wer die Risiken der Kernenergie für unannehmbar hält, der soll auch zu den 20 000 Kindern und mehreren tausend Erwachsenen Stellung nehmen, die alle zwölf Stunden auf der Welt verhungern, und zur Vernichtung von 100 qkm Kulturland und 150 qkm Waldfläche alle zwölf Stunden auf der Welt aus Energiemangel. Wir von der CDU/CSU starren nicht gebannt auf den Fetisch des Wachstums. Nur haben wir die Überzeugung, daß es auf absehbare Zeit ohne ein maßvolles Wachstum nicht geht, wenn ein Zeitalter bitterer sozialer Verteilungskämpfe in unserer Innenpolitik vermieden werden soll. Nur ein Beispiel: 1978 betrug das Nettoeinkommen von 87 % aller Arbeiter und 99 % aller Arbeiterinnen weniger als 1 800 DM. Wer dies so lassen will, soll das sagen. Wir wollen dies nicht so lassen. Auf internationaler Ebene ist zusätzliches Wachstum von Wirtschaft und Energieversorgung unumgänglich zur Begrenzung internationaler Verteilungskämpfe. Wirtschaftswachstum während der nächsten 30 bis 50 Jahre bleibt also unabdingbar. Denn nur so kann man den bisher Benachteiligten ernsthaft mehr geben, ohne den Bevorzugten unannehmbar viel wegzunehmen. Eine Lehre vom Wachstumsstopp würde eine Lehre von Krieg und Bürgerkrieg bedeuten. Selbst ein mäßiges und zeitlich beschränktes Wachstum erfordert aber auch ein ausgewogenes Wachstum aller Energiequellen einschließlich eines Anteils der Kernenergie in ihren bestmöglich abgesicherten Formen. Die unsichere Voraussicht in die Zukunft zwingt uns, die Entscheidungen so zu treffen, daß wir immer auf der sicheren Seite des Weges sind. Deshalb ist jede Energiepolitik falsch, die auf einer mit spitzem Bleistift berechneten Zukunftsprognose beruht und dann in sich zusammenfällt, wenn diese Prognose sich auch nur als geringfügig falsch erweist. ({7}) Wir wollen kein einziges Kernkraftwerk mehr, als wir unbedingt brauchen. Wir wollen aber auch, daß die Voraussetzungen geschaffen werden, daß die Kernkraftwerke, die nach unserer Einschätzung in sechs, acht, zehn Jahren unverzichtbar sind, ohne zu lange Verzögerungen gebaut werden können. Mit dem Offenhalten der Optionen ist es jetzt, glauben wir, nicht mehr getan. Jetzt ist nicht mehr die Zeit der Unverbindlichkeiten, sondern jetzt muß man - wie heute morgen der Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff - präzis sagen, was man will, und man muß vor allen Dingen danach handeln. Insofern sollte auch unsere Große Anfrage Ihnen helfen, bei Ihrem Parteitag richtige und zum Wohl unseres Landes gute Entscheidungen zu treffen. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Bundesinnenminister Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Minister:in)

Politiker ID: 11000111

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen zunächst zu Ihnen, Herr Stoltenberg. Sie haben ausgeführt, daß Schwierigkeiten bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf unklare und widersprüchliche Rechtsvorschriften und Richtlinien des Bundes zurückzuführen seien. Als Beispiel haben Sie auf die Auslegung der §§ 45 und 28 der Strahlenschutzverordnung durch das OVG Lüneburg hingewiesen, Herr Stoltenberg. Sie haben versucht, Ihren Vorwurf durch einseitiges Zitat des Urteils eines einzigen Obergerichts zu untermauern. Ich möchte dazu folgendes feststellen. Alle Rechtsvorschriften und Richtlinien sind in enger Abstimmung mit den Ländern verabschiedet worden. Die von Ihnen vertretene Auffassung zu angeblichen Widersprüchen in den Rechtsvorschriften oder Richtlinien teile ich nicht. Dabei möchte ich in Würdigung der Unabhängigkeit der Gerichte das Urteil des OVG Lüneburg jetzt im einzelnen gar nicht bewerten. Ich möchte jedoch auf die Entscheidung eines anderen Obergerichts hinweisen, nämlich des Oberverwaltungsgerichts Münster, das .im Jahre 1976 im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Würgassen festgestellt hat, daß die Strahlenschutzverordnung als ein in sich geschlossenes Regelungsgefüge des Strahlenschutzes betrachtet werden muß. Hier gibt es also positive Wertungen und nicht nur diese eine Wertung, die Sie vorgetragen haben. Ich glaube, daß wir auch künftig unterschiedliche Bewertungen verschiedener Verwaltungsgerichte respektieren müssen. Sie wird es geben. So ist das nun einmal mit den Gerichten und dem Rechtsstaat. Das ist der Tribut, den wir alle dem Rechtsstaat zollen müssen. Ich versichere Ihnen, daß mein Haus zusammen mit den Ländern jede verwaltungsgerichtliche Entscheidung daraufhin untersucht, ob Rechtsänderungen erforderlich sind. Dazu steht uns als bewährtes Gremium der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern der Länderausschuß für Atomkernenergie - und hier für Rechtsfragen insbesondere der Rechtsunterausschuß - zur Verfügung. In diesen Ausschüssen arbeitet Ihr Land, Herr Ministerpräsident Stoltenberg, hervorragend mit. Ich kann mich da überhaupt nicht beklagen. Ich versichere Ihnen: Jeden Vorschlag, den Sie uns dort fundiert, zur rechten Zeit machen werden, werden wir prüfen. Ich halte nichts davon, daß Sie uns im Deutschen Bundestag - im übrigen nicht nur mich, sondern alle anderen Länder dazu - zu Unrecht auf die Anklagebank setzen. ({0}) Im übrigen erinnere ich noch einmal daran, daß alle von Ihnen kritisierten Rechts- und Verordnungswerke von Ihrer Regierung im Bundesrat mitgetragen wurden. Nun werden Sie sagen: Man kann auch klüger werden. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen klüger zu werden, wenn Sie uns auf die Fährte helfen. ({1}) In Ihre Erinnerung möchte ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Kalkar zurückrufen, die von Ihnen, wenn auch in anderem Zusammenhang, gern und häufig zitiert wird; auch von mir im übrigen. Hier hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, daß das Atomgesetz in der gegenwärtigen Fassung den verfassungsrechtlich zu stellenden Anforderungen eines dynamischen Grundrechtsschutzes und der bestmöglichen Schadensvorsorge in hervorragender Weise gerecht wird. ({2}) - Das sagt das Bundesverfassungsgericht. - Dieser verfassungsrechtlich zu fordernde dynamische Grundrechtsschutz hat seinen Preis. Der Stand von Wissenschaft und Technik wandelt sich. Starre rechtliche Festlegungen dürfen den technischen Fortschritt nicht behindern. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Wir werden auch künftig in der Bundesrepublik nur Kernkraftwerke genehmigen, die dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Nach dem Atomgesetz bin ich in der Rolle einer neutralen Sicherheitsbehörde. Diese Aufgabe ist dem Bundesinnenministerium und auch den Länderbehörden übertragen worden. Ich nehme, wie der Kollege Stavenhagen das eben ausgeführt hat - ich fand das sehr bemerkenswert -, die Sorgen und Befürchtungen der Bevölkerung sehr ernst, gerade auch dort, wo sie nur von einer Minderheit artikuliert werden. Harrisburg hat die Risiken der Atomenergie in anschaulicher Weise für alle deutlich gemacht, neue, bisher nicht gekannte Risiken der Industriegesellschaft. Darüber sind wir uns ja hoffentlich einig. Gleichwohl sind wir davon überzeugt, daß unser Sicherheitskonzept die in Harrisburg zutage getretenen Risiken auffängt, daß also diese Risiken bei uns nicht bestehen, die dort zu einem BeinaheUnfall geführt haben. Ein umfangreicher erster Bericht zum Komplex Harrisburg wurde dem Parlament von mir im Juli 1979 vorgelegt. Es geht jetzt darum, den sogenannten Kemeny-Bericht, also den Bericht der Kommission, die vom amerikanischen Präsidenten eingesetzt worden ist, und die Auswertung dieses Berichts durch die amerikanische Genehmigungsbehörde auf mögliche Konsequenzen für die deutschen Kernkraftwerke zu überprüfen. Das ist unsere Pflicht, das müssen wir jetzt in Fortschreibung des ersten Berichts vom Juli dieses Jahres tun. Hierzu werden weitere intensive Beratungen in der Reaktorsicherheitskommission und im Länderausschuß für Atomkernenergie erforderlich sein. Ich gehe davon aus, daß ich dem Parlament im Frühjahr nächsten Jahres den Abschlußbericht vorlegen kann. In diesem Abschlußbericht werden wir auch zu den Konsequenzen für die Sicherheitseinrichtungen in deutschen Kernenergieanlagen Stellung nehmen, und selbstverständlich wird es Konsequenzen geben. Jetzt schon möchte ich jedoch sagen, daß die wesentlichen Empfehlungen der von Präsident Carter eingesetzten Untersuchungskommission zum Falle Harrisburg Maxime unseres Sicherheitshandelns seit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre sind. Dies betrifft sowohl Fragen der Organisation als auch solche der Sicherheitsgewährleistung und der Fachkunde des Personals, die ja eine sehr große Rolle bei der Bewertung des Störfalls in Harrisburg spielt. Lassen Sie mich noch ein Wort zum Entsorgungsbeschluß sagen, der vor einigen Wochen von den Ministerpräsidenten zusammen mit dem Bundeskanzler gefaßt worden ist. Dieser Entsorgungsbeschluß ist deshalb wichtig, weil er die Entsorgungskoppelung bekräftigt, die in diesem Hause nicht immer von allen akzeptiert worden ist, wenn ich beispielsweise an frühere Beiträge von Ihnen denke, Herr Kollege Narjes. Für uns, für die Bundesregierung ist der Ausbau der Kernenergie ohne eine Entsorgungskoppelung nicht verantwortbar, die eine Umweltkomponente, eine wichtige ökologische Komponente hat. Im übrigen, Herr Kollege Narjes: Auch der Ausbau von Kohlekraftwerken ist ohne Berücksichtigung des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik nicht möglich. Das ist keine Investitionsblockade. Selbst der BDI ist nicht mehr der Meinung, die Sie heute hier geäußert haben. Kernstücke des Beschlusses der Ministerpräsidenten sind die Bekräftigung des ursprünglichen, integrierten Entsorgungskonzepts der Bundesregierung und die Einigung über den sogenannten parallelen Ansatz bei der Lösung des Entsorgungsproblems. Ich möchte Ihnen sagen, daß wir, was den Bund angeht, diesen Beschluß zügig umsetzen werden. Ich möchte Sie allerdings darauf hinweisen, daß der Bund infolge des Beschlusses von Niedersachsen neue Lasten übernommen hat. Ein Verfahren in Niedersachsen wird nicht mehr betrieben, es ruht - mit Ausnahme des Planfeststellungsverfahrens für das Endlager, das fortgeführt wird. Alle Untersuchungen, alle Forschungen werden jetzt vom Bund vorgenommen. Der Haushaltsausschuß hat uns dazu neues Personal und neue Sachmittel bewilligen müssen. Das heißt: Die Länder sollten jetzt auch ak14856 zeptieren und anerkennen, daß der Bund im Interesse der Verwirklichung des Entsorgungskonzepts wesentlich mehr an Lasten trägt als vor dem Beschluß in Niedersachsen und vor dem Beschluß der Ministerpräsidenten. Eine glaubwürdige Entsorgungsvorsorge, die ebenso gerichtsfest ist wie die bisherigen Entsorgungsgrundsätze, kommt, meine ich, um einige deutliche Akzente der Konkretisierung dieses Entsorgungskonzepts der Ministerpräsidenten nicht herum. Darüber werden wir - Bund und Länder gemeinsam - reden. Ich nehme an, daß dies schon in der Ministerpräsidenten-Sitzung im Februar der Fall sein kann. Ich möchte an die Länder appellieren, ihre Mitwirkung hier nicht zu versagen. Herr Stoltenberg, also zwar keine Bundesexekution, wie Sie sie hier zur Debatte gestellt haben, aber strikte Wahrnehmung der Fachaufsicht durch den Bund. Der Bund ist dazu durch das Atomgesetz verpflichtet. So haben wir auch im Falle Brunsbüttel, Herr Stoltenberg, gehandelt, und so werden wir uns auch künftig verhalten. In der Frage der Sicherheit von Kernenergieanlagen kann es keine parteipolitisch motivierten Unterschiede, keinen Sicherheitsföderalismus geben. ({3}) Beispielhaft ist das Thema Entsorgung. Nur die Zusammenarbeit von Bund und Ländern ermöglicht dem Bund die Verwirklichung des Entsorgungskonzepts. Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen, der Bund wird nach wie vor das Seine dazu beitragen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, wir haben eine letzte Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Breidbach, der fünf Minuten Redezeit hat.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bedauern eigentlich, daß die bisher geführte Debatte nicht das eigentliche Spektrum der Meinungsbildung innerhalb der SPD-Fraktion aufgezeigt hat. Die Debattenstrategie hat es ja verhindert, daß handfeste Kernenergiegegner wie die Kollegen Ueberhorst oder Dr. Schäfer das wahre Bild der SPD auch vor dem Deutschen Bundestag erkennbar werden ließen. ({0}) Lassen Sie mich zum Abschluß noch zwei Bemerkungen machen. Die erste geht an Sie, Kollege Wolfram - ich meine das nicht polemisch; ich fasse mich kurz -: Wenn Sie über Energiesparen reden, bekomme ich immer ganz komische Gedanken, .wenn ich daran denke, wie Sie dies in der Praxis tun, wenn z. B. die Möglichkeit gegeben sein soll, daß man selber einmal mit gutem Beispiel vorangeht. Auf das berühmte Kuchenholerbeispiel möchte ich hier nicht näher eingehen Herr Kollege Wolfram, Sie haben das gleiche getan wie der Kollege Reuschenbach. Sie wollten der CDU/CSU anhängen, daß sie letztlich die Ölschleusen aufgemacht und damit die deutsche Steinkohle in Gefahr gebracht hätte. Herr Ministerpräsident Stoltenberg hat dazu schon einiges gesagt. Sie bemühen sonst immer Herrn Dr. Deist als den großen Zeugen für den Erhalt der heimischen Steinkohle. Ich erlaube mir, Ihnen aus einem amtlichen Protokoll des Deutschen Bundestages vom 4. November 1959 vorzulesen, was Herr Dr. Deist zur Ölentwicklung gesagt hat. Er hat folgendes ausgeführt: Aus der Entwicklung, die ich aufzeichnete, ist, glaube ich, folgendes deutlich zu erkennen. Es wäre eine völlig falsche Politik, die normale Entwicklung des Heizöls, so wie sie wirtschaftlich bedingt und gerechtfertigt ist, aufhalten zu wollen; denn Mineralöl, Heizöl ist ein billiger und leistungsfähiger Energieträger. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war damals die Auffassung aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Es ist eine unerträgliche Geschichtsklitterung, wenn Sie heute so tun wollten, als hätteh Sie sich an der Ölpolitik der damaligen Zeit nicht beteiligt. ({1}) Die Debatte hat eigentlich folgendes gezeigt. Erstens ist es der Bundesregierung - das gleiche gilt auch für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen - nicht gelungen, die von ihr propagierte Politik eines Vorrangs der Kohle auch praktisch zu untermauern. Wir haben bis zum heutigen Zeitpunkt keine klare Auskunft darüber erhalten, für wieviel Standorte von Kohlekraftwerken und auch Kernenergiekraftwerken sich die Bundesregierung in absehbarer Zeit einsetzen will. ({2}) Zweitens. Der Kraftwerksbau, so wie er sich zur Zeit darstellt, hat ganz eindeutig gezeigt, da& wir uns praktisch in einem Quasi-Moratorium zum Nachteil auch des Einsatzes der heimischen Steinkohle befinden. Drittens. Keiner der Debattenredner hat darlegen können - Herr Kollege Wolfram, Sie haben die theoretisch denkbare Fördermöglichkeit von 100 Millionen t SKE heimischer Steinkohle im Grunde genommen schon doppelt „verfüttert" mit all dem, was Sie im Hinblick auf Ölsubstitution und weiteren Ausbau des Kohleanteils bei der Stromerzeugung planen -, ({3}) wie der Steinkohlebedarf etwa im Jahre 2000 in der Größenordnung von - die Größenordnung wird durch den Anteil der Kernenergie, aber auch durch die Substitution von Cl bedingt - zwischen 50 und 100 Millionen t SKE gedeckt werden soll. Sie haben sich hier sogar noch dagegen ausgesprochen, den Versuch zu unternehmen, die Importkohleschleusen weiter aufzumachen, obwohl jedermann, der et- was von der Sache versteht, definitiv weiß, daß nichts notwendiger ist, als die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß wir jetzt schrittweise im Laufe der nächsten zehn Jahre wenigstens 50 Millionen t Importkohle für die Bundesrepublik Deutschland erhalten. ({4}) - Etwa 50 Millionen t. ({5}) Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU fordert, wie es dem Antrag, den wir vorgelegt haben, auch zu entnehmen ist, daß die Bundesregierung unverzüglich Aktivitäten zur Festlegung weiterer Kraftwerksstandorte entwickelt, ({6}) daß schrittweise die Importkohlebegrenzung aufgehoben wird, daß eine Importkohlepolitik betrieben wird, die es den Kohleversorgungsunternehmen ermöglicht, die notwendigen langfristig zu vereinbarenden Verträge über die erforderlichen Einfuhrmengen für Steinkohle in absehbarer Zeit abzuschließen. Wir erwarten eine Ermunterung und eine entsprechende Unterstützung der einschlägigen Firmen, damit diese neue Kohlefelder auch im Ausland erschließen können. Wir erwarten eine Ermunterung im Hinblick auf den Erwerb deutscher Anteile an ausländischen Kohleförderungsstätten. Wir erwarten auch, daß die angekündigte Förderung von 100 Millionen t heimischer Steinkohle abgesichert wird. ({7}) Wir gehen des weitern davon aus - dies soll mein Schlußwort sein -, daß das Problem der Kohlebeschaffung auch in der Kernenergie-Enquete-Kommission eindeutig untersucht wird, weil nur über die Frage des Anteils der Kohle letztlich auch feststellbar ist, wie hoch der Anteil der Kernenergie in der Zukunft sein muß. Wir halten es eben für notwendig, daß wir uns über diesen Anteil auch künftig realistisch unterhalten und nicht so tun, als benötigten wir Kernenergie in Zukunft nicht mehr und seien alle Probleme letztlich mit der Kohle zu lösen. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich schließe die verbundene Debatte zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 7 und 18. Wir kommen zu den Abstimmungen. Zu Tagesordnungspunkt 3 liegt der Entschließungsantrag der CDU/CSU Drucksache 8/3434 vor. Es wird Überweisung an den Wirtschaftsausschuß - federführend - sowie an den Haushaltsausschuß, den Ausschuß für Forschung und Technologie und an den Innenausschuß zur Mitberatung vorgeschlagen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen. Bezüglich Tagesordnungspunkt 4 treten wir jetzt in die zweite Beratung des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zum Verifikationsabkommen ein. Ich rufe die §§ 1 bis 17 sowie Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein. - Dazu wird das Wort nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig so beschlossen. Es liegen weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses auf Drucksache 8/3409 vor. Unter Nr. 2 wird die Annahme einer Entschließung empfohlen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Unter Nr. 3 empfiehlt der Ausschuß, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. - Dagegen erhebt sich ebenfalls kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Bezüglich Tagesordnungspunkt 5 empfiehlt der Ausschuß auf Drucksache 8/3411, die Vorlage Drucksache 8/2846 zur Kenntnis zu nehmen und die Entschließung anzunehmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Zu Tagesordnungspunkt 6 empfiehlt der Ausschuß auf Drucksache 8/3410, die Vorlage Drucksache 8/2858 zur Kenntnis zu nehmen und eine Entschließung anzunehmen, die Ihnen vorliegt. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 7. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/3422 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enhaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 18. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes Drucksache 8/3348 an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - sowie an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 unserer Geschäftsordung zu überweisen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe jetzt Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksachen 8/3421, 8/3432 14858 Vizepräsident Frau Renger Zuerst rufe ich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen die zwei Dringlichkeitsfragen des Abgeordneten Schröder ({0}). auf: 1. Ist der Bundesregierung bekannt daß das Haupzollamt Jonas ({1}) die Zahlung von Erstattungs- und Grenzausgleichsbeträgen beim Export von Agrarwaren aus dem europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds ohne Vorankündigung eingestellt hat, und welche Sofortmaßnahmen zieht die Bundesregierung in Betracht, um eine schnelle Befriedigung der offenen Forderungen der Exporteure, bei denen es sich insgesamt um einen Betrag von annähernd 50 Millionen DM handeln soll, zu bewirken? 2. Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch das Ausbleiben der Erstattungs- und Grenzausgleichsbeträge zahlreiche Exporteure in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, die vor allem bei kleineren Unternehmen existenzgefährdend sein können, und ist die Bundesregierung bereit, auf die zuständigen Stellen der EG einzuwirken, daß die erforderlichen Beträge sofort zur Verfügung gestellt werden, oder ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, diese Beträge aus nationalen Mitteln vorzuschießen? Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Bitte, Herr Staatssekretär.

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, die Mittel, die zur Zahlung von Ausfuhrerstattungen und für Agrarinterventionen erforderlich sind, werden nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften den für die Auszahlung zuständigen Stellen von der EG-Kommission zur Verfügung gestellt. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die den zahlenden Stellen in der Bundesrepublik, d. h. auch dem Hauptzollamt Jonas ({0}), für die Zahlung von Marktordnungsausgaben zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsmittel im gegenwärtigen Zeitpunkt bis auf einen geringfügigen Rest verausgabt sind. Die Kommission hat sich geweigert, den Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel zuzuweisen, weil die im Haushalt der Europäischen Gemeinschaften dafür veranschlagten Mittel erschöpft sind. Die Kommission verweist darauf, daß es das Europäische Parlament in der ersten Novemberwoche abgelehnt hat, den vom Rat auf Vorschlag der Kommission vorgelegten dritten Nachtragshaushalt, der die erforderliche Verstärkung der Ausgabemittel vorsieht, im Dringlichkeitsverfahren zu behandeln. Die Bundesregierung betrachtet die hierdurch auf dem Sektor der Marktordnungsausgaben entstandene Situation als eine außerordentlich ernste Angelegenheit. Sie hat die Kommission bereits im Sommer und im Herbst dieses Jahres durch ihre Vertreter in den zuständigen Gremien der Gemeinschaft immer wieder gedrängt, das Erforderliche wegen der Deckung des Ausgabenbedarfs 1979 zu veranlassen. ({1}) Die Bundesregierung hat die Kommission in letzter Zeit mit großem Nachdruck mehrfach schriftlich und mündlich aufgefordert, der Bundesrepublik Deutschland die zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung erforderlichen Haushaltsmittel zuzuweisen. Die Kommission hat eine Antwort für Mitte dieser Woche zugesagt. Auch in der letzten Sitzung des Budgetrates am 20. November 1979 hat Staatssekretär Lahnstein als Leiter der deutschen Delegation sowohl der Kommission wie auch den Vertretern des Europäischen Parlaments anläßlich des Konzertierungsverfahrens deutlich vor Augen geführt, welche Situation in der Bundesrepublik entstanden ist, und zum Ausdruck gebracht, daß sich die verantwortlichen europäischen Institutionen umgehend bemühen müßten, Abhilfe zu schaffen. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Betroffenen durch das Ausbleiben der Zahlungen in eine schwierige Situation geraten können. Über die bereits erwähnte dringende Bitte gegenüber der Kommission hinaus hat die Bundesregierung daher alle erforderlichen Prüfungen und Überlegungen veranlaßt, wie die entstandene ernste Lage schnellstens ohne Schäden für die Betroffenen bereinigt werden kann. Die Bundesregierung erwartet, Herr Kollege Schröder, daß die EG-Kommission umgehend die für die Auszahlungen notwendigen Mittel zur Verfügung stellt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie Meldungen bestätigen, die mir erst heute auf den Tisch gekommen sind, wonach die angelaufenen Ansprüche den von mir bislang genannten Betrag von 50 Millionen DM weit überschreiten und wahrscheinlich bis Mitte Dezember den Betrag von einer halben Milliarde DM ausmachen werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich kann das bestätigen, Herr Kollege Schröder.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage des Fragestellers.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung veranlaßt, entgegen den Gepflogenheiten früherer Jahre nicht in Vorlage zu treten? Denn die Erscheinung, die wir in diesem Jahr haben, ist nicht neu, sie war auch in anderen Jahren gegeben. Aber in früheren Jahren ist die Bundesregierung mit nationalen Mitteln in Vorlage getreten. Warum hat sie das dieses Jahr nicht getan?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, nach meinen Informationen ist es nicht richtig, daß die Bundesregierung in Vorlage getreten wäre. Ich bitte, zu verstehen, daß wir das Invorlagetreten als eine Möglichkeit betrachten, die zu erörtern wir wegen der rechtlichen Verpflichtung der EG gegenüber der Bundesrepublik Deutschland keinen Anlaß haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da man sicher davon ausgehen muß, daß bei einigen Unternehmungen Verluste, insbesondere Zinsverluste, entstehen werden: An welche Stelle müssen sich diese Unternehmen wenden, national oder innerhalb der EG, um ihre Schadenersatzansprüche geltend zu machen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich nehme an, Herr Kollege Schröder, daß sich die Rechtslage so darstellt, daß die Bundesregierung gewissermaßen stellvertretend für die Betroffenen bei der Europäischen Gemeinschaft vorstellig werden muß - notfalls auch mit gerichtlichen Schritten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine Zusatzfrage mehr? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, wonach dem Herrn Bundeskanzler das gegenwärtige Erstattungs- und Ausgleichssystem der Agrarwirtschaft ein Ärgernis, ein Dorn im Auge sei?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Würde es Sie wundern, Herr Kollege? ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung. Ich rufe Frage 1 - Herr Abgeordneter Broll - auf : Trifft es zu, daß deutsche Reisende in Österreich, wenn sie in Hotels bestohlen werden, nicht durch volle Haftung des Hotels gesichert sind, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zu erreichen, daß solche Reisende in den Genuß der gleichen Haftungsbestimmungen kommen, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland gelten? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Nach deutschem wie nach österreichischem Recht haftet ein Hotelier unabhängig von einem Verschulden für den Verlust, die Zerstörung oder die Beschädigung der von seinen Gästen eingebrachten Sachen. Unterschiede ergeben sich unter anderem in folgenden Punkten. Nach deutschem Recht entfällt die Erstattungspflicht nur darin, wenn der Schaden durch den Gast, einen Begleiter des Gastes oder eine Person, die der Gast bei sich aufgenommen hat, oder aber durch die Beschaffenheit der Sache oder durch höhere Gewalt verursacht ist. Nach österreichischem Recht kann sich der Hotelier dagegen schon durch den Nachweis entlasten, daß weder er noch seine Leute noch in dem Haus ein- oder ausgehende Personen den Schaden verursacht haben. Nach deutschem Recht haftet der Hotelier nur bis zu einem Betrag, der dem Hundertfachen des Beherbergungspreises für einen Tag entspricht, jedoch mindestens bis zum Betrag von 1 000 DM und höchstens bis zum Betrag von 6 000 DM, für Wertsachen höchstens bis zum Betrag von 1 500 DM. Bei Verschulden des Hoteliers oder seiner Leute ist die Haftung unbeschränkt, ebenso bei Verlust, Zerstörung oder Beschädigung solcher Sachen, die der Hotelier zur Aufbewahrung übernommen oder die zur Aufbewahrung zu übernehmen er pflichtwidrig abgelehnt hat. Nach österreichischem Recht haftet der Hotelier dagegen nur bis zu einem Betrag von 3 000 österreichischen Schillingen - das entspricht rund 400 DM -, für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere nur bis zum Betrag von 1 500 österreichischen Schillingen; das entspricht einem Betrag von rund 200 DM. Bei Verschulden des Hoteliers oder seiner Leute ist auch nach österreichischem Recht die Haftung unbeschränkt, ebenso wenn dem Hotelier die Sachen besonders zur Aufbewahrung übergeben worden sind. Die wiedergegebenen Regelungen des deutschen Rechts beruhen auf dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1962 über die Haftung der Gastwirte für die von ihren Gästen eingebrachten Sachen. Das Übereinkommen ist von der Bundesrepublik, Belgien, Frankreich, Irland, Malta, dem Vereinigten Königreich und Italien ratifiziert worden. Die Republik Osterreich hat das Übereinkommen gezeichnet. Die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, das Abkommen zu ratifizieren, wird zur Zeit von der österreichischen Bundesregierung noch geprüft, vor allem unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Transformation des Übereinkommens in das österreichische Recht. Das internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts arbeitet im übrigen seit einiger Zeit an einem Übereinkommen über den Hotelvertrag. Der hierzu erstellte Vorentwurf enthält eingehende Vorschriften über die Haftung des Hoteliers für die von Gästen eingebrachten Sachen. Die Republik Osterreich ist an den Vorarbeiten zu dem in Aussicht genommenen Übereinkommen beteiligt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, haben Sie den Eindruck, daß die Republik Osterreich insgesamt daran interessiert sein könnte, einheitliche Regelungen herbeizuführen, die dem Abkommen von 1962 entsprechen?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Diesen Eindruck habe ich. Broil (CDU/CSU: Herr Staatssekretär, haben Sie ungefähre Vorstellungen oder Nachrichten darüber, wann Osterreich sich auf die international abgesprochene Regelung einfinden könnte?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Das kann ich leider nicht sagen. Wie gesagt: der Vertrag ist gezeichnet, aber nicht ratifiziert. Es gibt - nach unserer Rücksprache - offensichtlich einige Schwierigkeiten deswegen, weil der Vertragsinhalt in die österreichischen Bestimmungen transformiert werden muß.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 2 - der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin - auf: Ist der Bundesregierung die Auffassung des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 25. Juni 1979 - 3 StrR 182 ({0}) - bekannt, nach dem das Anbieten vor 1949 gedruckter, unveränderter Nazikampfschriften wie Hitlers „Mein Kampf", entgegen der Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages nicht durch if 86, 86a StGB erfaßt werde, und welche Folgerungen zieht sie aus dieser Rechtsprechung? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Die von Ihnen erwähnte Entscheidung ist der Bundesregierung bekannt. Mit ihr hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, § 86 Abs. 2 des Strafgesetzbuches gelte nicht für sogenannte „vorkonstitutionelle Schriften”. Er hat den von den Vorinstanzen verurteilten Angeklagten, der zwei antiquarische Exemplare von Hitlers „Mein Kampf" vertrieben hatte, deshalb freigesprochen. Bei der Verabschiedung des § 86 StGB im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 8. Strafrechtsänderungsgesetz gingen alle an diesem Verfahren Beteiligten davon aus, daß auch vorkonstitutionelle Schriften einschließlich solcher, die bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden waren, von dem Tatbestand des § 86 Strafgesetzbuch erfaßt würden. Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform des Deutschen Bundestages - er war damals zuständig - verband mit seinem später Gesetz gewordenen Formulierungsvorschlag zu § 86 Abs. 2 StGB gerade die Erwartung, daß die Vorschrift auch alte NS-Schriften erfassen würde. Die Bundesregierung ist deshalb der Auffassung, Frau Kollegin, daß die hier von der Rechtsprechung nunmehr angenommene Lücke durch den Gesetzgeber geschlossen werden sollte.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte schön!

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich die Frage etwas präziser stellen: ob die Bundesregierung an der Ausarbeitung solcher Initiativen bereits arbeitet?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

So ist es.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller: Ist die Antwort der Bundesregierung auf meine Frage A 44 ({0}) so zu verstehen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, künftig - im Gegensatz zu bisher - Personen, die wahrend der NS-Zeit auf Grund einer Gerichtsentscheidung zwangssterilisiert worden sind, eine über die bisherigen gesetzlichen Leistungen hinausgehende Entschädigung zu zahlen, und wie hoch berechnet die Bundesregierung den dazu erforderlichen finanziellen Aufwand?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die geltenden Regelungen des bürgerlichen Rechts und des allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ausreichen, um die auf Grund des Erbgesundheitsgesetzes zwangsweise sterilisierten Personen zu entschädigen, denn der Gesetzgeber hat folgenden Personengruppen Zwangssterilisierter Entschädigungsansprüche zuerkannt: 1. Personen, die aus politischen Gründen sterilisiert worden sind. Sie erhalten eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz. 2. Nicht-verfolgte Personen, die ohne ein gerichtliches Verfahren sterilisiert worden sind. Sie erhalten einen Härteausgleich nach dem Bundesentschädigungsgesetz. 3. Personen, bei denen zwar vor der Sterilisation ein gerichtliches Verfahren stattgefunden hat, bei der gerichtlichen Entscheidung oder der Sterilisation aber fehlerhaft vorgegangen worden ist. Sie erhalten eine Entschädigung nach dem allgemeinen Kriegsfolgengesetz. Bei der Beantwortung des zweiten Teiles Ihrer Frage, welche Kosten entstünden, wenn Leistungen über die derzeitigen rechtlichen Regelungen hinausgingen, kommt es darauf an, wieviel Geld ich dem einzelnen zur Verfügung stellen würde. Hier würde bei einer Summe von 5 000 DM bei einer angenommenen Zahl betroffener Personen von 120 000 bis 140 000 ein Kostenaufwand von 600 bis 700 Millionen DM erforderlich werden. Die Zahl von 120 000 bis 140 000 Betroffenen ist uns vom Statistischen Bundesamt gegeben worden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte!

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung also daran, über die bisherige Rechtslage hinaus zusätzlich_ e Leistungen zu zahlen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Die Bundesregierung weiß, daß es in einer sehr ehrenwerten Fraktion dieses Hohen Hauses, nämlich der meinigen, Überlegungen gibt, eine Stiftung einzurichten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Staatssekretär, die Fraktionen sind alle ehrenwert.

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

In einer sehr ehrenwerten Fraktion. Ich will nicht bestreiten, daß alle Fraktionen dieses Hauses sehr ehrenwert sind. Die Bundesregierung weiß also, daß in der Bundestagsfraktion der SPD Bemühungen im Gange sind, einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, nach dem auch Hilfen für Zwangssterilisierte möglich sein sollen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte!

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Statssekretär, darf ich Sie daran erinnern, daß ich am 2. Oktober eine Frage und eine Bitte an Sie gerichtet habe, mir zusätzlich Unterlagen zur Verfügung zu stellen? Darf ich davon ausgehen, daß es weiterer acht Wochen bedarf, um diese Frage, diese Bitte zu beantworten?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, soweit es sich um den Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion handelt, den Sie gerne einsehen möchten, ({0}) lautet meine Empfehlung: Wenden Sie sich bitte an die SPD-Bundestagsfraktion. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Moment, Herr Dr. Möller. Die Spielregeln müssen in der Fragestunde eingehalten werden. ({0}) Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schöfberger.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn Zwangssterilisierte, die auf Grund eines Gerichtsentscheides zwangssterilisiert wurden, keine Entschädigung erhalten, geht dann die Bundesregierung davon aus, daß die damaligen Erbgesundheitsgerichte grundsätzlich rechtsstaatlich zustande kamen, zusammengesetzt waren und auch grundsätzlich rechtsstaatlich geurteilt haben?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Es besteht keine Veranlassung, Herr Kollege Schöfberger, aus den Antworten, die ich auf die gestellten Fragen gegeben habe, eine Schlußfolgerung dieser Art zu ziehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel. - Sie wollten doch keine Frage stellen? ({0}) - Wollen Sie sich mit der Anmeldung einer Zusatzfrage vormerken lassen, womöglich noch mit Rabatt? ({1}) Bitte schön, Herr Kollege Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung unbeschadet einer finanziellen Entschädigung jener Zwangssterilisierten, deren Sterilisation auf Grund eines Urteils des Erbgesundheitsgerichts erfolgte, davon aus, daß es sich dabei trotzdem um nationalsozialistisches Unrecht handelt?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, ich möchte die Fragestunde nicht dazu benutzen, so komplizierte Rechtsfragen zu erörtern. Die Rechtsauffassung der Bundesregierung ergibt sich aus den Antworten, die auf die Frage des Kollegen Möller und zu früherer Zeit mehrfach gegeben worden _ sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Nachweis, daß es sich bei einer Sterilisation um eine Zwangssterilisation handelt, vor allem dann schwierig ist, wenn kein Gerichtsverfahren vorausging, und sind Sie bereit, deshalb in dem hier in Rede stehenden Gesetzentwurf Vorschläge zu unterbreiten, die die an einen entsprechenden Nachweis zu stellenden Anforderungen niedrig halten?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, die Bundesregierung wird bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs mit Rat und Tat zur Verfügung stehen und wird auch Gedanken, wie Sie sie gerade geäußert haben, mit in die Erörterung einbeziehen, sofern dies nicht bereits von seiten der Kollegen des Deutschen Bundestages geschieht. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist beabsichtigt, in den Entschädigungsrahmen des von Ihnen eben genannten vorgesehenen Gesetzes auch Fälle von Sterilisationen Unmündiger einzubeziehen, für die Verantwortliche heute nicht mehr ermittelt werden können?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, ich kenne den Text des Gesetzentwurfes, weil ich in der Schlußphase seines Zustandekommens mit Rat zur Verfügung gestanden habe. Mir ist aber nicht in Erinnerung, daß auch dieser Teilaspekt im Gesetzentwurf geregelt worden wäre. Man müßte bei der Beratung darauf zurückkommen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß auch die Bundesregierung davon ausgeht, daß neben den Fällen, die Sie beschrieben haben und für die es Entschädigungsleistungen gibt, Härtefälle existieren, die u. U. einer besonderen Regelung bedürfen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Frau Kollegin, ich kann die Tatsache, daß es solche Härtefälle gibt, nicht bestreiten, will aber dieser meiner Mitteilung hinzufügen, daß überall dort, wo diese Härtefälle der Bundesregierung, z. B. auch mir, bekannt geworden sind, zumindest der Versuch unternommen worden ist, sie aus der Welt zu schaffen. Die Ergebnisse sind zum Teil unzulänglich, aber ich weiß von einigen Fällen, in denen durch Entscheidungen, die ich auch selber getroffen habe, den Begehren der Antragsteller - wenn auch nicht in vollem Umfange - Rechnung getragen worden ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Der Abgeordnete Gansel macht Ernst. Bitte, eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in Anbetracht des Umstandes, daß eine Gesetzgebungsinitiative aus den Fraktionen, die Ihre und unsere Regierung tragen, bevorsteht, bereit, ihre bisherige Haltung, die in diesem Hause auf die Kritik mehrerer Fraktionen gestoßen ist, zu überprüfen, oder muß sie sich dazu erst durch eine Initaitive des Parlaments zwingen lassen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Gansel, ich habe gesagt - und diejenigen Herren Kollegen, die an den Sitzungen der in Frage kommenden Arbeitsgruppe haben teilnehmen können, wissen das auch -, daß ich beim Zustandekommen der Gesetzesinitiative mit Rat und Tat zur Verfügung gestanden habe, und ich habe im Laufe dieser Fragestunde auch gesagt, daß die Bundesregierung beim Fortgang dieser Initiative in gleicher Weise mit Rat und Tat zur Verfügung steht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Brück zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Schöfberger auf: Trifft es zu, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt den Erwerb von Oberbauerhaltungs- und -erneuerungsmaschinen seitens der jordanischen Staatsbahnen mit deutschen Krediten finanziert hat, diese Maschinen jedoch trotz Angebots qualifizierter deutscher Firmen von französischen Konkurrenten geliefert wurden, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit und in der Lage, dafür zu sorgen, daß deutsche Kredite nur gegeben werden, wenn sichergestellt ist, daß auch deutsche Anbieter die Aufträge bekommen?

Alwin Brück (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000276

Herr Kollege Schöfberger, entsprechend den Richtlinien für die deutsche bilaterale Kapitalhilfe vom 9. Juni 1975 wurde beim Projekt „Zusatzmaßnahmen für die Eisenbahnen El-Hasa und Akaba" eine internationale öffentliche Ausschreibung durchgeführt. Unter den neuen Angeboten für die Oberbauunterhaltungsmaschinen war auch ein Angebot einer deutschen Firma. Da jedoch das deutsche Angebot kostenmäßig um ca. 40 % höher lag, wurde der Zuschlag einer französischen Firma erteilt. Das Auftragsvolumen betrug rund 3 Millionen DM. Gleichzeitig jedoch erhielt die deutsche Firma den Zuschlag für die Werkstatteinrichtungen in Höhe von ca. 4 Millionen DM. ({0}) Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, grundsätzlich von ihrem auch international anerkannten Prinzip der Lieferungebundenheit für deutsche Entwicklungshilfekredite und -zuschüsse abzugehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben auch andere westliche Industrienationen, aus denen Konkurrenzfirmen anbieten können, den großzügigen Grundsatz der Lieferungebundenheit?

Alwin Brück (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000276

Es gibt auch andere Industrieländer des Westens, die Lieferungebundenheit haben. Ich muß Ihnen aber auch sagen, daß leider Gottes ein großer Teil diese Lieferungebundenheit nicht hat. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren versucht, entsprechend ihren Grundsätzen die anderen zu bewegen, ihre Kredite ebenfalls nicht an Lieferungen aus ihren Ländern zu binden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann der Grundsatz der Lieferungebundenheit unbeschädigt aufrechterhalten werden, wenn es sich bei verschiedenen Lieferungen um Spezialanfertigungen handelt, bei deren Anfertigung und bei deren Angebot eine deutsche Firma lediglich einen einzigen ausländischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt hat?

Alwin Brück (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000276

Herr Kollege, wenn der ausländische Konkurrent die gleiche Qualität zu niedrigeren Preisen liefern kann, dann ist es in Ordnung, daß er den Auftrag erhält. Die Nichtliefergebundenheit ist ein Markenzeichen deutscher Entwicklungspolitik. Wir machen dies sowohl aus entwicklungspolitischen als auch aus ordnungspolitischen Überlegungen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Dr. Schlecht zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, den Bericht, mit dem die Treuarbeit am 14. Juli 1978 zum Bürgschaftsantrag der Firma Beton- und Monierbau AG Stellung genommen hat nicht nur in einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung, sondern auch dem Wortlaut nach bekanntzugeben, und wie lautet gegebenenfalls dieser Bericht, bzw. ({1}) ist die Bundesregierung bereit, den Text des Berichts dem Fragesteller zur Verfügung zu stellen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin gerne bereit, Ihnen das Schreiben der Treuarbeit vom 14. Juli 1978 persönlich zur Verfügung zu stellen. Ich gehe dabei allerdings davon aus, daß die notwendige Vertraulichkeit voll gewahrt bleibt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bedanke mich natürlich zutiefst für die große Gunst, die Sie mir erweisen wollen, darf Sie aber vielleicht fragen, was die Bundesregierung veranlaßt - ich nehme Bezug auf Ihre Bitte um strikte Vertraulichkeit -, diesen sowieso schon ominösen Fall durch das Eintauchen in immer neue Nebelwände von Vertraulichkeit und Geheimnistuerei noch weiter ins Dunkel zu rücken?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, auf die Vertraulichkeit legt die Treuarbeit wert. Wir werden sie gerne fragen, wieweit wir dieses Schreiben auch öffentlich benutzen können. Im übrigen steht, wenn Sie den Bericht eingesehen haben, weiteren Fragen in Richtung auf diesen Bericht nichts entgegen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da es sich bei dem geprüften Unternehmen um eine Aktiengesellschaft handelt, möchte ich Sie fragen, wieso das Testat der Prüfgesellschaft vertraulich sein soll?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir werden diese Frage an die Gesellschaft weitergeben. Wenn sie einverstanden ist, können wir die Vertraulichkeit gerne aufheben. Das Schreiben steht - wie gesagt - jedem Abgeordneten zur Verfügung. Ich muß nur für die Gesellschaft darauf hinweisen, daß hier in gewissem Maße Vertraulichkeit geboten ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gehen die bisher noch nicht veröffentlichten Passagen in der Sache über das hinaus, was mittlerweile bekannt ist, und müssen diese Passagen dann zu einer veränderten Gesamtbeurteilung der Angelegenheit BuM führen?

Not found (Staatssekretär:in)

Meine Antwort ist eindeutig nein.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Carstens ({0}) auf: Warum gab sich die Bundesregierung bei der Bürgschaft zugunsten der Firma Beton- und Monierbau AG mit einer Stellungnahme der Treuarbeit zufrieden, die auf einem mehrere Monate alten, Anfang 1978 für die Gewahrung der Landesbürgschaft erstellten Gutachten beruhte, wenn schon allein aus der Tatsache des erneuten Bürgschaftsantrages, diesmal an den Bund, hatte erkannt werden müssen, daß entweder die alte Lagebeurteilung nicht richtig oder eine zwischenzeitliche Verschlechterung der Lage des Unternehmens eingetreten war?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat sich bei der Gewährung der Bürgschaft in erster Linie auf das neue zusätzliche finanzielle Engagement der wirtschaftlich Beteiligten, nämlich der Banken und der Anteilseigner, die ebenso wie das Land Nordrhein-Westfalen über die Entwicklung und die Lage des Unternehmens laufend unterrichtet waren, gestützt. Die Treuarbeit wurde zusätzlich um eine Stellungnahme gebeten. Dabei ging es hauptsächlich darum festzustellen, ob der Treuarbeit Tatsachen bekannt waren, die eine Versagung der beantragten Bürgschaft notwendig gemacht hätten. Letzteres war nicht der Fall, und dies können Sie nachlesen, sobald Sie das Gutachten haben. Die Bürgschaft ist schließlich als Beitrag im Rahmen eines Gesamtkonzepts zugesagt worden. Dessen wesentliche Elemente waren eine wesentliche Eigenkapitalaufstockung mit verbindlicher Beteiligung des Großaktionärs OGEM, die Vorfinanzierung dieser Aufstockung durch die beteiligten Banken, die Aufrechterhaltung der Kreditlinien mindestens in der bisherigen Höhe und ein zusätzlicher Betriebsmittelkredit über 50 Millionen DM mit Bundesbürgschaft. Insgesamt wurden dem Unternehmen damit 140 Millionen DM an zusätzlicher Liquidität zugeführt. Zusammen mit der ergebniswirksamen Eigenkapitalaufstockung war damit eine Basis geschaffen worden, die eine Bürgschaft vertretbar erscheinen ließ. Dafür sprach in besonderem Maße das zusätzliche finanzielle Engagement der wirtschaftlich unmittelbar Beteiligten, nämlich des Großaktionärs OGEM und der Banken. Das sprach dafür, daß die Beteiligten diesem Engagement reelle Zukunftschancen einräumten. Die damalige Einschätzung der Bundesregierung wurde im nachhinein dadurch bestätigt, daß der Abschlußprüfer am 9. August das uneingeschränkte Testat zu dem Jahresabschluß 1977 erteilte und damit den Fortbestand des Unternehmens als gesichert ansah, obwohl derselbe Abschlußprüfer noch wenige Wochen zuvor Bedenken geäußert hatte.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in einer Antwort auf eine Frage von mir hat die Regierung in der letzten Sitzungswoche zum Ausdruck gebracht, daß der Treuarbeit am 14. Juli 1978 drei Stunden Zeit zur Verfügung gestanden hätten, um die Prüfung vorzunehmen. Meinen Sie, daß man in dem Zusammenhang überhaupt von einer Prüfung sprechen kann, wenn für die Überprüfung eines solchen Unternehmens nur drei Stunden zur Verfügung stehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es gab das vorangegangene Gutachten der Treuarbeit. Es ging nur noch um einige zusätzliche Fragen an die Treuarbeit. Es war, wie Sie wissen, ein Notfall, ein Eilfall, und die dafür zur Verfügung stehende Zeit war für diese wenigen Fragen ausreichend.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte das noch verdeutlichen. Herr Staatssekretär, wenn ich es richtig sehe, ist das Gesamtkonzept am Abend des 13. Juli 1978 erstellt worden. Die Überprüfung durch die Treuarbeit fand in den Morgen- oder Mittagsstunden des darauffolgenden Tages, am 14. Juli, statt. Ist es nicht so gewesen, daß seitens der Bundesregierung im Grunde eine Zusage zum Gesamtkonzept ohne irgendeine Prüfung der Treuarbeit gegeben wurde?

Not found (Staatssekretär:in)

Ein Vertreter der Bundesregierung war bei den Beratungen über das Gesamtkonzept in Düsseldorf. Dort wurden alle Aspekte sorgfältig beraten. In dieser Sitzung wurde keine Zusage gegeben, sondern es wurde eine wohlwollende Prüfung in Aussicht gestellt. Diese Prüfung erfolgte anschließend zwischen den beiden Ressorts. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß für unsere Entscheidung die drei Bedingungen maßgeblich waren, die ich soeben genannt habe. Für unsere positive Entscheidung war ferner die Überlegung maßgeblich, daß versucht werden sollte, einen außenwirtschaftspolitischen Schaden von der Bundesrepublik abzuwenden; es gab viele deutsche Baustellen in Nigeria und in anderen afrikanischen Ländern, deren Abbruch sicher ein Schaden gewesen wäre. Weiter hat die Absicht eine Rolle gespielt, die vielen mittelständischen Zulieferer vor Verlusten hinsichtlich der hohen ausstehenden Forderungen zu schützen. Das war ein willkommener Nebeneffekt, wenn es auch sicher nicht der Hauptgrund für die Entscheidung war. Aber ich wollte dies hier nicht verschweigen. Die Zusatzüberlegungen der Treuarbeit waren notwendig, haben aber keine entscheidenden negativen Aspekte erbracht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glos.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, warum man hier von einem derartigen Eilfall ausgegangen ist, nachdem die desolate Finanzlage der Firma Beton- und Monierbau den eingeweihten Kreisen schon längere Zeit bekannt war?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann dies nicht bestätigen, Herr Abgeordneter Glos. Die Gesellschaft war Anfang 1978 in der Tat in Schwierigkeiten. Sie hat diese Schwierigkeiten auch mit Hilfe der Landesbürgschaft, die damals gegeben worden ist, zunächst überwunden, und es kam für alle Beteiligten überraschend, daß sie im Sommer 1978 erneut in Liquiditätsschwierigkeiten kam. Dies war für uns ein Notfall, und damit war für uns auch die Notwendigkeit für ein eiliges Handeln gegeben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da das Gutachten, das Sie uns angekündigt haben, noch nicht auf dem Tisch liegt möchte ich unter Hinweis auf die drei oder vier Stunden, von denen Herr Carstens sprach, die der Treuarbeit zur Prüfung zur Verfügung standen, fragen: Inwieweit hat sich die Treuarbeit in diesem Gutachten bereits selbst von jeder Inanspruchnahme im Zusammenhang mit dem Prüfungsergebnis freigeschrieben, inwieweit hat sie selbst schon von vornherein eine Sachverhaltdarstellung gegeben, daß sie jederzeit die Hände in Unschuld waschen kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Schreiben der Treuarbeit verweisen, das ich Ihnen zur Verfügung stelle. Ich möchte hinzufügen, daß die Treuarbeit damals gesagt hat: Mit der Bürgschaft allein ist eine nachhaltige Sanierung nicht möglich. Aber wir haben uns auch nicht auf die Bürgschaft allein, sondern auch auf die zusätzlichen Bedingungen verlassen, die wir gestellt haben, Eigenkapitalerhöhung, weiteres Engagement der Banken usw.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, fühlt sich die Bundesregierung bzw. der wirtschaftlich ja versierte Herr Bundeskanzler aus heutiger Sicht durch die Beton- und Monierbau hereingelegt? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung fühlt sich nicht hereingelegt. Es hat auch nicht der Herr Bundeskanzler entschieden, sondern der Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz.

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Rolle hat der Bundeskanzler dann gespielt, als er dem Wirtschaftministerium die entsprechende Anweisung gab, diesen Auftrag zu prüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundeskanzler hat die beiden Ressorts gebeten, sich des Falles anzunehmen, zu prüfen. Daraufhin ist mein Kollege aus dem Finanzministerium nach Düsseldorf gereist, um an der gemeinsamen Sitzung der Vertreter des Landes, des Aufsichtsrates und des Vorstandes teilzunehmen. Er hat danach Bericht erstattet. Der Bundeswirtschaftsminister hat seine positive Entscheidung nach eigenem bestem Wissen und Gewissen gefällt

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker ({0}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß viele Kollegen dieses Hauses den Bundeskanzler und Regierungsmitglieder bitten, bestimmte Fragen zu prüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich stimme Ihnen zu. Ich wiederhole aber noch einmal: Das Engagement des Bundeskanzlers hat für die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers keine wesentliche Rolle gespielt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Windelen auf: Ist es richtig, daß der Bundeswirtschaftsminister am 7. Februar 1979 an alle Landeswirtschaftsminister ein Schreiben gerichtet hat, wonach Bürgschaften grundsätzlich nur dann gewahrt werden sollten, wenn eine mindestens vierwöchige Bearbeitungsfrist ab Bürgschaftsantrag eingehalten worden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist richtig, daß der Bundesminister für Wirtschaft am 7. Februar 1979 ein Schreiben an die Landeswirtschaftsminister gerichtet hat. Diese Diskussionsunterlage sollte dazu dienen, mit den Landeswirtschaftsministern Grundsätze für eine gemeinsame restriktive Sanierungshilfe zu besprechen. Sie enthält unter anderem die Überlegung, daß staatliche Hilfen grundsätzlich nur dann gewährt werden sollten, wenn eine mindestens vierwöchige Bearbeitungsfrist ab Bürgschaftsantrag eingehalten wird. Wenn sie gestatten, beantworte ich sogleich Ihre zweite Frage, weil sie mit Frage 7 in Zusammenhang steht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Dann rufe ich auch die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Windelen auf: Gibt es entsprechende frühere schriftliche Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers oder gab es bei früheren Bürgschaftsfällen des Bundes eine entsprechende Praxis, und warum wurde gegebenenfalls eine solche bei der Bearbeitung des Bürgschaftsantrages der Firma Beton- und Monierbau AG nicht eingehalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt keine entsprechenden früheren schriftlichen Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers. Bei der Mehrzahl aller Bürgschaftsanträge zugunsten der gewerblichen Wirtschaft dauert die Bearbeitung je nach Einzelfall zwischen einem und drei Monaten. Die Bearbeitungsdauer ist dabei abhängig von der Komplexität des Falles und der Eilbedürftigkeit des Antrages. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Im Falle Beton- und Monierbau AG konnte die vierwöchige Bearbeitungsfrist nicht eingehalten werden, weil es sich eben um einen Notfall handelte, der rasches Handeln erforderlich machte, um den ZusammenStaatssekretär Dr. Schlecht Bruch des Unternehmens zu vermeiden. Ich denke, daß dies in diesem speziellen Notfall nicht im Widerspruch zu dem ständigen Bemühen des Bundesministers für Wirtschaft stand, strenge restriktive Maßstäbe an Bürgschaftsgewährungen anzulegen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß dieses Rundschreiben an die Landeswirtschaftsminister das Ergebnis Ihrer Erfahrungen bei Beton- und Monierbau war?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, dies war nicht das Ergebnis. Es war mehr Ausdruck unserer Sorgen, daß in vielen Ländern zu schnell und zu leicht mit Bürgschaften umgegangen wird. Es war das Bestreben des Bundeswirtschaftsministers, hier gemeinsam mit den Ländern eine restriktive Linie zu vereinbaren. Diese Gespräche sind noch im Gange.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, haben Sie in dem Rundschreiben denn auch die Möglichkeit eingeräumt, daß sich auch die Länder so wie der Bund in Notfällen mit einer mündlichen Stellungnahme in einer Zeit von drei Stunden zufriedengeben könnten?

Not found (Staatssekretär:in)

Dies war nicht Gegenstand dieses Rundschreibens. Wir wollten mit den Ländern besprechen, wie man sich nicht nur bei Bürgschaften, sondern auch bei öffentlichen Zuschüssen insgesamt an restriktive Grundsätze halten kann, die dem Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Hilfen entsprechen. Aber in dieser Passage, wie ich sie ja auch vorgelesen habe, steht „grundsätzlich vier Wochen". Dies kann im Einzelfall - bei Eil- und Notfällen - natürlich eine kürzere Bearbeitungsfrist einschließen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage. Bitte.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gab es denn bei der Genehmigung der Bürgschaft an die Beton- und Monierbau unter diesen ungewöhnlichen Umständen außer den von Ihnen genannten Gründen noch eine besondere Interessenlage, die dazu geführt hat, daß man alle Grundsätze der Sorgfalt außer acht gelassen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich muß dementieren, daß hier alle Grundsätze der Sorgfalt außer acht gelassen worden sind. Ich gebe zu, daß es schnell gegangen ist und schnell gehen mußte. Der Bundeswirtschaftsminister, der im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister hier positiv entschieden hat, hat sich von dem Engagement des Hauptaktionärs, von dem Engagement der Banken und von den Grundsätzen, die ich soeben geschildert habe, leiten lassen, um außenpolitischen und außenhandelspolitischen Schaden von der Bundesrepublik abzuwenden und dabei auch noch ein wenig die beteiligten mittelständischen Zulieferer vor Schaden zu bewahren.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Letzte Zusatzfrage.

Heinrich Windelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie nicht einräumen, daß sich angesichts des Verlaufs nachträglich zeigt, daß es weder gelungen ist, den außenwirtschaftlichen Schaden abzuwenden, noch, die Mittelständler zu schützen, und daß daraus doch nachträglich folgt, daß man die Grundsätze der Sorgfalt wohl außer acht gelassen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Sie kennen das bekannte Sprichwort, daß man manchmal nach dem Rathaus klüger ist. Ich will uneingeschränkt wiederholen, daß wir nach dem Erkenntnisstand, den wir vor der Entscheidung hatten, heute wieder genauso entscheiden würden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glos.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich der Antwort, die Sie soeben dem Herrn Kollegen Windelen gegeben haben, entnehmen, daß das persönliche Engagement des Herrn Bundeskanzlers in keiner Weise für die schnelle Entscheidung ausschlaggebend war, und wie hätte Ihr Haus wohl entschieden, wenn mittelständische Firmen, die weniger prominente Fürsprecher haben, im Notfall mit der Bitte um Hilfe an Sie herangetreten wären?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Glos, der Bundesminister für Wirtschaft hat sich das Für und Wider dieses Falles vorlegen lassen. Er hat sehr sorgfältig abgewogen und hat, wie ich schon einmal gesagt habe, nach eigenem bestem Wissen und Gewissen entschieden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich zur Verdeutlichung und unter Hinweis auf die Fragen des Kollegen Windelen noch einmal nachfassen: Würde die Bundesregierung, würde der Bundeswirtschaftsminister, würde sein Staatssekretär angesichts der bei Beton- und Monierbau gemachten Erfahrungen noch einmal eine Vierstundenprüfung der Treuarbeit als ausreichend ansehen, einem Bittsteller eine Bürgschaftsgewährung in der Größenordnung von 50 Millionen DM zu vermitteln?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Haase, ich will nicht in Abrede stellen, daß wir aus jedem Fall gewisse Lehren ziehen. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Nach dem Wissensstand, den wir damals gehabt haben, würden wir nach den Grundsätzen und Überlegungen, die ich jetzt wiederholt genannt habe, auch heute so entscheiden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sowohl die Eile bei der Gerster ({0}) Bearbeitung dieses Bürgerschaftsantrages wie auch die Tatsache, daß der Bundeskanzler selbst in diese Sache eingeschaltet war, durchaus ungewöhnlich sind - das gilt also für beide Seiten dieser Medaille -, und wollen Sie vor diesem Hintergrund sagen, daß das Monitum des Bundeskanzlers und die danach einsetzende ungewöhnliche Eile in keinem Kausalzusammenhang gestanden haben? ({1})

Not found (Staatssekretär:in)

Die ungewöhnliche Eile hing nicht damit zusammen, daß sich der Bundeskanzler engagiert hat, sondern hing damit zusammen, daß es sich hier, wie ich schon einmal gesagt habe, um einen Notfall, um eine vom Ausland überraschend herkommende Liquiditätsschwierigkeit dieses Unternehmens handelte.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit zuzugeben, daß sich die Petenten von Beton- und Monierbau nicht zunächst an das zuständige Ressort gehalten, sondern sich zunächst an den Bundeskanzler gewandt haben, und haben Sie davon über das Bundeskanzleramt Kenntnis erhalten oder sind Sie direkt angesprochen worden?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir haben aus mehreren Quellen davon Kenntnis erhalten, auch aus der Quelle, die Sie eben zitiert haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es in Ihrem Hause eine Anweisung, nach der Anregungen unterschiedlich zu behandeln sind, je nachdem, ob sie vom Bundeskanzler oder aus diesem Parlament kommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das gibt es nicht. Wir behandeln solche Anregungen nicht unterschiedlich. Ich habe schon einmal gesagt: Der Bundeswirtschaftsminister hat in eigener Verantwortung, in die ihm keiner hineinreden kann, nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann.

Dr. h. c. Gerhard Reddemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001790, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß ich aus Ihren Worten entnehmen, daß die Intervention des Herrn Bundeskanzlers auf die Entscheidung des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht den geringsten Einfluß genommen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Sie hat darauf keinen Einfluß gehabt. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Metz.

Reinhard Metz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001487, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie oft ist es in der Vergangenheit schon vorgekommen, daß der Herr Bundeskanzler in einer Bürgschaftsangelegenheit unmittelbar interveniert hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen das jetzt nicht aus dem Handgelenk sagen. Ich will Ihnen gern schriftlich Auskunft geben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Carstens ({0}) auf: Sind angesichts der Tasache, daß am 13. Juli 1978 der Zusammenbruch der Firma nach Erklärung des Bundesfinanzministeriums „unmittelbar drohte" und die Treuarbeit zu dem Bürgschaftsantrag nicht bestätigen könne, „daß mit dem zu verbürgenden Betriebsmittelkredit und der Kapitalerhöhung das Unternehmen nachhaltig saniert sei", bei den verantwortlichen Stellen der Bundesregierung keine Zweifel aufgetaucht, ob die Bürgschaftsübernahme nach der Vorläufigen VV-BHO zu § 39 Nr. 5 BHO vertretbar sei, und weshalb wurden angesichts dieser Tatsache nicht der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages oder zumindest dessen Obleute unverzüglich über die Bürgschaftserteilung zugunsten der Beton- und Monierbau AG unterrichtet?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Nr. 5 der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 39 der Bundeshaushaltsordnung bestimmt - ich zitiere -: Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen dürfen nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Bundes gerechnet werden muß. Wie ich schon sagte: Nach dem damaligen Erkenntnisstand war mit einer Inanspruchnahme des Bundes nicht zu rechnen. Im übrigen hat der Parlamentarische Staatssekretär Grüner das bereits auf Ihre Frage in der Fragestunde am 17. Oktober 1979 inhaltlich geantwortet. Bei dieser Beurteilung der Bürgschaft zugunsten von Beton- und Monierbau war nicht davon auszugehen, daß es sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung handelte, der eine Unterrichtung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages oder der Obleute erforderlich gemacht hätte.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage? - Bitte.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kurz nach der Zusage der Bürgschaft ist ja einiges passiert, z. B. hat sich das Land Nordrhein-Westfalen nicht mehr in der Lage gesehen, die Zusage, die bei dem Gesamtkonzept gegeben worden war, einzuhalten. Darüber hinaus gab es noch verschiedene andere Vorkommnisse. Hätte die Bundesregierung nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt den Haushaltsausschuß informieren sollen?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir waren der Meinung, daß es kein grundsätzlicher Fall war; dies ist eine Bedingung für die Information des Haushaltsausschusses. Außerdem lag das Bürgschaftsvolumen unter 200 Millionen DM. Die Nichtzusage des Haushaltsausschusses des nordrhein-westfälischen Landtages beruhte darauf, daß er sich auf den Standpunkt stellte, diese neuen Schwierigkeiten des Unternehmens beruhten im wesentlichen auf Entwicklungen in Nigeria; diese zu beheben sei Sache des Bundes.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, Tag und Datum zu nennen, an dem der Herr Bundeskanzler Ihr Haus beauftragt hat, die Frage, über die wir hier reden, zu prüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen das sagen, weil ich selbst dabei war. Die Mitteilung über den neuen Notfall, die neuen Liquiditätsschwierigkeiten erhielten sowohl wir als auch das Bundeskanzleramt während einer Kabinettsitzung. Der Herr Bundeskanzler hat dann den in der Kabinettsitzung anwesenden Bundesfinanzminister beauftragt, der Sache nachzugehen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister war zu diesem Zeitpunkt gerade nicht im Kabinett.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage,. Herr Abgeordneter Gerster ({0})..

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann hat der Herr Bundeswirtschaftsminister dem Herrn Bundeskanzler Meldung über den Vollzug erstattet, daß - seinem Monitum entsprechend - schnell entschieden und diese Bürgschaft bewilligt worden ist? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Es war kein Monitum des Bundeskanzlers, sondern die Bitte, einem Fall nachzugehen. Der Bundeswirtschaftsminister hat nach Abschluß der Prüfung den Hauptbeteiligten, dem Unternehmen und dem Land, mitgeteilt, daß er und wie er, nämlich positiv, entschieden hat. Dies ist dann auch allen anderen daran Interessierten mitgeteilt worden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich darf darauf hinweisen, daß ein paar Fragen dabei waren, die so haarscharf an der Grenze des Zulässigen lagen, aber: in dubio pro Abgeordneten. ({0}) - Wenn es so haarscharf ist, Herr Schäfer. ({1}) Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker ({2}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir eine Liste all derjenigen Anträge von Oppositionsabgeordneten auf Übernahme von Bürgschaften vorzulegen, die in den letzten drei Jahren gestellt worden sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin dazu bereit. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Moment! Herr Abgeordneter Becker, keinen Privatkrieg hier - und das noch als Parlamentarischer Geschäftsführer! ({0}) - Die sind immer erlaubt. ({1}) Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Glos auf - wir bleiben bei Beton- und Monierbau Wie ist die Bemerkung des Vertreters der Bundesregierung in der Fragestunde am 17. Oktober 1979 ({2}) zu verstehen, der zuständige Ausschuß des Landtages Nordrhein-Westfalen habe die Beteiligung des Landes an der Bürgschaftsaktion zugunsten der BuM von Juli/August 1978 am 8. September 1979 mit einer .dort dann vorhandenen anderen Informationslage" abgelehnt, insbesondere welche zusätzlichen Informationen lagen dem Ausschuß des Landtages in diesem Zeitpunkt vor, die der Bundesregierung vor Gewährung der Bürgschaft noch nicht bekannt waren?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Glos, in der Sitzung am 17. Oktober 1979 ist Herr Grüner davon ausgegangen, daß dem Land auf Grund des Zeitablaufs wesentliche neue Informationen vorlagen. Eine nochmalige Prüfung - ich habe das schon betont - hat ergeben, daß dies nicht zutraf. Es verhielt sich vielmehr so, daß der Bund nach den Gesprächen in der Staatskanzlei in Düsseldorf und dem anschließenden Schriftwechsel zwischen dem Landesfinanzministerium und dem Bundesministerium für Wirtschaft davon ausgehen konnte, das Land werde sich an der Bürgschaft beteiligen, auch wenn diese Zusage unter dem üblichen Vorbehalt der Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Finanzausschusses des Landtages Nordrhein-Westfalen stand. Der Ausschuß hat seine Zustimmung am 8. September 1978 - völlig überraschend - verweigert mit der Begründung, das Land habe seinen Teil zur Rettung des Unternehmens mit der im Frühjahr übernommenen Bürgschaft über 70 Millionen DM geleistet. Im übrigen, so der Ausschuß, sei die Beitreibung der Forderungen gegen nigerianische Regierungsstellen Sache des Bundes und nicht des Landes. Das Ausbleiben der Zahlungen auf diese Forderungen war Ursache des Liquiditätsengpasses im Sommer 1978, also dieser neuen, überraschenden Wendung in dem Unternehmen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist nach sorgfältiger Analyse Ihrer Antwort der Schluß zulässig, daß es im Prinzip eine versteckte Finanzzuweisung des Bundes an den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen war, weil Sie geantwortet haben, daß die Tatsache, daß der Bund jetzt ins Obligo eingetreten ist, das Land veranlaßt hat, sein Obligo zurückzuziehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter Glos, ich kann dies nicht bestätigen. Der Bund hat sich wegen des außenwirtschaftlichen Interesses und wegen des Mittelstandsinteresses nach den Engagements der Eigentümer und der Banken bereit erklärt, sich mit einer Bundesbürgschaft in diesen Sanierungsfall einzuschalten, wobei intern mit dem Landesfinanzminister die Absprache getroffen wurde, daß das Land einen Teil dieser neuen Bürgschaft übernimmt. Die Rechtszuständigkeit beim Land ist so, daß der Finanzminister hierbei auf die Zustimmung des Haushaltsausschusses angewiesen ist. Der Haushaltsausschuß hat, nachdem der Bund diese Bürgschaft bereits gegeben hatte, überraschend die Zustimmung mit dem Hinweis verweigert, wegen des Ausstehens von Forderungen aus dem Ausland sei dies primär eine Bundesangelegenheit.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Ihre Antwort die Tatsache einschließt, daß Haushaltsausschüsse doch sehr sorgfältig prüfen und manchmal auch, wie die Wirklichkeit ergeben hat, zu besseren Ergebnissen kommen, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung Veranlassung sieht, in Zukunft in solchen Fragen den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages entsprechend einzuschalten.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Glos, im Landtag von Nordrhein-Westfalen ist dies nicht ein Brauch, sondern Rechtslage.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß Sie einer solchen Bürg- schaft aus mittelstandspolitischen Gesichtspunkten zugestimmt haben. Darf ich daraus entnehmen, daß der Haushalts- und Finanzausschuß des Landtages von Nordrhein-Westfalen bei der Verweigerung diese mittelstandspolitischen Gesichtspunkte nicht im Auge gehabt hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Ausschuß des Landtages war in einer komfortablen Situation. Der Bund hatte seine Bürgschaftszusage ja schon gegeben, aber der Landesfinanzminister konnte seine Zusage nicht einhalten, weil er vom Ausschuß im Stich gelassen wurde.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in Anbetracht dessen, daß die Treuarbeit nur drei Stunden Zeit zur Überprüfung des Falles hatte, mußte es der Bundesregierung doch bewußt sein, daß sie in der Abendbesprechung letztlich von Beteiligten, finanziell Gefährdeten und sehr Interessierten beraten wurde. Sollte das genug sein, um in einer solchen Runde eine Zusage zu geben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Carstens, dies war für uns eindeutig nicht genug. Es genügt nicht, daß Interessierte glaubhaft machen, daß Liquiditätsschwierigkeiten entstehen und dringend geholfen werden muß. Es genügt auch nicht, daß die „Treuarbeit" eine Stellungnahme mit dem Für und Wider abgibt. Ich wiederhole noch einmal: Für uns ist nicht nur in diesem Fall, sondern bei fast allen Bürgschaftsfällen das zusätzliche Engagement des Hauptaktionärs, das Engagement der Banken entscheidend. Dies spricht am ehesten dafür, daß eine Gewähr besteht, daß ein Unternehmen mit einer solchen Bürgschaft eine Überlebenschance hat.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Glos auf: Welche Prüfung durch die Treuarbeit oder sonstige vom Bund beauftragte Stellen über die Liquiditäts-Ertrags- und/oder Vermögenslage der Beton- und Monierbau AG erfolgten in der Zeit zwischen der schriftlichen Bürgschaftszusage am 14. Juli 1978 und der Bürgschaftsübernahme des Bundes zugunsten der Beton- und Monierbau AG am 3. August 1978, und wie war das Ergebnis?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, um ein mögliches Mißverständnis zu vermeiden, möchte ich zunächst sagen, daß die Bürgschaft am 14. Juli 1978 verbindlich zugesagt worden ist. Diese Zusage gab der Antragstellerin einen einklagbaren Anspruch. Am 3. August wurde in Erfüllung dieses Anspruchs die von der Bundesschuldenverwaltung beurkundete Bürgschaftserklärung ausgehändigt. In der Zeit zwischen dem 14. Juli und dem 3. August 1978 haben die zuständigen Ressorts, das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium der Finanzen, sowie die „Treuarbeit" die zuvor beschlossenen Auflagen in den Einzelheiten formuliert und ihre praktische Durchführung sichergestellt. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, daß die Bürgschaft als Beitrag im Rahmen eines Gesamtkonzepts zugesagt worden ist, dessen wesentliche Elemente ich hier schon wiederholt genannt habe. Im Rahmen dieses Gesamtkonzepts mit den zusätzlichen Elementen war nach unserer Überzeugung eine Basis geschaffen, die eine Bürgschaft vertretbar erscheinen ließ. Die damalige Einschätzung durch die Bundesregierung wurde im nachhinein, wie ich schon gesagt habe, durch das uneingeschränkte Testat des Abschlußprüfers bestätigt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, warum hat, nachdem, wie Sie soeben ausgeführt haben, diese Bürgschaft des Bundes im Rahmen eines Gesamtkonzepts gewährt worden ist, die Bundesregierung darauf verzichtet, daß die Zusage des Landes Nordrhein-Westfalen die gleiche Qualität hat wie die Zusage des Bundes? Denn es ist logisch, daß ein GeGlos samtkonzept nicht mehr aufgehen kann, wenn Teile davon im nachhinein zu Fall kommen können.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, für uns war die Zusage mit den Bedingungen erfolgt: Eigenkapitalerhöhung, Vorfinanzierung dieser Kapitalerhöhung durch die Banken, Aufrechterhaltung der Kreditlinien der Banken mindestens in der bisherigen Höhe. Die Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen war keine Bedingung nach außen, keine Bedingung für die Beteiligten, sondern eine interne Absprache zwischen Bund und Land. Sie berührte nicht das Außenverhältnis zwischen Bürgen, Bund und Kreditgebern. Für uns kam das negative Votum des Haushaltsausschusses überraschend. Daran war dann nichts mehr zu ändern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, heißt das, daß der Bund seine Bürgschaft trotzdem gegeben hätte, auch wenn er gewußt hätte, daß das Land Nordrhein-Westfalen seine Bürgschaftszusage wieder zurückzieht?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Glos, ich möchte soviel antworten: Dieser Fall wird uns eine Lehre bei Bürgschaften sein, zu denen Bund und Land gemeinsam antreten sollen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster ({0}).

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Frage ist, wenn man auf die Zukunft abstellt, wohl nicht beantwortet. Die Frage war konkret, ob der Bund die Bürgschaft -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Gerster, bitte, fragen Sie die Bundesregierung! Fragen Sie nicht im Dreieck!

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich darf Sie deshalb zur Klarstellung fragen: Hätte der Bund die Bürgschaft auch gegeben, wenn er gewußt hätte, daß das Land Nordrhein-Westfalen nicht bereit ist, sich daran zu beteiligen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich möchte keine hypothetische Antwort geben. Ich wiederhole, daß die Bundesregierung für die Zukunft daraus entsprechende Konsequenzen und Lehren ziehen wird.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da die Bundesregierung bereits am 14. Juli rechtsverbindlich erklärt hatte, die Bürgschaft zur Verfügung zu stellen, und das Land daraufhin seinen Anteil nicht übernahm, frage ich: Heißt das, daß der einzige Partner, der sich am 14. Juli verpflichtete, die Bundesregierung gewesen ist, und hätte das zur Folge haben können, daß zwischenzeitlich z. B. auch die Banken und die Eigentümer ihre Zusagen hätten zurückziehen können?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, das hat es nicht bedeutet. Zugesagt haben am 14. Juli die Bundesregierung für ihren Teil der Bürgschaft und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, diese mit dem Vorbehalt, daß sie dafür die Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags bekomme, und die hat sie im nachhinein nicht bekommen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß die Bundesregierung überhaupt nicht darüber informiert war, welches Verfahren in Nordrhein-Westfalen bei der Zusage von Bürgschaften gilt?

Not found (Staatssekretär:in)

Natürlich waren wir darüber informiert. Es handelte sich, wie ich sagte, um einen Eil- und Notfall; es mußte schnell gehandelt werden. Wir konnten nicht anders, als die Zusage des Landes, einen Teil der Bürgschaft zu übernehmen, mit dem Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung entgegennehmen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Unland.

Dr. Hermann Josef Unland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist von Ihrem Hause, als bekannt wurde, daß sich der Haushalts- und Finanzausschuß des Landtags Nordrhein-Westfalen weigern würde, der Versuch gemacht worden, etwa über den Herrn Bundeskanzler auf seine Parteifreunde in diesem Haushaltsausschuß einzuwirken, damit das Land Nordrhein-Westfalen die Zusage seiner Regierung einlöst?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich weiß nicht, welche Rolle dabei der Herr Bundeskanzler gespielt haben könnte. Auf vielen politischen und parlamentarischen Kanälen ist ein solcher Einfluß ausgeübt worden. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Schmitz ({0}) auf: Welche Gesichtspunkte waren dafür maßgeblich, daß gemäß Erklärungen des Bundesfinanzministers die Bürgschaft zugunsten der BuM, die am 13. Juli 1978 mündlich im Grundsatz und am 14. Juli 1978 schriftlich zugesagt wurde, am 3. August 1979 rechtswirksam gewährt wurde, obwohl die Voraussetzun en, unter denen die Bürgschaftszusagen am 13./14. Juli 1978 erfolgte Rückbürgschaft des Landes gegenüber dem Bund von bis zu 50 v. H.), zwischenzeitlich durch die Erklärungen des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen am 27. Juli 1979, das Land könne lediglich eine Rückbürgschaft von 20 v. Hrvorbehaltlich der Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtages übernehmen, entfallen war, oder war die Bürgschaft am 13. oder 14. Juli 1978 bereits verbindlich und vorbehaltlos zugesagt worden, so daß eine Ablehnung jetzt nicht mehr möglich war?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich kann nur noch einmal wiederholen: Es ist richtig, daß der Bund die Bürgschaft über 50 Millionen DM am 14. Juli verbindlich zugesagt hat. Aber ich mache darauf aufmerksam, daß die Bürgschaft eben als Beitrag im Rahmen eines Gesamtkonzepts zugesagt worden ist. In diesem Rahmen erschien uns dies vertretbar. Wie ich schon sagte, ist es nicht richtig, daß die Zusage vorbehaltlos erteilt worden ist. Sie war an folgende Bedingungen geknüpft: Eigenkapitaler14870 höhung, Vorfinanzierung der Kapitalerhöhung durch die Banken, Aufrechterhaltung der Kreditlinien der Banken mindestens in der bisherigen Höhe und Engagement - intern abgesprochen - des Landes. Dazu habe ich die notwendigen Ausführungen schon gemacht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche Regreßansprüche entstehen dem Bund aus diesem Verfahren?

Not found (Staatssekretär:in)

Dies müssen wir prüfen. Wir sind dabei. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmt es, daß sich am 14. Juli 1978 letztlich doch allein die Bundesregierung ohne Vorbehalt verpflichtet hatte und daß alle anderen Partner noch irgendwie geartete Vorbehalte in petto haben konnten?

Not found (Staatssekretär:in)

Was die Partner außerhalb der Landesregierung anlangt, Hauptaktionär und Banken, gab es keine Vorbehalte. Ich wiederhole: Die Landesregierung hat sich verpflichtet, einen Teil der Bürgschaft zu übernehmen. Sie konnte dies nach der Rechtslage im Lande Nordrhein-Westfalen nur mit dem Hinweis tun: „Vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsausschusses".

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Schmitz ({0}) auf: Stimmt der in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 11. Oktober 1979 wiedergegebene Inhalt des Protokolls der Aufsichtsratssitzung der BuM vom 12. Juli 1978 hinsichtlich der Äußerungen der Herren Grothgar, Postma, Mommsen und Eckholdt zur Zahlungsunfähigkeit der Beton- und Monierbau AG, und wann wurden diese Feststellungen des Aufsichtsrates wörtlich oder inhaltlich einem Mitglied der Bundesregierung oder einem Angehörigen der zuständigen Ministerien erstmals bekannt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Schmitz, das in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 11. Oktober 1979 zitierte Aufsichtsratsprotokoll liegt der Bundesregierung nicht vor. Es handelte sich hier um vertrauliche Firmenunterlagen. Die Bundesregierung hat von der angeblichen Existenz dieses Protokolls erstmals und ausschließlich aus der genannten Ausgabe der FAZ erfahren. Wir können nicht beurteilen, ob die Meldung in der FAZ zutrifft.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Treuarbeit während ihrer Prüfung ein solches Protokoll bekannt gewesen oder geworden?

Not found (Staatssekretär:in)

Dann müssen Sie die Treuarbeit fragen. ({0}) - Nein.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Bahner auf: Trifft es zu, daß laut Angabe des Vorstandsmitgliedes Grothgar von der Westdeutschen Landesbank ({0}) bereits im Februar Schwierigkeiten der BuM in Nigeria bekannt waren, auf Grund deren damals die endgültige Verabschiedung der Landesbürgschaft vorübergehend gestoppt wurde, und wie ist es gegebenenfalls zu ren, dge Sachlage e 13. Juli 1978 mündlicher gestellte Bürgschaftsantrag für die Bundesregierung plötzlich und unerwartet kam?

Not found (Staatssekretär:in)

Im Februar 1978 war gerüchteweise von Schwierigkeiten der nigerianischen Tochtergesellschaft der BuM die Rede. Diesem Gerücht trat der Gesamtvorstand von BuM in einem Schreiben an die Banken entgegen. Daraufhin stimmte der Haushalts- und Finanzausschuß des Landtages der auf Grund des Gerüchtes zunächst stornierten Bürgschaft endgültig zu. Alle Beteiligten gingen davon aus, daß mit der Gewährung der Landesbürgschaft die Schwierigkeiten des Unternehmens auf Dauer beseitigt waren. Angesichts dieser Sachlage kam der am 13. Juli 1978 mündlich gestellte Bürgschaftsantrag für die Bundesregierung plötzlich und unerwartet.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Bahner auf: Trifft es zu, daß die Auslandsbaustellen der BuM, auch in Nigeria, durch einen „amerikanischen Sachverständigen" im Auftrag der Kreditinstitute mit dem Ergebnis überprüft wurden, daß die Ertragslage hier eindeutig positiv sei ({0}), und um welchen Sachverständigen hat es sich dabei gehandelt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, dies ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr, Rose auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß zugunsten der BuM öffentliche Liquiditätsbürgschaften von 120 Millionen DM ({0}) in einem Zeitpunkt gegeben wurden, in dem das Grundkapital der Gesellschaft nur rund 25 Millionen DM betrug, also nur 1/5 des Bürgschaftsvolumens?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Verhältnis zwischen der Höhe des Grundkapitals und der Höhe von Bürgschaftskrediten ist allein nicht aussagefähig. Von Bedeutung ist dagegen selbstverständlich die Relation zwischen Eigenkapital und Fremdkapital insgesamt. Ich darf daran erinnern, daß Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner in der Fragestunde am 17. Oktober 1979 darauf hingewiesen hat - und ich heute wiederholt habe -, daß die Bundesregierung eine Erhöhung des Eigenkapitals des Unternehmens um ca. 88 Millionen DM zur Bedingung für die Gewährung der Bürgschaft gemacht hat.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann man daraus schließen, daß Sie auch in Zukunft in ähnlichen Fällen, also wenn das Grundkapital nur ein Fünftel des Bürgschaftsvolumens ausmacht, Bürgschaften geben werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Man muß jeden Einzelfall für sich betrachten. Ich kann dies generell so nicht sagen. Aber ein solcher Fall kann durchaus wieder vorkommen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf: Muß die Bundesregierung, sofern in Bleichgelagerten Fällen wie bei der Bürgschaftsgewährung zugunsten der BuM verfahren wird, nicht fast jedem Unternehmen eine Bundesbürgschaft zur Überwindung von Liquiditätsschwierigkeiten ohne detaillierte Prüfung durch die Treuarbeit oder ein anderes Wirtschaftsprüfungsunternehmen gewähren, wenn nur glaubhaft genug dargetan werden kann, daß wegen dieser Liquiditätsschwierigkeiten bei einem Zuwarten bis zu einer gründlichen Prüfung Zahlungseinstellung, Vergleich oder Konkurs zu erwarten ist, oder mit welcher Begründung will die Bundesregierung in entsprechend gelagerten Fällen, in denen eine gründliche Oberprüfung durch die Treuarbeit wegen außerordentlichen Zeitdrucks aus Gründen sonst zwangsläufiger Zahlungseinstellung nicht möglich ist, unter Berücksichtigung des Gleichheitsgebotes des Grundgesetzes Bürgschaftsanträge ablehnen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes bedeutet für den Staat die Verpflichtung, gleichartige Fälle nach dem Grad ihrer Gleichartigkeit auch gleich zu behandeln. Ob die Fälle gleichartig sind, kann nur in jedem Einzelfalle entschieden werden. Die Bundesregierung hat sich bei der Bürgschaftsgewährung nicht nur auf die aus damaliger Sicht sicher glaubhaften Aussagen der Beteiligten verlassen. Sie hat nicht leichtfertig Bürgschaften vergeben. Sie verläßt sich auch nicht auf die Aussage „Es gibt Liquiditätsschwierigkeiten" oder etwa auf die Drohung „Das Unternehmen geht in Konkurs". Sie hat vielmehr konkrete Zusagen von den Banken und von den Eigentümern verlangt, das Unternehmen finanziell zu konsolidieren. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Eigenkapitalaufstockung, Engagement der Banken, Aufrechterhaltung der Kreditlinien, Vorfinanzierung der Eigenkapitalbildung usw. Die Bereitschaft der Banken und Eigentümer hierzu war für die Bundesregierung von ausschlaggebender Bedeutung für die Gewährung der Bürgschaft und für die Chancen der Bürgschaft, daß das Unternehmen damit überleben kann.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, warum der Prüfungsauftrag an die „Treuarbeit” vom Bundesminister für Wirtschaft erteilt wurde und warum die Fragen zum Komplex der Firma Beton- und Monierbau vom Bundesminister für Wirtschaft beantwortet wurden, obwohl das Haushaltsgesetz nur den Bundesminister der Finanzen zur Bürgschaftsübernahme ermächtigt und die rechtswirksame Bürgschaftsübernahme auch durch den Bundesminister der Finanzen erfolgt?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, über Bürgschaften entscheidet der Bundeswirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie eben zum Ausdruck gebracht haben, der Bundesregierung sei nicht bekannt, daß ein amerikanischer Experte die Auslandsbaustellen überprüft hat, heißt das dann im Umkehrschluß, daß die Bürgschaft in dieser Höhe übernommen wurde, ohne die riesigen Auslandsbaustellen näher überprüft zu haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein. Wir hatten natürlich Kenntnis von der Situation der Auslandsbaustellen. Dies war übrigens mit ein Grund, weshalb wir die Bürgschaft letzten Endes gewährt haben. Präsident. Stücklen: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf: Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, künftig Bundesbürgschaften zur Behebung von Liquiditätsschwierigkeiten, die ohne sofortige Bürgschaftszusage einen unmittelbar drohenden Firmenzuammenbruch erwarten lassen, nicht nur zugunsten von Großunternehmen, sondern auch zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen zu gewähren?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, grundsätzlich fällt die Behebung von Schwierigkeiten von Unternehmen in die unternehmerische Verantwortung. Deshalb sind zuerst die wirtschaftlich Beteiligten, in erster Linie die Kapitaleigner und die Banken, aufgerufen, solche Schwierigkeiten im Wege der Selbsthilfe zu überwinden. Die öffentliche Hand - und damit auch die Bundesregierung - kann nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen, wenn das gesamtwirtschaftliche Interesse es gebietet, eine subsidiäre Hilfe in Ergänzung der Eigenanstrengungen der wirtschaftlich Beteiligten leisten. Ich unterstreiche, was ich schon gesagt habe: daß der Bundeswirtschaftsminister stets und in allen Fällen solche strengen Maßstäbe an die Bürgschaftsgewährung anlegt. Die Bundesregierung kann allerdings Bürgschaften in solchen Fällen im übrigen nur dann gewähren, wenn die Dimensionen des einzelnen Falles über die Grenzen eines Bundeslandes hinausgehen oder die Finanzkraft eines Landes übersteigen. Es liegt also in der Natur der Sache, daß es sich dabei meistens - nicht immer, aber meistens - um größere Unternehmen handelt, weil bei kleineren die Landesbürgschaften eine Rolle spielen müssen. Ich wiederhole, was ich bereits gesagt habe: Neben der Abwehr des außenwirtschaftlichen Schadens spielte auch das Mittelstandsargument eine Rolle, nämlich die Absicht, mittelständische Zulieferer vor dem Verlust ihrer ausstehenden Forderungen zu bewahren. Indirekt hat das also eine, wenn auch nicht maßgebliche Rolle gespielt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ab welcher Größenordnung sehen Sie denn in der Regel das gesamtwirtschaftliche Interesse als gegeben an?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe schon gesagt, daß der Fall in seiner Bedeutung über die Grenzen eines Bundeslandes hinausgehen muß. Dies kann man nicht in einer einzigen Größenordnung angeben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sehen Sie bef dieser individuellen' Behandlung der einzelnen Fälle nicht gewisse Verfassungskonflikte gegeben?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, ich sehe das nicht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker ({0}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir für die letzten drei Jahre eine Liste derjenigen Fälle überreichen, in denen Sie Bürgschaften für mittlere Unternehmen mit den dazugehörigen Arbeitsplätzen, um die es ging, geleistet haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin dazu gern bereit.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben zum Ausdruck gebracht, daß sich die Bundesregierung am 14. Juli gegen Mittag durch ein Schreiben rechtlich gebunden hat, diese Bürgschaft zu übernehmen. Inwieweit haben sich die anderen Beteiligten, z. B. Eigentümer, Banken, überhaupt alle anderen Beteiligten zu diesem Zeitpunkt rechtlich gebunden und inwieweit hätten sie von diesem Schritt noch zurücktreten können?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Carstens, wir haben die Zusage in der Nacht des 14. Juli nach sorgfältiger Prüfung und nach dem Ende der Verhandlungen in Düsseldorf gemacht. Diese Zusage war an klare Bedingungen geknüpft, und - ich habe das vorhin gesagt - zwischen der Zusage und der Aushändigung der Urkunden wurde die Konkretisierung und die Einhaltung dieser Bedingungen geprüft. Diese Bedingungen sind auch eingehalten. worden. Die Mitbeteiligung des Landes an der Bürgschaft war keine nach außen gerichtete Bedingung, sondern eine interne Absprache.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Unland. Dr. Unland ({0}): Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, bei der Zusammenstellung der beiden von Ihnen zugesagten Listen auf Anregung von Herrn Kollegen Becker - d. h. bei der Liste der Bürgschaftsfälle, die auf Intervention von Unionsabgeordneten bei Ihnen geprüft worden sind, und bei der Liste, wo die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze angegeben werden soll - bei jedem einzelnen Fall auch die Dauer der Bearbeitungszeit in Ihrem Hause zusätzlich anzugeben?

Not found (Staatssekretär:in)

Soweit das möglich ist, werden wir das tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster ({0}).

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meine Frage ging in dieselbe Richtung. Wären Sie bereit, in diese Aufstellung auch die Feststellung aufzunehmen, ob es seit 1949 einen einzigen anderen Fall gibt, wo ein Bürgschaftsantrag innerhalb von 24 Stunden gestellt und bewilligt worden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich werde prüfen, ob dies noch feststellbar ist. Wenn ja, bin ich dazu gerne bereit.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 19 des Herrn Abgeordneten Broll auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß Bewerber mit Abschlüssen weiterführender Schulen, z. B. einer Handelsschule, manchmal deswegen keine Lehrstelle bekommen, weil sie auf Grund ihres qualifizierten Abschlusses Anspruch auf eine verkürzte Lehrzeit haben, die Ausbildungsstellen jedoch auf Grund des Ausbildungsprogramms den erfolgreichen Abschluß einer Lehre in verkürzter Zeit für unmöglich halten, und hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, wie diesem Mißstand abgeholfen werden könnte?

Not found (Staatssekretär:in)

Wenn ich das so salopp sagen darf: Gott . sei Dank nicht mehr zu BuM. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Anrechnung des erfolgreichen Besuchs z. B. einer zweijährigen Handelsschule auf das erste Ausbildungsjahr; so wie es die Berufsfachschul-Anrechnungsverordnung vom 4. Juli 1972 vorschreibt, in der Ausbildungspraxis zu einigen Schwierigkeiten geführt hat. Vor allem einige größere Betriebe haben in der Vergangenheit verschiedentlich Ausbildungsverträge mit Berufsfachschulabsolventen unter Berufung auf organisatorische Schwierigkeiten abgelehnt. Wegen der noch bestehenden großen Nachfrage nach Ausbildungsplätzen können diese Betriebe ihre vorhandenen Ausbildungsplätze häufig bereits vom ersten Ausbildungsjahr an voll belegen. Der Bundesminister für Wirtschaft hat deshalb wiederholt an die ausbildende Wirtschaft appelliert, die im allgemeinen besonders qualifizierten Absolventen von Berufsfachschulen nicht aus betriebsorganisatorischen Gründen zu benachteiligen. Die Bundesregierung ist allerdings gemeinsam mit den Bundesländern der Meinung, daß die Anrechnung des erfolgreichen Besuchs einer Berufsfachschule sachgerecht und eine bundeseinheitliche Anrechnungspraxis notwendig ist. Die Bundesregierung steht überdies mit den Kultusministerien der Länder im Gespräch, den 'Obergang von der Berufsfachschule in die betriebliche Ausbildung zu erleichtern. Auch hier liegt noch eiStaatssekretär Dr. Schlecht niges im argen. Dabei geht es in erster Linie um Fragen einer besseren Gestaltung des fachbezogenen Unterrichts in den Berufsfachschulen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte, eine Zusatzfrage.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß manche Ausbildungsbetriebe zukünftigen Auszubildenden geradezu raten, zwar die weiterführende Schule zu besuchen, sie aber unmittelbar vor dem Examen ohne dieses zu verlassen, damit sie wenigstens den Bildungsgewinn der Schule haben, ohne den Nachteil des Abschlusses in Kauf nehmen zu müssen?

Not found (Staatssekretär:in)

Mir ist das bekannt. Wir können trotzdem nicht auf die Anrechnung verzichten. Wir müssen einige Erleichterungen schaffen, damit es nicht zu Nachteilen kommt. Aber dazu ist auch und in erster Linie eine entsprechende praxisorientierte Gestaltung der Schulen notwendig.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wäre es angesichts der Lage, die sich ja wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht ändern wird, nicht zweckmäßig, die Frage, ob eine weiterführende Schulausbildung auf die Lehrzeit angerechnet wird oder nicht, einer freien Vereinbarung des Auszubildenden und des Lehrherrn zu überlassen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das glaube ich nicht, Herr Abgeordneter. Wir werden versuchen, die Schwierigkeiten, die derzeit noch bestehen, zu beheben, ohne aber von den bisherigen Grundsätzen abzugehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwörer auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Demnach werden die Fragen 20 und 21 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Unland auf: Ist auch die Bundesregierung wie - der Urteilsbegründung zum sogenannten Textil-Schmuggel-Prozeß zufolge - das Landgericht Hof der Auffassung, daß in den zuständigen volkseigenen Betrieben nicht unbedeutende Stellen, sondern solche in "höheren Etagen" beteiligt gewesen seien und daß die erwiesene Mitwirkung der DDR an den illegalen Einfuhren gegen die Grundsätze des innerdeutschen Handels verstoßen habe?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, bei den zahlreichen Interventionen der Bundesregierung, bei denen unsererseits nachdrücklich gegen die Verstöße gegen Grundsätze des innerdeutschen Handels protestiert wurde, hat die DDR jede offizielle Beteiligung zurückgewiesen, dabei aber nicht ausgeschlossen, daß es im Einzelfall auf untergeordneter Ebene zu verbotenen Transaktionen gekommen ist. Die Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Hof hat ihrerseits auf Grund der Beweisaufnahme in dem Verfahren gegen die Angeklagten in der mündlichen Urteilsverkündung am 19. November 1979 die Auffassung vertreten, in den zuständigen volkseigenen Betrieben seien auch - ich zitiere - „höhere Etagen" beteiligt gewesen. Die der Bundesregierung vorliegenden Berichte über den Prozeßverlauf enthalten keine weiteren konkretisierenden Angaben. Allerdings liegt die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Hermann Josef Unland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung das, was Sie eben über die mögliche Beteiligung „höherer Etagen" gesagt haben, noch einmal überprüfen?

Not found (Staatssekretär:in)

Jawohl, das werden wir tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie hoch war insgesamt das Schmuggelvolumen, das in diesem Prozeß behandelt worden ist, und gibt es da eventuell noch eine Dunkelziffer?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen diese Frage nicht unmittelbar beantworten; ich werde das schriftlich nachholen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Unland auf: Was hat die Bundesregierung seit Bekanntwerden des Hofer TextilSchmuggels aus Niedriglohn-Ländern über die DDR getan, etwa durch Ursprungsregelung, Präzisierung der Ursprungsregelung, um derartige Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, und hat sie insbesondere und mit welchem Ergebnis mit der DDR-Regierung Gespräche zu diesem Zweck geführt?

Not found (Staatssekretär:in)

Seit Bekanntwerden der Umgehungseinfuhren hat die Bundesregierung durch Minister Graf Lambsdorff, Staatssekretär a. D. Rohwedder und Staatssekretär von Würzen anläßlich der Besuche der Leipziger Messen gegenüber dem Minister für Außenhandel der DDR interveniert und umgehende Abhilfe gefordert. In demselben Sinne ist die Treuhandstelle für den Interzonenhandel bei ihren turnusmäßigen Verhandlungen mit dem Ministerium für Außenhandel der DDR vorstellig geworden. Darüber hinaus hat die Bundesregierung folgende Maßnahmen ergriffen: Erstens. Der Staatsanwaltschaft Hof wurde mitgeteilt, daß die sichergestellten Waren, sofern es sich um ausländische Erzeugnisse handelt, nicht in der Bundesrepublik verbleiben dürfen. Die Ware muß entweder in die DDR zurückverbracht oder in ein Land außerhalb der EG ausgeführt werden. Zweitens.. Die zuständigen Zolldienststellen wurden angewiesen, den Bezug von Textilerzeugnissen aus der DDR verstärkt zu überwachen. Drittens. Die Steuerermittlungs- und Zollfahndungsbehörden führen verstärkte Ermittlungen durch. Viertens: Die Position „Rohgewebe" wurde aus der Allgemeinen Genehmigung Nr. 3 herausgenommen und in die Einzelgenehmigungspflicht überführt, da sich bei den Ermittlungen gezeigt hat, daß vor allem Rohgewebe aus Drittländern über die DDR geliefert wurde. Durch die Einzelgenehmigungspflicht wird eine intensivere Kontrolle der Verträge gewährleistet. Fünftens: Die auf dem Textilsektor bestehenden Kontingente wurden seit 1978, nämlich seit dem ersten Bekanntwerden der Umgehungseinfuhren, nicht mehr aufgestockt; Liberalisierungen wurden nicht mehr vorgenommen. Eine besondere Ursprungsregelung erübrigt sich, da nach dem Berliner Abkommen, auf dessen Grundlage der Handel abgewickelt wird, nur Waren geliefert oder bezogen werden dürfen, „die in den Währungsgebieten der DM-West oder in den Währungsgebieten der DM-Ost gewonnen oder hergestellt sind". Lieferungen und Bezüge von Waren ausländischen Ursprungs bedürfen jeweils einer gesonderten Vereinbarung zwischen der TSI und dem MAH. Die mit der DDR im Berliner Abkommen vereinbarte Ursprungsregelung ist also nach unserer Überzeugung absolut eindeutig.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Dr. Hermann Josef Unland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie uns bekanntgeben, wie die DDR auf verschiedene Interventionen seitens der Vertreter der Bundesregierung, die Sie eben geschildert haben, reagiert hat und können sie uns auch sagen, ob möglicherweise bei anderen Landgerichten oder bei anderen Staatsanwaltschaften vergleichbare Verfahren anhängig sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen das gerne schriftlich beantworten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Hermann Josef Unland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht, daß durch Fälle wie den jetzt hier zur Besprechung anstehenden gerade bei unseren EG-Partnern, bei denen ja gegenüber dem innerdeutschen Handel ein latentes Mißtrauen besteht, das Mißtrauen noch verstärkt werden könnte und daß es unter diesen Gesichtspunkten sehr geboten ist, derartige Dinge in Zukunft zu verhindern?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Befürchtung ist berechtigt. Deshalb haben wir auch die von mir geschilderten Maßnahmen getroffen und werden weiter sorgfältig darauf achten, daß solche Mißstände nicht vorkommen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Fragen 25 und 26 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz und die Fragen 27 und 28 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Die Frage 98 des Abgeordneten Landré und die Fragen 100 und 101 des Abgeordneten Paterna sind entsprechend den Richtlinien der Fragestunde für nicht zulässig erklärt worden. Die Frage 99 des Abgeordneten Dr. Steger wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sperling steht uns zur Beantwortung der restlichen Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 97 des Herr Abgeordneten Dr. Möller auf: Wie beurteilt die Bundesregierung und wie wird sie den von Bundesminister Dr. Haack auf der Betriebsrätekonferenz der „Neuen Heimat" gemachten Vorschlag verwirklichen, „den Ankauf von Belegungsrechten auf frei finanzierte Wohnungen durch Städte und Gemeinden zu erproben"?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Möller, die Bundesregierung beurteilt den Vorschlag positiv und prüft die Voraussetzungen und Möglichkeiten eines Modellversuchs.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann kann der Ausschuß oder das Haus mit dem Ergebnis dieser Überlegungen rechnen, und wann werden sich diese Überlegungen in einem Gesetzentwurf niederschlagen?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Möller, die Bundesregierung kann nicht so weit in die Zukunft vorausblicken, um zu sagen, ob daraus ein Gesetzentwurf werden kann. Sobald wir einen Modellversuch gebastelt haben - falls sich dies als möglich erweist -, werden wir den Ausschuß gern unterrichten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie heute schon ein wenig konkretisieren, was unter „Belegungsrechten auf frei finanzierten Wohnungen" zu verstehen ist?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Möller, das ist etwas Ähnliches, wie es nach meiner Kenntnis in Stuttgart gehandhabt wird: Jemand, der ein Belegrecht für die Begünstigung bestimmter Personengruppen erwerben möchte, kann sich dies von einem Vermieter gegen Zahlung von irgendeiner Form von Prämie gewähren lassen, vertraglich also gewissermaßen ein Belegrecht wie im sozialen Wohnungsbau erwerben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Schartz ({0}) auf : Präsident Stücklen Ist der Bundesregierung bekannt ({1}), daß der verantwortliche Beamte für die Standortwahl französischer Kernkraftwerke, Tanneguy le Merechal, am 13. November 1979 im Hinblick auf den in unmittelbarer Nachbarschaft zur deutschen Staatsgrenze gewählten und damit einen Großteil möglicher Auswirkungen eines Kraftwerkes auf deutsches Gebiet verschiebenden Standort Cattenom erklärt haben soll, die französische Regierung wähle ihre Kernkraftwerksstandorte danach aus, wo sie den geringsten politischen Widerstand erwarte, und wenn ja, darf daraus geschlossen werden, daß die Bundesregierung der Standortwahl keinen hinreichenden Widerstand entgegengesetzt hat?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Schartz, der Bundesregierung ist nichts darüber bekannt, daß die französische Regierung die Wahl des Standorts bei Cattenom insbesondere nach einem Kriterium vorgenommen hat, wie es in der von Ihnen zitierten Pressemeldung zum Ausdruck kommt. Die Bundesregierung hat sich allerdings frühzeitig mit der französischen Regierung über das beabsichtigte Kernkraftwerk Cattenom in Verbindung gesetzt. Es wurde eine deutsch-französische Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland gebildet. Diese Arbeitsgruppe hat sich mit Fragen der Standortwahl von Kernkraftwerken im Grenzgebiet befaßt. An den Beratungen dieser Arbeitsgruppe hat zuletzt auch eine luxemburgische Delegation teilgenommen. Gegen den Standort Cattenom mit einem Kernkraftwerk von zwei Blöcken können nach dem Ergebnis der bisherigen Beratungen keine sachlich gerechtfertigten Gründe geltend gemacht werden, jedenfalls nicht, soweit die sicherheitstechnischen Fragen und Probleme der Moselbelastung zufriedenstellend gelöst werden. Von deutscher und auch von luxemburgischer Seite wurde aber in der Arbeitsgruppe wiederholt die Besorgnis der Bevölkerung gegen eine beabsichtigte Konzentration von vier Kernkraftwerksblöcken an diesem Standort, insbesondere im Hinblick auf die Grenznähe, vorgebracht und die Raumordnungsproblematik erörtert. Von französischer Seite wurde zuletzt in der Arbeitsgruppensitzung am 19. Juni dieses Jahres erklärt, daß über eine Erweiterung des Kernkraftwerkes noch keine Entscheidung gefallen sei und die Bundesregierung von einer solchen unterrichtet werde, um ihr die Möglichkeit zur Erörterung zu geben. Auf Grund der bekanntgegebenen Entscheidung. des französischen Ministerrates, in Cattenom den dritten und vierten Reaktorblock mit je 1 300 Megawatt Leistung zu errichten, hat die Bundesregierung umgehend Schritte unternommen, um die ' Arbeitsgruppe erneut einzuberufen. Der hierfür zunächst vorgesehene Termin Anfang Dezember dieses Jahres wurde auf Wunsch der französischen Seite verschoben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung auf jeden Fall gegen den Bau eines zwei Blöcke umfassenden Kernkraftwerkes in Cattenom keinen Einspruch eingelegt hat, und hat die Bundesregierung ihr Einverständnis zu dem Bau eines zwei Blöcke umfassenden Kernkraftwerkes in Cattenom gegeben?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Schartz, weder steht uns ein Einspruchsrecht zu noch wird unser Einvernehmen dazu gefragt werden, sondern wir befinden uns hier in einem zwischenstaatlichen Konsultationsverfahren, und die Bundesregierung hat deutlich gemacht, daß für Fragen der Sicherheitstechnik und für Fragen der Moselbelastung entsprechende Vorkehrungen gebraucht werden, um Besorgnisse zu zerstreuen, die hier im Lande-bestehen können. Dies sieht in bezug auf zwei Kernkraftwerksblöcke nach dem, was von französischer Seite mitgeteilt wurde, so aus, als dürften Bedenken hier zurückgestellt werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß es keine sachlichen Gründe gegen den Bau von zwei Kernkraftwerksblöcken gibt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie weiter gesagt, daß die französische Regierung jetzt ohne Konsultation mit der deutschen Bundesregierung einen Beschluß über den Bau von vier Kernkraftwerksblöcken gefaßt hat und daß Sie die Absicht haben, dies in der gemeinsamen Kommission zu besprechen. Auf Grund der von Ihnen vorgetragenen Antwort frage ich, ob die Bundesregierung bereit ist, einen offiziellen Protest bei der französischen Regierung gegen den Bau von vier Kernkraftwerksblöcken in Cattenom einzulegen.

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Schartz, ob wir mit einem Protest das sinnvollste Verfahren für den Schutz der Interessen unserer Bevölkerung erreichen, möchte ich einmal dahingestellt sein lassen. Ich glaube, die Fragestunde kann nicht der Ort für die Entscheidung einer Bundesregierung in solchen Schritten sein. Uns ist daran gelegen, daß wir gemeinsam mit Luxemburg und den beiden beteiligten und interessierten Landesregierungen und der französischen Seite gemeinsam jene Überlegungen anstellen und Bedenken erörtern können, die notwendig sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi. - Wir haben noch 15 Sekunden Zeit.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das reicht, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß die Landesregierung von Rheinland-Pfalz die Notwendigkeit von französischen Kernkraftwerken anders beurteilt als die Notwendigkeit und Standortwahl bei deutschen Kernkraftwerken?

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Herr Kollege Conradi, so, wie Kernkraftdebatten geführt werden, hat man nicht immer den Eindruck, daß die notwendige Behutsamkeit in der Darstellung aller Bedenken und Überlegungen tatsächlich an den Tag tritt, wenn es um Kernkraftwerke innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik geht. Eigentlich darf man da nur mit einem Maßstab messen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wir sind am Ende der Fragestunde. Präsident Stücklen Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 29. November 1979, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.