Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 13. November 1979 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften ({0}) ({1})
zuständig:
Auswärtiger Ausschuß ({2})
Haushaltsausschuß
Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1979 bei Kap. 14 12 Tit 698 02 - Entschädigung aufgrund des Fluglärmgesetzes - ({3})
zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Ich stelle fest, dem wird zugestimmt.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 13. November 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulte ({4}), Lemmrich, Tillmann, Dr. Jobst, Dreyer, Feinendegen, Hanz, Sick, Kroll-Schlüter, Dr. Langner, Dr. Möller, Dr. Friedmann, Weber ({5}), Bühler ({6}), Dr. Schäuble, Dr. Hornhues, Burger, Dr. Langguth, Sauter ({7}), Dr. Laufs, Dr. George, Würzbach, Röhner, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Bessere Verkehrsbedingungen für das Verkehrsmittel „Fahrrad" - Drucksache 8/3303 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3366 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 15. November 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Berger ({8}), Würzbach, Weiskirch ({9}), Gierenstein, Handlos, Frau Krone-Appuhn, Dr.-Ing. Oldenstädt, de Terra, Löher, Voigt ({10}), Ernesti, Stahlberg, Dr. Kraske, Dr. Hoffacker, Dr. Wörner, Dr. Unland, Frau Fischer, Dr. Jobst, Röhner, Besch, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU betr. Heimatferne bzw. heimatnahe Einberufung von Grundwehrdienst leistenden Soldaten bzw. zum überregionalen Ausgleich bei der Einberufung zum Grundwehrdienst - Drucksache 8/3283 - beantwortet Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3400 verteilt
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 7. bis 13. November 1979 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/3399 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die in Drucksache 8/3280 unter Nr. 1 aufgeführte EG-Vorlage Mitteilung über
- Sonderbeihilfe der Gemeinschaft für ein Programm zur Förderung der gewerblichen Klein- und Mittelbetriebe in Portugal
- den Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Einführung einer Sonderbeihilfe zugunsten der gewerblichen Klein- und Mittelbetriebe in Portugal
wird als Drucksache 8/3352 verteilt.
Die in Drucksache 8/3339 unter Nr. 18 aufgeführte EG-Vorlage
Änderung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte
wird als Drucksache 8/3358 verteilt.
Gemäß § 5 Abs. 3 des Richterwahlgesetzes rückt für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen der Abgeordnete Sieglerschmidt aus der Reihe der nicht mehr Gewählten als Stellvertreter des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert im Richterwahlausschuß nach, da der Abgeordnete Dr. Schmude im Hinblick auf sein Regierungsamt auf die Stellvertretung verzichtet hat
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 8/3344 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens auf:
Wird die Bundesregierung den Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützen, für Kraftwerksblöcke ab 300 Megawatt Rauchgasentschwefelungsanlagen vorzuschreiben, und wann ist mit dem Inkraftsetzen der GroßfeuerungsanlagenVerordnung zu rechnen?
Herr Kollege, der Bundesminister des Innern prüft im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines Entwufs einer Verordnung über Großfeuerungsanlagen die Frage, ob die ursprünglich für alle bestehenden Kraftwerksfeuerungen mit festen und flüssigen Brennstoffen vorgesehene Forderung der Nachrüstung mit Abgasendreinigungsanlagen nunmehr für Anlagen ab 300 Megawatt gelten soll. Eine derartige Lösung wäre sachgerecht, da es sich um Anlagen mit hohen Schwefeldioxidemissionen handelt, die zum weitaus überwiegenden Teil noch viele Jahre bestehen werden. Darüber hinaus besteht in einigen Fällen auf Grund der TA Luft 1964 die Genehmigungsauflage, die Anlagen nach dem Stand der Technik und nach Aufforderung durch die Behörden mit Rauchgasentschwefelungsanlagen nachzurüsten.
Mit der GroßfeuerungsanlagenVerordnung soll der Bereich der genehmigungsbedürftigen Feuerungsanlagen sowohl hinsichtlich der Art der Anlagen und Brennstoffe als auch der unterschiedlichen Schadstoffe umfassend und abschließend geregelt
Parl. Staatssekretär von Schoeler
werden. Auf wichtigen Teilgebieten, wie der Emissionsverminderung von Stickstoffoxiden, schreitet die Entwicklung gerade in den letzten Monaten schnell fort. Die hierbei anfallenden Erkenntnisse müssen wegen der angestrebten Rechtssicherheit noch berücksichtigt werden. Der Termin des Inkrafttretens der Verordnung kann deshalb nicht verbindlich genannt werden.
Im übrigen ist das Problem der Altanlagen in den Belastungsgebieten in Nordrhein-Westfalen mit der Verordnung kurzfristig nicht zu lösen. In einer Rechtsverordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz können Anforderungen an Altanlagen nur mit vertretbaren Übergangsfristen festgelegt werden.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. im Duisburger Norden der Schwefeldioxidgehalt weit über der zulässigen Höchstgrenze liegt, und glauben Sie nicht, daß die Bundesregierung nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, den Schutz der Gesundheit zu gewährleisten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jens, schon heute kann nach der bestehenden TA Luft von den zuständigen Behörden bei alten Anlagen der Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage gefordert werden - ich wiederhole das ausdrücklich -, so daß in den Fällen, die Sie erwähnt haben und die Sie Ihrer Frage zugrunde legen, nicht etwa wegen eines Zögerns der Bundesregierung nicht geholfen werden könnte. Vielmehr kann nach der geltenden TA Luft von den zuständigen Behörden auch jetzt schon geholfen werden.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, zeigt sich bei den Unternehmen nicht ein gewisser Mangel an gesamtwirtschaftlicher Verantwortung, der darin zum Ausdruck kommt, daß sie keine Rauchgasentschwefelungsanlagen einbauen, obwohl sie z. B. 75 % Investitionszuschüsse bekommen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, man muß hier sowohl die Entscheidung der zuständigen Behörden, der Genehmigungsbehörden, als auch die wirtschaftliche Situation der jeweiligen Branche sehen. Es ist sicherlich so, daß die jeweilige Branche zunächst einmal bemüht sein wird, Auflagen auf einem möglichst geringen Stand zu halten. Das ist, meine ich, verständlich und liegt in der Natur der Sache. Von daher glaube ich nicht, daß man das in dieser Richtung interpretieren kann, wie Sie es getan haben. Was mir allerdings notwendig zu sein scheint, ist, daß man bei der Anwendung der TA Luft auch die heutigen Kenntnisse über die eigentlich erforderlichen Umweltstandards berücksichtigt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer.
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, um wieviel der Bau eines Kohlekraftwerks mit 300 oder etwa 600 Megawatt durch den Einbau einer solchen Rauchgasentschwefelungsanlage verteuert wird und wie sich eine solche Rauchgasentschwefelungsanlage insbesondere auf die Kosten einer Kilowattstunde auswirken wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen dazu ganz genaue Zahlen nennen. Allerdings habe ich sie im Augenblick nicht hier. Um Ihnen keine falschen Zahlen nennen zu müssen, möchte ich Ihre Frage schriftlich beantworten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Wie bewertet die Bundesregierung aus deutscher Sicht die Feststellung von Mitarbeitern der amerikanischen Environmental Protecting Agency ({0}), daß die Strahlenbelastung durch Radon in geschlossenen Räumen bei weitem das größte radiologische Problem sei, und kann sie Abschätzungen deutscher Wissenschaftler bestätigen, wonach sich durch eine Verringerung der Luftwechselrate um den Faktor S bis 10 in wärmegedämmten Wohnungen, wie sie in gut gedichteten schwedischen Häusern beobachtet wurde, unter der Annahme eines Anteils von etwa 30 mrem aus der Luftbelastung durch Radon an der jährlichen natürlichen Ganzkörperdosis von etwa 110 mrem, eine Erhöhung der jährlichen Strahlenbelastung auf 230 bis 380 mrem ergeben würde?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Bedeutung, die der Strahlenexposition der Lunge durch Inhalation von Radon beizumessen ist, früh erkannt. Der Bundesminister des Innern bildete bereits am 14. Februar 1978 im Rahmen der Strahlenschutzkommission die Arbeitsgruppe „Radonmessungen", deren Aufgabe es ist, die Strahlenexposition durch Inhalation von Radon im Freien und in Wohnräumen koordiniert für das gesamte Bundesgebiet quantitativ zu erfassen.
Die bisher vorliegenden Erhebungsergebnisse lassen zwar noch keine Aussage darüber zu, ob es sich hierbei um das „bei weitem größte radiologische Problem" handelt, jedoch haben sich bereits Hinweise auf relativ hohe Lungendosen durch Radoninhalationen ergeben. Die Frage, wie diese Lungendosen hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen zu bewerten sind, wird derzeit erneut auf internationaler Ebene, insbesondere bei der Internationalen Strahlenschutzkommission, diskutiert, weil Anlaß zu der Vermutung gegeben ist, daß das Risiko der Lungenexposition bisher überschätzt worden ist. Die Bewertung des Problems wird somit weitgehend vom Ergebnis dieser Diskussion abhängen.
Die Arbeitsgruppe „Radonmessungen'' hat im übrigen für Modellräume den Anstieg der Radonkonzentration in Abhängigkeit vom Luftwechsel untersucht und festgestellt, daß bei einer Reduzierung des Luftwechsels von 0,5 auf 0,1 pro Stunde die Radonkonzentration in 48 Stunden etwa um einen Faktor 4,5 ansteigt; das entspricht den von Ihnen genannten Relationen.
Über die tatsächlichen Jahres-Lungendosen infolge der Radoninhalation lassen sich verläßliche Aussagen erst durch langfristige Messungen gewinnen, in denen die jahreszeitlich unterschiedlichen meteorologischen Verhältnisse und LuftwechselraParl. Staatssekretär von Schoeler
ten berücksichtigt sind. Bei den vorliegenden Erhebungen handelt es sich noch um Kurzzeitmessungen, aus denen sich derzeit noch keine zuverlässigen Angaben über die Jahresmittelwerte der Lungendosis ableiten lassen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, selbst wenn gegenwärtig noch keine exakten Zahlen angegeben werden können, fragt es sich: Ist nicht schon die Tatsache, daß die Strahlenbelastung in Wohnungen in der Regel sehr viel höher ist als im Freien - im Saarland z. B. durchschnittlich 30 Millirem pro Jahr -, ein ausreichend plausibler Grund, um die im Vergleich mit dem Gefahrenpotential der Kerntechnik in wärmedichten Häusern auftretenden radiologischen Gefahren sehr ernst zu nehmen und auch die Bevölkerung entsprechend zu informieren?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, ich habe auf die Unsicherheiten, vor die uns die Forschung noch stellt, hingewiesen. Wir nehmen das Problem ernst. Ich nehme an, daß Ihre Frage hier im Parlament auch den Sinn hat, die Öffentlichkeit über dieses Problem aufzuklären. Aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als uns die Wissenschaftler sagen. Es sind eben noch einige Unsicherheitsfaktoren da. Insbesondere gibt es aber auch Anzeichen dafür, daß die Gefahren bisher vielleicht überschätzt worden sind.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, wenn wir den großen Aufwand betrachten, der zur Absicherung des strengen 30-Millirem-Konzepts der Strahlenschutzverordnung im kerntechnischen Bereich getrieben wird, dann ist zu fragen: Welchen Aufwand zur Erforschung und zur Verringerung der Strahlenexposition in wärmedichten Häusern würden Sie als angemessen ansehen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, das ist eine Frage, die ich Ihnen so nicht beantworten kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatsminister Wischnewski zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Engelsberger auf:
Bedeutet die Feststellung des Bundeskanzlers in einem Pressegespräch, das Gleichgewicht der Kräfte sei „unabwendbare Voraussetzung für eine wirksame kontinuierliche, zuverlässige Friedenspolitik und man müsse ein irgendwo gestörtes Gleichgewicht wiederherstellen, eine Absage gegenüber Meinungen, eine Nachrüstung der Nato sei ''lebensgefährlich", die sowjetische Rüstung in Europa „defensiv"?
Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten.
Die von Ihnen richtig wiedergegebenen Aussagen des Bundeskanzlers aus einem Pressegespräch, das Gleichgewicht der Kräfte sei „unabwendbare Voraussetzung für eine wirksame kontinuierliche, zuverlässige Friedenspolitik" und man müsse ein irgendwo gestörtes Gleichgewicht wiederherstellen, beschreiben die Voraussetzungen für unsere auf den beiden Säulen der Verteidigungs- sowie Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik beruhende Sicherheitspolitik. Die Absicht der NATO, im Bereich der Mittelstreckenwaffen notwendige Entscheidungen zu treffen, ist für niemanden lebensgefährlich, da sie ausschließlich darauf gerichtet ist, ein in diesem Bereich vorhandenes Ungleichgewicht zu beseitigen. Die Absicht unseres Bündnisses ist verbunden mit einem sehr ernstgemeinten rüstungskontrollpolitischen Angebot der Allianz an den Warschauer Pakt. Der Bundeskanzler hat dazu am 4. Juli 1979 vor dem Deutschen Bundestag erklärt:
Hierzu habe ich in Moskau an unserer Auffassung keinen Zweifel gelassen, daß das westliche Bündnis alle Maßnahmen treffen muß, die zur Aufrechterhaltung seiner Sicherheit notwendig sind. Konkrete Maßnahmen zur Nachrüstung als Reaktion auf die seit Jahren anhaltende Rüstung im Warschauer Pakt können um so begrenzter gehalten werden, wie es gelingt, eine wirkungsvolle Begrenzung der kontinentalstrategischen Systeme in Ost und West in Rüstungskontrollverhandlungen, z. B. in SALT III, zu erreichen.
Dem brauche ich nichts hinzuzufügen.
Zusatzfrage.
Nachdem Sie meine Frage zwar sehr lang, aber nicht direkt beantwortet haben, möchte ich die Frage anschließen: Hat der Herr Bundeskanzler jenen Kräften, die die sowjetische Rüstung als „defensiv'' bezeichnet haben, eine Absage erteilt? Wenn ja, befindet er sich dann nicht im Widerspruch zu den Aussagen des SPD-Vorsitzenden Willy Brandt und des Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner?
Einen Moment bitte, Herr Staatsminister; solche Dreiecksfragen sind nicht zugelassen. Den letzten Teil schneiden wir ab!
({0})
Ich sehe keinerlei Widerspruch zwischen der Politik der Bundesregierung und der Haltung, die führende Politiker der Sozialdemokratischen Partei zu dieser Frage einnehmen.
({0})
Herr Abgeordneter Engelsberger, Sie sind nicht zufrieden mit dem Abschneiden Ihrer Frage. Ich erkläre Ihnen das. Ich bin der Meinung, daß ein Abgeordneter, ganz gleich, wer er ist, so souverän ist, daß er keine Bestätigung oder Ablehnung durch den Bundeskanzler braucht. Der Abgeordnete ist souverän und untersteht nicht der
Präsident Stücklen
Beurteilung der Bundesregierung oder irgendeines anderen. Deshalb habe ich den letzten Teil Ihrer Frage nicht zugelassen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, bedeutet die Forderung des Herrn Bundeskanzlers, man müsse ein irgendwo gestörtes Gleichgewicht wiederherstellen, daß er für die Nachrüstung der NATO eintritt und daß auch er die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden selbst dann befürwortet, wenn Holland nicht zustimmt?
Im Auswärtigen Ausschuß und im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages sind die Position der Bundesregierung und die Position des Bündnisses zu diesen Fragen ausführlich dargestellt worden. Außerdem hat der Bundeskanzler die Gelegenheit wahrgenommen, in dieser Woche vor der SPD-Fraktion - ich hoffe, Sie haben in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, die umfangreiche Pressemitteilung darüber zu lesen - noch einmal sehr präzise zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Ich sehe keinen Anlaß, dem heute irgend etwas hinzuzufügen.
({0})
Einen Augenblick, Herr Staatsminister! Es ist natürlich auch nicht voll befriedigend, wenn Sie auf eine Darstellung hinweisen, die der Regierungschef gegenüber einer Fraktion gegeben hat. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, das zu ergänzen, bevor ich Herrn Abgeordneten Voigt ({0}) das Wort zu einer Zusatzfrage gebe.
Herr Präsident, ich würde mich nicht darauf berufen, wenn das, was dort gesagt worden ist, nicht in allen Zeitungen gestanden hätte.
({0})
Herr Abgeordneter Voigt ({0}).
Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, daß eine Nachrüstung der NATO dann lebensgefährlich wäre, wenn - was nicht Absicht der Bundesregierung ist - ihr Ergebnis darauf hinauslaufen würde, ein militärisches Übergewicht der NATO zu erreichen
({0})
und nicht ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau zu stabilisieren?
Alle Fortschritte auf dem Gebiet der Sicherheit, der Rüstungskontrollpolitik und der Abrüstung hängen davon ab, daß man sich darum bemüht, ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau als bisher zu erreichen. Im übrigen habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Entscheidungen der NATO mit einem sehr
ernstgemeinten Angebot des Bündnisses verbunden sind, über diese Fragen zu verhandeln, um auf diese Art und Weise zu erreichen, daß ein Gleichgewicht auf niedrigem Niveau hergestellt werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatsminister, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie die Auffassung teilen, daß die Ausführungen des Bundeskanzlers, die Sie zitiert haben, überhaupt nur notwendig geworden sind, weil die Sowjetunion jenes Ungleichgewicht durch eine beispiellose Überrüstung überhaupt erst geschaffen hat, das nunmehr durch die Anstrengungen des Nordatlantischen Bündnisses wieder einigermaßen ausgeglichen werden soll?
Ich habe klar und eindeutig gesagt - ich darf das noch einmal wiederholen -: Es gibt im Mittelstreckenbereich in der Tat ein Ungleichgewicht. Die Entscheidungen des Bündnisses und die Haltung der Bundesregierung sind darauf abgestellt, das Ungleichgewicht in dieser Frage zu beseitigen. Aber ich sage hier in aller Deutlichkeit, daß zwei Entscheidungen zu fällen sind, nämlich auf der einen Seite in bezug auf die Produktion und die Stationierung und auf der anderen Seite hinsichtlich ernst zu nehmender Angebote an den Warschauer Pakt, über diese Fragen Verhandlungen zu führen. Im übrigen haben wir mindestens drei, vielleicht sogar vier Jahre Zeit; denn vorher würden sich solche Entscheidungen überhaupt nicht auswirken.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, hat der Herr Bundeskanzler in den von Ihnen herangezogenen Erklärungen nicht ganz eindeutig gefordert, daß die Sowjetunion sofort ihre Überlegenheit, ihre Stationierung und ihre Produktion der Mittelstreckenraketen beenden und das Ungleichgewicht, das auf vielen Ebenen entstanden ist, auf diesem Gebiet nicht noch weiter verstärken solle?
({0})
Ich möchte zuerst einmal darauf hinweisen, daß der Bundeskanzler in dieser Woche in dieser Frage ein deutliches Wort an die Sowjetunion gerichtet hat und dabei auch die Frage der Einstellung oder der Ankündigung der Einstellung der Produktion von SS 20-Raketen angesprochen hat. Im übrigen möchte ich aber auch daran erinnern, daß die Bundesregierung selbstverständlich darauf hingewiesen hat, daß in den Vorschlägen von Generalsekretär Breschnew, die am 6. Oktober in Berlin gemacht worden sind, auf anderen Gebieten konkrete Angebote gemacht worden sind, die sich in der richtigen Richtung bewegen, um das Ziel zu erreichen, das wir - wie ich hoffe, gemeinsam - anstreben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, ist aus einer Ihrer Antworten nicht zu schließen, daß das Ungleichgewicht auf dem Feld der Mittelstreckenraketen mindestens drei bis vier Jahre andauern wird?
({0})
Ich habe gesagt, in diesem Bereich gibt es ein Ungleichgewicht, und die Entscheidungen, die in beiden Bereichen zu fällen sind, sind darauf abgestellt, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schlei.
Herr Staatsminister, zielten die Fragen nicht mehr auf einen Dissens zwischen den Führungskräften der SPD in der Bundestagsfraktion und der Regierung als auf eine Faktendiskussion über militärtechnische und militärpolitische Fragen ab,
({0})
und darf ich Sie deshalb bitten, dem Kollegen Engelsberger zu empfehlen, bei seinen Fraktionskollegen -
Frau Abgeordnete Schlei, diese Frage kann ich nicht zulassen. Ich gebe Ihnen gern die Chance, die Frage anders zu formulieren und sie nicht auf eine Person zu beziehen, damit keine Wertung ausgesprochen werden muß.
Darf sich Sie, Herr Staatsminister, fragen, ob Sie die Gemeinsamkeit in der Einstellung der Führungskräfte der SPD, die im Leitlinienantrag zum Parteitag zum Ausdruck kommt und die zur Abstimmung kommen wird, so wie sie vorliegt, den fragenden Kollegen durch Vorlage dieses Papiers zur Kenntnis zu bringen bereit sind, um den Kern der Frage damit zu beantworten.
Frau Abgeordnete Schlei, es tut mir furchtbar leid: Diese Frage kann ich nicht zulassen. Die Bundesregierung ist nicht dazu da, ein Urteil über eine Parteirichtlinie abzugeben. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, darauf hinzuweisen: In einer Parteiveranstaltung - ganz gleich, welcher Art - wird dieses oder jenes behandelt. Lesen Sie das bitte nach. Dies wird nicht dem Stil dieses Hauses gerecht.
({0}) Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich komme zur Frage 107 des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Sind für dieses oder das kommende Jahr weitere „Kanzlerfeste" nach Art des „Eulenspiegel-Festes" vom 6. Oktober 1979 geplant, etwa ein „Rattenfänger-Fest'', ein „Rumpelstilzchen-Fest" oder ein „Rotkäppchen-Fest"?
Verehrter Herr Präsident, ich brauche für die Beantwortung dieser schwierigen Frage etwas mehr Zeit, als das sonst bei mir üblich ist.
Verehrter Herr Kollege, der Anlaß für Ihre Frage ist offensichtlich der am 6. Oktober 1979 vom Bundeskanzler und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin gemeinsam veranstaltete Festabend unter dem Motto „Philharmonische Eulenspiegelei" unter Beteiligung der Berliner Philharmoniker mit Herbert von Karajan und anderen Künstlern.
Ich bin ein wenig überrascht, daß Sie zu beanstanden scheinen, daß der Bundeskanzler mit einem Fest, das den erklärten Sinn hat, die kulturelle Leistungsfähigkeit Berlins augenfällig zu unterstreichen, in diese Stadt geht. Ich entnehme daraus, daß ein Bundeskanzler, wenn er von der CSU gestellt würde, das nicht vorhat.
({0})
Ihre Frage ist ja von der Pressestelle der CSU-Landesgruppe offiziell verbreitet worden.
({1})
Das kann ich nur bedauern. Eine solche Behandlung hat Berlin nicht verdient.
({2})
Die dem Bund durch das Fest entstandenen Kosten waren im übrigen für diesen Zweck im vorhinein vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags genehmigt.
Der Bundeskanzler beabsichtigt, auch 1980 zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin eine festliche Veranstaltung abzuhalten, die den Rang und die Qualität des Berliner Angebots gerade auch auf kulturellem Gebiet unterstreichen soll. Im Interesse Berlins würde ich es begrüßen, wenn sich dazu ebenso viele und noch mehr prominente Politiker auch der Opposition einfinden würden, wie das bei dem nach allgemeinem Bekunden hervorragend gelungenen Fest dieses Jahres der Fall war. Ich finde, meine sehr verehrten Damen und Herren, Berlin hat das verdient.
({3})
Ich danke Ihnen im übrigen, sehr verehrter Herr Kollege Niegel, für den großen geistigen Aufwand, den sie betrieben haben, um sich an einer Themenwahl für ein nächstes Fest zu beteiligen. Zu Ihren Themenvorschlägen nehme ich im einzelnen wie folgt Stellung. Sie fragen, ob für dieses oder das kommende Jahr ein weiteres Kanzlerfest - etwa unter dem Motto „Rattenfänger-Fest" - geplant sei. Dazu kann ich Ihnen mitteilen, daß ein „RattenfängerFest" dem Kanzlerkandidaten der Union vorbehalten bleibt.
({4})
14726 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 187. Sitzung. Bonn. Freitag. den 16. November 1979
Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Niegel ist zugelassen worden. Darin ist die Frage gestellt, ob der Herr Bundeskanzler ein „Rattenfänger-Fest" veranstalten wolle. Der Herr Staatsminister ist der Meinung: Das soll ein anderer machen. Das liegt auf der gleichen Linie.
({0})
Allerdings - erlauben Sie den kleinen Exkurs - erinnert mich die Ambition des Kandidaten etwas an die bekannte Geschichte von Hans Dampf. In der 1846 in Gotha erschienenen Dichtung heißt es über die Hauptperson:
Das Entree bezahlt das Mütterchen fein, und nun fährt der Schlingel über den Rhein.
Indes, des Sängers Höflichkeit verschweigt, daß just in diesen Tagen der bayerische Ministerpräsident beantragt hat, die Mittel für repräsentative Verpflichtungen mittels Nachtragshaushalt von vorgesehenen 925 000 DM auf 1 685 000 DM zu erhöhen.
({0})
Das ist eine Steigerung von mehr als 80%.
({1})
Ein Vergleich in absoluten Zahlen: Der Repräsentationstitel des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland mit dessen nicht eben wenig zahlreichen Verpflichtungen beträgt für das Jahr 1979 - einschließlich Ausgaben für das Fest in Berlin -465 000 DM.
({2})
Zu Ihrem Themenvorschlag „Rotkäppchen" verweise ich im selben Zusammenhang wie vorhin auf Matthäus 7 Vers 15:
Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
({3})
Zu „Rumpelstilzchen" habe ich wie folgt Stellung zu nehmen. Rumpelstilzchen war ein armes, bedauernswertes Wesen, das sich am Ende aus Ärger über das Scheitern seiner Absichten selbst zerrissen hat.
({4})
Möge dieses beklagenswerte Los Ihnen, Herr Fragesteller, und allen anderen in diesem Hohen Hause, die solche Fragen stellen, erspart bleiben.
({5})
Im übrigen beabsichtigt der Bundeskanzler - was auf eine Idee Ihres Fraktionskollegen, des früheren Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger, zurückgeht -, im Juni 1980 wieder ein Sommerfest im Park des Palais Schaumburg zu geben. Dieses Fest soll unter dem Motto „Eine Bonner Wa({6})lpurgisnacht" stehen und versuchen, durch parodistische Assoziationen zu Goethes Walpurgisnacht sowohl eine Hexentanz- und Blocksbergatmosphäre zu schaffen als auch den kommenden Wahlkampf zu persiflieren und ihm so eine allzugroße Härte zu nehmen.
Themenfeste blickten schon zu Goethes Zeiten auf eine alte Tradition zurück. Diese Tradition schlief Anfang dieses Jahrhunderts ein. Der Bundeskanzler hat diese Sitte durch die Sommerfeste „Hat die Welt Töne" im Jahre 1977, „Heiteres Philosophikum" im Jahre 1978 und „Keine Angst vor großen Tieren'' in diesem Sommer wiederaufleben lassen. Diese Art zu feiern, ist inzwischen auf breite Zustimmung gestoßen.
Der Bundeskanzler hat Ihre offensichtliche Verstimmung, verehrter Herr Kollege Niegel, mit Erstaunen aufgenommen. Um Ihre Erregung zu mildern, wird er Sie deshalb bitten, persönlich an dem nächsten Sommerfest teilzunehmen. Wie Sie sicherlich in der einen oder der anderen Pressenotiz gelesen haben werden, will der Kanzler neben Ihnen, Herr Kollege Niegel, alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu diesem Fest einladen. Das ist ein Versuch, die Bundeshauptstadt u. a. etwas menschlicher und freundlicher darzustellen. Sie sollten nicht versuchen, mit uns und dem Hohen Hause auf dem Blocksberg Schlitten zu fahren.
Zum Schluß will ich Ihnen noch eine Zusatzfrage beantworten, die Sie sicher gleich stellen werden:
({7})
Die Kosten für das Fest werden selbstverständlich dem Haushaltsausschuß des Hohen Hauses zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt werden. Erhöhungen von 80 % wie in Bayern sind nicht beabsichtigt.
Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Frage.
({8})
- Herr Kollege Wehner, wenn wir ein anderes Datum hätten, wäre, so würde ich sagen, diese Logik zwingend. Da sie aber dieses bestimmte Datum schon überschritten hat, muß ich zum Ernst der Situation zurückkehren, den ich keinesfalls übertreiben möchte. Ich will nur feststellen: die Frage ist kurzgefaßt; damit sind die Richtlinien der Fragestunde erfüllt. Die Antwort, Herr Staatsminister, erfüllt nicht die Richtlinien für die Fragestunde.
({0})
Die Fragen müssen kurzgefaßt sein und eine kurze Beantwortung ermöglichen. Sie waren anscheinend
({0})
- einen Moment! - der Meinung, daß diese Frage so tiefschürfende philosophische und andere Überlegungen erforderlich machte. Ich weiß nicht, wie groß der Apparat war, der sich daransetzen mußte, um alle Zitate herauszubringen. Deshalb, so würde ich sagen, sollte das, was die Länge der Beantwortung angeht, eine Ausnahme bleiben.
({1})
Wir kommen nun zu den Zusatzfragen, wie vermutet, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatsminister, ist daran gedacht, bei dem „Hexenfest", das der Bundeskanzler im Wahljahr stattfinden läßt, auch das Volk entsprechend einzuladen, und wer soll dann dieses Volk als sogenanntes Jubelvolk oder als Jubelperser darstellen?
({0})
Eine Einladung ist ja hier bereits offiziell an Sie ergangen. Ich hoffe, daß Sie sich in dieser Aufgabe hervorragend bewähren werden.
({0})
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, ich muß leider diese Frage so stellen, weil ich direkt betroffen bin. Sie erwähnten - das muß ich vorneweg ergänzen - die Pressemitteilung über meine Frage. Dazu darf ich folgendes fragen. Es ist genau eine von mir herausgebene Erklärung, die lediglich über die Pressestelle der CSU verbreitet worden ist. Sie können auf Grund der Verbreitung durch die CSU-Pressestelle niemals auf Kanzlerkandidaten oder andere Persönlichkeiten der Christlich-Sozialen Union schließen.
({0})
Verzeihung, Herr Kollege, ich lese, wie das bei mir hier draufsteht, „CSU-Pressemitteilung". Dies ist eindeutig, und mehr habe ich nicht behauptet. Ich hoffe, daß Sie das nicht erregt. Ihre Partei hat das offiziell verbreitet. Deshalb habe ich mir erlaubt, in dieser Weise Stellung zu nehmen. Ich hoffe, daß Sie ein gewisses Verständnis dafür haben, daß auch meine Antwort der Presse heute übergeben wird.
({0})
Weitere Zusatzfragen? - Herr Abgeordneter Löffler.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß es am besten wäre, wenn der Herr Bundeskanzler demnächst ein „Rumpelstilzchen-Fest" durchführte und den Fragesteller als Ehrengast einlüde?
Ein solches Fest ist ja nicht beabsichtigt, und ich habe auch gesagt, warum ein „Rumpelstilzchen-Fest" nicht beabsichtigt ist. Aber der Kollege Niegel ist selbstverständlich zu jedem Fest für die Zukunft eingeladen, weil wir wissen, daß es ein Problem ist, das ihn in ganz besonderem Maße beschäftigt.
Darf ich eine allgemeine Bemerkung machen. Der heitere Teil dieser Fragestunde hat eigentlich die Quote bereits erreicht.
({0})
Ich würde also bitten, sich auf die vielen, vielen anderen Fragen zu konzentrieren, die heute noch beantwortet werden sollen.
Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, warum haben Sie gerade bei dem Kanzlerfest nicht nur das, was der Herr Bundestagspräsident eben ausgeführt hat, sondern eine gestern bekanntgegebene Weisung des Bundeskanzlers an seine Minister, präzis und knapp zu antworten, durchbrochen? Warum gilt diese Weisung ausgerechnet für das Bundeskanzleramt nicht?
Weil ich, wie ich ganz ehrlich sage, eine ganze Weile über diese wichtige Frage nachgedacht habe und zu der Auffassung gekommen bin, daß Rattenfänger und Rumpelstilzchen und Rotkäppchen - Begriffe aus der deutschen Märchenwelt - nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden können
({0})
und daß von meiner Präzision, die es sonst bei der Beantwortung von Fragen immer gibt, ausnahmsweise einmal - auch im Interesse und im Respekt vor dem Fragesteller-abgewichen werden mußte.
({1})
Einen Augenblick! - Es gibt noch zwei Zusatzfragen: Abgeordneter Jäger ({0}) und Abgeordneter Spitzmüller. Dann schließe ich die Behandlung dieser Frage ab.
Herr Abgeordneter Jäger ({1}).
Herr Staatsminister, ich wollte Sie in diesem Zusammenhang nur noch fragen, ob der Bundeskanzler das vom Kollegen Niegel erfragte Rotkäppchen-Fest wohl deswegen ablehnt, weil es bereits beim bevorstehenden SPDBundesparteitag in Berlin stattfindet.
({0})
Also, ich kann zwar nicht als Mitglied der Bundesregierung diese Frage beantworten, aber als Mitglied des Parteivorstands der SPD. Natürlich gibt es da immer ein Fest, und da
wird anständig gefeiert. Da wird Herr Niegel allerdings nicht eingeladen.
({0})
Herr Staatsminister Wischnewski, Sie kosten mich heute zwei Tabletten Optalidon; das kann ich Ihnen sagen!
({0})
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Staatsminister, muß man aus der Tatsache, daß sich der Kollege Niegel nach drei weiteren Kanzlerfesten erkundigt, nicht schließen, daß er annimmt, daß der Bundeskanzler 1980, 1981, 1982 und 1983 derselbe sein wird?
({0})
Ja. Dies, Herr Kollege Spitzmüller, ist mir gleich aufgefallen. Deswegen habe ich mich ja auch für die großen geistigen Ansprüche bedankt. Es reicht eigentlich bis zum Jahr 1984. Denn für dieses Jahr und das nächste Jahr ist der Titel ja schon festgelegt. Also mit Ihren drei Vorschlägen kommen wir bis 1984 gut aus. Wir bedanken uns sehr herzlich dafür.
Keine weiteren Zusatzfragen, die zugelassen würden.
({0}) - Dem möchte ich nicht widersprechen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Reimers, die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Voigt ({1}), die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch ({2}) und die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch ({3}) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Satz aus dem Kommuniqué nach dem Besuch des Bundesaußenministers in Rumänien, „daß humanitäre Probleme auf der Grundlage ihrer in bilateralen und multilateralen Dokumenten bekräftigten Absichten weiterhin wohlwollend behandelt werden sollen'' angesichts des Rückgangs der Ausreise der Deutschen im Vergleich zum Vorjahr?
Herr Kollege Hupka, die Bundesregierung sieht in dem von Ihnen zitierten Satz die Bestätigung, daß auch Rumänien weiterhin beabsichtigt, den humanitären Anliegen, insbesondere den Ausreiseanträgen von Deutschen Rechnung zu tragen.
Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatsminister, wenn in dem Protokoll „weiterhin wohlwollend" steht, wie erklären Sie dann, daß die Zahl derer, die die Erlaubnis zur Ausreise erhalten, rückläufig ist, und zwar um 25 % im Vergleich zum Vorjahr und um 20 % im Vergleich zur sogenannten Richtzahl, die in dem Kommuniqué zwischen Ceausescu und dem Bundeskanzler enthalten ist?
Herr Kollege Hupka, die Zahlen sind in den letzten Monaten nicht mehr rückläufig. Wir hatten in den letzten drei Monaten monatlich über 1000 Personen, die auf diesem Wege in die Bundesrepublik gekommen sind. Wir hoffen, daß diese positive Tendenz fortgesetzt wird.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, ich habe die ersten zehn Monate dieses Jahres mit den ersten zehn Monaten des vorigen Jahres verglichen. Nun ist die Frage, wie es kommt, daß weiterhin Antragsteller in Rumänien kein Formular erhalten und, wenn sie den Antrag gestellt haben, zurückgestuft werden und weitere sehr schlimme Nachteile in Kauf nehmen müssen, wenn das Ganze „weiterhin wohlwollend" betrieben werden soll.
Herr Kollege Hupka, wir haben zu diesem Problem ja wiederholt von dieser Stelle aus Rede und Antwort gestanden. Die Bemühungen der Bundesregierung, auch die von Ihnen angeschnittenen Probleme zu bewältigen, werden fortgesetzt. Ich hatte auf Ihre Frage hinsichtlich der Tendenz zu antworten. Die Tendenz ist in den letzten Monaten positiv.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie ist der gegenwärtige Stand der Gespräche und Verhandlungen mit der Volksrepublik Polen aber die Möglichkeit für die Kriegsgräberfürsorge, sich um die Pflege der Soldatengräber und Soldatenfriedhöfe im Bereich der Volksrepublik Polen zu kümmern?
Herr Kollege Hupka, ich möchte zunächst auf den Inhalt der Antwort der Bundesregierung in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Mai dieses Jahres auf Ihre Frage vom 16. und 17. Mai verweisen.
Seit dieser Zeit sind leider keine weiteren Fortschritte in der Frage der Kriegsgräberfürsorge in Polen zu verzeichnen gewesen, obwohl das Problem erneut in den deutsch-polnischen Konsultationen am 24./25. Mai dieses Jahres in Warschau von Herrn van Well angesprochen wurde. Herr van Well hat dem damaligen polnischen Gesprächspartner, Vizeaußenminister Czyrek, abermals die Bitte der Bundesregierung vorgetragen, daß es im Zuge des fortschreitenden Normalisierungsprozesses zwischen den beiden Ländern möglich sein sollte, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Gelegenheit zu Kontaktgesprächen mit den zuständigen polnischen Stellen zu vermitteln. Bedauerlicherweise ist hierauf bisher nicht reagiert worden.
Das Problem der deutschen Kriegsgräber in Polen wird auch anläßlich des bevorstehenden Besuchs des polnischen Außenministers in der Bundesrepublik wiederum in die Liste der von unserer Seite anzusprechenden bilateralen Themen aufgenommen werden.
Die Bundesregierung hofft, daß ihre dauernden Bemühungen um die Lösung dieser wichtigen humanitären Frage erfolgreich sein werden.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, wie erklärt sich die Bundesregierung, daß es bezüglich der Pflege von 400000 deutschen Kriegsgräbern in Polen keinerlei Anzeichen dafür gibt, daß die polnische Regierung bereit ist, der deutschen Kriegsgräberfürsorge die Erlaubnis zu erteilen, sich um diese Gräber zu kümmern?
Herr Kollege, die Antwort darauf muß wohl lauten, daß der Normalisierungsprozeß auch in Polen selbst noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Die Frage ist offenbar für die polnische Bevölkerung und die polnische Regierung noch ein großes Problem.
Weitere Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß von diesen 400 000 Soldatengräbern inzwischen schon viele planiert worden sind und daß es nicht gerade zur Normalisierung des deutsch-polnischen Verhältnisses beiträgt, wenn sich die polnische Seite in dieser Weise gegenüber Soldatengräbern benimmt?
Herr Kollege, ich habe auf eine etwa gleichlautende Frage von Ihnen hier schon einmal geantwortet.
Wir sehen das natürlich mit Schmerzen. Aber wir sehen auch die Probleme, die auf der anderen Seite offenbar bestehen, sich diesem Anliegen der deutschen Seite entsprechend zu öffnen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatsminister, ist es nicht eigentlich eine schwerwiegende Kränkung für das polnische Volk, wenn Sie in Ihrer Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Hupka vorhin eine unmenschliche Haltung der polnischen Regierung dem polnischen Volk und den angeblich bei diesem Volk bestehenden Vorbehalten gegen eine Kriegsgräberfürsorge in die Schuhe schieben möchten?
({0})
Herr Kollege, ich habe nicht von Vorbehalten gesprochen, sondern ich habe davon gesprochen, daß es in der Volksrepublik Polen offenbar doch noch auf erhebliche innere Probleme stößt. Wir bemühen uns weiter. Ich würde bitten, daß auch Sie uns bei diesen Bemühungen entsprechend unterstützen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Wollen Sie, Herr Staatsminister, mit der Bezugnahme auf die Normalisierung unterstreichen, daß es bei dieser Normalisierung erhebliche Schwierigkeiten gibt?
Nein, Herr Kollege Czaja. Ich wollte unterstreichen, daß die Normalisierung ein Prozeß ist, der von beiden Seiten her unterstützt werden muß, und daß hinsichtlich dieses sehr sensiblen Problems offensichtlich das Stadium nicht erreicht worden ist, in dem Entscheidungen getroffen werden könnten, wie wir sie uns wünschen und auf die wir auch drängen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker ({0}).
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß diese Frage auch nicht schneller gelöst werden kann, wenn man mit Unterstellungen und Wertungen operiert?
Herr Kollege, deswegen hatte ich vorhin gesagt, ich bitte um eine Unterstützung in dieser Frage und nicht um die Störung dessen, was wir versuchen, schrittweise voranzutreiben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Fordert die Bundesregierung von der Volksrepublik Polen ({0}), daß für die in den Oder-Neiße-Gebieten lebenden deutschen Staatsangehörigen die Gesetzgebung und Verwaltungspraxis in bezug auf Behinderungen und Diskriminierungen wegen nationaler, sprachlicher und politischer Anschauungen in Einklang mit den Rechten des IPBPR gebracht werden, "sei es durch inhaltliche Anpassung, sei es durch Aufhebung entgegenstehender oder den Erlaß neuer Gesetze oder daß eine dem Pakt gemäße Auslegung und Anwendung dieser Gesetze im Einzelfall" sichergestellt werden muß, damit diese Deutschen „auch tatsächlich in den Genuß der garantierten Rechte kommen könnten"?
({1})
Herr Kollege, die Bundesregierung ist im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel bemüht, die Interessen der in der Volksrepublik Polen lebenden Deutschen zu fördern.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, bedeutet das, dal die Bundesregierung bemüht ist, die Gesetzgebung und Verwaltungspraxis, sei es durch inhaltliche Anpassung, sei es durch Aufhebung entgegenstehender oder den Erlaß neuer Gesetze, in die Richtung der Anwendung des Menschenrechtspaktes zu bringen, der gewährleisten soll und will, daß eine Diskriminierung aus Gründen nationaler Herkunft unterbleibt?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bemüht, jeden Weg zu gehen, der dazu beitragen kann, die Interessen der in der Volksrepublik Polen Lebenden zu fördern.
eine weitere Zusatzfrage.
Bedeutet das, daß die Bundesregierung gegenüber der Volksrepublik Polen das gleiche will, was sie in der Drucksache 8/3188 ausgeführt hat, nämlich daß sie versuchen will, zu erreichen, daß der einzelne Vertragsstaat seine Gesetzgebung im Einklang mit dem Rechten des Menschenrechtspaktes hält, sei es durch Anpassung, sei es durch Aufhebung entgegenstehender oder den Erlaß neuer Gesetze? Gilt das auch für die deutschen Staatsangehörigen unter polnischer Verwaltung?
Herr Kollege, ich verweise auf eine Vielzahl von Antworten, die wir Ihnen zu diesen Fragen in der Vergangenheit gegeben haben, und auf die Antwort, die ich hier soeben gegeben habe.
({0})
- Aber dick, Herr Kollege - wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf - als Papier, denn ich habe darauf schon vielfach geantwortet.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voigt ({0}).
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß sie alles vermeiden muß, was in Polen den Eindruck erwecken könnte, als würden wir versuchen, auf die Gesetzgebung oder die Verordnung dort in der Weise einzuwirken, als hätten wir in diesem Gebiet irgendeine Art staatlicher Hoheitsgewalt?
Herr Kollege, das ist sicherlich richtig, aber uns geht es darum, den einzelnen Menschen zu helfen. Wir haben das in der Vergangenheit - nicht nur statistisch, sondern auch spürbar - mehr als jede der CDU/CSU-geführten Bundesregierungen vor 1969 getan.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatsminister, können Sie mir in diesem Zusammenhang darüber Auskunft geben, ob der polnische Staatenbericht nach Art. 40 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, in dem über die Verwirklichung dieser Rechte berichtet werden soll, im Menschenrechtsausschuß bereits abgegeben ist und gegebenenfalls wann die Debatte darüber im Menschenrechtsausschuß stattfindet?
Herr Kollege, die Antwort lautet nein. Ich kann darüber im Augenblick keine Auskunft geben, weil mir der Sachverhalt nicht bekannt ist.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 116 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Argentinien auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie?
Herr Präsident, darf ich die Fragen 116 und 117 im Zusammenhang beantworten?
Dann rufe ich noch die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Ist die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereit, Lieferungen von kerntechnischen Anlagen der deutschen Industrie nach Argentinien zu unterstützen?
Die Zusammenarbeit mit Argentinien vollzieht sich auf der Grundlage und unter Beachtung der von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen internationalen Verpflichtungen und Absprachen im Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie und Nichtverbreitung. Argentinien hat sich verpflichtet, diese Zusammenarbeit den Kontrollen der IAEO zu unterstellen.
Im Lichte dieser Erfahrungen wird die Bundesregierung die mit der Lieferung kerntechnischer Anlagen der deutschen Industrie nach Argentinien verbundenen Fragen prüfen und mit Argentinien erörtern. Die Bundesregierung wird sich hierbei auch von dem Ziel leiten lassen, Argentinien in ein wirksames und umfassendes Nichtverbreitungsregime einzubeziehen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, könnten Sie mir mitteilen - das muß nicht heute sein; das kann schriftlich erfolgen -, welche Kooperationsverträge bisher im einzelnen abgeschlossen worden sind?
Entschuldigung, Herr Kollege, ich habe Ihre Frage akustisch nicht verstanden.
Könnten Sie mir mitteilen, welche Kooperationsverträge auch über den von Ihnen angesprochenen Bereich der kerntechnischen Entwicklung hinaus im Bereich von Forschung und Wissenschaft mit Argentinien abgeschlossen worden sind?
Herr Kollege, ich kann das hier nicht aus dem Kopf aufzählen, aber ich bin gerne bereit, Ihnen dazu auf schriftlichem Wege Auskunft zu geben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, ich glaube, daß Sie die zweite Frage nicht in diesem Zusammenhang beantwortet haben, denn Sie haben lediglich auf die politischen Implikationen, also auf die
Nichtverbreitungsproblematik usw., hingewiesen. Hier geht es um die Lieferung einer kerntechnischen Anlage, d. h. konkret gesagt: eines Kernkraftwerks. Meine Frage war: Wird die Bundesregierung eine solche Lieferung im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen?
Selbstverständlich ja.
Eine dritte Zusatzfrage.
Darf man fragen, was bisher in diesem Zusammenhang konkret geschehen ist?
Herr Kollege, ich kann hier nicht im einzelnen darüber Auskunft geben, wie und an welcher Stelle die Bundesregierung, die ja in vielfacher Weise bei dem Export von Kernanlagen mit berührt ist, ihre Unterstützung gegeben hat. Aber Ihre grundsätzliche Frage, so wie sie hier gestellt worden ist, beantworte ich mit Ja.
Letzte Zusatzfrage, bitte.
Ist von irgendeiner Seite an die Bundesregierung herangetreten und auf politische Schwierigkeiten hingewiesen worden, die zu erwarten seien, wenn es zum Vertragsabschluß in diesem konkreten Punkt käme?
Wenn Sie die Frage so gemeint haben, Herr Kollege, ob es politische Schwierigkeiten in der Exportfrage gegeben hat, so möchte ich darauf antworten, daß die Bundesregierung bei dem Export von Nuklearanlagen - also eines Kernkraftwerks in diesem Falle - selbstverständlich mit großer Sorgfalt die relevanten Sicherheitsfragen betrachtet und überall dort, wo sie auf solche Probleme hingewiesen wird, auch entsprechend Auskunft gibt. Aber Störungen hat es nicht gegeben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Die Fragen 61, 62 und 63 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Herr Staatssekretär, die Fragen 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch, 65 und 66 des Herrn Abgeordneten Löffler, 69 und 70 des Herrn Abgeordneten Erhard ({0}), 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele, 72 und 73 des Herrn Abgeordneten von der Heydt Freiherr von Massenbach und 74 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe demgemäß die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Stommel auf:
Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag von Bundesminister Offergeld - unter Berücksichtigung der allgemeinen Forderung nach Steuerentlastung und Steuervereinfachung - eine .internationale Entwicklungssteuer zugunsten der Dritten Welt" in Erwägung zu ziehen, und wenn ja, mit welcher Begründung?
Herr Kollege, Bundesminister Offergeld hat den in der Frage unterstellten Vorschlag in dieser Form nicht gemacht. Die Bundesregierung teilt die von ihm in Basel vorgetragene Analyse, daß eine weitere Steigerung der öffentlichen Entwicklungshilfe politisch nur durchsetzbar ist, wenn die Weltwirtschaft und damit auch die Geberländer befriedigende wirtschaftliche Fortschritte erzielen. Die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten nach der Ölkrise haben die Entwicklungsländer wie die Industrieländer gleichermaßen hart getroffen. Wenn gleichwohl die Entwicklungshilfeleistungen in der Bundesrepublik Deutschland gesteigert worden sind und auch in Zukunft gesteigert werden sollen, so läßt dies die Bedeutung erkennen, die die Bundesregierung diesem Bereich beimißt. Einen Anlaß, eine Entwicklungsabgabe einzuführen, sieht die Bundesregierung nicht.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es bereits konkrete Entwürfe bei der Bundesregierung, die über die Vorschläge der Nord-Süd-Kommission hinausgehen?
Mir sind solche konkreten Vorschläge nicht bekannt. Aber gehen Sie bitte davon aus, daß sie mir bekannt sein müßten, wenn es sie gäbe.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung in dieser Frage bereits Kontakte mit Regierungen anderer Industrieländer aufgenommen, und wie ist der Stand der Erörterungen?
Herr Kollege, wenn Sie Ihre Frage noch einmal lesen, werden Sie sehen, daß Sie sich auf einen Vorschlag von Minister Offergeld beziehen. Zu diesem Vorschlag habe ich in der Weise Stellung genommen, wie Sie das eben gehört haben.
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Stommel auf:
Ist sich die Bundesregierung im klaren, daß durch die Einführung einer Entwicklungsteuer eine weitere Bürokratie zu dem ohnehin schon überbürokratisierten Entwicklungshilfebereich notwendig würde?
Haehser, Parl. Staatssekretär, Herr Kollege Stommel, da die Bundesregierung nicht beabsichtigt, eine Entwicklungsteuer einzuführen, sieht sie keinen Anlaß, darüber zu philosophieren, welche möglichen Wirkungen eine solche Steuer hätte.
({0})
Eine Zusatzfrage, bitte.
Das heißt konkret also auch, daß die Bundesregierung keinerlei Überlegungen angestellt hat bezüglich der Bemessungsgrund14732
lage, von wem und zu wessen Lasten die Steuer erhoben werden soll?
So ist es.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Würtz auf, die ich bedauerlicherweise übersprungen hatte:
Welche Kosten sind der Bundesrepublik Deutschland durch die PrAgung der Fünf-DM-Gedenkmünze ..Otto Hahn" bisher entstanden?
Herr Kollege Würtz, Kosten für die Beschaffung des benötigten Silbers und Kupfers sind dem Bund deshalb nicht entstanden, weil diese Metalle im Zusammenhang mit dem Umtausch der alten Fünf-DM-Umlaufmünzen aus Silber in die neuen Dreischichtenwerkstoff-Münzen zur Verfügung standen.
Die Herstellungskosten beliefen sich auf insgesamt 2,9 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie bei Ausgabe dieser Münze trotz der Kosten einen Münzgewinn erzielen werden, und wie hoch wäre dieser?
Herr Kollege Peter Würtz, wenn wir die Münze ausgäben, würde ein Münzgewinn in der Höhe von etwa 22 Millionen DM entstehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie dann weiter fragen, Herr Staatssekretär - diese Frage stelle ich vor allem auch im Interesse der vielen langjährigen Münzsammler in der Bundesrepublik Deutschland -: Wann werden Sie diese Münze ausgeben?
Ich betrachte Ihre Frage, Herr Kollege Würtz, als Anregung. Ich werde die Anregung zur Debatte stellen, wenn wir darüber entscheiden.
Es ist so, daß in unserem Ministerium wegen des Anstiegs der Silberpreise zur Zeit geprüft wird, ob in Zukunft weiterhin Gedenkmünzen aus Silber hergestellt werden können. Im Hinblick auf diese Prüfung ist die für den 24. Oktober 1979 vorgesehene Ausgabe der Fünf-DM-Gedenkmünze „Otto Hahn" einstweilen zurückgestellt worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Baack, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß der Münzgewinn von 22,9 Millionen DM höher liegt als der, der bei den vorhergehenden Münzen angefallen ist?
Herr Kollege, ich habe von 22 Millionen DM gesprochen. Ich weiß nicht, woher die zusätzlichen 0,9 Millionen DM kommen.
Ich kann Ihnen zur Zeit nicht sagen, wie hoch der Münzgewinn bei früheren Ausgaben gewesen ist. Sie wissen, daß das von der Auflage und vom Werkstoff abhängt. Im konkreten Fall beträgt der Münzgewinn etwa 22 Millionen DM, da Silber für die Münze „Otto Hahn" nicht erworben werden mußte; denn es stand auf Grund des Umtauschs mit der Dreischichtenwerkstoff-Münze zur Verfügung.
Eine weiter Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Carstens.
Herr Staatssekretär, wann ist die Entscheidung gefallen, diese Münze zu prägen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen das mitzuteilen. Die Entscheidung fällt in der Regel viele Monate vor dem beabsichtigten Ausgabedatum.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Finanzen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz ({0}) auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu dem vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V. angekündigten bundesweiten Stromzahlungsboykott ein?
Die Bundesregierung mißbilligt die Aufforderung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz zu einem bundesweiten Stromzahlungsboykott. Sie ist der Auffassung, daß die Verweigerung der vollständigen Bezahlung von Stromrechnungen als Mittel zur Durchsetzung politischer Forderungen von Bürgerinitiativen nicht Rechtens ist.
Keine Zusatzfrage?
Nein, die Antwort ist voll befriedigend.
Das ist ein Kompliment.
Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Bindig auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Bevor ich die nächste Frage aufrufe, gebe ich, vor allem zur Unterrichtung des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs, bekannt: Die Fragen 78 und 79 des Abgeordneten Lintner, 81 und 82 des Abgeordneten Windelen, 83 und 84 des Abgeordneten Haase ({0}) sowie 85 des Abgeordneten Carstens ({1}) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Präsident Stücklen
Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Halt die Bundesregierung die angekündigten Preiserhöhungen bei Erdgas bis zu 25 v. H. durch die Gasversorgungsunternehmen für gerechtfertigt, und wenn nicht, was gedenkt sie dagegen zu tun?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, daß einige Ferngasgesellschaften öffentlich angekündigt haben, ihre Abgabepreise in zwei Schüben, d. h. im Oktober 1979 und im April 1980, um 20 bis 25 % zu erhöhen. Das führt zunächst zu einer entsprechenden Erhöhung der Einstandspreise von weiterverteilenden Gasgesellschaften sowie von industriellen Endabnehmern und von Kraftwerken, soweit sie direkt bei Ferngasgesellschaften Erdgas beziehen.
Diese Erhöhungswelle trifft den privaten Endverbraucher von Gas über entsprechende Tariferhöhungen, die in der Regel auch auf die sogenannten Sonderverträge der Heizgaskunden durchschlagen. In welchem Umfang dies geschieht, wird insbesondere davon abhängen, wie hoch der Anteil der sogenannten Verteilungskosten ist. Dieser Anteil schwankt sehr stark; grob geschätzt dürfte er bei 50 % liegen.
Sollte sich zeigen, daß örtliche Gasversorgungsunternehmen die Situation durch übermäßige Preiserhöhungen auszunutzen versuchen, werden die Kartellbehörden zu prüfen haben, ob ein Mißbrauch im Sinne des Kartellrechts vorliegt. Bisher haben wir dafür keine Anhaltspunkte. Die Erfahrungen von 1975, als sich der Olschock von 1974 in den Erdgasbereich fortsetzte, zeigen übrigens, daß kartellrechtliche Prüfungen auch damals keinen Anlaß zum Einschreiten gegeben haben.
Bevor ich die Fragestunde wegen Zeitablaufs - für heute waren nur 60 Minuten vorgesehen - abschließe, darf ich noch mitteilen, daß die Fragen 86 des Abgeordneten Carstens ({0}), 87 und 88 des Abgeordneten Glos, 89 und 90 des Abgeordneten Schmitz ({1}), 91 und 92 des Abgeordneten Bahner, 93 und 94 des Abgeordneten Dr. Rose und 95 des Abgeordneten Dr. Stavenhagen zurückgezogen worden sind.
Die Fragen, die wegen Zeitablaufs nicht mehr aufgerufen werden können, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich schließe die Fragestunde.
Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 24 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Feuerschutzsteuergesetzes ({2})
- Drucksache 8/2172 - Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({3})
- Drucksache 8/3364 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Weber ({4})
({5})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glos.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Feuerschutzsteuergesetz, das wir heute endlich abschließend beraten können, hat eine lange - nach unserer Auffassung eine viel zu lange - Vorgeschichte. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf am 7. Juli 1978, also vor 16 Monaten, beschlossen. Die Bundesregierung hat die Frist für ihre Stellungnahme voll ausgeschöpft und den Gesetzentwurf diesem Hause erst am 9. Oktober 1978 vorgelegt. Nach der ersten Lesung am 9. November 1978 waren im Finanzausschuß immerhin sechs Sitzungen notwendig, um diesen Entwurf zu verabschieden, obwohl alle Seiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine zügige Beratung versprochen hatten. Wir wissen ja, daß man andere Gesetzentwürfe viel schneller „durchpaukt".
Begleitet waren diese Beratungen im Finanzausschuß von einer Reihe von Presseerklärungen der SPD und selbstverständlich auch ihres Partners, der FDP, in denen immer wieder betont worden ist, wie unnötig doch ein neues Feuerschutzsteuergesetz des Bundes sei
({0})
und um wieviel besser es wäre, diese Feuerschutzsteuer überhaupt abzuschaffen und die Feuerwehren ganz aus Haushaltsmitteln zu finanzieren. Dabei hat man natürlich nicht Haushaltsmittel des Bundes, sondern Haushaltsmittel der Länder und der Gemeinden gemeint. Der Heilige St. Florian ist ja der Schutzpatron der Feuerwehren, und man spricht bei so etwas immer vom Prinzip des Heiligen St. Florian nach dem Motto: „Verschon mein Haus, zünd' andere an!" Deswegen auch die Forderung: Weg mit den Kosten vom Bund und hin zu den Ländern und Gemeinden.
({1})
Diese ablehnende Haltung Ihrer Fraktionen schlug sich dann im Finanzausschuß in einer Verschleppungstaktik nieder, die ganz im Gegensatz zu der Hektik steht, mit der manche Gesetzentwürfe durch die Ausschüsse „gepaukt" werden.
({2})
Ich finde es deshalb auch sehr scheinheilig, meine Damen und Herren von der Koalition, wenn nunmehr zum Abschluß der Beratungen in Presseerklärungen zum Ausdruck gebracht wird - das wird sicher auch hier wieder gesagt werden -, wie wohlwollend doch SPD und FDP den deutschen Feuerwehren gegenüberstünden. Hoffentlich wird hier nicht der untaugliche Versuch gemacht, der CDU und CSU und vor allen Dingen den Ländervertretern die Schuld dafür zuzuschieben, daß die Beratungen im Finanzausschuß so lange gedauert haben.
({3})
Die Länder haben sich schon im Februar 1979 über die Verteilung des Aufkommens geeinigt. Sie, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, haben Haare in der Suppe gesucht. Wenn man Haare in der Suppe sucht - dazu noch mit der Lupe -, dann findet man sie.
({4})
- Aber ich habe mich im Gegensatz zu Ihnen immer informiert. Die endlich gefundene Lösung, die jetzt als eine große staatsmännische und sicher auch verfassungsrechtlich bedeutende Leistung hingestellt wird, ist fadenscheinig und wird von den Feuerwehren nicht abgenommen. Sie werden mit Recht fragen, wer es zu verantworten hatte, daß sie erst ein Jahr später in den Genuß dieser Mittel kommen; sie haben sich nämlich Hoffnungen gemacht, schneller bedient zu werden.
Die Stimmenthaltungen in Ihren Reihen bei der Abstimmung im Finanzausschuß und die Ankündigung im Ausschußbericht, man werde sich im Zusammenhang mit den Bagatellsteuern erneut mit der Feuerschutzsteuer befassen, haben noch einmal deutlich gemacht, was Sie in Wirklichkeit wollen: die Abschaffung der Feuerschutzsteuer. Sie haben durch dieses Verhalten deutlich gemacht, wie Sie die Arbeit der Feuerwehren, die Arbeit der vielen Idealisten bei uns draußen im Lande wirklich beurteilen. Wir werden uns diesen Bestrebungen auch in Zukunft energisch widersetzen. Wir werden dafür sorgen, daß die deutschen Feuerwehren zu ihrem Recht kommen.
({5})
Wenn wir nun das Feuerschutzsteuergesetz trotz der angesprochenen Bremsmanöver hier heute endlich verabschieden können, so begrüßen meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion das ganz besonders, weil wir damit unser Versprechen einhalten können, das ich hier in erster Lesung für unsere Fraktion abgegeben habe. Wir haben versprochen, dieses Gesetz durchzubringen und damit für die berechtigten Belange der Feuerwehren einzutreten.
({6})
Die vielen freiwilligen Helfer der Feuerwehren, deren Einsatz- und Opferbereitschaft jährlich Tausende von Mitbürgern, ihr Leben und der Schutz ihres Hab und Gutes anvertraut sind und der sie diesen Schutz auch verdanken, haben dies verdient. Nicht nur die Feuerwehren, sondern auch der Bürger, für den sie arbeiten, für den sie sich einsetzen, hätten es überhaupt nicht verstanden, wenn durch die Abschaffung der Feuerschutzsteuer den Feuerwehren Geldmittel entzogen worden wären. Diese Gelder, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sind ja nicht dazu da, Feuerwehrfeste abzuhalten, wie es immer wieder irgendwo unterschwellig anklingt, sondern sie sind dazu da, die Feuerwehren mit hochwertigen und modernen technischen Geräten auszustatten. Diese sind dringend erforderlich.
Wir sollten uns einmal vor Augen halten, was Jahr für Jahr an Unglücksfällen durch Feuer geschieht und was es an noch viel Schlimmerem zu
verhindern gilt. Daher bitte ich Sie, mich hier dazu ein paar Zahlen vortragen zu lassen.
Die Gesamtzahl der Brände im Jahre 1978 betrug 114000. Die Gesamtzahl der Einsätze, zu denen unsere Feuerwehrmänner ausrücken mußten - einschließlich der böswilligen Alarme, die nicht zu verhindern sind -, betrug 500000. Hinzu kamen die Notfall- und Krankentransporte durch die Feuerwehren; das waren 1,8 Millionen. Wir haben in unserer Bevölkerung jährlich leider 1000 Brandtote zu beklagen. 14 Feuerwehrleute mußten bei diesen Einsätzen ihr Leben lassen. Ich darf hier noch die Zahl der Unglücksfälle anführen: Im letzten Jahr gab es 5 000 verletzte Feuerwehrmänner.
Wenn wir wollen, daß dieser wichtige Dienst auch in Zukunft geleistet wird, von Frauen und Männern, die ihre Freizeit dafür opfern, dann müssen wir diesen bestes technisches Gerät an die Hand geben. Dazu benötigt man natürlich Geld, und hierfür haben wir das Aufkommen aus der Feuerschutzsteuer gedacht.
Die Wiedereinbeziehung des Feueranteils bei der verbundenen Hausrat- und Gebäudeversicherung in die Feuerschutzsteuer und die Schaffung gleicher Steuersätze für freiwillige Versicherungen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Versicherungsunternehmen - der Steuersatz sollte hier allerdings nicht 6 %, wie vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen, sondern nur 5 % betragen - werden zusätzlich ein Mehraufkommen von ca. 40 Millionen DM jährlich erbringen. Dieses Mehraufkommen wird ebenso wie die bisherigen Mittel - im Jahre 1978 waren es 177 Millionen DM - voll unseren Feuerwehren zugute kommen.
Die Aufkommensverteilung, die für eine Übergangszeit, bis Ende 1983, dem bisherigen Verteilungsschlüssel entspricht, ist zufriedenstellend geregelt und wird auch von der Versicherungswirtschaft so praktiziert werden können.
Auch das Anliegen der ländlichen Brandunterstützungsvereine in Bayern, das zwar im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden hat, ist so berücksichtigt worden, daß die Möglichkeit zu Erleichterungen zumindest nicht verbaut ist. Dafür sind wir in Bayern besonders dankbar.
Ich möchte die heutige abschließende Beratung des Gesetzes zum Anlaß nehmen, den Feuerwehren und den ehrenamtlichen Helfern aller Altersgruppen, insbesondere der jungen Generation, nochmals dafür zu danken, daß sie sich in einem so starken Maße für die Allgemeinheit engagieren und daß sie dabei oft Freizeit und Bequemlichkeit opfern.
({7})
Durch das Beispiel der Feuerwehrjugend - ich freue mich besonders darüber, daß sich so viele Jugendliche in der Feuerwehr engagieren - wird deutlich gemacht, daß unsere Jugend sich nicht nur als Konsument dieses Wohlfahrtstaates betrachtet, sondern daß sie da ist, wenn sie gebraucht wird, aktiven Dienst für diesen Staat zu leisten.
({8})
Die Feuerwehren sollen wissen, daß sie sich auch in Zukunft auf unsere Hilfe und auf unsere Unterstützung verlassen können. Ich bitte Sie deswegen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weber ({0}).
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie das Feuerschutzsteuergesetz wollen. Wir sind deshalb auch in der Vergangenheit allen Verleumdungen entgegengetreten, auch denen der Opposition,
({0})
die den Sozialdemokraten den Schwarzen Peter dafür zuschieben wollten, daß dieses Gesetz ein Jahr lang im Finanzausschuß beraten worden ist. Sie, Herr Glos, waren in keiner einzigen Sitzung des Finanzausschusses dabei.
({1})
- Sie haben überhaupt keine Ahnung von der verfassungsrechtlichen Problematik, die in diesem Gesetz steckt.
({2})
Herr Abgeordneter Weber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glos?
Aber natürlich.
Verehrter Herr Kollege Weber, ist Ihnen bekannt, daß ich nicht Mitglied dieses Finanzausschusses bin, von dem Sie sprechen, und daß mir insofern die Teilnahme nicht möglich war, und darf ich Ihnen gleichzeitig mitteilen, daß ich mich über die Feuerwehr immer in der Praxis informiere, daß ich das Leistungsabzeichen erworben habe, die Feuerwehr also nicht nur vom grünen Tisch her kenne?
({0})
Es ist sicher leichter, die Leiter hinaufzuklettern, als ein verfassungsrechtlich abgesichertes Gesetz zu machen. - Bitte.
Herr Kollege Weber, können Sie mir bestätigen, daß es ein unglaublicher Vorgang ist, wenn ein Kollege, der sich zugegebenermaßen über die Problematik und über den Fortgang der Beratungen des Gesetzes überhaupt nicht erkundigt hat, hier eine Rede hält, ohne auch nur einen seiner Kollegen aus dem Finanzausschuß zu fragen, was Sache ist?
({0})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Dr. Weber! - Das ist eine typische Frage, die wir nach den Richtlinien als Dreiecksfrage ansehen und die eine Bewertung beinhaltet. Gehen Sie deshalb bei der Beantwortung bitte elegant darum herum!
Meine Damen und Herren, Herr Kollege von der Heydt, der im Finanzausschuß für Ihre Fraktion dieses Gesetz verantwortlich mitberaten hat und der heute nicht da ist
({0})
- der heute nicht da ist ({1})
und der deswegen mit mir vorher darüber gesprochen hat, hat gesagt, er bedaure selbst, daß infolge seiner Abwesenheit die verfassungsrechtlichen Zündstoffe, die in diesem Gesetz, das uns der Bundesrat beschert hat, liegen, wahrscheinlich von seiten der CDU-Fraktion nicht genügend zum Ausdruck gebracht werden könnten. Er hat mir gegenüber diese Erklärung am Mittwochmittag abgegeben
({2}) und hat gesagt,
({3})
er würde es sehr begrüßen, wenn diese Argumente hier einmal - er selbst hatte ein Interesse daran, und ich sage Ihnen gleich, warum dies so war - von ihm sachkundig vorgetragen werden könnten. Dieses Gesetz hätte z. B. schon in der vorletzten Sitzung des Finanzausschusses verabschiedet werden können, es ist aber auf Wunsch der CDU - nachzulesen im Protokoll - nochmals um eine Woche vertagt worden,
({4})
weil noch eine verfassungsrechtliche Frage hinsichtlich der sogenannten Brandschutzkassen zu klären war.
({5})
Herr Abgeordneter Weber, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage?
Ich lasse keine Frage mehr zu.
({0})
Wenn Sie es geprüft und die Protokolle darüber gelesen hätten, warum dieses Gesetz diese lange Zeit im Finanzausschuß beraten worden ist, dann wüßten Sie, daß uns der Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der in dieser Form nach allgemeiner Meinung im Finanzausschuß nicht annehmbar war, weil er nach aller Wahrscheinlichkeit nicht die Hürde des Bundesverfassungsgerichts ge14736
Dr. Weber ({1})
nommen hätte, weil nach aller Wahrscheinlichkeit das Grundgesetz verletzt worden wäre und weil die Opposition zwar anfangs gesagt hat, das seien Vorwände, danach aber aktiv an der Bewältigung dieser verfassungsrechtlichen Fragen mitgearbeitet hat. Deswegen lassen wir uns, wenn wir ein verfassungssicheres Gesetz machen, von Ihnen wegen der Länge der damit verbundenen Beratungen nicht den Schwarzen Peter zuschieben.
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Wir hätten den freiwilligen Feuerwehren einen Bärendienst erwiesen, wenn wir ihnen ein Gesetz gegeben hatten, dem der Stempel der Verfassungswidrigkeit auf der Stirn gestanden hätte. Die Opposition hätte dann wahrscheinlich wieder mit Häme ihre Strichliste fortgeführt, daß ein weiteres Gesetz für verfassungswidrig erklärt worden wäre. Wenn das Gesetz heute verabschiedet werden kann, dann ist es sicherlich eine Leistung des Finanzausschusses, diese Probleme - ich werde es noch im einzelnen anführen - gelöst zu haben.
Manche fragen, warum die Feuerschutzsteuer überhaupt sein müsse. Sie brauchen heute nur die Presse zu lesen, in der diese Frage manchmal schon gestellt wird. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, daß mit der Feuerschutzsteuer die Aufwendungen für den Brandschutz mitfinanziert werden sollen. Das gilt ebenso für die Vorhaltungskosten für qualifiziertes Personal und die technischen Mittel, damit entscheidende Maßnahmen zur Eindämmung der Brandgefahr durchgeführt werden können. Wir haben uns auch davon leiten lassen - dies sage ich in aller Deutlichkeit -, daß es die Fürsorge für das Leben und die Gesundheit der hauptberuflichen und freiwilligen Feuerwehrleute erfordert, sie zur Ausübung ihrer gefahrvollen Tätigkeit ausreichend und mit modernsten technischen Mitteln auszustatten.
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Ich habe das bereits auch in der ersten Lesung gesagt.
Das Gegenteil wird nicht dadurch wahrer, Herr Glos, daß man es ständig wiederholt und darauf hinweist, daß man einen engen Kontakt mit der Feuerwehr habe. Natürlich habe ich diesen Kontakt auch gehabt, als ich jünger war, und auch ich bin die Leiter hinaufgeklettert.
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Heute beschränkt sich mein Kontakt darauf, dafür zu sorgen, daß dieses Gesetz möglichst gut wird und ich mit Freude den Feuerwehrball besuchen kann.
Ich möchte an dieser Stelle allen Altersgruppen in der Feuerwehr und insbesondere den Frauen der Feuerwehrangehörigen danken, die manchmal wegen des Dienstes dieser Feuerwehrleute auf ihre Familie, auf gemeinsame Freizeit verzichten müssen.
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Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes - auch das war ein verfassungsrechtliches Argument - sind die Aufwendungen der Länder für das Feuerlöschwesen im Jahre 1975 nur zu rund
44 % aus der Feuerschutzsteuer finanziert worden. Rechnet man das Mehraufkommen aus der vorgesehenen Anhebung des Steuersatzes von 4 auf 5 % und die übrigen Verbesserungen hinzu - hochgerechnet auf das Jahr 1978 insgesamt rund 40 Millionen DM-, wird sich der Finanzierungsanteil aus der Feuerschutzsteuer für das Jahr durchschnittlich um 54 % erhöhen. Selbst unter Berücksichtigung dieses Mehraufkommens werden die Länderausgaben für das Feuerlöschwesen also immer noch zu rund 46 % aus allgemeinen Deckungsmitteln und damit von der Allgemeinheit der Steuerzahler mitfinanziert werden müssen.
Es kann daher, wie es angeführt worden ist, von einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitsgrundsatzes ernsthaft nicht gesprochen werden. Vielmehr entspricht die Heranziehung von Feuerversicherungsprämien zur Mitfinanzierung des Brandschutzes wegen des offenkundigen Interesses gerade der feuerversicherten Bürger an der Erhaltung einer schlagkräftigen Brandschutzorganisation eindeutig dem Verfassungsgrundsatz einer gerechten Lastenverteilung. Dies gilt um so mehr, weil das Interesse des einzelnen am Brandschutz sehr zuverlässig an der jeweiligen Höhe seiner gefahrgestaffelten Feuerversicherungsprämie ablesbar ist und weil diese Gestaltung eine Heranziehung anderer Bürger, die vermögensmäßig kein gleich hohes Interesse am Brandschutz haben, zur Finanzierung des Brandschutzes über allgemeine Haushaltsmittel vermeidet.
Diejenigen Bürger, die wertvolles und besonders brandgefährdetes Eigentum besitzen, haben den größten Vorteil, so meinen wir, von einer wirksamen und gut ausgerüsteten Feuerwehr. Es ist deshalb auch unter Berücksichtigung verfassungsmäßiger Grundsätze durchaus gerechtfertigt, diese Bürger steuerlich mittelbar über die Feuerschutzsteuer in Anspruch zu nehmen.
Wir haben uns, meine Damen und Herren, nicht der Argumentation der Steuergewerkschaft angeschlossen, daß die Feuerschutzsteuer zu beseitigen sei, weil sie eine Ministeuer sei und zu einem verwaltungsmäßigen Aufwand führe. Das trifft beides nicht zu, weil sie zweckgebunden einem Sicherheitsbedürfnis dient und weil sie verwaltungsmäßig sehr einfach zu handhaben ist. Das Gesetz sieht auch nur eine mäßige Erhöhung vor; denn fast die Hälfte der Mehreinnahmen entfällt auf einen Ausgleich der Steuermindereinnahmen, die dadurch entstanden sind, daß die Versicherungsunternehmen seit dem 1. Januar 1974 keine Feuerschutzsteuer für die verbundenen Hausratsversicherungen und die verbundenen Gebäudeversicherungen entrichten. Es wird mithin insoweit nur die Wiederherstellung des früheren Zustands und folglich keine Steuererhöhung verfolgt.
Daher, so meinen wir, ist die Bitte an die Versicherungen auch nicht unberechtigt, aus diesem Grunde nicht zu einer Tariferhöhung zu kommen; denn auch die Befreiung der verbundenen Feuerversicherung von der Feuerschutzsteuer im Jahre 1974 hat ja nicht zu einer Tarifermäßigung geführt. Der andere Teil der Erhöhung entfällt auf die um 1 % auf 5% erDeutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode Dr. Weber ({6})
höhte Gebäudeversicherung, wobei wir dem Anliegen einer mäßigen Erhöhung Rechnung getragen haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte dazu sagen, weshalb im Finanzausschuß eine solch lange Beratung notwendig war. Wir haben am 15. November 1978, am 7. Februar 1979, am 30. Mai 1979, am 10. Oktober 1979 sowie am 7. und 14. November 1979 jeweils über mehrere Stunden hinweg beraten. Diese Beratungszeit war notwendig, weil der Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der völlig unzulänglich war und der im Laufe der Beratungen gravierende verfassungsrechtliche Bedenken offenbarte.
Diese verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten liegen im folgenden. Die Feuerschutzsteuer ist eine reine Ländersteuer. Demgemäß stand in der Vergangenheit die Verteilung der Steuereinnahmen allein den Ländern zu, die diese Verteilung durch eine Übereinkunft untereinander geregelt haben. Da die Feuerschutzsteuer nach dem Willen der Länder nunmehr bundesgesetzlich geregelt werden sollte, mußte die Steuer zerlegt werden. Eine Zerlegung hätte nach dem Tatbestand erfolgen müssen, an den die Feuerschutzsteuer anknüpft, also nach der Belegenheit des versicherten Objekts. Der Gesetzentwurf des Bundesrates selbst enthielt über die Zerlegung keine Vorstellungen. Wiederholte Bitten und Anfragen des Finanzausschusses an die Landesvertretungen - Herr Glos, hören Sie bitte zu: auch an die von Bayern - erbrachten keine brauchbaren, auf die Bedürfnisse der einzelnen Länder abgestimmten und verfassungsrechtlich abgesicherten Vorschläge. Auch die Versicherungsverbände waren nach ihrer Darstellung nicht in der Lage, exakte für die Zerlegung geeignete Zahlen zu liefern.
Dies hätte dazu geführt, daß die Feuerschutzsteuer nach der Belegenheit des versicherten Objektes hätte zerlegt werden müssen mit der Folge, daß manche Länder, insbesondere Flächenstaaten, in denen keine großen Versicherungsgesellschaften mit ihren Direktionen angesiedelt sind, gegenüber der bisherigen Aufteilung der Feuerschutzsteuer schlechter gestellt wären.
Eine andere Zerlegung hätte demgemäß unter Beachtung von Art. 107 Abs. 1 des Grundgesetzes erfolgen müssen, weil nunmehr die Steuer selbst durch Bundesgesetz geregelt wird. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion konnte und wollte aber den Ländern nicht vorschreiben, welchen Anteil an der Feuerschutzsteuer jedes einzelne Land erhalten sollte. Um den Feuerwehren zu helfen und um dieser Unfähigkeit der Länder in diesem Punkt zu begegnen, haben wir deshalb - das war das Verdienst meines sozialdemokratischen Kollegen Huonker - eine Formel gefunden, nach der es bis zum 31. Dezember 1983 bei der bisherigen, von den Ländern abgesprochenen Regelung hinsichtlich der Zerlegung verbleibt. Die Länder haben in der Zwischenzeit Gelegenheit, sich auf denselben oder einen anderen Verteilungsschlüssel zu einigen.
Meine Damen und Herren, durch die Neuregelung fließen den Ländern ab 1. Januar 1980, berechnet auf der Grundlage des Jahres 1978, Mehreinnahmen von 40 Millionen DM zu. Damit wird dem Feuerwehrdienst als einem vorbildlichen demokratischen Selbsthilfedienst der Bürger nachhaltig bei der Bewältigung seiner Aufgaben durch eine bessere und gezieltere Ausstattung geholfen. Das verdanken die freiwilligen Feuerwehren einer konsequenten Haltung der sozialdemokratischen Mitglieder des Finanzausschusses.
Bei der ersten Lesung habe ich gesagt, wir werden den Feuerwehren das notwendige Wasser geben. Jetzt, bei der Verabschiedung dieses Gesetzes in der dritten Lesung, kann ich sagen: Wasser frei!
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Herr Abgeordneter Weber, Sie haben hier behauptet - und das bestreite ich auch gar nicht -, daß Sie die Leiter hochgestiegen sind. Zwar sind Zweifel daran aufgekommen, ob das nicht zum Fensterln geschah, aber wenn sie das Wasser freigeben, dann: Wasser marsch!
({0})
Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Funcke. Meine Damen und Herren, das Haus weiß, daß Frau Abgeordnete Funcke in den nächsten Tagen eine neue politische Aufgabe übernimmt. Frau Funcke hält es aus diesem Grunde für zweckmäßig, aus dem Bundestag auszuscheiden, obwohl das keine verfassungsrechtlich zwingende Notwendigkeit ist.
({1})
Ich möchte an dieser Stelle der Frau Abgeordneten Funcke für ihre Arbeit als Vorsitzende des Finanzausschusses im Namen des ganzen Hauses meinen herzlichen Dank sagen.
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Herr Präsident, herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren!
Ein ungemein wichtiger Tag ist heuer, man gebiert die Bundesfeuerschutzsteuer. Der Steuerzahler wird jubilieren: dies wird die Gesetzeszahl reduzieren. Denn an Stelle von elf Ländergesetzen, die die Einheitlichkeit des Lebens verletzen, tritt nun ein uniformes Gebot, und alle Ländergesetze sind tot, damit an der Eider, am Inn und der Saar zur Abwendung jeglicher Feuergefahr die Steuer sich haargenau gleich bemißt, um zu löschen, was immer zu löschen ist.
Zwar wird die Arbeit nicht weniger sein. Man bringt viel neue Verordnungen ein. Papier wird zentnerweise verschrieben. Und was die Länder bisher betrieben, wird künftighin bundesseits überwacht, daß ja niemand eine Ausnahme macht.
Wo Bayern ihre Stadel per Umlag bewahren, um die Feuerschutzsteuer einzusparen, wird künftig präzis das Recht vertreten und uneingeschränkt zur Kasse gebeten.
Und auch die schwäbische Mannespflicht, zu zahlen, wo man bis 50 nicht der heimischen Feuerwehr angehört, wird sie zum geschichtlichen Müll gekehrt?
Auf jeden Fall wird im Haushaltsplan - mit einer Stelle fängt das an - alsbald eine ganze Abteilung steh'n von Beamten, die nach der Steuer sehn.
Wir gedenken der Männer und Frauen in Ehren, die Tag und Nacht mit ihren Wehren bei Feuer in Bereitschaft steh'n und nicht nach Gefahr und Uhrzeit sehn, um Leben und Gut vor den Flammen zu schützen. Sie müssen das beste Gerät besitzen.
Den Nutzen haben Land und Stadt, wenn man eine tüchtige Feuerwehr hat. Drum sollten auch s i e aus ihren Steuern der Feuerwehr Spritzen und Wagen erneuern.
Des Gesetzes Entstehung brauchte ein Jahr, weil manches darin zu verändern war. Wir mußten erwiesenen Verfassungsbedenken hinlänglich genug Beachtung schenken.
Was nun geschaffen nach etlicher Frist, erkennbar ein Provisorium ist Doch sollte die Feuerwehr nicht entgelten, wenn Bund und Länder einander schelten. Drum woll'n wir, wenn auch das Jawort nicht geben, der bereinigten Fassung nicht widerstreben. Sie ist uns zwar lieb nicht, doch jedenfalls teuer, die neue Bundesfeuerschutzsteuer.
So mag sie entstehen nach dem Wunsch der Erfinder für uns, unsere Kinder und Kindeskinder. Der Feuerwehrbürger wird fröhlich sein, möcht's auch drum der Steuerbürger sein. Wie immer es sein mag: durch Blitz, Sturm und Feuer, wie krieg'n sie, die Bundesfeuerschutzsteuer.
({0})
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich zwar nicht den Anlaß, aber die Gelegenheit nutze, mich von dem Hause zu verabschieden. Nach fast 18 Jahren, die ich diesem Hause angehört habe, darf ich sagen, daß ich sehr gern diese Arbeit getan habe, daß sie Freude gemacht hat. Das Haus ist bestimmt für Auseinandersetzung. Aber wir wissen - und die Öffentlichkeit sollte es auch wissen -, daß stärker als das lautstarke Gegeneinander das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist.
Ich danke sehr herzlich für die gute Kollegialität und Zusammenarbeit, die ich über alle wechselnden Koalitionen in diesem Hause erfahren habe.
({1})
Wir haben keine Wortmeldungen mehr vorliegen. Ich schließe daher die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in der zweiten Lesung. Ich rufe die §§ 1 bis 14, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit bei einer Anzahl von Enthaltungen in der zweiten Lesung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei der gleichen Zahl der Enthaltungen ist das Gesetz mit großer Mehrheit angenommen.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf der Drucksache 8/3364 unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich bemerke keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlosssen.
Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Sick, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Dr. Schulte ({0}), Dreyer, Dr. Marx, Dr. Köhler ({1}), Dr. von Geldern, Dr. Jobst, Tillmann, Feinendegen, Weber ({2}), Milz, Dr. Waffenschmidt, Frau Hoffmann ({3}), Lemmrich, Straßmeir, Ziegler, Hanz, Dr. Hüsch, Dr. Hoffacker, Röhner, Werner, Kittelmann, Dr. Hornhues, Dr. van Aerssen und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Tendenzen zum Protektionismus im internationalen Verkehr
- Drucksachen 8/3061, 8/3199Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der etwas heißen Debatte über die Feuerschutzsteuer haben wir es jetzt mit einem kühleren Element zu tun, mit dem Wasser. Wir haben uns mit dieser Problematik hier in diesem Haus wiederholt befaßt. Nach mehreren Anfragen der Opposition muß ich jetzt leider feststellen, daß wir in der Sache nicht weitergekommen sind, obwohl auf eine Anfrage der Opposition aus dem Jahr 1977 das Kabinett bereits beschlossen hatte, es solle im bilateralen Verkehr eine ausgewogene Beteiligung der Verkehrsunternehmen erreicht werden. Wenn ich die Antwort der Bundesregierung auf diese Große Anfrage betrachte, muß ich leider feststellen, daß die Verhältnisse sich nicht gebessert haben, ja daß sie sich teilweise sogar verschlechtert haben.
Ich will einige allgemeine Bemerkungen vorweg machen. Ich habe den Eindruck, daß die Bundesregierung die politischen Dimensionen, die über das Verkehrspolitische hinausgehen, nicht erkannt hat oder nicht erkennen will. Der Komplex, um den es sich hier handelt, ist nicht nur ein verkehrstechnischer. Wir erkennen hier auch die strategische Linie eines verkehrspolitischen Handelns, das in andere Bereiche hineingeht.
Das Kabinett hatte seinerzeit in seinem Beschluß festgestellt, daß die größten Schwierigkeiten von
der Sowjetunion und dem RGW-Verkehr aus dem Ostblock entständen. Das ist richtig. Das zeigt sich auch in der praktischen Entwicklung. Aber hier wird eine Dimension sichtbar, die auch ein Sicherheitsrisiko für unser Land erkennen läßt. Dies muß auch in die verkehrspolitischen Überlegungen einbezogen werden. Denn insbesondere der Ostblock betreibt seine gesamte Wirtschaft und seinen Verkehr nicht nur aus wirtschaftlichen Überlegungen, sondern aus Überlegungen ganz anderer Art. Das bedeutet, wir können als Bundesrepublik Deutschland dem nicht nur mit wirtschaftlichen Möglichkeiten begegnen. Wir können dem auch nicht beikommen, indem wir die Last der Auseinandersetzung allein den Verkehrsträgern überlassen - weder den Transporteuren noch den Verladern -.
Wenn wir - und ich glaube, über diese Auffassung besteht Einigkeit - einen marktwirtschaftlich betriebenen Teil bundesdeutschen Verkehrsvolumens erhalten wollen, dann müssen wir erkennen, daß die Abwehrstrategie des Westens sich nicht nur auf Marktwirtschaft oder Wirtschaft beziehen kann. Würden wir ein irgendeiner Weise aus dem Verkehr ausscheiden, dann wären wir dem Preis- und Konditionendiktat der anderen ausgeliefert. Das hieße, die Bundesrepublik Deutschland wäre abhängig und damit politisch erpreßbar. Es muß also in unserem Interesse liegen, diese gesamtpolitische Bedeutung des Problems herauszuarbeiten und entsprechend darauf einzugehen.
Ich will auf einige Punkte der Antwort der Bundesregierung eingehen. Wir alle haben in den letzten Jahren etwas gelernt. Wir haben uns daran gewöhnt, daß dieser UNCTAD-Kodex - das war vor ein paar Jahren noch ein schlimmes Wort - inzwischen als eine Möglichkeit erkannt wird, Freiheit und Ordnung einigermaßen aufrechtzuerhalten. Wir haben auch gelernt, daß wir die Dinge mit bilateralen Verhandlungen wohl nicht in den Griff bekommen werden. Wir haben etwas Sorge im Hinblick auf die USA. Darauf will ich noch kurz eingehen.
Ich will der Bundesregierung sagen, daß wir uns - so verlockend es auch zu sein scheint - vor einem hüten müssen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, hat die Bundesregierung eine Regelung mit Argentinien auf der Basis 45 : 45 : 10 herbeigeführt. Diese Zahlen hören sich gut an. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß wir den UNCTAD-Kodex nicht mit bilateralen Abmachungen unterlaufen dürfen, weil das im Ergebnis zu einem Superprotektionismus führte. Hier müssen wir sehr aufpassen; denn das ist nicht die richtige Linie der Entwicklung.
Die Bundesregierung gibt in ihrer Antwort der Meinung Ausdruck, der Anteil der deutschen Flotte am Linienverkehr sei befriedigend. Ich teile diese Auffassung nicht. Nach Zahlen, die ich vom Verband der Deutschen Reeder habe und die, glaube ich, auch Ihnen zur Verfügung stehen, hat sich die Entwicklung in der deutschen Linienschiffahrt wie folgt ergeben: Im Import waren es 1967 25,6 %, 1976 12,4 % beim Export 1967 29,5 % und 1976 21,5 %. Wenn wir den UNCTAD-Kodex mit dem Verhältnis
40 : 40 : 20 als Maßstab nehmen, müssen wir erkennen, daß wir von der Zahl 40 recht weit entfernt sind. Im übrigen hat sich eine Verschlechterung ergeben.
Die Bundesregierung behandelt dann die Frage Wirtschaftsfaktor Verkehr und erklärt, daß dieser Faktor anderen Faktoren nicht untergeordnet werden solle. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß dies in der Praxis aber doch geschieht. Ich will das hier aber nicht vertiefen. Ich rege, an die Adresse der Bundesregierung gerichtet, an, diesen Komplex bei der KSZE-Folgekonferenz in Madrid mit zu behandeln und zu versuchen, die Gewichtung der verschiedenen Faktoren ein bißchen klarer darzustellen. Da wäre Gelegenheit dazu.
Zu dem Fragenkomplex Verkehr mit den RGWStaaten bin ich der Meinung, daß die Bundesregierung einer klaren Antwort ausgewichen ist. Sie erklärt zwar, daß bestehende gesetzliche Möglichkeiten angewandt werden sollen, wenn erhebliche nachteilige Auswirkungen für die deutsche Verkehrswirtschaft drohten, aber sie sagt erneut leider nichts Konkretes. Sie sagt nicht, wann bedrohliche Auswirkungen eingetreten sind, und sie sagt nicht, wo die Angemessenheit im Zweifel bedroht ist.
Frage an die Bundesregierung: Hat man in diesem Zusammenhang überhaupt einmal Überlegungen angestellt, Richtzahlen aufzustellen - auch wieder im Hinblick auf den Kodex 40:40:20? Allerdings werden diese Zahlen sicher nicht erreicht werden können.
Angesichts des steigenden Drucks aus diesen Räumen müssen wir zu greifbaren, klaren Regelungen kommen, damit man weiß, woran man sich zu halten hat. Dies ist im Interesse eines weiteren friedlichen Ausbaus der Beziehungen nötig; denn nichts kann den Ausbau solcher Beziehungen mehr stören als das Fehlen verläßlicher Eckdaten. Es ist sicher nicht einfach - da sollten wir uns nichts vormachen -, wenn zwei so unterschiedliche Wirtschaftssysteme wie das der Sowjetunion und das der Bundesrepublik miteinander Beziehungen entwikkeln, das immer reibungslos zu gestalten. Aber es muß geschehen; denn die Beziehungen sind für beide Seiten nützlich. Sie dürfen nachher nicht von irgendeinem kleinlichen Hickhack in der Verkehrspolitik oder sonstwo gestört werden.
Meine Damen und Herren, angesichts der wie immer in diesen Debatten knappen Zeit kann ich auf Zahlenbelege nur kurz eingehen. Um deutlich zu machen, wie stark der Druck ist, von dem ich sprach, nur einige Zahlen: 1970 betrug z. B. die Tragfähigkeit der Linienschiffahrt der Sowjetunion 871 000 tdw und 1977 bereits knapp 3 Millionen tdw. Die Beförderungsmenge der Linienschiffahrt betrug 1970 gut 7 Millionen t, 1977 fast 14 Millionen t. Das heißt, das Beförderungsvolumen hat sich verdoppelt, die Kapazität aber wurde um das Dreieinhalbfache erhöht. Dabei habe ich die Frage der Container-Flotte und der Roll-on-roll-off-Flotte, für die die Zahlen sprunghaft wachsen, überhaupt noch nicht angeschnitten.
Das nächste, was uns Sorge macht und was uns allen Sorge machen sollte, ist die Entwicklung bei der transsibirischen Landbrücke, bei der zweiten
Transsib, die gebaut wird. Hier hatten wir 1976 noch eine Beförderungsleistung von 27 700 Containern à 20 t und 1978 von bereits 41 800 Containern mit einer zu erwartenden sprunghaften Steigerung.
Ich habe übrigens mit Interesse in der DVZ gelesen, daß der Kollege Hoffie auch diese Problematik erkannt hat und dem Herrn Bundesverkehrsminister einen Brief geschrieben hat, in dem er ihn darum bat, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
({0})
- Herr Kollege Hoffie.
Würden Sie in diesem Zusammenhang bitte auch gelegentlich einmal auf das Problem der Wimbledon Convention eingehen?
Herr Kollege Hoffie, ich denke, daß Sie mir nachher vielleicht noch eine Antwort gerade auf das Spezifikum Wimbledon geben, denn Sie haben natürlich nicht unrecht, daß daran erhebliche Interessen geknüpft sind, insbesondere auf Ihrer Seite.
Meine Damen und Herren, leider haben die deutsch-sowjetischen Expertengespräche über Seeschiffahrt in Hamburg, was die Transsib betrifft, nicht zu einem Erfolg geführt. Die Sowjetrussen sind ausgewichen und haben sich für nicht zuständig erklärt.
Ich möchte noch einmal den Herrn Bundesverkehrsminister bitten, auf diesem Gebiet doch möglichst bald völlig klare Ergebnisse herbeizuführen, denn wir müssen uns darüber klar sein, was hier auf dem Spiel steht, meine Damen und Herren. Wenn sich hier die Dinge so entwickeln, wie es aussieht, dann steht der Bestand der gesamten deutschen Ostasienfahrt auf dem Spiel. Davon, was auf uns im Binnenverkehr und im Transitverkehr zukommt, wenn die Container-Lawine von Wladiwostok über uns herüberrollt, machen wir uns gar keine Vorstellung. Dies alles ist vorauszusehen; hier braucht man nicht im Nebel herumzustochern. Dies kann man berechnen. Hierum bitte ich die Bundesregierung, denn ich bezweifle, daß die Möglichkeiten des Außenwirtschaftsgesetzes allein ausreichen werden, um dann zurechtzukommen.
Ich will auch konkret werden. Ich bin der Meinung, daß wir überlegen müssen, ob wir nicht an Instrumente wie beispielsweise Genehmigungspflicht, Ladungslenkung oder Niederlassungsbeschränkung werden herangehen müssen, wenn wir das behalten wollen, von dem ich vorhin sprach, nämlich einen bestimmten Anteil bundesdeutschen Verkehrsvolumens, über das wir verfügen können.
Es wird um so notwendiger, insbesondere auch die Sowjetunion möglichst umfassend mit in Konferenzen einzubinden; denn wie aggressiv sie werden kann, wenn ihr ein Markt interessant erscheint, sehen wir an der Fahrt von der Westküste Zentralamerikas nach Nordwest-Europa. Hier fuhren sowjetische Linien 1976 4 000 t, also praktisch null, 1978 aber schon 80 000 t.
Nun, meine Damen und Herren, gibt es natürlich nicht nur Probleme mit den Ostblockstaaten, sondern wir haben zum Teil auch Probleme im Verhältnis zu den Entwicklungsländern und auch mit den USA. Zu den Entwicklungsländern wird nachher mein Kollege Dr. Hüsch noch etwas sagen. Ich meine, hier sind höchste Aufmerksamkeit und eine sorgfältig beobachtende präventive Verkehrspolitik seitens der Bundesregierung geboten. Das bedeutet, daß man die Dinge möglichst im Vorfeld gestalten muß, damit nicht erst etwas passiert.
Ich sagte, daß auch im Verhältnis zu den USA nicht eitel Freude und Sonnenschein herrscht. Wir müssen angesichts der Anti-Trust-Mentalität der USA damit rechnen, daß sie sich nach wie vor weigern, Linienkonferenzen beizutreten; d. h., wir müssen hier im Ausnahmefall doch mit bilateralen Abmachungen versuchen, die Dinge zu verbessern, um aus den jetzt vorhandenen offenen Konferenzen auf lange Sicht vielleicht zu etwas zuverlässigeren Gesamtregelungen zu kommen.
Die Bundesregierung behandelt dann noch den EG-Bereich, insbesondere die Meldepflicht in den Fahrtgebieten Mittelamerika und Ostafrika. Die Bundesregierung meint, daß die Dinge hier einigermaßen in Ordnung seien. Diese Auffassung kann ich leider nicht teilen, denn es ist nach der Erfahrung so, daß die anderen Mitgliedsländer dieser Meldepflicht leider nicht in der Weise nachkommen, wie sie es eigentlich sollten und wie unsere Reeder es tun. Ich habe hier den Eindruck - ich will das ruhig einmal sagen -, als ob die Kommission auch nicht mit dem nötigen Nachdruck aufpaßt, daß die Dinge in Ordnung kommen. Hier meine Bitte an die Bundesregierung, ihrerseits auf die Kommission einzuwirken, damit alle Mitgliedsländer den Verpflichtungen nachkommen, die wir da eingegangen sind.
Sodann noch die Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach der 5. Welthandelskonferenz in Manila. Diese Antwort ist, insgesamt gesehen, enttäuschend. Soweit es Entwicklungsländer betrifft wird wohl auch dazu Herr Kollege Hüsch noch etwas sagen. Ich weiß nicht, ob ich mich täusche, aber ich habe den Eindruck gewonnen, als ob sich die Bundesregierung der Hatz auf die sogenannten Gefälligkeitsflaggen anschließen wolle. Ich kann davor nur warnen und größte Zurückhaltung empfehlen. Denn wir, die wir uns mit Verkehrspolitik befassen, wissen doch, daß im Grunde nicht die Gefälligkeitsflaggen das Problem sind, sondern die substandard ships. Die kutschieren unter allen möglichen Flaggen herum.
Im Grunde ist das Problem der Gefälligkeitsflaggen kein verkehrspolitisches, sondern ein wirtschaftspolitisches und ein sozialpolitisches Problem. Wir haben nun einmal die Tatsache, daß Kosten und Erträge gerade in der internationalen Schiffahrt auseinanderlaufen, und zwar einmal wegen Belastungen im nationalen Bereich, zum anderen wegen der Belastungen im internationalen Bereich plus Währungsgefälle usw., was sich da ergibt. Es ist ja eigentlich gar nicht verwunderlich, daß dann ein Unternehmer versucht, diese Dinge wieder ins Lot zu bringen. Das muß jeder, gleichgültig, ob er Reeder ist
oder Hemdenmacher oder sonstwas. Nun versuchen unsere Reeder, ihre Kosten dort entstehen zu lassen, wo auch die Erträge entstehen, nämlich im Ausland, im Dollarraum oder sonstwo.
Ich glaube, wir müßten uns mal - interdisziplinär - mit Kollegen aus der Sozialpolitik, aus der Wirtschaftspolitik zusammensetzen und versuchen, im eigenen Lande die Bedingungen ein bißchen zurechtzurücken, wenn wir nicht immer mehr in Verzug geraten wollen. Denn diese Hatz, von der ich sprach, die ja international vorhanden ist, wird aus ganz anderen Gründen, als sie vorgegeben werden, betrieben. Die Entwicklungsländer - ich will dies nur mal andeuten, Herr Kollege Hüsch -, die kostenmäßig natürlich einen erheblichen Vorsprung vor uns haben und noch lange Zeit haben werden, könnten darüber sehr wohl in die Schiffahrt der Industriestaaten eindringen - es ist relativ einfach - und sie verdrängen. Das hätte zur Folge, daß wir nicht nur die Kapazität, sondern dann ja auch noch Arbeitskräfte und Arbeitsplätze verlören.
Meine Damen und Herren, ich will hier nicht in epischer Breite auf alles eingehen. Dafür ist weder der Zeitpunkt richtig gewählt noch ist, glaube ich, das Auditorium darauf eingestimmt, hier lange fachliche Erörterungen zu hören. Ich will daher abschließend und zusammenfassend folgendes sagen. Die Antwort der Bundesregierung bringt leider keine Klärung, so wie wir sie erwartet hatten, vielmehr schiebt die Bundesregierung die Probleme mit mehr oder weniger gut klingenden Absichtserklärungen vor sich her. Die internationale Verkehrspolitik, insbesondere die der Sowjetunion, hat aber Dimensionen erreicht, die auch sicherheitspolitisch gewertet werden müssen.
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Im Interesse der Sicherung einer weiteren friedlichen Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen allen Ländern bedarf jetzt aus gesamtpolitischen Gründen diese Problematik der Kabinettsentscheidung, da sie im Verkehrsministerium alleine schon nicht mehr gelöst werden kann. Ich möchte den Herrn Bundesverkehrsminister bitten, darauf zu achten, daß irreparable Schäden nicht erst entstehen, und möchte schließen mit einem Appell an Sie, Herr Minister: Tun Sie etwas.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paterna.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sick, Sie haben mich etwas verwirrt.
({0})
- Warten Sie mal ab. - Ich wollte meine Rede eigentlich damit beginnen, daß ich der Opposition Anerkennung für die im Gegensatz zu vielen anderen Kleinen und Großen Anfragen sehr sachliche Grundhaltung in diesem Falle zolle.
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- Die Rede des Kollegen Sick. Da will ich erst mal ein paar Bilder an der Wand wieder etwas geraderücken.
Er sagte - ich fange einmal mit dem letzten an -, das sei nicht mehr allein Sache des Verkehrsministeriums, damit müsse sich das Gesamtkabinett beschäftigen. Dieser Aufforderung bedarf es überhaupt nicht; denn das Gesamtkabinett hat sich in der von Ihnen geforderten Weise bereits mehrfach damit beschäftigt. Wenn Sie die Debatten im Verkehrsausschuß aufmerksam verfolgt hätten, wüßten Sie das auch.
Gleiches gilt für Ihre Behauptung, die Bundesregierung habe die Probleme nicht erkannt oder nicht erkennen wollen. Eine solche Feststellung können Sie doch nur dann treffen, wenn Sie eine Anfrage stellen und Ihre Rede im gleichen Zeitpunkt formulieren, ohne die Antwort überhaupt abzuwarten. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ich werde Ihnen nachher einmal die wichtigsten Antworten auflisten. Dann werden Sie zu der Feststellung kommen, daß die Behauptung, hier gebe es kein Konzept, hier gebe es nicht genügend Beharrlichkeit, einfach falsch ist.
Sie haben dann weiter behauptet, die Bundesregierung sage nichts Konkretes. Aber ich bitte Sie, Herr Kollege Sick. Sie haben ja selbst erwähnt, daß Ihnen der Verband Deutscher Reeder genau dieselbe Mappe in die Hand gedrückt hat. Wenn Sie nun nicht nur die Kommentare des Verbandes Deutscher Reeder gelesen hätten, sondern beispielsweise auch das Protokoll der Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion vom 29. bis 31. Oktober dieses Jahres - das ist nämlich hinten abgedruckt -, wüßten Sie, daß nicht nur mit dem notwendigen Nachdruck verhandelt worden ist, sondern auch weiter verhandelt werden wird. Es sind nämlich bereits konkrete Verabredungen zur Fortsetzung dieser Verhandlungen getroffen worden. Sie wissen aus diesem Protokoll auch ganz genau - für den Fall, Sie haben es gelesen -, daß beispielsweise das Stichwort Transsibirische Eisenbahn dort auf der Tagesordnung steht.
Dann muß ich Ihnen auch einmal sagen - weil das schon in der Einleitung zu Ihrer Großen Anfrage eine Rolle spielt -: Sie beklagen, die Bundesregierung markiere nicht genau den Punkt, wo sie dieses oder jenes dann tun wolle. Aber ich bitte Siel Was für eine Vorstellung von Verhandlungstaktik und -geschick steckt denn dahinter, wenn ich der Gegenseite sozusagen auf dem offenen Markt einen solchen Katalog bereits frei Haus liefere und sage: und wenn du dieses nicht tust, werde ich jenes machen? Das würde doch jeden Verhandlungsspielraum einengen. Wer so verhandelt, würde mit Recht des Dilettantismus geziehen werden. Erwarten Sie solche Kindereien doch bitte nicht von der Bundesregierung.
Wenn Sie Zahlenbelege verlangen: Es gibt eine Menge Zahlen. Nur, mit Zahlen kann man auch eine Menge machen. Da muß man in der Auswertung ein bißchen vorsichtig sein.
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- Ja, schauen Sie sich doch einmal die Überschrift Ihrer Großen Anfrage an. Sie wollen Auskunft „zum Protektionismus im internationalen Verkehr". Worüber reden Sie? Vom Straßenverkehr kein Wort, weder vom Güterstraßenverkehr noch vom internationalen, grenzüberschreitenden Personenverkehr. Sie reden kein Wort vom Luftverkehr. Sie konzentrieren sich auf den Seeverkehr.
Nun wird man sich fragen: Warum? Weil sonst dieser Schlenker, nämlich über die Hälfte der Zeit ausschließlich von Praktiken der Sowjetunion zu reden, nicht möglich wäre. Ich will damit gar nicht sagen, daß die Gefahren nicht existierten, die Sie aufgezeigt haben, Herr Kollege Sick. Nur, Sie wissen genauso gut wie ich, daß die Bundesregierung und auch die sozialdemokratische Fraktion diese Sorgen teilt. Wogegen ich allerdings etwas habe, ist, in diesem Bereich in der Weise Nebelkerzen zu werfen, daß man meint, nur in Richtung RGW gucken zu müssen. Wenn man dort die Probleme gelöst hätte, gäbe es keine mehr. Hier wird das Weltbild durch eine viel zu große Einseitigkeit einfach falsch gezeichnet. Wir sollten auch beim Blick über unsere Grenzen hinaus die gesamten Zusammenhänge sehen.
Aber bleiben wir erst einmal innerhalb der deutschen Grenzen. Da ist mir, als ich meine Unterlagen „durchgeflöht" habe, z. B. ein Artikel der „Deutschen Verkehrszeitung" vom 7. Februar 1978 in die Hände gefallen. Daraus will ich Ihnen einmal den ersten Absatz vorlesen:
Der Bundesverband der Deutschen Industrie bestreitet, daß die Schiffahrtsunternehmen des Ostblocks eine Marktstrategie des Dumpingwettbewerbs betreiben. Ein solcher Vorwurf könnte nach Meinung des Industrieverbandes nur dann ernsthaft Beachtung finden, wenn die Raten und Erlöse der Linienschiffahrtskonferenzen in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Schiffahrt stünden und nicht ihrerseits erheblich überhöht wären.
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Da kann ich nur sagen: Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch!
({4})
Also, tun Sie bitte nicht so, als seien im internationalen Verkehr nur die die Sowjets die Bösewichter - das anzunehmen ist ja doch geradezu lächerlich - und als betrieben wir - ich meine jetzt nicht nur die Bundesrepublik, sondern die westlichen Industriestaaten insgesamt - im Bereich der Werften und der Schiffahrtspolitik die reine Lehre der freien und sozialen Marktwirtschaft! Das ist doch nun einfach nicht wahr! Vielmehr geben wir in einem Subventionswettbewerb, und zwar nicht gegen die Sowjetunion, sondern untereinander, unter den westlichen Industrieländern, in einem abenteuerlichen Maße Steuermittel in Höhe von Hunderten von Millionen DM aus, und das hat mit Marktwirtschaft auch nicht viel zu tun. Also, das eine erwähnen bedeutet noch nicht, so wie bei Ihnen, Herr Sick, das andere verschweigen.
Um auf Ihre Einseitigkeiten zu reagieren, will ich Ihnen nun aus einem Dokument der Europäischen Gemeinschaften vorlesen, nämlich aus dem Dokument 51/79, also aus einem Dokument dieses Jahres. Das Dokument trägt die Überschrift: „Bericht im Namen des Ausschusses für Regionalpolitik, Raumordnung und Verkehr''. Da heißt es z. B. unter Ziffer 6:
... gibt zu bedenken, daß auf lange Sicht die Aktionen der Gemeinschaft nach außen an Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft verlieren, wenn nicht auch im Innern, d. h. in der Seeschiffahrts- und Hafenpolitik zwischen den Ländern der Gemeinschaft, gewisse Minimalforderungen geschaffen werden.
Also tun wir doch nicht so, als ob wir mit den Ländern, die uns politisch und von der Gesellschaftsordnung her näherstehen, etwa keine Probleme hätten.
({5})
- Nichts hat er aufgezeigt!
({6})
Ich darf - nur um das ein bißchen zu differenzieren - aus dem gleichen Dokument, eine Seite weiter, wieder wörtlich zitieren. Es heißt dort:
Seit einigen Jahrzehnten war diese Freiheit der Meere schon durch zwei Gefahren bedroht: einerseits durch den Protektionismus gewisser Länder, deren Seereedereien nicht ebenso leistungsfähig waren wie die der Gemeinschaft und die deshalb zur 50 : 50-Klausel und anderen protektionistischen Praktiken griffen, andererseits durch die sogenannten billigen Flaggen, d. h. die Praxis bestimmter Länder, die keine eigenen Seereedereien und keine eigene Seefahrtstradition haben, durch bestimmte Rechtspraktiken sich selbst im Verhältnis zu ihrem Haushalt relativ große Steuereinnahmen verschaffen, die jedoch den traditionellen Schifffahrtsländern durch Ausflaggen unverhältnismäßig hohe Steuerausfälle verursachen. Noch schlimmer: Durch mangelnde Gesetzgebung oder mangelnde Aufsicht haben die Billigflaggen auch große Gefahren über die Weltseeschiffahrt heraufbeschworen.
Sie können sich also nicht herstellen und hier zu äußerster Behutsamkeit im Umgang mit diesen Billigflaggen auffordern und sagen, dies sei in Wirklichkeit kein verkehrspolitisches Problem. Lassen Sie mal einen Tanker unter liberianischer Flagge eine Kollision in der Deutschen Bucht haben, dann werden die Bürger dieses Landes Ihnen dazu schon eine andere Meinung ins Stammbuch schreiben.
({7})
Ein letztes Zitat aus diesem, wie ich finde, doch recht hilfreichen EG-Papier.
({8})
Da heißt es auf Seite 9 - ich zitiere wörtlich -:
Die oft als geheimnisvolle Aktionsmöglichkeit der COMECON-Länder beschworenen Praktiken entpuppen sich insofern als nichts anderes als ganz gewöhnliche Verstöße gegen das Prinzip der Gegenseitigkeit, das die Grundlage jeden Wirtschaftsverkehrs sein muß,
- nun werden Sie sagen: So weit, so gut; aber es geht noch ein bißchen weiter und als Subventionspraktiken zugunsten unkontrollierter politischer Ziele auf Kosten der Steuerzahler,
- und jetzt wird sehr feinsinnig hinzugefügt was auch in westlichen Ländern vorkommen soll.
Ich glaube, das sollte man sich immer wieder einmal in die Erinnerung rufen, was hier insgesamt passiert.
In Reaktion auf Ihre Rede, sehr geehrter Herr Kollege Sick, erlaube ich mir einen letzten Hinweis, um einfach einmal die Größenordnungen wieder ins rechte Licht zu rücken. Damit es dazu keine Mißdeutungen gibt, sage ich noch einmal: Die Probleme, die Sie geschildert haben, gibt es. Auch ich erkläre namens meiner Fraktion, daß wir uns nachdrücklich bemühen werden, sie zu lösen. Aber es sind eben nur Probleme innerhalb eines riesigen Gebäudes von Problemen.
Die Sowjetunion hat 1977 eine Tonnage von etwa 12 Millionen Bruttoregistertonnen gehabt. Aber Sie sprechen in Ihrer Großen Anfrage überhaupt nicht von der Sowjetunion, sondern immer von den RGW-Staaten. Wenn wir die Zahlen für die RGW-Staaten einmal zusammenzählen, dann kommen wir für Ende 1977 auf 18,9 Millionen Bruttoregistertonnen. Die Gesamttonnage in der Welt beträgt 400 Millionen Bruttoregistertonnen. Lassen Sie da also bitte die Kirche im Dorf!
Wenn Sie hier immer nur zwei Länder miteinander vergleichen - ({9})
- Aber, Herr Kollege Narjes, warum denn so aufgeregt?
({10})
- Es ist natürlich schön gängig, wenn man Zahlenverhältnisse allein zur Sowjetunion herstellt und dann die Größenordnungen betrachtet. Aber vergleichen wir uns doch einmal mit der Flotte der Holländer oder der Flotte der Engländer. Daraus lassen sich dann bezüglich Angemessenheit usw. nicht so billig Funken schlagen.
({11})
Da wird es dann ein bißchen schwieriger und differenzierter. Um diese differenzierteren Betrachtungsweisen wollte ich Sie bitten.
Ich bin also der Meinung, daß die angesprochenen Probleme mit Ruhe, diplomatischem Geschick, Beharrlichkeit und realistischer Einschätzung der Interessenlage der übrigen am internationalen Verkehr beteiligten Staaten gelöst werden müssen. Abgesehen von den Plenardebatten, in denen die Diskussion gelegentlich etwas heftiger und auch etwas einseitiger wird, kann ich feststellen, daß es in den Debatten, die wir seit mehreren Jahren im Verkehrsausschuß darüber regelmäßig führen, auch eine weitgehende Ubereinstimmung in der Beurteilung sowohl der Probleme als auch in der Zustimmung zu den Maßnahmen der Bundesregierung gibt.
Ich möchte mich auf die Punkte 1 bis 8 und 15 bis 18 konzentrieren; so haben auch Sie es getan, Herr Kollege Sick. Mein Kollege Rapp wird sich dann mit den Problemen beschäftigen, die es speziell mit den Entwicklungsländern gibt. Ich will etwas zu den Stichworten sagen: angemessene Beteiligung der deutschen Verkehrswirtschaft, Spezialprobleme mit den RGW-Staaten, insbesondere im Binnen- und im Seeverkehr - soweit ich in der direkten Erwiderung auf Sie dazu noch nicht gesprochen habe -, Anwendung europäischen Rechts in den Meereszonen der EG-Mitgliedsstaaten.
Ich will Ihnen jetzt, wie ich es versprochen habe, einmal die wesentlichen Positionen der Bundesregierung, die für Sie in den Antworten vielleicht nicht erkennbar genug waren, etwas übersichtlicher aus den Antworten zitieren.
Im Straßengüter- und Binnenschiffahrtsverkehr haben die deutschen Unternehmen ihre Position seit 1970 behaupten können.
In die Seeschiffahrt verfügt die Bundesrepublik Deutschland über eine angemessene, qualitativ hochwertige und leistungsfähige Handelsflotte.
({12})
- Einverstanden.
Unser Anteil am Linienverkehr über Seehäfen der Bundesrepublik Deutschland ist befriedigend, wenn auch in einzelnen Fahrtgebieten verbesserungsbedürftig.
Auch künftig bedarf es kontinuierlicher privatwirtschaftlicher und verkehrspolitischer Anstrengungen, um insbesondere im Bereich der Seeschifffahrt Beeinträchtigungen durch ausländischen Protektionismus abzuwehren.
Die Bundesregierung wird ihre bisherige Politik, die Verkehrsbeziehungen zu anderen Staaten einschließlich der Staatshandelsländer des RGW auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit einvernehmlich zu regeln, fortsetzen und dabei unsere Unterstützung haben.
Auch in der EG wirkt die Bundesregierung verstärkt auf gemeinsame Grundsätze sowie gleichgerichtete und gleichzeitige Maßnahmen der Mitgliedsländer hin - ein Grundsatz, den ich im Interesse der deutschen Seehäfen, Herr Kollege Sick, und der exportorientierten deutschen Arbeitsplätze besonders nachdrücklich unterstreiche. Ich warne nämlich vor Kraftmeierei, die im Ergebnis nur dazu führt, daß vielleicht ein paar sowjetische Schiffe weniger deutsche Häfen anlaufen und dafür ein paar mehr nach Rotterdam fahren. Damit ist nämlich
auch niemandem gedient. Also bitte schön nicht nur einseitig durch die verkehrspolitische Brille gucken! Hier gibt es Verflechtungen mit den Interessen der Hafenwirtschaft, der import- und exportorientierten Wirtschaft, die zu beachten sind. Deswegen geht das eben nicht so im Hauruck-Verfahren, wie Sie das von der Bundesregierung vielleicht wünschen. Eine solche Sepplhosenmentalität ist bei diesen diffizilen Fragen nicht angebracht.
({13})
- Nein, ich träume nicht davon. Das war nur ein Test. Mir ist nämlich aufgefallen, daß immer dann, wenn eine zarte Andeutung über Bayern oder Strauß kommt, die CDU nach dem Pawlowschen Effekt reagiert. Dann wird sie unruhig. Dieses Experiment ist ja schon wieder gelungen.
({14})
Die Verdrängung deutscher Verkehrsunternehmen aus Verkehren der Bundesrepublik mit dritten Ländern muß verhindert werden. Insbesondere eine Schwächung der deutschen Handelsflotte muß vermieden werden. Probleme, die sich aus der faktisch fehlenden Gegenseitigkeit in der Niederlassungsfreiheit, Herr Kollege Sick, im Verhältnis zu den RGW-Staaten ergeben, werden in den Gremien der EG beraten, um ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen.
Es ist davon auszugehen - auch davon haben Sie ja gesprochen -, daß die anderen EG-Mitgliedsländer ihren Verpflichtungen nach Einführung der Meldepflicht in den Fahrtgebieten Mittelamerika und Ostamerika nachkommen. Diese Meldepflicht zeigt - das werden Sie zugeben - erste positive Wirkungen. Das Meldeverfahren kann auf weitere Fahrtgebiete ausgedehnt werden, wenn sich dies als notwendig erweist.
Mit besonderer Genugtuung und Erleichterung wird zur Kenntnis genommen, daß das im Rahmen der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt ausgehandelte Zusatzprotokoll zur Mannheimer Akte inzwischen die Zustimmung des EG-Rates gefunden hat. Die Unterzeichnung ist bis Ende dieses Jahres vorgesehen. Damit wird dem Eindringen osteuropäischer Flotten in das deutsche Binnenschiffahrtsnetz in dem befürchteten Ausmaß ein wirksamer Riegel vorgeschoben.
Die Auffassung der Bundesregierung, daß der Main-Donau-Kanal eine nationale Wasserstraße ist, die der alleinigen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, wird bekräftigt.
Die Bundesregierung - auch das wird dargestellt - benutzt alle sich aus dem EWG-Vertrag ergebenden Möglichkeiten, das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang in den Meereszonen der EG-Mitgliedstaaten zugunsten deutscher Meeresbenutzer durchzusetzen. Entsprechend wird auch in den Beitrittsverhandlungen mit Spanien, Portugal und Griechenland verfahren.
Aus diesen Aussagen der Bundesregierung, Herr Kollege Sick, ergibt sich nach meiner Feststellung ein klares Konzept, das wir nachdrücklich unterstützt haben und zukünftig unterstützen und weiterentwickeln werden.
({15})
Nun lassen Sie mich noch zu zwei Schwerpunkten Ihrer Ausführungen etwas sagen, soweit das nicht bereits geschehen ist, zum Problem der RGW und dann auch zum Begriff der Angemessenheit.
Auf die deutsch-sowjetischen Schiffahrtskonsultationen in Hamburg vor etwa vierzehn Tagen habe ich schon hingewiesen. Sie werden in diesem Protokoll sehen, daß genau die auch von Ihnen für wichtig gehaltenen Fragen dort in der notwendigen Deutlichkeit angesprochen worden sind. Und da es sich bereits um die dritten Konsultationen handelt, ist festzustellen, daß aus den Konsultationen Nr. 1 und 2 schon einiges herausgekommen ist. Tun wir also doch nicht so, als sei das alles völlig fruchtlos!
Zum Problem der Niederlassungsfreiheit hat die CDU/CSU schon am 18. Juli 1977 eine Kleine Anfrage eingebracht. Damals wie heute ist festzustellen - ich zitiere -:
Eine gleichwertige Betätigungsmöglichkeit deutscher Unternehmen in den RGW-Staaten ist, bedingt durch die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme, nicht möglich. Eine mißbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland durch die RGW-Staaten könnte die Bundesregierung jedoch nicht zulassen.
Tun wir doch nicht so, indem wir auf einem solchen Prinzip herumreiten, als sei eine solche Niederlassungsfreiheit durch irgendwelches Verhandlungsgeschick oder irgendwelche restriktiven Maßnahmen gegenüber der Sowjetunion für bundesdeutsche Unternehmen durchsetzbar! Dann würden wir uns einfach in die Tasche lügen. Die sowjetische Seite ist aber - darin sind wir uns sicher wieder einig - auf die hiesigen Wettbewerbsregeln hinzuweisen, die eine freie Wahl des Spediteurs bzw. Transportunternehmens vorsehen.
Im übrigen sieht der Entwurf der Neufassung des Binnenschiffahrtsaufgabengesetzes vor, daß die Beteiligung an Binnenschiffahrtsunternehmen aus Nicht-EG-Ländern beschränkt werden kann. Das ist für den Zeitpunkt der Eröffnung des Main-DonauKanals ein sehr wichtiger Aspekt. Nach Inkrafttreten des UN-Verhaltens-Kodex für Linienkonferenzen - auch das haben Sie angesprochen, Herr Kollege Sick -, den die UdSSR im übrigen bereits ratifiziert hat, was hier auch einmal gesagt werden sollte, kann damit gerechnet werden, daß sich in der Frage der Ladungsaufteilung, insbesondere im sogenannten Cross Trade, Regelungen zugunsten unserer Linienschiffahrt ergeben werden.
Nun komme ich, wie angekündigt, zu der anderen Grundsatzfrage, was eine „angemessene" Beteiligung deutscher Unternehmen am internationalen Verkehr ist.
Der Anteil deutscher Fahrzeuge am grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr betrug 1978 35,4 %. Der Gesamtprozentsatz der deutschen Beteiligung wird
({16})
- passen Sie einmal auf - durch die geringe Beteiligung am Verkehr insbesondere mit den Niederlanden gedrückt. Ich will Ihnen dazu Zahlen nennen. Von den 29 Millionen Tonnen im Jahre 1978 betrug der deutsche Anteil 27,7 %. Das ist also wenig mehr als ein Viertel im deutsch-niederländischen Verhältnis. Im Vergleich dazu beträgt der deutsche Anteil am Straßengüterverkehr mit der UdSSR - ich bringe dieses Beispiel, damit man im Umgang mit Zahlen ein bißchen vorsichtig wird - lediglich 2,4 %. Dies ist natürlich völlig unzureichend; das ist zuzugeben. Wenn Sie aber bedenken, daß es hier nur um ein Volumen von 0,246 Millionen Tonnen geht - bei den Beziehungen zu den Niederlanden geht es um 29 Millionen Tonnen -, dann wird man wohl zugeben müssen, daß die Gesamtproblematik für den Straßengüterverkehr nicht in erster Linie östlich unserer Republik zu suchen ist.
({17})
Beim gewerblichen Straßenpersonenverkehr ist der deutsche Anteil 1978 auf 54,1 % gestiegen. Diese Zahl bedarf keines weiteren Kommentars.
Beim grenzüberschreitenden Seeverkehr sind die Zahlen von 1970 bis 1978 erheblich zurückgegangen. Das ist richtig. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß diese Zahlen nicht ohne weiteres vergleichbar sind, weil hier ein Jahr hoher Auslastung bei auslaufender Hochkonjunktur mit einem Jahr relativ niedriger Auslastung bei schlechter Schiffahrtskonjunktur gegenübergestellt wird.
1977 - auch auf diesen Punkt möchte ich hier in aller Deutlichkeit hinweisen - betrug der seewärtige Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland 260 Millionen Tonnen. Davon entfielen 120 Millionen Tonnen auf deutsche Seehäfen und 140 Millionen Tonnen auf ausländische Seehäfen. Da ist wohl die Randbemerkung gestattet: Wenn über die Hälfte des seewärtigen Außenhandels nicht über die deutschen Häfen abgewickelt wird, so ist diese Tatsache auch einmal der Aufmerksamkeit der interessierten Wirtschaftsverbände anzuempfehlen.
Ich schließe mit dem Hinweis auf die Billigflaggen, den ich Ihnen noch schuldig bin. Ich weiß, daß das nicht nur ein Problem der Substandard-Schiffe ist und daß auch die Probleme der Kostenverzerrung vielfältig und international außerordentlich schwer in den Griff zu bekommen sind, aber ich bin davon überzeugt, daß dieses Problem sowohl unter dem Aspekt der sozialen Sicherheit als auch dem der Verkehrssicherheit und des Schutzes der Meeresumwelt energisch angegangen werden muß. Ich empfehle den Reedern, sich hier außerordentlicher Zurückhaltung, was das Ausflaggen anlangt, zu befleißigen. Schlechte Beispiele zehren in bedenklichem Ausmaß an der Glaubwürdigkeit von Unternehmen und Verbänden, die gleichzeitig an die nationale Solidarität der deutschen Regierung und der
deutschen Steuerzahler appellieren und an die Solidarität der deutschen Import- und Exportwirtschaft gelegentlich etwas stärker appellieren sollten.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Merker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den Fragen, die die Opposition gestellt hat, spricht zunächst einmal ein erhebliches Informationsbedürfnis. Dies ist mein Eindruck.
({0})
- Es ist doch nichts Schlechtes, wenn Sie ein Informationsbedürfnis haben.
({1})
- Herr Straßmeir, Sie können davon ausgehen, daß ich die mir zugebilligte Redezeit gar nicht voll in Anspruch nehme. Insofern ist Ihr Drang zur Eile überhaupt nicht gerechtfertigt.
Die FDP begrüßt es, daß die Bundesregierung ausführlich geantwortet hat und damit ihrer Informationspflicht gegenüber dem Parlament in vorbildlicher Weise nachgekommen ist, obgleich sich - dies möchte ich an die Opposition sagen - natürlich bei einem aufmerksamen Studium der Fachpresse die eine oder andere Frage sicherlich erübrigt hätte. Ich betone meinen Eindruck, daß die Opposition vor allem informiert werden wollte, weil ich den gestellten Fragen nicht entnehmen kann, daß die Opposition mit der Arbeit der Regierung auf diesem Gebiet nicht zufrieden wäre oder daß die Opposition gar Gegenvorschläge zu machen hätte. Erfreulicherweise waren wir uns ja auch im Verkehrsausschuß in der Vergangenheit in den wesentlichen Fragen immer ziemlich einig. Weil das so ist, möchte ich mich darauf beschränken, einige allgemeine Bemerkungen zu dem von Ihnen angeschnittenen Thema zu machen.
Erstens. Tendenzen zum verstärkten Protektionismus im internationalen Verkehr - einen gewissen Protektionismus hat es selbstverständlich immer gegeben - sind unverkennbar. Dies erkennen auch wir. Ein sicheres Anzeichen dafür ist, daß die Bundesrepublik den UNCTAD-Kodex für die Linienschifffahrt, obwohl er zweifellos die Freiheit der Seeschiffahrtsbeziehungen einschränkt und deshalb von vielen von uns in der Vergangenheit kritisch beurteilt worden ist, heute als einen Versuch begrüßt, soviel wie möglich von der einstigen Schiffahrtsfreiheit wieder zu erhalten. Genauer: Die UNCTAD-Konferenz ist als multilaterale Regelung immer noch wesentlich besser als eine bilaterale Marktaufteilung, wie es sie verschiedentlich schon gibt
({2})
- selbstverständlich, Herr Kollege Sick -, die, wir können es zwar bedauern, aber nicht ändern, die einzige Alternative zu sein scheint. Bilaterale Regelungen tendieren immer zur Marktaufteilung, d. h. zum Ausschluß von Drittflaggen. Sie sind deshalb mit größter Vorsicht zu genießen - das sage ich auch an die Adresse der Bundesregierung -, weil
eine isolierte Betrachtung von Teilmärkten auch die Bundesregierung in der Vergangenheit dazu verleitet hat, es mit einer bilateralen Lösung zu versuchen. Eine solche zweiseitige Marktaufteilung bekämpft den Protektionismus allerdings nicht, sondern schreibt ihn fest. Wenn wir dabei in Einzelfällen mitmachen, riskieren wir, daß uns Gegenmaßnahmen anderer Staaten ein Mehrfaches kosten.
Zweitens. Ich habe sehr viel Verständnis für die Sorgen der Verkehrsunternehmen wegen der zunehmenden Aktivitäten der östlichen Seite. Das gilt für die Binnenschiffahrt und den Güterkraftverkehr, vor allem aber für die Seeschiffahrt. Auf das Problem der Seeschiffahrt wird in der zweiten Runde mein Kollege Zumpfort in seiner Rede noch eingehen. Ich kann dies deshalb weitgehend aussparen.
Es ist in der Tat so, daß im Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Wirtschaftssystemen - dies ist eben auch schon angeklungen - gleiche Wettbewerbsbestimmungen nicht bestehen, aber auch nicht hergestellt werden können. Was die Bundesregierung in der internationalen Verkehrspolitik erreichen kann und, wie ich meine, auch erreicht hat, zeigen oft nur Teilbereiche, die zwar nicht pressewirksam sind, die aber auf das verkehrspolitische Geschehen eine große Auswirkung haben. Ich möchte hier das Stichwort Mannheimer Akte nennen. Die FDP hält es für außerordentlich bedeutsam, daß das Zusatzprotokoll zur Mannheimer Akte unterzeichnet werden konnte. Sie dankt der Regierung hierfür in besonderer Weise.
Die jahrelangen Bemühungen der Rheinanliegerstaaten in der wichtigen Frage der Abkehr der Comecon-Staaten von den Rheinschiffahrtsmärkten haben zu einem Erfolg geführt. Im Klartext bedeutet dies nichts anderes, als daß der Gütertransport zwischen nationalen Verladeplätzen sowie im grenzüberschreitenden Binnenschiffsverkehr künftig den Flotten der Vertragsstaaten der Mannheimer Akte und der übrigen EG-Staaten vorbehalten bleibt. Allerdings bedarf es - dies verkennen wir überhaupt nicht - weiterer Anstrengungen, um eine europäische Gesamtverkehrspolitik durchzusetzen, die die wirtschaftlichen Notwendigkeiten berücksichtigt.
Daß es bei beharrlichem Bemühen der Bundesregierung gelingt, auftretende Probleme einer guten Lösung zuzuführen, sieht man am erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen über die gleiche Besteuerung des Lkw-Verkehrs mit der DDR. Der Abschluß des Steuerverzichtsabkommens, die Kraftfahrzeugsteuer für Lastwagen und für Omnibusse betreffend, ist das Ergebnis konsequenter und beharrlicher Bemühungen dieser Bundesregierung.
Trotz ungleicher Wettbewerbsbedingungen müssen unsere Unternehmen versuchen, sich zu behaupten. Wer zu Wirtschaftsbeziehungen mit dem Osten ja sagt, muß notgedrungen in Kauf nehmen, daß solche Beziehungen nichtmarktwirtschaftlicher Art sein können.
Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung unsere Unternehmen nicht ihrem Schicksal überläßt und nicht tatenlos zusieht, wenn es Schwierigkeiten gibt. Trotz einer ausgewogenen Struktur und einer
hohen Produktivität unserer Flotte ist die stützende Hand des Staates unerläßlich.
Mit unserem weit entwickelten Schiffahrts- und Schiffsbau-Know-how, mit den Leistungen moderner Spezialschiffe, Umschlagsysteme und Transportketten erhöhen sich unsere Exportchancen. Unser hochindustrialisiertes, mit der Weltwirtschaft und dem Welthandel eng verflochtenes Land kann auf eine eigene hochwertige Handelsflotte nicht verzichten. Diese Auffassung haben wir Freien Demokraten uns seit jeher zu eigen gemacht, und wir haben der Schiffahrtspolitik im Rahmen der Verkehrspolitik einen hohen Rang eingeräumt. Die Sorgen der Schiffahrt sind auch unsere Sorgen.
Der Bundeswirtschaftsminister bemüht sich seit vielen Jahren darum, dem deutschen Außenhandel die Wege nach Osten zu ebnen. Unsere durchweg aktiven Handelsbilanzen im Verhältnis zu den RGW-Staaten beweisen, daß diese unsere Wirtschaftspolitik sehr erfolgreich ist. Auch im Bereich des Verkehrs, wo wir eine wesentlich ungünstigere Ausgangsposition als im Außenhandel hatten, ist dank der intensiven Bemühungen von Minister Gscheidle und seinen Beamten vieles besser geworden. Die relativ befriedigenden Feststellungen, die vor wenigen Wochen im Rahmen der deutsch-sowjetischen Schiffahrtsgespräche in Hamburg getroffen werden konnten, bestätigen dies.
Meine Damen und Herren, die Meldepflicht hat Auswirkungen gezeigt. Nehmen wir beispielsweise den Anteil der Ladungen unter sowjetischer Flagge in deutschen Häfen. Der „Deutschen Verkehrs-Zeitung" vom 23. Oktober können Sie entnehmen, daß der Ladungsanteil der UdSSR von 1978 auf 1979 bei gleichzeitiger Vergrößerung der absolut zu verschiffenden Ladungsmengen zurückgegangen ist. Aber auch hier gilt, daß bilaterale - womöglich noch paritätische - Marktaufteilungen, bezogen auf die einzelnen Branchen oder Branchensektoren, nicht der Weisheit letzter Schluß sein können. Selbst beim Tauschhandel, wie er in der Frühgeschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen üblich war, war jede Seite nur am Erwerb solcher Dinge interessiert, die sie selbst nicht hatte. ''Auto gegen Auto" oder „Transportkilometer gegen Transportkilometer", das führt uns eben nicht weiter.
Drittens noch ein Wort zu den sogenannten Billigflaggen: Wir sehen durchaus die Probleme, die sich aus den weltweit sehr unterschiedlichen Produktionskosten für die deutsche Wirtschaft ergeben. „Billigflaggen'' gibt es nicht nur in der Seeschiffahrt. Die Verlagerung von Produktionsstätten in Länder mit günstigeren Produktionsbedingungen ist uns - und natürlich nicht nur uns - seit langem geläufig. Das, was der deutschen Industrie recht ist, muß den deutschen Reedern billig sein. Wer meint, daß dadurch Arbeitsplätze verlorengehen, unterstellt, daß diese Arbeitsplätze ohne weiteres im Inland zu halten gewesen wären. Das mag gelegentlich so sein, aber so sehr wir grundsätzlich dafür sind, daß deutsche Schiffe unter deutscher Flagge fahren, so wenig können wir darüber hinwegsehen, daß in vielen Fällen die Verlagerung von Produktionsstätten in Länder mit geringeren ProduktionsMerker
kosten die einzige Möglichkeit ist, diese Produktionskapazitäten für die betreffenden Firmen zu retten. Den Laden ganz oder teilweise dichtzumachen, wäre zweifellos die weitaus schlechtere Lösung.
Mit großer Freude lasen wir in diesen Tagen in der Presse, daß die deutschen Werften wieder Hoffnung schöpfen. Zum erstenmal seit 1974 liegen die Neubestellungen wieder über den Ablieferungen. Ich gehe sicherlich nicht fehl in der Annahme, daß die deutschen Reeder an diesen Neubestellungen maßgeblich beteiligt sind. Das läßt darauf schließen, daß die schon seit einigen Monaten etwas höhergestimmten Erwartungen unserer Reeder nicht nur kurzfristiger Natur sind. Das versetzt uns aber auch in die Lage, über die mit unserem heutigen Thema verbundenen Probleme ohne Zeitdruck und in aller Sachlichkeit zu beraten. Die FDP wird sich dabei mit aller Sachlichkeit, die diesem Thema angemessen ist, der Diskussion stellen.
Wenn von der Opposition hierzu konstruktive Vorstellungen und Vorschläge gemacht werden, wird die Bundesregierung dies sicherlich in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Bis jetzt war dazu von der Opposition noch nichts zu hören. Wir gehen aber davon aus, daß in der zweiten Runde, die noch bevorsteht, die CDU den gesamten Katalog ihrer Verbesserungsvorschläge auf den Tisch des Hauses legen wird.
({3})
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Hüsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Sick hat in einem überzeugenden Beitrag die Mängel in den Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU aufgezeigt. Ich habe die Aufgabe, das Thema aus entwicklungspolitischer Sicht anzugehen. Dabei möchte ich auf eine Erwiderung auf die Ausführungen des Kollegen Paterna verzichten. Seine Rede war etwas mehr von Polemik gekennzeichnet Er hat zwar die Bayern und Franz Josef erwähnt. Gut, dafür kriegt er noch ein Fleißkärtchen aus der Baracke. Mehr dazu zu sagen, lohnt sich kaum.
Sie kennen die Kritik der Entwicklungsländer, daß sie durch wirtschaftspolitische Vorgaben am internationalen Verkehr bislang nicht beteiligt waren und auch jetzt noch aus ihrer Sicht nicht genügend beteiligt sind. Da der Austausch der Güter zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern fast ausnahmslos über See geht, ist dies in erster Linie ein Problem der Seeschiffahrt und der Beteiligung der Entwicklungsländer daran. Für Länder ohne Küste ist der freie Zugang zum Meer zu einer Existenzfrage geworden. Für die Länder mit Küste stellt sich die Beteiligung an der Seeschiffahrt nicht nur als eine wirtschaftspolitische Frage dar, sondern auch als ein Betätigungsfeld, auf dem sie ihre Fähigkeiten, den Stand ihrer Entwicklung, die nationale Identität und nicht zuletzt auch ein wenig Prestige zeigen können.
Aus der Sicht der Industrieländer mag eine Reihe von Maßnahmen dieser Länder ökonomisch
nicht verständlich und gelegentlich nicht sinnvoll sein. So wichtig jede wirtschaftliche Betrachtung ist, sie kann und darf für die Entwicklungspolitik nicht das einzige Kriterium sein. Deshalb plädiere ich für ein größeres Verständnis für die verkehrspolitischen Anliegen der Entwicklungsländer. Zugleich muß aber mit aller Deutlichkeit festgehalten werden, daß die aggressive Marinepolitik der Sowjetunion und das Vordringen der Roten Flotten auch in die Gewässer der Entwicklungsländer deren Interessen zuwiderläuft. Das ist ein Fall des imperialen Protektionismus, der entwicklungspolitisch mindestens so schädlich ist wie der wirtschaftliche Protektionismus.
Es läßt sich nicht übersehen, daß erhebliche Interessengegensätze zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern auch auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs bestehen. Nicht einmal der vereinbarte Verhaltenskodex für die Linienschifffahrt auf dem Gebiete des Stückgutverkehrs räumt, so begrüßenswert er auch sein mag, die Probleme aus. Schon jetzt wird erkennbar, daß Entwicklungsländer den Verhaltenskodex auf jeglichen Stückgutverkehr ausdehnen wollen, während er ursprünglich nur für die sogenannten Linienkonferenzen gedacht war.
Hinter dieser technischen Bemerkung steht ein wirtschaftliches Problem von erheblicher Bedeutung. Diese Auslegung des Verhaltenskodex führt zum Ausschluß der Außenseiter. Das bedeutet ein unerwünschtes Monopol der Linienkonferenzen. Dieses Monopol ist auch dann bedenklich, wenn Entwicklungsländer daran beteiligt sind. Denn wirtschaftliche Abhängigkeit der Verlader von den Linienkonferenzen allein und die Gefahr, daß bei sinkenden Leistungen gleichzeitig die Kosten steigen, werden die Folge sein. Dieses Ausschalten eines Teils des Wettbewerbs ist insgesamt, aber auch aus entwicklungspolitischer Sicht nicht hinnehmbar.
Ein anderer Protektionismus droht von der Absicht einer Reihe von Schwellenländern, dem Verhaltenskodex nicht beizutreten. Sie geben dafür nationale Gründe an. Die Konsequenz ist jedoch, daß sie nicht nur die Industrieländer, sondern erst recht andere Entwicklungsländer, die bereits jetzt oder erst später in die Seeschiffahrt eintreten, zurückdrängen wollen.
Ebenso schädlich wie der Protektionismus der Industrieländer ist ein nationalspezifischer Egoismus von Entwicklungsländern, wenn er sich zum Nachteil anderer Entwicklungsländer auswirken kann. Die Gefahren, die aus bilateralen Abmachungen erwachsen, mit denen der Stückgutverkehr auf die Vertragspartner aufgeteilt wird, dürfen entwicklungspolitisch nicht unterschätzt werden. Hier stelle ich eine beachtenswerte Übereinstimmung mit dem Kollegen Merker von der FDP fest. Die Vereinbarungen der Bundesregierung mit der Elfenbeinküste, mit Argentinien und Brasilien signalisieren solche Gefahren. Die Antwort der Bundesregierung scheint sie zu verneinen. Das ist um so mehr Anlaß, die Bundesregierung aufzufordern, bei den von ihr zu vertretenden bilateralen verkehrspolitischen Vereinbarungen mehr als bisher langfristige
entwicklungspolitische Auswirkungen zu bedenken.
Noch stärker sind die Gegensätze auf dem Gebiet des Massengutverkehrs. Wie auf der Konferenz der Entwicklungsländer in Arusha Anfang 1979 erkennbar wurde, haben sich die Entwicklungsländer mit ihrer entsprechenden Forderung nach festgelegter Beteiligung am Massengutverkehr im Juni 1979 in Manila durchgesetzt. Es mag sein, daß diese Resolution wegen des Widerspruchs der Industrieländer keinen durchgreifenden Erfolg haben wird. Dennoch signalisiert der Mehrheitswille der Entwicklungsländer, welchen Weg sie künftig nehmen wollen. Wenn das Ergebnis sein sollte, daß künftig Massengutverkehr bilateral auf die jeweiligen Partner des Außenhandelsvertrags aufgeteilt wird, so ergeben sich auch hier erhebliche entwicklungspolitische Bedenken. Denn der Protektionismus durch bilaterale Verträge stranguliert die Chancen jener Länder, die selbst nicht über seetransportfähige Massengüter verfügen und sich dennoch einen Anteil am Dienstleistungsgeschäft über See erkämpfen wollen.
Es wäre für Industrieländer und Entwicklungsländer gleich verderblich, den Status quo festzuschreiben oder solche Festschreibungen durch überzogene Konzentration auf die jeweiligen nationalen Belange anzustreben. Es kann kein Zweifel sein: Die Industrieländer müssen Verständnis dafür aufbringen, daß sich manche junge Seefahrtsnation noch nicht imstande sieht, ihre Schiffahrt der Rauhheit und Robustheit eines absolut freien internationalen Wettbewerbs auszusetzen. In manchen Bereichen fehlt es ihnen auch an der notwendigen Einsicht und an den Kenntnissen, den Markt zu bestreiten.
Ein System internationaler Verträge mag geeignet sein, zeitlich, räumlich und wirtschaftlich begrenzte Schutzräume als Übergang zum Eintritt in den vollen Wettbewerb zugunsten von Entwicklungsländern zu schaffen. Diese Übergänge müssen aber darauf abzielen, Übergang zu sein und ihn zu erleichtern, aber nicht, Dauereinrichtung zu werden.
Es muß deshalb bei den Entwicklungsländern um Verständnis dafür geworben werden, daß ein internationaler Protektionismus wie in der Seeschiffahrt nicht die Alternative zum jetzigen System werden darf. Zu Recht verlangen die Entwicklungsländer von den Industrieländern verstärkt politische Solidarität. Aber sie sollten die gleiche Solidarität nicht denen verweigern, die durch eine vorzeitige Quotenfestlegung in ihren Interessen beengt werden. Dazu gehören vor allem die ärmsten Entwicklungsländer, die Massengut zwar beziehen müssen, selbst aber nicht verschiffen können. Sie geraten in die Schere steigender Preise des Massenguts, z. B. des Ols, und der Kosten für den Transport. Jeder weiß, daß die Leistungsfähigkeit der ärmsten der Entwicklungsländer längst überschritten ist. Wer zum Protektionismus greift, schadet zugleich den ärmsten der Entwicklungsländer. Ich habe nicht den Eindruck, daß diese Zusammenhänge in der Antwort der Bundesregierung genügend gesehen und gewürdigt sind.
Verehrte Kollegen, die Redezeit erlaubt es nicht, in diesem Zusammenhang auch auf die Problematik des in der Beratung befindlichen neuen Seerechts einzugehen. Der freie Seeverkehr ist von entscheidender Bedeutung auch für die Entwicklungsländer. Deshalb soll hier nur angemerkt werden, daß jegliche Beschränkung des freien Seeverkehrs insgesamt und insbesondere entwicklungspolitisch verderblich wirken wird. Es darf deshalb auch nicht über die Neugestaltung des Seerechts zu einem räumlichen Protektionismus der Küstenstaaten kommen. Ihre Rechte, den Verkehr in küstennahen Zonen zu kontrollieren, müssen deshalb auch aus entwicklungspolitischen Überlegungen heraus auf ein Mindestmaß reduziert und der Rechtssicherheit wegen eindeutig beschrieben werden. Ob allerdings die Bundesregierung diese drohende Gefahr des seerechtsspezifischen Protektionismus erkannt hat, muß in Anbetracht der Lage der Seerechtskonferenz und der Antworten der Bundesregierung als mehr als zweifelhaft gesehen werden.
Ein Plädoyer gegen Protektionismus und für den Wettbewerb muß unglaubwürdig bleiben, wenn es nicht begleitet würde von einer großen Offenheit, von Verständnis für die Notlagen und Bedrängnisse mancher Entwicklungsländer und von der Bereitschaft zur konkreten Hilfe. Ich nenne insbesondere: erstens die Fortsetzung der entwicklungspolitischen Hilfe zum Aufbau angemessen ausgestatteter und ausreichender Flotten in den Entwicklungsländern, allerdings nicht unter Vernachlässigung jeglicher wirtschaftlicher Betrachtungsweise, zweitens die personelle und technische Hilfe sowie Vermittlung von Know-how zum sachgerechten Betrieb solcher Flotten - unter Einschluß der Technik der Verschiffung und der internationalen kaufmännischen Rahmenbedingungen -, drittens den Abbau bestehender Ladungspräferenzen in den Industrieländern, so in Frankreich und den USA, und die Zurückhaltung namentlich der Bundesregierung bei bilateralen Abmachungen, die Außenstehende, Entwicklungsländer und Drittflaggen prinzipiell oder im Einzelfall ausschließen, viertens gemeinsame Unternehmungen auf dem Gebiet der Seeschiffahrt, fünftens Rahmenbedingungen in Industrie- und Entwicklungsländern, die es zulassen, auf verläßlicher Grundlage langfristige Dispositionen zu treffen und Investitionen zu tätigen, sechstens Raum für Wettbewerb als belebende Kraft für wirtschaftliches Wachstum und siebentens, nicht zuletzt, Verständnis und stärkeres Eingehen auf Anliegen der Entwicklungsländer.
Dazu gehört allerdings nicht die Schließung der sogenannten offenen Register, wohl aber die wirksame Durchsetzung des Verbotes der oftmals unter der Flagge der offenen Register verkehrenden unter Norm ausgerüsteten Schiffe.
Verehrte Kollegen, es ist sicherlich nicht möglich, alle entwicklungspolitischen Aspekte des heutigen Themas abzuhandeln. Es scheint aber wichtig zu sein, Anstöße zu geben und wenigstens einige Schritte mutig zu tun. Das verlangt mehr, als die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zu erkennen gibt. Diese Antwort ist von des Gedankens Blässe angekränkelt. Auch hier gilt:
Eine mutige Tat ist wehrund zählt mehr als tausend gute Worte. Ich habe die große Hoffnung und die Bitte, daß die Bundesregierung ihren Worten Taten folgen läßt.
({0})
Als nächstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten Rapp das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Probleme, über die wir reden, sind nicht im allgemeinen Bewußtsein. Wir kriegen sie dort auch nicht hin, Herr Kollege Hüsch, wenn wir auch noch dieses Thema zum Gegenstand einer sachfremden Konfrontation machen, bei der die Bürger unseres Landes zu Recht einfach abschalten.
In Arbeitsteilung mit meinem Kollegen Paterna - bei ihm liegt das Schwergewicht auf den Ost-West-Problemen, bei mir auf dem Nord-SüdAspekt - nehme ich Themen auf, die das GATT, die Welthandelskonferenz, UNCTAD, und die Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen berühren.
Alle diese großen internationalen Anstrengungen kommen in unserer öffentlichen und in unserer veröffentlichten Meinung nahezu nicht vor. Wenn ich sagte, dies sei befremdlich, würde ich untertreiben. All diese Bemühungen, meine Damen und Herren, die Weltwirtschaft funktionsfähig zu erhalten oder überhaupt erst funktionsfähig zu machen, sind für unsere Zukunft von so großer Tragweite, daß der Provinzialismus der Nichtbeachtung ärgerlich und bedenklich genannt werden muß.
Im aufgezeigten umfassenden Rahmen kommt den Problemen des Weltverkehrs und damit auch des Seeverkehrs naturgemäß eine große Bedeutung zu. Wenn schon die nationale Verkehrspolitik nur in gemischtwirtschaftlicher Gestaltung sinnvolle Ergebnisse zeitigen kann, wird dies auch und erst recht für den Weltverkehr und insbesondere wiederum für die Schiffahrt gelten, wobei Problemlösungen in internationalen Abkommen und über internationale Organisationen allemal die sachgerechte Alternative zu nationalprotektionistischen Maßnahmen sind, wie sie leider gerade den Seeverkehr kennzeichnen, ihn stören, ihn nicht zu seiner im Interesse der Wohlfahrt der Völker wünschenswerten Entfaltung kommen lassen.
Die größte Gefahr wäre nun freilich die, daß der Protektionismus am Ende zu höheren internationalen Weihen käme und in internationalen Organisationen administriert würde. Niemand verkennt - ich habe darauf bereits angespielt - das Erfordernis strukturgestaltender Maßnahmen in der weltweiten Schiffahrt. Sie unterscheiden sich von protektionistischen Maßnahmen allerdings dadurch, daß die letzteren nach ihrem eigenen Gesetz fortzeugend neue Protektionismen gebären müssen, wohingegen kluge Strukturpolitik darauf gerichtet ist, sich im Laufe der Zeit selbst überflüssig zu machen.
Dieser Einsicht sucht die Bundesregierung in den internationalen Konferenzen Geltung zu verschaffen. Der Beschluß der Fünften Welthandeltskonferenz in Manila zum Verhaltenskodex für Linienkonferenzen war ein dementsprechend richtiger Schritt, den die Bundesregierung mit vorangebracht hat. Herr Kollege Hüsch, Ihre Skepsis oder gar Ihre Ablehnung gegenüber dem Verhaltenskodex haben wir - ich jedenfalls habe es getan - mit einigem Befremden registriert.
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- Dann habe ich Sie mißverstanden. Das tut mir leid, ich habe das so aufgenommen.
Der amerikanische Außenminister Cyrus Vance hat an die letztjährige UNCTAD-Konferenz appelliert, ein internationales System der shared responsibility zu schaffen. Der Kodex für Linienkonferenzen wird diesem Anspruch einer kompromißbereiten Zusammenarbeit gerecht. Dies wurde nicht immer und nicht überall so gesehen. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch die Einsicht durchgesetzt, daß der Kodex der Gefahr weitergehender national-protektionistischer Gesetzgebung auf dem Gebiet der Schiffahrt entgegenwirkt und - was ja durchaus erforderlich ist und was seine Ordnung hat - den Ländern der Dritten Welt einen angemessenen Anteil am Weltlinienverkehr sichert.
Der Kodex wird darüber hinaus auch für die Harmonisierung im EG- und im OECD-Bereich hilfreich sein. Der Herr Kollege Sick hat ja auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die wir diesbezüglich mit den Vereinigten Staaten haben. - Er wird auch in der Ost-West-Dimension des Problems eine interessenausgleichende Wirkung entfalten.
80 % der Linienschiffahrt werden von Linienkonferenzen reguliert und abgewickelt. Der Verhaltenskodex wird nach seinem Inkrafttreten eine darüber hinausdrängende Sogwirkung ausüben. Jedes Ding, meine Damen und Herren, hat freilich mindestens zwei Seiten: Die Verlader werden beklagen - sie tun dies jetzt schon -, daß mit dem Rückgang der Außenseiter-Angebote eben auch ein Preisregulativ schwächer wird oder am Ende gar entfällt.
Der Bundestag wird das Zustimmungsgesetz zum Verhaltenskodex der Vereinten Nationen für Linienkonferenzen wohl in Kürze zu beraten haben. Er wird es sicher zügig beraten und alsbald verabschieden. Auf tatsächliche Gleichberechtigung auch gegenüber flaggendiskriminierenden Staaten, auf tatsächliche Allgemeinverbindlichkeit und Gegenseitigkeit - auch im EG-Bereich und im OECD-Raum - wird dabei zu achten sein. 43 Staaten mit zusammen 16 % der Weltstückguttonnage haben bereits ratifiziert. Wenn der Anteil 25 % erreicht haben wird, tritt der Kodex in Kraft.
Kooperation statt Konfrontation ist Aufgabe und Ziel auch der Ordnung des Massengutverkehrs. Wenn nun die Entwicklungsländer in Manila freilich zusätzlich beschlossen haben, administrative nationale Lenkungsmaßnahmen zur Durchsetzung höherer eigener Marktanteile in bilateralen Abkommen oder durch Transportklauseln in Kaufverträgen anzustreben, sollten Sie sich auch selbst der Gefahr bewußt sein, daß sie mit den dann fraglos steigenden
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Transportkosten für Rohstoffe und Nahrungsmittel ihre eigenen handelspolitischen Ziele gefährden.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: unsere Bedenken und unser Widerstand gegen Marktdirigismus im Massengutverkehr haben nichts damit zu tun, daß wir die Entwicklungsländer von diesem Markt fernhalten wollten. Der richtige Weg zur Stärkung der Marktposition der Entwicklungsländer ist vielmehr der, daß wir ihnen beim Auf- und Ausbau einer leistungs- und international wettbewerbsfähigen Schiffahrt helfen. Das tun wir auch. In unserer öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit setzen wir da einen Schwerpunkt. Ebenso findet private, finanzielle und technische Zusammenarbeit statt.
Gefahr und Chance liegen freilich auch hier wieder nahe beieinander. Z. B. dürfen joint ventures nicht dazu führen, daß letztlich doch wieder Positionen und Bastionen des Protektionismus aufgebaut werden. Wie im Handelsverkehr sind auch in der Schiffahrt die Protektionisten erfindungsreich. Es gibt die raffiniertesten Lenkungsmaßnahmen zugunsten der nationalen Flagge. Gefahr scheint beim Vor- und Nachtransport von Containern und in der Seeversicherung zu drohen, die da und dort eigenen Staatsangehörigen vorbehalten werden sollen.
Die westlichen Industrieländer werden freilich nur dann glaubwürdig sein können, wenn sie sich ihrerseits überzeugender als bisher bemühen, Marktzugangsbeschränkungen etwa nach den im Handelsverkehr bewährten Grundsätzen zu beseitigen. Probleme gibt es wegen des häufigen Einsatzes unternormiger Schiffe. Längerfristig ist deshalb ein internationales Abkommen zur Festsetzung von Mindestnormen für die Registrierung von Seeschiffen dringend erforderlich.
Daß die Bundesregierung an dem Projekt der allmählichen Schließung der offenen Schiffsregister mitarbeitet und ferner die Binnenentwicklungsländer in ihrem Bestreben unterstützt, die Verkehrsinfrastruktur zu einem vorrangigen Ziel der Entwicklungszusammenarbeit zu machen, zeugt von ihrem strukturpolitischen Engagement. Am besten wäre es freilich, wir könnten irgendwann einmal den gesamten grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr und mit ihm dann auch den Seetransport in einer dem GATT nachgebildeten weltweiten Vereinbarung unter dem Dach der Vereinten Nationen unterbringen. Mit der Bezugnahme auf das GATT ist das Ziel der Freizügigkeit gemeint. Die Bundesregierung hat mir im September dieses Jahres auf eine diesbezügliche mündliche Anfrage geantwortet, sie sehe Ansätze zu solchen Bemühungen. Im GATT selbst gibt es Bestrebungen, die Probleme des Dienstleistungsverkehrs mit dem Ziel der Liberalisierung im Rahmen des noch laufenden Arbeitsprogramms anzugehen. Die Bundesregierung treibt solche Vorhaben mit voran. Hoffen wir, daß sie Erfolg hat!
Der zweite Themenbereich, dem ich mich noch ganz kurz zuwenden möchte, betrifft die Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, auf die sich die Frage 14 der vorliegenden Drucksache bezieht. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf diese
Frage freimütig bekannt, daß sie sich mit ihrem beharrlichen Widerstand gegen die nun schon seit Kriegsende weltweit anhaltende Tendenz zur Ausdehnung der küstenstaatlichen Hoheitsbefugnisse nicht hat durchsetzen können.
Herr Kollege Hüsch, Sie waren doch vor Ort mit dabei. Tun Sie doch nicht so, als ob die Bundesregierung irgendwelche Hebel in der Hand hätte, dieses schwerfällige Gebilde Seerechtskonferenz nach ihren Belangen und Bedürfnissen zu bewegen. Sie waren mit dabei. Was soll die Kritik, die Sie hier geäußert haben?
Die weiteren Bemühungen der Bundesregierung müssen sich deshalb darauf konzentrieren, von den im Meeresvölkerrecht nun einmal schon vollzogenen Tatsachen ausgehend möglichst weitgehende Verkehrs- und Nutzungsfreiheiten zu sichern. Noch ist die Dritte VN-Seerechtskonferenz nicht zu Ende. In der Schlußrunde des nächsten Jahres wird insbesondere zur Sicherung der Verkehrsfreiheiten im Küstenmeer, für den Hohe-See-Status der Wirtschaftszone und mit den Zielen einer vernünftigen Abgrenzung des Festlandsockels, der Freiheit der Meeresforschung und natürlich auch der Meeresnutzung noch hart zu verhandeln sein.
Hierzu wie insgesamt ein paar abschließende Sätze. Die Weltwirtschaftsordnung mit Einschluß der Ordnung des Seeverkehrs ist faktisch - und soll nach unseren Vorstellungen sein - eine gemischte Ordnung. Überließe man die Weltwirtschaft - und hier konkret den Seeverkehr - sich selbst, müßten sich die Asymmetrien zu Lasten der Entwicklungsländer weiter verstärken. Das wollen wir nicht, dagegen richtet sich unsere Politik. Was wir wollen, ist Kooperation im Programm der shared responsibility. Für alle Beteiligten ist Kooperation allemal besser als Konfrontation. Die Bundesregierung hat in der Beantwortung Ihrer Großen Anfrage dargetan, daß sie in dieser Zielrichtung erfolgreich arbeitet. Sie hat dabei die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.
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Als nächster Redner hat der Abgeordnete Zumpfort das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU/CSU mit dem Thema „Tendenzen zum Protektionismus im internationalen Verkehr" befaßt sich, wenn man die einzelnen Fragen einmal genauer anguckt, eigentlich nicht, wie man es erwarten sollte, mit allen Verkehrsträgern - als da sind Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt, Straßengüterverkehr und Luftschifffahrt -, sondern hat im wesentlichen die Probleme der Seeschiffahrt und hier insbesondere die der Linienschiffahrt mit den Entwicklungsländern und den Comecon-Ländern zum Inhalt.
Ganz generell kann man wohl davon ausgehen, daß es gezielte außenwirtschaftliche Bemühungen vieler Länder gibt, speziell die Leistungen ihrer, und zwar aller, Verkehrsträger zu exportieren. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß das Schwergewicht der Wettbewerbsverzerrungen im internationalen
Verkehr zur Zeit wirklich in der Seeschiffahrt liegt. Hier gilt es allerdings, sofort eine Einschränkung zu machen.
Erstens. Unterteilt man die Seeschiffahrt in Einsatzbereiche, so hat die Tankfahrt im Jahr 1979 einen Anteil von 40,7 %, die Massengutfahrt einen Anteil von rund 23,4 %, die Linienfahrt einen Anteil von 20 %, die Trampfahrt einen Anteil von 12,7 % sowie die Kühl- und Fahrgastschiffahrt zusammen einen Anteil von 3,2 %. Diese Zahlen machen meines Erachtens deutlich, daß wir, wenn wir insbesondere über die Probleme der Linienschiffahrt sprechen, damit nur einen beschränkten Bereich der Seeschifffahrt herausnehmen.
Zweitens. Wir müssen feststellen, daß es fast ausschließlich der Bereich der Linienschiffahrt ist, in dem sich die Klagen über Protektionismus häufen, und für den gefordert wird, daß der Staat die Schifffahrt vor den staatlichen Eingriffen anderer Nationen schützen solle. In den anderen Fahrtbereichen werden die Preise im Verkehr in der Regel je nach Marktlage ausgehandelt. Dort besteht noch so etwas wie freier Wettbewerb. Das Kennzeichen der Linienschiffahrt ist es aber gerade, diesen freien Wettbewerb außer Kraft zu setzen, die Konkurrenz durch Kartellabsprachen über die Fahrtgebiete, über die Verschiffungsbedingungen sowie über die gemeinsamen Frachtraten auszuschalten und die Beförderungsbedingungen im Monopol so ertragreich wie möglich festzusetzen.
Insofern ist es gar nicht verwunderlich - das lehrt die ökonomische Theorie des Kartells -, daß das Kartell von außen ständig unter Druck steht, wobei dieser Druck von Außenseitern ausgeübt wird, die sich von dem Kuchen, den die Linienreeder gern untereinander verteilen wollen, auch ein Stück abschneiden wollen. Diese Situation hat es in der Vergangenheit eigentlich immer gegeben. Neu ist nun allerdings, daß der Wettbewerbsdruck nicht mehr zunehmend von privatwirtschaftlich operierenden Outsidern ausgeht, sondern von in der Regel staatlich gelenkten Flotten. Hierbei meine ich nicht nur den Flaggenprotektionismus durch die Länder der Dritten Welt und die Konkurrenz der Ostblockflotten, sondern auch die Konkurrenz durch die andere Großmacht auf diesem Gebiet, nämlich die USA. Dieser Aspekt wird meines Erachtens sowohl von den Fragestellern als auch von der Bundesregierung weitgehend ausgeklammert. Gerade die Schiffahrtsund Kartellgesetze der Vereinigten Staaten begrenzen nicht nur die Flexibilität der Konferenzen, sondern sie belasten die Reeder auch mit einem unvorstellbaren Verwaltungsaufwand und zwingen die Reedereien, wie es ein Reeder einmal ausdrückte, eine Armee von Rechtsanwälten einzustellen, um bei der Gratwanderung zwischen dem Kartellrecht und dem Kartellverstoß nicht abzustürzen.
Der Unterschied der USA zu den anderen Ländern bei der Bedrohung der deutschen Linienschifffahrt dürfte wohl darin liegen, daß die USA ein alter Bekannter sind, wohingegen die Entwicklungsländer und die Ostblockflotten neu hinzugetreten sind. Auf diese Entwicklung möchte ich nun insbesondere eingehen. Zunächst wieder eine Vorbemerkung: Die Folgeprobleme dieses Protektionismus, den es anzusprechen gilt, für die Schiffahrt sind sehr scharf von den Problemen zu trennen, die sich in der Schiffahrt - auch in der Linienschiffahrt - allgemein stellen. Dies sind z. B. das Überangebot an Tonnage und die konjunkturellen Schwankungen im Welthandel, woraus die noch immer nicht ganz überwundene Ratenflaute resultiert. Zu diesen Problemen gehören natürlich auch noch der Dollarverfall, die steigenden Energiekosten, die Entwicklung der Schiffsbetriebstechnik, die Veränderungen der Sicherheitsanforderungen auf den Schiffen und nicht zuletzt die allgemeine Kostensituation.
Was nun den Protektionismus angeht, so geraten die Manager in den bundesdeutschen Reedereikontoren regelmäßig in einen Zwiespalt: Einerseits wollen sie sich für einen vollständigen Abbau aller Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen, Ladungslenkung oder staatliche Regiebetriebe einsetzen; andererseits räumen sie diesen liberalen Prinzipien angesichts der massiven Beeinflussung des Wettbewerbs durch fast alle am Seeverkehr beteiligten Staaten politisch nur noch geringe Chancen ein. Die Reeder haben sich deswegen für den Ruf nach dem Staat entschieden. Dies ist allerdings nicht der so häufig gehörte Ruf nach dem Staat. Dies ist nicht ein Appell an irgendeine staatliche Stelle, in irgendeiner Weise zu subventionieren. Dies ist der Ruf danach, gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen für die deutsche Schiffahrt zu schaffen, wenn ihre Marktstellung - das gilt sowohl für die See- als auch für die Binnenschiffahrt - durch die staatliche Konkurrenz anderer Länder ernsthaft gefährdet ist.
Die Bundesregierung hat mit ihrer Antwort auf die Große Anfrage deutlich gemacht, daß sie erstens die Probleme der Schiffahrt klar erkannt, zweitens entsprechende Beschlüsse gefaßt und danach gehandelt hat und drittens auch in Zukunft handeln wird. Sie geht dabei von einem wettbewerbspolitischen Ordnungskonzept aus, das in den Leitlinien der deutschen Schiffahrtspolitik vom Oktober 1972 festgelegt ist. Danach ist die Bundesregierung verpflichtet sicherzustellen, daß eine angemessene, qualitativ hochwertige Handelsflotte, die privatwirtschaftlich betrieben wird, unter deutscher Flagge fahren kann.
Sie alle können der Antwort der Großen Anfrage entnehmen, was die Bundesregierung auf der Grundlage dieses Konzepts bereits alles getan hat. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, weil meine Vorredner dies bereits getan haben. Bemerkenswert erscheint mir jedoch, daß der Verband Deutscher Reeder an dieser Leistungsbilanz im Grundsatz nichts auszusetzen hat. Im Kern gehen die Forderungen des Verbandes Deutscher Reeder dahin, daß die Bundesregierung für eine vollständige Durchsetzung des UNCTAD-Kodex sorgt und insbesondere gegenüber den Flotten der RGW-Länder weitergehende Maßnahmen als bisher ergreift. Das ist das, was durch die Fragen auch hindurchschimmert.
Die Probleme, die dabei auf der Hand liegen, möchte ich kurz aufzählen.
Erstens. Wir alle wissen, daß nur eine internationale Lösung die Expansion des Protektionismus stoppen kann. Doch sind Zweifel berechtigt - das hat auch mein Vorredner schon deutlich gemacht -, ob noch von einer internationalen Lösung gesprochen werden kann, wenn -der Kodex überall in Kraft getreten ist. Denn inzwischen sind von zahlreichen Ländern Vorbehalte mit dem Ziel angemeldet worden, doch noch Einfluß auf die Ratenpolitik der Konferenzen zu nehmen. Das Beispiel Argentinien zeigt uns ja, daß der UNCTAD-Kodex dort verlassen worden ist und höhere Raten festgeschrieben worden sind.
Zweitens. Es muß berücksichtigt werden, daß die Outsider nicht mit in das Abkommen einbezogen sind. Deren Interessen, die schließlich zum Teil auch bundesdeutsche Interessen sind, werden hierbei nicht gewahrt. Dies ist etwas, was natürlich nicht den Beifall der Konferenzenschiffahrt findet.
Drittens. Als weiteres Problem ergibt sich, daß innerhalb der EG die Interessen der Mitgliedstaaten noch mehr aufeinander abgestimmt und in der Schiffahrtspolitik integriert werden müssen. Schon hieran zeigt sich, daß die Schiffahrt nicht allein gesehen werden darf.
Viertens. Dies wird auch in der Tatsache deutlich, daß die Schiffahrtsprobleme nicht die Handelsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und den anderen beteiligten Staaten beeinträchtigen dürfen. Ich erinnere hierbei an die Sorgen der deutschen Manager der Seehäfen sowie an die Sorgen der Verlader vor einer zu weitgehenden staatlichen Reglementierung auch durch die Bundesregierung in der Bundesrepublik selber. Darüber hinaus ist offensichtlich, daß mit einer Einführung von Meldepflichten oder sogar von Genehmigungen das Problem nicht gelöst wird, weil dann die Probleme der Häfen untereinander größer werden, während sich die Probleme für die Linienschiffahrt eventuell erleichtern. Dies kann man schon dadurch belegen, daß sich bereits das Weglassen einer Information bei einer Landungsmeldung zum Nachteil eines Konkurrenzhafens auswirken kann.
Fünftens. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich die Bundesrepublik Deutschland in dem ewigen Kreislauf protektionistischer Maßnahmen nicht an die Spitze der Bewegung stellen darf. Vielmehr muß es ihr oberstes Ziel sein, die anderen Länder auf die Vorteile der wettbewerbswirtschaftlichen Lösungen hinzuweisen. Dies gilt insbesondere für die Entwicklungsländer, denen man stets und ständig vor Augen halten muß, daß sich jede Art von Protektionismus langfristig zum Nachteil aller Beteiligten auswirkt.
Sechstens. Darüber hinaus kann man aus wettbewerbspolitischer Sicht nur davor warnen, bilaterale Handelsrahmen oder Bedingungen oder Verträge auf noch mehr Transportbereiche als bisher auszudehnen. Das entspricht nicht dem, was wir uns unter einem freien Wettbewerb und einem freien Welthandel vorstellen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, daß sie bereit ist, den Reedern auch weiterhin bei der Lösung ihrer
Probleme zu helfen. Grundsätzlich muß an dieser Stelle dann aber auch gesagt werden, daß es ureigene Aufgabe der Reeder ist, sich durch erneute und immer wieder vorgenommene Anpassungen auch diesen Verhältnissen zu stellen und ihnen aus eigener Kraft zu begegnen. Das bedeutet, es müssen weitere Anstrengungen seitens der Reeder unternommen werden, den hohen Leistungsstandard der Flotte zu halten. Denn pauschal gesehen - ich betone das aus meiner Sicht - ist keine existenzbedrohende Konkurrenz der deutschen Reeder aus den protektionistischen Tendenzen am Weltmarkt ableitbar. Schließlich gilt auch heute noch, daß der Osten dem Westen qualitativ unterlegen ist und die Entwicklungsländer vom Know-now der entwickelten Länder abhängig sind.
Von großer Bedeutung wird hierbei meines Erachtens auch das Konzept eines personalarmen Schiffes der Zukunft sein. Schiffe dieser Art sollten nun endlich in größerer Zahl als bisher in Fahrt kommen. Viel zu lange Zeit ist hier vertan worden. Die anderen Länder haben diese Zeit weidlich genutzt.
Etwas mehr Flexibilität ist hier wohl insbesondere von seiten der Gewerkschaften nötig. Man muß von den Gewerkschaften nämlich erwarten, daß sie sich diesen Strukturveränderungen stellen und ihren Mitgliedern klarmachen, daß wettbewerbssichere Arbeitsplätze besser sind als mehr Arbeitsplätze, die unsicher sind.
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Nicht zuletzt möchte ich daran erinnern, daß die Bundesregierung Anfang des Jahres ein zusätzliches Hilfsprogramm für die Schiffahrt beschlossen hat, um die Investitionskraft der betroffenen Unternehmen kurz- und mittelfristig zu stärken.
Auf Grund dieser Tatsachen glaube ich, daß die deutschen Reeder trotz aller Widrigkeiten mit Optimismus in die Zukunft sehen können, und sei es nicht zuletzt auf Grund der alten Formel: Ebbe und Flut ist Kaufmanns Gut.
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Zum Abschluß der Debatte hat nun der Herr Parlamentarische Staatssekretär Mahne das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Straßmeir, ich werde keine 30 Minuten sprechen.
Ich glaube, diese Debatte hat unsere gemeinsame Sorge über die protektionistischen Tendenzen im internationalen Verkehr deutlich gemacht. Die im großen und ganzen sehr sachlich geführte Debatte hat auch gezeigt, daß sich das Parlament hier seiner Verantwortung in besonderer Weise bewußt ist. Ich will hier nicht auf die Pflichtübungen der Oppositionspolitiker eingehen, auf Mängel in den Antworten hinzuweisen. Es ist wohl bei den Vorrednern deutlich geworden, daß hier bei sachlicher Betrachtung keine Mängel nachzuweisen sind.
Die Bundesregierung begrüßt die Gelegenheit, ihre Auffassungen in dieser Debatte noch einmal kurz darlegen zu können, denn es handelt sich hier um eine Problematik, mit der sich die Bundesregierung, die deutsche Wirtschaft und insbesondere natürlich die deutsche Verkehrswirtschaft nicht erst seit gestern konfrontiert sehen. Die Bundesregierung hat daher in den letzten Jahren bei internationalen Konferenzen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und in bilateralen Abkommen stets die Maßnahmen unterstützt, die zur Eindämmung des Protektionismus geeignet sind. Sie finden das bestätigt, wenn Sie sich den Abbau der Zölle im GATT, die Harmonisierung der Wettbewerbsvoraussetzungen in der EG und die Sicherung unserer verkehrlichen Interessen in bilateralen Verträgen ansehen.
Die Gründe, die zum Protektionismus führen, sind in der Einleitung der Antwort auf die Große Anfrage bereits genannt worden. Sie müssen ergänzt werden - und dies ist in der Debatte zum Teil ja auch geschehen - durch den Hinweis auf die Spannungen, die sich aus den Forderungen der Länder der Dritten Welt nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung mit allen sich daraus ergebenden und heute bereits spürbar werdenden Konsequenzen ergeben - bis hin zu den Problemen, die mit dem Auftreten von unterschiedlichen Wirtschaftssystemen auf dem internationalen Verkehrsmarkt zusammenhängen. Es wäre mithin falsch, anzunehmen, daß es sich hier nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt. Daher wird sich die Politik der Bundesregierung auch in Zukunft auf den internationalen Protektionismus einstellen und wird die Bundesregierung die ihr zur Verfügung stehenden Mittel gezielt einsetzen. ,Auge um Auge" oder „Wie du mir, so ich dir" kann dabei aber nicht das Leitmotiv sein; denn am Ende einer derartigen Entwicklung stünde eine Beeinträchtigung der internationalen Handelsbeziehungen, für deren Funktionieren der internationale Wettbewerb eine ganz wesentliche Voraussetzung ist. Unser Ziel muß es sein, je nach Lage des Einzelfalls oder durch vertragliche Regelungen oder sonstige Absprachen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit zu Lösungen zu kommen, die es unseren Verkehrsträgern ermöglichen, sich am internationalen Verkehrsmarkt zu behaupten.
Nur wenn annehmbare Regelungen nicht erreicht werden können, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Diesen Überlegungen entspricht die Konzeption, die die Bundesregierung in den letzten Jahren entwickelt hat und die sie konsequent multilateral wie auch bilateral verfolgt. Unsere Antwort auf die Frage 5 der Großen Anfrage zeigt das Bemühen der Bundesregierung und macht das Erreichte noch einmal deutlich. Ich glaube, Herr Kollege Sick, wir können hier, wenn wir Bilanz ziehen, durchaus von einer stolzen Bilanz sprechen.
Die Bundesregierung hat mit Nachdruck den Verhaltenskodex der Vereinten Nationen für Linienkonferenzen unterstützt und sich in Manila und innerhalb der EG für seine Annahme eingesetzt. Sie wird das Vertragsgesetz zur Ratifizierung dieses Kodex, der von einem Beteiligungsschlüssel von 40 : 40 : 20 in der Linienkonferenzschiffahrt ausgeht,
in Kürze diesem Hohen Haus vorlegen. Sicherlich werden wir hier dann noch einmal eine Aussprache darüber haben.
In der Massengutfahrt - das haben die Verhandlungen auf der 5. Welthandelskonferenz in Manila gezeigt - gehen die Ansichten über eine Regelung zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern noch weit auseinander. Hier handelt es sich um einen besonders sensiblen Seeschifffahrtsmarkt, in dem es weltweit auf einen äußerst rationellen und flexiblen Einsatz der Massengutschiffe auf wechselnden Routen ankommt. Jeder protektionistische oder dirigistische Eingriff in diesen Markt würde das System stören mit der Folge, daß sich die transportkostenempfindlichen Massengüter unnötig verteuern, was sich negativ auf die Weltwirtschaftlage auswirken könnte. Im Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt - das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal betonen -, denen die Bundesregierung ganz unbestritten das Recht auf Teilnahme an diesem Markt zugesteht, dürfen Dirigismus und Protektionismus kein Mittel zur Regelung der Massengutfahrt werden. Wo sich im bilateralen Verkehr Protektionismus breitmacht, tritt die Bundesregierung in unmittelbaren Verhandlungen diesen Tendenzen entgegen. So konnten erst kürzlich die erheblichen Schwierigkeiten im Verkehr mit Brasilien durch den Abschluß eines Schiffahrtsabkommens in diesem Jahr aus dem Weg geräumt werden. Hier wird vom Vertragspartner die ausgewogene Beteiligung deutscher Seeschiffahrtsunternehmen garantiert. Auch in der Argentinien-Fahrt gelang es vor wenigen Tagen, eine befriedigende Pool-Absprache zwischen europäischen Reedern und der argentinischen Staatsreederei zu treffen. Minister Gscheidle hatte sich persönlich bei seinem argentinischen Kollegen anläßlich dessen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dafür eingesetzt.
Man mag solche bilateralen Verträge natürlich bedauern und den multilateralen Verträgen den Vorzug geben; aber ich glaube, die Voraussetzung, um überhaupt zu multilateralen Verträgen zu kommen, ist eine Vielzahl solcher bilateraler Verträge. Wir sehen hierin, zumindest zur Zeit, die einzige Möglichkeit, um den protektionistischen Tendenzen wirksam zu begegnen. Auch jüngste Erfahrungen im Rahmen der dritten Runde deutschsowjetischer Schiffahrtsverhandlungen bestätigen die Richtigkeit des von der Bundesregierung eingeschlagenen Verhandlungsweges. Allerdings geht es in bestimmten Fragen nur mühsam und auch nur in kleinen Schritten voran. Deutliches Beispiel ist die sowjetische Beteiligung als Cross Trader in einigen nationalen Linienverkehren. Positive Entwicklungen zeichnen sich hier in den Fahrtgebieten Nordatlantik - sowjetischer Anteilsrückgang - und auch in Indien/Pakistan, - sowjetischer Beitritt zur Linienkonferenz - ab. Aber auch zur neuen kritischen Frage hinsichtlich Mittelamerikas wurde von der sowjetischen Seite die Bereitschaft erklärt, sich um einen Konferenzbeitritt zu bemühen.
Zu den Fahrtgebieten Ostafrika und Ferner Osten wurde der sowjetische Verhandlungspartner noch14754
mals aufgefordert, einen Beitrag zur Lösung der Probleme, insbesondere des Abbaus des nach wie vor hohen Anteils sowjetischer Linien, zu leisten. Ich will hier nur mit einem Satz auf die bilateralen deutsch-sowjetischen Gespräche hinweisen, die sicherlich eine wichtige Voraussetzung sind, um etwas zu erreichen; denn die UdSSR erkennt, daß die Bundesregierung auf dem Plan ist, wenn leistungsfähige deutsche Dienste auf Hauptrouten des deutschen Außenhandels durch Staatsreedereien wirtschaftlich gefährdet werden. Die Bundesregierung begrüßt daher die Bereitschaft der sowjetischen Seite, die Expertengespräche im Jahre 1980 fortzusetzen.
Ich möchte an dieser Stelle noch ein Wort den Argumenten sagen, die vorgestern vom Verband der Deutschen Reeder hier in einem verteilten Papier dargestellt wurden. Eine deutsche Zeitung zitiert die Reeder mit der Überschrift: „Bonn unterschätzt die Gefahr der roten Flotten". Ich glaube, alles, was bisher in Aktivitäten der Bundesregierung erkennbar ist, hat gezeigt, daß diese Gefahr nicht unterschätzt wird. Die Aussage der Reeder, der Anteil der sowjetischen Linien an bestimmten Verkehren sei gestiegen, ist falsch.
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Der sowjetische Anteil am gesamten Verkehr der Bundesrepublik Deutschland über deutsche Seehäfen mit dritten Ländern pendelt in den Jahren 1976 bis 1978 zwischen 4,5 und 3,9%. Sowjetische Anteilsverluste wie auch -gewinne im Jahre 1978 gegenüber dem Vorjahr halten sich in etwa die Waage.
Die Behauptung der Reeder, die Zahl der Abfahrten sowjetischer Schiffe von deutschen Seehäfen sei in diesem Jahr von 40 auf rund 50 gestiegen, hat für sich allein keinen Aussagewert. Diese Zahl kann von der Bundesregierung auch nicht bestätigt werden. Zwar ist eine Zunahme sowjetischer Abfahrten von 40 im Jahre 1977 auf etwa 45 im Jahr 1978 festgestellt worden, aber gleichzeitig hat sich die Zahl der sowjetischen Dienste ab deutschen Seehäfen von 20 auf 17 reduziert. Damit ist keine eindeutig negative Schlußfolgerung möglich.
Die Bundesregierung kann in unserer Marktwirtschaft keinem Verkehrsträger einen festen Ladungsanteil garantieren. Eine nicht angemessene Beteiligung kann auch nicht aus einem zur Zeit sinkenden Anteil der Seeschiffahrt unter deutscher Flagge am Außenhandel geschlossen werden. Immerhin stehen einem seewärtigen Außenhandel von jährlich 260 Millionen t rund 100 Millionen t weltweite Transportleistung durch die deutsche Handelsflotte gegenüber. Einen großen Teil ihrer Beschäftigung findet die deutsche Handelsflotte also im Verkehr zwischen dritten Ländern, im sogenannten Cross-Trade-Verkehr.
Ein zunehmender Anteil der Verschiffung für deutsche Rechnung findet auf ausgeflaggten und gecharterten Einheiten deutscher Schiffahrtsunternehmen statt. Am 1. Oktober 1979 waren es rund 3,8 Millionen Bruttoregistertonnen. Dies muß bei einer flaggenbezogenen Statistik und Argumentation
auch berücksichtigt werden. Bei wertmäßiger Betrachtung wird die Richtigkeit der von der Bundesregierung vertretenen Angemessenheitsthese noch deutlicher, da ein relativ großer Teil des Transports aus hochwertigen Stückgütern besteht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, multilaterale und bilaterale Regelungen werden auch in der Binnenschiffahrt angestrebt. Für den Verkehr auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen ist am 17. Oktober 1979 ein Zusatzprotokoll zur Änderung der „Mannheimer Akte" endlich unterzeichnet worden. Auch dieses Zusatzprotokoll wird in Kürze diesem Hause zur Ratifikation zugeleitet werden.
Ich will mich deshalb heute hier nur auf eine Feststellung beschränken. Die Bundesregierung betrachtet den Main-Donau-Kanal und die Lösung aller damit zusammenhängenden Fragen als ausschließlich in der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland liegend und befindet sich damit in vollem Einklang mit der KSZE-Schlußakte von Helsinki, die von der Wahrung der nationalen Souveränität ausgeht. Unser Verlangen nach Chancengleichheit und Gegenseitigkeit im Verkehr deckt sich in vollem Umfang mit der Kernaussage in der Verkehrsresolution der KSZE, die von einer angemessenen Teilnahme am internationalen Verkehr auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils ausgeht.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Eine wirksame Politik gegen den weltweiten Protektionismus im Verkehr kann selbstverständlich nur in enger Abstimmung und Übereinstimmung mit unseren EG-Partnern mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden. Unsere Konzeption ist darauf ausgerichtet. Der von uns beschrittene Weg des Dialogs und der Vereinbarungen - multilateral wie auch bilateral - ist der richtige, und wir werden ihn weitergehen.
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Meine Damen und Herren, mir liegen zu Tagesordnungspunkt 25 keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Dr. Stavenhagen, Dr. Schäuble, Biehle, Dr. George, Neuhaus, Dr. Langner, Niegel, Biechele, Dr. Kunz ({1}), Müller ({2}), Dr. Schulte ({3}), Ernesti, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU
Postversorgung auf dem Lande
- Drucksachen 8/2738, 8/3286 Berichterstatter: Abgeordneter Wuttke
Für die Aussprache ist zwischen den Fraktionen für jede Fraktion ein Kurzbeitrag vereinbart worden. Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Vizepräsident Leber
Als erster Redner hat Herr Kollege Sauter ({4}) das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion betreffend Postversorgung auf dem Lande hat bei den Betroffenen, bei der Deutschen Postgewerkschaft, in den Zeitungen, bei den Gemeindeverwaltungen und den kommunalen Mandatsträgern ein außergewöhnliches Echo gefunden. Die Menschen sind hellhörig, wenn immer wieder neue Pläne geschmiedet werden. Was da so in letzter Zeit an Reformvorhaben, an neuen Modellen für Dienstleistungen im ländlichen Raum angepriesen wurde, war manchmal eine Zumutung.
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- Darüber könnten wir uns noch separat unterhalten, Herr Vohrer, vor allem über die Haltung der FDP in dieser Frage.
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Es ist kein Wunder, meine Damen und Herren, wenn die Bürger bei Plänen aus dem Hause von Minister Gscheidle besonders mißtrauisch werden. Mir ist keine Administration bekannt, die so oft ihre Meinung ändert. Dies ist der wahre Grund, weshalb nicht nur die Opposition, sondern auch die Öffentlichkeit gegenüber Planungen aus diesem Hause so skeptisch ist. Schließlich unterliegen diese Pläne in der Regel der besonderen Geheimhaltung. Wer neue Konzeptionen entwickelt und von deren Richtigkeit und Notwendigkeit überzeugt ist, sollte aber das Licht der Öffentlichkeit und die Diskussion mit den Betroffenen nicht scheuen.
Das Problem der Postversorgung ist eine wichtige strukturpolitische Frage für den ländlichen Raum. Die Möglichkeiten der Einwirkung des Bundes auf die Strukturpolitik sind begrenzt. Dennoch sollten wir überall dort, wo eine Chance zur positiven Mitgestaltung geboten ist, diese nützen und damit einer passiven Sanierung entgegentreten.
CDU und CSU stellen mit Genugtuung fest - dies sage ich auch an die Adresse der Koalition -, daß in den Ausschüssen wesentliche Teile unseres Antrags angenommen worden sind. Meine Damen und Herren, dies ist eine eindrucksvolle Bestätigung der Richtigkeit und der Notwendigkeit dieses Antrags.
Nach unserer Auffassung fehlt der Regierung allerdings ein Konzept für die Postversorgung auf dem Lande, oder die Regierung wollte ihr Konzept vor den Wahlen nicht bekanntgeben. Im August 1976 wurde darüber ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Inhalt dieses Gutachtens blieb der Öffentlichkeit bislang vorenthalten.
Die Einsicht in die entsprechenden Papiere, die man uns jetzt freundlicherweise gewährt, zeigt deutlich, daß der Auftrag des Gutachtens einseitig ist, weil er auf einen gezielten Abbau der Präsenz der
Bundespost in den ländlichen Gebieten ausgerichtet ist.
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- Ich komme ja gleich darauf.
Die Vorgaben des Ministeriums für dieses Gutachten - und darum geht es - haben das Ziel, die postalische Versorgung vor allen Dingen durch fahrbare Postschalter zu ermöglichen. Ortsfeste Annahmestellen sollen nur dort bestehenbleiben, wo eine Arbeitskraft allein durch den Annahmedienst voll ausgelastet ist. Dies bedeutet das Ende von Tausenden von Postdienststellen. Meine Herren vom Bundespostministerium, das Ergebnis des von Ihrem Hause bestellten Gutachtens bestätigt vollinhaltlich alle von uns vorgetragenen Bedenken.
Es wird gesagt, dieses Modell dürfe nicht zur Grundlage eines neuen Konzepts gemacht werden; es heißt weiter, die personellen Folgewirkungen seien beträchtlich. Die Deutsche Postgewerkschaft wehrt sich völlig zu Recht gegen dieses Vorhaben. Die Vertreter der Gewerkschaften haben sich an die Gemeinden, an die Bürgermeister, gewandt und haben eine außerordentlich positive Resonanz gefunden. Man liest im Gutachten weiter, daß mit nachdrücklichem Widerstand des Personals zu rechnen sei. Meine Damen und Herren, die Bediensteten der Deutschen Bundespost sind durch die unrühmlichen Rationalisierungsmaßnahmen der Bahn hinreichend gewarnt.
Durch den fahrbaren Postschalter wird in aller Regel keine zufriedenstellende Bedienung der ländlichen Räume erreicht.
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- Herr Dr. Vohrer, der in Südbaden gestartete Versuch unterstreicht diese Feststellung. Aufenthaltszeiten von ca. einer halben Stunde in den Ortschaften und den Ortsteilen bringen große Nachteile. Kurze Haltezeiten können von den Bürgern im ländlichen Raum in der Regel nicht wahrgenommen werden. Ich denke hier vor allem an Berufstätige, an Gewerbetreibende und Landwirte, aber auch an Hausfrauen. Die Verkehrsverhältnisse und die Unbilden der Witterung führen zu Unpünktlichkeit. Die Kunden warten dann stundenlang im Freien auf die Post und ärgern sich zu Recht. In einigen Jahren könnte die Bundespost zudem zu der Überlegung kommen, diese fahrbaren Schalter seien unrentabel und deshalb abzuschaffen. Skepsis und Mißtrauen gegenüber dem Postministerium kommen nicht von ungefähr, sondern sind wohlbegründet.
Wir werden uns einer solchen Regelung, die zwangsläufig den Rückzug aus der Fläche bedeutet, mit allem Nachdruck widersetzen. Meine Damen und Herren, die Monopolstellung der Bundespost ist kein Freibrief für Entscheidungen, die sich gegen den Kunden richten.
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Lassen Sie mich eine kurze Anmerkung zu den personellen Konsequenzen machen, die niemand
Sauter ({5})
genau vorhersehen kann, die aber auf jeden Fall schwerwiegend sein werden, weil hier Arbeitsplätze verlorengehen. Auch Teilzeitbeschäftigung ist ja nach Auffassung dieses Hohen Hauses ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Der Dienst bei der Post bietet vielen Zu- und Nebenerwerbslandwirten, aber auch Frauen und Müttern eine notwendige zusätzliche Einkommensquelle. Zwischen 1970 und 1978 ist die Zahl der Poststellen um 6 000 verringert worden. Der Minister wollte eine weitere Reduzierung um 8 000 auf 5 000 Stellen. Dies ist ein Rückzug aus der Fläche und ein Verlust von Arbeitsplätzen. Schließlich verlieren die Gemeinden mit dem Weggang der Post eine Stätte der Begegnung und des Gedankenaustauschs.
Meine Herren vom Postministerium, wir bitten Sie daher, dem Parlament ein Konzept vorzulegen, das die Interessen des ländlichen Raumes berücksichtigt.
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Wir können uns über diese Frage durchaus auch im Wahlkampf unterhalten. Es ist ja manchmal rührend, zu erfahren, wie sich Abgeordnete und Kandidaten draußen in den Dörfern als Anwalt des ländlichen Raumes geben. Hier ist eine Frage aufgerollt, wo alle Farbe bekennen müssen.
Das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit wird von uns nicht verkannt. Dennoch hat die Post als Monopolunternehmen eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung. Ein staatliches Unternehmen des Dienstleistungsbereiches kann nicht nur nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Wer ernsthaft Strukturpolitik im ländlichen Raum treiben will, muß vor allem den Dienstleistungsbereich verbessern, auch unter Hintanstellung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Eine gute postalische Versorgung ist eine wichtige Voraussetzung - ich wiederhole es -, um Arbeitsplätze auf dem Land zu erhalten bzw. neu zu schaffen. Nach unserer Auffassung sollten die weiteren Planungen in Ihrem Hause, Herr Minister, nicht mit dem Ziel gemacht werden, möglichst viele Poststellen wegzurationalisieren, sondern mit der festen Absicht, möglichst viele Poststellen zu erhalten. Lassen Sie mich als Orientierung sagen: Orte mit 400 bis 500 Einwohnern und darüber sollten ihre Poststelle behalten können. Bei solchen Planungen, meine Damen und Herren, haben Sie uns als Bundesgenossen.
Darüber hinaus sollten neue Wege und Möglichkeiten nicht verbaut werden. Kooperationen mit Gemeinden oder anderen Dienstleistungsunternehmen am Ort könnten eine wertvolle Hilfe sein. Einmal soll nach unserer Auffassung das vorhandene Angebot der Dienstleistungen der Post erhalten werden, aber es sollten auch neue Entwicklungen stärker an den Bedürfnissen der ländlichen Räume orientiert werden. Dem weiteren Rückzug aus der Fläche durch die Post gilt unser Widerstand. Die negativen Erfahrungen mit der Bahn sind ein abschreckendes Beispiel. Die Post kann einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse auf dem Lande leisten. Die Menschen, die in
diesen Räumen leben, haben dies auch wirklich verdient.
Da dem Parlament über das weitere Verfahren berichtet wird, stimmen wir dem Antrag zu.
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Als nächster Redner hat der Abgeordnete Wuttke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hinweis des Unionssprechers: „Wir können uns darüber auch im Wahlkampf unterhalten" zeigt, mit wie wenig Sachverstand vorgetragen wurde und wie Emotionen wirken.
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Die Postversorgung auf dem Lande ist sicherlich ein politisch sensibles Thema, das viele Bürger unmittelbar angeht. Jeder Abgeordnete - ich sage: jeder Abgeordnete - muß sich bei seiner Wahlkreisarbeit mit der Landversorgung befassen. Denn fast alle Abgeordneten, deren Wahlkreis in der Fläche liegt, sind von Postkunden, Gemeinden, Fremdenverkehrsvereinen und verschiedenen anderen Gruppierungen wegen der beabsichtigten Maßnahmen des Ministeriums angegangen worden. Natürlich wurde hier und da mit Emotionen gearbeitet, und es wurden auch Schlagworte verwendet. Daraus erwächst die Schwierigkeit für die politische Diskussion, daß die Ergebnisse auf einer einseitigen Betrachtung aufgebaut sind.
Deshalb begrüße ich, daß nun eine sachliche Unterrichtung durch das zuständige Bundespostministerium zu erwarten ist, damit der Politiker in die Lage versetzt wird, abzuwägen und seine Entscheidung danach auszurichten.
Man hört oft, daß sich die Bundespost auf leisen Sohlen aus ihrer Verantwortung für die Postversorgung auf dem flachen Lande herausschleichen wolle. Der Postminister hat schon vor Jahren versichert, daß die Post nicht bereit ist, den Rückzug aus der Fläche anzutreten. Er hat weiter erklärt, daß er darin, daß andere sich aus der Fläche zurückziehen, eine zusätzliche Chance für neue Tätigkeitsbereiche sieht. Hier nehmen wir ihn beim Wort.
Bereits seit Jahren zeigt sich, daß die ständig rückläufige Inanspruchnahme von postalischen Dienstleistungen auf dem Lande nach den geltenden Organisationsregeln zur Aufhebung zahlreicher kleiner Poststellen führt. Ich kann darauf verzichten, die vielfältigen Gründe, die hierfür ausschlaggebend sind, im einzelnen aufzuführen. Das wurde auch schon oft diskutiert.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Strukturwandel in der Fläche, der z. B. durch erhöhte Mobilität der Bevölkerung, durch Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und durch stärkere Motorisierung, aber auch durch den starken Ausbau des Fernsprechnetzes gekennzeichnet ist, eben zu diesem starken Rückgang geführt hat. Dies hat im Ergebnis dazu geführt, daß es immer wieder mal Poststellen gab und auch heute noch gibt, für deren Erhalt unter
rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Daseinsberechtigung besteht. Wenn früher Poststellen geschlossen wurden, kam als Ersatzorganisation meist nur der Landzusteller in Frage. Dies ist unbestreitbar ein qualitativer Unterschied in der Postversorgung. Hier setzten bereits 1969 konkrete Überlegungen im Postministerium an, diesen- Unterschied durch Einführung eines neuen Organisationsmittels, nämlich des fahrbaren Postschalters, zu verringern.
In der Praxis kommt es ganz entscheidend darauf an, wie die Abgrenzung zwischen Poststelle und fahrbarem Postschalter einerseits und zwischen Landzusteller und fahrbarem Postschalter andererseits definiert wird. Es hat ja ein Gutachten einer Arbeitsgruppe gegeben, das konkrete Schnittstellen für den Ersatz von Poststellen durch fahrbare Postschalter festgelegt hat und besonders unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einschneidenden Ergebnissen gekommen ist.
Man mag die Bemühungen des Postministers um eine bürgerfreundliche Lösung daran erkennen, daß er dieses Gutachten einer Gruppe von sechs Präsidenten von Oberpostdirektionen noch einmal zur Überprüfung gab. Diese Überprüfung ist soweit abgeschlossen. Die Präsidentengruppe stellte heraus, daß sich der fahrbare Postschalter als kundenfreundliches, flexibles und wirtschaftliches Organisationsmittel bewährt hat und eingesetzt werden sollte. Auf die Festlegung fester Schnittstellen zwischen Poststelle und fahrbarem Postschalter und Landzusteller sollte nach dem Vorschlag der Präsidenten verzichtet werden. Für die Oberpostdirektionen wird vielmehr weitgehender Ermessensspielraum für den Einsatz fahrbarer Postschalter gefordert, damit die örtlichen Gegebenheiten, z. B. Kundengewohnheiten, Verkehrsverhältnisse und die personellen Voraussetzungen, besser berücksichtigt werden können. Auf dieser Basis arbeitet das Postministerium zur Zeit ein Versorgungskonzept aus.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet von dem Bundespostminister, daß dabei folgende Zielsetzungen verwirklicht werden:
Erstens. Die flächendeckende Postversorgung auf dem Land wird im Interesse unserer Bürger auch künftig sichergestellt. Es kann und darf für die deutsche Bundespost keinen Rückzug aus der Fläche geben.
Zweitens. Grundpfeiler der Postversorgung auf dem Lande sind und bleiben die ortsfesten Postämter und Poststellen.
Drittens. Der fahrbare Postschalter sollte nur dann eingesetzt werden, wenn das Verkehrsaufkommen einerseits zu hoch ist, um den Landzusteller einsetzen zu können, andererseits zu gering ist, um eine leistungsfähige ortsfeste Annahmestelle in ihrer Existenz zu sichern. Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit bereits durch die bisherige Auflösung von Poststellen Versorgungslücken entstanden sind, die z. B. durch den fahrbaren Postschalter ausgeglichen werden können.
Viertens. Bei allen Maßnahmen sind die Belange der betroffenen Posthalter in sozialverträglicher Weise zu berücksichtigen.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird der Nr. 1 des Antrags der Opposition, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, unverzüglich ein Konzept für die künftige Postversorgung auf dem Land vorzulegen, zustimmen. Die beiden weitergehenden Anträge erscheinen uns jedoch nicht sachgerecht. Eine Darstellung, welche einzelnen Poststellen möglicherweise aufgehoben oder neu errichtet werden sollen, setzt logischerweise das Vorhandensein eines Organisationskonzepts voraus. Dieses wäre abzuwarten. Wenn das Konzept dann so aussieht, daß derartige Einzelentscheidungen nur von Fall zu Fall unter Würdigung der örtlichen Umstände und der wechselnden strukturellen und personellen Verhältnisse getroffen werden, und gleichfalls der Forderung der SPD-Fraktion Rechnung getragen ist, kann für die weiteren Anträge der Opposition kein Raum mehr sein.
Ich verweise ausdrücklich auf meinen Ausschußbericht, in dem klargestellt ist, daß der Verkehrsausschuß erwartet, daß ihm jeweils in angemessenen Zeitabständen Zwischenberichte darüber gegeben werden, zu welchen Auswirkungen die neue Richtlinie geführt hat und wie die optimale Bedienung der Bürger in der Fläche gewährleistet wird.
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Als letzter Redner hat Herr Abgeordneter Hoffie das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU hat mit dem vorliegenden Antrag verlangt, Klarheit über Planungen zur Postversorgung auf dem Lande zu schaff en.
Nun haben die Ausschußberatungen ganz unmißverständlich Auskunft über die derzeitige Versorgungssituation und auch über die laufende Weiterentwicklung der bestehenden Dienstleistungsangebote der Post gegeben. Das ist zumindest im Ausschuß, unter den Fachleuten, auch seitens der Opposition gewürdigt worden. Schon von daher ist es ein bißchen merkwürdig, Herr Kollege Sauter, daß Sie sich als Nichtmitglied dieses Ausschusses offenbar nicht genügend über das haben unterrichten lassen, was dort diskutiert worden ist; denn sonst hätten Sie hier nicht erneut und entgegen der Meinung Ihrer Kollegen, die Ausschußmitglieder sind, die Behauptung aufstellen können, die Post wolle sich aus der Fläche zurückziehen. Dann hätten Sie nicht den Versuch gemacht, Verunsicherung zu betreiben und Wahlkampfmunition anzusammeln.
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In Wahrheit, Herr Sauter, sieht es so aus, daß diejenigen, die sich bei Ihnen mit der Materie etwas näher beschäftigen, zu anderen Ergebnissen kommen. Zum Beispiel hat Ihre Kollegin Hoffmann in einem Interview mit der „Rothenburger Kreiszeitung" gerade festgestellt, welche hervorragenden Verbesserungsmöglichkeiten gegeben sind, wenn man flexibel genug ist und dort, wo es möglich ist, fahrbare
Postschalter einsetzt. Sie sagte wörtlich: „Die jetzige Situation zeigt, daß die Post außerordentlich anpassungsfähig ist.''
Ich bringe noch zwei weitere Belege dafür, wie Sie an der Sache vorbeigesprochen haben: Sie sagten, es gebe genügend Landwirte, die an einem Nebenerwerb als Posthalter interessiert seien.
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Die Wahrheit ist: Es gibt Schwierigkeiten, heute genügend neue Posthalter zu finden. Allein 2 000 Poststellen sind mit Beamten besetzt. Wenn ein solches Angebot, wie Sie es darzustellen versucht haben, tatsächlich vorhanden wäre, befänden wir uns nicht in dieser Schwierigkeit.
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Nein, im Ausschuß hat sich vielmehr gezeigt, daß eine Einschränkung der Postversorgung auf dem Lande von der Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen ist. Derartige Absichten oder Programme würden auch auf den erklärten Widerstand der FDP-Bundestagsfraktion stoßen. Es konnte im Ausschuß verdeutlich werden, worum es geht, um die schwierige Aufgabe, einen neuen Kompromiß zwischen dem Erfordernis der wirtschaftlichen Gestaltung des Angebots und der Sicherstellung des öffentlichen Versorgungsauftrages der Bundespost zu finden.
Der Bundespostminister versucht mit großer Umsicht und mit Sorgfalt, das Dienstleistungsangebot in der Postversorgung auf dem Lande den sich verändernden Bedingungen so anzupassen, daß für den jeweils örtlichen Einzelfall maßgeschneiderte Lösungen nicht zu einer Leistungseinschränkung, sondern eher zu einer Leistungsverbesserung führen. Diese veränderte Entwicklung ist notwendig geworden, weil die Kreis- und Gebietsreform in allen Bundesländern zu einer Zentralisierung der Zustelldienste geführt hat.
Herr Sauter, Sie haben vorhin gefragt: Wie war denn die Haltung der FDP in Baden-Württemberg in der Frage der Kreisreform? Ich will Ihnen das sagen; Sie sollten sich eigentlich daran erinnern können. Gerade die FDP in Baden-Württemberg hat die Forderung unter der erklärten Zielsetzung erhoben „Keine Kreisreform gegen den Bürger". Das, was Ihre Parteifreunde dort getan haben, war das Gegenteil.
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Herr Schulte, ich will Ihnen einmal sagen, wie das in Baden-Württemberg so läuft, auch heute noch. Dort haben Sie sich das zu eigen gemacht, was viele Bürger aufgegriffen haben. Die haben nämlich gesagt, die alten historischen Ortsnamen sollten z. R. wieder auf die Ortseingangs- und Ausgangstafeln gesetzt werden, damit man auch in Ihrem Lande weiß, wo man sich befindet. Das ist durchgesetzt worden. Aber die Bürger sind immer noch über das, was Sie dort geleistet haben, verärgert. Nun wird der Versuch gemacht, die ganze Wut auf die Deutsche Bundespost zu konzentrieren, indem Sie sagen: Man darf die historischen Ortsbezeichnungen nicht mehr in der Adresse - z. B. auf einem Brief - aufführen. Sie wissen sehr genau, daß dies möglich ist. Nur, nachdem Sie jetzt in der Frage der Verkehrsbeschilderung gemerkt haben, daß das allein nicht ausreichend ist, um Ihre Fehler zu korrigieren, wird nun der ganze Arger in Richtung auf Bonn, nämlich in Richtung auf die Deutsche Bundespost, gelenkt, weil Sie meinen, damit Ihre eigenen Unzulänglichkeiten bei dieser Kreisreform wegdiskutieren oder überschatten zu können.
Ich möchte sagen, daß weitere veränderte Bedingungen auch dadurch eingetreten sind, daß die Mobilität der Bevölkerung bei wachsender Motorisierung und ständig größer werdenden Pendlerströmen die Benutzung der Post immer stärker in die Nähe der Arbeitsplätze in den Zentren, in den Städten, verlagert haben. Eine weitere Veränderung besteht natürlich darin, daß z. B. durch das Vordringen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Umsatzrückgänge bei den ländlichen Postdienststellen zu verzeichnen sind. Es kann uns dabei, meine Damen und Herren, nicht gleichgültig lassen, wenn die Postversorgung auf dem Lande bei gleichzeitig steigenden Personalkosten zu einer Verlustquelle von wachsender Bedeutung geworden ist.
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- Nein, ich will Ihnen das ja gerade zu erklären versuchen. - Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, daß das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen kontinuierlich überprüft, wie das Netz der rund 12 000 Poststellen den veränderten Bedingungen angepaßt und gestaltet werden kann. Dabei wird es sicher nicht so sein können, daß jeder einzelne Bauernhof über seine eigene Posthalterstelle verfügen kann.
Nach unserer Auffassung bilden die Empfehlungen der Präsidentenkommission eine gute Grundlage, um auf pragmatische Weise zu einem Kompromiß zwischen einem optimalen Service einerseits und einem kostenorientierten Handeln andererseits in der Versorgung des flachen Landes zu gelangen. Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn die Vorschläge der Präsidentenkommission zum Konzept für die künftige Postversorgung auf dem Lande gemacht werden. Dies sollte aber einschließen, daß in jedem örtlichen Einzelfall geprüft wird, ob die feste Poststelle oder der fahrbare Postschalter oder der Landzusteller mit erweiterten Funktionen das geeignetere Angebot für den Kunden darstellen. In jedem Fall reichen' diese verschiedenen Organisationsmittel aus, um eine optimale Postversorgung auch auf Dauer zu sichern. Sie sind sogar geeignet, wesentliche Verbesserungen in der Versorgung herbeizuführen.
In diesem Zusammenhang wollen wir auf folgendes hinweisen.
Erstens. Die heutigen Poststellen, insbesondere die Poststellen des Typs 2, haben häufig keine beHoffie
sonders günstigen Standorte. Dies hängt zum Teil mit der Siedlungsentwicklung, zum Teil aber auch mit dem Wohnsitz des Posthalters zusammen. Durch fahrbare Postschalter können die günstigeren Standorte gewählt werden. Dies bedeutet, daß die Wege kürzer werden, so daß sich die Dienstleistungsqualität erhöht.
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Zweitens. Es kann außerdem davon ausgegangen werden, daß für die fahrbaren Postschalter besonders qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Herr Kollege Gerster, bis wir dahin kommen, daß wir fahrbare Briefkästen haben werden, wird es noch ein bißchen dauern. Ich weiß, da gibt es irgendein Wimbledoner Modell, das sich damit befaßt.
Meine Damen und Herren, ob diese oder andere Argumente im Einzelfall entscheidend sind, kann nur vor Ort geprüft werden. Das gilt für jede einzelne Organisationsentscheidung. Man sollte sich daher davor hüten, schematische Organisationskonzepte durchsetzen zu wollen, sondern sollte den Oberpostdirektionen und den ihnen nachgeordneten Ämtern die Gelegenheit geben, in gründlicher und sachlicher Zusammenarbeit mit den Gemeinden alle Entscheidungen vorzubereiten. Wenn dies geschieht, können, dessen sind wir sicher, die zum Teil heftigen Diskussionen der letzten Monate rasch beendet werden. Dazu würde auch beitragen - und dies empfiehlt ja der Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen -, wenn die Bundesregierung in Kürze das zugesagte Konzept über die künftige Postversorgung auf dem Lande vorlegt und in Abständen über die Entwicklung des Dienstleistungsangebotes der Öffentlichkeit berichtet. Von daher, glaube ich, können wir alle davon ausgehen, daß dieses Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten werden kann.
Da ich auch heute der letzte bin, der von dieser Stelle aus sprechen darf, darf ich Ihnen wiederum ein schönes Wochenende wünschen, ein, wenn möglich auch weitgehend politikfreies Wochenende.
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Denjenigen, meine Damen und Herren, die als Mitglieder des Verkehrsausschusses nach Wimbledon reisen werden, um dort die Wimbledon-Konzeption weiter zu diskutieren, darf ich wünschen, daß sie in Wimbledon nicht nur Schlagsahne und frische Himbeeren, durch die sich Wimbledon ja besonders auszeichnet, sondern hoffentlich auch schönes Wetter genießen können.
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Meine Damen und Herren. Weitere Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt 26 liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/3286. Der Ausschuß empfiehlt die Annahme der Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Empfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 28. November 1979, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.