Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Unser Kollege Wissebach feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ich möchte ihm namens des Hauses unsere herzlichen Glückwünsche dazu sagen.
({0})
Ich wünsche ihm, daß er bei guter Gesundheit auch den Rest seines Jahrhunderts noch vollendet.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. April 1979 bis 30. September 1979 - Drucksache 8/3234 - dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Schulte ({1}). von der Heydt Freiherr von Massenbach. Carstens ({2}), Gerster ({3}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Aufkaufe privater Unternehmen durch Bundesunternehmen - Drucksache 8/3183 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3284 ver- teilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 10. bis 16. Oktober 1979 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/3280 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung hat der Präsident des Deutschen Bundestages den Entwurfs eines Gesetzes über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung - Drucksache 8/ 3126 - in der vom Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beschlossenen Fassung dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 28 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten
Strafrechtsänderungsgesetzes ({4})
- Drucksache 8/3218
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Rechtsausschuß
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In seinem Urteil vom 21. Juni 1977 hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung nicht nur in ihrem Bestreben bekräftigt, die Aussetzung eines Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe gesetzlich zu regeln, sondern darüber hinaus eine solche Regelung für verfassungsrechtlich geboten erklärt. Es hat hierzu ausgeführt, es gehöre zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs, auch den zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zu belassen, wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die bloße Möglichkeit der Begnadigung allein genüge dafür nicht.
Herr Minister Vogel hat im Bundesrat darauf hingewiesen, daß durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die bis dahin lebhaft geführte Diskussion, ob die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe gesetzlich geregelt werden sollte, im Sinne der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung ihr Ende gefunden habe. Heute kann es deshalb nur noch um die Ausgestaltung der Regelung gehen. Es geht damit nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.
Hier weichen allerdings die Ansichten der Bundesregierung und des Bundesrats zum Teil voneinander ab. Dies gilt vor allem für die Frage, an welche Mindestverbüßungszeiten eine von den Gerichten zu beschließende Aussetzung geknüpft werden soll. Während der Regierungsentwurf eine Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren vorsieht, schlägt der Bundesrat eine Erhöhung dieser Frist auf 20 Jahre vor, wobei er sich nicht zuletzt auf die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts stützt, nach der die zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten im Durchschnitt nach einer Haftdauer von - ich zitiere wörtlich - „ungefähr zwanzig Jahren" entlassen zu werden pflegen. Dabei übersieht der Bundesrat indessen, daß Mindestverbüßungszeit und Durchschnittsverbüßungszeit nicht gleichgesetzt werden können. Denn im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit kommt eine bedingte Entlassung des Verurteilten jedenfalls so lange nicht in Betracht, wie eine Aussetzung des Strafrestes wegen ungünstiger Sozialprognose nicht verantwortet werden kann. Darin ist sich der Bundesrat, von Fassungsfra14246
gen der Prognoseklausel einmal abgesehen, mit der Bundesregierung einig.
Außerdem - und auch insoweit simmt der Bundesrat der Bundesregierung zu - ist eine bedingte Entlassung schon nach Ablauf der Mindestverbüßungszeit dann auszuschließen, wenn die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten oder auch die Verteidigung der Rechtsordnung eine weitere Vollstreckung der Strafe gebietet. Muß die Strafe deshalb in nicht wenigen Fällen über die Mindestverbüßungszeit hinaus vollstreckt werden, so wirkt sich dies zwangsläufig dahin aus, daß die durchschnittlichen Verbüßungszeiten über den Mindestverbüßungszeiten liegen müssen. Eine Heraufsetzung der Mindestverbüßungszeit auf 20 Jahre würde damit nunmehr im Durchschnitt eine über 20 Jahre liegende Verbüßungszeit zur Folge haben.
Daß dies nicht etwa nur theoretische Erwägungen sind, zeigen schon die nüchternen statistischen Zahlen der Vergangenheit Für den gleichen Zeitraum, für den das Bundesverfassungsgericht eine durchschnittliche Haftdauer von 20 Jahren für den zu lebenslanger Freiheitssstrafe Verurteilten ermittelt hat, liegen auch die Ergebnisse einer ins Detail gehenden Umfrage bei den Ländern vor. Diese Zahlen sind recht interessant. Danach sind von den seit dem 8. Mai 1945 zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten bis Ende des Jahres 1975 - das ist der Erfassungszeitraum - 660 Gefangene im Gnadenweg bedingt entlassen worden, darunter 429 Verurteilte nach einer Strafhaft von weniger als 20 Jahren. Auch der einer breiten Öffentlichkeit bekanntgewordene Gnadenerweis im Fall der Frau Vera Brühne durch den Herrn bayerischen Ministerpräsidenten fügt sich bei einer Gesamthaftzeit der Begnadigten von etwas mehr als 18 Jahren in dieses Gesamtbild ein.
Gründe, die es rechtfertigen könnten, eine gegenüber der bisherigen Gnadenpraxis restriktivere Lösung zu wählen, sind vom Bundesrat nicht dargetan worden. Daß eine um zwei, drei oder fünf Jahre erhöhte Mindestverbüßungszeit eine meßbar stärkere Abschreckungswirkung auf potentielle Täter auszuüben vermag, wird wohl kaum nachzuweisen sein. Ich erinnere nur daran, daß die Verurteiltenziffern bei Mord und Totschlag in den ersten zwölf Jahren nach der Abschaffung der Todesstrafe durch das Grundgesetz eine stetig abnehmende Tendenz gezeigt haben. Ihr späteres erneutes Ansteigen läßt sich jedenfalls nicht mehr mit der Rechtsänderung des Jahres 1949 in Verbindung bringen. Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang ebenfalls die Feststellung, daß auch die eingangs erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1977 und damit die Erwartung einer gesetzlichen Regelung der Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafen nicht etwa zu einem Anstieg der Mordkriminalität geführt haben. Im Gegenteil: Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für das Jahr 1978 sogar einen Rückgang der Mordkriminalität gegenüber dem Vorjahr aus, und zwar um 6,7 %.
Der Vorwurf, daß die Regelung des Entwurfs die Grenze zwischen lebenslangen und zeitigen Freiheitsstrafen verwische, trifft nicht zu. Der Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren bei der lebenslangen Freiheitsstrafe würde regelmäßig, etwas vereinfacht gesagt, eine zehnjährige Mindestverbüßungszeit bei der höchsten zeitigen Freiheitsstrafe gegenüberstehen. Der Abstand bleibt damit sichtbar gewahrt.
Der Vorschlag des Bundesrates, die Mindestverbüßungszeit auf 20 Jahre zu erhöhen, erscheint mir nach allem nicht nur überzeugend, er ist auch mit den internationalen Tendenzen nicht in Einklang zu bringen. Von den westeuropäischen Staaten, die die Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafen gesetzlich geregelt haben, erwähne ich in diesem Zusammenhang Belgien, das bei Ersttätern eine Mindestverbüßungszeit von zehn Jahren kennt, und Norwegen, dessen Gesetz eine bedingte Entlassung nach zwölf Jahren vorsieht während gnadenweise Entlassungen bereits nach zehn bis elf Jahren die Regel sind; ferner nenne ich Luxemburg, Osterreich und die Schweiz, deren Gesetze Mindestverbüßungszeiten von 15 Jahren verlangen. In Großbritannien regelt ein Gesetz vom Jahr 1967 die bedingte Entlassung durch den britischen Innenminister, ohne Mindestverbüßungszeiten anzugeben. Ein Gesetz vom Jahre 1965 erlaubt allerdings dem erkennenden Gericht, Mindestfristen zu bestimmen, vor deren Ablauf eine Aussetzung des Strafrestes nicht erfolgen soll. In der Mehrzahl der Fälle dürfte die bedingte Entlassung aber auch hier nach einer Haftzeit von sieben bis zwölf Jahren erfolgen. In Dänemark, den Niederlanden und Schweden entscheidet allein der Gnadenträger über die Aussetzung der Strafe. Auch hier dürften längere Haftzeiten als 15 Jahre die Ausnahme bilden.
Negative Erfahrungen sind mir aus den genannten Staaten nicht bekanntgeworden, obwohl gerade die Länder mit den niedrigsten Verbüßungszeiten - das sind Belgien und Norwegen - auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken können.
Angesichts dieses Befundes stelle ich mir ernstlich die Frage: Sollten wirklich die Deutschen in stärkerem Maße als die Bürger unserer Nachbarstaaten der Abschreckung durch das Gesetz bedürfen? Sollen wir bei unseren gesetzgeberischen Überlegungen die Entschließungen des Ministerkomitees des Europarates im Rechtsbereich unberücksichtigt lassen, nach denen die Möglichkeiten für eine Entlassung der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten zu einem weit früheren Zeitpunkt geprüft werden sollen? Der Europarat denkt hier an eine Überprüfung nach acht bis längstens 14 Jahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort im Rückblick auf die hinter uns liegende Verjährungsdebatte sagen, um Mißverständnisse auszuräumen. Es ist von verschiedenen Seiten wiederholt die Meinung geäußert worden, eine Aufhebung der Strafverfolgungsverjährung bei Mord und die in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen schlössen einander aus. Ich muß gestehen, daß es mir schwerfällt, diese Ansicht nachzuvollziehen. Die Verjährungsdiskussion betrifft die Frage, ob dem Staat das Recht zustehen soll, den Täter eines MordParl. Staatssekretär Dr. de With
verbrechens auch noch nach Ablauf von 30 Jahren zur Rechenschaft zu ziehen. Die Aussetzung der Strafe dagegen betrifft die Frage, welches Maß an Vollstreckung im individuellen Fall geboten ist.
Wir sollten uns im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens emotionsfrei um eine von einer breiten Mehrheit getragene Lösung bemühen, eine Lösung, die zugleich auch den internationalen Bestrebungen im Bereich der langfristigen Freiheitsstrafen Rechnung trägt.
({0})
Der Entwurf ist begründet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich erteile nun Herrn Minister Eyrich, der für den Bundesrat spricht, das Wort.
Minister Dr. Eyrich ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 16. Februar 1979 zu dem Vorhaben der Bundesregierung Stellung bezogen. Die Bundesregierung hat sich danach mit der Gegenäußerung zu dem, was der Bundesrat vorgeschlagen hat, etwas Zeit gelassen. Obwohl diese etwas längere Zeit verstrichen ist, ist das eigentlich für das weitere Verfahren nicht unbedingt förderlich gewesen. Ich denke daran, daß früher Argumente ausgetauscht wurden. In der Gegenäußerung der Bundesregierung wurden jedoch lediglich aus der Begründung dieses Gesetzes die Argumente wieder übernommen, während auf das, was der Bundesrat gesagt hat, nicht eingegangen wurde. Wir sollten uns, meine ich, noch einmal verdeutlichen, was eigentlich das Ziel dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war.
Das Bundesverfassungsgericht hat nichts anderes gewollt - das hat es ganz klar im Urteil zum Ausdruck gebracht - als erstens die Verrechtlichung der Gnadenpraxis - einer unterschiedlichen Gnadenpraxis in den Ländern - unter Berücksichtigung einer möglichen anderen Einschätzung des § 211, des Mordtatbestandes. Das Bundesverfassungsgericht hat zweitens gesagt, daß die Verrechtlichung der Gnadenpraxis mit einer angemessenen und ausreichenden Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Bevölkerung einhergehen muß.
Dies sind für meine Begriffe die zwei entscheidenden Gesichtspunkte, die aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ersichtlich sind. Ich meine, wenn die Verrechtlichung möglicherweise auch gelungen ist, so ist sie deswegen unvollkommen gelungen, weil sie dem zweiten Teil, nämlich dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit, möglicherweise - ich bin hier vorsichtig in meinem Urteil - nicht in ausreichendem Maße entgegenkommt.
Lassen Sie mich, um die Position noch einmal klarzumachen, die zwei entscheidenden Punkte nennen. Der Bundesrat hat gefordert, daß anstelle einer 15jährigen Mindestverbüßungsdauer eine 20jährige Mindestverbüßungsdauer treten soll und daß dort, wo es um die Frage geht, ob jemand aus dieser lebenslangen Haft entlassen werden kann, geprüft werden soll, ob genügend Gewähr dafür geboten ist, daß der Entlassene auch ein straffreies Leben führen wird.
Darauf möchte ich kurz eingehen. Der Bundesrat hat, als er diesen Vorschlag der Heraufsetzung von 15 auf 20 Jahre machte, zu bedenken gegeben, daß das Bundesverfassungsgericht - davon sprach ich vorhin - in seinem Urteil auch angedeutet hat, daß in Zukunft der Mordtatbestand restriktiv ausgelegt werden soll. Dies wird doch - das muß man der Bundesregierung sagen - am Ende dazu führen, daß künftig nur noch bei Tötungshandlungen von ganz besonderer Verwerflichkeit lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden wird. Da ist es doch geradezu selbstverständlich, daß der Unterschied zwischen der lebenslangen Freiheitsstrafe und der zeitigen Freiheitsstrafe, nämlich 15 Jahre, verwischt wird. Wenn dies so ist, müssen wir dafür sorgen, daß eine solche Verwischung, eine solche Einebnung nicht stattfindet, damit in der Bevölkerung nicht das Gefühl entsteht, daß eine zeitige Freiheitsstrafe am Ende genauso schlimm sein kann wie eine lebenslange Freiheitsstrafe. Oder aber umgekehrt: Es darf nicht dazu kommen, daß die lebenslange Freiheitsstrafe nicht mehr die abschreckende Wirkung hat, die sie haben soll.
({1})
Die Bundesregierung setzt dieser Überlegung die Behauptung entgegen - dazu muß ich ein paar Sätze sagen -, in der Rechtsprechung habe schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Tendenz zur restriktiven Auslegung der Mordmerkmale vorgeherrscht. Ich meine, die Bundesregierung irrt sich in der Tat, wenn sie die Ansicht vertritt, die Entscheidung des Verfassungsgerichts gebe für die Frage der Mindestverbüßungszeit, wie man so schön sagt, nichts her.
Ein Blick in die Gründe des Urteils bestätigt nämlich genau das Gegenteil. Das Bundesverfassungsgericht geht zwar tatsächlich davon aus, daß die Mordmerkmale der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht, die jedermann kennt, in der Rechtsprechung bisher auch einschränkend ausgelegt worden sind. Aber das Bundesverfassungsgericht sagt mit derselben Deutlichkeit, daß es viele Fälle gibt, die vom Mordparagraphen erfaßt werden, die aber nicht das Merkmal der besonderen Verwerflichkeit tragen. Ich meine, genau um diese Fälle geht es. Was das Verfassungsgericht in aller Deutlichkeit fordert, ist eine gegenüber der bisherigen Rechtsprechung noch engere Auslegung des Mordtatbestands, die sicherstellt, daß die Grenzfälle zum Totschlag unter allen Umständen von der Ahndung als Mord freibleiben. Dies sagt das Bundesverfassungsgericht.
Wenn das wahr ist, müssen wir doch sehen, daß wir es in Zukunft mit Mordfällen zu tun haben, die unter dieser Auslegung des Bundesverfassungsgerichtsurteils stehen, die eine Veränderung auch der Struktur des Mordtatbestands in der strafrechtlichen Praxis mit sich bringen wird. Wenn dies so ist, müssen wir die Antwort darauf geben, daß, wenn es weniger Fälle gibt, die unter den Mordparagraphen fallen, die darunterfallenden Fälle aber wirklich mit einer wirksameren lebenslangen Freiheitsstrafe, als
Minister Dr. Eyrich ({2})
die Bundesregierung es vorgesehen hat, bestraft werden können.
Wenn es also - ich wiederhole dies - nur noch die unter besonders verwerflichen Umständen vollzogene Vernichtung eines Menschenlebens ist, die wir mit der lebenslangen Freiheitsstrafe ahnden, dann müssen wir nach meiner Überzeugung unbedingt vermeiden, daß die jetzt anstehende Verrechtlichung der bisher von den Gnadenbehörden - auch das, Herr Kollege de With, dürfen wir, glaube ich, nicht übersehen - mit großem Verantwortungsgefühl getragene und gehandhabte Entlassungspraxis zu einer Entwertung der lebenslangen Freiheitsstrafe führt. Dies muß unter allen Umständen verhindert werden.
Gerade eine solche Entwertung der besonderen Strafdrohung befürchtet auch der Deutsche Richterbund von einer Mindestverbüßungsdauer von nur 15 Jahren. Dabei geht es nicht eigentlich, wie die Bundesregierung meint, darum, ob eine zwei, drei oder fünf Jahre längere Mindestverbüßungsdauer vielleicht einige potentielle Täter mehr vom Tatentschluß abschrecken kann oder nicht. Wichtig ist vielmehr der Stellenwert, den die lebenslange Freiheitsstrafe in der Rechtsüberzeugung der Allgemeinheit bisher noch hat und der darin besteht, daß diese Strafe in besonders eindrucksvoller und einprägsamer Weise Rang und Wert des menschlichen Lebens verdeutlicht, das durch die Hand des Mörders ausgelöscht worden ist.
Herr Kollege de With, Sie haben die Diskussion in diesem Hohen Hause angesprochen, die anläßlich der Verjährungsdebatte geführt worden ist. Niemand, der diese Debatte miterlebt und mitverfolgt hat, wird bestreiten, daß dieses Hohe Haus sachlich und der Schwere der Entscheidung angemessen beraten hat. Nur eines: Man kann darüber reden, ob es möglich ist, daß man auf der einen Seite eine Tat nicht verjähren läßt, mit der Begründung nicht verjähren läßt, daß hier das höchste Rechtsgut zur Debatte stehe, und auf der anderen Seite sagt: Wir lassen einen Täter, der sich eben dagegen versündigt hat, nach 15 Jahren - ich komme nachher noch darauf zurück - in der Regel wieder frei. Dies kann man freilich sagen, nur kann man über eines nicht streiten - ich schließe an das an, was der Bundesjustizminister in der Debatte selber gesagt hat -, daß nämlich der Mord die schwerste Schuld ist, die unser Recht überhaupt kennt und die man auf sich laden kann. Wenn das so ist, dann bitte ich, daraus wenigstens auch die rechtliche Konsequenz zu ziehen.
({3})
Dies entspricht dann genau dem, was ich vorhin als Stellenwert des Lebens bezeichnet habe. Sie haben uns, den Bundesrat, aufgefordert, darüber noch nachzudenken; ich darf Sie auffordern, darüber auch noch einmal nachzudenken.
Sie fragen: Haben wir in der Bundesrepublik Generalprävention, Abschreckung, besonders nötig, haben wir sie mehr nötig als andere? Ich möchte nicht verkennen, daß das Bundesverfassungsgericht selber vom positiven Aspekt der Generalprävention gesprochen hat. Dies will, wenn man die anderen
Gründe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts liest, etwas heißen, wenn ich es einmal so sagen darf. Wir müssen uns darüber klar sein: Es muß doch auch die Bevölkerung verwirren, wenn wir hier 'keine klare Grenzziehung vornehmen und nicht ganz klar sagen, daß wir, wenn wir beim Vorschlag der Bundesregierung bleiben, praktisch Fälle haben können, in denen ein Mörder möglicherweise zum gleiche Zeitpunkt, möglicherweise nicht einmal viel später als ein anderer Verbrecher aus der Haft entlassen werden kann, wenn seine Sozialprognose einigermaßen stimmt. Ich komme nachher noch darauf zurück. Auch dies müssen wir sehen. Dann wird mancher in der Bevölkerung fragen: Was soll dann eigentlich noch eine lebenslange Freiheitsstrafe, wenn der Mörder am Ende noch nicht einmal eine viel längere Strafe zu verbüßen hat, als es ein anderer Täter möglicherweise auch tun muß, der sich nicht des Mordes schuldig gemacht hat?
({4})
Lassen Sie mich eine weitere Überlegung anschließen, die für meine Begriffe wichtig ist und auch von der Bundesregierung nicht genügend beachtet worden ist: Daß die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer auf 15 Jahre zu einer wesentlich früheren Entlassung aus der lebenslangen Strafe führen wird, als dies nach der bisherigen Gnadenpraxis der Fall ist, unterliegt trotz gegenteiliger Behauptung der Bundesregierung keinem Zweifel.
({5})
Dabei - auch darüber müssen wir uns klar sein - kommt es nicht einmal darauf an, ob man den Mittelwert der bisherigen Haftzeiten mit dem Bundesverfassungsgericht bei 20 Jahren oder mit den für die jüngste Vergangenheit aufgestellten Schätzungen des Deutschen Richterbundes etwa bei 18 Jahren annehmen will.
Natürlich weiß ich, daß die Bundesregierung darauf verweist, daß die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren auch nach dem Regierungsentwurf jedenfalls immer dann überschritten werde, wenn die besondere Schwere der Schuld oder die Verteidigung der Rechtsordnung die weitere Vollstrekkung gebiete. Dabei muß man sich aber darüber im klaren sein, daß die Rechtsprechung diese besondere Voraussetzung doch allenfalls in wenigen Fällen bejahen wird, die - wie etwa die kaltblütige Ermordung einer ganzen Familie oder die Terroristenmorde - eindeutig Ausnahmecharakter aufweisen. In vielen anderen Fällen werden den Strafvollstrekkungskammern, die zu entscheiden haben, jedoch hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlen, um feststellen zu können, ob dieser oder jener seinerzeit vielleicht aus einer plötzlichen Aufwallung heraus begangene Mord gegenüber dem ohnehin kaum zu überbietenden Schuldgehalt, der jedem Mord eignet, einen noch gesteigerten Schuldgrad aufwies. Weil sich dies an Hand der Akten oft gar nicht mehr feststellen läßt, werden die Gerichte - allen Versicherungen der Bundesregierung zum Trotz, Herr Kollege de With - eben dann doch zu einer Entlassungsautomatik gelangen, die den Mittelwert der Haftzeiten um mehrere Jahre vorverlegt. Auch die
Minister Dr. Eyrich ({6}) Stellungnahme des Deutschen Richterbundes läßt daran keinen Zweifel.
Wir sind uns doch alle darüber einig, daß niemand, der ernsthaft mit diesem Problem befaßt ist, eine Automatik im Bereich der lebenslangen Freiheitsstrafe will. Eine Entlassungsautomatik muß verhindert werden. Man muß doch sehen, daß der Entwurf der Bundesregierung mindestens die Gefahr in sich birgt, daß am Ende die 15 Jahre die Regel und jede darüber hinausgehende Strafdauer eine Ausnahme sein wird. Sollten wir nicht angesichts dieser Gefahr - ich möchte es wirklich zum Nachdenken geben - noch einmal in eine Überlegung eintreten? Denn ich möchte nicht, daß eines Tages in der Bevölkerung das Wort vom „kalkulierbaren Risiko" im Zusammenhang mit einer Mordstrafe steht.
Dabei können wir nicht außer acht lassen, daß wir uns früher anderen Mordfällen gegenübersahen, als es heute der Fall ist. Heute findet ein Mord nahezu nicht mehr statt, ohne daß gleichzeitig auch - mindestens in den Fällen, in denen die Öffentlichkeit ganz besonders angesprochen worden ist - noch eine Erpressung stattfindet oder der Versuch gemacht wird, zu Erpressungszahlungen zu kommen. Das heißt aber doch, so trivial es vielleicht für den einen oder anderen scheinen mag, daß wir bei einer fast an eine Automatik herankommenden Regelung die Gefahr eingehen, einen Mörder, der sich noch eine stattliche Summe Geld erpreßt und diese möglicherweise versteckt hat, am Ende in die Lage versetzen, daß er daraus nach 15 Jahren noch einen Gewinn haben kann. Ich sage das nicht - nehmen Sie mir das ab, Herr Kollege de With und meine Damen und Herren -, um irgendeine Stimmung machen zu wollen. Wir müssen aber doch auch sehen - ich sprach vorhin von der Rechtsüberzeugung -, daß in solchen Fällen die Bevölkerung natürlich ein Verständnis für eine solche Regelung nicht mehr aufbringen würde.
Die Bundesregierung argumentiert damit, zu einer Überschreitung der Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren könne gegebenenfalls auch der Umstand führen, daß die Sozialprognose im fraglichen Zeitpunkt noch nicht günstig genug sei. Soweit, so gut, könnte man in der Tat sagen. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Prognose auch nach der Vorstellung der Bundesregierung günstig sein muß. Aber wenn ich einmal so sagen darf: Dies hat eben auch seine andere Seite, die für meine Begriffe schwierig ist, verursacht durch das, was im Entwurf der Bundesregierung steht.
Dieses Argument der Bundesregierung, es müsse natürlich noch eine günstige Prognose hinzukommen, läßt leider außer acht, daß der Regierungsentwurf nicht mehr die gleichen strengen Anforderungen an die Sozialprognose stellt, wie sie bisher in der Gnadenpraxis üblich waren. Ich brauche hier nicht auseinanderzulegen, was von der Bundesregierung und was vom Bundesrat im einzelnen gefordert worden ist. Aber eines muß man sagen: Wenn Sie die Formulierung, daß eine Entlassung stattfinden könne, wenn, wie es hier steht, verantwortet werden könne, zu erproben, ob der Täter in Zukunft ein straffreies Leben führen werde, stehen lassen, kommen Sie im Bereich einer Straftat, die besonders schweres Gewicht hat, in eine Risikozone, aus der Sie nicht mehr richtig herausfinden werden. Dies ist meine felsenfeste Überzeugung.
Wir müssen doch sehen, daß zwar im Bereich der mittleren Kriminalität eine solche Prognoseanforderung ausreichen kann, daß sie aber im Rahmen des Mordtatbestandes und bei dem so strukturierten Täter nicht ausreicht. Ich bin deswegen der Überzeugung, daß es richtiger ist, wenn man an die Entlassung des Verurteilten die Bedingung stellt, daß er die Gewähr bieten muß, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen. Ich weiß - wem wollte man das sagen? -, daß kein Gericht die Gewähr dafür bieten kann. Aber wenn ich das schon weiß, muß ich noch hinzusagen: Wenn wir uns in diesem Unsicherheitsbereich befinden, muß wenigstens nach menschlichem Ermessen alles getan werden, um nicht nur dem möglicherweise berechtigten Interesse an der Resozialisierung auch eines Mörders Rechnung zu tragen. Es muß eben auch klarwerden, daß dieses Interesse zurückzustehen hat, solange nicht feststeht, daß die Sicherheit der Allgemeinheit ausreichend gewährleistet ist.
({7})
Wenn Sie eine solche Prognoseklausel bringen, bin ich sofort damit einverstanden, daß wir noch einmal eine Prüfung der Frage vornehmen, ob unter diesen Umständen eine Änderung stattfinden kann.
Aber ich bitte, noch einmal zu berücksichtigen, daß der Stellenwert des Lebens zweifellos ganz eindeutig auch in einer Strafandrohung zum Ausdruck kommen muß. Sie konnten uns nicht folgen - ich mache Ihnen keinen Vorwurf -, als wir die Strafe für besonders schwere Verbrechen auf 20 Jahre heraufsetzen wollten. Sie haben dies abgelehnt. Gut, das ist eine Entscheidung, die wir, so glaube ich, akzeptieren müssen. Aber wenn schon eine Heraufsetzung der Strafe für besonders schwere Verbrechen auf 20 Jahre abgelehnt wird, sollten Sie, ich meine, wenigstens mit uns die Frage erörtern, ob in einem solchen Fall eine Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren eingeführt werden soll. Ich meine, 15 Jahre genügen diesem Erfordernis nicht. Die Sozialprognose, die Sie verlangen, ist für meine Begriffe zu schwach. Sie wird uns in einen Sicherheits- und Risikobereich hineinführen, den wir nicht übersehen können.
Wenn man diese beiden Argumente einmal durchdenkt, wird man sich auch bei dem Hinweis auf das Ausland, Herr Kollege de With, der Überlegung nicht verschließen können, hier einen anderen Weg gehen zu müssen. Sie haben das Ausland zitiert. In § 46 Abs. 4 des österreichischen Strafgesetzbuches heißt es, wenn jemand aus lebenslanger Freiheitsstrafe entlassen werden wolle, dann müsse aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten sein - Gewähr geboten sein! -, daß der Rechtsbrecher in der Freiheit keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Ich glaube, auch daran sollten wir uns orientieren und in eine neue Überlegung eintreten.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl Sie, Herr Staatssekretär de With, mir ansonsten durchaus ein geschätzter Gesprächspartner sind, hätten wir uns dennoch gefreut, wenn wegen der von der Bundesregierung selbst immer hervorgehobenen Wichtigkeit dieses Entwurfs der Herr Bundesminister der . Justiz persönlich den Reigen heute im Parlament eröffnet hätte; aber er hat sicher noch wichtigere Verpflichtungen.
({0})
Auch mir erscheint es notwendig, das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord nochmals und wenigstens in seinen Leitsätzen wörtlich vor die Öffentlichkeit zu bringen, nachdem die Bundesregierung den Auftrag für den vorliegenden Gesetzentwurf - prinzipiell ganz zu Recht - aus diesem Urteil herleitet Dieser verfassungsgerichtliche Auftrag ist sehr generell; Richtlinien für die Modalitäten seiner Ausführung im Sinne des Regierungsentwurfs sind daraus nicht zu entnehmen.
Die lebenslange Freiheitsstrafe für Mord ist nach dem Spruch des Verfassungsgerichts nach folgender Maßgabe mit dem Grundgesetz vereinbar:
1. Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse kann nicht festgestellt werden, daß der Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Gnadenpraxis zwangsläufig zu irreparablen Schäden psychischer oder physischer Art führt, welche die Würde des Menschen verletzen.
2. Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung allein ist nicht ausreichend; vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.
Der verfassungsgerichtliche Auftrag - Herr Landesminister Dr. Eyrich hat darauf bereits hingewiesen - besteht also einzig und allein darin, zusätzlich zu dem bisherigen Gnadenverfahren - der Gnadenerweis ist ein sogenannter justizfreier Hoheitsakt - die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe einem rechtsförmlichen Verfahren zu unterwerfen mit einem Antragsrecht des Verurteilten und mit gerichtlicher Nachprüfbarkeit der ergehenden Entscheidung. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, hat das Urteil seinerzeit dahin kommentiert, daß der bisher geltende Satz: „Gnade vor Recht" nicht in den Satz umgekehrt worden sei: „Recht vor Gnade", sondern daß es künftig heißen müsse: „Recht neben Gnade".
Konkrete Richtlinien - ich sagte es bereits - für die Verrechtlichung des Verfahrens zur Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe hat das Bundesverfassungsgericht nicht erteilt. Von dieser Seite ist daher der Spielraum des Gesetzgebers nicht eingeschränkt. Dies bedeutet aber nicht, daß die frühere rechtspolitische Diskussion über Sinn und Funktion der lebenslangen Freiheitsstrafe wieder voll entbrennen muß. Es ist nicht zu verkennen, daß die Versuchung für diejenigen, welche die lebenslange Freiheitsstrafe gern generell zu Fall gebracht hätten, groß ist, sie über eine möglichst exzessive Aussetzungsregelung praktisch doch noch abzuschaffen. Dies entspräche gewiß nicht der Intention des Verfassungsgerichts, welches in seiner Kernentscheidung dem Zeitgeist keinen Tribut gezollt hat.
Apropos Zeitgeist: Ist es nicht ein schwerwiegender Mangel unseres Rechts- und Rechtspflegesystems, wenn sich der Staat und seine Rechtsnormen fast ausschließlich mit dem Täter und kaum mit seinen Opfern befassen?
({1})
Dieser Gesichtspunkt muß auch im Rahmen unserer Erörterungen angesprochen werden; denn wiederum geht es darum, das Recht zugunsten des schuldig Gewordenen zu perfektionieren und zu liberalisieren.
Eine deutsche Wochenzeitschrift, welche von der Opposition dieses Hauses ansonsten nur in sehr beschränktem Umfang zur Untermauerung ihrer Ansichten herangezogen wird, hat in dieser Woche in verdienstvoller Weise darauf hingewiesen, daß im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik Deutschland fast 170 000 Gewalttaten registriert worden seien, darunter 1 037 Morde, 1 527 andere vorsätzliche Tötungen, 6 598 Vergewaltigungen, 21 648 Raubdelikte, 52 503 schwere und gefährliche Körperverletzungen, davon 169 mit tödlichem Ausgang, und daß über diese Taten in Polizei- und Gerichtsdokumenten alles Erdenkliche zu lesen sei, die Umstände des Verbrechens, Gutachten über den Täter und dergleichen. Ähnlich umfangreiche Akten über die Opfer seien hingegen nur spärlich vorhanden. Das öffentliche Interesse an deren Schicksal sei gering. Mehr als zwanzig Novellen zum Straf- und Vollzugsrecht habe allein die sozialliberale Koalition verabschiedet. Daß auch Wiedergutmachung und Rehabilitation der Opfer von irgendwelchem Belang sein könnten, sei eine Erkenntnis, die erst in dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten von 1976 nennenswerten Ausdruck gefunden habe. Aber auch dieses Gesetz müsse schon wieder als novellierungsbedürftig angesehen werden und werde von manchem Experten als „Fehltritt" bezeichnet. In den ersten 30 Monaten seit Inkrafttreten dieses Gesetzes seien 13 647 Anträge gestellt worden; nur 1 006 davon seien erfolgreich gewesen. Bürger, die vor Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes von Straftaten betroffen worden seien, gingen leer aus und müßten ihr Schicksal selber bewältigen. Auch die kriminologische WissenHartmann
schalt habe sich bisher vornehmlich den Delinquenten zugewandt. Es sei eine Lehrmeinung, daß die Belange des Opfers im Interesse der Resozialisierung des Delinquenten zurücktreten müssen. Der Staat sorge sich per Strafrecht überwiegend um die Täter und deren Resozialisierung. Die Opfer müßten weitgehend sehen, wo sie blieben.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit diesen Darlegungen einmal die Einseitigkeit deutlich machen, mit der in unserem Lande vor allem dem Täter, kaum aber dem Opfer staatliche Zuwendung entgegengebracht wird!
({2})
Das heißt beileibe nicht, daß ich den in Schuld Verstrickten weniger staatliche Zuwendung entgegengebracht sehen möchte. Das will nur heißen, daß auch im Bereiche des Strafrechts in vielerlei Hinsicht mehr an die Opfer möglicher künftiger und bereits begangener Straftaten gedacht werden muß als bisher.
({3})
Dies gilt insbesondere im Blick auf immer weitergehende Liberalisierungstendenzen, wobei ich jetzt besonders daran denke, daß die erst vor zwei Jahren beschlossenen sogenannten Antiterrorgesetze schon wieder abgeschafft bzw. abgeschwächt werden sollen.
Man hat zuweilen den Eindruck, daß der „Freiraum der Spitzbuben" - so möchte ich es einmal nennen - ein höheres Rechtsgut als das Leben und die Unversehrtheit der rechtstreuen Bürger ist.
({4})
- Offenbar habe ich jetzt wieder den schwachen Punkt erwischt, sonst wäre dieser Zwischenruf nicht gekommen.
({5})
Zum vorliegenden Entwurf eines Siebzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes läßt sich die CDU/. CSU-Fraktion in dieser ersten Lesung wie folgt ein:
Erstens.
({6})
- Ich habe gute Nerven.
Die CDU/CSU bejaht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung hinsichtlich der Aussetzung des Strafrestes der lebenslangen Freiheitsstrafe auf Grund der seitens des Bundesverfassungsgerichtes hierzu ergangenen Aufforderung. Es müssen die Voraussetzungen kodifiziert werden, unter denen auch einem zu lebenslänglicher Haft Verurteilten die Hoffnung bleibt, jemals wieder in Freiheit zu kommen. Er soll die gesetzlichen Voraussetzungen ablesen können, unter denen eine solche Hoffnung
besteht Daneben und darüber hinaus soll ihm weiterhin die Chance eines Gnadenerweises verbleiben.
Zweitens. In drei Hauptpunkten werden wir im Verlaufe der weiteren Beratungen Änderungswünsche anmelden und Alternativen vorlegen, wobei ich weitere überprüfungsbedürftige Punkte in dieser ersten Lesung gar nicht ansprechen möchte.
Die Mindestverbüßungsdauer ist heute bereits durch den Herrn Staatssekretär und den Herrn Vertreter des Bundesrates ausführlich abgehandelt worden. Dazu kurz noch folgendes: Die Mindestverbüßungsdauer des vorliegenden Entwurfs von 15 Jahren erscheint auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu kurz. Mit Recht weist der Bundesrat in seiner Stellungnahme darauf hin, daß sie der Schwere der Schuld bei Mord nicht gerecht wird, wobei auch zu bedenken ist, daß bei einer der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechenden restriktiven Auslegung des Mordparagraphen 211 StGB nur die besonders verwerflichen Tötungshandlungen als Mord zu qualifizieren sind.
In der Tat erkennen die Gerichte in stetig geringer werdendem Umfang auf lebenslängliche Freiheitsstrafe. Nach der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes wurden 1966 noch 68 von 152 verurteilten Mördern, also 44,4%, zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt, 1976 waren es nur noch 71 von 244 Verurteilten, also 29,1 %.
Eine Mindestverbüßungsdauer von nur 15 Jahren würde auch den Mittelwert der jetzigen Gnadenpraxis erheblich unterschreiten. Das Bundesverfassungsgericht setzt diesen Mittelwert in den Gründen seines Urteils mit 20 Jahren an, allerdings bezogen auf die Zeit bis 1973.
Wir möchten uns in der ersten Lesung noch nicht auf eine bestimmte Mindestverbüßungsdauer festlegen, weil wir der Auffassung sind, daß nach Maßgabe der jetzigen Gnadenpraxis noch genauere Erhebungen angestellt werden müssen. Wir sagen allerdings deutlich: 15 Jahre sind zu kurz.
Ich teile die Auffassung des Deutschen Richterbundes, daß die Mindestverbüßungsdauer mit der gebotenen Eindeutigkeit von der längsten zeitigen Freiheitsstrafe abgegrenzt sein muß, die immerhin - auch bei Begehung mehrerer, mit hohen zeitigen Freiheitsstrafen bedrohter Straftaten - 15 Jahre nicht überschreiten darf. Mit der vorgesehenen Mindestverbüßungsdauer von nur 15 Jahren entwertet der Regierungsentwurf die lebenslange Freiheitsstrafe, die als Sühne für schwerste Verbrechen und zur allgemeinen Abschreckung ihre Wirkung behalten muß.
Dies ist in der Tat auch eine Frage des Stellenwertes ,.Lebensschutz", eine Frage des Unwerturteils, dem der Staat nicht nur durch die abstrakte Strafdrohung, sondern auch durch die konkrete Verhängung und Verbüßungsdauer Ausdruck zu geben hat.
Hinzu kommt, daß sich die Regelverbüßungszeit bei der lebenslangen Freiheitsstrafe zwangsläufig auch auf das übrige Strafgefüge auswirken muß. In
unserem Strafsystem sind die Strafrahmen nach der Schwere der Tat untereinander abgestimmt. Wird die schwerste Strafe praktisch herabgesetzt, so muß sich das zwangsläufig auch auf die Verhängung anderer Strafen auswirken. Vor allem dieser Gesichtspunkt, Herr Staatssekretär de With, läßt jeden Vergleich mit der Mindestverbüßungsdauer in anderen Ländern, die eben ein anderes Strafgefüge haben, hinken. Ich möchte noch hinzufügen, daß dann, wenn besondere Umstände eine frühere Entlassung des Verurteilten, als im Gesetz niedergelegt ist, vertretbar erscheinen lassen, der Gnadenweg wie bisher zur Verfügung steht.
Ein weiterer Punkt, an dem sich unsere Kritik entzündet und weiterhin entzünden wird, ist die Prognoseklausel. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene weitere Voraussetzung zur Aussetzung eines Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, nämlich daß verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, ist unzureichend.
Diese Prognoseklausel entspricht der des § 57 Abs. i Nr. 2 des Strafgesetzbuches, welche für die vorzeitige Entlassung aus der Verbüßung zeitiger Freiheitsstrafen gilt. Diese Klausel verlangt keine positive Prognose. Es reicht danach schon aus, daß nach der Überzeugung des Gerichts eine reelle Chance gegeben ist, der Verurteilte werde die kritische Probe in Freiheit bestehen, was noch nicht einmal wahrscheinlich zu sein braucht.
Ist jemand wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, so darf ein Versuch, der erst erweisen soll, ob der Verurteilte für eine straffreie Lebensführung hinreichend gefestigt ist, im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit nicht gewagt werden.
Bei diesen gefährlichen Tätern bedarf es vielmehr einer besonders sorgfältigen Beurteilung, ob weitere Straftaten zu erwarten sind. Zweifel an einer günstigen Sozialprognose müssen zu Lasten des Verurteilten gehen. Denn es kommt ja immer wieder zu Rückfällen. Und je früher ein Verurteilter entlassen wird, um so größer ist die Rückfallgefahr.
Nur wenn unter Würdigung aller Umstände mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, daß sich der Verurteilte in Freiheit straffrei führen werde, läßt sich die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe - auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit - vertreten. Dies muß im Gesetz klar zum Ausdruck kommen, weshalb die Aussetzung des Strafrestes einer lebenslangen Freiheitsstrafe davon abhängig gemacht werden muß, daß sichergestellt ist bzw. Gewähr dafür besteht - natürlich kann diese keine absolute sein -, daß der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftat mehr begehen wird.
Die von der Bundesregierung vorgesehene unzureichende Erprobungsklausel ist ein typischer Beleg dafür, wie sehr die Interessen des verurteilten Täters über den möglichst weitgehenden Schutz potentieller Opfer gestellt werden. Bei solch minimalen Voraussetzungen läuft der Regierungsentwurf
im Normalfall - auch wenn dies von der Regierung nicht gewollt sein mag - praktisch auf eine Entlassungsautomatik hinaus. So sieht es auch der Deutsche Richterbund, auf dessen Meinung ich in diesem Falle sehr viel gebe. Dies wäre - so überspitzt läßt sich das durchaus sagen - die De-facto-Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe.
In einem dritten Punkt möchte ich darauf hinweisen, daß eine fünfjährige Bewährungszeit zu kurz und zu wenig flexibel ist. Es sollte die Möglichkeit bestehen, in Einzelfällen eine längere Bewährungszeit festzulegen, es sollte ermöglicht werden, neuen Straftaten oder Verstößen gegen Auflagen und Weisungen, die den Widerruf des Aussetzens der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht oder noch nicht rechtfertigen, durch nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit Rechnung zu tragen. Daneben sollte auch die Bestellung eines Bewährungshelfers obligatorisch sein.
Auf diese hauptsächlichen Ansatzpunkte unserer Kritik will ich mich hier beschränken und möchte zum Schluß kommen. Die lebenslange Freiheitsstrafe darf nicht entwertet werden, das Strafgefüge darf nicht durch eine allzu kurze Regelverbüßungszeit bei der lebenslangen Freiheitsstrafe beeinträchtigt werden, und die Neuregelung darf nicht zu einer Entlassungsautomatik deswegen führen, weil die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung unzureichend sind. Die Bewährungszeit darf nicht zu kurz sein und muß flexibel festgesetzt werden können.
Nur dann, wenn bis zur dritten Lesung unsere Vorstellungen zu den essentiellen Punkten Eingang in den Gesetzentwurf gefunden haben werden, wird dieser unsere Zustimmung finden. Zu einer faktischen Abschaffung oder zumindest weitgehenden Entwertung der lebenslangen Freiheitsstrafe, worauf der Regierungsentwurf in seiner jetzigen Form nach unserer Meinung hinausläuft, werden wir unsere Hand nicht reichen.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lambinus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hartmann, darf ich Sie zunächst fragen: Haben Sie eigentlich vergessen, wer in diesem Hohen Hause das Opferentschädigungsgesetz eingebracht hat und wer das Opferentschädigungsgesetz, so mangelhaft es sein mag, hier durchgesetzt hat?
({0})
Dann, wenn Sie mit mir der Meinung sind, daß dieses Gesetz mangelhaft ist, sorgen Sie bitte mit mir und mit vielen anderen dafür, daß der Widerstand der Finanzpolitiker gegen dieses Gesetz überwunden werden kann. Es liegt doch nicht an den Rechtspolitikern, wenn die Opfer vernachlässigt und die Täter in irgendeiner Form privilegiert werden. Wir versuchen ja, hier - z. B. durch das Opferentschädigungsgesetz - positiv zu wirken.
Ich glaube, es wäre des Schweißes der Edlen wert, wenn wir gemeinsam im Sinne dessen, was der Weiße Ring tut, etwas erreichen könnten. Ich würde Ihnen empfehlen, einmal nachzulesen, was auf der Jahreshauptversammlung des Weißen Rings am vergangenen Samstag gesagt worden ist.
Auf jeden Fall haben Sie 20 Jahre lang hier in diesem Hause regiert und haben kein Opferentschädigungsgesetz zustande gebracht. Das ist eine Tatsache.
({1})
- Entschuldigung, aber wir haben es dann gemacht. Das ist es!
Herr Minister Eyrich, wir haben im Strafrechtssonderausschuß in der 7. Legislaturperiode zusammen am Strafvollzugsgesetz gearbeitet. Es war damals eine sehr angenehme Zusammenarbeit.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage? - Bitte sehr.
Herr Kollege Lambinus, ich darf noch einmal auf das Opferentschädigungsgesetz zurückkommen. Würden Sie dem Hause bekanntgeben, wer dieses Opferentschädigungsgesetz maßgeblich gefördert und ihm voll zugestimmt hat? War das Ihre Fraktion allein, oder waren das auch andere Fraktionen?
Das Opferentschädigungsgesetz ist eingebracht worden von der sozialliberalen Koalition. Verabschiedet worden ist dieses Gesetz, wenn ich mich recht erinnere, in diesem Hause einvernehmlich.
({0})
- Ja, aber die Frage ist doch, woher die Initiative kam. Sie hatten 20 Jahre lang Zeit, dies zu tun, und haben es nicht getan. Wir Sozialdemokraten haben es getan - zusammen mit den Liberalen selbstverständlich.
({1})
Herr Kollege Eyrich, Strafvollzugsgesetz, 7. Wahlperiode. Darf ich Sie erinnern an § 1 dieses Gesetzes, über den wir uns lange unterhalten haben? Darin steht sinngemäß - ich habe das Gesetz leider nicht hier -, daß der straffällig Gewordene in der Strafhaft befähigt werden soll, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen. Ich zitiere aus dem Gedächtnis. Was aber soll eigentlich diese Vorschrift, wenn wir, dem straffällig Gewordenen nicht die Chance dazu geben, wenn wir, wie es im Gesetzentwurf heißt, den Verurteilten, den Mörder nicht erproben lassen, ob er fähig ist, dies zu tun? Nach dem Gesetzentwurf wird ja nun ein Gericht diese Chance gewähren.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard?
Herr Kollege Lambinus, glauben Sie, man könnte es in Kauf nehmen, bei einem Mörder zu erproben, ob er in Freiheit noch einmal jemanden umbringt? Was hat das dann noch mit dem Schutz der Rechtsgemeinschaft, den Strafe ja bedeutet, zu tun? Glauben Sie, man kann erproben, ob jemand noch einmal einen Menschen umbringt?
({0})
Herr Kollege, ich lasse mir von Ihnen nicht das Wort im Munde herumdrehen.
({0})
- Ich habe ja nicht gesagt: wir erproben, ob er noch einmal mordet, sondern ich habe gesagt: wir erproben, ob er ein Leben ohne Straftaten führt. Eine solche Straftat muß ja nicht unbedingt in einem Mord bestehen.
({1})
Nun möchte ich auf den Gesetzentwurf selbst eingehen. Von niemandem - weder von Ihnen, Herr Minister Eyrich, noch von Ihnen, Herr Kollege Hartmann - ist darauf hingewiesen worden, daß die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung von vier Voraussetzungen abhängig ist, die kumulativ aufgezählt sind. Erstens müssen mindestens 15 Jahre der Strafe verbüßt sein. Zweitens muß verantwortet werden können, zu erproben,
({2})
ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Drittens muß der Verurteilte einwilligen. Viertens - und jetzt passen Sie auf - muß die zusätzliche Voraussetzung vorliegen, daß nicht eine besonders schwere Schuld des Verurteilten oder die Wahrung der Rechtsordnung die weitere Vollstreckung gebietet.
All diese Kriterien sind zu prüfen und von einem ordentlichen Gericht zu bejahen. Erst dann kann der neue § 57 a StGB, wie ihn die Bundesregierung vorschlägt - ich bin ihr für diesen Vorschlag dankbar -, greifen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Lambinus, würden Sie so freundlich sein, uns klarzumachen, worin die Gefährdung der Rechtsordnung durch den Täter liegen könnte, wenn die Prognose dahin geht - Abs. 1 Nr. 2 -, daß er keine Straftaten mehr begehen wird?
Moment! Ich muß Nr. 4 noch einmal nachlesen. - Im übrigen sollten wir die Ausschußberatung, Herr Kollege, nicht hier vornehmen. Das sollten wir im Ausschuß tun.
Parallel zu Nr. 4 schlägt der Bundesrat seine Nr. 3 vor, die ebenfalls. kumulativ gemeint ist. In dieser Formulierung des Bundesrats ist davon die Rede, daß „die Gewähr besteht, daß der Verurteilte außer- halb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird". Nun frage ich: Wer will denn überhaupt feststellen, daß diese Gewähr besteht?
({0})
- Nein, der Bundesrat schlägt vor, so zu formulieren. Lesen Sie es einmal in der Drucksache nach!
Wer will das überhaupt beurteilen? Es ist nicht zu beurteilen, jedenfalls nicht mit Sicherheit. Das wird dann dahin führen, daß es bei der derzeitigen Praxis bleibt.
Gerade dies ist neben den verfassungsrechtlichen Erwägungen auf Grund des Urteils vom 21. Juni 1977, das zur Genüge zitiert worden ist, mit ein Grund, warum die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf vorlegt. Es ist für mich unerträglich, daß innerhalb der einzelnen Bundesländer in der Gnadenpraxis bis zu fünf Jahre Unterschied im Durchschnitt der Verbüßungsdauer bestehen. Das ist doch nicht in Ordnung. Deshalb soll hier vereinheitlicht werden. Wenn ich es richtig beurteile, erhebt sich Ihrerseits dagegen ja auch kein Widerspruch.
({1})
- Ich habe überhaupt nichts da. Hier liegen nur ein paar lose Blätter, nämlich die Drucksache. Das ist der Unterschied zu Herrn Hartmann, der vorgelesen hat.
({2})
Wir sind der Auffassung, daß dieses Gesetz notwendig ist, um zu verhindern, daß die unterschiedliche Gnadenpraxis endlich eine Parallelschiene bekommt, eben in Form dieses Gesetzes.
Ich darf zum Schluß noch auf etwas anderes hinweisen, was mich bei der Gnadenpraxis und beim gesamten Gnadenrecht immer bedrückt. Wenn man sich die Geschichte des Gnadenrechts ein bißchen vor Augen führt, dann stellt man fest, daß der Gnadenerweis Ausfluß des Gottesgnadentums der Herrschenden ist.
({3})
- Ist doch nicht wahr!
({4})
Und es gab einmal Leute, die im Jahr 1793 den Versuch gemacht haben, einen Verfassungsentwurf zu formulieren. Sie wurden dann zwar kurz darauf geköpft.
({5})
Aber sie schrieben:
Das Recht, Gnade zu erweisen, wäre nichts anderes als das Recht, das Gesetz zu brechen; dies
darf es nicht geben in einer freien Herrschaftsform, wo das Gesetz für alle gleich sein muß.
({6})
- Nein, das will ich nicht ändern. Ich will damit nur deutlich machen, Herr Kollege, daß es gegen die Gnadenpraxis und überhaupt gegen das Gnadenverfahren
({7})
und gegen das Gnadenrecht insgesamt sehr ernst zu nehmende jahrhundertealte Einwendungen gibt.
({8})
- Das kann ich nicht so beurteilen. Die dies tun, stehen wahrscheinlich Ihnen etwas näher als mir.
Ich möchte zum Schluß kommen.
({9})
- Sie haben es nötig! - Ich möchte dem Herrn Bundesjustizminister noch einmal für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs danken. Ich darf versichern, daß wir dafür sorgen, daß dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode in Kraft treten wird. Ich bin auch sicher: Bei einigermaßen gutem Willen werden wir auch mit Ihnen, Herr Hartmann, zu einer gemeinschaftlichen Verabschiedung dieses Gesetzes in diesem Haus kommen.
({10})
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Engelhard das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 1977 erzwingt nun von uns eine Entscheidung, die der Gesetzgeber allzulange vor sich hergeschoben hat.
Die Überlegung, auf welchem Weg auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten Strafaussetzung zur Bewährung gewährt werden kann, ist nicht neu. Ich brauche hier die geschichtliche Entwicklung nicht abzuschreiten. Dazu nur so viel: Bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde in der Wissenschaft, aber auch in der Praxis intensiv über dieses Problem nachgedacht.
Im Alternativentwurf der Strafrechtslehrer war eine solche Regelung bereits enthalten. Sie ist nicht Gesetz geworden. Wenn wir überlegen, warum, ist es sicher nicht weit hergeholt, sich einmal klarzumachen, daß nach Abschaffung der Todesstrafe die lebenslange Freiheitsstrafe als eine Art Ersatzstrafe angesehen wurde. Beide Strafen dienten praktisch dem gleichen Zweck. Es wurde zwischen der Gesellschaft einerseits und dem Verurteilten andererseits ein endgültiger Schlußstrich gezogen. Bei der Todesstrafe ist dieser Schlußstrich die Hinrichtung, bei
der lebenslangen Freiheitsstrafe das Wegsperren des Verurteilten auf Lebenszeit.
Nun wäre es völlig verfehlt, zu übesehen, daß das Gnadenrecht in der Praxis trotz des psychologischen Hintergrunds zu ganz anderen Ergebnissen geführt hat. Das Gnadenrecht hat bewirkt, daß von 1915 Personen, die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Ende des Jahres 1975 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden waren, nur ganze 140 im Strafvollzug verstorben sind
({0})
und 975 sich heute noch in Haft befinden; die anderen also längst im Wege der Begnadigung in Freiheit gesetzt worden sind. Die Ergebnisse dieser Gnadenpraxis sind ja so weit nicht von dem entfernt, was mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angestrebt wird.
Wenn wir dieses Gesetz trotzdem beraten und verabschieden werden, dann aus dem Grunde, daß die Gnadenpraxis uneinheitlich ist. Sie ist nicht willkürlich, aber sie unterliegt dem Ermessen desjenigen, der Gnade ausübt.
({1})
Wir bejahen das grundsätzliche Votum des Bundesverfassungsgerichts für eine lebenslange Freiheitsstrafe. Das ist also die Entscheidung, daß diese lebenslange Freiheitsstrafe nicht im Widerspruch zu unserer Verfassung steht und daß sie bei schwersten Verbrechen als die schwerste von unserem Rechtssystem vorgesehene Strafsanktion Anwendung zu finden hat. Wir begrüßen aber ebenso die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, daß es zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzuges gehört, daß auch der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte grundsätzlich eine Chance haben muß, jemals wieder in Freiheit zu kommen.
({2})
Wir begrüßen die weitere Aussage, daß die Möglichkeit der Begnadigung allein nicht ausreiche, sondern daß das Rechtsstaatsprinzip es gebiete, die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung gesetzlich zu regeln. Diesem Ziel dient der vorliegende Entwurf. Er nimmt damit den Druck vom Gnadenrecht, ständig in einer Vielzahl von Fällen eine Funktion erfüllen zu müssen, die an sich nicht Sache des Gnadenrechts ist.
Aber das Gnadenrecht bleibt erhalten. Wenn manche dagegen Sturm laufen, so möchte ich Ihnen eine - wie ich finde - gute und treffende Formulierung aus einem Vortrag des Bundesministers der Justiz vom Januar 1977 vorhalten, in dem er sich für das Gnadenrecht aussprach, dessen Abschaffung im übrigen ja gar nicht in unserer Kompetenz läge. Er sagte:
Erschreckend die Vorstellung - schon von der Terminologie her -, wenn man sprechen müßte von einem gnadenlosen Rechtsstaat.
Dies kann nicht die Frage sein. Nein, es wird immer wieder Fälle geben - auch wenn das, was wir hier beraten, Gesetz sein wird -, in denen man auf das Gnadenrecht nicht wird verzichten können, sondern in denen wir dieses Instruments bedürfen, um jenseits des Rechts neben dem Strafrecht Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
({3})
Wir werden uns bei den Beratungen im Rechtsausschuß insbesondere mit den tragenden Säulen und mit vielen anderen Einzelheiten dieses Entwurfs auseinanderzusetzen haben. Hier nur einige wenige Anmerkungen.
Der Entwurf hält an der lebenslangen Freiheitsstrafe fest. Die Vorstellung, daß er sie durch eine zeitige Freiheitsstrafe von 15 Jahren ersetzen würde, ist nicht richtig. Unser Strafrecht ist auf Resozialisierung angelegt. Aber - auch dies bringt der Entwurf klar zum Ausdruck - bei schwersten Verbrechen kann dieses Resozialisierungsbemühen ganz einfach an Grenzen in der Person des Täters stoßen. Es wird immer Fälle geben, in denen es allein auf die günstige Sozialprognose nicht ankommt, sondern in denen wir feststellen müssen, daß die Schwere der Schuld oder die Verteidigung der Rechtsordnung es gebieten, den Strafvollzug fortzusetzen.
Es ist hier von der Mindestverbüßungsdauer gesprochen worden. Die im Entwurf vorgeschlagenen 15 Jahre scheinen mir ein vernünftiger und sachgerechter Ausgangspunkt für die Beratungen zu sein. Sehr viel mehr möchte ich dazu deswegen nicht sagen, weil, kaum veröffentlicht, die Empörung gegen jene 15 Jahre hochschlug, daß man hätte meinen können, die Kritiker würden allenfalls 30 Jahre als das ausreichende Maß ansehen. Wenn man dann genau zugehört hat, so waren es nicht einmal 20 Jahre, sondern man hat gesagt, das Mittel zwischen jenen 15 und 20 Jahren sei vielleicht das Ergebnis, das dann genau das richtige sei. Dogmatisch heute zu sagen, diese Anzahl von Jahren und nichts anderes sei das, was wir in diesem Bereich wollen, oder jene Zahl sei genau die richtige, scheint mir wirklich verfehlt.
Ein weiterer Punkt: Mir erscheint viel bedeutsamer, welche Formulierung wir für die Sozialprognose wählen. Der Bundesrat - das hat Herr Dr. Eyrich heute hier nochmals vorgetragen - verlangt die Gewähr straffreier Lebensführung. Meines Erachtens hat die Bundesregierung rechts wenn sie darauf hinweist, daß dies doch allzu stark verallgemeinert sei. Hier wird alles in einen Topf geworfen. Alle denkbaren Straftaten, die ein Verurteilter und später Entlassener theoretisch begehen könnte, werden hier zusammengeworfen. Darunter sind Straftaten, die die Öffentlichkeit überhaupt nicht interessieren,
({4})
Bagatellstraftaten. Die Gewähr dafür, daß solche Straftaten vom Entlassenen niemals begangen werden, kann niemand geben; dieses kann von niemandem vertreten werden.
({5})
Die Bundesregierung hat eine Formulierung gewählt, wie wir sie heute bereits im Bewährungsrecht bei zeitigen Freiheitsstrafen kennen. Diese Regelung hat sich ja, soweit man hört, in der Praxis bewährt. Die Bundesregierung hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dies immer im Zusammenhang gesehen werden müsse. Diese Feststellung der Bundesregierung gipfelt in der Aussge, daß natürlich die Erprobung, ob ein Strafentlassener in der Freiheit etwa wieder einen Mord begehen werde, außerhalb des Bereichs des überhaupt Verantwortbaren stünde, daß dies überhaupt nicht zur Debatte stehen könne. Insofern geht jeder auch noch so geringste Zweifel immer zu Lasten des Verurteilten. Nur: Wenn wir über diesen Punkt beraten werden, sollten wir uns einmal fragen, ob dies nicht im Text selbst noch klarer zum Ausdruck gebracht werden könnte, nicht nur in der Begründung.
Der Unterschied scheint mir darin zu liegen: Bei der Bewährungsregelung für die zeitige Freiheitsstrafe haben wir einen weiten Bereich, der von der Kleinkriminalität bis hin zu schwersten Straftaten reicht. Bei der lebenslangen Freiheitsstrafe erfolgt die Verurteilung überwiegend wegen Mordes. Wenn ein solcher Verurteilter entlassen wird, interessiert die Rechtsgemeinschaft vordergründig und intensiv die Frage, ob auch nur im entferntesten die
) Möglichkeit besteht, daß diese Frau oder dieser Mann in Freiheit wieder einen Mord oder ein anderes Tötungsdelikt begehen könnte. Alles andere interessiert die Öffentlichtkeit nur am Rande. Dies stärker im Text selbst zum Ausdruck zu bringen, erscheint mir ein wichtiges Anliegen; denn diese Betrachtungsweise der Öffentlichkeit ist sicherlich nicht nur verständlich, sie ist auch richtig.
Wenn wir hier eine Lösung fänden, würde dies ganz sicherlich das Vertrauen der Bürger in die Schutzfunktion unserer Rechtsordnung stärken. Das ist ein wichtiger Punkt bei allen unseren Beratungen, denn wir bewegen uns hier in einem Bereich, der Emotionen freisetzt, ganz unterschiedliche Gefühle, auf der einen Seite die Hoffnung jener relativ wenigen, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt in den Haftanstalten einsitzen, und einiger ihrer Angehörigen und auf der anderen Seite die breite Öffentlichkeit, die zunächst Unverständnis zeigen wird, die Bedenken haben wird, ja, die vielleicht Abscheu deutlich macht.
Wir wissen, daß wir uns von diesen Gefühlen nicht forttragen lassen dürfen. Wir dürfen es uns auch nicht so einfach machen, die Meinung der vielen auszuzählen und abzuwägen gegen die Gefühle der wenigen. Nein, wir müssen dieses Problem ganz nüchtern beraten, mit Sachverstand, mit wenig Emotionen, und gleichzeitig immer wissen, daß Emotionen draußen, aber auch hier in beschränktem Maße nicht sachfremd sind, daß sie praktisch zum Problem mit hinzugehören, daß sie nicht illegitim sind.
({6})
Ich denke, daß wir insgesamt, wenn wir so handeln, zu einem guten Ergebnis kommen werden. Ich hoffe dies.
({7})
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 8/3218 an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über finanzierte Rechtsgeschäfte und über Maklerverträge
- Drucksache 8/3212
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Rechtsausschuß ({0})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort hat Herr Staatssekretär de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über finanzierte Rechtsgeschäfte und über Maklerverträge setzt die Bundesregierung ihre Arbeiten zur Anpassung des Bürgerlichen Gesetzbuches an die gewandelten Verhältnisse des letzten Viertels unseres Jahrhunderts fort.
Das nunmehr acht Jahrzehnte alte Bürgerliche Gesetzbuch bietet zwar in vielen Bereichen Lösungen - das sei deutlich gemacht -, die auch den heutigen Anforderungen standhalten. Der Gesetzgeber hat deshalb zu Recht bei der Schaffung des Gesetzes über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die wesentlichen Wertungen und die Verteilung der Rechte und Pflichten in den Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuches als einen Maßstab für die Beurteilung allgemeiner Geschäftsbedingungen herangezogen.
Wir können und dürfen jedoch die Augen nicht davor verschließen, daß die bisherigen Regelungen in einigen Bereichen die Funktion zutreffender und zeitgerechter gesetzlicher Leitbilder nicht mehr erfüllen können. Viele Bürger unseres Staates haben das, so meine ich, bereits schmerzhaft erfahren müssen.
Dies gilt auch für den Maklervertrag. Die Regelung dieser Materie im BGB ist dürftig und lückenhaft. Das wissen wir alle.. Dies haben schon zur Zeit der Verabschiedung einige Kommentatoren mit Recht ausgeführt. Diese lückenhafte und dürftige Regelung hat zu einer enormen Vielfalt von - man darf wohl sagen, recht zweifelhaften - Klauseln in den einzelnen Maklerverträgen, zu häufigen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Zustandekommen und Durchführung dieser Verträge und schließParl. Staatssekretär Dr. de With
lich auch zu einer aus der Notwendigkeit geborenen, sehr stark kasuistischen Rechtsfortbildung durch die Gerichte geführt. Wie beim Pauschalreisevertrag, bei dem es ähnlichen Erscheinungen zu begegnen galt, soll daher auch für den Maklervertrag mit seinen Sondermaterien - der Wohnungs-, der Darlehens- und der Ehevermittlung - unter angemessener Berücksichtigung der Interessen beider, nämlich deren des Maklers und deren des Auftraggebers, ein den heutigen Anforderungen entsprechendes gesetzliches Leitbild geschaffen werden.
Schon dieses Konzept zeigt, daß es der Bundesregierung keineswegs, wie das so mancher behauptet hat und behauptet, um eine Diskriminierung des Berufsstandes des Maklers geht. Niemand will den Maklern ihren Platz in unserer Wirtschaftsordnung streitig machen. Wir wissen, daß sie auf wichtigen Gebieten den Markt für Handel und Wirtschaft .überhaupt erst erschließen. Ich sehe aber auch in den einzelnen Regelungen des Entwurfs nichts, was als Diskriminierung der Makler verstanden werden könnte, ungeachtet der Tatsache, daß es in Einzelheiten noch gewisse Meinungsunterschiede gibt.
Einen Kernpunkt des Entwurfs bildet die zwingende Festlegung des Prinzips des Erfolgshonorars. Es gewährleistet auf der einen Seite, daß - wir kennen das Wort - Maklers Müh', selbst wenn sie im Einzelfall gering war, ihren Lohn erhält, natürlich nur, wenn sie zum Erfolg führt. Auf der anderen Seite sichert das Prinzip des Erfolgshonorars den Auftraggeber dagegen, nutzlose Bemühungen des Maklers honorieren zu müssen.
Auch die Neuregelung des Alleinauftrages sowie die Vorschriften über den Ausschluß eines Maklerhonorars in den Fällen der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem Makler und der anderen Vertragspartei zielen nicht gegen den Berufsstand des Maklers, sondern verschaffen lediglich dem Auftraggeber den durch die besonderen Umstände erforderlichen Schutz. Die Neuregelung des Alleinaüftrages bewahrt den Auftraggeber vor unverhältnismäßigen Sanktionen und vor einem völligen Verlust seiner Dispositionsmöglichkeiten über den zu vermittelnden Vertragsgegenstand. Bei nicht offenbarter wirtschaftlicher Verflechtung zwischen dem Makler und der anderen Vertragspartei fällt der Anspruch auf den Maklerlohn fort, weil der Makler hier in Wirklichkeit eine echte Vermittlungs- oder Nachweistätigkeit nicht entfaltet hat oder aber eine Interessenkollision gegeben ist. Ich meine, dies alles sollte unstreitig sein.
Von den Sondermaterien des Maklerrechts hat bisher lediglich das Recht der Wohnungsvermittlung, und zwar in einem eigenen Gesetz vom 4. November 1971, eine ausführliche Regelung erfahren. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein Anliegen zu sprechen kommen, das mir auch persönlich am Herzen liegt. Die Kodifikation des deutschen Zivilrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch ist, wie auch im Ausland anerkannt wird, eine der bestgelungenen. Wir dürfen diesen uns anvertrauten Wert nicht weiterhin, wie das einige Zeit hindurch geschehen ist, durch Herausnahme einzelner und in
der Regel besonders interessanter Materien schmälern.
({0})
Der Gesetzgeber hat aus diesem Grunde schon das ursprünglich als Sondergesetz eingebrachte Reiseveranstalterrecht mit Recht in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet. Mit der Wiedereinbeziehung des Rechts der Wohnungsvermittlung in das Bürgerliche Gesetzbuch, die der vorliegende Entwurf vorsieht, gehen wir noch weiter und beseitigen ein Stück bereits eingetretener Rechtszersplitterung. Ich hoffe zuversichtlich, daß es gelingen wird, in der Zukunft noch weitere Materien in das BGB zurückzuführen und damit den umfassenden Kodifikationscharakter wieder so weit wie möglich herzustellen. Sie wissen, daß im Bundesministerium der Justiz zu diesem Zweck ein eigenes Referat für den Bereich des Schuldrechts eingerichtet worden ist.
Mißstände im Bereich der Darlehensvermittlung haben den Bundesrat bei den Beratungen des ersten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität veranlaßt, von der Bundesregierung die Schaffung besonderer Schutzvorschriften zugunsten der Kunden von Darlehensvermittlern zu verlangen.
({1})
- Zu verlangen. Nein, das war ein Wunsch. Gut, wir können darüber noch im Ausschuß. streiten. Aber auch hierüber sollte eine einvernehmliche Regelung möglich sein. - Diesem Anliegen kommen die besonderen Vorschriften über die Darlehensvermittlung nach, die unter anderem auf eine umfassende Information des Kunden, dessen Schutz vor vorzeitiger Fälligstellung des Vermittlungsengelts und den Ausschluß ungerechtfertigter Nebenentgelte - hier lag es insbesondere im argen - abzielen.
Ein deutliches Zeichen dafür, daß der Entwurf nicht maklerfeindlich ist, sondern auch die speziellen Interessen der Makler durchaus berücksichtigt, ist auch die neue Regelung des Rechts der Ehevermittlung. Nach bisherigem Recht - lakonisch in einer einzigen Vorschrift, nämlich dem § 656 BGB, geregelt - steht dem Makler, wie wir alle wissen, ein klagbarer Anspruch auf den Maklerlohn nicht zu. Die Ehevermittlung und Eheanbahnung wird damit trotz ihrer unbestrittenen gesellschaftlichen und sozialen Berechtigung in die Nähe des, sagen wir es, Glückspiels gerückt. Bemerkenswert ist dabei, daß sich diese bewußte Diskriminierung des Ehemaklers keineswegs günstig für den Auftraggeber ausgewirkt hat.
({2})
- Ich habe dies - Sie verstehen mich recht, Herr Erhard - nur ausgeführt, um deutlich zu machen, daß hier kein klagbarer Anspruch besteht, wie das beim Glücksspiel der Fall ist. Aber ich nehme an, Ihr Zwischenruf war eher humorvoll gemeint. - Schon aus Schutzgründen ist der Ehemakler gezwungen, vom Auftraggeber Vorleistungen zu verlangen. Der Auftraggeber hat, wie die Praxis zeigt, bei Fehlschlä14258
gen der Bemühungen des Maklers oder bei Kündigung des Vertrages stets Schwierigkeiten, die hohen Vorauszahlungen - sie sollen zum Teil bis in die Tausende gehen - oder wenigstens Teile davon zurückzuerhalten. Die Neuregelung wird mit der Beseitigung der Unklagbarkeit des Ehemaklerlohnes die Diskriminierung des Ehemaklers beenden und dadurch das Verhältnis zwischen Makler und Auftraggeber entkrampfen.
Vor einer unfairen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses wird der Eheinteressent durch besondere Vorschriften geschützt. So wird ihm ein unabdingbares Kündigungsrecht eingeräumt. Vorschüsse auf die Vergütung kann das Eheanbahnungsinstitut nur in begrenztem Umfang verlangen. Im Falle vorzeitiger Kündigung wird er vor einer finanziellen Benachteiligung geschützt. Schließlich wird wohl kaum bezweifelt werden können, daß es gerade in diesem Bereich besondere Mißstände gab. Ich nehme an, manch einer der Kolleginnen und Kollegen kann auf Grund der Erfahrung aus seiner Sprechstunde ein Lied davon singen.
Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zu dem anderen Teil des Entwurfs, der Regelung der finanzierten Rechtsgeschäfte, sagen. Bei diesen Geschäften kreditiert, im Gegensatz zum klassischen zweiseitigen Abzahlungsgeschäft, nicht der Verkäufer oder der sonstige Anbieter den Preis; vielmehr übernimmt ein Dritter die Finanzierung. Der Käufer darf bei einer derartigen Ausgestaltung des Vertrages nicht schlechterstehen als der Käufer beim zweiseitigen Abzahlungsgeschäft. Ich meine, auch das ist unter uns unstreitig. Sonst nämlich bestünde ein Anreiz dafür, durch ein Ausweichen auf finanzierte Geschäfte die Schutzvorschriften des Abzahlungsgeschäftes zu umgehen oder ganz einfach leerlaufen zu lassen. Der Deutsche Bundestag hat deshalb bei der Verabschiedung des Zweiten Änderungsgesetzes zum Abzahlungsgesetz die Bundesregierung aufgefordert, über den finanzierten Abzahlungskauf einen Gesetzentwurf zu erarbeiten.
Der Entwurf beschränkt sich auf die Regelung der für die finanzierten Geschäfte zentralen Frage, unter welchen Voraussetzungen der Käufer die ihm zustehenden Einwendungen aus dem Kaufvertrag auch gegenüber dem Darlehensgeber geltend machen kann. Eine umfassendere Regelung des Verbraucherkredits, wie sie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf angeregt hat, wird von der Bundesregierung im Grundsatz befürwortet und bejaht. Hier sollen jedoch die Ergebnisse der Harmonisierungsarbeiten zum Verbraucherkredit auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften abgewartet werden. Wir sollten diesen nicht vorgreifen; sonst stehen wir vor der Frage, eine Materie zweimal hintereinander regeln zu müssen.
({3})
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Regierungsvorlage ist begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Entwurf über finanzierte Rechtsgeschäfte und über Maklerverträge - aus der Überschrift kann man nicht ohne weiteres entnehmen, um was es alles geht - hat uns die Bundesregierung eine bunte Palette aller möglichen, schwerwiegenden Änderungen des Schuldrechtsteils des Bürgerlichen Gesetzbuches vorgelegt. Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es selbstverständlich, in einem Zeitpunkt, in dem alle über zu viele Gesetze und über immer neue staatliche Reglementierungen klagen, zu prüfen, ob das Erfordernis und die Notwendigkeit, Gesetzgebungsvorschläge in diesem Umfang zu unterbreiten, bestehen. Immerhin sollen mit diesem Gesetzentwurf alle möglichen Bereiche neu geregelt werden. Lassen Sie mich zunächst die Neuregelung der finanzierten Rechtsgeschäfte ansprechen. Hier muß man sehen, daß der Bundestag bei der Verabschiedung der Zweiten Novelle zum Abzahlungsgesetz im Jahre 1973 die Bundesregierung aufgefordert hat, einen Entwurf über finanzierte Abzahlungsgeschäfte vorzulegen. Bei einer näheren Befassung mit diesem jetzt vorgelegten Teil des Entwurfs muß man aber feststellen, daß die Bundesregierung weit darüber hinausgegangen ist. Ich würde es deshalb natürlich sehr begrüßen, wenn der Herr Staatssekretär noch hier wäre. Die Bundesregierung hat nämlich nicht nur das getan, wozu wir sie beauftragt haben, sondern sie hat einen Entwurf zum finanzierten Rechtsgeschäft vorgelegt, der über die Abzahlungsgeschäfte hinausgeht, der den Umfang und den Anwendungsbereich der neu vorgeschlagenen Vorschrift des §607a BGB nach unserer Auffassung viel zu weit ausdehnt.
Um ein Beispiel zu nennen: Nach diesem Entwurf könnte sich ein Kaufmann, der nicht im Handelsregister eingetragen ist, wenn er sich einen Mercedes kauft und ihn durch eine Bank finanzieren läßt, dann, wenn er mit dem Mercedes nicht zufrieden ist oder dieser Mängel aufweist, letztlich an die finanzierende Bank halten. Das ist wohl nicht der Sinn einer solchen Gesetzgebung. Wir sollten im Zeitalter des mündigen Bürgers nicht Kaufleute, sondern wir sollten allenfalls unerfahrene Verbraucher schützen. Auf diesen Gesichtspunkt komme ich in anderem Zusammenhang noch zurück.
({0})
-lich Die Regierung ist wieder da; das ist höchst erfreu
({1})
Herr Staatssekretär, das sollte kein Vorwurf sein. Da Sie jetzt wieder da sind, kann ich Ihnen meine Anliegen und die Anliegen meiner Fraktion vortragen.
Unseres Erachtens müßte der Anwendungsbereich der Vorschriften über finanzierte Rechtsgeschäfte klarer abgegrenzt werden. Es werden hier Fälle umfaßt, die unter keinem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sinnvoll einbezogen werden können. Alle, die sich mit dem finanzierten AbzahDr. Stark ({2})
lungsgeschäft und finanzierten Rechtsgeschäften beschäftigen, wissen auch, wie schwierig die gesetzliche Regelung dieser Materie ist. Es gibt dazu erfreulicherweise eine umfangreiche Rechtsprechung; aber es wird noch unserer allergrößten Anstrengungen bedürfen, diese in ein kurzes Gesetz zu fassen. Im Grundsatz halten wir es für richtig, daß eine gesetzliche Regelung erfolgt; aber zu den einzelnen Regelungen haben wir verschiedene Anregungen und Bedenken, und wir werden diese bei der Beratung im Rechtsausschuß vorbringen.
Der zweite große Bereich der Neuregelung betrifft das Maklerrecht. Herr Staatssekretär, hierzu muß ich Ihnen schon jetzt nach einer ersten Befassung sagen: Dieser Teil der vorgeschlagenen Neuregelung ist nicht gelungen. Dieser Teil atmet noch viel zu sehr den Geist des Beschlusses des SPD-Parteitags von Hannover, daß Makler grundsätzlich zu verbieten sind und nicht mehr tätig sein dürfen.
({3}) .
Ein recht angesehener Kenner der Materie, Professor Schwerdtner aus Bielefeld, hat geschrieben: Dieser Entwurf - er bezog sich damals allerdings noch auf den zweiten Referentenentwurf; aber so viel anders ist das auch nicht, was Sie jetzt vorlegen ({4})
unterscheidet sich von dem damaligen Beschluß nur dadurch, daß er ein „stilles Berufsverbot" ausspreche und deshalb lediglich im Marketing besser als der ursprüngliche Beschluß des SPD-Parteitags von
Hannover sei. Aber immerhin haben Sie heute, Herr Staatssekretär, hier schon anerkannt, daß auch Makler Menschen sind, die einem notwendigen Geschäft nachgehen. Sie haben das sogar auf Ehemakler bezogen. Das ist ein Fortschritt gegenüber dem SPD-Parteitagsbeschluß.
An Stelle langer Ausführungen möchte ich Ihnen, Herr Staatssekretär, und der Bundesregierung hier nur sagen, daß es nicht verständlich ist, warum z. B. ein Villenbesitzer nicht berechtigt sein soll, einen Makler allein zu beauftragen, innerhalb einer bestimmten Zeit möglichst seine Villa zu verkaufen, und sich dafür verpflichtet, keinen anderen Makler einzuschalten oder für den Fall des zufälligen Eigenverkaufs dem Makler dennoch die vereinbarte Provision zu bezahlen. Das ist aber nach diesem Entwurf ausgeschlossen. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Die Ausgestaltung des qualifizierten Alleinauftrages ist nicht gelungen. Hier werden wir unsere Bedenken anbringen. Wir werden uns im Rechtsausschuß Fachleute holen müssen, die von der Praxis etwas mehr verstehen als die Verfasser dieses Gesetzentwurfes.
({5})
Ein weiterer Punkt: Die Einbeziehung der Vorschriften über Wohnungsvermittlung halten wir für richtig und sinnvoll. Wir begrüßen, daß diese aus dem Wohnungsvermittlungsgesetz herausgenommen und in das Bürgerliche Gesetzbuch überführt werden sollen. Unseres Erachtens ist es auch sinnvoll, für die Darlehensvermittlung gewisse Vorschriften und Klarstellungen vorzusehen - im Interesse eines vernünftigen Verbraucherschutzes. Diese Vorschläge finden insoweit unsere Zustimmung.
Die vorgeschlagenen Neufassungen sind insgesamt sehr umfangreich. Lassen Sie mich deshalb in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Wenn wir das Bürgerliche Gesetzbuch, das wir so rühmen, reformieren wollen, müssen wir uns dazu erstens Zeit lassen und dürfen zweitens keine zu umfangreichen Vorschriften formulieren. Im Maklerrecht haben wir jetzt fünf Vorschriften im BGB auf einer Seite. Wenn der hier vorgelegte Entwurf beschlossen wird, hätten wir acht bis zehn Seiten. Statt klarer Paragraphen haben wir dann ganze Kommentare im Gesetzbuch stehen. Das wäre aber nicht der Sinn einer vernünftigen Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches.
({6})
Es tut vielmehr unter ästhetischen Gesichtspunkten weh, wenn man diese vielen und umfangreichen Vorschriften ansieht. Die Aufgabe von uns Rechtspolitikern ist, auch sie im Laufe der Beratungen auf das nötige Maß zurückzuführen.
({7})
- Herr Kollege Emmerlich, was nötig ist, wollen wir regeln. Alles andere wollen wir weglassen.
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Neuordnung von Ehevermittlung und Eheanbahnung sagen. Wenn man sieht, was da alles in einem Gesetzentwurf zusammengezogen ist, wundert man sich schon
- zumal wenn man die Begründung liest -, warum das alles zusammengezogen ist. Da wird z. B. behauptet, der Ehevermittlungsvertrag müsse hier gelöst werden, weil er ein Hauptfall des finanzierten Abzahlungsgeschäftes sei. Hier habe ich aber Bedenken. Ich weiß nicht, ob man einem Ehemakler bei der Vermittlung Erfolg wünschen sollte, wenn jeder, der einen Ehepartner sucht, erst einmal zur Bank gehen muß, um den Ehemaklerlohn bezahlen zu können.
({8})
Das ist keine sehr gute Grundlage. Ich bezweifle auch, daß dies ein Hauptfall des finanzierten Rechtsgeschäftes ist. Aber es läßt sich nicht bestreiten, daß die Ehemakler auf der Basis des jetzt einzigen Paragraphen des BGB, der besagt, daß ein Ehemaklerlohn nicht eingeklagt werden kann - es war also lediglich eine moralische Verpflichtung zu zahlen -, versucht haben, sich mit Vorschüssen schadlos zu halten - und das manchmal in einem Maße, das man wirklich nicht für gut halten kann. Auch hier ist eine Neuregelung notwendig. Über die Vorschläge dazu kann man sprechen, wobei man aber auch fragen muß, ob die jetzt vorgesehene Dreimonatsregelung bei der Vorschußzahlung nicht dazu führt, daß von Anfang an eine zu hohe monatliche Teilleistung verlangt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden uns an der Beratung dieses sehr umfangreichen Gesetzentwurfes sehr aufmerksam beteiligen. Wir werden versuchen, die vorgeschlagenen Vorschrif14260
Dr. Stark ({9})
ten auf ihre Praktikabilität und ihre Auswirkungen im wirtschaftlichen Bereich zu prüfen, und wir werden überall dort, wo wir im Sinne eines wohlverstandenen Verbraucherschutzes neue Lösungen für sinnvoll halten, zustimmen. Wir werden aber alles ablehnen, was den einen oder anderen Berufsstand ohne Not und ohne Sinn in ein staatliches Korsett zwingt. Wir müssen bei allem Sinn für Verbraucherschutz aufpassen, daß wir im Zeitalter des mündigen, selbstverantwortlichen Bürgers nicht Gesetze machen, die diesen Bürger als nicht ganz geschäftsfähig, dumm oder hilflos behandeln. Darauf bitte ich auch bei dieser Gesetzgebung zu achten.
({10})
Als nächster Redner hat der Herr Kollege Heyenn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Vorlage dieses Gesetzentwurfes durch die Bundesregierung und möchte eingangs meiner Ausführungen sehr nachdrücklich betonen, daß hier ein Gesetz für den Verbraucher, nicht aber ein Gesetz gegen die Makler geschaffen wird. Es erscheint mir wichtig, dies hier zu sagen. Wir wollen mit diesem Gesetz kein stilles Berufsverbot, wie es hier angesprochen worden ist. Ich will zur Begründung dieses Gesetzentwurfes zweimal aus der Zeitung „Die Welt" vom 14. Mai 1979 zitieren. Dort heißt es:
Ob es den Maklern gefällt oder nicht: Die Reform ihres Vertragsrechts ist überfällig und nun auch - Gott sei Dank - nicht mehr aufzuhalten.
({0})
Meine Damen und Herren, seit dem 1. Januar 1900 ist das Maklervertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch in ganzen vier Paragraphen geregelt. Seitdem hat sick eine Vielzahl von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen entwikkelt; die Rechtsprechung ist auseinandergegangen. Von Rechtssicherheit kann überhaupt nicht mehr gesprochen werden. Wenn diese Regelung jetzt, so wie sie vorgeschlagen ist, Gesetz wird, dient sie dem Schutz des Verbrauchers und schafft auch mehr Sicherheit für den Makler. Denn - ich zitiere noch einmal „Die Welt" -:
Damals
- 1900
hielt man den Vertrag der Makler nicht für so wichtig, daß detaillierte Verordnungen erlassen werden mußten. Man vertraute der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und den Gesetzen der Ethik. Aufrechte Makler haben längst erkannt, daß 1979 solche Konditionen kaum noch ausreichen, um den Berufsstand des Maklers weiter zu läutern.
Ich möchte auch die Makler bitten, diesen Gesetzentwurf nicht zu verteufeln, sondern in den kommenden Beratungen dieses Gesetzentwurfs glaubwürdige Gesprächspartner für uns zu bleiben.
({1})
Nun haben die Makler ja versucht, im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs Verbündete zu suchen. Ich will darauf wegen der knappen Zeit nicht eingehen. Ich will aber betonen, daß es ihnen nicht einmal gelungen ist, im fernen Bayern Freunde für ihre Vorstellungen zu gewinnen.
({2})
Vielmehr hat der Bundesrat - und das begrüße ich ausdrücklich, Kolleginnen und Kollegen - die Vorstellungen der Bundesregierung für richtig erkannt und ausgeführt, man müsse noch weitere und strengere Regeln treffen, als sie die Bundesregierung hier vorgesehen hat.
({3})
Das sind nun einmal Fakten, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben.
({4})
- Nein, das ist die ganze Wahrheit.
({5})
Lassen Sie mich noch eines ausführen: Die Makler sind in diesem Konzert der öffentlichen Auseinandersetzung recht stimmgewaltig, aber wenig stimmgewaltig sind die Hunderttausende von Bürgern, die ein- oder zweimal in ihrem Leben mit Maklern zu tun haben und den unseriösen Maklern, die es wohl auch geben soll, angesichts der herrschenden Rechtsunsicherheit auf diesem Feld hoffnungslos ausgeliefert sind. Darum brauchen wir mehr Rechtssicherheit, die durch diesen Entwurf geschaffen werden soll.
Meine Damen und Herren, ich habe schon ausgeführt, daß der Bundesrat dem Entwurf im wesentlichen zugestimmt und verschärfende Vorschläge gemacht hat. Darum, Herr Kollege Stark, bin ich - im Gegensatz zu Ihnen und im völligen Einvernehmen mit den Vertretern der Länder im Bundesrat - der Auffassung, daß das uns hier vorliegende Maklerrecht ein gelungenes Maklerrecht ist, das wir im Detail allerdings noch werden verbessern können. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU zu einer zügigen Mitberatung im Ausschuß aufrufen. Ich würde es nicht für richtig halten, wenn uns hier die Bereitschaft zur konkreten und aktiven Mitarbeit signalisiert werden würde, wir aber in den Ausschüssen hinterher erkennen müßten, daß dieser Entwurf auf Grund von Verzögerungstaktiken in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden soll.
Lassen Sie mich ganz kurz - der Herr Staatssekretär hat das schon sehr ausführlich getan; dafür vielen Dank - auf einzelne Vorschriften eingehen. Zum Alleinauftrag ist zu sagen, daß es hier auch darum geht, die Rechte und Pflichten von Maklern und Auftraggebern neu zu formulieren, auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Bei der InanHeyenn
spruchnahme mehrer Makler gehen wir zugunsten des Maklers sogar über den Stand der jetzigen Rechtsprechung hinaus. Das ist ein deutlicher Beweis dafür, daß dieses Gesetz nicht gegen den Makler gerichtet ist, sondern mehr Rechtssicherheit schaffen soll.
Dann allerdings, wenn ich zum Eigengeschäft komme, kahn ich nicht verhehlen, daß an die Adresse der Bundesregierung der Hinweis zu richten ist, daß mich Ihre Zustimmung zum Vorschlag des Bundesrates, daß beim Selbsttätigwerden des Auftraggebers pauschal 50 % des bei erfolgreichem Handeln des Maklers fälligen Honorars an diesen zu zahlen sind, nicht befriedigt. Ich meine, es muß auch bei einem qualifizierten Alleinauftrag die Möglichkeit der Eigeninitiative gewährleistet sein, ohne daß eine Courtage fällig wird. Wir werden uns damit in den Beratungen im Ausschuß auseinanderzusetzen haben.
Von besonderer Bedeutung ist für mich die nicht unerhebliche Anzahl verbraucherpolitischer Neuregelungen, die der Gesetzentwurf außerdem enthält. Ich will mit der Bundesregierung hoffen, daß es uns bei der Neuregelung der Ratenkredite und der Anforderungen an die Kreditvermittlung endlich einmal gelingt, Schluß zu machen mit Anzeigen - mit erfolgreichen Anzeigen - wie „Wir zahlen auch an Arbeitslose Kredite", „Auch die Hausfrauen bekommen Geld, ohne daß der Ehemann Kenntnis hätte" oder „Auch wenn andere Banken Sie schon abgelehnt haben, bekommen Sie bei uns Geld". Ich hoffe, daß diese Vorschriften endlich geeignet sein werden, mit Kreditverträgen Schluß zu machen, die über 20 000 DM abgeschlossen werden und bei denen dann 11000 oder 12 000 DM ausgezahlt werden.
({6})
- Ich freue mich darüber, daß wir übereinstimmen.
Lassen Sie mich zu den fremdfinanzierten Abzahlungsgeschäften sagen, daß ich es begrüße, daß die Bundesregierung in ihren Formulierungen über die ursprünglichen Forderungen, die bei der Beratung der Zweiten Novelle zum Abzahlungsgesetz erhoben wurden, hinausgeht. Ich begrüße das, weil ich nicht einzusehen vermag, daß ein Käufer dann, wenn nicht der Verkäufer, sondern die mit ihm verbundene und zusammenarbeitende Bank der Kreditgeber ist, nicht in der Lage sein soll, weitere Ratenzahlungen zu verweigern oder gezahlte Raten wieder zurückzuverlangen, wenn z. B. die Ware nichts taugt, wenn der Käufer bei einem Abzahlungsgeschäft binnen Wochenfrist widerruft oder wenn Irrtum oder Täuschung im Spiele waren. Dies muß von uns ganz klar gesetzlich geregelt werden, da wir wissen, daß Einvernehmen in solchen Situationen nicht zu erwarten ist.
Dagegen, daß wir in Randbereichen abklärend, abgrenzend wirken können, ist, Herr Kollege Stark, nichts einzuwenden.
({7})
- Ich freue mich darüber, daß wir übereinstimmen.
({8})
Vielleicht ist es uns dann möglich, noch in dieser Legislaturperiode zu einer Verabschiedung zu kommen.
Lassen Sie mich zu einem weiteren Bereich kurz etwas sagen. Ich zitiere aus den „Nürnberger Nachrichten" vom 3. Mai 1979:
Niemand kann etwas dagegen haben, wenn sich z. B. ein Mann oder eine Frau den gewünschten Ehepartner von einem Dritten vermitteln lassen. Unvertretbar aber ist es, wenn dafür, wie häufig geschehen, gewaltige, in die Tausende gehende Mark an Honoraren kassiert werden.
Hier ist mit Bürgern der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein Schindluder ungeheuren Ausmaßes getrieben worden. Ich hoffe, daß es gelingt, durch eine Regelung in diesem Gesetzentwurf dazu beizutragen, diesen Teil des Maklerrechts in geordnete Bahnen zu lenken, die es demjenigen, der Leistungen in Anspruch nimmt, auch ermöglichen, mit den entsprechenden Firmen auf dem Boden einer klaren gesetzlichen Regelung zusammenzuarbeiten, wenn er es für richtig hält.
({9})
- Richtig!
Gestatten Sie mir zum Schluß noch zwei - teilweise etwas ausführlichere - Bemerkungen. Der Kollege Stark hat den Maklerbeschluß i angesprochen, der von der SPD auf ihrem Parteitag 1973 gefaßt wurde. Ich meine, die Beratung eines Gesetzentwurfs zum Maklerrecht kann nicht vorbeigehen, ohne daß ein Sozialdemokrat von dieser Stelle aus etwas zu diesem Beschluß sagt. Ich will den Wortlaut des Beschlusses gern wiederholen; ich selber habe zu diesem Beschluß auf dem Parteitag gesprochen und ihn befürwortet. Er lautet:
Die Ausübung des Gewerbes zur Vermittlung von Grundstücken und Wohnungen ist gesetzlich zu unterbinden. Eine öffentliche Vermittlungsstelle ist einzurichten.
Meine Damen und Herren, warum haben wir denn diesen Beschluß 1973 auf unserem Bundesparteitag gefaßt? Er war doch Ausdruck eines allgemeinen Unwillens in der Bevölkerung über die Praktiken gewisser Makler.
({10})
Dieser allgemeine Unwille - da können Sie noch so laut reden - hat sich in der Volkspartei SPD auch den Delegierten des Parteitages vermittelt.
({11})
- Lassen Sie mich Ihnen den Wind gleich aus den Segeln nehmen! Wir haben diesen Beschluß 1975 ja schon wieder aufgehoben.
({12})
Heyenn Warum denn?
({13})
Weil er Wirkungen gezeigt und sich beruhigend auf den Markt ausgewirkt hat! Heute ist die volkswirtschaftliche Funktion der Makler in der SPD unumstritten. Das ist auch für die Bundesregierung hier ausgesagt worden. Doch dazu hat das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung aus dem Jahre 1971, das den Schutz von Wohnungssuchenden vor ungerechtfertigten wirtschaftlichen Belastungen, die sich für sie aus mißbräuchlichen Vertragsgestaltungen oder unlauteren Geschäftsmethoden häufig ergeben haben, bezweckte, ebenso beigetragen wie das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung, das die Voraussetzungen für die Zulassung zum Maklerberuf enger gefaßt hat. Ich könnte auf die Ergänzung der Makler- und Bauträgerverordnung in diesem Zusammenhang eingehen. Diese Novelle hat einen gewissen Schlußpunkt unter die Entwicklung im Maklerrecht gesetzt. Wir wollen einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Makler und Auftraggeber erreichen.
({14})
Der zweite Punkt, zu dem ich abschließend reden wollte, ist das Thema Gesetzesflut. Der Gesetzentwurf, der die Regelungen über finanzierte Rechtsgeschäfte und über Maklerverträge in das BGB: einfügt, weist einen grundsätzlichen rechtspolitischen Aspekt auf. Unser Ziel, im Verbraucherschutz den Übergang von der formellen Rechtsgleichheit zur inhaltlichen Chancengleichheit zu schaffen, bedarf der Gesetzgebung. Wir können aber dafür sorgen, daß die notwendige Normenproduktion übersichtlich bleibt und sich stärker auf die notwendigen Regelungen konzentriert. Der Weg dazu, wie ihn auch der vorliegende Gesetzentwurf beschreitet, ist durch die Einfügung der Regelungsmaterie in eine unserer großen Kodifikationen, ins Bürgerliche Gesetzbuch, beschritten. Es ist zu begrüßen, daß die Bundesregierung nicht den Weg von Sondergesetzen wählt, sondern im Gegenteil ein schon bestehendes Sondergesetz, nämlich das zur Teilregelung der Wohnungsvermittlung, wieder ins BGB zurückholt. Das dient nicht nur der besseren Übersichtlichkeit unserer Rechtsordnung, sondern fördert auch den Blick für systematische Zusammenhänge. Es zwingt uns, Herr Kollege Stark, zu knappen Regelungen und hilft uns, Wiederholungen zu vermeiden. Auf das Reisevertragsgesetz ist hingewiesen worden. Es ließen sich weitere Beispiele für die Einfügung von Normen ins BGB nennen, etwa die erste Eherechtsreform.
Diese Leitlinie beschränkt sich nicht auf das Zivilrecht, vielmehr haben wir im Jahre 1974 sondergesetzliche Regelungen aus dem Nebenstrafrecht in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Wir sind dabei, die strafrechtlichen Vorschriften aus den Nebengesetzen verwaltungsrechtlicher Art zur Umweltkriminalität in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Jahre 1900 hat schon damals teilweise die soziale Wirklichkeit verfehlt. Wir müssen den Inhalt dieses Gesetzes stärker an die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen unserer Rechtsordnung anbinden. Wir müssen das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes stärker in das Bürgerliche Gesetzbuch hineinbringen. Dazu dient dieser Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf und die Einfügung seiner Bestimmungen in das BGB sollen das Recht durchschaubarer und zugänglicher machen. Es geht nicht um ein Mehr an Normen - das beweisen wir durch die geringe Zahl der Paragraphen; es gibt gegenwärtig eine Vielzahl von allgemeinen Geschäftsbedingungen, Formularverträgen und Urteilen, die Richterrecht setzen -, sondern es geht darum, wer diese Normen setzt und wie sie dem Bürger nahegebracht werden.
Wir haben uns hier eine schwierige Gesetzesänderung vorgenommen. Sie bringt aber Erleichterungen für den Bürger. Es ist ein Gesetz für den Verbraucher und nicht gegen den Makler.
({15})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Über die Einzelfragen werden wir uns erfreulicherweise alle gemeinsam im Ausschuß zu unterhalten haben. Wir wollen nicht diejenigen, die heute, am Freitagvormittag, hier ihren Verpflichtungen genügen, dadurch bestrafen, daß wir sie in die Einzelheiten unserer Überlegungen verwickeln und damit belästigen.
({0})
Was Herr Heyenn zum Schluß gesagt hat, möchte ich an den Anfang stellen. Es ist auch von Herrn Staatssekretär de With angesprochen worden. Es geht um die Frage: Wie verträgt sich der Gesetzentwurf mit unseren Bestrebungen, die Gesetzesflut, die allgemein beklagt, aber von den Beklagern meist gleichzeitig kräftig gefördert wird, einzudämmen?
Schon ein Blick auf den letzten Satz des vorgeschlagenen § 607 a, der sich mit dem fremdfinanzierten Abzahlungsgeschäft befaßt, macht deutlich, daß wir bei der Einfügung bisher spezial geregelter Materien in das Bürgerliche Gesetzbuch weit davon entfernt sind, etwa diesen einfachen und nun seit immerhin etwa 80 Jahren bewährten Geist des BGB wiederherzustellen. Es bedarf größter Anstrengungen und größter Disziplin aller an dem Gesetzgebungsvorgang Beteiligten, wenn wir uns den Leistungen unserer frühen gesetzgeberischen Vorväter wieder einigermaßen annähern wollen. Wir sind von einem derartigen Ergebnis, wie auch dieser Entwurf zeigt, weit entfernt
({1})
Wir bemühen uns in jedem Einzelfall - das soll auch im Ausschuß geschehen -, dem nachzueifern, was uns als Vorbild immer so leicht über die Lippen geht, aber so schwer zu erreichen ist.
Herr Heyenn, ich weiß gar nicht, was Sie für Wähler vertreten und wie diese auf alle möglichen Sachen hereinfallen, die sich wirklich in breitesten Kreisen als Gefahren herumgesprochen haben. Es ist nun einmal grundsätzlich zu entscheiden, ob wir dem Bürger ein wenig Risiko belassen wollen, damit er daran wächst und seine persönliche Freiheit nicht nur behält, sondern verstärkt, oder ob wir versuchen wollen, ihn mit allen Sorten von Schutzkäfigen zu umzingeln, die schließlich seine Freiheit beeinträchtigen und nicht nur seinem Schutz dienen.
({2})
Damit haben wir es bei dieser Gelegenheit wieder einmal zu tun.
({3})
Ich glaube nicht, daß ein Geschäftsmann, der sein Unternehmen einigermaßen erfolgreich führt, auf die Idee käme, sich Büroräume oder ein Grundstück in der Weise zu suchen, daß er nach Auswertung der Zeitungsanzeigen die diversen Anbieter anschreibt. Ein Mann, der gelernt hat, seine Zeit richtig einzuteilen, wird vielmehr einen Makler anrufen, weil er genau weiß, daß dieser schneller und trotz der Provision kostengünstiger in der Lage ist, dem Nachfrager zum Erfolg zu verhelfen, als dieser es selber könnte. Das ist eine Erfahrung, die man im täglichen Leben machen kann.
Der Bürger, der eine Wohnung sucht, mag vielleicht seine gesamte Freizeit dafür einsetzen und den Makler nicht einsetzen wollen. Ich halte das zwar für unklug; aber die Entscheidung soll er dann mal so treffen. Bloß, wenn er den Makler eingeschaltet hat, dann müssen wir uns mit diesem vorhin nur halb angesprochenen Satz befassen, daß Maklers Müh' oft umsonst ist.
({4})
Es ist ganz erstaunlich, wie Bevölkerungsgruppen, die normalerweise als Inbegriff der Ehrbarkeit von ihrem sonstigen beruflichen Erscheinungsbild her angesehen werden - ich verzichte darauf, Beispiele zu nennen, obwohl viele, die mich kennen, wissen, was mir auf der Zunge liegt -,
({5})
durch sämtliche Instanzen bereit sind, die dreistesten Lügen zu erzählen, um zu beweisen, daß der Makler zu dem erstrebten Grundstückskauf nichts beigetragen hat. Das erleben Sie in der gerichtlichen Praxis bedeutend häufiger als den gegenteiligen Fall - ich bestreite nicht, daß auch das vorkommen kann -, daß der Makler, ohne daß er sich überhaupt eine Mühe gemacht hat, versucht, Provision aus der Sache zu ziehen.
Hier sind wir an einem hochinteressanten Punkt, wo unser Verbraucherschutz in eine Benachteiligung der Gruppen umschlägt, die wir schützen sollten,
({6})
damit sie dem Verbraucher gescheit dienen können.
({7})
Die Sache mit dem Nulltarif beim Alleinauftrag ist doch völlig abwegig. Natürlich wird selbst in Großstädten immer bekannt, daß gewisse Objekte am Markt sind. Natürlich können die Betreffenden irgendwann längst nach Erteilung des Alleinauftrags und nachdem der Makler dafür gesorgt hat, daß bekannt wird, daß dieses Objekt am Markt ist, einander beim Mittagessen treffen und sich in allen Einzelheiten ausdenken, was sie veranstalten können, um die Maklerprovision zu ersparen.
Davor müssen wir diesen Berufsstand schützen, auch wenn dieser Berufsstand der sozialliberalen Koalition nicht gerade freundlich gegenübertritt. Das ist das weite Gebiet der zweckmäßigen Interessenwahrung gegenüber den Mitgliedern dieses Parlaments. Ich habe hier einen Brief des Rings Deutscher Makler, Landesverband Bayern, an den Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Dr. Franz Josef Strauß, der von Beleidigungen gegen die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten nur so wimmelt und sich über die völlige Verständnislosigkeit dieser beiden Parteien gegenüber den Maklern beklagt und letzte Hilfe bei diesem bayerischen Ministerpräsidenten sucht, der aber trotz dieses Briefs hier nicht Platz genommen hat.
({8})
Aber die Voreingenommenheit eines Berufsstands gegen unsere ehrlichen marktwirtschaftlichen Absichten kann uns überhaupt nicht davon abhalten, diese Absichten zu verwirklichen, auch auf die Gefahr hin, daß sie unter anderem diesem Berufsstand nützen,
({9})
im übrigen in erster Linie dem Verbraucher nützen. Und das ist der Punkt, Herr Heyenn, über den wir uns im Ausschuß wirklich ausführlich unterhalten müssen.
Wir werden vielleicht Gelegenheit haben, uns einmal Fallbeispiele zu besorgen; vielleicht gibt es auch eine Statistik über die einschlägigen Prozesse. Wir versachlichen das Thema dann so weit, daß wir erkennen, daß hier auch dem Verbraucher gedient ist, wenn man durch diese Änderung des Maklerrechts den Makler nicht mehr so rechtlos stellt, wie er gesetzlich steht - mit der daraus zugegebenermaßen resultierenden Folge, daß er sich mit einer Fülle von Formularverträgen zusätzliche Rechtspositionen genommen hat, die ihm wohl nicht zustehen.
({10})
Dazwischen den richtigen Weg zu finden, ist die Aufgabe, die hier vor uns liegt.
Zum Bereich der Ehevermittlung ist schon einiges gesagt worden. Ich teile die Ansicht, daß gerade in diesem Grenzbereich, der für die Betroffenen nicht nur materiell, sondern in hohem Maß auch emotional belastet ist, finstere Dinge geschehen. Das ist üb14264
rigens ein typisches Beispiel dafür, daß man mit gesetzgeberischen Vorschriften das Gegenteil von dem erreichen kann, was man will. Man wollte den Ehemäklerlohn vermeiden, weil man die ganze Geschichte als zweifelhaft und schwierig ansah, und leistete damit all den Auswüchsen mit den vorweg zu kassierenden Gebühren - die man rechtlich nicht anders bekommen kann - Vorschub, die jetzt Veranlassung geben, einzuschreiten. Ich unterstreiche die Ansicht der Vorredner, daß es allerdings höchste Zeit ist, daß hier eingeschritten wird.
Es war hier von einer „bunten Palette" von Vorschriften die Rede. Ich möchte zum Schluß die Palette noch etwas erweitern. Ich glaube nämlich, daß besondere Gelegenheiten auch besondere Maßnahmen erfordern. Man kann gelegentlich - nicht zu oft; schon aus Respekt vor dem anderen Hause, vor dem Bundesrat -, wenn sich eine Sache als regelungsbedürftig erwiesen hat und in langen schwierigen Gesprächen der Regelungsfähigkeit nähergebracht worden ist, auch einmal an eine schon im Gesetzgebungsgang befindliche Vorlage eine weitere Bestimmung anfügen. Ich glaube, daß diese Vorlage geeignet ist, auch noch eine Neuregelung des § 247 BGB mit aufzunehmen, über die wir dann im einzelnen sprechen müßten. Diese Verbraucherschutzvorschrift - eine der klassischen und ältesten Verbraucherschutzvorschriften, die im übrigen noch die Besonderheit aufweist, daß da zum erstenmal eine Zahl ins BGB gekommen ist, nämlich die Zahl „sechs vom Hundert" - muß man wohl - auch wiederum in sorgfältiger Abwägung zwischen den Interessen der Verbraucher, die seit so vielen Jahren geschützt werden sollen, und denjenigen, die für die Verbraucher tätig sind - einmal überprüfen.
Der Zeitpunkt für eine solche Überprüfung ist naturgemäß ein Periode höheren Zinses und keine Periode des Niedrigzinses. Die Problematik würde dann in bestehende Verträge und Überlegungen einfließen. Weil wir nun gerade eine solche Zeit haben und weil die Gespräche doch schon erheblich weit gediehen sind, mache ich den Vorschlag, einmal zu überlegen, diese hier so bezeichnete „bunte Palette" noch um diesen weiteren Punkt zu bereichern, um auch ihn einer so befriedigenden Lösung zuzuführen, wie ich das von unserer gemeinsamen Arbeit auch für die anderen Punkte dieses Vorhabens erhoffe.
({11})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat empfiehlt, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß - federführend -, an den Wirtschaftsausschuß und den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - mitberatend - zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 30 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Sportausschusses ({0}) zum Vierten Sportbericht der Bundesregierung
- Drucksachen 8/2033, 8/3210 Berichterstatter:
Abgeordnete Tillmann, Schirmer
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall.
Interfraktionell sind zwei Runden mit Kurzbeiträgen vorgesehen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tillmann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab um eine Berichtigung der Bundestagsdrucksache 8/ 3210 bitten. Der Druckerei ist offensichtlich in dem Bericht auf der Drucksache 8/3210 ein Fehler unterlaufen. Auf Seite 4, Absatz 7, steht: „Die Bundesregierung hat sich zu der Stellungnahme des Bundesrates mit Schreiben vom 4. September 1979 geäußert." Richtig muß es aber heißen: „4. April 1979".
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vierte Sportbericht der Bundesregierung, der am 3. August 1978 vorgelegt wurde, ist inzwischen schon so alt geworden, daß die Daten des Beratungsablaufes durcheinandergebracht werden. Ich möchte mich daher heute auf einige kritische Bemerkungen zum Bericht beschränken.
Wenn man vom statistischen Wert dieses Berichts, den er ohne Zweifel hat, einmal absieht, muß man feststellen: Der Bericht genügt dem Anspruch, eine geschlossene Konzeption der Sportförderung durch die Bundesregierung vorzustellen, eine Perspektive aufzuzeigen, in keiner Weise.
Meine Damen und Herren, nehmen sie z. B. nur die Beiträge der insgesamt elf beteiligten Ressorts, die in diesem Bericht offensichtlich ohne jede Systematik und ohne jeden Zusammenhang willkürlich aneinandergereiht wurden und die zudem noch, wenn man vom Bundesinnenminister absieht - hier würde ich den Herrn Bundesinnenminister gern loben wollen, wenn er hier wäre -, praktisch allesamt vom Dritten Sportbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1976 wortwörtlich abgeschrieben wurden.
({0})
- Ich muß hinzufügen, Herr Kollege Schirmer: selbstverständlich von der Fortschreibung der Zahlen abgesehen.
({1})
Meine Damen und Herren, deutlicher konnte das Desinteresse der Bundesregierung - oder besser gesagt: innerhalb der Bundesregierung - am Sport wirklich nicht dokumentiert werden als durch diese Abkupferei. Ich möchte beispielhaft das Auswärtige Amt, den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung oder auch den Bundesverteidigungsminister erwähnen. Man muß schon das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hoch loben: Das hat es wenigstens fertiggebracht, soviel Phantasie aufzuwenden, daß es das Wort „Zusammenarbeit" aus dem Jahre 1976 durch das offensichtlich anspruchsvollere Wort „Kooperation" ersetzt hat. Das stets um Entspannung bemühte Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat aus den „WettTillmann
kämpfen" des Jahres 1976 tatsächlich die „sportlichen Begegnungen" von 1978 gemacht.
({2})
Die Bundespost ist ja für ihr großes Innovationspotential bekannt. Der Bundespostminister macht aus „vor rund 50 Jahren", wie es im Dritten Sportbericht heißt, tatsächlich im Vierten Sportbericht „Mitte der 20er Jahre".
({3})
- Ich komme noch darauf; gedulden Sie sich bitte. - Der Verkehrsminister, der identisch ist mit dem Postminister, verblüfft uns mit der bedeutungsschweren Änderung der Reihenfolge in der Auf zäh-lung der Sportarten. 1976 hieß es: Motorsport, Wassersport, Luftsport; 1978 heißt es: Wassersport, Luftsport, Motorsport. ,
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern.
Herr Kollege Tillmann, sind Sie nicht der, Auffassung, daß Ihre jetzt etwas hämisch gefärbten Ausführungen in einem seltsamen Kontrast stehen zu der recht konstruktiven Arbeit im Sportausschuß und auch zu der Tatsache, daß Sie als CDU eigentlich die Absicht hatten, eine Sportdebatte hier im Hause überhaupt nicht stattfinden zu lassen?
Herr Kollege Klein, ich kann nicht akzeptieren, was Sie mir unterstellen. Haben doch selbst die Berichterstatter in ihrem Bericht das, was ich beanstandet habe - ich gebe zu: etwas vornehmer und etwas weniger deutlich -, zum Ausdruck gebracht, indem sie auf die Mängel des Sportberichts insofern hinweisen, als sie die Identität der Berichte 1976 und 1978 ausdrücklich ansprechen.
({0})
Spaß beseite. Ich wiederhole: Das, was uns dort geboten wird, kann nicht der Sinn des Sportberichts sein. Etwas mehr Anstrengung und Engagement können das Parlament und die interessierte Öffentlichkeit wohl erwarten. Es ist nur gut, daß der Sportausschuß vorschlägt, den Sportbericht in Zukunft nur noch alle vier Jahre zu erstatten. Dies wird sicherlich der Bundesregierung die Muße und auch die Zeit geben, nicht nur die Qualität der Berichte zu steigern, sondern auch ein klares Konzept der Sportförderung aus einem Guß in Zuständigkeit der Bundesregierung vorzustellen.
Die 4. Europäische Sportkonferenz ist vor wenigen Tagen zu Ende gegangen. Auch in den Sportberichten der Bundesregierung findet diese Europäische Sportkonferenz Erwähnung. Es ist nicht meine Aufgabe, insbesondere nicht heute - ich habe auch nicht die Möglichkeit -, das Ergebnis dieser 4. Sportkonferenz zu werten. Eines sollte jedoch gesagt werden: Man kann Verständnis dafür haben, daß die Angriffe des Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, Ewald, auf die Bundesrepublik Deutschland nicht an Ort und Stelle geziemend zurückgewiesen wurden, weil man eben die Konferenzatmosphäre nicht stören und die Konferenz nicht mit den deutsch-deutschen Querelen belasten wollte. Dies sollte dann aber doch heute hier vor dem Deutschen Bundestag gesagt werden. Es ist unwahr, daß es bei uns Sportveranstaltungen gibt, in denen nicht die sportliche Atmosphäre herrscht, sondern eine „vorher erzeugte politische Pogromstimmung". Es ist auch unwahr, daß Sportler und Spezialisten „zielgerichtet zum Verrat an ihren Heimatländern verleitet und zu übler Hetze und Verleumdung mißbraucht" werden. Meine Damen und Herren, wir wehren uns gegen diese Verleumdungen und Angriffe und weisen sie entschieden zurück.
({1})
Dies sind Angriffe auf unseren Staat und unseren Sport, die jeden Beweises entbehren. Bei uns wird niemand „zielgerichtet zum Verrat an seinem Heimatland verleitet".
Etwas ganz anderes ist es aber, wenn ein weltbekannter Sportler und Olympiasieger - Tschessiounias - die Sowjetunion verläßt, in unser Land kommt, Asyl beantragt und sich anschickt, mit viel Mühe und Aufwand eine Existenz aufzubauen. Aus heiterem Himmel verschwindet er. Die Staatsanwaltschaft, dann der Generalbundesanwalt stoßen auf eine Vielzahl höchst merkwürdiger Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verschleppung einzuleiten. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, wird dies sicher nicht als ein Beitrag zur Verwirklichung der in der Schlußakte der KSZE festgelegten Prinzipien und Maßnahmen anzusehen sein, wie ihn die Europäische Sportkonferenz vor wenigen Tagen mit ausdrücklicher Zustimmung der Sowjetunion zu leisten versprochen hat. Auch müßte dies dann sicher die sportlichen Beziehungen, insbesondere im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1980 in Moskau, belasten.
({2})
Die Gefahr dieser Belastung sieht offensichtlich aber Herr Kollege Wehner schon für gebannt an, denn nachdem der Generalbundesanwalt bereits seit Tagen ermittelt, teilt Herr Wehner besorgten Landsleuten des Verschwundenen mit, er sei ihren Hinweisen sorgfältig nachgegangen und fährt fort
- ich darf zitieren -:
Nach allem, was dabei von den verantwortlichen Institutionen in Erfahrung zu bringen war, müssen wir annehmen, daß Herr Tschessiounias aus eigenem Entschluß
- also freiwillig - in die UdSSR zurückgekehrt ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage? Ich muß allerdings auf die Zeit aufmerksam machen.
Ich bin davon ausgegangen, Frau Präsidentin, daß ich eine Redezeit von 15 Minuten zur Verfügung habe.
Nein, das ist eine Kurzdebatte. Ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Der Geschäftsführer hat mich dann leider falsch informiert. Gut, ich darf wenigstens versuchen, so schnell wie möglich zum Schluß zu kommen.
Ich muß fragen, Herr Kollege Wehner, wer diese verantwortlichen Institutionen sind, von denen Sie informiert wurden, und welche Tatsachen diesen Informationen zugrunde liegen. Entsprechen diese Informationen den Tatsachen? Sind sie ,auch dem Generalbundesanwalt bekannt? Weshalb ermittelt der Generalbundesanwalt überhaupt noch, wenn sie bekannt sind? Ermittelt er dann nicht zu Unrecht? Dies sind Fragen, die mit dem gebotenen Schweigen über den Stand irgendwelcher Ermittlungen nichts zu tun haben, sondern die. unbedingt eine Antwort erfordern. Diese Antwort muß die Bundesregierung, müssen vielleicht auch Sie selbst geben.
({0})
Ich bedaure, daß ich schließen muß. Ich darf nur noch sagen, Frau Präsidentin: Dieses Beispiel beweist, wie wenig der Sport zur vielbeschworenen Verständigung der Völkerfreundschaft dann beiträgt, wenn sich die Politik seiner bemächtigt.
({1})
Der Sport bewirkt dann eher das Gegenteil.
Ich möchte zum Schluß - weil ich leider dazu gezwungen werde, hier Schluß zu machen - sagen: wir bekennen uns nachdrücklich zur Sportförderung als einer öffentlichen Aufgabe im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips. Dies wird
({2})
- Herr Kollege Klein, jetzt komme ich auf unsere gemeinsamen Bemühungen zurück -
Nein, Herr Kollege, ich muß Sie bitten, jetzt zu schließen.
- in dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen unterstrichen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dieser Aufgabe gerecht zu werden.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schirmer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Dem aufmerksamen Zuhörer ist der Widerspruch deutlich geworden, der zwischen dem hier von Herrn Kollegen Tillmann Vorgetragenen und der zuvor im Sportausschuß des Bundestages erzielten Übereinstimmung in all diesen Fragen besteht. Im übrigen, Herr Kollege Tillmann, habe ich Sachaussagen zum Sportbericht der Bundesregierung bei Ihnen umfassend vermißt.
({0})
Welchen Wert die Bundesregierung diesem Bericht beimißt, mögen wir - auch hier im Gegensatz zu Ihrer Auffassung, Herr Kollege Tillmann - daraus erkennen, daß der Bundesinnenminister, Herr Baum, trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen hier dabei ist und mit diskutieren wird. Wir begrüßen und würdigen das.
Die im, Vierten Sportbericht der Bundesregierung gegebene umfangreiche und aufschlußreiche Zusammenstellung aller Aktivitäten läßt erkennen, daß der Bund den Sport so fördert, wie es seiner Bedeutung zukommt.
({1})
In der Beschlußempfehlung wird die Bundesregierung ersucht, die Sportförderung auf der Grundlage der bisherigen Entwicklung fortzusetzen. Der Bericht und die Beschlußempfehlung wurden nach intensiven Beratungen im Sportausschuß letztlich einvernehmlich zwischen allen Fraktionen dieses Hauses verabschiedet. Wir haben dieses Ergebnis angestrebt, weil die Sportförderung für die großen Bereiche des Breitensports und des Freizeitsports in der Zuständigkeit der Bundesländer wie der Kommunen liegt und dort von den Vertretern aller in diesem Hause wirkenden politischen Parteien getragen wird. Wir werden uns weiter darum bemühen, daß die Sportförderung insgesamt als eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden im jeweiligen Zuständigkeitsbereich intensiviert wird.
Die Zuständigkeit des Bundes liegt mit Schwerpunkt bei der Förderung des Hochleistungssports. Wir erwarten dabei eine weitere Koordinierung aller Maßnahmen durch die Bemühungen der Deutschen Sportkonferenz und der Konferenz der Ländersportminister, an der nun auch der Bundesinnenminister teilnehmen wird. In dieser Konferenz könnten auch die Beratungen über noch streitige Zuständigkeiten in der öffentlichen Sportförderung geführt werden, damit interessierte und engagierte Kräfte nicht unproduktiv erlahmen müssen, sondern gestaltend wirken können.
Der vom Bundesminister des Innern vorgelegte Vierte Sportbericht ist eine stattliche Bilanz der Sportförderung des Bundes; das ist unbestritten - so formulierte der DSB-Präsident Willi Weyer am 16. Juni 1979 in Frankfurt. Dem ist zuzustimmen. Für meine Fraktion bleibt geboten, auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit mit den Organisationen des Sports um noch bessere und wirksamere Förderungsmöglichkeiten bemüht zu sein. Die Vorbereitung der Sportler auf internationale Wettkämpfe, auf Weltmeisterschaften, Europameisterschaften oder Cups kann durch unsere Entscheidung wesentlich gefördert werden. Das gilt besonders für das 1980 bevorstehende, weltweit bedeutendste Ereignis, die Olympischen Winterspiele in Lake Placid und die Sommerspiele in Moskau und in Tallinn. Die Grundlage für diese Förderung bilden das Leistungssportprogramm der Bundesregierung und die Grundsatzerklärungen für den Spitzensport, gegeben vom Deutschen Sportbund und vom Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland.
Wir Sozialdemokraten bejahen den humanen Leistungssport, und wir freuen uns über alle sport-
lichen Erfolge, die im fairen Wettkampf errungen werden. Wir wollen, daß unsere Sportler gut vorbereitet und chancengleich teilnehmen können. Deshalb gibt es hierzulande ein umfassendes Angebot zur Entwicklung des Hochleistungssports. In unseren Bundesleistungszentren, in den Landesleistungszentren und in Stützpunkten sind hervorragende Sportstätten vorhanden.
Dennoch aber gilt, daß sportliche Höchstleistungen entscheidend durch die persönliche Betreuung und durch das qualifizierte Training geprägt werden. Unser Beitrag dazu besteht in der Finanzierung der mehr als 100 hauptamtlichen Trainer, die in den Bundessportfachverbänden die Spitzensportler trainieren und betreuen. Eine qualifizierte Ausbildung der Trainer wird jetzt in der zusammen mit dem Lande Nordrhein-Westfalen und dem Deutschen Sportbund eingerichteten Trainerakademie ermöglicht. Durch die neue Vergütungsordnung wird den hauptamtlichen Trainern eine angemessene Honorierung gesichert. Sportler, Trainer und Funktionäre müssen wissen, daß wir - gewiß mit ihnen - jeden inhumanen Leistungsdruck ablehnen.
Nachdrücklich erinnere ich an die Aussage von Bundeskanzler Helmut Schmidt, daß die Zahl der Medaillen nichts über die Freiheit in einer Gesellschaft, nichts über die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft und nichts über den Wohlstand in einer Gesellschaft aussagt.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen, daß die Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten für die
i) Leistungssportler, aber auch für. den Breiten- und Freizeitsport in der Bundeswehr und im Bundesgrenzschutz wesentlich verbessert worden sind. Besonders von der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf erwarten wir neue und positive Akzente. Die weiteren Möglichkeiten der verstärkten Nutzung der Sportstätten im Bundesgrenzschutz werden zu prüfen sein. Alle Sportanlagen der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes sollten noch häufiger als bisher in der nutzungsfreien Zeit den Sportvereinen, Sportverbänden und anderen Sportgruppen der Bürgerschaft möglichst kostenfrei überlassen werden.
({2})
Die Deutsche Sporthilfe wird durch die Herausgabe von Sportsonderbriefmarken mit Zuschlagerlösen in die Lage versetzt, die individuelle Betreuung und Förderung der Spitzensportler wesentlich zu finanzieren. Diesem Sozialwerk des deutschen Sports, aber auch dem Bundespostminister, den mitwirkenden Philatelisten und den freien Wohlfahrtsverbänden ist besonders zu danken. Wir erwarten aber auch von den Sportorganisationen, daß sie sich verstärkt um den Verkauf dieser Sonderpostmarken bemühen, damit sie sich auf diesem Weg selbst hel-f en.
Die Förderungsmaßnahmen für den Sport in den in der Entwicklung befindlichen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir werden prüfen, wie solche Hilfen künftig noch besser mit den Sportorganisationen koordiniert und auch international wirksamer und deutlicher werden können.
Neben solchen Initiativen werden weltweit besonders die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten internationalen Sportveranstaltungen beachtet. Wir wünschen, daß auch bundesdeutsche Sportorganisationen einen angemessenen Beitrag zur Fortentwicklung des internationalen Sportverkehrs leisten.
({3})
Dazu wollen wir helfen. Es sollte jedoch nicht unser Ziel sein, sozusagen der Weltmeister für internationale Sportveranstaltungen zu werden.
({4})
Wir hoffen auf das richtige Augenmaß.
Meine Damen und Herren, am vergangenen Sonnabend wurde in Berchtesgaden mit der 4. Europäischen Sportkonferenz ein wichtiges sportpolitisches Ereignis abgeschlossen, auf das mein Vorredner bereits aufmerksam gemacht hat. Allerdings habe ich Gelegenheit, dieses Ereignis anders zu würdigen, als er es hier getan hat. Dort wurden die Bemühungen deutlich, Abgrenzungen zu überwinden, Zusammenarbeit zu erreichen und vertrauensbildende Maßnahmen zu verwirklichen. Dies war der Grundtenor, getragen von allen Teilnehmern. Wenn auch übertriebene Hoffnungen unangebracht sind, so ist doch das Bemühen der Delegationen aus 28 europäischen Ländern zu würdigen, sich im Sport und durch ihn zu verständigen. Das kann auch eine Chance für den 1981 in Baden-Baden stattfindenden Olympischen Kongreß sein.
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion darf ich den Satz übernehmen, den NOK-
Die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ist intensiv und vertrauensvoll. Ich füge dem hinzu: Dies gilt gleichermaßen für uns bei der Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen.
Lassen Sie mich mit dem Dank an alle Sportvereine und Sportorganisationen, aber auch an die öffentlichen Sportverwaltungen schließen. Es gilt, meine Damen und Herren, gemeinsam weiterzuarbeiten, damit sich der Sport auch künftig frei und ungehindert entfalten kann. Bei diesen Bemühungen hoffen wir auf die Zustimmung und Mitarbeit aller Mitglieder des Deutschen Bundestages.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird der vorliegenden Beschlußempfehlung zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Sportberichte sind inzwischen zu einer Art - wenn auch einer kurzen - Tradition geworden. Es ist der Vierte Sportbericht. Daß wir uns im Sportausschuß gemeinsam entschlossen haben, in Zukunft nur alle vier Jahre ei14268
nen solchen Sportbericht zu verlangen, zeigt, daß die Gesamtentwicklung positiv ist und daß wir glauben, auf einen vierjährigen Zeitraum gehen zu können. Wir helfen damit gleichzeitig, den bürokratischen Wucherungen entgegenzuwirken, die sich manchmal durch allzuviel Berichteritis auch in diesem Hause ausbreitet.
({0})
Ich wäre froh, wenn man in anderen Bereichen zu gleichen Überlegungen käme.
({1})
Man kann feststellen, daß zehn Jahre Sportpolitik der sozialliberalen Koalition eine positive Bilanz erbringen. Ich scheue mich nicht hinzuzufügen: Sie ist in diesen zehn Jahren mit ganz wenigen Ausnahmen von allen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam getragen worden. Herr Kollege Tillmann, wenn ich Ihre Bemerkungen über die Gestaltung des Berichtes richtig werte, dann komme ich zu dem Ergebnis: in der Sache gut, aber an der Formulierung Kritik. Diese Wertung werden wir wohl vornehmen müssen, wobei man bei der Formulierung immer unterschiedlicher Meinung sein kann.
Ich glaube, als wichtigste. Punkte haben wir festzustellen, daß entscheidende Verbesserungen in der Unterstützung des Leistungs- und des Hochleistungssportes stattgefunden haben, daß wir eine Menge neuer Leistungszentren geschaffen haben und hier jetzt bei einem gewissen Abschluß sind, daß wir die Zahl der Bundestrainer in einem hohen Maße verbessern konnten, daß hier allerdings in Zukunft vielleicht noch das eine oder andere zusätzlich getan werden muß. Für den gesamten Leistungssport ist bei allen Diskussionen mit Fachverbänden festzustellen, daß man anerkennt, daß hier heute eine Situation erreicht worden ist, die nicht zu der Feststellung berechtigt, daß es am Geld fehlt, wenn ein bestimmter Standard nicht erreicht wird. Im Gegenteil stellt man heute fest: Die finanzielle Ausstattung ist in diesem Bereich so, daß man nicht darüber klagen muß. Das ist ein erfreulicher Fortschritt.
Ich möchte aus den Punkten, die hier im Bericht stehen, etwas herausgreifen, was auch der Kollege Schirmer sagte. Es ist in den letzten Jahren gelungen, noch mehr freie Kräfte zu mobilisieren, damit sie mit daran wirken, den Leistungssport zu unterstützen. Hier ist mit Recht die Deutsche Sporthilfe erwähnt worden, und ich erinnere auch daran, daß insgesamt die Bereitschaft, für den Leistungssport mehr zu tun, gewachsen ist. Dabei habe ich oft das Gefühl, daß das, was in dem Bereich der Werbung geschieht, mit sehr viel Mißtrauen betrachtet werden muß. Aber auf der anderen Seite erscheint es mir genauso falsch, alles im Bereich der Werbung zu verteufeln; denn sie ist natürlich auch ein Teil der Förderung des Gesamtsportes. Das muß nur in der rechten Relation zueinander stehen.
Mit Recht hat Kollege Schirmer darauf hingewiesen, wie wichtig es war, daß wir die Fortsetzung der
Herausgabe von Sportbriefmarken erreicht haben und die entsprechenden Beschlüsse vorliegen. Ich möchte noch erwähnen - das ist zwar keine unmittelbare Bundesentscheidung gewesen, aber die Mitwirkung des Bundes war unübersehbar -, daß wir die Glücksspirale fortsetzen konnten. Hier sind sowohl für Wohlfahrtsverbände als auch für Sportverbände und für die Sporthilfe zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt worden, über die frei verfügt werden kann, so daß hier ein deutliches Zeichen dafür gesetzt worden ist, wie in einer freien Gesellschaft staatliche Unterstützung auf der einen Seite und Mobilisierung von freien Kräften auf der anderen Seite sinnvoll zusammenwirken und auch, wie das in vielen Bereichen geschehen ist, zu guten Ergebnissen führen können.
Es ist unbestreitbar, daß auch ein Zusammenwirken mit den Ländern notwendig ist, wenn ich hier auch feststellen muß, daß das manchmal recht mühselig gewesen ist. Wir verkennen nicht, daß noch Lücken zu schließen sind; aber wenn ich einmal die Ausgangsposition im Jahre 1969 mit dem Stand von 1979 vergleiche, so reden wir jetzt davon, daß Lükken zu schließen sind, und nicht mehr davon, daß in vielen Bereichen überhaupt erst einmal Fundamente geschaffen werden müssen. Dies ist ein Erfolg der Arbeit in den letzten zehn Jahren.
({2})
Noch ein paar Bemerkungen zu einem Bereich, der mir für die zukünftige Entwicklung besonders wichtig erscheint. Ich meine die Fragen, die durch unser Sportwissenschaftliches Institut behandelt werden, und die Fragen, die mit der Sportmedizin zusammenhängen. Das scheinen mir zwei Bereiche zu sein, in denen wir vom Bund her zwar mit Modellmaßnahmen operieren und Hilfestellung leisten können, aber nicht unmittelbar in die Vereine und Länder hineinwirken können. Mir scheint aber ganz besonders notwendig zu sein, in Zukunft der Sportmedizin noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als das in der Vergangenheit geschehen ist. Das darf aber nicht nur mit Blick auf den Leistungssport und nicht nur mit Blick auf unsere Profifußballmannschaften geschehen, bei denen man manchmal das Gefühl hat, daß die ärztliche Betreuung nicht immer optimal ist. Dabei ist der Blick auch auf den Breitensport, den Freizeitsport zu richten; denn die Erkenntnisse, die im Leistungssport gewonnen werden, können natürlich auch in den Schulsport, den Breitensport umgesetzt werden. Hier sollten wir die Möglichkeiten, die uns gegeben sind, nutzen und wegweisend operieren.
Daß der Schulsport noch im argen liegt, wissen wir. Wir hier können daran leider nicht viel ändern. Ich kann nur hoffen, daß es uns gelingt, über die Sportkonferenz durch gemeinsamen Einsatz nicht nur zu verbalen Verbesserungen im Schulsport zu kommen, sondern auch zur Umsetzung in den entsprechenden Beschlußgremien, hier insbesondere den Landtagen.
Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zu einer Frage, die uns immer wieder beschäftigt, machen, nämlich der Hilfe für die Beschäftigung von Mitarbeitern in den Vereinen. Auch das ist ein
Punkt, in dem wir hier von Bonn aus nicht unmittelbar tätig werden können; denn der Breitensport liegt in der Kompetenz der Länder. Aber auch hier haben wir schon mit Modellversuchen einen Weg beschritten - über das Sportwissenschaftliche Institut -, um zu erreichen, daß man durch entsprechende Hinweise, wie die Weiterentwicklung sein könnte, Hilfestellung gibt. In diesem Zusammenhang erscheint es mir auch wichtig, daß die in der Sportverwaltung hauptamtlich tätigen Kräfte entsprechende Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung bekommen.
Ich denke auch daran, daß die Beratungen über den steuerlichen Aspekt, die wir vor uns haben, selbstverständlich unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes dazu führen müssen, daß da, wo steuerliche Belastungen abbaubar erscheinen, diese möglichst aUch abgebaut werden. Es darf aber nie vergessen werden, daß in diesem Zusammenhang kein Sonderrecht für den Sport geschaffen werden kann.
Eine letzte Bemerkung, die mehr in den internationalen Bereich gehört. Natürlich müssen wir es zurückweisen, wenn unterstellt wird, wir hätten es nötig, Sportler aus anderen Ländern abzuwerben. Aber - füge ich hinzu - wir sollten mit Beurteilungen und Verurteilungen genauso zurückhaltend sein, wenn die Tatbestände nicht geklärt sind, so, wie wir das von anderen erwarten. Wenn zur Zeit im Innenausschuß - ich weiß nicht, ob schon zu dieser Minute - über diese Dinge weiter beraten wird, dann rate ich, daß man gerade in dem Fall des sowjetischen Kanuten abwartet, wie das Endergebnis aussieht.
({3})
Heute abend soll im „Deutschen Fernsehen" ein Interview kommen. Das wird auch ein Punkt sein, den ich in meine Urteilsfindung am Ende mit einbeziehe. Ich bedauere nur - und dies lassen Sie mich in aller Offenheit sagen -, daß die Möglichkeiten, die gegeben gewesen wären - ({4})
Ich kann nur sagen: Ich bedaure, daß die Möglichkeiten, die in diesem Hause gegeben sind, Unterrichtungen entgegenzunehmen und Fragen zu stellen, nicht an jeder Stelle wahrgenommen worden sind. Ich bedaure, daß es nicht möglich war, daß der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, der Kollege Zimmermann - entgegen unseren Wünschen -, eine Sitzung zustande gebracht hat, um darüber zu sprechen, weder gestern noch heute.
({5})
Dann wäre vielleicht manches schon klarer, als es im Augenblick aussieht.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spilker.
({0})
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf das zurückkommen, was hier zur Diskussion stand, auch wenn ich Gefahr laufe, mit meiner Redezeit nicht ganz auszukommen.
Herr Mischnick, Sie sind hier eben freundlicherweise indirekt auf Erklärungen zurückgekommen, die auf der Europäischen Sportkonferenz abgegeben worden sind. Ich glaube, es war Herr Ewald, der sich darüber aufgeregt hat, daß im westlichen Bereich Sportler der östlichen Staaten abgeworben werden. Das war eine Stellungnahme, die er in Berchtesgaden mehrere Male abgegeben hat. Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, daß von Abwerben in dem Sinne hier wohl nicht die Rede sein kann. Warum sollte eigentlich abgeworben werden? Jeder, der in der westlichen Welt, und selbst, wer in der östlichen Welt lebt, weiß hier von sich aus eine Antwort zu geben.
Es wurden dann Parallelen zu den Vorgängen gesucht, die Inhalt der gestrigen Fragestunde waren. In ihr wurden - mit Recht - Meinungen sehr schwerwiegender Natur ausgetauscht. Wir standen alle vor dem Problem: Warum wissen wir denn nichts? Warum kümmert sich denn - jedenfalls nach dem Sachstand, wie er sich uns darstellte - niemand von der Regierung darum?
Ich möchte eines sagen: Unterstellen wir einmal, es wäre jemand abgeworben worden. - Ich wüßte nicht wer. Ich glaube auch nicht, daß es der Fall war. - Gleichwohl, meine sehr verehrten. Damen und Herren, ist mir das natürlich viel, viel lieber, als wenn man jemanden verschleppt, immer unter der Voraussetzung, daß so etwas geschehen ist. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, aber erklären - da werden Sie mir kaum widersprechen können daß ich hier zur richtigen Zeit eine eindeutige Erklärung der Bundesregierung erwarte.
({0})
Sie ist schließlich die Regierung eines souveränen Staates. Ich würde mich sehr dafür bedanken, wenn solche Praktiken auch noch beim Sport Eingang finden.
Damit sind wir wieder beim Sportbericht, in dem mit markigen Sätzen über die internationale Zusammenarbeit berichtet wird, und damit sind wir auch wieder in Berchtesgaden.
({1})
14270 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode
- Lieber Friedel Schirmer, wenn Sie widersprechen, dann kriegen Sie die gelbe Karte.
({2})
Kommen wir nun - ich denke da natürlich auch an meine Zeit - zum Ernst der Sache zurück. Wir wollen dem gemeinsamen Entschließungsantrag zustimmen; darüber gibt es keinen Zweifel. Das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, daß wir hier zu allem ja sagen. - Das betrifft sowohl die Formulierungen, lieber Herr Mischnick, als auch das Inhaltsverzeichnis, das uns schon seit vielen Jahren bekannt ist. Was den Wunsch, den gemeinsamen Wunsch angeht, die Sportberichte künftig nur alle vier Jahre vorzulegen, damit die Referenten nicht zwei Jahre arbeiten, um den einen Bericht mit dem nächsten abzulösen, ist das sicherlich berechtigt.
Im übrigen haben wir uns vielleicht einmal mehr darüber zu unterhalten, wie die Zusammenarbeit mit den Ländern aussieht. Wie ist denn das mit den Kompetenzen? Ist es nicht schrecklich, daß wir uns jetzt im Jahre 1979 plötzlich wieder über Zuständigkeiten unterhalten, wo es eigentlich nur darum geht, wie wir dem Sport helfen können? Wäre es nicht angezeigt, die Besprechungen, die Beratungen zwischen den Sportministern und dem Bundesinnenminister endlich einmal, ich will nicht sagen: fortzusetzen, sondern: zum Abschluß zu bringen, nicht um eine neue Verfassung zu machen, sondern um die Verfassung so auszulegen, so zu praktizieren, wie sie uns vorgegeben ist.
Damit sind wir bei einem anderen Thema, das auch seit sechs, sieben oder acht Jahren auf dem Tisch liegt, das immer wieder vorgebracht und immer wieder diskutiert wird: Wie helfen wir, wir selbst? Denken wir doch einmal an die möglichen Hilfen, die wir geben könnten, denken wir doch einmal an die Frage der Steuer, denken wir doch einmal an die Frage der Gemeinnützigkeit,
({3})
denken wir doch einmal an die Frage der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Lieber Herr Mischnick, warum können wir denn da nicht helfen? Was hat denn das mit dem Breitensport zu tun?
({4})
Das ist eine Steuerfrage, eine Frage, die hier entschieden wird, eine Frage, die auf dem Tisch liegt,
({5})
bei der Sie nur ja zu sagen brauchen, um das zu erledigen.
({6})
Ich glaube nicht, daß wir hier akademisch sauber unterschiedlich argumentieren können. Mir scheint, das geht gar nicht. Es kommen ja noch andere Fragen hinzu, nicht nur die der Spendenbescheinigungskompetenz. Vorhin wurde davon gesprochen, wir müßten gerade das ehrenamtliche Element neu motivieren, weiter motivieren. Tun wir denn das? Womit denn? Wir bremsen doch mit dieser Methode alles ab, und das ist doch unser Problem.
Dazu gibt es auch den Beschluß einer Steuerkonferenz des Deutschen Sportbundes. All diese Forderungen sind auf ihr doch von A bis Z wieder auf den Tisch gelegt worden. Und, Friedel Schirmer, auch Sie haben doch bei Ihrem Sportkongreß einen Katalog von Forderungen aufgestellt.
({7})
Ich kann mich daran erinnern, daß das selbst in das Sportprogramm der FDP aufgenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, daher mein Wunsch - und damit bin ich am Ende -: Tun wir nur das, was wir alle gefordert haben, tun wir nur das, worüber wir geredet haben;
({8})
mit anderen Worten, setzen wir das, was wir gesagt haben, in die Tat um, dann sind wir sicherlich erfolgreiche Sportpolitiker!
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klein ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der bisherigen Debatte und auch beim Sportbericht der Bundesregierung haben wir erlebt, daß am Kern unserer Aufgabe, nämlich Sportförderung in dem Rahmen zu betreiben, der dem Bund obliegt, eigentlich keine Kritik geübt worden ist, auch von der Opposition nicht. Ich möchte versuchen, zum Kern der Auseinandersetzungen, zum Kern dieser Debatte wieder zurückzuführen, will aber eingangs doch folgendes sagen. Herr Kollege Spilker und Herr Kollege Tillmann, wir sollten hier nicht die Fragestunde von gestern mit anderen Mitteln fortsetzen wollen. Das ist unangemessen; dies ist nicht der Platz, das zu tun.
({0})
Herr Kollege Spilker, wir haben auch keinen Anlaß, die Steuerdebatte, die Debatte über die Änderung der Abgabenordnung und über anderes mehr, die demnächst stattfinden wird, heute zu führen.
({1})
- Verzeihung, das ist uns gar nicht unangenehm, Herr Kollege Tillmann. An dem Tage, an dem diese Debatte ansteht, werden wir die unseriösen Forderungen von Ihrer Seite sehr wohl von den seriösen Forderungen, die mit in Ihrem Katalog stehen, zu trennen wissen, und zu den seriösen Forderungen werden wir durchaus ja sagen können.
({2})
Klein ({3})
Da s wird aber erst an dem Tage geschehen, an dem dies ansteht; jetzt lenken wir den Blick zurück auf die Beratung des Sportberichts der Bundesregierung.
Ich muß feststellen, daß wir leider an einem Freitag fast fünf Minuten vor zwölf - wie üblich - einen seltsamen Kontrast erleben, zwischen dem Bestand von 16 Millionen Mitgliedern des Deutschen Sportbundes und der Leere in diesem Hause.
({4})
- Es sind alles Sportfreunde, Herr Tillmann, Sie haben recht. - Dies schließt allerdings nicht aus, daß dennoch ein breites Interesse und ein starkes Engagement in allen Bundestagsparteien vorhanden ist, wenn es darum geht, dem deutschen Sport zu helfen und ihn überall dort, wo es nottut, auch entsprechend zu unterstützen.
Der Kollege Mischnick sprach davon, daß es trotz der positiven Bilanz noch einige Lücken in der Sportförderung gibt. Wir können diese Lücken - um wieder mit seinen Worten zu reden - auf einem guten und breiten Fundament schließen. Ich bin der Auffassung, daß es dann, wenn wir zum Thema zurückkommen wollen, sinnvoll ist, noch einiges über diese Lücken, d. h. über diese Fehlbereiche im deutschen Sport zu sagen.
Man spricht im Zusammenhang mit diesen Gebieten etwas lieblos von „Randgruppen'. Wenn ich das sage, meine ich etwa, daß von der starken Förderung des deutschen Sports in den letzten Jahrzehnten, vor allem im letzten Jahrzehnt, der Behindertensport am wenigsten profitiert hat. Dies stellt uns kein gutes Zeugnis aus. Ich denke vor allem an den ständig größer werdenden Kreis der Zivilbehinderten, also an diejenigen, die nicht durch den Krieg, sondern durch Unfälle im Beruf bzw. im Arbeitsleben, auf der Straße und anderswo zu einem körperlichen Schaden gekommen sind. Aus der Statistik des Behindertensportverbandes, der im Bundesgebiet immerhin 100 000 Mitglieder hat, wissen wir, daß die Relation zur Zeit bei 40 % Kriegsversehrten, Kriegsbehinderten und 60 % sogenannten Zivilbehinderten liegt. Ich spreche das deswegen an, weil wir erwarten müssen, daß sich diese Relation von Jahr zu Jahr weiterhin verschiebt.
Während für die Kriegsbehinderten durch das Bundesversorgungsgesetz einigermaßen gute Regelungen vorhanden sind, ist die Position der Zivilbehinderten weitaus schlechter. Sie werden durch die sogenannten Reha-Träger gestützt und gefördert. Aber wir müssen feststellen, daß in einer ganzen Reihe von Behindertensportverbänden die groteske Situation besteht, daß für die Kriegsbehinderten eine volle Versorgung vorhanden ist, d. h., daß sie zeit ihres Lebens - zu Recht, wie ich meine - rehabilitiert werden, auch bei der sportlichen Betätigung, daß aber für die Zivilbehinderten diese Förderung, diese Unterstützung nach Wochen oder Monaten erlischt. Ich möchte sehr nachhaltig an den Kreis der Institutionen appellieren, der für diese Förderung im sportlichen Sektor als Reha-Träger zuständig ist, die Krankenkassen, die Unfallversicherungen und die Rentenversicherungsträger, einer Konzeption zuzustimmen, die der Deutsche Behindertensportverband vor wenigen Wochen vorgelegt hat. Mit Hilfe dieser Konzeption - wenn man sich darauf verständigen kann - würde man bewirken, daß im Deutschen Behindertensportbund nicht zweierlei oder gar dreierlei Recht vorhanden ist, daß nicht die einen eine volle Sicherung bekommen, während die anderen für ihre sportliche Betätigung in den Behindertensportverbänden noch draufzahlen müssen. Selbst wenn dem zur Stunde formale Bestimmungen entgegenstehen mögen, möchte ich an die Verantwortlichen appellieren. Denn gerade für den Personenkreis der Behinderten heißt Sport zu treiben noch weit mehr als für Gesunde Vermittlung von Lebensmut, Anerkennung, das Messen von Leistungen, schlicht: Gebrechen und Leid, wenn auch nur für Stunden, zu vergessen. Es wäre gut, wenn wir hier zu einer Regelung kämen.
Meine Damen und Herren, wir sind vorhin ermuntert worden, ganz kurz zu reden. Ich will deshalb nur in Stichworten nicht gut bestellte Felder im deutschen Sport anführen, die ebenfalls in nächster Zeit Förderung erfahren sollten und verdient haben.
Da ist zunächst der Sport für ältere Mitbürger. Wir wissen, daß auch hier ein Stück Lebensfreude und Lebensmut vermittelt werden kann, wenn in der nächsten Zeit mehr sportliche Betätigung ermöglicht wird. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es sehr, daß im Entwurf des Haushaltsplans für das nächste Jahr eine neue Modellmaßnahme in Mönchengladbach vorgesehen ist. Sie wird mit Sicherheit, wenn sie abgeschlossen ist, noch einiges mehr an Informationen für alle, die sich im höheren Lebensalter im Sport betätigen wollen, vermitteln können. Wir hoffen, daß diese Maßnahme möglichst reibungslos realisiert werden kann. Wir haben - ich darf daran erinnern - als Koalitionsfraktionen vor wenigen Wochen eine Kleine Anfrage gestellt, mit der wir nicht nur - in den sechs Punkten - versuchen, eine detaillierte Antwort zu bekommen, sondern gleichzeitig auch, durch die Art der Fragestellung Fingerzeige für mögliche neue Aktivitäten im Bereich des Sports für ältere Mitbürger geben.
Meine Damen und Herren, eine weitere Fehlanzeige haben wir im Bereich des Sports innerhalb des Arbeitslebens. Damit sind nicht die Sportvereine in den Betrieben gemeint, die sich nach Feierabend betätigen, die Betriebssportgemeinschaften. Vielmehr meinen wir, daß auch innerhalb der Arbeitszeit eine gewisse sportliche Betätigung möglich sein muß. Eines der größten deutschen Unternehmen - das soll keine Schleichwerbung sein -, ein Chemieunternehmen in Ludwigshafen, hat den Sport innerhalb der Arbeitszeit schon vor geraumer Zeit für alle eingeführt, die mitmachen wollen. Es wird niemand gezwungen mitzumachen. Wir als SPD-Fraktion haben in der Arbeitsgruppe Sport die dort gemachten Erfahrungen mit Aufmerksamkeit verfolgt. Wir sind der Auffassung, daß es sinnvoll wäre und für viele andere Betriebe eine Ermunterung darstellen würde, wenn man sich auf diesem Sektor in der nächsten Zeit noch stärker betätigte.
Meine Damen und Herren, zur Förderung des Breiten- und des Freizeitsports wurde schon einiges
Klein ({5})
gesagt. Es wurde auch bemerkt, daß der Schulsport in unserem Land noch ein kümmerliches Dasein führe, vor allem im Bereich der Berufsschule. Ich muß dies wiederholen. Allerdings sind die Bundesländer für diese Minusbilanz verantwortlich. Für die SPD-Bundestagsfraktion sage ich, daß eine entscheidende Verbesserung auf diesem Gebiet erst dann erreichbar sein wird, wenn wir in der Lage sind, zu zwei Berufsschultagen in der Woche überzugehen. Durch diese zeitliche Ausweitung könnte der Sport in der Berufsschule eine ständige Einrichtung werden und brauchte nicht nur sporadisch betrieben zu werden, wie es gegenwärtig der Fall ist.
({6})
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich möchte an Sie eine Ermunterung aussprechen. Sie haben zu den mittelständischen Vereinigungen, Handwerkskammern und vielen anderen Einrichtungen dieser Art stärkere Kontakte als wir. Seien doch auch Sie dafür, daß wir zwei Berufsschultage in der Woche bekommen! Dann wird die Klage über die Minusbilanz im Berufsschulsport endlich einmal aufhören können.
Nur ein Stichwort zur Integration ausländischer Mitbürger in den deutschen Sportvereinen. Im deutschen Sport gibt es auch noch diesen Minusbereich. Ich meine, wir sollten bei aller positiven Bilanz nicht vergessen, daß wir hier noch einiges aufzuarbeiten und nachzuholen haben.
Dabei haben wir, vor allem wenn wir Dank aussprechen, wie er heute wiederholt gegenüber dem Deutschen Sportbund und den Fach- und Dachverbänden ausgesprochen worden ist, auch an die vielen namenlosen Mitarbeiter in den kleinen Vereinen zu denken. Wir sollten an eines denken, was kürzlich einmal die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben hat. Da heißt es:
Die Parteien tun gut daran, auf die „Vereinsmeier" nicht vom hohen Staatsroß herabzublicken. Mancher Verein und mancher Verband, manche Initiative einzelner hilft, die Welt mehr zusammenzuhalten, als mancher Politiker dies glauben mag.
Dieser Satz ist richtig. Ich habe ihm nichts hinzuzufügen.
Eine letzte Bemerkung. - Ich gestatte mir, die Frau Präsidentin zu fragen, ob sie mir diese letzte Bemerkung noch einräumt, zumal auch sie als Finanzpolitikerin direkt daran interessiert ist.
({7})
Herr Kollege, der Präsident darf auf seinem Stuhl seine eigenen Wünsche nicht zur Grundlage der Verhandlungsführung machen.
Danke schön.
Ich finde, zum Schluß sollten wir anmerken, daß es bei aller positiven Bilanz da und dort im deutschen Sport auch Fehlentwicklungen gibt oder geben mag. Wir sollten auch zum Ausdruck dringen, daß wir beispielsweise die Denaturierung im Profisport, im Fußfallsport nicht ohne Widerspruch hinnehmen.
({0})
Vielerorts werden heute Spieler gehandelt wie irgendeine Ware. Meine Damen und Herren, das ist nicht gut. Dieser Tage war zu lesen - Herr Kollege Schäuble, auch Sie wissen es -, daß beispielsweise Werder Bremen zum Saisonbeginn für 400 000 DM einen Spieler aus Großbritannien eingekauft hat, Dave Watson,
({1})
und daß er nun, weil die Erwartungen nicht erfüllt worden sind, für 900 000 DM wieder nach Southampton zurückgewandert ist.
({2})
Die Bremer Kaufleute haben also fast 1 Million DM dafür herausgeholt. Meine Damen und Herren, das war kein Sport, das war Geschäft.
Ich fürchte, eine ganze Reihe dieser Tendenzen wird ausufern. Diese Denaturierung bei Fußballvereinen kann sich ausdehnen.
({3})
- Herr Kollege Schäuble, wir sprechen nach Schluß der Sitzung darüber!
({4})
Diese Ausuferung erleben wir leider auch bei A-und B-Klasse-Vereinen. Dort werden nun Handgelder, Torprämien und Ablösesummen gezahlt, die zu dem Charakter des Sports einfach nicht passen.
({5})
Ich glaube nicht, daß wir, wie es die CDU mit ihrem Finanzantrag will, die Gemeinnützigkeitsbestimmungen auf diese Praktiken ausdehnen und diese künftig steuerlich unschädlich sein lassen sollten.
({6})
Ich bin altmodisch genug, zu meinen, daß wir die Zahlung von Ablösesummen und Entgelten anderer Art mit der Tugend des Sports einfach nicht vereinbaren können.
({7})
Herr Kollege, ich muß Sie bitten, jetzt wirklich abzuschließen.
Sport sollte um seiner selbst willen betrieben werden. Auch dies mag altmodisch klingen. Aber es ist die Moral, die wir dem Sport am ehesten empfehlen könnten.
Ich versichere Ihnen, daß wir Sozialdemokraten auch in Zukunft immer bemüht sein werden, SportKlein ({0})
förderung dort, wo sie notwendig ist, zu geben, daß wir aber gegen Fehlentwicklungen unsere Stimme erheben werden.
({1})
Das Wort hat Herr Bundesminister Baum.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen.
Wir sind uns sicher alle einig, daß wir dem Sport die Autonomie nicht bestreiten. Das ist die Grundlage der Sportpolitik, wie wir sie hier formuliert haben. Wir helfen nach dem Subsidiaritätsprinzip. Der Sport ist frei. Er organisiert sich selbst. Er ist natürlich auch in unser Wirtschaftssystem eingebettet. Ich bin gegen Auswüchse. Aber ich muß anerkennen, daß ich wahrscheinlich in der Annahme fehlgehe, daß man den Sport von der Werbung total abschneiden kann, wie einige meinen.
Wir sollten dem Sport prinzipiell die Möglichkeit geben, sich selbst zu helfen. Erst subsidiär soll der Staat eingreifen. Dieses partnerschaftliche Zusammenwirken ist keine Einbahnstraße, sondern ein Prozeß, der auch beim Sport ein gewisses Verständnis für staatliche Überlegungen auslösen muß. Diese Diskussionen mit dem Sport finden ja statt. Sie finden nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene statt. Das ist notwendig.
Der Bundesrat hat sich zum erstenmal mit einem Sportbericht der Bundesregierung befaßt und hat es auch an kritischen Tönen nicht fehlen lassen. Ich halte das nicht für einen Nachteil. Es hat Bewegung in die erstarrten Fronten gebracht und Bewegung auch in das Verhältnis des Bundes zu den Ländern im Bereich der Sportförderung.
Natürlich sind die Leistungen der kommunalen Gebietskörperschaften und der Länder in diesem Sportbericht nicht gewürdigt. Das kann auch nicht die Aufgabe sein. Aber wir müssen uns wirklich mal die Frage stellen: Gibt es nicht ein Dokument, in dem alle Leistungen des Sports für den Gesamtstaat zusammengefaßt werden?
({0})
Die Deutsche Sportkonferenz hat dies angeregt. Ich halte das für wichtig. Das ist nicht ein Vorwurf, den wir als Bundesregierung uns anziehen müßten. Wir haben den Auftrag, Ihnen Bericht zu erstatten. Ich werde mich jedenfalls bemühen, daß wir den nächsten Bericht in eine Gesamtschau der Sportförderung in unserem Land einbetten. Sie hat es verdient, so umfassend dargestellt zu werden.
Es gibt sicher Probleme der Abgrenzung zu den Ländern, was die Förderung angeht. Ich bin also gern bereit, über Förderungen zu reden, von denen ich der Meinung bin, daß sie nicht unbedingt zum Bund gehören. Es gibt solche. Vielleicht gibt es umgekehrt bei den Ländern Förderungen, von denen die Länder die Meinung haben, daß sie zum Bund gehören.
Daß der Bundesrat im Sportbericht ein geschlossenes Konzept für die Sportförderungsmaßnahmen vermißt - ähnliche Überlegungen haben Sie anklingen lassen; ich konnte leider nicht pünktlich sein -, halte ich für unberechtigt. Die Sportförde- rungsmaßnahmen des Bundesministeriums des Innern richten sich nach Grundsätzen, die nicht aus dem Ärmel geschüttelt sind. Sondern wir haben ein Leistungssportprogramm der Bundesregierung. Wir haben Grundsätze über die Planung, Errichtung, Benutzung, Erhaltung und Verwaltung von Leistungszentren.
({1})
Wir haben die Grundsätze für die Anerkennung von Stützpunkten. Wir haben also ein Konzept. Es ist mit dem Sport abgestimmt. Es ist auch anpassungsfähig genug. Ein Gesamtkonzept für alle Sportförderungsmaßnahmen der Ressorts zu fordern, scheint mir unrealistisch zu sein. Der Sport in der, Bundeswehr richtet sich nach völlig anderen Kriterien als die Leistungssportförderung, die wir hier besprechen.
Ich habe schon über die Finanzierungskompetenzen gesprochen. Ich bin also bereit, hier eine neue Abgrenzung in Randbereichen vorzunehmen. Allerdings möchte ich mit Deutlichkeit sagen: Es genügt nicht, daß die Länder hier wie auf anderen Feldern Kompetenzen für sich reklamieren, ohne gleichzeitig die Bereitschaft zu zeigen, finanziell einzutreten. Das müssen sie sicher tun, wenn sie glaubwürdig sein wollen. Wir sollten uns auch nicht an rhetorischen Kraftmeiereien aufhalten. Wenn Herr Hillermeier in Berchtesgaden sagt, für den Sport in der Bundesrepublik seien allein die Länder zuständig, so ist das sicher nicht richtig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäuble?
Herr Bundesminister, nachdem Sie es für richtig halten, den bayerischen Justizminister wegen einer Äußerung zu kritisieren, sind Sie dann auch bereit, Ihre Äußerung, die Sie bei einem Empfang gemacht haben, nämlich daß Sie der für den Sport in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Minister seien, zurückzunehmen?
Ich bin der für den Sport zuständige Minister der Bundesregierung. Ich meine, wir sollten uns da nicht aufhalten. Aber dahinter steckt natürlich mehr.
Ich glaube, daß sich im Verhältnis von Bund und Ländern allgemein eine Klimaverbesserung entwikkelt hat. Die neue Konstruktion der Deutschen Sportkonferenz hat sicher dazu beigetragen. Der Bund wird künftig an den Sportministerkonferenzen der Länder teilnehmen. Das alles hat sich gut entwickelt.
Sie wissen, daß die internationalen Beziehungen auf Regierungsebene eine ziemliche Bedeutung erlangt haben. Wir wollen uns da nicht in die Belange des Sports einmischen, sondern wir wollen gemein14274
sam - das war ja das Hauptanliegen unserer Europarats-Aktivitäten - die Freiheit des Sports - so bei den Beratungen der UNESCO - erhalten.
Wir haben eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht, die meines Erachtens noch nicht genügend gewürdigt worden sind. Ich nenne hier z. B. das Körperschaftsteuerrecht, obwohl ich der Meinung bin, daß wir heute keine Steuerdebatte führen können. Wir werden und müssen aus der Sicht des Sports auf weitere Verbesserungen drängen. Die Übungsleiterpauschale, also eine steuerfreie Aufwandsentschädigung, ist für mich ein zentraler Punkt. Wir werden ja in Kürze darüber reden.
Die Sonderbriefmarken und die „Glücks-Spirale" sind hier schon angesprochen worden. Ich möchte immer wieder darauf hinweisen, daß wir hier dem Sport, insbesondere dem Deutschen Sportbund, aber auch der Deutschen Sporthilfe, durch staatliche Entscheidungen nicht unbeträchtliche Finanzmittel erschlossen haben. Das sind Mittel, die wir durch staatliche Entscheidungen, die von allen Fraktionen dieses Hauses getragen werden, dem Sport zugänglich machen. Daraus ergibt sich auch eine gewisse Verpflichtung des Sports.
NOK und DSB sind aus der institutionellen Förderung ausgeschieden. Das war eine Folge dieser Entscheidung. Wir haben es erreicht, daß ein großer Teil der freiwerdenden Mittel dem Sport nach wie vor zugute kommt.
Hinsichtlich der Aufstockung der Bundestrainer und der Intensivierung der sportmedizinischen Betreuung bin ich der Meinung von Herrn Mischnick: Die sportmedizinische Betreuung im Leistungssportbereich muß verstärkt werden. Das hängt aber nicht nur vom Geld ab, sondern auch vom Vorhandensein von Ärzten. Sportärzte, die sich für diese Aufgabe zur Verfügung stellen, sind rar.
Das gilt darüber hinaus natürlich auch für die ganze Breite der sportlichen Betätigung, auch der älteren Menschen - ich unterstreiche das, was Sie, Herr Klein, gesagt haben, sehr -: für den Behindertensport, Sport für Familien, also für Gruppen, die einer besonderen Fürsorge und Betreuung bedürfen. Dies wird ein Schwerpunkt allgemeiner Sportförderung sein. Dazu gehören auch Gastarbeiter und Aussiedler und alle Gruppen dieser Art.
({0})
Eine zehnjährige Bilanz können wir heute nicht ziehen. Hinter uns liegt eine rasante Aufbauphase der Sportförderung. Die Mittel für die zentrale Förderung wurden seit 1969 vervierfacht.
({1})
Wir haben eine erhebliche Steigerung der Zahl der Trainer zu verzeichnen. Wieviel Leistungssportzentren gab es denn eigentlich 1969? Gab es ein Bundesinstitut für Sportwissenschaft? Ich will das aber nicht alles aufzählen, meine Damen und Herren. Das haben wir hier in Übereinstimmung mit allen Fraktionen dieses Hauses verwirklicht.
Was die Zuwachsraten angeht, so erfolgt jetzt eine Phase der Konsolidierung. Darüber muß man
sich einig sein. Wir müssen neue Schwerpunkte innerhalb des Finanzrahmens, der uns vorgegeben ist, bilden.
Wir müssen - das ist die Maxime der Bundesregierung für die Sportförderung - unseren Athleten die Möglichkeiten bieten, sich mit gleichen Chancen im internationalen Wettbewerb messen zu können.
Ich möchte mich abschließend für die Unterstützung bedanken, die der Sportausschuß mit allen in ihm vertretenen Fraktionen der Bundesregierung gewährt. Wir sind uns im Ziel sehr einig. Es gibt manchmal Meinungsverschiedenheiten über die Wege, aber auch diese Debatte, meine Kollegen, zeigt ja, daß es doch nur mühsam gelingt, einen Konflikt herbeizureden. Ich glaube, der Kanute ist im Moment das ungeeignete Objekt - der Innenausschuß tagt zur Zeit -, die Sportpolitik hier kontrovers darzustellen. Ich würde mich freuen, wenn es so weitergeht, wie es bisher gelaufen ist.
({2})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß empfiehlt auf der Drucksache 8/3210 die Annahme einer Entschließung. Wer der Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 31 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland
- Drucksache 8/3139
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({0}) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 14. Juni 1978 hat die Bundesregierung den Bericht über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt. Mit diesem Bericht, der bereits ein breites und positives Echo in der Öffentlichkeit und bei den freien Berufen selbst gefunden hat, wurde erstmals eine weitgehende Bestandsaufnahme über Lage, Probleme und Bedeutung der freien Berufe erstellt.
Dieser Bericht soll gleichzeitig zu einer Versachlichung der Diskussion um die freien Berufe und mit ihnen beitragen, damit Vorurteile abgebaut und in der Allgemeinheit mehr Verständnis auch für die Probleme der freiberuflich Tätigen geweckt werden können. Gerade weil die freien Berufe mit etwa 1,1 Millionen Selbständigen, Arbeitnehmern und Auszubildenden zahlenmäßig hinter anderen Bereichen zurückstehen, ist es wichtig, die zentrale BeParl. Staatssekretär Grüner
deutung der freien Berufe für unsere Gesellschaft deutlich zu machen; denn die freien Berufe erfüllen wichtige, für den einzelnen Bürger unverzichtbare Funktionen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Gerade weil in der modernen Industriegesellschaft sich der einzelne gegenüber anonym erscheinenden Institutionen und Organisationen einschließlich des Staates häufig nicht mehr allein vertreten kann, bedarf er der Hilfe und Unterstützung durch den freiberuflichen Berater, der unabhängig ist und Vertrauen genießt.
Nicht nur für die freien Berufe sind verständlicherweise von besonderem Interesse die Fragen der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen, des Abbaus von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der freien Berufe und der Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst.
Mit den Grundsätzen einer Politik für freie Berufe will die Bundesregierung die besondere Bedeutung der freien Berufe hervorheben und im allgemeinen öffentlichen Bewußtsein stärker verankern, wie wichtig und notwendig der Beitrag dieser Gruppe für die marktwirtschaftliche und demokratische Ordnung in unserem Staat ist.
Die Bundesregierung hofft, daß der Bericht dazu einen Beitrag leisten kann.
({0})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich wegen der fortgeschrittenen Zeit ebenfalls sehr kurz fassen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Vorlage des Berichts, der auf eine Initiative der CDU/CSU-Fraktion zurückgeht, und stellt fest, daß darin eine wichtige Entscheidungshilfe für die anstehenden Beratungen enthalten ist.
Es ist erfreulich zu verzeichnen, daß Einigkeit über die Bedeutung eines selbständigen Mittelstands besteht, zu dem die freien Berufe gehören und der ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen freiheitlichen Staates ist.
Lassen Sie mich ein wenig auf das Einkommen der freiberuflichen Tätigkeit zu sprechen kommen. Das Durchschnittseinkommen wird in diesem Bericht mit 95 000 DM festgestellt - für viele eine sehr hohe Zahl. Nur, meine Damen und Herren: Es gibt nicht nur den Freiberufler mit dem Jahreseinkommen von 300 000 DM und eventuell mehr und den Arbeitnehmer mit 20 000 DM Einkommen, sondern es gibt auch umgekehrt den Arbeitnehmer - denken Sie an den Manager - mit 300 000 DM Einkommen und mehr und den Freiberufler mit 20 000 DM und weniger Jahreseinkommen.
Ein Hinweis: Wenn die Akademikerwelle einmal voll auf die freien Berufe zurollt - 1980 sind es bereits 100 000 Hochschulabsolventen -, wird die wirtschaftliche Lage der freien Berufe noch viel schwieriger werden.
Das Besteuerungsgut von Arbeitnehmern und freien Berufen ist ihre Arbeitskraft. Einkünfte aus der Erbringung von Diensten aller Art müssen daher nach denselben materiellen Grundsätzen besteuert werden. Der Freiberufler steht im vollen Risiko, ohne jeden von der Allgemeinheit finanzierten Sozialschutz. Dies müßte auch in die Beratungen Eingang finden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz auf etwas hinweisen: Wer die 35-Stunden-Woche als Nahziel vor Augen hat, darf die Forderung nach steuerlicher Gleichbehandlung der Freiberufler nicht damit abtun, das Einkommen des Freiberuflers betrage 80 000, 100 000, 150 000 DM, und er brauche nicht einige der steuerlichen Vergünstigungen, die der Arbeitnehmer habe.
({0})
Wer das eigene Haus in Eigenleistung, mit Freunden oder gar Schwarzarbeitern in seiner Freizeit zum halben Preis erstellt und wer billiger einkaufen kann, weil er Zeit zum Wählen und Vergleichen hat, verschafft sich in der Freizeit, die ein anderer nicht hat, zusätzliches Einkommen und reduziert seine steuerliche Gesamtbelastung.
({1})
Wir werden uns in den Beratungen über eine gerechte Besteuerung für die freien Berufe zu unterhalten haben. Ein Hinweis: Die kalte Progression im Rahmen der inflationistischen Tendenzen erfaßt den Freiberufler voll.
Meine Damen und Herren, ich komme abschließend zum Thema Nebentätigkeiten von Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Darüber sagt der Bericht der Bundesregierung, das Thema sei vielschichtig. In den Beratungen werden wir daher den Hinweis zu prüfen haben, daß freie Architekten nur noch für 30 % des in der Bundesrepublik realisierten Bauvolumens verantwortlich sind und 70 % sich sowohl auf die behördliche Eigenleistung von Staat und Kommunen als auch auf die Ausführung gewerblicher Unternehmer verteilen.
Der Bericht sagt nichts darüber aus, daß der freiberuflich Tätige grundsätzliche Leistungen wirtschaftlich günstiger als die Verwaltungen erbringen kann. Tiber die grundsätzliche Bedeutung von Privatisierungen sagt der Bericht ebenfalls nichts aus.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir miteinander einig sind, daß der Bericht über die Lage der freien Berufe, der so wichtig ist, zukünftig im Interesse der Probleme der freien Berufe alle zwei Jahre fortgeschrieben werden kann. Ihnen liegt ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu diesem Bericht auf Drucksache 8/3276 vor. Dort ist eine ganze Reihe von Fragen und Problemen angesprochen, die sicherlich Eingang in die Beratungen finden werden.
Eines dieser Probleme möchte ich abschließend herausstellen: Keine weitere Einschränkung des freiberuflichen Betätigungsfeldes.
Frau Präsidentin, ich bedanke mich.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Schachtschabel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion danke ich der Bundesregierung dafür, daß sie einen aufschlußreichen Bericht über die Lage, Probleme und Bedeutung der freien Berufe vorgelegt hat. Die Feststellung, daß der Bericht kein geschlossenes Bild, vor allem wegen der breiten Palette der freien Berufe, wiedergibt, bedeutet keine Kritik. Wir haben bereits damals, als es darum ging, ob ein solcher Bericht erstellt werden sollte oder nicht, darauf aufmerksam gemacht, daß eine umfassende Analyse über die Lage der freien Berufe wegen der gruppenspezifischen Unterschiede kaum möglich sein dürfte. Diese damals geäußerte Auffassung wird durch die Ausführungen im Bericht bestätigt. Jedoch ist anzuerkennen, daß der Bericht Aussagen enthält, die für die Beurteilung der Lage der freien Berufe von größter Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch, daß in dem Bericht von der Bundesregierung Grundsätze einer Politik für freie Berufe dargelegt sind. Wir werden diese Grundsätze einer Politik für freie Berufe seitens der SPD-Bundestagsfraktion voll und ganz unterstützen.
Meine Damen und Herren, ich muß es mir wegen der vorgerückten Zeit versagen, auf Einzelheiten einzugehen. Nur soviel soll vermerkt werden, daß der Bericht zur Lage der freien Berufe zwangsläufig vielfach summative Aussagen enthält, wobei wir jetzt davon schweigen wollen, inwieweit hier die von der Frau Kollegin Will-Feld angesprochenen Einkommensdifferenzierungen und Einkommenshöhen auch unter steuerpolitischen Gesichtspunkten nicht doch einer näheren Erörterung bedürfen.
Aber uns interessiert - darauf darf ich noch mit wenigen Worten eingehen - die von der Opposition und dem Bundesverband der freien Berufe geforderte steuerliche Anerkennung als freier Beruf durch die Aufnahme zusätzlicher Berufsgruppen in den entsprechenden Katalog der freiberuflichen Tätigkeiten des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Erstellung dieses Berichtes erneut überprüft, ob eine solche Erweiterung des Katalogs in Frage kommen könne. Dabei ist festgestellt worden, daß bei vielen Gruppen, die sich um eine Aufnahme in die genannte Auflistung bemühen, die Umstände der einzelnen Steuerfälle so weit voneinander abweichen, daß eine Erweiterung des Katalogs nicht zu zutreffenden steuerlichen Ergebnissen führen würde. Diese Haltung der Bundesregierung ist berechtigt, so daß es bei der durchaus flexibel gehandhabten Einzelfallbeurteilung durch Finanzämter und Finanzgerichte bleiben sollte, solange keine überzeugenden anderen Argumente vorgebracht werden.
Zweitens - ebenfalls nur andeutungsweise - möchte ich kurz auf die Nebentätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes eingehen. Abgesehen davon, daß die Bundesregierung feststellt, daß zuverlässiges und hinreichend umfassendes Datenmaterial über Ausmaß und Auswirkung der Nebentätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht vorliegt, muß dieses Thema bei allem Verständnis für die tatsächlichen oder nur vermeintlichen Sorgen der Selbständigen in den freien Berufen mit größer Sorgfalt behandelt werden. Ich erinnere an die grundgesetzlichen Bestimmungen und an andere Bestimmungen. Im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen wird im Bundesministerium des Innern ein entsprechender Gesetzesvorschlag zur Regelung der Angelegenheit erarbeitet. Wir sind durchaus dafür, krasse Wettbewerbsverzerrungen, die die Freiberufler benachteiligen, zu beseitigen. Wir werden diese Fragen bei den anstehenden Beratungen des von der Bundesregierung angekündigten Gesetzentwurfs sorgfältig prüfen.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, Überlegungen anzustellen, wie zur Vermeidung gravierender Wettbewerbsungleichheiten in Zukunft sichergestellt werden kann, daß jemand, der als öffentlich Bediensteter in seiner Freizeit einer freiberuflichen Tätigkeit von Fall zu Fall nachgeht, nicht zugleich in seiner Behörde als Prüfer seiner eigenen Arbeit fungiert. In der Personalunion von Prüfer und Geprüftem scheint mir z. B. im Baubereich eine besondere Schwachstelle zu liegen. Ich habe dieses Beispiel nur angeführt, damit Sie erkennen können, daß wir sehr ernsthaft darum bemüht sein werden, die besonderen Probleme der Freiberufler zu erörtern und zu lösen.
Die Bundesregierung - das ist der letzte Punkt, auf den ich eingehe - hat zum Ausdruck gebracht, daß die Vorsorgeaufwendungen von Selbständigen und Arbeitnehmern einkommensteuerrechtlich gleichzubehandeln seien, soweit es - ich mache auf diesen Nachsatz aufmerksam - der Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung fordert und zuläßt. Abgesehen davon, daß auf diesem Gebiete schon Regelungen getroffen worden sind, werden wir auch dies in den anstehenden Beratungen sehr eingehend und sehr intensiv überlegen, um auch dabei zu einer Lösung zu kommen.
Mit diesen kurzen Hinweisen soll keineswegs die prinzipielle Anerkennung von Problemen verneint werden, die selbständig freiberuflich Tätige haben. Vielmehr sollte nur angedeutet werden, daß sehr sorgfältig zu prüfen sein wird, wie Gewichte zu setzen und knappe Mittel zu verteilen sind. Hierüber vertieft zu debattieren, wird, wie ich schon sagte, in den einschlägigen Ausschußberatungen Gelegenheit gegeben sein. Im übrigen würden wir es begrüßen, wenn wegen des relativ großen Anteils der in Heilberufen freiberuflich Tätigen auch der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu einer entsprechenden Stellungnahme herangezogen werden könnte. Nach dieser ersten Beratung wird, wie vom Ältestenrat vorgesehen, der Bericht an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - überwiesen. Wir behalten uns vor, während dieser Ausschußberatungen auch zu dem von der Opposition vorgelegten Entschließungsantrag und den dort aufgeführten Forderungen im einzelnen Stellung zu nehmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Entstehungsgeschichte dieses Berichtes und seine Vorlage belegen es: Ab sofort sind die freien Berufe keine heterogene Gruppe mehr, die in der Massendemokratie in der Gefahr steht, vergessen zu werden; sie ist ein politischer Faktor geworden. Denkanstöße, Ideen und Kreativität der Angehörigen der freien Berufe können nicht mehr so ohne weiteres von gesellschaftlichen Großgruppen verkonsumiert werden, ohne auch an die Chancengerechtigkeit und die Rechte der freien Berufe zu denken. Wir Liberalen sind sehr froh darüber, wobei ich anfügen will: Wir bedurften eigentlich des Anstoßes dieses Berichtes nicht, um insoweit wach zu werden.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion begrüßt den vorgelegten Bericht der Bundesregierung, weil er nach unserer Einschätzung eine wesentliche Grundlage für eine sachliche und ausgewogene Diskussion darstellt. Nach Ansicht meiner politischen Freunde würdigt dieser Bericht richtig und zutreffend insbesondere die gesellschaftspolitische Bedeutung der freien Berufe sowie ihre Einbettung in das System der sozialen Marktwirtschaft.
Mit diesem Bericht wird die seit langem von uns vertretene Auffassung bekräftigt, daß die Selbständigen und damit auch die Selbständigen der freien Berufe ein ganz wesentliches Ferment des freiheitlich-demokratischen Staatswesens darstellen. Eine freiheitliche Gesellschaftsordnung setzt eben den unabhängigen Anwalt, den freien Architekten, den freien Steuerberater, den Arzt und andere freie Berufe voraus.
Der Bericht der Bundesregierung macht aber auch deutlich, daß sich die freien Berufe wie der übrige Mittelstand grundsätzlich den Gesetzen und Prinzipien der Marktwirtschaft stellen müssen. Beschränkungen der Zulassungsfreiheit allein aus Gründen des Konkurrenzschutzes sind ebenso wie Vorschläge für eine völlige Befreiung der freien Berufe von den Vorschriften der Kartellgesetze abzulehnen. Berufs- und Standesregeln müssen nach unserer Auffassung auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben, und sie müssen im Einzelfall jeweils im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung gerechtfertigt werden. Andererseits darf ich darauf hinweisen, daß es uns in den Vorberatungen zur VOL z. B. gelungen ist, den Problembereich so weit vorzustrukturieren, daß bei den freien Berufen Leistungswettbewerb, Qualitätswettbewerb und kein Preiswettbewerb ist.
Wir begrüßen auch die Zusage der Bundesregierung in dem Bericht, die Angehörigen der freien Berufe steuerlich gleichzubehandeln. Steuerliche Gleichbehandlung bedeutet nach unserer Ansicht aber nicht, daß alle für einzelne Berufsgruppen geltenden Regelungen nun auch automatisch, schematisch auf die Selbständigen übertragen werden. Materielle Gleichbehandlung ja - schematische Gleichschaltung nein, lautet unsere Antwort in diesem Zusammenhang; denn, meine Damen und Herren, wir sehen natürlich auch die Gefahren, die bei einer schematischen Anwendung und Übertragung von Regeln anderer Berufe für das freie Gestaltungsrecht z. B. bei der Altersversorgung für die Selbständigen bestehen.
So sind, was die materielle Gleichbehandlung betrifft, von unserer Seite verschiedene Vorschläge gemacht worden. Ich will hier beispielhaft nur zwei stichwortartig nennen: im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und im Bereich der Direktversicherungen nach § 40 b des Einkommensteuergesetzes. Ich glaube, es ist keine Anmaßung, wenn ich sage, daß wir maßgeblich dafür gesorgt haben, daß der Vorwegabzug nun auf 2 500 bzw. 5 000 DM angehoben worden ist. Dies ist zwar ein kleiner, aber ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.
({0})
Wir werden in diesem Bereich am Ball bleiben; darauf können sich die Angehörigen der freien Berufe verlassen.
Die Nebentätigkeit ist hier bereits angesprochen worden. Auch hier begrüßen wir es, daß sich die Bundesregierung vorgenommen hat, die Grundlagen für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Angehörigen des öffentlichen Dienstes neu zu überdenken und gesetzlich zu definieren. Ich darf anfügen, daß dazu natürlich auch eine bessere Überwachung in Bund und Ländern gehört, und zwar auch im Bereich der nicht genehmigten Nebentätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Dies ist Schwarzarbeit wie jede andere auch, und man sollte darüber nachdenken, wie man die Bürger unseres Landes gleichstellt, was z. B. Bußgeldahndungen für Handeln dieser Art betrifft.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zeitel?
Angesichts der Zeit gestatte ich es noch.
Herr Gattermann, ich habe nur eine kurze Frage: Darf ich aus Ihren Ausführungen folgern, daß Sie noch in dieser Legislaturperiode bereit sind, eine Gesetzesinitiative im Bereich der Nebenerwerbstätigkeit mitzutragen?
Herr Kollege, ich persönlich würde so aus dem Stegreif ja sagen. Aber ich sehe die Probleme, die es in diesem Zusammenhang gibt, und ich sehe die Kürze der Zeit, die diese Legislaturperiode noch andauert, so daß ich einer entsprechenden Initiative, selbst wenn ich sie persönlich unterstütze, keine Chance gebe, in dieser Legislaturperiode noch zu einem Ergebnis zu kommen.
Ein anderes Thema des Berichtes ist die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. Hier haben wir in der Tat Wettbewerbsverzerrungen auch zu Lasten der freien Berufe in einigen Bereichen zu konstatieren. Wir begrüßen die entsprechende Aussage der Bundesregierung hierzu; denn
in den letzten Jahren haben wir alle mit Erstaunen und auch mit zunehmender Besorgnis feststellen müssen, daß sich die öffentliche Hand - ich nenne z. B. die Post - in vielen Bereichen tummelt und der mittelständischen Wirtschaft dort heftige Konkurrenz macht. Auch im Bereich der freien Berufe gibt es so etwas, insbesondere bei den Architekten und Ingenieuren. Hier gilt es, staatlichen Wildwuchs zu beschneiden.
Damit kein Irrtum auftaucht: Dies bedeutet nicht, wie gelegentlich von Kritikern behauptet wird, eine Rückkehr zum Nachtwächterstaat. Meine Freunde und ich verkennen selbstverständlich nicht, daß der moderne Staat, insbesondere wenn er sich als Sozial- und Rechtsstaat versteht, auch im Bereich der Daseinsvorsorge und -fürsorge vielfältige Aufgaben zu erfüllen hat. Damit wird aber nicht das jetzige Ausmaß der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand im Bereich der freien Berufe und des gewerblichen Mittelstandes sanktioniert. Ich denke z. B. an Steuervergünstigungen für Katasterämter, wo es der Bundesrat leider nicht ermöglicht hat, daß hier die Gleichstellung verwirklicht wird, wobei ich - damit möchte ich einem möglichen Einwand vorbeugen - mit dem Bundesrat nicht speziell die CDU/CSU-regierten Länder anspreche, sondern dabei zum Teil bedauerlicherweise auch die sozialliberal regierten Länder mit einschließen muß.
Die Rolle des Staates sollte sich in diesem Bereich im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität staatlichen Handelns im wesentlichen darauf beschränken, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und durch entsprechende Hilfe zur Selbsthilfe dem freiberuflichen und gewerblichen Mittelstand die Anpassung an sich verändernde Verhältnisse zu ermöglichen.
Ein letztes Wort füge ich zu den Grundsätzen für eine Politik für die freien Berufe an, die hier von der Bundesregierung vorgelegt worden sind. Wir freuen uns, daß hier jetzt eine Richtschnur gegeben ist, an der sich staatliches Handeln in der Zukunft messen lassen wird.
Eine kontinuierliche Fortschreibung des Berichtes im Ein- oder Zwei-Jahre-Rhythmus halten wir
nicht für sinnvoll. Zwar gibt es viele Fragen, die der Fortschreibung bedürfen - hierauf werden wir im Einzelfall zurückkommen -, wir wollen aber in diesem Bereich nicht an der Berichtsflut mitwirken. Lassen Sie mich das sagen: Solche ständig wiederholten Berichte setzen den Stellenwert herab.
({0})
Meine Damen und Herren, die Politik für die freien Berufe hat im deutschen Parlament einen neuen Anfang gefunden.
({1})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Tiber die in der Tagesordnung ausgedruckte Empfehlung des Ältestenrates hinaus soll der Bericht überwiesen werden: an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und an den Finanzausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, den Innenausschuß und den Rechtsausschuß - mitberatend. Ist das Haus damit einverstanden? - Dann ist so beschlossen.
Außerdem ist interfraktionell vereinbart worden, daß der Entschließungsantrag der Abgeordneten Hauser ({0}), Dr. Zeitel, Frau Will-Feld weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zum Bericht der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe auf Drucksache 8/3276 ebenfalls an die vorgenannten Ausschüsse überwiesen wird. Ist das Haus damit einverstanden? - Es ist so beschlossen. .
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. November 1979, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.