Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 16. bis 29. Mai 1979 eingegangnen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2919 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die in Drucksache 8/2781 unter Nr. 28 und 29 aufgeführten EG-Vorlagen
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen gegen hypothetische Gefahren beim Umgang mit neukombinierter DNS
Vorschlag eines Beschlusses des Rates für ein Mehrjahresprogramm der Gemeinsamen Forschungsstelle 1980 bis 1983 mit Anlage ({0})
werden als Drucksachen 8/2890 und 8/2891 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 30. Mai 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Frau Dr. Walz, Frau Benedix, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Voigt ({1}), Berger ({2}), Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU betr. Fernunterricht im Bereich der beruflichen Bildung - Drucksache 8/2856 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2920 verteilt.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die auf der Ihnen vorliegenden Liste unter der Bezeichnung „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführten Beratungspunkte ergänzt werden:
1. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Mai 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Irak über den Luftverkehr ({3})
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über den Fluglinienverkehr ({4})
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung ({6}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ({8})
Berichterstatter: Abgeordneter Dreyer
4. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({9}) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Bundeseigene Liegenschaft in Wiesbaden, Schloßplatz 3/ Mühlgasse 4-6 ({10}) ;
Einwilligung zur Veräußerung gem. § 64 Abs. 2 BHO ({11})
Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
5. Beratung der Ubersicht 10 des Rechtsausschusses ({12}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({13})
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Weiter liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor - Stand: 29. Mai 1979 -, die keiner Beschlußfassung bedürfen und gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Herstellung, Verteilung und Verwendung von Arzneimitteln ({14})
zuständig:
Ausschuß für Wirtschaft ({15}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Stellungnahme der Bundesregierung zum Zweiten Hauptgutachten der Monopolkommission nach § 24 b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({16})
zuständig:
Ausschuß für Wirtschaft
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Organbanken ({17})
zuständig:
Rechtsausschuß ({18})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 896 05
- Leistung einer einmaligen finanziellen Sondermaßnahme im Rahmen der Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit ({19}) ({20})
zuständig: Haushaltsausschuß
Werden gegen die Überweisung dieser Vorlagen irgendwelche Einwendungen erhoben? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle die Überweisung fest.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/2894 Zuerst kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Bölling zur Verfügung.
Ich rufe die Fragen 85 und 86 des Abgeordneten Böhm ({21}) auf:
Hat der Bundeskanzler der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung Nordamerikas, der Abendpost-Sonntagspost, Chicago, zu ihrem 90jährigen Bestehen eine Grußbotschaft verweigert, und, wenn ja, welche Gründe haben ihn dazu bewogen?
Präsident Stücklen
Hat sich Staatssekretär Bölling vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung geweigert, das 90jährige Bestehen der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung Nordamerikas, der Abendpost-Sonntagspost, zum Anlaß einer Grußadresse zu nehmen, die von ihm erbeten worden ist, und, wenn ja, aus welchen Gründen?
Herr Abgeordneter Böhm, meine Antwort lautet, daß es sowohl dem Bundeskanzler als auch dem Chef des Bundespresse- und Informationsamts vorbehalten bleiben muß, welche der zahlreichen Bitten um Grußbotschaften, die von vielen Zeitungen, vornehmlich natürlich aus der Bundesrepublik Deutschland, eingehen, positiv beantwortet werden, d. h. mit einer solchen Grußbotschaft bedacht werden. Sie können sich unschwer, vorstellen, daß es solche Bitten in Hülle und Fülle gibt.
Ein zweiter Gesichtspunkt. Natürlich wird dabei das jeweilige Blatt, das um eine. solche Grußbotschaft bittet, angesehen. Das halte ich für normal, Herr Abgeordneter.
({0})
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß durch dieses Verhalten der Bundesregierung der Eindruck entstehen muß, daß sie im Gegensatz zu den Regierungen anderer Staaten kein positives Verhältnis zu den Auswanderern der eigenen Nation und deren Nachfahren hat, die oft einen engen kulturellen und persönlichen Kontakt mit der alten Heimat wünschen und oft über das Desinteresse der Bundesregierung für sie enttäuscht und verbittert sind?
Herr Abgeordneter Böhm, ich bin überhaupt nicht bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen, und glaube, daß die Voraussetzungen, von denen Sie ausgehen, wenn Sie solche prinzipiellen, mir sehr einleuchtenden Überlegungen vortragen, im Falle des Blattes, das Sie heute morgen zum Anlaß Ihrer Frage nehmen, überhaupt ,nicht zutreffen.
Ich bin gern bereit, Ihnen zahlreiche Belegstücke dieses Blattes zur Lektüre zu geben. Mein Eindruck ist, daß Sie nicht die Möglichkeit hatten, zu den Quellen vorzustoßen. Weil das augenscheinlich so ist, möchte ich Ihnen eine sachliche Begründung für die Ablehnung des Wunsches der Abendpost-Sonntagspost in Chikago geben, die erst vor wenigen Jahren - ich will das nicht zu ausführlich zitieren - in ihren Spalten den Eindruck zu erwecken versucht hat, daß der Herr Bundesaußenminister und Vizekanzler dieser Regierung, Herr Genscher, in der Nachbarschaft des DDR-Spions Guillaume anzusiedeln sei. Dazu könnte ich Ihnen hier jetzt eine ganze Reihe von Zitaten bringen.
Darüber hinaus wird auch ein angesehener deutscher Diplomat, der heute Botschafter in Südamerika ist, verdächtigt, daß er, weil er einige Tage Urlaub in der DDR zum Zwecke eines Verwandtenbesuchs verbracht habe, in die Nähe der Spionage zu bringen wäre.
Dieselbe Zeitung, Herr Abgeordneter, hat in einer anderen Nummer - wie mir scheint, oberflächlich und mit schwachen Argumenten - Ihre Fraktion angegriffen und hat der Opposition Unglaubwürdigkeit im Zusammenhang mit der innerdeutschen Politik vorgeworfen. Das hat sie ein anderes Mal auch getan, indem sie Ihrer Fraktion vorgeworfen hat, sie hätte erschreckende strategische Fehlschlüsse aus der Diskussion darüber gezogen, ob die Bundesrepublik Deutschland Kernwaffenmacht werden solle oder nicht; Ihnen wird unterstellt, Sie hätten solchen Ehrgeiz.
({0})
Schließlich aus dieser Blütenlese dieses „vorbildlich ausgewogenen, leidenschaftlich demokratisch konzipierten" Blattes ein Zitat des Herrn Chefredakteurs dieser in Chicago erscheinenden Zeitung: Dort beklagt er - wie Sie heute morgen -, daß ihm eine solche Grußbotschaft verweigert worden ist, und verweist darauf, daß der über Amerikas Grenzen hinaus bekannten und renommierten Zeitschrift „Aufbau" vor einigen Jahren einmal ein solches Grußwort zur Verfügung gestellt worden ist. Er unterläßt es nicht, nach Mitteilung des Sachverhalts dabei von der „jüdischen Zeitung" „Aufbau" zu sprechen. Ich bin nicht arglos genug, um diese Formulierung für politischen Zufall zu halten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Statssekretär, warum hat die Bundesregierung, wenn dies ihre Auffassung ist, dies nicht in aller Deutlichkeit erklärt, sondern am 30. April 1979 der „AbendpostSonntagspost" mitgeteilt, daß sich der Bundeskanzler „wegen seiner allzu zahlreichen Verpflichtungen zu seinem Bedauern nicht in der Lage sieht, Ihrer Bitte zu entsprechen"?
({0})
Herr Abgeodneter, wir haben auch nicht von ferne, weder im Zusammenhang mit dem Blatt in Chicago noch im Blick auf andere Zeitungen, die Absicht, den Eindruck zu erwecken, als wollten wir auf Zeitungen Einfluß nehmen oder an solchen Zeitungen so etwas wie Zensur auszuüben versuchen. Dafür haben Sie doch sicherlich Verständnis.
Eine weitere Zusatzfrage? - BItte.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich dann, daß z. B. der amerikanische Präsident Jimmy Carter der Zeitung selbstverständlich ein Grußwort zu diesem Jubiläum geschrieben hat und daß die Zeitung vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Böhm ({0})
darauf aufmerksam gemacht worden ist, der deutsche Botschafter in Washington sei sicher gern bereit, das 90jährige Bestehen der „Abendpost-Sonntagspost" zum Anlaß einer Grußadresse zu nehmen?
({1})
Herr Abgeordneter Böhm, abgesehen davon, daß ich darüber erstaunt bin, daß Sie meine Zitatensammlung in Ihre Zusatzfragen einzubeziehen nicht geneigt sind, will ich Ihnen sagen, daß nach meiner Kenntnis der Pressearbeit im Weißen Haus - und der amerikanische Präsident ist ja der deutschen Sprache nicht mächtig, woraus ihm kein gerecht Denkender einen Vorwurf machen wird - dieses Blatt sicherlich nicht so genau gelesen worden ist, wie wir solche Zeitungen lesen, und daß der amerikanische Präsident wohl sicherlich - das ist jedenfalls meine Vermutung -, wenn solche Zitate der Presseabteilung des Weißen Hauses bekannt gewesen wären, gezögert hätte, eine solche Grußbotschaft zu geben.
Zum zweiten Teil Ihrer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, will ich Ihnen sagen, daß die Botschaft grundsätzlich bereit ist, solche Anliegen zu prüfen. Ich bin nicht sicher, ob Herr von Staden oder sein Pressereferent nach genauer Lektüre dieses Blattes zu dem Schluß gekommen wäre, daß eine solche Botschaft aus der Feder des Botschafters nach Chicago geschickt werden sollte.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus dem ersten Teil Ihrer Antwort schließen, daß Sie hier im Deutschen Bundestag ganz offiziell dem Weißen Haus den Vorwurf machen, bei der Auswahl von Grußadressen und damit bei seiner Arbeit weniger sorgfältig zu sein als die Bundesregierung bzw. das Bundespresseamt in Deutschland?
Herr Abgeordneter Böhm, das ist eine etwas dramatisierende Schlußfolgerung aus meiner Bemerkung. Aber ich zögere nicht Ihnen zu sagen, daß, wenn ich Gelegenheit habe, mich in der nächsten Woche mit dem Pressesprecher des amerikanischen Präsidenten über den Vorgang zu unterhalten, der heute morgen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages eine Rolle gespielt hat, ich ihm erklären werde, daß der deutsche Außenminister und Vizekanzler in diesem Blatt in die Nähe eines professionellen Spions gerückt worden ist und daß wir darin eine Infamie erkennen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Zitatenschatz in meine Zusatzfrage einbeziehen und Sie fragen, ob es in Zukunft zur Übung der Bundesregierung gehören wird, all jenen Blättern den Kontakt zu verweigern, die so töricht sein sollten, Kritik an der CDU zu üben?
Es kommt darauf an, ob es sich um ein seriöses Blatt handelt. Ich habe mir erlaubt, hier im Falle dieses Blattes, das zeitweilig schwarz-weiß-rote Tendenzen verfolgt - und das seit vielen Jahren -, nicht nur den Bundesaußenminister und Vizekanzler gegen eine ungehörige Unterstellung in Schutz zu nehmen, sondern auch die Bundestagsfraktion der CDU gegen eine böswillige Vereinfachung ihrer politischen Motive in Schutz zu nehmen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr, Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, wie können Sie den Widerspruch aufklären, der darin besteht, daß Sie uns hier sagen, man habe nicht den Eindruck der Zensur erwecken wollen und man habe deswegen jene verharmlosende Ausrede bei der Absage für ein Grußwort gewählt, während die wahren Gründe, die Sie uns hier nannten, eben in einem Verhalten liegen, das Sie selber hier als Zensur qualifiziert haben?
Bölling, Staatsekretär: Aber ich bin doch nicht genötigt, die Verweigerung einer Grußbotschaft an eine Zeitschrift ausführlich zu begründen. Dafür gibt es keinerlei Pflicht. Wenn sich der Chefredakteur dieses schwarz-weiß-rot getönten Blattes ein weiteres Mal an mich gewendet hätte, hätte ich überhaupt nicht gezögert, ihm in einer Antwort genau das zu schreiben, Herr Abgeordneter Jäger, was ich heute morgen Gelegenheit gehabt habe, Herrn Abgeordneten Böhm zu antworten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, haben Sie eigentlich Beweise für Ihre soeben geäußerte massive Behauptung über die Unkenntnisse - auch sprachlicher Art - in der offiziellen Pressearbeit der amerikanischen Administration?
Herr Abgeordneter Czaja, Sie formulieren das besonders hart. Ich habe nur mitgeteilt, daß solche Zeitungen in aller Regel - es handelt sich ja wohlgemerkt um eine amerikanische. Zeitung und nicht um eine deutsche, die in den Vereinigten Staaten erscheint - solche Grußbotschaften bekommen, ohne daß sich der amerikanische Präsident - das wäre ihm nun wirklich nicht zuzumuten - Belegexemplare eines solchen Blattes ansieht.
Im übrigen bin ich sicher, daß .im amerikanischen Außenministerium in der mit deutschen Fragen beschäftigten Abteilung ein sehr klares Bild von der politischen Tendenz solcher Blätter, die dort erscheinen, besteht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, können Sie mir den Widerspruch erklären, der darin liegt, daß - wie Sie soeben gesagt haben - Sie aus Gründen der Richtung der Zeitung, wenn ich Sie richtig interpretiere, und der dort gemachten Aussagen ein Grußwort abgelehnt haben, während hier der Chefredakteur zum Ausdruck bringt, daß er beim Pressesprecher Dr. Grünewald gewesen sei und dieser ihm erklärt habe, der Bundeskanzler habe wirklich keine Zeit?
Ich bin nicht sicher, ob mein Vertreter im Sprecheramt eine so gute Kenntnis von der deutschen Presse in Amerika hat, wie ich sie mir erworben habe.
({0})
- Aber selbstverständlich. Er hat bona fide gesagt, der Bundeskanzler habe keine Zeit. Und der Bundeskanzler hatte in der Tat keine Zeit. Wenn Sie das nicht für unbescheiden halten: Auch ich habe keine Zeit für Grußbotschaften an Zeitungen, die noch nicht zur Kenntnis genommen haben, daß es in Deutschland seit 30 Jahren eine demokratische Republik gibt.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, wollen Sie nicht doch eingestehen, daß Sie sich bei der Beantwortung dieser Anfragen durch Ausreden, die doch nicht zutreffen, in widersprüchlicher Weise winden?
Herr Abgeordneter, ich glaube, dies ist eine von der Sache her - und ich drücke mich sehr zurückhaltend aus - überhaupt nicht gerechtfertigte Unterstellung. Ich bin im Gegenteil erstaunt, Herr Abgeordneter, daß Sie aus den Zitaten, die ich aus diesem Blatt habe vortragen können, nicht genau wie ich den Schluß ziehen, daß eine solche Zeitschrift eine Grußbotschaft der Bundesregierung nicht verdient.
({0})
Einen Moment, Herr Abgeordneter Kunz. Diese Frage zu entscheiden steht dem Präsidenten zu.
Ich bin auch der Meinung, Herr Staatssekretär, daß Sie bei der Beantwortung Wertungen über Abgeordnete möglichst zurückstellen sollten.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident.
Die letzte Zusatzfrage hat Herr Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich soeben des Plurals bedient. Haben Sie den Eindruck, daß die von Ihnen vorhin mit Belegen zitierte Tendenz allgemein bei deutschsprachigen Zeitungen vorhanden ist?
Das habe ich mit keiner Silbe angedeutet, Herr Abgeordneter Hupka. Hier geht es um dieses Blatt, aus dem ich Ihnen mehrere Belege für den Mangel an Seriosität vorgeführt habe. Das ist eine sehr behutsame Umschreibung dessen, was nach genauer Lektüre jeder, der das hier in Bonn anschaut, über dieses Blatt zu urteilen hätte.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher zur Verfügung.
Ich darf bemerken: Sollte sich die Fragestunde etwas kürzer abwickeln lassen, treten wir sofort in die Tagesordnung ein.
Ich rufe Frage 87 des Abgeordneten Urbaniak auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Falle des Todes eines türkischen Arbeitnehmers in der Bundesrepublik Deutschland die Lohn- und Spargelder nicht der hinterbliebenen Ehefrau zustehen, sondern nach einem Konsularvertrag aus dem Jahre 1929 der türkische Staat der Erbe ist, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, diesen Konsularvertrag zu ändern, damit die Hinterbliebenen wenigstens in den Besitz des in der Bundesrepublik Deutschland deponierten Geldes kommen können?
Herr Kollege, nach dem Nachlaßabkommen, das als Anlage zum fortgeltenden Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der türkische Republik vom 28. Mai 1929 vereinbart wurde, können türkische Konsularbeamte in der Bundesrepublik Deutschland türkische Erben vertreten, ohne daß sie gehalten sind, ihre Vertretungsbefugnis durch eine besondere Urkunde nachzuweisen. Die Vertretungsbefugnis der Konsularbeamten fällt weg, wenn alle Berechtigten anwesend oder vertreten sind. Dies bedeutet also, daß türkische Konsularbeamte in der Bundesrepublik Deutschland bei Abwesenheit der Erben oder falls diese nicht ausdrücklich einen Vertreter bestellt haben, die Rechte der Erben gegenüber Dritten geltend machen können. Zu der Geltendmachung von Rechten gehört auch der Einzug von Forderungen wie Lohnansprüchen und Sparguthaben. Die Vertretungsbefugnis bedeutet jedoch nicht, daß die türkische Republik das Erbe beanspruchen kann. Die Konsularbeamten handeln vielmehr treuhänderisch für die Erben.
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Frau Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß diese Konsularbeamten in vielen Fällen - es handelt sich meist um Todesfälle der Männer - dafür eintreten, daß die verbleibenden Lohngelder nicht zur Auszahlung an die Ehefrauen kommen, so daß die überlebenden Ehegatten gezwungen sind, unsere Sozialämter aufzusuchen, um den Lebensunterhalt von dort garantiert zu bekommen?
Herr Kollege, dieser Sachverhalt ist mir im Augenblick nicht bekannt. Ich darf Ihnen aber mitteilen, daß dieser Konsularvertrag nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr zeitgemäß ist. Wir haben bereits Ende 1978 der türkischen Regierung in einer Note vorgeschlagen, diesen Konsularvertrag aufzuheben, nachdem wir in mancherlei Fällen Kenntnis erhalten haben, daß bei der Frage der treuhänderischen Verwaltung des Erbes Schwierigkeiten aufgetreten sind.
Zusatzfrage, bitte schön.
Kann die Bundesregierung abschätzen, wann diese Verhandlungen zu Ende gehen könnten, um einen neuen Status für die betreffenden Personen zu erreichen?
Herr Kollege, ich sagte Ihnen, es war Ende letzten Jahres, daß wir diesen Vorschlag gemacht haben. Wenn in wenigen Wochen oder Monaten keine befriedigende Antwort vorliegt, wird die Bundesregierung neuerlich um eine Antwort bitten.
Ich rufe Frage 88 des Abgeordneten von Geldern auf:
Wie hoch ist die Zahl der Hochschullehrer, Dozenten, Lehrer, Forscher, Studenten, Journalisten und anderer empfohlener Personen, die bis heute im Rahmen des Kulturabkommens zwischen der Republik Südafrika und der Bundesrepublik Deutschland von 1962 in die Bundesrepublik kamen?
Herr Kollege, die Zahlen, nach denen Sie gefragt haben, kann ich Ihnen nicht seit dem Jahr 1962 vorlegen - trotz aller Bemühungen -; sie datieren seit 1964, manchmal seit 1968. Ich habe Ihnen eine ausführliche Aufschlüsselung der Zahlen für die einzelnen Jahre, die Sie erbeten haben, mitgebracht. Es würde mindestens eine Viertelstunde dauern, bis ich sie Ihnen - Jahr für Jahr - verlesen habe. Aber ich möchte Ihnen die Gesamtzahlen geben, weil ich glaube, daß auch sie ein aussagekräftiges Bild geben.
Im Rahmen der Förderung durch den DAAD kamen seit 1969 145 Stipendiaten in die Bundesrepublik Deutschland, zwischen 1974 und 1978 70 Praktikanten und von 1969 bis 1978 96 Wissenschaftler. Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vergab seit
1964 71 Forschungsstipendien. Im Rahmen eines Weiterbildungsangebots für deutschsprachige Lehrer an Auslandsschulen kamen 28 Lehrer aus Südafrika für jeweils ein Jahr Unterrichtstätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland sowie neun Fremdsprachenassistenten seit 1972. Im Rahmen des Gästeprogramms der Bundesregierung besuchten insgesamt 55 Personen die Bundesrepublik Deutschland. Journalisten wurden nicht im Rahmen des Kulturabkommens eingeladen, sondern im Rahmen der politischen Öffentlichkeitsarbeit.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, können Sie über die zahlenmäßige Tendenz dieses Austausches etwas sagen? Hat er in den letzten Jahren zugenommen oder abgenommen?
Herr Kollege, in der Tendenz ist der Austausch etwa gleichgeblieben. Wir haben nur in den letzten Jahren sehr darauf Bedacht genommen, daß auch nichtweiße Angehörige im Geltungsbereich des Kulturabkommens mit berücksichtigt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Corterier.
Frau Staatsminister, im Anschluß an das, was Sie zuletzt gesagt haben, möchte ich doch noch einmal, damit Klarheit herrscht, fragen: Ist sichergestellt, daß bei der Abwicklung des Abkommens die rassistischen Prinzipien, die die südafrikanische Regierung vertritt, nicht zum Tragen kommen und daß genügend Angehörige der nichtweißen Mehrheit bei dem Abkommen berücksichtigt werden?
({0})
Ja, Herr Kollege, wir bemühen uns sehr darum. Wir haben für die letzten Jahre hierfür auch getrennte Statistiken geführt, um sicher zu sein, daß der Grundsatz der Nichtdiskriminierung bei der Durchführung des Kulturabkommens streng beachtet wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.
Frau Staatsminister, sind Sie bereit, dem Kollegen Corterier mitzuteilen, daß die von ihm erwähnten rassistischen Trennungen für Südwestafrika/Namibia seit längerer Zeit nicht mehr gelten?
({0})
Die Frage, Herr Kollege, bezog sich lediglich auf das Kulturabkommen insgesamt, und wir kommen jetzt erst auf die Fragen, die sich speziell auf Namibia beziehen.
Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten Broll auf:
Wie hoch war dabei der Anteil der Personen, die aus dem Gebiet Südwestafrika/Namibia kamen, das gemäß Artikel 8 des Kulturabkommens in dieses Abkommen einbezogen ist?
Herr Kollege, für den Zeitraum bis 1977, also bis zur Einschränkung des Geltungsbereichs des Kulturabkommens, ist der Anteil der aus Namibia stammenden Wissenschaftler und Studenten an Hand der vorliegenden Unterlagen nicht zu bestimmen. Er dürfe jedoch proportional gewesen sein, d. h. der Größe des Landes und dem Stand des Bildungssystems entsprochen haben.
Wir bemühen uns seitdem verstärkt um die Ausbildung namibischer Fach- und Führungskräfte. So hat die Otto-Benecke-Stiftung acht Namibier in die Förderung aufgenommen. An dem Weiterbildungsprogramm für deutschsprechende Lehrer haben bisher 17 Namibier teilgenommen. Von den im Rahmen des Gäste-Programms Eingeladenen kamen insgesamt 19 Personen aus Namibia.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, ist bei diesen Besuchen von Bürgern Namibias/Südwestafrikas in der Bundesrepublik sichtbar geworden, daß, wie Kollege Hammans bereits gesagt hat, dort seit einigen Jahren die rassistischen Gesetze aufgehoben sind?
Ja, selbstverständlich. Ich habe Ihnen auch bei den Zahlen gesagt, daß sich überhaupt kein Unterschied mehr in der Auswahl der Stipendiaten bemerkbar macht.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, welche Absicht hat die Regierung hinsichtlich der Ausweitung von Besuchen und Stipendien für Bürger Namibias in der Bundesrepublik?
Herr Kollege, wir machen unsere Austauschprogramme nach dem Angebot und nach den Wünschen der Partner. Wir werden vor allem nach Erreichung der Unabhängikeit Namibias sehr intensiv die Kulturbeziehungen ausbauen und verstärken.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf :
Trifft es zu, daß die Bundesrepublik Deutschland einseitig am 8. August 1977 Südafrika gegenüber erklärte, daß für sie das Kulturabkommen mit sofortiger Wirkung nicht mehr für das Gebiet Südwestafrika gelte?
Herr Kollege, unsere Botschaft in Pretoria hat der südafrikanischen Regierung durch eine Verbalnote vom 8. April 1977 mitgeteilt, daß sich die Bundesregierung gehindert sieht, das Kulturabkommen weiterhin für Namibia anzuwenden. Das südafrikanische Außenminsterium hat diese Note mit Verbalnote vom 12. August 1977 bestätigt. Damit hat die südafrikanische Regierung nach internationaler Gepflogenheit unsere Entscheidung akzeptiert.
. Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, ist Ihre Antwort nicht ein Grund mehr für die Bundesregierung, alles daranzusetzen, was ihr im Rahmen der Fünf möglich ist, um dafür zu sorgen, daß das Land Südwestafrika/Namibia in diesem Jahr tatsächlich die Unabhängigkeit bekommt?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bemüht, im Rahmen der Initiative der fünf Sicherheitsratsmitglieder, an der wir maßgeblich mitgewirkt haben, in diesem Sinne auf alle Beteiligten einzuwirken.
Zusatzfrage, bitte sehr.
Frau Staatsminister, wie paßt eigentlich diese Verselbständigung - wenn ich das so sagen darf der Beziehungen zu Namibia dazu, daß das Konsulat in Windhuk geschlossen wurde und die Betreuung Namibias seitens der Bundesrepublik Deutschland heute von Südafrika aus geschieht?
Herr Kollege, in diesem Hohen Hause ist wiederholt dargelegt worden, weshalb die Schließung des Generalkonsulats Windhuk notwendig war. Auch die Einschränkung der Geltung des Kulturabkommens ist im Rahmen der internationalen Rechtslage, z. B. von Beschlüssen der Vereinten Nationen, erfolgt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Dr. Hornhues auf:
Welche Möglichkeiten haben zur Zeit Dozenten, Lehrer, Forscher, Studenten oder Journalisten aus Südwestafrika/Namibia, im Rahmen staatlicher Austauschprogramme die Bundesrepublik Deutschland zu besuchen?
Herr Kollege, es gibt im Kulturaustausch weder -mit der Republik Südafrika noch mit Namibia staatliche Austauschprogramme. Vielmehr werden die Austauschvereinbarungen auf deutscher Seite von den zuständigen Mittlerorganisationen selbständig abgeschlossen. Diese entscheiden im Rahmen ihrer Förderungsrichtlinien frei über die Vergabe der ihnen zugewiesenen Mittel nach sachlichen und fachlichen Kriterien. Die geographische Herkunft der Kandidaten spielt dabei keine Rolle.
Studenten und Wissenschaftler aus Namibia können sich daher jederzeit um Förderung durch den DAAD oder die Alexander-von-Humboldt-Stiftung oder die politischen Stiftungen bewerben.
Die Otto-Benecke-Stiftung hat bisher zehn Namibier in die Förderung aufgenommen. Im Rahmen des 1978 eingesetzten Sonderprogramms zur Aus- und Fortbildung politischer Flüchtlinge, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert wird, wurden bis heute an 102 Namibier Stipendien vergeben.
Deutsche Staatsangehörige aus Namibia können allerdings nicht aus den Mitteln der auswärtigen Kulturpolitik gefördert werden. Für sie kommt - wie für alle deutschen Studenten - Förderung nach dem BAföG in Frage.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, sind Sie der Auffassung, daß die hier angesprochenen Kulturbeziehungen gegenwärtig als ausreichend zu bewerten sind?
Herr Kollege, im Rahmen des derzeit Möglichen können sie als ausreichend bezeichnet werden. Aber wir sehen weiteren Wünschen und Anträgen entgegen und werden sie im Interesse der notwendigen Zusammenarbeit nach Möglichkeit auch berücksichtigen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Haben Sie bereits konkrete Überlegungen angestellt, wie diese Beziehungen für den Fall verbessert und ausgebaut werden könnten, daß jetzt in nächster Zeit Namibia unabhängig wird?
Ja, Herr Kollege. Vor allem die politischen Stiftungen haben ja großes Interesse und auch bereits Projekte für den Tag X der Unabhängigkeit, von dem wir hoffen, daß er bald kommen wird. Wir werden dann die Tätigkeit der politischen Stiftungen zusammen mit dem Ausbau der Stipendienprogramme unserer Mittlerorganisationen fördern. Wir bemühen uns, im Haushalt 1980 gerade für die Kulturbeziehungen zum südlichen Afrika eine Verstärkung der Mittel mit Hilfe des Deutschen Bundestages zu erreichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Petersen.
Frau Staatsminister, angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung, daß verschiedene Stiftungen und wir alle eine ganze Menge tun für Stipendiatenprogramme zugunsten von aus diesen von Ihnen genannten Gebieten geflüchteten jungen Leuten, die jetzt in Mozambique oder Sambia oder sonst irgendwo sitzen: Ist das nicht ein Ungleichgewicht bezüglich der Chancen, die wir jungen Schwarzen, etwa aus Südafrika oder Namibia anbieten? Ist es nicht unlogisch, denen dann quasi zu sagen: Kameraden ihr müßt erst einmal flüchten, bevor wir euch fördern können?
Nein. Das Programm, das von der Otto-Benecke-Stiftung durchgeführt wird, hat ja auf die Flüchtlingssituation reagiert. In dem Augenblick, in dem es keine Flüchtlinge mehr geben wird - was wir sehr hoffen -, wird dieses Programm natürlich auslaufen. Aber parallel dazu laufen ja die regulären Austausch- und Förderungsprogramme unserer Mittlerorganisationen. Die werden nicht beeinträchtigt, sondern, wie die Zahlen zeigen, von Jahr zu Jahr etwas zunehmen
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Geldern.
Frau Staatsminister, wäre es nicht notwendig und wünschenswert, nach der Ausgliederung Namibias aus dem Kulturabkommen mit der Republik Südafrika, sozusagen unabhängig von der Unabhängigkeit schon jetzt mehr zu tun für die kulturellen Beziehungen gerade zu Namibia?
Herr Kollege, ich darf hier einmal folgendes deutlich machen. Kulturbeziehungen zu einem Land hängen nicht vom Bestehen eines Kulturabkommens ab. Wir haben mit etwa zweimal soviel Staaten der Welt ohne Kulturabkommen mindestens ebenso intensive Kulturbeziehungen wie zu Staaten mit Kulturabkommen. Auf der anderen Seite haben wir Kulturabkommen mit Ländern, zu denen die Beziehungen gar nicht so intensiv sind wie zu anderen Ländern. Wir gestalten also unsere Kulturbeziehungen auch unabhängig von Kulturabkommen, und so werden wir es zunächst auch in dem Falle Namibias halten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 92 des Abgeordneten Werner. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Bevor ich die nächste Frage aufrufe, darf ich noch mitteilen, daß die Frage 98 des Abgeordneten Dr. Voss und die Frage 99 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Personen im Gebiet von Südwestafrika/Namibia in den vergangenen zwei Jahren auf Grund von Aktivitäten der SWAPO getötet bzw. verletzt wurden und wie sich die Zahl der Opfer auf Angehörige der Streitkräfte bzw. weiße oder nichtweiße Zivilpersonen verteilt?
Herr Kollege, der Bundesregierung liegen keine verläßlichen Angaben über die Anzahl der auf Grund von Aktivitäten der SWAPO getöteten Personen in den vergangenen zwei Jahren vor.
Wir haben gerade ein Telegramm von unserer Botschaft in Pretoria erhalten. Darin werden Schätzungszahlen des südafrikanischen Außenministeriums angegeben. Ich betone aber: es sind geschätzte Zahlen. Danach wurden in der Zeit von Juni 1977 bis Mai 1979 in Namibia durch SWAPO-Aktivitäten 61 südafrikanische Soldaten getötet sowie fünf weiße und 223 schwarze Zivilisten. Aber das sind, wie gesagt, Schätzungen des südafrikanischen Außenministeriums.
Zusatzfrage, bitte schön.
Frau Staatsminister, darf ich Sie angesichts der sich in den letzten Tagen steigernden Pressemitteilungen über solche Todesfälle fragen, ob Sie der Meinung sind, daß die Bundesregierung diese Dinge in ihrer täglichen Arbeit, auch wenn sie nicht ausdrücklich danach gefragt wird, deutlich genug beim Namen nennt?
Selbstverständlich, Herr Kollege. Denn unabhängig von der Zahl verurteilt die Bundesregierung jegliche Art kriegerischer Auseinandersetzungen im Zuge der Lösung der Konflikte im südlichen Afrika.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, sehen Sie überhaupt noch eine Chance, diese Zustände in Namibia im Rahmen der Initiative der fünf Sicherheitsratsmitglieder zu einem baldigen Ende zu bringen?
Die Bundesregierung bemüht sich darum und spricht regelmäßig mit allen Beteiligten. Wir hoffen zuversichtlich, daß diese Initiative und die damit zusammenhängenden Vorschläge doch noch zu einem positiven Ergebnis führen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Corterier.
Frau Staatsminister, stimmen Sie mir zu, wenn ich feststelle, daß die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, daß den Angaben der offiziellen südafrikanischen Stellen oft kein Glauben geschenkt werden kann, und wären Sie bereit, mir mitzuteilen, wie viele Tote es durch die Verfolgungsmaßnahmen der südafrikanischen Streitkräfte und der Polizei in Namibia gegeben hat?
Herr Kollege, ich habe diese Zahlen ja ausdrücklich mit allem Vorbehalt genannt. Auf den zweiten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen keine Antwort geben,
weil mir entsprechende Zahlen hier nicht vorliegen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Frau Staatsminister, sind Sie der Meinung, daß der Begriff „kriegerisch", den Sie vorhin für diese, so möchte ich einmal sagen, terroristischen Aktivitäten gebraucht haben, die richtige Bezeichnung war?
Herr Kollege, die Bundesregierung bemüht sich immer um friedliche Konfliktlösung. Ob der Begriff „kriegerisch" oder der Begriff „terroristisch" angebracht ist, möchte ich in diesem Zusammenhang nicht besonders werten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis der Tschechoslowakei, daß „regelmäßig der erste Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt wird und daß in 10 Prozent der Fälle der Antrag negative Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Antragsteller oder seiner Familienangehörigen hat"?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß der erste Antrag auf Familienzusammenführung von den Behörden der Tschechoslowakei in vielen Fällen abgelehnt wird. In den ihr bekannt gewordenen Fällen negativer Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Antragstellers oder seiner Familienangehörigen hat die Bundesregierung bei der tschechoslowakischen Regierung interveniert. Sie wird sich auch künftig im Sinne des Humanitären Briefwechsels zum Prager Vertrag für alle betroffenen Personen einsetzen.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, Sie haben soeben gesagt, daß die Bundesregierung in Fällen, die ihr bekannt geworden seien, interveniert habe. Die Frage: Wie oft hat die Bundesregierung bisher interveniert?
Herr Kollege, dazu kann ich Ihnen im Augenblick keine konkrete Zahl nennen. Wir werden einmal versuchen, das festzustellen, und Ihnen das dann mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß das Verhalten der tschechoslowakischen Regierung im eklatanten Widerspruch zu der Bemerkung im Briefwechsel über humanitäre Fragen zum Prager Vertrag
steht, wonach die Behandlung von Ausreiseanträgen „wohlwollend" durchgeführt wird?
Herr Kollege, ich kann nur das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: daß die Bundesregierung in Fällen, in denen entgegen der Vereinbarung und entgegen dem Wortlaut des Briefwechsels gehandelt wird, interveniert.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Frau Staatsminister, trifft es zu, daß die Antragsteller nach der von Ihnen soeben betonten, fast immer stattfindenden ersten Ablehnung überhaupt keine Antragsformulare mehr für eine weitere Antragstellung bekommen?
Herr Kollege, das, was Sie soeben gesagt haben, trifft nicht zu: daß der Antrag in allen Fällen abgelehnt wird.
({0})
Ich habe vielmehr gesagt - ich möchte das wiederholen -, daß der erste Antrag in vielen Fällen abgelehnt wird. Das ist doch, wenn ich das bemerken darf, ein beträchtlicher Unterschied.
({1})
Es ist uns nicht bekannt, daß die Antragsformulare bei weiteren Antragstellungen verweigert worden wären.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung - in Erfüllung des Wahrungs- und Wiedervereinigungsgebots des Grundgesetzes - im Zusammenhang mit den Glückwünschen der Verbündeten zum 30jährigen Bestehen des Grundgesetzes mit ihnen Maßnahmen zur zweckmäßigen aktuellen Verfolgung der Rechtsverpflichtungen aller Vertragspartner aus dem Deutschlandvertrag, der endgültige Grenzregelungen vor einem frei vereinbarten Friedensvertrag verbietet und die Wiedervereinigung gebietet, erörtert und angeregt, die Kenntnisse über diese Rechtsverpflichtungen sowie die im Schlußkommuniqué der Londoner Neunmächtekonferenz verankerten gemeinsamen politischen Ziele bei der Administration, den Parlamenten und der Bevölkerung aller Vertragspartner zu vertiefen?
Herr Kollege, im Zusammenhang mit dem 30. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, mit ihren Verbündeten Maßnahmen zu erörtern, wie sie in der Frage angeregt worden sind. Die Bundesregierung hat sich zu den in der Frage aufgeworfenen Punkten in ihrer Antwort auf Ihre Frage 107 in der Fragestunde vom 7. Dezember 1978 ausführlich geäußert. Ich habe dieser Antwort von damals heute nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, da ich nicht nach dem Anlaß, sondern nach den Glückwünschen zu diesem 30jährigen Bestehen gefragt habe, frage ich Sie nun: Wird sich die Bundesregierung zum silbernen Jubiläum des Deutschland-Vertrages, auf das auch der amerikanische Präsident in seiner Grußbotschaft Bezug nimmt, mit den verbündeten Regierungen um eine Renaissance hinsichtlich des Bewußtseins der fortbestehenden Rechtsverpflichtungen des Deutschland-Vertrages bei der deutschen Bevölkerung und der Bevölkerung der Verbündeten verstärkt bemühen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat auf diese Frage wiederholt geantwortet. Wir haben keinen Anlaß, neuerlich auf diese Zusammenhänge und auf diese Verpflichtungen hinzuweisen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, nachdem ich Sie gefragt habe, ob Maßnahmen erörtert worden sind, frage ich, warum diese nicht ergriffen werden, nachdem der amerikanische Botschafter im vorigen Jahr in Bonn öffentlich erklärt hat, daß es eine gemeinsame deutsche und amerikanische Aufgabe sei, die Rechtsverpflichtungen des Deutschland-Vertrages und die sich daraus ergebenden Folgen und Maßnahmen verstärkt in das Bewußtsein der Bevölkerung beider Staaten zu rücken.
Herr Kollege, die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Drei Mächte nach wie vor zu den für sie aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen stehen und daß sie das auch in der Öffentlichkeit ihrer Länder ausreichend bekanntmachen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Frau Staatsminister, könnte sich die Bundesregierung mit der Anregung befreunden, zu diesem Zweck zusammen mit den drei Westmächten in der Bundesrepublik Deutschland ein öffentliches Symposium abzuhalten, bei dem die gesamten Fragen der Weitergeltung und der politischen und rechtlichen Bedeutung des Deutschland-Vertrages in einer für die Offentlichkeit sichtbaren Weise erörtert werden?
Herr Kollege, ich möchte darauf weder mit Ja noch mit Nein antworten; es bleibt den vielen politischen Einrichtungen in unserem Land ja unbenommen, ein solches Symposium zu veranstalten. Das wäre sicherlich interessant.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Präsident Stücklen
Hat der Bundeskanzler beim Staatsbesuch in Bulgarien die Fragen der Familienzusammenführung, der Verwandtenbesuche neben den Fragen der Kriegsgräberfürsorge erörtert, und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Herr Kollege, alle anliegenden vier Fälle von Familienzusammenführung, die der Bundesregierung im Verhältnis zu Bulgarien bekannt sind, wurden beim Besuch des Bundeskanzlers angesprochen. Einer der Fälle konnte inzwischen positiv gelöst werden, bei den drei anderen wartet die Bundesregierung noch auf eine Entscheidung der bulgarischen Seite.
Die der Bundesregierung bekannten insgesamt neun Fälle von Schwierigkeiten bei Verwandtenbesuchen wurden ebenfalls beim Besuch des Bundeskanzlers mit der bulgarischen Seite erörtert. Eine diesbezügliche endgültige Entscheidung der bulgarischen Seite steht noch aus.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Frau Staatsminister, wie viele Fälle von Familienzusammenführung und wie viele Verwandtenbesuche gab es etwa in den Jahren 1977 und 1978?
Herr Kollege Czaja, diese Zahl habe ich hier nicht vorliegen. Ich werde sie Ihnen umgehend schriftlich mitteilen.
({0}): Danke schön!)
Eine weitere Zusatzfrage.
Könnten Sie mir dabei auch die Zahl der abgelehnten oder nicht vollzogenen Fälle der Familienzusammenführung und Verwandtenbesuche mitteilen?
Ich will das gern tun, Herr Kollege. Ich möchte nur sagen, daß die Zusammenarbeit mit der bulgarischen Regierung in diesen Fällen der Familienzusammenführung und der Verwandtenbesuche grundsätzlich außerordentlich verständnisvoll und positiv verlaufen ist und daß wir keinerlei Anlaß haben, hier irgendwelche Beanstandungen vorzutragen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, von meinem Kollegen Dr. Czaja war noch nach der Kriegsgräberfürsorge gefragt worden. Gibt es irgendwelche Auskünfte, daß hinsichtlich der Kriegsgräberfürsorge das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bulgarien weit besser als das Verhältnis zwischen uns und der Volksrepublik Polen ist?
Herr Kollege, ich habe in ganz anderem Zusammenhang,
wenn ich mich richtig erinnere, in einer der vorigen Fragestunden im Zusammenhang mit der Problematik der Kriegsgräberfürsorge in Polen gesagt, daß der Bundeskanzler bei seinem Besuch in Bulgarien diese Frage angesprochen habe und daß eine wohlwollende Antwort erteilt worden sei. Ich möchte hier nicht bewerten, ob die Situation im Verhältnis zu Bulgarien günstiger als die Situation im Verhältnis zu Polen sei; nach den mir vorliegenden Informationen scheint das aber so zu sein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir sind am Ende der Fragestunde.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 47 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/2874 Das Wort hat der Herr Berichterstatter. Bitte, Herr Abgeordneter Müntefering.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das im Grundgesetz verbriefte Recht der Bürger unseres Landes, Bitten und Beschwerden an die Volksvertretungen zu richten, wird bekanntlich in großem und zunehmendem Maß genutzt. 1977 waren es 12 306, 1978 schon 13 795 Briefe, die uns erreichten. Hinzu kamen 1977/78 über 500 Sammelpetitionen mit insgesamt 25 352 Unterschriften.
Diese Zahlen machen deutlich, daß wir als Parlament allen Grund haben, uns der Bedeutung und Funktion des Petitionswesens bewußt zu sein, und daß wir darauf achten müssen, daß alle Bürger, die sich an uns wenden, merken, daß sie mit ihren großen und auch mit ihren kleinen Anliegen ernst genommen werden.
Der Petitionsausschuß berichtet etwa einmal je Quartal dem Plenum kurz über aktuelle Aspekte seiner Arbeit. Ich will das heute tun und mich dabei in der gebotenen Kürze auf solche Petitionen konzentrieren, die über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Fragen oder Fragen von allgemeinem Interesse berühren.
So hat sich eine Reihe von Mitbürgern an uns mit der Sorge gewandt, daß die sogenannten neuen Jugendreligionen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit mißbrauchen. Die Petenten werfen diesen Gruppen vor, bei ihnen handle es sich um politische, militante und kommerzielle Vereinigungen. Sie träten vor allem an Jugendliche heran, die sich in alters- und entwicklungsbedingter Unsicherheit oder sonstigen Schwierigkeiten befänden. Die häufig angewandten Psychotechniken führten oft zu einer Entpersönlichung, die den einzelnen zur Kommunikation mit Menschen außerhalb dieser Gruppen unfähig mache. Die so manipulierten Jugendlichen lösten sich von Familie und Freunden, gäben den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz auf und seien daher ohne soziale Sicherheit. Ihr Eigentum träten sie vielMüntefering
fach an ihre Vereinigung ab. Das Geld aus Sammlungen für angeblich wohltätige Zwecke fließe vorwiegend den Gruppenführern zu. Wer sich von der Vereinigung lösen könne, müsse sich häufig einer langwierigen und kostspieligen Rehabilitation unterziehen.
Die Petenten fordern uns auf, alle Möglichkeiten gegen diese Aktivitäten zu ergreifen und gegebenenfalls neue Regelungen zu schaffen.
Mit der Gesamtproblematik haben sich bereits seit einiger Zeit Fachausschüsse des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung beschäftigt, die an einem Konzept zur Lösung arbeitet.
Wegen der Dringlichkeit und des Gewichts dieser Frage wurden jetzt auf Vorschlag des Petitionsausschusses diese Petitionen der Bundesregierung zur Berücksichtigung überwiesen mit der Bitte, schon im Herbst dieses Jahres über den Stand der Bemühungen zu berichten. Auch die zuständigen Fachausschüsse und vor allem die Landesparlamente wurden von uns noch einmal um Unterstützung gebeten, denn ganz sicher ist dies kein Problem, das allein auf Bundesebene geregelt werden kann. Hier müssen viele Bereiche, auch über die Politik hinaus, zusammenwirken.
Ziel muß es nach Ansicht des Petitionsausschusses sein, die Religionsfreiheit zu garantieren, aber bei allen nicht zu billigenden Bestrebungen und Methoden, wie sie von neuen Jugendreligionen bekanntgeworden sind, in geeigneter Weise gegenzuhalten. Es muß den betroffenen Bürgern geholfen und die Öffentlichkeit ausreichend informiert werden.
In einer anderen Eingabe wurde angeregt, daß Inhaber des Seniorenpasses der Deutschen Bundesbahn nicht nur das gesamte Streckennetz der Bundesbahn, sondern auch jene Strecken verbilligt benutzen dürfen, die von der Bundesbahn und angeschlossenen Verkehrsunternehmen im Gemeinschaftsunternehmen und in Tarifverbünden bedient werden. Der Petent hält es für sozial ungerecht, daß die älteren Mitbürger beim Umsteigen von der einen auf die andere Strecke nicht mehr die Seniorenkarte benutzen dürfen. Nun handelt es sich bei dem Versuchstarifs „Seniorenpaß" aber nicht um einen Sozialtarif, sondern um ein nach ,kaufmännischen Gesichtspunkten kalkuliertes Rabattangebot, daß vor allem der besseren Ausnutzung freier Kapazitäten im Fernverkehr der Bundesbahn dient. Dennoch halten wir die jetzige Situation für unbefriedigend. Wir meinen, der Bundesverkehrsminister sollte nach einem Weg suchen, dem Anliegen dieser Mitbürger - wenn auch vielleicht noch nicht von heute auf morgen - zu entsprechen. Diese Eingabe wurde der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen.
Tiefflugübungen von Militärflugzeugen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wegen ihrer oft heftigen Lärmemissionen Inhalt einer ganzen Reihe von Petitionen gewesen. In Klammern gesagt: Kaum ein Abgeordneter kennt dieses Thema nicht aus den Veranstaltungen im Wahlkreis. Die kürzlich behandelte Petition eines Bürgermeisters aus dem Westfälischen, seine Stadt zum Sperrgebiet für die tieffliegenden Militärflugzeuge zu erklären, war
insofern kein Sonderfall, auch wenn er noch verstärkend auf ein Unglück, das durch Fluglärm ausgelöst wurde, hinweisen konnte.
Der Ausschuß ist aber auch hier bei seiner auch in anderen Fällen gegebenen Antwort geblieben und hat in Übereinstimmung mit dem Bundesminister der Verteidigung darauf hingewiesen, daß Übungsflüge von Militärflugzeugen mit den sich daraus ergebenden Lärmbelästigungen im Interesse der Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nur in besonderen Ausnahmefällen eingeschränkt werden können. Die Luftstreitkräfte sind von sich aus bemüht, gerade über dichtbesiedelten Gebieten die Lärmbelästigung so gering wie möglich zu halten und diese Gebiete möglichst zu umfliegen. Auf Grund der hohen Besiedlungsdichte der Bundesrepublik Deutschland können aber nicht alle Gebiete umflogen werden, da sonst der militärische Auftrag nicht mehr erfüllt werden könnte.
Eingaben zum Sachgebiet Fischerei, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind bei uns nicht gerade alltäglich. Dennoch ist mit der letzten Sammelübersicht eine Eingabe aus diesem Bereich der Bundesregierung zur Berücksichtigung überwiesen worden, also mit der höchsten Empfehlungsstufe, die wir aussprechen können.
Hintergrund dieser Eingabe, die von einer Fischereigenossenschaft aus Lübeck kam, war die Beeinträchtigung von Fischereirechten in einem Nebenarm der Trave durch Baumaßnahmen sowie Schiffsverkehr der Bundeswehr. Vor acht Jahren war eine kleine Insel in einem Flußteil zum militärischen Übungsplatz erklärt worden, und im Zusammenhang damit waren verschiedene Baumaßnahmen erforderlich, die nicht nur die Fische vertrieben, sondern zugleich die Fischereigeräte immer wieder beschädigten. Schließlich kam die Fischerei fast völlig zum Erliegen.
Die Fischereigenossenschaft hatte darauf hingewiesen, daß ihr von der Bundeswehr bereits 1971 eine Fangausfallentschädigung zugesichert worden war. Das Bundesverteidigungsministerium hat jedoch mit Argumenten zur Rechtslage und zur Frage der Schadensursachen eine umfassende Schadensregelung abgelehnt, die nach Meinung des Petitionsausschusses gerechtfertigt wäre. Bei unserer Entscheidung, eine Berücksichtigung dieser Petition vorzuschlagen, haben wir auch bedacht, daß es für die Fischerei besonders schwierig ist, Einnahmeausfälle anderweitig auszugleichen.
({0})
Mit gemischten Gefühlen haben wir in diesen Tagen einen Fall abgeschlossen, in dem ein Speditionsunternehmer uns um Hilfe angegangen war. Bei einer Transitfahrt im Frühjahr 1978 war ihm beim Grenzübertritt von der Türkei nach Griechenland sein Lastzug von türkischen Zollbehörden beschlagnahmt worden, obwohl er auf der Hinfahrt ordnungsgemäß abgefertigt worden war. Wir hatten die Eingabe im Februar dieses Jahres der Bundesregierung zur Berücksichtigung überwiesen, d. h. sie um Hilfe für den Speditionsunternehmer gebeten.
Nunmehr teilte uns der Bundesaußenminister mit, das Auswärtige Amt, das sich in dieser Sache an die türkischen Behörden gewandt habe, habe im Januar erfahren, daß der Lastzug bereits Ende November 1978 freigegeben worden sei. Der Fall war also insofern zufriedenstellend geregelt. Leider unterließ es der Petent, das Gelingen, das hier nicht erkannt werden konnte, mitzuteilen und uns und dem Auswärtigen Amt Arbeit zu ersparen und zu verhindern, daß wiederholt bei türkischen Behörden - auch auf hoher und höchster Ebene - interveniert werden mußte.
Wir haben ihm dies geschrieben, nehmen aber zu seinen Gunsten an, daß ihn die Freude überwältigt hatte und sein Wagen längst wieder unbehelligt durch die Türkei rollen kann.
Meine Damen und Herren, die Ihnen mit der Drucksache 8/2874 vorgelegte Sammelübersicht 47 ist erstmals in einem wesentlichen Punkt geändert worden. Wir wollen künftig davon absehen, bei den einzelnen Eingaben die Namen der Einsender anzugeben, um auszuschließen, daß einem Mitbürger irgendein Nachteil dadurch entstehen könnte, daß er namentlich in dieser Liste aufgeführt ist. Wir werden aber neben der Eingabennummer und der Angabe des Sachgebiets jeweils den Wohnort des Petenten angeben; nicht zuletzt deshalb, damit sich beispielsweise interessierte Kollegen Eingaben aus ihrem Wahlkreis vorlegen lassen können. Wir glauben, auf diese Weise dem berechtigten Schutzinteresse der Bürger einerseits und dem Informationsinteresse der Abgeordneten andererseits am besten gerecht werden zu können.
Ich bitte Sie nunmehr um Zustimmung zur Sammelübersicht 47.
({1})
Ich danke dem Berichterstatter und vor allen Dingen auch der Vorsitzenden sowie den übrigen Mitgliedern dieses Ausschusses, die für die Wirksamkeit des Parlaments und der Demokratie einen wertvollen Dienst leisten.
Das Wort wird anderweitig nicht gewünscht? - Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 8/2874, die in der Sammelübersicht 47 enthaltenen Anträge zu Petitionen anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ({0})
- Drucksache 8/2624 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/2915 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({2})
- Drucksache 8/2914 Berichterstatter: Abgeordneter Lutz ({3})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache in der zweiten Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum fünften Male ändern wir das Arbeitsförderungsgesetz. Warum auch nicht? Jeder kann klüger werden, auch der Gesetzgeber. Mit der Einrichtung von Gesetzesnovellierungen folgen wir ja auch der Lebenserfahrung, daß nichts vollkommen ist und selbst das stabilste Haus von Zeit zu Zeit renoviert werden muß. Allein, der Eifer, der in diesem Hause bezüglich Gesetzesnovellierungen Brauch zu werden scheint, läßt darauf schließen, daß ein Teil der Novellierungen auf dem Vorurteil beruht, jede Veränderung sei schon eine Verbesserung. Auf der Stelle treten ist zwar Bewegung, aber noch kein Fortschritt.
Nun will ich nicht verheimlichen, daß in dieser fünften Novelle Verbesserungen des Arbeitsförderungsgesetzes enthalten sind. Der große Schaden, der mit dem Haushaltsstrukturgesetz der Arbeitsförderung angetan wurde, ist allerdings nicht beseitigt worden. Wir haben es weiterhin mit einer gespaltenen, mit einer schiefen Arbeitsmarktpolitik zu tun. Es gibt weiterhin Unterhaltsgeld, das für einen Teil der Unterhaltsempfänger unter dem Niveau des Arbeitslosengeldes liegt. Damit wird, meine ich, dem Kerngedanken der Arbeitsförderung Schaden zugefügt.
Was war und ist denn der Kerngedanke dieser Arbeitsförderung? Das Bahnbrechende war und ist, daß Bildung, Beruf und Praxis miteinander verbunden werden sollen, mit anderen Worten: daß diejenigen, die die Welt mit der Hand begreifen, genausoviel wie diejenigen wert sind, die es mit dem Kopf schaffen, und daß der beruflichen Bildung endlich ein gleich hoher Stellenwert in der staatlichen Förderung eingeräumt wird wie der herkömmlichen Allgemeinbildung. Die „Hochschule", von der das Arbeitsförderungsgesetz ausgeht, ist insofern die Schule des Lebens. Das Arbeitsförderungsgesetz legt also die Praxis als Bildungsgut zugrunde.
Der zweite bahnbrechende Gedanke bestand darin, daß wir in der beruflichen Bildung jene Idylle verabschiedet haben, nach der Schule mit anschließender Lehre ausreichen würde, das entsprechende berufliche Gepäck für den Weg durch das Arbeitsleben zu bekommen. So wie in der sogenannten höheren Bildung immer ein Stück Vorbereitung auf lebenslanges Lernen enthalten war, so beinhaltet das Arbeitsförderungsgesetz die Chance, den beruflichen Herausforderungen ein Leben lang gewachsen zu sein, wenn man sich weiterbildet, wenn man sich umschult.
Dies allerdings wird sehr stark dadurch behindert, daß für die arbeitsmarktpolitisch zweckmäßigen Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen ein Unterhaltsgeld angeboten wird, das 10 % unter dem Arbeitslosengeld liegt. Meine Damen und Herren, um es auf die Spitze zu bringen: Damit werden Nichtstun und erzwungene Arbeitslosigkeit rentabler als Bildungsanstrengungen. Oder anders gesagt: Die Bildungsaktivität wird finanziell niedriger bewertet als die Arbeitslosenpassivität. Es geht ja nicht darum, hier Geschenke zu verteilen, sondern darum, einen finanziellen Anreiz, eine finanzielle Anerkennung der Bildungsleistung des Erwachsenen im Gesetz festzulegen.
Die von Ihnen mit dem Haushaltsstrukturgesetz vorgenommene Beseitigung der alten Regelung zeigt nach wie vor ihre schlimmen Folgen. Die Zahl der Teilnehmer an beruflichen Förderungsmaßnahmen hat nicht mehr den Stand erreicht, den sie vor dem Haushaltsstrukturgesetz hatte. Insofern hat sich das Haushaltsstrukturgesetz als Arbeitsförderungszertrümmerungsgesetz erwiesen.
Nichts wäre auf dem Sektor der individuellen Förderung jetzt wichtiger als berufliche Qualifizierung. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist die eine Seite der Arbeitslosigkeit. Die andere Seite ist der Mangel an Fachleuten. Die Anforderungen an die Arbeitskräfte und die Anforderungen an den Arbeitsplatz gehen auseinander. Das ist ein Grund für die Misere auf dem Arbeitsmarkt.
Man kann das auch an Zahlen nachweisen. Unter den offenen Stellen befinden sich 37 %, die für qualifizierte Angestelltentätigkeiten geeignet sind. Der Anteil der qualifizierten Angestellten unter den Arbeitslosen beträgt dagegen nur 19 %. Unter den offenen Stellen befinden sich 26 % Facharbeiterplätze. Der Anteil der Facharbeiter unter den Arbeitslosen beträgt jedoch 18 %. Unter den offenen sind 17 % mit ungelernten Tätigkeiten verbunden. Unter den Arbeitslosen beträgt der Anteil der Ungelernten aber 60 %.
Meine Damen und Herren, das arbeitsmarktpolitische Elementargesetz der Arbeitsförderung erweist sich jetzt als dringend. Wir brauchen mehr berufliche Qualifizierung. Dabei handelt es sich auch um die Höherqualifizierung der bereits Qualifizierten. Ich bin sicher, daß auf diese Weise auch Plätze für die noch Ungelernten freigemacht werden. Aufstieg durch Bildung vollzieht sich ja nicht als Hochsprungunternehmen, sondern in Form von Nachrücken in freiwerdende Stellen.
Insofern ist die gespaltene Regelung des Unterhaltsgelds ein Schlag nicht nur gegen diejenigen, die bereits qualifiziert sind und jetzt nur Anspruch auf ein Unterhaltsgeld unterhalb des Arbeitslosengeldes haben, sondern sie schadet zu guter Letzt auch den Ungelernten.
Was wir jetzt fordern, ist eigentlich nichts anderes als Rückkehr zu dem, was das Arbeitsförderungsgesetz wollte.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist in der Tat schlimm,
daß wir Rückkehr jetzt schon als Fortschritt feiern
müssen. Wir wollen gar nicht mehr als das, was zu CDU-Zeiten unter Hans Katzer im Arbeitsförderungsgesetz festgelegt war.
({1})
- Beredt nicht nur im Plenum. Wie Sie wissen, haben wir den Antrag ja auch im Ausschuß gestellt. Wir wollten mit unserem Antrag wenigstens die Gleichstellung der Bildungswilligen mit den Arbeitslosen erreichen, was die finanzielle Regelung anlangt. Das ist ja wohl nicht zuviel verlangt.
Im übrigen haben Sie in dieser Frage wirklich einen Slalom gefahren. Erst war Ihnen das Unterhaltsgeld nicht hoch genug. Da wollten Sie es fast in die Höhe des letztes Nettoverdienstes bringen. Sie sind von 80 auf 90 % hochgeklettert. Kaum waren Sie bei 90 % angekommen, da haben Sie - zwölf Monate später - das Ganze für die einen auf 58 % und für die anderen auf 80 °/o zurückgenommen. Damit verschwindet aus der Sozialpolitik jede Berechenbarkeit.
({2})
Die Zusagen der Sozialpolitik müssen auf Dauer angelegt sein, wenn überhaupt noch soziale Sicherheit von der Sozialpolitik ausgehen und Sozialpolitik nicht ein Lotteriespiel sein soll.
Ein weiterer Punkt. Sicherlich ist vieles Nützliche in diesem Gesetz, aber auch manches Überflüssige. Sie haben da offenbar ein Druckseiten-Soll und gehen davon aus, daß ein Gesetz um so besser, je umfangreicher es ist. So wird hier offenbar als Verbesserung eine Erweiterung der Mitbestimmung gefeiert, die längst im Betriebsverfassungsgesetz geregelt ist. Die Leidtragenden einer solchen Politik, die das Duplikat als Reform feiert, sind die Bürger selber. Wer soll sich denn durch diesen Gesetzeswald überhaupt noch durchfinden? Sie pflanzen ja jetzt einen Baum an mehreren Stellen gleichzeitig, damit die Unübersichtlichkeit noch zunimmt.
Ich glaube, wir sollten den Ehrgeiz, alles gesetzlich regeln zu wollen, aufgeben. Damit komme ich zum kritischen Punkt „Zumutbarkeit". Meine Damen und Herren, ich frage mich wirklich, ob die Kriterien der Zumutbarkeit nicht besser von der Selbstverwaltung geregelt werden können als von einem perfektionistischen Gesetzgeber.
({3})
Ich frage mich, ob die Selbstverwaltung nicht näher an der Praxis ist, als der Gesetzgeber - und sei es der beste, der überhaupt denkbar ist - es je sein kann. Aber der Betätigungsdrang des Herrn Arbeitsministers kennt ja keine Grenzen. Ich fürchte, er wird erst zur Ruhe kommen, wenn er die Selbstverwaltung zur Filiale des Arbeitsministeriums degradiert hat.
({4})
- Daß die Liberalen da mitmachen, wundert mich nicht mehr. Bei Ihnen überrascht mich gar nichts mehr.
({5})
Der Schaffensdrang des Arbeitsministers ist mehr ein Reglementierungszwang. Dabei ist die Treffsicherheit nicht gerade überwältigend, sonst hätten wir ja nicht in Sachen Zumutbarkeit nacharbeiten müssen. Ich rechne es diesem Parlament als Verdienst an, daß wir die Zumutbarkeitskriterien des Arbeitsministeriums verbessert haben, aus meiner Sicht - das gebe ich zu - immer noch nicht voll befriedigend, aber besser - und damit zustimmungsfähig - als das, was der Herr Arbeitsminister vorgelegt hatte, sind sie doch; denn zunächst bestand die Gefahr, daß in Verbindung mit der Zumutbarkeit eine Abstiegsautomatik in die Arbeitslosenversicherung eingebaut wurde. Wenn ich die Vorstellungen des Herrn Arbeitsminister von räumlicher Mobilität richtig verstehe, hält er wohl so eine Campinggesellschaft für ideal, in der die Menschen ihre Heimat wie eine Luftmatratze zusammenlegen und wieder aufblasen können. Das ist nicht die Vorstellung von räumlicher Mobilität, die wir haben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß dieses Gesetz und die Diskussion über dieses Gesetz auch Anlaß sein sollten, noch einmal darüber nachzudenken, ob wir als Sozialpolitiker nicht bescheidener werden sollten, ob wir nicht für Autonomie der Gesellschaft, für die Tarifpartnerschaft, für die Sozialpartnerschaft und für die Selbstverwaltung mehr Spielräume zur Verfügung stellen sollten, weil ich sicher bin: Das Leben kennt immer noch einen Fall mehr, als die Gesetzgebungsperfektionisten sich ausdenken können.
({6})
Näher am Leben, näher an der Praxis ist die Selbstverwaltung, weil sie von den Erfahrungen der Betroffenen lebt. Insofern, meine Damen und Herren: Weniger Staat, mehr Selbstverwaltung, weniger Theorie, mehr Erfahrung - das könnte die Leitlinie einer menschennahen Arbeitsmarktpolitik sein.
Dabei darf - lassen Sie mich das am Ende betonen - bei allem Streit - und der wird nötig sein, damit wir uns wechselseitig zu höheren Leistungen antreiben - nie vergessen werden, um was es geht. Es geht um die Hilfe für die Arbeitslosen, es geht darum, daß Beruf, Arbeit und menschliche Zufriedenheit miteinander verbunden bleiben und keine Gegensätze werden.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen heute am Ende eines intensiven parlamentarischen Beratungsverfahrens über die 5. Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes. Wir haben diesen Entwurf monatelang diskutiert - im Plenum, im Ausschuß, in hundertfachen Gesprächen innerhalb und außerhalb des Bundestages. Wir haben mit den Gewerkschaften geredet, mit den Kirchen, mit Arbeitgebern, mit den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und natürlich auch mit den Arbeitslosen selbst. Ich gebe zu: Das waren die
schwierigsten Gespräche bei der Beratung dieser Novelle.
Die Offentlichkeit hat an den Debatten lebhaften Anteil genommen. Es hat Schlagzeilen gegeben. Es war die Rede von großen Konflikten mit dem Arbeitsminister. Einige Herren der Opposition eröffneten ein gar schreckliches Feldgeschrei. Heute blasen sie mit gedämpfter Trompete.
({0})
Und wenn man heute die übliche Freitagskulisse als Gradmesser für den Stand der Diskussion nähme, dann müßte man eigentlich unterstellen, da sei viel Rauch und wenig Feuer und viel Lärm um nichts gewesen.
({1})
Da wir allerdings keine Schlagzeilen zu produzieren haben, sondern vernünftige Gesetze, stimmt mich das nicht weiter traurig. Denn diese 5. Novelle beweist in der Tat, was die intensive Arbeit der Regierung, die intensiven Gespräche mit den Betroffenen und die intensive Arbeit im Parlament zu leisten vermögen, nämlich dies: Nicht- und Fehlqualifizierten noch bessere Chancen der beruflichen Förderung zu eröffnen, den Zugang zu beruflicher Fortbildung und Umschulung besonders für jugendliche Arbeitslose zu erleichtern, strukturelle Wandlungen durch gezielte Hilfen für ein Umsteigen in Mangelberufe zu begleiten, den Frauen die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben nach den Phasen der Kleinkindererziehung möglich zu machen, Langzeitarbeitslosen neue Chancen auf einem schwieriger gewordenen Arbeitsmarkt zu bieten, die Arbeitsämter zu noch intensiverer Betreuung der Arbeitslosen anzuhalten, ihren Charakter als Dienstleistungseinrichtung noch nachhaltiger zu unterstreichen, der Selbstverwaltung größere Kompetenzen und Kontrollrechte einzuräumen - das ist einer der Kernpunkte dieses Gesetzes -, die Positionen der Arbeitnehmer vor der Arbeitslosigkeit - etwa im Konkursfall, bei Kurzarbeit und beim Winterbau - zu verbessern und den behinderten Mitbürgern ihre Rehabilitationschancen voll zu erhalten. Das alles steht in diesem Gesetz. Es ist so vernünftig, daß sogar die Opposition ihm letztlich zustimmen wird.
Einige Herren hier im Plenum mag es enttäuschen, daß der große Krach mit dem Minister in der Koalition ausgeblieben ist. Für eine große Fernsehanstalt war das Thema 5. Novelle deshalb „gestorben", weil es keinen Krach gab, wie uns freimütig mitgeteilt wurde.
({2})
Für ein paar hunderttausend Bürger in diesem Lande allerdings hat unsere Arbeit Bedeutung, und darauf kommt es an. Das Gesetz steht. Niemand wurde beschädigt, und die Opposition beugt sich unseren besseren Einsichten.
({3})
Das kann einen mit Genugtuung erfüllen. Ich sage
ganz offen für meine Fraktion, daß wir noch mehr
darüber befriedigt sind, daß die 5. Novelle des ArLutz
beitsförderungsgesetzes - nimmt man alles in allem - im Einverständnis mit den Gewerkschaften und nicht gegen sie hier heute beschlossen wird. Natürlich hätten sich DGB und DAG noch bessere Regelungen gewünscht. Natürlich hat so mancher andere Verband und so mancher Betroffene noch fortschrittlichere Regelungen gefordert. Aber nicht einer von denen, mit denen wir geredet haben, wird bestreiten, daß der zustande gekommene Kompromiß tragfähig und vernünftig ist.
Ich will das an einem Beispiel erläutern, und zwar an dem Beispiel, dem auch der Herr Blüm gerade so viel Zeit gewidmet hat. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur wurde aus finanziellen Erwägungen die Förderung der beruflichen Aufsteiger zurückgenommen. Die Teilnehmer an derartigen Bildungsmaßnahmen erhielten als Unterhaltsgeld nicht mehr 90 % ihres vormaligen Nettolohnes, wenn sie an einer derartigen Bildungsmaßnahme teilnahmen, sondern nur noch 58 v. H. ihres vormaligen Einkommens. Das ist uns bei der Verabschiedung des Haushaltsstrukturverbesserungsgesetzes schwergefallen. Aber die knappen Kassen von Bund und Bundesanstalt haben uns dazu gezwungen.
Auch in der 5. Novelle wird die berufliche Förderung, die lediglich zweckmäßig erscheint, finanziell nicht aufgestockt. Das stimmt. Die Gewerkschaften hatten gerade das gefordert. Das stimmt auch. Die Opposition - Sie, Herr Blüm, und andere -, die finanzielle Konsequenzen nicht zu verantworten hat, hat sich diese Forderung zu eigen gemacht.
({4})
Wir konnten ihr bei einem Jahresdefizit von weit über 2 Milliarden DM auch bei dieser Fünften AFG-Novelle nicht entsprechen. Die Finanzen zwingen nach wie vor zu ökonomisch vernünftigen Lösungen
({5})
und damit auch dazu, daß nicht wahllos jeder gefördert wird, der bildungsbeflissen ist, sondern gezielt derjenige, der dies am notwendigsten braucht.
Ein Unterhaltsgeld von 80 % bekommen jetzt schon Arbeitnehmer, die arbeitslos sind oder unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht werden, nichtqualifizierte Arbeitnehmer, die erstmals die Notwendigkeit des Erwerbs beruflicher Qualifikationen erkennen, Frauen, die aus persönlichen Gründen, etwa weil der Mann starb oder die Ehe heillos zerrüttet und die Scheidung unausweichlich war, zur Rückkehr ins Erwerbsleben gezwungen sind. Wir führen mit diesem Gesetz darüber hinaus eine neue Kategorie ein, Arbeitnehmer nämlich, die bereit sind, sich in einen Mangelberuf umschulen zu lassen. Auch sie bekommen 80 v. H. ihres vormaligen Nettoverdienstes als Unterhaltsgeld während der Bildungsmaßnahme. Wir sagen gleichzeitig, daß uns nicht daran gelegen ist, daß jetzt die Bundesanstalt etwa in Versuchung geriete, einen Katalog von Mangelberufen erstellen zu wollen, sondern daß dies sehr von den regionalen Besonderheiten des Arbeitsmarktes abhängt und deshalb dort und im Benehmen mit der Selbstverwaltung bei den Arbeitsämtern festzulegen ist.
Übrigens bleiben in der Tat nach wie vor die Aufsteiger aus eigenem Antrieb in der Förderung. Sie müssen sich aber mit 58 % begnügen. Vor dem Arbeitsförderungsgesetz - mein Kollege Blüm hat natürlich in der Eile wieder vergessen zu erwähnen, daß es ein Gesetz der Großen Koalition war - wurden die Bildungsbemühungen der Aufsteiger überhaupt nicht honoriert. Jetzt kriegen sie deutlich mehr als die Hälfte ihres Einkommens. Man kann darüber nachsinnen, ob es 580 oder 1000 oder wieviel Prozent mehr sind, wenn man von der Basis Null vor dem Arbeitsförderungsgesetz ausgeht. Die Beispiele könnte man weiterführen.
Wir betrachten es als wesentlichen Fortschritt in diesem Gesetz, daß jetzt die Rückkehr von Frauen ins Erwerbsleben nach Abschluß der Phase der frühkindlichen Erziehung erheblich erleichtert wurde. Wir betrachten es als großen Fortschritt, daß mit den Bildungsmaßnahmen in Form des § 41 a langfristig Arbeitslose aus Vergessenheit und Lethargie herausgeholt und in ein intensives etwa vierwöchiges Gespräch über ihre persönliche Situation, die vorhandenen Bildungsangebote, über Lage und Chance des Arbeitsmarktes hineingeholt werden. Wir bürden mit diesem Gesetz der Selbstverwaltung vor Ort neue Aufgaben, mehr Verantwortung, aber auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten auf. Wir hoffen, daß dieses Angebot extensiv genutzt wird. Wir vergrößern die Voraussetzungen für die Förderung der Winterbautätigkeit um einen halben Monat und führen erstmals ein korrektes Umlageverfahren ein.
Wir haben beim Kurzarbeitergeld die Konsequenzen aus der Schneekatastrophe in diesem Winter gezogen. Wir stärken die Position des Arbeitnehmers im Konkursfall und sorgen für eine frühere Benachrichtigung der Betriebsvertretung im Falle einer Abweisung des Konkursverfahrens mangels Masse.
Herr Abgeordneter Lutz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Lutz, Sie sagten, Sie hätten die Konsequenzen aus der Schneekatastrophe gezogen. Ist Ihnen bekannt, daß nach einer Mitteilung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Leistungen nicht deswegen nicht gewährt werden konnten, weil die Anzeige nicht rechtzeitig erfolgte, sondern weil die Voraussetzungen nicht vorlagen? Ich darf an den Mindestausfall beim Kurzarbeitergeld erinnern.
Wir haben aber jetzt eine Regelung gefunden, die in der Tat noch bestehende Mängel beseitigt, so daß der Arbeitnehmer, wenn etwa wegen einer Schneekatastrophe die Kurzarbeit nicht rechtzeitig angemeldet werden konnte, trotzdem in den Bezug des Kurzarbeitergeldes kommt, sobald die Meldung nachgereicht wird. Wir haben das im Ausschuß einvernehmlich mit den Stimmen der Opposition beschlossen.
Wir haben auch die Binnen- und Seeschiffahrt einvernehmlich in den Geltungsbereich der Kurzarbeiterregelung einbezogen, natürlich nur - das versteht sich von selbst -, soweit es die Seeschiffahrt innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer betrifft.
Ferner haben wir Anregungen für die Selbstverwaltung gegeben, sich bei Lohnkostenzuschüssen, Einarbeitungszuschüssen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auch des kritischen Sachverstands der Betriebs- und Personalräte zu bedienen. Herr Blüm, das war weiß Gott keine Selbstverständlichkeit. Das ist bisher noch nicht erfolgt. Wir ermuntern immer dann, wenn dies im Einzelfall angezeigt erscheint, die Arbeitsämter, eine solche Auskunft seitens der Betriebs- und Personalräte einzuholen.
Schließlich wird das Parlament heute, wie ich hoffe, durch eine Entschließung deutlich machen, daß wir im Widerspruchsverfahren das Handeln der Verwaltung nicht durch die Verwaltung, sondern durch die Selbstverwaltung überprüft wissen wollen, dies in Form paritätisch besetzter Widerspruchsausschüsse nach dem Sozialgerichtsgesetz.
Lassen Sie mich auch zur Frage des § 103, zum Problem der Zumutbarkeit, kommen. Ich muß hier sehr sorgfältig formulieren, damit der Fülle von Desinformationen und Falschauslegungen nicht weitere hinzugefügt werden. Wie ich schon in der ersten Lesung sagte, enthielt der Regierungsentwurf den Obersatz, der ganz deutlich machen sollte, daß bei der Beurteilung der Zumutbarkeit alle Umstände des Einzelfalles, die berufliche Tätigkeit, die Kenntnisse und Fertigkeiten des Arbeitslosen, seine familiären und sonstigen Verhältnisse abzuwägen seien mit den Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler und der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes. Das hat z. B. damals bei dem Herrn Blüm wütende Aufschreie hervorgerufen, weil er die nachfolgenden Zumutbarkeitskriterien nicht an diesem verpflichtenden Obersatz gemessen hat. Das hat auch bei dem Herrn Stingl Irritationen ausgelöst und bei anderen dazu.
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Wir haben immer die Meinung vertreten - ich betone das heute noch einmal -, daß die Frage, ob eine Arbeit zumutbar oder unzumutbar ist, in einem ganz entscheidenden Umfang von der Individualsphäre des Betroffenen abhängt.
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Ich habe hier im Plenum und in der Offentlichkeit namens meiner Fraktion viele Male Zweifel darüber geäußert, ob es überhaupt gesetzestechnisch möglich ist, einen Katalog von Zumutbarkeiten bzw. Unzumutbarkeiten in das Gesetz hineinzuschreiben. Wir haben uns nicht geirrt. Der Gesetzgeber ist einfach überfordert, wenn er die individuelle Situation von Hunderttausenden Einzelschicksalen zutreffend beschreiben sollte und daraus letztgültige Zumutbarkeitskriterien abzuleiten hätte.
Im jetzt vorliegenden Gesetzestext schärfen wir das Bewußtsein der Verwaltung und der Selbstverwaltung für das Individualschicksal und beschreiben
dann im Bericht des Ausschusses - auf den ich mit großem Ernst hinweisen möchte -, wie wir den Gesetzestext verstehen. Beides zusammen soll und kann der Selbstverwaltung, die durch Anordnung des Verwaltungsrates letztlich die Bestimmungen auszufüllen hat, den Weg weisen, damit Erlasse wie der 230/78 nie wieder Verwaltungshandeln in eine Richtung lenken, die in der Tat unzumutbar ist. Liest man den Text des 230/78, dann stellt man fest, daß der Wortlaut die bedingungslose Unterordnung des Arbeitslosen unter die Bedingungen des Arbeitsmarktes gebietet und die individuelle Betroffenheit ignoriert. Das kann zu keiner Zeit und von niemandem gewollt gewesen sein. Aber es ist verfügt, es ist erlassen worden.
Mit Gesetz und Bericht stellen wir klar, daß einem Arbeitslosen zwar der Wechsel eines Rentenversicherungszweiges zugemutet werden kann, nicht aber eine damit verbundene berufliche Dequalifikation, daß einem Arbeitslosen das Wochenendpendeln zuzumuten ist, falls dies nicht unzumutbare Härten für die Angehörigen und die Familie des Betroffenen in sich birgt, daß kein Arbeitsloser, der längere Zeit hindurch teilzeitbeschäftigt war, zur Vollzeitarbeit gezwungen werden darf und dies auch keinem Arbeitslosen zuzumuten ist, der sich in seinem Haushalt der Betreung der Kinder oder pflegebedürftiger Personen widmen muß. Kein Arbeitsloser kann und soll zu einem Teilzeitarbeitsverhältnis gezwungen werden, das mit unregelmäßiger Inanspruchnahme und damit ständiger Arbeitsbereitschaft verbunden wäre. Schließlich ist auch die Frage, ob einem Arbeitslosen Nachtschicht zugemutet werden kann, daran zu messen, ob die Verhältnisse des Betroffenen und seine körperliche bzw. psychische Konstitution den besonderen Beschwernissen, die aus der Nachtschichtarbeit erwachsen, entsprechen.
Wir haben übrigens keinen Zweifel, daß die Vermittler bei den Arbeitsämtern auch schon bisher sehr am Einzelfall orientiert entschieden haben. Das kann auch gar nicht anders sein. Die persönliche, die berufliche, die familiäre Sphäre hat der Gesetzgeber, hat auch das Arbeitsamt zu beachten. Sie haben bei der Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ihr besonderes Gewicht.
Möglicherweise ließen sich noch bessere gesetzliche Definitionen finden. Möglicherweise wird die zu erwartende Anordnung der Selbstverwaltung schon die bessere Präzisierung bringen. Wir hoffen das. Aber eines können weder Gesetz noch Bericht noch Anordnung erreichen: dem einzelnen Vermittler mehr als nur generelle Anleitungen für seine schwierige Arbeit mit den Arbeitslosen und im Dienste der Arbeitslosen zu geben.
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, daß ich zum Abschluß Dank sage: dem Minister und seinem Hause für die ungewöhnlich enge Kooperation während des gesamten Beratungsverfahrens, unserem Koalitionspartner für die Bereitwilligkeit, mit uns unvoreingenommen alle Einzelpunkte dieser Novelle zu durchleuchten, den Gewerkschaften, deren kritisches Echo unseren Blick
für Schwachstellen der Novelle geschärft hat, und natürlich auch den Damen und Herren der Opposition,
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denen - hoffentlich nur aus besserer Einsicht - heute die Zustimmung zu dieser Fünften Novelle mit ihren beträchtlichen Veränderungen möglich ist.
Es hat viel Geschrei um viel gegeben, aber es hat sich gelohnt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich den Dank des Kollegen Lutz aufgreifen, auch den Dank an die Opposition, die sich in dieser Sache redlich bemüht hat, zur Sachlichkeit beizutragen.
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Daß dabei ein differenziertes Angebot, wie vom Kollegen Blüm heute morgen vorgetragen, mit zum Spektrum gehört, möchte ich weniger kritisch denn lobend vermerken. Dieses unterschiedliche Angebot macht es immer wieder reizvoll, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen.
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- Danke schön, Herr Kollege Blüm. - Den Streit möchte ich nicht hier ausfechten, Kollege Franke.
Ein bedauerndes Wort möchte ich in diesem Zusammenhang - und das war die Ursache, warum ich das überhaupt erwähne - schon sagen: Die veröffentlichte Meinung im Lande ist immer gern bereit, zu berichten, wenn vermeintlicher oder tatsächlicher Streit innerhalb von Parteien, innerhalb von Koalitionen oder zwischen Einzelpersonen vorhanden ist. In dem Moment aber, wo eine breite Übereinstimmung, erreicht durch sachliche Diskussion, einer Gesetzesberatung förderlich ist, ist das Interesse der Presse bedauerlicherweise gering. Ich befürchte, daß es auch bei der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes so sein wird.
Für die meisten Menschen ist Arbeit die einzige Möglichkeit, in eigener Verantwortung ihre Existenz zu sichern. Sie bietet ihnen die Möglichkeit, sich durch Entfaltung ihrer individuellen und sozialen Fähigkeiten selbst zu verwirklichen und die Gemeinschaft zu formen. Dieser Grundsatz bestimmt die Beschäftigungspolitik der Liberalen.
Mit unserer Wirtschaftspolitik haben wir dafür gesorgt, daß für den leistungsfähigen und Leistungswillen Arbeitnehmer, der Vollzeitarbeit sucht, im allgemeinen ein Arbeitsplatz vorhanden ist. Der rasche Abbau der Fluktuations- und Saisonarbeitslosigkeit unterstreicht deutlich diese Entwicklung.
Wir verkennen dabei nicht, daß uns Problemgruppen, Arbeitnehmer mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, teilzeitarbeitsuchende Frauen, entlassene ältere Angestellte, große Sorge bereiten. Erfreulicherweise brauche ich in diesem Zusammenhang heute nicht mehr von der Personengruppe der Jugendlichen zu sprechen, die uns ja zeitweilig gemeinsam große Sorge gemacht hat.
Sicher ist es richtig, daß die Wirtschafts-, Finanz- und Strukturpolitik für die Beschäftigung in unserer Gesellschaft eine hohe Bedeutung hat. Eine richtige und gute Wirtschaftspolitik ist die erste Voraussetzung für eine gute Beschäftigung. In konjunkturellen Aufschwungphasen, wie wir jetzt erfreulicherweise eine erleben, bleiben aber offensichtlich Schwierigkeiten der Problemgruppen weitestgehend erhalten. Hier bedarf es ergänzender und flankierender Maßnahmen in Form von gezielten Hilfen für eben diese Problemgruppen. Zahlreiche Spezialprogramme der letzten Jahre haben gewisse Entlastungen gebracht, aber ich verhehle nicht, daß für diese Problemgruppen noch vieles zu tun ist.
Die Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz, die wir heute verabschieden, ist ein weiterer Beitrag, die Arbeitslosigkeit auch bei den Problemgruppen abzubauen. Im Vordergrund - Kollege Lutz hat dies geschildert - stehen die verbesserte Förderung der beruflichen Qualifizierung, insbesondere für Frauen und Behinderte, sowie erhöhte Vermittlungshilfen in Form von Einarbeitungszuschüssen und Eingliederungsbeihilfen.
Einen breiten Raum in der Diskussion um dieses Gesetz hat die Frage der Zumutbarkeit bei der Aufnahme einer neuen Arbeit eingenommen. Um es vorab deutlich, klar und unmißverständlich zu sagen: Niemand möchte Unzumutbares zumuten, weder dem Arbeitsuchenden noch dem Beschäftigten. Bitte verübeln Sie es mir deswegen nicht, wenn ich in diesem Zusammenhang einmal daran erinnere, daß Hunderttausende von selbständigen kleinen Einzelhändlern, von selbständigen kleinen Landwirten, selbständigen Handwerkern, ob Schuster oder Damenschneider, die als Opfer einer technologischen Entwicklung und des Strukturwandels ihre Selbständigkeit aufgeben mußten, ohne Zögern eine abhängige Tätigkeit aufgenommen haben, daß sie sich, ohne auf den Schutz der Arbeitslosenversicherung zurückgreifen zu können, bemüht haben, sich selbst so schnell wie möglich wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Es hat für diese Leute überhaupt keine Rolle gespielt, daß das ein Wechsel vom Status des Selbständigen hin zum Status des Angestellten oder des Arbeiters war. Für sie war es im Interesse ihrer Familien eine selbstverständliche Pflicht, so schnell wie möglich eine neue Arbeit aufzunehmen, oft eine minder entgoltene Arbeit. Das gilt aber nicht nur für Selbständige. Genauso sind Arbeitnehmer, egal ob Angestellte oder Arbeiter, vom Strukturwandel betroffen.
Dieses Haus ist sich hoffentlich einig, daß Erhaltungssubventionen für überlebte Strukturen in unserer Wirtschaft im Interesse aller Steuerzahler nicht zu verantworten sind. Wer aber ja zum Struk12622
turwandel als Prinzip sagt, wer den Strukturwandel als Ergebnis des technologischen Fortschritts bejaht, der muß notwendigerweise auch in Kauf nehmen, daß Beschäftigte dieser Betriebe, dieser Branchen ihren Arbeitsplatz wechseln, neue Arbeit annehmen müssen.
In einer von uns bejahten, sozial verpflichteten Marktwirtschaft ist es selbstverständlich, daß soziale Gesichtspunkte bei der Zumutbarkeit des Wechsels einen sehr, sehr hohen Stellenwert haben. Aus diesem Grunde haben wir auch die Ihnen bekannte Generalklausel dem § 103 vorangestellt und neugefaßt. Dadurch haben wir klargestellt, daß bei der Abwägung der Interessen des Arbeitslosen und des Beitragszahlers die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
Die Berücksichtigung dieser persönlichen Umstände hat im Einzelfall richtigerweise durch den Vermittler vor Ort beim Arbeitsamt zu erfolgen. Deswegen war es die Aufgabe des Gesetzgebers, dem Vermittler notwendiges Handwerkszeug in Form von einzelnen Tatbeständen an die Hand zu geben. Ich möchte in diesem Zusammenhang gern den Kollegen von der SPD-Fraktion danken, die besonderen Wert darauf gelegt haben, daß bei diesen Konkretisierungen keine Mißverständnisse auftreten können.
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So haben wir gemeinsam festgelegt, daß es unter Berücksichtigung der Einzelumstände für einen Arbeiter durchaus zumutbar ist, eine Angestelltentätigkeit auszuüben, und umgekehrt. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit eine persönliche Bemerkung machen: Für den Streit an dieser Stelle, ob das Prestige eines Arbeiters oder das eines Angestellten höher ist, habe ich persönlich überhaupt kein Verständnis.
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Wir haben ferner festgelegt, daß Wochenendpendeln unter bestimmten Voraussetzungen durchaus zumutbar ist. Niemand soll und kann verlangen, daß der Junggeselle, der zwei behinderte Elternteile pflegt, zum Wochenendpendler wird; darin sind wir uns mit dem Kollegen Blüm durchaus einig. Aber ebenso wenig kann jemand verlangen, daß der Familienvater aus dem Bayerischen Wald, der in der Woche als Bauarbeiter in München arbeitet, Beiträge zahlt, von denen ein junger Mann aus dem Nachbarort Arbeitslosengeld bekommt, und zwar deswegen, weil er es ablehnt, auswärts zu arbeiten.
Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Schichtarbeit. Zigtausende von Schichtarbeitern im Ruhrgebiet zahlen ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie können mit Recht verlangen, daß wir hier dafür Sorge tragen, daß ihr Beitragsaufkommen nicht dazu verwandt wird, Leuten Arbeitslosengeld zu zahlen, die es ablehnen, eine neue Arbeit aufzunehmen, weil Dauer, Lage oder Verteilung der Arbeitszeit anders als vorher sind. Damit hier kein Mißverständnis auftaucht: Die in der Generalklausel festgelegten Grundsätze, insbesondere der Bezug auf die individuelle Situation des einzelnen Arbeitsuchenden, müssen und sollen Grundlage der Entscheidung des Vermittlers, sein.
Noch etwas möchte ich im Zusammenhang mit der Zumutbarkeitsregelung, gerade auch im Interesse des Arbeitslosen selber, hier sehr deutlich ansprechen: Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, um so schwieriger wird die berufliche Wiedereingliederung. Die Neugliederung zielt darauf ab, dem Arbeitslosen die Dauerarbeitslosigkeit mit ihren verhängnisvollen Folgen für sein Selbstwertgefühl, für seine soziale Anerkennung, für den sozialen Status seiner Familie zu ersparen. Es ist eine böswillige Unterstellung, wenn behauptet wird, wir wollten mit dieser Novellierung etwa Arbeitslose schikanieren. Uns geht es vielmehr darum, den Arbeitslosen unter zumutbaren Bedingungen so schnell wie nur eben möglich wieder in eine eigenverantwortliche Rolle, in eine eigenverantwortliche Position gegenüber seiner Familie und gegenüber der Gesellschaft zu bringen. Es versteht sich von selbst - trotzdem möchte ich es hier sehr betonen -, daß den Arbeitslosen notwendige berufliche Qualifizierungen genauso zugemutet werden können und müssen, wie dies bei der unmittelbaren Arbeitsaufnahme der Fall ist. Ich wäre dankbar, wenn die Vermittler vor Ort sehr darauf achteten, daß von diesen im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten viel, möglichst viel Gebrauch gemacht wird.
Daß sich für die Lösung in der Form des vorliegenden Gesetzesvorschlags eine so breite Mehrheit findet, scheint mir ein überzeugender Beweis dafür zu sein, daß es sich alles in allem um einen ausgewogenen Gesetzesvorschlag, um eine ausgewogene Novellierung handelt. All denjenigen in den Fraktionen, die an diesem Gestz konstruktiv mitgearbeitet haben, gilt mein Dank.
Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß einige Kollegen, insbesondere der Kollege George, die Auffassung vertreten, daß die eine oder andere Formulierung juristisch nicht voll ihren Wünschen entspricht. Ich betone: juristisch-technisch, nicht inhaltlich. Ich habe zwar Verständnis dafür, daß man dem Gesetz unter solchen Umständen nicht ganz zustimmen kann, möchte aber den Kollegen George darauf aufmerksam machen, daß diese kritische Betrachtung der Gesetzestechnik im Sozialrecht - bedauerlicherweise, wie ich meine - recht häufig zu finden ist.
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Ich hätte mich gefreut, wenn sich diejenigen, die das Gesetz insgesamt ablehnen, an den notwendigen Auseinandersetzungen im Plenum und im Ausschuß mehr beteiligt hätten, als dies der Fall war.
Schließlich bringt die Novelle die Gleichstellung der befreiten Angestellten hinsichtlich des Beitrags der Bundesanstalt für Arbeit zur Alterssicherung bei Arbeitslosigkeit. Wir werden prüfen, ob hier möglicherweise vorhandene Benachteiligungen bei den Angestellten, die gleichzeitig freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind,
abgebaut werden müssen. Ich überblicke im Moment den Gesamtsachverhalt nicht ausreichend, um hier ein endgültiges Urteil abgeben zu können.
Zum Schluß möchte ich noch einige Bemerkungen zu dem Entschließungsantrag machen. Für die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit ist es bekanntlich nach geltendem Recht möglich, paritätisch besetzte Widerspruchsstellen einzurichten. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt hatte bisher davon abgesehen, dies zu tun. Widerspruchsstelle im Bereich der Bundesanstalt ist vielmehr der Direktor des Arbeitsamtes. Wir Freien Demokraten respektieren die Entscheidung der Selbstverwaltung. Wir haben es deshalb abgelehnt, das Sozialgerichtsgesetz zu ändern und die Errichtung paritätisch besetzter Widerspruchsstellen vorzuschreiben. Mit dem vorgelegten Entschließungsantrag möchten wir die Selbstverwaltung der Bundesanstalt bitten, die Gründe, aus denen sie bisher von paritätisch besetzten Widerspruchsstellen abgesehen hat, noch einmal zu überprüfen. Dies ist auch die übereinstimmende Auffassung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gewesen. Daß nach den Gepflogenheiten in unserem Staat der Verwaltungsrat seine Auffassung dein Bundestag nicht unmittelbar mitteilen kann, ist der einzige Grund dafür, daß wir in diesem Zusammenhang die Bundesregierung einschalten. Dies, nicht mehr, aber auch nicht weniger, hat es mit dem Entschließungsantrag auf sich, und ich bitte daher auch hier um möglichst breite Zustimmung.
Alles in allem gilt also noch einmal mein Dank nicht nur den Herren aus dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, sondern auch den Kollegen und Mitarbeitern in beiden Fraktionen. Mir geht es jetzt darum, daß dieses Gesetz bei dem Vermittler vor Ort all diejenigen Möglichkeiten schafft, die wir uns davon versprechen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kraus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich mit dem Herrn Cronenberg über die große Vielfalt von Meinungen, die in einzelnen Parteien oder Fraktionen vorhanden sein können.
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Die Ausführungen von Herrn Cronenberg hatten mit der Meinung des Herrn Lutz nur noch geringfügige Ähnlichkeiten.
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Das zeigt auch, daß dieses Gesetz offensichtlich so abgeschlossen werden konnte, daß die ursprüngliche Meinung des Herrn Lutz, die er heute wieder anklingen ließ, nicht zum Tragen gekommen ist. Das ist übrigens auch eine Erklärung dafür, daß sich der Krach in Grenzen gehalten hat. Herr Lutz konnte seine ursprünglichen Forderungen und die Dinge, die er angekündigt hat, wirklich nicht durchsetzen; er ist damit voll gescheitert. Er muß nachgeben, und es ist bewundernswert, mit welcher Eloquenz er jetzt versucht, auf den Zug aufzuspringen, der abgefahren ist, um sozusagen auch noch bei den Siegern zu sein. Wir wollen ihm diese Freude, wenn es für ihn eine ist, durchaus gönnen.
Für uns als CSU hatte und hat die Fünfte Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz zwei Ziele. Einmal soll sie der Arbeitsverwaltung mehr Möglichkeiten geben, das ursprüngliche Ziel des Arbeitsförderungsgesetzes zu verfolgen, nämlich die Menschen rechtzeitig in die Lage zu versetzen, sich an die Schwankungen und Veränderungen des Arbeitsmarktes anzupassen. Die Arbeitsverwaltung soll in die Lage versetzt werden, vorbeugend die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Zum zweiten denken wir, daß es ein großer Vorteil des Gesetzes hätte werden können, wenn es gelungen wäre, die Kriterien der Zumutbarkeit völlig klar zu fassen, und zwar im Sinne des Runderlasses 230. Diese beiden Ziele wurden sicher nur sehr unvollkommen erreicht.
Schon im Vorfeld der jetzigen Gesetzesberatungen hat Herr Minister Ehrenberg in dieser Angelegenheit ein echtes Trauerspiel geboten. Ich erinnere hier nochmals an die Vorgänge um diesen Runderlaß 230. Nachdem er zunächst einmal zugestimmt hatte und damit mit den Bestimmungen einverstanden war, mußte er auf Druck des Herrn Lutz und anderer nachgeben; es mußten sogar personelle Opfer gebracht werden. Später hat man sich die Sache wieder überlegt, und man hat dann den Inhalt dieses Runderlasses annähernd in das neue Gesetz hineingeschrieben. Angesichts dieser Vorgänge ist es natürlich sehr merkwürdig zu hören, daß sich die Opposition der besseren Einsicht der Regierung gebeugt habe. Die Frage ist hier: Welcher Einsicht? Der Einsicht Nr. 1: Ursprünglicher Runderlaß? Der Einsicht Nr. 2: Abschießen von Herrn Baden? Der Einsicht Nr. 3: Endgültiger Gesetzentwurf? Und dann noch diese merkwürdigen Änderungen zum Schluß! Die Opposition hat sich der Einsicht der Sachkenner, der Leute, die diesen Runderlaß ursprünglich ausgearbeitet haben, einem Ergebnis der Selbstverwaltung, gebeugt, weil hier die sachdienlichste Lösung angeboten worden ist.
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Die weit überwiegende Zahl der Arbeitslosen ist nach unserer Auffassung arbeitswillig und vermittlungsbereit. Dies beweisen schon die Vermittlungszahlen der Bundesanstalt für Arbeit. Diese Arbeitslosen sind nicht die Problemfälle, die zu ihrer Lösung der Unterstützung durch den Gesetzgeber bedürfen.
Es bleibt aber die vielfältig belegte Tatsache bestehen, daß einige Arbeitslose, sei es aus falscher Einschätzung ihrer Person oder der Arbeitsmarktlage, sei es aus Willensschwäche oder übertriebenem Egoismus, mit den großzügigen finanziellen Unterstützungen und tatsächlichen Hilfen der Bundesanstalt für Arbeit allein nicht zu bewegen sind, die ihnen mögliche berufliche oder regionale Mobilität an den Tag zu legen, die vom Arbeitsmarkt gefordert wird. Für diese bedarf es klarer gesetzlicher Aussagen, was ihnen an beruflicher und
örtlicher Mobilität zuzumuten ist, um die ohnehin sehr schwierige Tätigkeit der Vermittler der Arbeitsämter vor Ort zu unterstützen und zu erleichtern.
Diese Hilfestellung zu verweigern und die Vermittler im Stich zu lassen, stände dem Gesetzgeber schlecht an. Sie ist zudem aus Gründen der Gleichbehandlung und der Gerechtigkeit geboten, um eine gleichförmige Behandlung und Beurteilung dieser Frage im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten und an alle Arbeitslosen bei allen Arbeitsämtern die gleichen Anforderungen zu stellen.
Wie wichtig dabei die regionale Mobilität, insbesondere bei jungen und unverheirateten Arbeitslosen, ist, verdeutlicht eine jüngst beendete Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit über die großen regionalen Unterschiede in der Struktur der Arbeitslosigkeit und der offenen Stellen. Die regionalen Arbeitsmärkte werden danach teils durch fehlende Arbeitskräfte, teils durch häufig wechselnde Arbeitsverhältnisse, aber auch durch einen Arbeitskräftemangel bei anderen Arbeitsämtern nachdrücklich beeinflußt.
Wenn im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen in der Offentlichkeit von einer Verschärfung der Anforderungen durch das 5. Änderungsgesetz die Rede war, so trifft dies nicht die wirklichen Verhältnisse. Denn nach den jetzt dem Deutschen Bundestag zur Beschlußfassung vorliegenden Kriterien wird seit längerem bei vielen Arbeitsämtern von vielen Vermittlern verfahren, aber eben nicht von allen. Dabei werden, der bestehenden Rechtslage entsprechend, in jedem Einzelfall die persönlichen Verhältnisse und hier alle relevanten Umstände, insbesondere die bisherige berufliche Tätigkeit des Arbeitslosen, seine familiären Verhältnisse und die Vermittlungsmöglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage, berücksichtigt. Die Beachtung aller Umstände führt zugleich dazu, eine Arbeitsstelle erst dann als zumutbar anzusehen, wenn überhaupt kein Umstand im Persönlichkeitsbereich des Arbeitslosen entgegensteht. Wäre es anders, hätten wir mit Sicherheit bisher wesentlich mehr Beschwerden der Betroffenen gehabt. Die Beschwerden wurden in erster Linie von den Theoretikern vorgebracht.
Die Arbeitnehmer erwarten, daß die von ihnen als Pendler und unter oft schwierigen Umständen erarbeiteten Beiträge bestens verwertet werden, nicht vergeudet werden und nicht denen zugute kommen, die sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung ausruhen möchten.
Eine weitere Änderung ,der vorgeschlagenen Regelung oder ihre Verwässerung durch Erklärungen und Interpretationen, die offensichtlich beabsichtigt sind, würde zwangsläufig die Handlungsfreiheit der Arbeitsämter einengen, die Vermittler zuweilen vor unlösbare Aufgaben stellen und einen besseren Ausgleich des Arbeitsmarktdefizits zwischen Arbeitslosenzahl und offenen Stellen verhindern.
Das letzte ist ja ganz besonders wichtig vor dem Hintergrund unserer aktuellen Arbeitsmarktsituation. Der Rückgang der Arbeitslosenzahl steht in keinem Verhältnis mehr zu den tatsächlich offenen Stellen. Hier geht es also nicht um zusätzliche Arbeitsplätze, sondern zunächst einmal darum, die vorhandenen freien Arbeitsplätze überhaupt zu besetzen. Zunehmend wird das ein Problem. Wird dies nicht erreicht, können eine zusätzliche Belastung der berufstätigen Arbeitnehmer, eine Wettbewerbserschwernis oder gar ein Verlust weiterer Arbeitsplätze nicht ausbleiben.
Ich teile hier die Meinung von Herrn Schmidt von der FDP. Er hat hierzu in der „Frankfurter Rundschau" vom 15. Mai 1979 gesagt, die Bundesanstalt für Arbeit dürfe in ihrer Handlungsfähigkeit nicht kastriert werden, und derjenige, der die Tricks beherrsche, dürfe nicht auf Kosten der Beitragszahler durch die Maschen fallen. Das ist eine Äußerung des Herrn Schmidt, die wir voll unterstützen können.
Wir müssen dafür sorgen, daß unsere Gesellschaft sich nicht selber in eine Gruppe der Anspruchsbürger und in eine Gruppe der Leistungsbürger spaltet;
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Anspruchsbürger, die jede gesetzliche oder sonstige von unserem sozialen Sicherungssystem gebotene Möglichkeit nutzen - oft mit sehr viel Sachverstand und viel Aufwand an Intelligenz -, und Leistungsbürger, die bereit sind, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips alle ihre Probleme, soweit sie überhaupt dazu in der Lage sind, selbst zu lösen, und die damit einen entscheidenden Beitrag für die soziale Sicherheit aller leisten.
Es stellt sich die Frage: Warum sollte einem langfristig Arbeitslosen, der von der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung unterstützt und unterhalten wird, nicht grundsätzlich das zuzumuten sein, was Hunderttausende Tag für Tag freiwillig in Kauf nehmen? Zum Beispiel nehmen nahezu 20 % der Angehörigen von Bauberufen allein im ostbayerischen Grenzland Wochenendpendeln auf sich. Ein hoher Prozentsatz aller im Bundesgebiet beschäftigten Arbeitnehmer der Stahlbau- und -montageindustrie können wegen der Eigenart und der Bedingungen ihres Berufs nur am Wochenende mit ihren Familien zusammen sein. Wieviel Arbeiter und Angestellte, die vorwärtskommen und aufsteigen wollen, nehmen für eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen darüber hinaus das Wochenendpendeln in Kauf!
Dabei war es selbstverständlich - so soll es auch in Zukunft sein -, daß die familiären und sonstigen Verhältnisse bei der Zumutbarkeit Berücksichtigung finden. Infolgedessen bedarf es nicht der Anreicherung oder Ausschmückung des von der Bundesregierung vorgelegten § 103 durch die ausdrückliche Erwähnung dieser von der Praxis der Arbeitsämter ohnehin berücksichtigten Grundsätze. Allerdings: Es schadet auch nichts, sie in den Gesetzestext aufzunehmen. Offenbar ist es sehr, sehr schwer, den mit den Forderungen bestimmter Leute an den Tag gelegten Fehlgriff offen einzugestehen. Aus „echter Nächstenliebe" wird dann das
.) Ganze verpackt. Unter diesem Gesichtspunkt sind wir bereit zu akzeptieren. Nur so läßt sich der von der Regierungskoalition eingebrachte Änderungsantrag überhaupt erklären.
Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind ungelernte Arbeitnehmer. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Hilfen für berufliche Ausbildung und Fortbildung zu verbessern. Seit Erlaß des Haushaltsstrukturgesetzes werden daher von der CDU/ CSU permanent entsprechende Forderungen erhoben.
Endlich wird in dem vorliegenden Entwurf einschließlich der Änderungsanträge ein entsprechender Schritt unternommen. Die CDU/CSU hätte sich gewünscht, daß dabei der Weg konsequent zu Ende gegangen worden wäre. Sie bedauert insbesondere die mangelnden Förderungsmöglichkeiten für diejenigen Arbeitnehmer, die sich selbständig machen wollen, und für die Frauen. Die Selbständigen schaffen nämlich neue Arbeitsplätze und bieten zudem die Möglichkeit zu sinnvoller und guter beruflicher Ausbildung.
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In dem vorliegenden Gesetzesvorschlag wird auch nicht genügend berücksichtigt, daß die Bereitschaft, sich beruflich fortzubilden, trotz der sehr erheblichen finanziellen Hilfen der Bundesanstalt für Arbeit bei manchen Arbeitslosen sehr gering ist. Soweit Arbeitslose, die trotz nachdrücklicher Bemühungen des Arbeitsamts noch keinen Arbeitsplatz finden konnten, sich weigern, an einer vom Arbeitsamt vorgeschlagenen beruflichen Bildungsmaßnahme teilzunehmen, die sie erfolgreich beenden und dadurch eine bessere Vermittlungschance erlangen könnten, lassen sie sich in unverantwortlicher Weise von der Solidargemeinschaft tragen.
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Nichts anderes kann für die verweigerte Teilnahme an anderen Vermittlungsmaßnahmen gelten. Auch hier müssen deshalb Sperrzeiten verhängt werden können. Anderenfalls wird der Schutz der Steuern und Beiträge zahlenden Arbeitnehmer vor Ausbeutung durch trickreiche Egoisten vernachlässigt. Leider kommt dieser Schutz der arbeitenden Bevölkerung beim Fünften Änderungsgesetz zu kurz.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß mit diesem Gesetz - Herr Cronenberg erwähnte es bereits - eine Reihe von Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten, die zu Beginn dieser Legislaturperiode im Rahmen der Neuordnung der Renten- und Krankenversicherung entstanden sind, nunmehr korrigiert werden. Ich denke hierbei in erster Linie an die Fortzahlung der Altersvorsorgebeiträge für die Angehörigen berufsständischer Versorgungswerke und Inhaber befreiender Lebensversicherungen durch die Bundesanstalt für Arbeit im Falle ihrer Arbeitslosigkeit. Hier bestand tatsächlich die Gefahr, daß eine Reihe von Menschen zumindest mit ihrer Altersvorsorge durch das soziale Netz der Sicherung gefallen wären. Ursprünglich sollten nur für die rentenversicherten Angestellten und Arbeiter im Falle ihrer Arbeitslosigkeit Beiträge durch die Bundesanstalt gezahlt werden. Obgleich der Gesetzgeber Angehörige berufsständischer Versorgungswerke aus der Pflichtversicherung der Arbeiter- und Rentenversicherung herausgenommen hat und für eine Reihe weiterer Personen Befreiungsmöglichkeiten vorgesehen hatte, sollten die Angehörigen dieser Gruppe ursprünglich also keine Beiträge zur Altersicherung durch die Bundesanstalt erhalten. Wir begrüßen deshalb noch einmal ausdrücklich, daß es in den langen, dieser heutigen Sitzung vorausgegangenen Ausschußberatungen gelungen ist, die Einsicht dafür zu wecken - sie war zunächst wirklich nicht vorhanden; ich erinnere an jene merkwürdige Rede des Kollegen Urbaniak ganz zu Anfang dieser Diskussion -, daß dieser unserem Sozialstaat sicher unwürdige Zustand beendet werden mußte.
Meine Damen und Herren, wir werden diesem Gesetz wegen der grundsätzlichen Zielrichtung zustimmen, auch wenn sehr viele Fragen offen und viele Probleme ungelöst bleiben. Wegen der großen ideologischen Differenzen in dieser Frage und der letztlich doch geringen Mehrheit ist es Ihnen eben nicht möglich, wirklich klare, eindeutige Gesetze zu verabschieden.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen noch einmal besonders betonen, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung einer 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz in zäher Kleinarbeit verbessert und fortentwickelt worden ist, so wie es sich für ein parlamentarisches Verfahren gehört. Ausgehend von dem Entwurf sind in Zusammenarbeit von Koalition und Bundesregierung konkrete Fortschritte erreicht worden. Das kann nur diejenigen überrascht haben, die unabhängig von den Inhalten von Anfang an eine negative Diskussion führen wollten.
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Wenn ich heute morgen die beiden Herren Blüm und Kraus höre, weiß ich überhaupt nicht mehr, wohin die Reise eigentlich gehen, wie die Kurve eigentlich geschlagen werden soll.
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Ich darf die wichtigsten Punkte, um die es tatsächlich geht, noch einmal in Erinnerung rufen.
Wir haben dafür gesorgt, daß die berufliche Förderung von Behinderten, die häufig schulisch durchgeführt werden muß, weiter im Förderungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes bleibt.
Arbeitnehmer werden das erhöhte Unterhaltsgeld von 80 % des bisherigen Nettolohnes bekommen, wenn sie sich in einen Mangelberuf umschulen lassen. Was ein Mangelberuf ist, kann natürlich nicht von oben herab bundesweit bestimmt werden. Die geeignete Definition kann man nur vor Ort bestimmen. Hier stellt sich der örtlichen Selbstverwaltung
12626 Deutscher Bundestau - 8. Wahlperiode Frau Steinhauer
eine konkrete Aufgabe; sie kann insbesondere regionale Besonderheiten berücksichtigen.
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Diese Mangelberufsregelung ist allseits positiv gewürdigt worden.
In der Tat ist ja die Situation des Arbeitsmarktes nicht nur durch die Arbeitslosenzahl, sondern auch durch den Mangel an Fachkräften gekennzeichnet. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß Umschulungsmaßnahmen generell als nachträgliche Reparatur anzusehen sind. Mehr als die Hälfte aller Arbeitslosen sind ungelernt. Da paßt doch einiges nicht zusammen. Die Arbeitgeber können auf der einen Seite nicht den Mangel an Fachkräften beklagen, aber auf der anderen Seite zu wenig Ausbildungsplätze bereitstellen.
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Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsstellen ist kein Gnadenakt der Unternehmer, sondern zwingende Notwendigkeit im Interesse der Arbeitnehmer und der Unternehmer selbst.
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Wer das duale Ausbildungssystem erhalten will, muß sich auch der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, insbesondere der Jugend stellen und für qualifizierte und ausreichende Ausbildungsplätze sorgen. Übrigens, Herr Kollege Blüm: Sozialdemokraten brauchen keinen Nachhilfeunterricht hinsichtlich des Stellenwertes der beruflichen Bildung.
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Das sollten Sie in Ihrer eigenen Partei einmal regeln. Zweimal hat die Unionsmehrheit in der letzten Legislaturperiode entsprechende Berufsbildungsgesetze im Bundesrat abgelehnt.
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- Das steht hier nicht zur Debatte. Wir sprechen von dem Stellenwert. Das paßt Ihnen jetzt nicht. Sie haben doch den Stellenwert der beruflichen Bildung ganz besonders herausgestellt, da haben Sie Nachholbedarf.
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Zurück. zum Arbeitsförderungsgesetz und zu den Besonderheiten, die wir heute fortentwickeln. Frauen, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen, erhalten ebenfalls die erhöhte Förderung von 80 %. Die Bedürftigkeitsprüfung entfällt.
Von Bedeutung ist hier aber besonders die Anrechnung der Zeit der Kindererziehung bei der Berechnung der Rahmenfrist. Bisher ist es so, daß Anspruch auf Förderung diejenige Frau hat, die innerhalb der letzten zwei Jahre erwerbstätig war. Jetzt werden pro Kind bis zu drei Jahren zusätzlich angerechnet. Ich will ein konkretes Beispiel bringen: Wenn sich eine Frau vier Jahre vorrangig um ihr Kind gekümmert hat, kann sie anschließend eine
Förderungsmaßnahme in Anspruch nehmen, um wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, wenn sie innerhalb der letzten sechs Jahre zwei Jahre versicherungspflichtig beschäftigt war. Das ist für mich ein Stück praktischer Familienpolitik.
An dieser Stelle eine etwas auflockernde Einschaltung. Heute morgen habe ich in einer Zeitung ein Zitat, aufgespießt aus der Buxtehuder Zeitung, gelesen: „Frauen sind arbeitsloser als Männer". Daß paßt nicht ganz hierher, aber vielleicht kann es uns doch ein bißchen aufrufen, gerade dem Problem der arbeitslosen Frauen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
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Die berufliche Wiedereingliederung längerfristig Arbeitsloser wird durch die Einführung kurzfristiger Bildungsmaßnahmen erleichtert. Für die Teilnahme an diesen Kursen wird ein Unterhaltsgeld von 80 % gezahlt.
Bei der Diskussion dieses neuen arbeitsmarktpolitischen Instruments ist zum Teil befürchtet worden, es gehe um ein neues „Psychotraining". Ich meine, diese Befürchtung ist unbegründet. Es geht dabei um nichts anderes als um eine Intensivierung der Vermittlungsbemühungen. Das setzt voraus, daß die Kurse ausreichend lang sind, mindestens also vier Wochen dauern. Dabei geht es nicht nur um die Berufsfeldvermittlung, sondern auch um eine intensive sozialpädagogische Begleitung.
Wenn die Kurse Erfolg haben sollen, müssen die langfristig Arbeitslosen sorgfältig darauf vorbereitet werden. Insbesondere müssen diese auch danach umfassend betreut werden. Das sind Aufgaben, die dem Arbeitsamt vor Ort direkt obliegen.
Da für derartige Maßnahmen im vorhinein keinerlei Erfahrungen vorliegen, sind die Bundesanstalt für Arbeit und auch die Träger solcher Lehrgänge gut beraten, uns nach angemessener Zeit einen Überblick über die Praxis zu verschaffen. Da die Position der Selbstverwaltung durch die 5. Novelle zum AFG generell gestärkt wird, ist auch dies ein Grund, aufmerksam zu verfolgen, welche konkreten Ergebnisse sich einstellen.
Bei zurückliegenden Diskussionen mußte man leider oft den Eindruck haben, als wäre die 5. Novelle zum AFG allein von Fragen der Zumutbarkeit bestimmt. Daß dies nicht zutrifft, dürfte dem aufmerksamen Zuhörer dieser Debatte und dem Leser des Gesetzestextes schnell klar sein. Ich habe heute allerdings von Herrn Blüm und Herrn Kraus gehört, daß diese hier schon etwas Unterschiedliches hineinlesen, was ich aus dem Gesetz vergeblich herauszulesen versucht habe.
({9})
Ich möchte zum Problem der Zumutbarkeit, die in § 103 geregelt ist, noch etwas sagen, was mir in der Offentlichkeit bisher sehr wenig diskutiert worden zu sein scheint, weshalb ich es ganz besonders herausstreichen möchte. Das bisher geltende Recht ging bei der Beurteilung der Frage der ZumutbarFrau Steinhauer
keit von den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes und den Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler und erst dann von den Interessen des einzelnen Arbeitslosen selber aus. Das heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz setzt andere Prioritäten. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit kommt es in Zukunft verstärkt darauf an, die Interessen des Arbeitslosen, seine berufliche Tätigkeit und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seine persönlichen Verhältnisse mit den Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler gegeneinander abzuwägen und diese in Verbindung mit dem Arbeitsmarkt und seine Entwicklung zu setzen. Das ist also eine völlige Umkehrung - zunächst der Arbeitslose, dann der Arbeitsmarkt; vorher erst der Arbeitsmarkt und dann der Arbeitslose -, und das scheint mir bei der ganzen Diskussion um den § 103 sehr bedeutsam zu sein.
Bei den Beispielen ist auch von einem etwaigen Wechsel in der Rentenversicherung die Rede. Ich verstehe nicht, daß in der Diskussion hierüber ein Wechsel zur Arbeiterrentenversicherung immer als Abqualifizierung angesehen wurde. Dies ist eine negative Bewertung der Arbeitertätigkeit schlechthin; dagegen setze ich mich entschieden zur Wehr. Eine solche Abwertung ihrer Tätigkeit müssen die Millionen Arbeiter in unserem Land als schwere Brüskierung ansehen.
({10})
Übrigens hat eine Studie aus dem letzten Jahr für den Facharbeiter bessere Chancen am Arbeitsmarkt als für den nicht hochqualifizierten Angestellten festgestellt. Auf die Nachfrage nach Fachkräften habe ich in meinen Ausführungen schon hingewiesen. Das bei den Diskussionen zutage getretene Statusdenken paßt jedenfalls nicht mehr in unsere Zeit.
Lassen Sie mich auch dies noch einflechten: Die gesamte Diskussion über die Zumutbarkeit in bezug auf die Arbeitslosen ist übrigens von den Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen vielfach als Zumutung für sie empfunden worden. Die SPD fordert im übrigen seit jeher die Neuregelung und Fortentwicklung des Arbeitnehmerverhältnisrechts, und unser Ziel ist, daß ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff und ein einheitlicher Arbeitnehmerstatus geschaffen werden.
({11})
In der Frage „Teilzeit - Vollzeit" wäre eine noch bessere Regelung durchaus denkbar. Das ist jedenfalls meine Meinung. Zwar ist klargestellt, daß auch in derartigen Fällen die Interessen des Arbeitslosen und die der Gesamtheit der Beitragszahler unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, nicht zuletzt der familiären und sonstigen persönlichen Verhältnisse, gegeneinander abzuwägen sind, doch müßte es meines Erachtens ausreichen, daß jemand aus rein subjektiver Sicht feststellt, er wolle nur Teilzeitarbeit verrichten. Ich habe keinen Zweifel daran, daß sich langfristig diese Lösung durchsetzen wird. Der Umfang der Teilzeitarbeit breitet sich aus; das ist zur Zeit vorrangig das Verdienst der Tarifvertragsparteien.
Die Beiträge der Opposition zur Diskussion der 5. Novelle zum AFG müssen bescheiden genannt werden,
({12})
und ich bin eigentlich auch darüber enttäuscht, daß heute morgen nichts Besseres kam. In der ersten Lesung wurde beklagt, die Initiativen der Koalition seien zu spät und zu halbherzig gekommen; demgegenüber wurde gleichzeitig am Umfang der Verschuldung Anstoß genommen, obwohl die Defizite der öffentlichen Haushalte gerade unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten unverzichtbar waren. Auf der einen Seite wurde durch den Kollegen Kraus eine Anpassung der Arbeitnehmer an die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen verlangt; auf der anderen Seite sah Herr Blüm den Haupteinwand gegen den Regierungsentwurf in der „technokratischen Gesinnung" des zuständigen Arbeitsministers.
({13})
Da liegt ein nicht zu übersehender Widerspruch.
Immerhin hat der Kollege Kraus es als unerträglich bezeichnet, daß die Arbeitgeber einen hohen Prozentsatz der offenen Stellen mit Höchstaltersgrenzen vorgeben. Das ist in der Tat nicht hinnehmbar. An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, daß der Kollege Urbaniak in der ersten Lesung die Arbeitgeber darauf hingewiesen hat, daß sie offensichtlich nur Olympiakämpfer anfordern und sich der Frage der Behinderten und insbesondere auch der Frage der älteren Arbeitnehmer in keiner Weise oder doch nicht in der geeigneten Form stellen.
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Die . von mir im Zusammenhang mit dem Höchstalter erwähnte Haltung widerspricht ja auch den objektiven Erkenntnissen. Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit sind zusammen zu berücksichtigen. Die in jedem Beruf notwendige Lern- und Anpassungsfähigkeit nimmt auch mit zunehmendem Alter dann nicht ab, wenn sie laufend trainiert wird. Das kann man aus einer Reihe von Untersuchungen der Bundesanstalt direkt ablesen.
Schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hat der Sprecher der Sozialausschüsse exakt am Thema vorbeigeredet. Das Hauptproblem ist das Defizit an Arbeitsplätzen. Ausgerechnet die CDA will glauben machen, es habe in den letzten Jahren am Einsatz des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums gefehlt.
Zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation kommt es darauf an, für ein ausreichendes qualitatives Wachstum zu sorgen, die soziale Beherrschung der Produktivitätsentwicklung zu sichern und arbeitszeitpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne hat eine ergänzende Funktion, nicht mehr und nicht weniger. Wenn dem Bundesarbeitsminister vorgehalten wird, er verwalte die Arbeitslosigkeit, so ist das eine bewußte Verdrehung der Tatsachen. Aus der letzten Zeit sei nur an das 3. Sonderprogramm zur
Wiedereingliederung Behinderter und an das arbeitsmarktpolitische Programm für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen erinnert.
Die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter - ich habe soeben schon mit einem Satz darauf hingewiesen - ist, wie die letzten Arbeitsmarktdaten beweisen, noch immer ein sehr, sehr ernstes Problem. Es kann nicht unerwähnt bleiben, daß hier auch die öffentliche Hand ganz besonders gefordert wird. Ich möchte hier auch die Länder nicht aus der Verantwortung entlassen, die ihre Beschäftigungspflicht für diesen Personenkreis vernachlässigen. Obwohl 6 % der Arbeits- und Ausbildungsplätze für Schwerbehinderte zur Verfügung gestellt werden müssen, melden die Länder Schleswig-Holstein mit 3,1 % und Baden-Württemberg mit 3,3 % für 1977 unerreichte Negativ-Rekorde.
({15})
Der Beitrag der Union zu den Ausschußberatungen war, mehr als' bescheiden.
({16})
Für uns kam es dagegen darauf an, aus der öffentlichen Anhörung, die der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ende März durchgeführt hat, Konsequenzen zu ziehen. Wenn schon die Experten zum Teil unterschiedliche Interpretationen gaben, galt es, bessere Formulierungen zu finden. Daß das gelungen ist, braucht nicht mehr bewiesen zu werden. Darüber wird heute konkret abgestimmt.
Wenn auf seiten der Union im Wege der Arbeitsteilung einerseits politisch-moralische Einwände formuliert werden, auf der anderen Seite die Disziplinierungsthese vertreten wird, kann im Endergebnis keine Linie herauskommen. Das wird wohl auch der Grund gewesen sein, warum die Schlußabstimmung im Ausschuß fast einvernehmlich aussah. Wenn vorher von einem Vertreter der Union behauptet wurde, mit dem Gesetzentwurf werde ein ,,bundesrepublikanisches Gastarbeitermodell" entworfen, darf man sich doch sehr wundern, daß keine Gegenanträge, insbesondere im Zusammenhang mit § 103 AFG, auf den Tisch gekommen sind.
({17})
- Zu § 103 habe ich von Ihnen nichts gehört.
({18})
- Wir haben zu § 103 sehr viel konkret nachgearbeitet.
Die parlamentarische Beratung wird heute abgeschlossen. Parlamentarische Beratung setzt gründliche Diskussion in allen Punkten eines Gesetzentwurfs voraus. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat nicht nur gründlich, sondern auch schnell gearbeitet, damit das Gesetz ohne Zeitverzögerung in Kraft treten kann. Was erreicht wurde, kann sich sehen lassen. Das zeigt auch die Reaktion der an der Fortentwicklung interessierten Offentlichkeit. Das Ergebnis wird von den Gewerkschaften respektiert und anerkannt. Zugleich werden alle diejenigen Lügen gestraft, die darauf spekuliert hatten, daß es bei der 5. Novelle zum AFG um Sieg oder Niederlage in der Koalition mit oder gegen den Minister, gehe. Insofern werden manche auf seiten der Opposition enttäuscht sein.
Sich verbessernde Arbeitsmarktdaten sollten die Diskussion über die Fortentwicklung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums erleichtern. Die Situation ist in der Tat heute besser als vor einem Jahr. Insgesamt kann der Zustand aber noch nicht befriedigen. Durch die besseren Rahmenbedingungen werden die Vermittlungsbemühungen erleichtert. Diese Erfolge stellen sich aber nicht von alleine ein, sondern sie sind abhängig von dem Einsatz der Mitarbeiter in der Bundesanstalt, insbesondere in den örtlichen Arbeitsämtern.
Auch die Selbstverwaltung, d. h. alle in ihr Tätigen, sind aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Hier geht es nicht um eine Einschränkung der Selbstverwaltung, wie hier heute dargetan wurde, sondern um eine Ausweitung der Tätigkeit der Selbstverwaltung. Dem Zuwachs an Rechten steht ein Mehr an Pflichten gegenüber. Der Gesetzgeber hat seine Pflichten erfüllt. Jetzt kommt es auf die Umsetzung in den einzelnen Arbeitsämtern an. Ich bin sicher: die Erfolge werden nicht ausbleiben.
({19})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es nach dem, was hier seitens der Koalitionsvertreter schon alles gesagt worden ist, zumutbar ist, jetzt Wiederholungen anzubringen. Darum will ich unter Verzicht auf vorbereitete Manuskripte einmal etwas zu Themen sagen, die in die Debatte neu eingeführt wurden, die mir deshalb wichtig erscheinen.
Aber gestatten Sie, daß auch ich mit einem Dank an die Opposition beginne. Dies war ja heute eine neue Note, die atmosphärisch nicht schlecht war. Ich möchte mich diesem Dank auch anschließen, weil nämlich die Zurückhaltung der Opposition bei der Debatte um dieses Gesetz die Einigung in der Koalition und auch die zügige Verabschiedung des Gesetzes erleichtert hat. Dies ist erfreulich. Dafür herzlichen Dank!
Allerdings wurde auch heute durch die Debattenbeiträge von Herrn Blüm einerseits und Herrn Kraus andererseits deutlich, warum die Opposition so zurückhaltend sein mußte. Man muß hier ja von einer sehr gegensätzlichen Bewertung dieses Gesetzes ausgehen. Ich sage das wertneutral.
({0})
Dies zeigt die ganze. Spannbreite einer Einheitspartei, die von christlich-sozialer bis hin zu mehr - dies ist auch legitim - wirtschaftspolitischer Fixierung Politik versteht.
({1})
- Herr Kollege Blüm, es ist natürlich sehr interessant, wenn Sie sagen - und dies begrüßen, wenn ich Sie richtig verstanden habe -, daß das, was Sie am Runderlaß 230 kritisiert haben, nun durch diesen Gesetzentwurf erheblich verbessert worden ist, und wenn der Kollege Kraus sagt, die Bundesregierung habe den Runderlaß 230 im großen und ganzen unverändert in dieses Gesetz hineingeschrieben. Das müssen Sie unter sich ausmachen.
Ich kann nur feststellen, daß wir trotz unterschiedlicher Ansätze in der Koalition - dies liegt im Wesen einer Koalition, daß man versucht, trotz unterschiedlicher Betrachtungsweisen zu einer Einigung zu kommen - offensichtlich eher in der Lage sind, eine gemeinsame Haltung einzunehmen, als es Ihnen in der Opposition möglich ist. Insofern habe ich auch bei diesem Gesetz den Eindruck, daß das notwendige Korrektiv, manchmal auch die oppositionelle Haltung gegenüber der Bundesregierung aus dem parlamentarischen Selbstverständnis heraus von den Koalitionsfraktionen mitgetragen werden muß,
({2})
weil Sie sich in der großen allumfassenden christsozial-christdemokratischen Spannweite gegenseitig neutralisieren.
Herr Kollege Blüm, ich muß Sie daran erinnern, daß Sie keinen einzigen Änderungsantrag zum Kernpunkt des Gesetzes, nämlich zum Begriff der Zumutbarkeit, gebracht haben. Sie haben diese Regelungen heute kritisiert. Das ist ihr gutes Recht. Einen Antrag durften Sie aber nicht einbringen, Herr Kollege Blüm, und wir wissen auch, warum nicht.
({3})
Sie haben dann weiter bedauert, daß wir Ihrem Antrag, die individuelle Förderungssätze bei der beruflichen Weiterbildung von heute 58 % auf 68 % zu erhöhen, nicht gefolgt sind. Auch wir sind der Meinung, daß im Grunde genommen über die arbeitsmarktpolitische notwendige Förderung hinaus frühzeitiger Anreize geschaffen werden müssen, um einen Arbeitnehmer, der langfristig seinen Arbeitsplatz in seinem erlernten Beruf nicht gesichert sieht, die Chance zu geben, langfristig einen sicheren Beruf durch Umschulung zu ergreifen. Aber seien wir ehrlich, die Aufstockung von 58 auf 68 % bringt so schnell niemanden dazu, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und in die Umschulung hineinzugehen.
Wir sollten weitergehen, Herr Kollege Blüm,
({4})
- bevor Sie sich zu Wort melden, darf ich das vielleicht zu Ende führen -, und haben öffentlich wie auch in der ersten Lesung in diesem Hause vorgeschlagen, uns einmal gemeinsam zu überlegen, ob wir das nicht über Darlehen finanzieren können. Ich weiß nicht, ob Ihnen das jetzt gefällt, aber ich darf Sie an eine Publikation Ihres „Generalisten" Biedenkopf erinnern - der Kollege Cronenberg ist so nett, diese Publikation zu zeigen; wir haben das
nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich griffbereit -, der im Zusammenhang mit Mobilitätsförderung, mit der Motivation, sich weiterzubilden, auch aus bildungspolitischem Selbstzweck, mit Recht gesagt hat: Da anzunehmen ist, daß man durch eine Weiterbildung und höhere berufliche Qualifikation auch mehr verdient, kann man erwarten, daß der Staat zwar vorschießt, hinterher aber aus dem höherem Einkommen ein Teil zurückgezahlt wird. Auch hier scheinen Sie sich nicht einigen zu können. Wir haben von Ihnen nicht und leider auch nicht von den Tarifpartnern weder in der Anhörung noch in den Beratungen im Ausschuß auch nur einen Antrag, auch nur ein positives Wort zu dem Darlehensvorschlag bekommen. Deshalb muß ich sagen: was Sie heute zu diesem Punkt vorgetragen haben, ist wohl ein bißchen Schaustellerei gewesen.
({5})
Herr Kollege, wollen Sie die Zwischenfrage des Kollegen Blüm zulassen?
Wenn er sich noch traut, ja, bitte.
({0})
Wenn Sie gestatten, daß ich mich traue, möchte ich noch untertänigst eine Frage an Sie richten, Herr Kollege Hölscher: Wie erklären Sie sich den Widerspruch, daß Sie einerseits behaupten, ein um 10 % höheres Unterhaltsgeld würde nicht als Anreiz wirken, und andererseits sagen, die Sache käme zu teuer?
Herr Kollege Blüm, ich persönlich hätte aus sozialpolitischen Gründen nichts dagegen, den Satz von 58 % auf 68 % zu erhöhen.
({0})
Aber in Anbetracht der knappen Kassen würde ich dies als unmittelbare, nicht rückholbare Leistung der Bundesanstalt im Augenblick nicht für vertretbar halten. Deshalb war unser Vorschlag: Darlehensfinanzierung, wie wir es ja z. B. beim BAföG haben, wo eben vom Haushaltsansatz, auch wenn Haushaltspolitiker selbst, wie ich weiß, anderer Meinung sind, ({1})
- Wir haben den Vorschlag konkretisiert, Herr Kollege Franke,
({2})
und wir haben keine Unterstützung bei Ihnen gefunden.
({3})
Lesen Sie die Protokolle der Anhörung nach. Ich muß aber fairerweise sagen, daß wir weder von den Arbeitgebern noch von den Gewerkschaften Unterstützung erfahren haben. Leider nicht. Ich
möchte hier nur noch einmal dokumentieren, daß die Vorschläge auf dem Tisch waren. Wir werden zu gegebener Zeit mit Sicherheit wieder darauf zurückkommen.
Herr Kollege, wollen Sie noch eine Zusatzfrage zulassen, damit uns die Ausschußberatungen noch einmal transparent werden?
({0})
Herr Präsident, ich danke Ihnen für den Hinweis. Aber erlauben Sie mir dennoch, daß ich die Frage des Kollegen zulasse. Ich werde ganz kurz antworten.
Aber bitte.
Herr Kollege Hölscher, wenn Sie schon den Vorwurf gegen uns erheben, wir hätten in dieser Frage nicht konkret auf eine von Ihnen gemachte Anregung reagiert, darf ich dann fragen: wo ist denn Ihr konkreter Antrag im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu diesem Komplex gewesen?
Herr Kollege Franke, Liberale sind auch hier und da zum Heldentum sicher in der Lage. Aber so blindlings erfolglos gegen die Wand zu laufen, obwohl man weiß, man kriegt ohnehin keine Unterstützung, gleich von welcher Seite, das machen wir eben nicht. Da werden wir uns in den nächsten Monaten mal um mehr Überzeugung noch bemühen. Vielleicht können wir dann interfrakfionell da auch mal etwas machen.
({0})
Ich nehme die versteckte Rüge des Herrn Präsidenten sehr dankbar zur Kenntnis. Sicher ist es gerade im Plenum des Deutschen Bundestages wichtig, nicht zu sehr das zu wiederholen, was unter Fachleuten im Ausschuß verständlich ist, aber in der 'Offentlichkeit unverständlich sein kann. Deshalb möchte ich noch einige allgemeine Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf machen.
Hier und da ist der Eindruck entstanden - gerade im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über diesen Gesetzentwurf -, das Problem der Arbeitslosigkeit sei ein Problem der Arbeitswilligkeit. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß wir mit dem Gesetzentwurf, so wichtig er ist, selbstverständlich nicht die Ursachen, die eigentlichen Ursachen für die hohen Arbeitslosenzahlen beseitigen. Aber wir leisten Hilfen. Wir leisten insbesondere in der Verbesserung der beruflichen Förderung Hilfen. Dies ist in der öffentlichen Diskussion leider untergegangen. Denn wir haben uns aus verständlichen Gründen - auch durch die Medien provoziert - eigentlich immer nur über die
Frage gestritten, was einem Arbeitslosen bei der Annahme einer neuen Stelle zumutbar ist. Ich darf Sie noch einmal darauf hinweisen, daß der Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen sehr viel nützliche Hilfen für Arbeitslose bringt, für Jungendliche bringt, die z. B., wenn sie nur ein Jahr beschäftigt waren, berufsvorbereitende Maßnahmen mit Ausbildungsförderung unabhängig von ihrer Einkommenssituation bekommen. Für Frauen - dies ist ein sehr wichtiger Punkt -, bei denen die Zeiten der Kindererziehung als Leistungsvoraussetzung für Weiterbildung, für Umschulung angerechnet werden, tritt ebenfalls ein Vorteil ein. Wir haben im Grunde genommen - ich sage das als FDP-Mann mit besonderer Genugtuung - hier im Bereich der Arbeitslosenversicherung etwas vorgezogen, was wir in unseren Rentenvorschlägen im Zusammenhang mit der Altersversorgung bereits vorgeschlagen haben. Damit wird die Bewertung der Kindererziehung als Leistungsvoraussetzung für die Arbeitslosenversicherung vorgenommen.
({1})
Künftig bekommt eine Frau - dafür müssen wir dankbar sein -, die einen Teil ihres Lebens ihre Arbeitskraft auf die Erziehung und Betreuung der Kinder verwandt hat, dadurch aber vom Beruf abgehängt wurde, sofort, wenn die Kinder größer sind und sie bereit ist,
({2})
wieder entweder in den alten Beruf oder in einen neuen Beruf einzusteigen, die entsprechenden Hilfen, um die entstandenen Qualifikationslücken zu schließen.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal klarstellen, um was es bei der Zumutbarkeitsdebatte geht: Es geht im Grunde genommen nur darum, einen Rahmen zu schaffen, durch den sichergestellt ist, daß einem Arbeitslosen das zugemutet werden kann, was einem Beschäftigten ohnehin zugemutet wird. Deshalb war es von vornherein unsere Meinung, daß man bei einem Arbeitslosen nicht generell ausschließen darf, daß er auswärts arbeitet; denn Hunderttausende von Arbeitnehmern müssen am Wochenende pendeln. Hier sind in der öffentlichen Diskussion sicher einige Mißverständnisse entstanden. Es wäre doch wohl undenkbar, wenn jemand, der noch Arbeit hat, aber am Wochenende pendeln muß - also nur am Wochenende bei seiner Familie sein kann, was ihn sehr stört und was auch eine Belastung ist -, selbst dafür sorgt, daß er arbeitslos wird, nur, um dann niemals mehr am Wochenende pendeln zu müssen. Daran war nie gedacht. Dieses Mißverständnis sollte damit auch aufgeklärt sein.
Der Kollege Cronenberg hat an Hand konkreter Beispiele deutlich gemacht, daß hier die individuelle, die persönliche, die familiäre Situation letzten Endes bei der Entscheidung den Ausschlag geben muß, ob einem Arbeitslosen zugemutet werden
kann, eine Stelle auswärts anzunehmen, oder von der Angestelltenversicherung in die Arbeiterrentenversicherung zu wechseln. Es darf doch wohl - das möchte ich auch noch einmal unterstreichen - in dieser Gesellschaft nicht diskriminierend sein, Arbeiter zu sein. Ich glaube, einem Hilfsbuchhalter, der arbeitslos geworden und nicht mehr unterzubringen ist, der jedoch Angestellter war, ist zuzumuten - ich sehe das nicht als einen Statusverlust an -, eine Stelle anzunehmen, wo er Arbeiter wird, wo er aber einen langfristig sicheren Arbeitsplatz hat und möglicherweise sogar ein höheres Einkommen erzielt.
({3})
Selbstverständlich - und hier setzt meine Kritik am Runderlaß 230 an - durfte es nicht zu einer automatischen Abstufung vom Ingenieur, über den Techniker, Facharbeiter, Vorarbeiter bis hin zum Hilfsarbeiter kommen. Dies geht nicht. Dies wäre unzumutbar.
({4})
Ich freue mich, daß wir dies durch die Änderungen, die wir als Koalition bei den Ausschußberatungen eingefügt haben, deutlich gemacht haben. Damit sind der Wechsel des Versicherungsträgers, das Wochenendpendeln und anderes grundsätzlich erlaubt, wobei aber letzten Endes die persönliche Situation den Ausschlag gibt.
({5})
Lassen Sie mich noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Die Arbeitsämter sind verpflichtet - und dies werden wir kontrollieren -, sich in dem Fall, wenn jemand eine Tätigkeit ausüben muß, die nicht seiner früheren Berufsausbildung entspricht, bemühen müssen, den Betreffenden in seinen alten Beruf zu vermitteln. Dies ist kein Appell, sondern dies ist eine Soll-Vorschrift. Ich muß noch einmal sagen: Wir erwarten von der Arbeitsverwaltung, daß sie auch entsprechend verfährt.
({6})
Meine Damen und Herren, da meine Redezeit abgelaufen ist und in Anbetracht des Freitags Zeitüberschreitungen in unser aller Interesse und im Interesse unserer Familien unzumutbar wären, danke ich für die im Grunde genommen sehr sachlich geführte Diskussion innerhalb der Fraktionen. Ich hoffe, daß wir mit diesem Gesetz der Arbeitsverwaltung ein Werkzeug an die Hand geben können, mit dem dafür gesorgt werden kann, daß Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft nicht diskriminierend ist und daß Menschen, die arbeitslos geworden sind, möglichst schnell wieder in den Beruf kommen.
({7})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich schließe die Aussprache in der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer Art. 1 bis Art. 10, Einleitung und Überschrift in der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig gebilligt.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Zink.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der CDU/CSU darf ich zum Ende dieser Debatte folgende Erklärung abgeben.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß der Deutsche Bundestag heute mit der Verabschiedung des 5. Änderungsgesetzes zum Arbeitsförderungsgesetz den Schlußstein in der Reihe der in der 8. Wahlperiode beratenen arbeitsrechtlichen Vorlagen mit herausragender sozialpolitischer Bedeutung setzen wird. Die heute zu beschließende 5. Novelle wird uns ein Arbeitsförderungsgesetz bescheren, das nach Auffassung der CDU/CSU kaum geeignet ist, die aktuellen und, was noch schwerer wiegt, die mittelfristigen Arbeitsmarktprobleme in der Bundesrepublik Deutschland zu lösen.
({0})
Erwartungsgemäß behauptet die Bundesregierung durch den Mund ihres Arbeitsministers, Herrn Dr. Ehrenberg, diese Novelle trage den Anforderungen eines fortschrittlichen Konzepts der Arbeitsmarktpolitik Rechnung und berücksichtige insbesondere den jüngsten Erkenntnisstand und die aktuellen Diskussionen zu diesem Thema. Um des brüchig gewordenen Friedens zwischen den Koalitionsparteien willen loben heute die arbeitsmarktpolitischen Sprecher von SPD und FDP einträchtig einen Gesetzentwurf, obwohl sie in der zentralen arbeitsmarktpolitischen Frage der Zumutbarkeit der einem anderen Arbeitslosen vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit nach hektischer Betriebsamkeit und heftigen inneren Auseinandersetzungen in letzter Minute nur einen Formelkompromiß erzielt haben.
({1})
Der Vorrat an Gemeinsamkeiten - das zeichnet sich überdeutlich ab - neigt sich wohl auch im sozialpolitischen Bereich dem Ende zu.
({2})
Der wieder aufgeflammte Streit um die Renten und die Reform des Arbeitszeitrechts verstärkt, bei uns zumindest, diesen Eindruck.
({3})
Die verunglückte Fassung des § 103 Abs. 1 AFG spiegelt deutlich das qualvolle Bemühen der Koalitionsparteien wider, den auch heute noch fortbestehenden Dissens zwischen SPD und FDP über die materiellen Grenzen der einem Arbeitslosen zumutbaren räumlichen und beruflichen Mobilität durch einen Scheinkompromiß zu verschleiern. SPD und FDP haben eine komplizierte Regelung geschaffen, in welcher in rechtssystematisch überaus bedenklicher Weise unbestimmte Gesetzesbegriffe und Auslegungsregeln miteinander vermengt worden sind.
Unbegründetes Mißtrauen gegenüber der Arbeitsverwaltung und eine verhängnisvolle Neigung zu einer umfangreichen Kasuistik sind hier eine unheilige Allianz eingegangen.
({4})
Um das kümmerliche Resultat in der Sprache des Volksmundes zu beschreiben, muß man wohl sagen: Die letzten Klarheiten wurden nun beseitigt. Aber das war ja vielleicht die geheime Absicht eines Teils der geistigen Urheber dieses Formelkompromisses. Denn eine schwammige Formulierung, die gegensätzlichen Interpretationen Raum läßt, erleichtert es, zukünftig politischen Druck auf die Bundesanstalt für Arbeit auszuüben. Unter Berufung auf den angeblich so zu interpretierenden Willen des Gesetzgebers kann man je nach politischer Opportunität zukünftig mal eine extensive, mal eine restriktive Handhabung des § 103 durchsetzen.
Derartige gesetzgeberische Sündenfälle hat uns das sogenannte sozialliberale Bündnis in reichem Maße beschert. Der § 103 reiht sich daher nahtlos in eine langjährige schlechte Tradition der Koalitionsparteien ein. Zu bedauern sind allerdings die' Bediensteten der deutschen Arbeitsämter, die dieses Monstrum des § 103 in der täglichen Praxis anzuwenden haben. Wir prophezeien Ihnen schon heute eine Flut von Sozialgerichtsprozessen, die eine zwangsläufige Folge der offenbar von beiden Koalitionsparteien in Kauf genommenen Doppeldeutigkeiten des Gesetzeswortlautes sind.
Über dem monatelangen Streit um die endgültige Fassung des § 103 hat die Kaolition offensichtlich übersehen, daß sich der Schwerpunkt einer wirklich fortschrittlichen, d. h. den Anforderungen der Zukunft gerecht werdenden Arbeitsmarktpolitik immer stärker auf das Gebiet der präventiven Maßnahmen verlagert. Wie uns die bitteren Erfahrungen der letzten, durch eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Jahre lehren, können dauerhafte Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit im wesentlichen nur durch vorbeugende Maßnahmen auf dem Felde der beruflichen Bildung erzielt werden.
Ein großer Teil der Maßnahmen bei schon eingetretener Arbeitslosigkeit beschränkt sich darauf, die negativen sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit zu lindern. Ein Vergleich der Strukturanalyse der Bundesanstalt für Arbeit aus den letzten Jahren zeigt, wie begrenzt die Erfolge einer lediglich reaktiven Arbeitsmarktpolitik sind. Milliardenbeträge aus zahllosen Sonderprogrammen haben nicht verhindern können, daß sich der „harte Kern" der Arbeitslosigkeit - nach jahrelangem kontinuierlichen Anwachsen - unterdessen bei rund 500 000 verfestigt hat. Der sogenannte harte Kern der Arbeitslosigkeit ist zwar nicht größer geworden, meine Damen und Herren, aber er ist als solcher gegenüber früheren Jahren „härter" geworden.
Obwohl der Bundesregierung und den Koalitionsparteien diese traurigen Tatsachen bekannt sind, haben sie sich leider nicht dazu entschließen können, über ihren eigenen Schatten zu springen
und die von der CDU/CSU eingebrachten Änderungsanträge mitzutragen, die darauf abzielten, die Instrumente der vorbeugenden Arbeitsmarktpolitik im Bereich der beruflichen Bildung nachhaltig zu verbessern und zu erweitern. Bundesregierung und Koalition haben in erster Linie finanzpolitische Einwände ins Feld geführt. Wie fadenscheinig diese Argumente sind, folgt schon aus der Tatsache, daß ohne Schwierigkeiten 500 Millionen DM für ein Sonderprogramm für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit bereitgestellt werden konnten. Aber offensichtlich wiegt der kurzfristige, taktische Aspekt des Machterhalts in Nordrhein-Westfalen schwerer als eine großzügig bemessene und mittelfristig angelegte Strategie des Gesetzgebers, die allerdings erst in den 80er Jahren Früchte tragen würde. Die für SPD und FDP gleichermaßen bedrohliche strukturelle Dauerkrise des Ruhrgebiets mit der' daraus resultierenden extrem hohen Arbeitslosigkeit im Kerngebiet des Reviers läßt Arbeitsmarktstrategien hinter kurzfristigen, taktischen Vorteilen zurücktreten.
Meine Damen und Herren, angesichts der sich heute abzeichnenden mittelfristigen Entwicklungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland wäre eine über den Tellerrand des nächsten Wahltermins hinausschauende Arbeitsmarktpolitik geradezu eine lebensnotwendige Aufgabe.
({5})
Der Bundesarbeitsminister und die ihn stützenden Koalitionsfraktionen verweisen gern auf die aktuelle, von leichten Besserungstendenzen gekennzeichnete Arbeitsmarktsituation, um die gegenwärtig sinkenden Arbeitslosenzahlen propagandistisch zu einem Erfolg ihrer Arbeitsmarktpolitik umzumünzen.
({6})
Ich will dem Herrn Bundesarbeitsminister gern zugestehen: Im Vergleich zu einer Massenarbeitslosigkeit, die über vier Jahre hinweg - saisonbereinigt - stets mehr als eine Million betrug, ist eine für 1979 für wahrscheinlich gehaltene durchschnittliche Arbeitslosenzahl von knapp 900 000 ein relativer Erfolg. Nach den vollmundigen Erklärungen des sozialdemokratischen Bundeskanzlers und der Finanzminister in der ersten Hälfte der 70er Jahre, die leichtfertig Vollbeschäftigungsgarantien abgaben und damit die Wähler täuschten, sind zwischenzeitlich auch Sozialdemokraten in dieser Frage bescheidener geworden.
({7})
Nun, meine Damen und Herren, was der Arbeitsminister allerdings geflissentlich verschweigt oder verdrängt, sind die überaus pessimistischen mittelfristigen Arbeitsmarktprognosen für die 80er Jahre.
({8})
Der heute festzustellende positive Trend, dessen Stärke und Dauer von vielen Unsicherheiten begleitet werden - ich nenne hier nur beispielhaft die Gefahren, die sich aus der aktuellen Energieverknappung ergeben -, darf einen verantworZink
tungsbewußt handelnden Sozialpolitiker nicht davon abhalten, sich schon jetzt durch eine vorausschauende Gesetzgebung gegen die mit Sicherheit auf uns zukommenden mittelfristigen Arbeitsmarktprobleme zu wappnen.
Durch die Veränderung des Bevölkerungsaufbaus werden sich in den 80er Jahren die Diskrepanzen zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Arbeitskräftenachfrage auf dem Arbeitsmarkt drastisch verschärfen. In den nächsten zehn Jahren wird das inländische Erwerbspersonenpotential kräftig anwachsen, weil die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre in diesem Zeitraum auf den Arbeitsmarkt drängen.
Um Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, eventuell die polemische Erwiderung abzuschneiden, ich zeichnete hier ein Horrorgemälde ohne jeden realen Hintergrund, will ich die wissenschaftlichen Quellen für meine pessimistische Prognose nennen, die sich durch eine bemerkenswerte Übereinstimmung in der allgemeinen Tendenz auszeichnen.
In einer am 7. November 1978 veröffentlichten Wachstums- und Strukturprognose des Ifo-Instituts für die 80er Jahre wird das Erwerbspersonenpotential im Jahre 1989, dem Jahr seines voraussichtlichen Höhepunktes, auf rund 27,2 Millionen geschätzt. Es liegt also um rund 700 000 über dem des Jahres 1977, als wir bekanntlich durchschnittlich 1 030 000 registrierte Arbeitslose und zirka 500 000 Angehörige der sogenannten stillen Reserve zählten. Legt man diese schon heute relativ genau zu schätzenden Zahlen zugrunde, so wäre ein reales Wirtschaftswachstum von mindestens 5 % pro Jahr, d. h. das durchschnittliche Wachstum der 60er Jahre, erforderlich, um mittelfristig wieder eine Vollbeschäftigung zu erreichen. Selbst wenn man nicht die Auffassung des Ifo-Institutes teilt, das - ich zitiere wörtlich - „ein so starkes Wachstum für absolut unmöglich hält", muß sich eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik darauf einstellen, daß sich bei einem allgemein für wahrscheinlich gehaltenen jährlichen realen Wirtschaftswachstum von 3,5 % die Zahl der registrierten Arbeitslosen bereits mittelfristig auf rund 1,5 Millionen belaufen könnte.
Diese von mir soeben zitierte Prognose des IfoInstitutes ist im Vergleich zu derjenigen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung noch als relativ optimistisch zu bezeichnen; denn das Berliner Institut befürchtet in seinem Bericht vom 13. April 1978, daß sich das Erwerbspersonenpotential ohne Arbeit bereits 1985 auf rund 2,6 Millionen belaufen werde.
({9})
Das sind zwei Millionen registrierte Arbeitslose und 0,6 Millionen stille Reserve.
Auch wir wissen,
({10})
daß mittelfristige Schätzungen, zumal wenn sie
quantitative Aussagen enthalten, das Risiko der
Fehlprognose in sich bergen. Aber diese Erkenntnis
darf uns nicht zu dem gefährlichen Fehlschluß verleiten,
({11})
wir könnten die Dinge einfach treiben lassen, da möglicherweise die pessimistischen Prophezeiungen nicht in Erfüllung gehen werden.
({12})
Für die Wirtschafts- und Sozialpolitik unseres Landes, eines modernen Industriestaates mit einem sensiblen System der sozialen Sicherheit, sind solche Prognosen zumindest ein unüberhörbares Warnsignal. Die Arbeitsmarktpolitiker sind aufgefordert, rechtzeitig Vorbereitungen zu treffen, damit die Folgen dieser demographischen Entwicklung, die mit einem rasanten wirtschaftlichen Strukturwandel einhergeht, sozial beherrschbar werden können.
({13})
Die begrenzten Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes reichen für sich allein selbstverständlich auch nach unserer Meinung nicht aus; andere Maßnahmen müssen flankierend hinzutreten.
({14})
Aber durch ein weit gefaßtes, großzügiges und für die Arbeitnehmer attraktives Angebot von präventiven Maßnahmen der beruflichen Bildung können wir rechtzeitig Vorsorge treffen. Wir können dazu beitragen, daß der einzelne Arbeitnehmer die Chance erhält, im Laufe seines Arbeitslebens mit dem äußerst dynamischen wirtschaftlichen Strukturwandel Schritt zu halten. Präventive Arbeitsmarktpolitik reagiert nicht nur auf das vorgegebene Arbeitsplatzangebot, sondern beeinflußt in positiver Weise auch die Status-quo-Prognose eines unterstellten Wirtschaftswachstums.
Aus der jüngsten Arbeitsmarktstatistik der Bundesanstalt für Arbeit geht hervor, daß schon heute in zahlreichen Branchen und Regionen ein spürbarer Mangel an qualifizierten Arbeitskräften das erhoffte Wirtschaftswachstum zu beeinträchtigen droht. Gemessen an diesen durch die mittelfristige Entwicklung des Arbeitskräftepotentials vorgegebenen Anforderungen ist die von der Mehrheit von SPD und FDP im Ausschuß durchgesetzte Fassung des Fünften Änderungsgesetzes zum Arbeitsförderungsgesetz leider nur ein unzureichender und halbherziger Schritt. Er schafft nicht das optimale Rüstzeug, um die schwierigen Arbeitsmarktprobleme der 80er Jahre bewältigen zu können.
({15})
Nur in Würdigung der Tatsache, daß halbherzige Regelungen, die in die richtige Richtung gehen, das geringere Übel gegenüber völliger Passivität sind, wird die Bundestagsfraktion der CDU/CSU dem Gesetzentwurf in der dritten Lesung ihre Zustimmung geben.
({16})
- Herr Wehner, wir tun dies ohne große Begeisterung!
({17})
Um es richtig zu sagen: Mit zwiespältigen Gefühlen.
({18})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich auf die Ausführungen des Kollegen Zink, vor allen Dingen seine mittelfristigen Perspektiven, eingehe, zum Abschluß der zweiten und dritten Lesung ein herzliches Wort des Dankes für die intensive und zügige Arbeit und das abschließende Ergebnis dieser Beratungen. Der Dank gilt neben den Kollegen in den mitberatenden Ausschüssen vor allen Dingen allen Abgeordneten des zuständigen Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und in ganz besonderer Weise dem Berichterstatter, dem Kollegen Lutz, der sich hier in ungewöhnlich umfassender Form um die Einzelheiten gekümmert und entschieden dazu beigetragen hat, daß dieses schwierige Gesetzgebungswerk ein handliches, brauchbares arbeitspolitisches Instrument geworden ist.
({0})
- Verehrter Herr Kollege Franke, das lassen Sie meine Sorge und die Sorge der Gewerkschaften sein. Wir kommen gut miteinander zurecht - ohne Ihre Hilfe!
({1})
- Ich weiß es, Herr Blüm: Man hört es dauernd.
({2})
- Lassen Sie mich nicht philosophieren, was man über Herrn Blüm so in der Öffentlichkeit hört.
({3})
Ich würde gern eine Bemerkung zu der häufig zu hörenden Kritik machen, die Zeit für die parlamentarische Beratung sei zu kurz gewesen.
({4})
Zugegebenermaßen ist hier sehr schnell und zügig gearbeitet worden.
({5})
Aber es hat an der gebotenen Sorgfalt ebensowenig gefehlt.
({6})
Herr Kollege Franke, die Problemstellungen des Arbeitsmarkts verlangen
({7})
das Handeln jetzt und hier und nicht im Herbst oder übermorgen.
({8})
Darum ging es. Deshalb herzlichen Dank an die Kollegen, die das so schnell und zügig getan haben.
({9})
Sie dürften mit mir vielleicht auch darin übereinstimmen, daß es unverkennbar ist - das hat auch der Kollege Zink erwähnt -, daß der Arbeitsmarkt im Laufe dieses Jahres von Monat zu Monat besser wird, freilich natürlich längst noch nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt beseitigt sind. Gerade im Zug der besser werdenden konjunkturellen Entwicklung
({10})
haben sich die Problemregionen besonders deutlich gezeigt. Die Bundesregierung hat darum sehr schnell und genauso sorgfältig, wie die Beratungen im Ausschuß geführt worden sind, für alle Arbeitsamtsbezirke mit mehr als 6 % Arbeitslosigkeit im Durchschnitt des Jahres 1976 ein gezieltes, auf diese Regionen bezogenes Sonderprogramm beschlossen, das gleichzeitig mit dem 5. Arbeitsförderungsgesetz in Kraft treten wird, nämlich am 1. August.
({11})
- Wir haben eine so gute Wirtschaftspolitik gemacht, Herr Kollege Franke,
({12})
daß die Bundesrepublik Deutschland im europäischen Vergleich bei den Preisen und der Arbeitslosenquote ganz unten steht, und wir sind stolz darauf, daß uns das gelungen ist.
({13})
- Ach ja! Aber nur nach dem, was Sie da vorne glauben. Sonst glaubt das in dieser Republik und in Europa kein Mensch, verehrter Herr Kollege.
({14})
Aber es gibt eine große Differenzierung, die im April dieses Jahres von 1,2 % in Nagold und 1,4 % in Göppingen einerseits bis 7,7 % in Emden und Saarbrücken andererseits reichte. Diese breite Differenzierung widerlegt eindeutiger als alles andere dieses immer wieder in der Offentlichkeit erhobene Klagelied, daß die vorhandenen Arbeitslosen nicht qualifiziert genug oder zeitweise auch nicht arBundesminister Dr. Ehrenberg
beitswillig genug seien. Ich würde jeden, der daran zweifelt, doch sehr herzlich bitten, mit mir zusammen nach Emden oder Saarbrücken zu gehen und dort den Beweis dafür anzutreten, daß diese Arbeitnehmer weniger qualifiziert und weniger befähigt und arbeitswillig sind als in Nagold, in Korbach oder in Waiblingen, wo die Konjunktur dafür gesorgt hat, daß wir wieder Vollbeschäftigung haben und alle angeblich nicht Qualifizierten wieder eingestellt worden sind.
({15})
- Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, wieviel bei Herrn Kraus unterschwellig von dem vorhanden war, was heute in den Zeitungen als eine Veröffentlichung von Gesamtmetall steht, wo genau dies wieder behauptet wird, daß zuwenig Arbeitnehmer unter den Arbeitslosen qualifiziert genug sind, um den Einstellungsanforderungen zu genügen.
Ich halte es für sehr wichtig, daß von diesem Platz aus nochmals wiederholt wird, wie unzumutbar die immer noch vorhandenen Höchstaltersbegrenzungen bei vielen Unternehmen und wie überzogen die Qualifikationsanforderungen sind.
({16})
- Nein, die Regierung hat auch keine Schuld an diesen überzogenen Vorstellungen, Die kann ihnen jemand anders beigebracht haben; die Regierung mit Sicherheit nicht.
({17})
Die Regierung hat das ihrige getan, um dort, wo die Arbeitslosenquote noch sehr viel höher ist als in den größten Teilen von Baden-Württemberg oder in den Ballungsgebieten in Südbayern und um Frankfurt herum, das Nötige präventiv zu tun, Herr Kollege Zink, wie Sie es gefordert haben, um mit geeigneten Maßnahmen dafür zu sorgen, daß vorhandene Qualifikationsunterschiede einander näherkommen. In 23 Arbeitsamtsbezirken im Ruhrgebiet, im Saarland, in Ostfriesland, im niedersächsischen Zonenrandgebiet und in Ostbayern wird ab 1. August dieses neue arbeitsmarktpolitische Programm den Unternehmen, die ihre Produktion umstellen und auf Grund der Produktionsumstellung neue berufliche Qualifikationen brauchen, dabei helfen, dieses schnell im Interesse der Arbeitslosen und im Interesse eines Anschlusses dieser Unternehmen an die wirtschaftliche Entwicklung durchführen zu können.
Schwerpunkte dieses Programms sind, daß bis zu 90 % der Lohnkosten für Umschulung innerbetrieblicher Art mit anerkannten Ausbildungsabschlüssen übernommen werden, zur Wiedereingliederung langfristig Arbeitsloser 70 bis 80 % der Kosten bis zu einem vernünftigen Abschluß dieser Wiedereingliederungsphase.
Wir haben ganz bewußt in dieses Programm hineingeschrieben, daß das in enger Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung, Betriebsräten und Arbeitsverwaltung zu geschehen hat. Herr Kollege Blüm, die Betonung dieser Mitwirkung der Betriebsräte bei diesen Maßnahmen ist kein Duplikat des Betriebsverfassungsgesetzes. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht für die Arbeitsverwaltung. Wir wollen die Arbeitsverwaltung ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß mit Unternehmensleitungen und Betriebsräten gleichzeitig zusammengearbeitet werden muß.
({18})
- Das ist bisher leider nicht in zureichendem Maße überall durchgeführt worden. Genau deshalb haben wir es ausdrücklich in dieses Programm und in die Begründung für das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes hineingeschrieben, aus guten Gründen.
({19})
Ebenfalls glauben wir, daß es notwendig war, die Schwerpunkte der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz noch einmal ausdrücklich herauszustellen: die berufliche Bildung, die Stärkung der Vermittlungsfähigkeit und -bereitschaft der Arbeitslosen durch neue Informationskurse und die Stärkung der Selbstverwaltung.
Herr Kollege Blüm, wenn Sie sagen, mehr Selbstverwaltung und weniger Theorie, so haben Sie damit dem 5. Arbeitsförderungsgesetz ein Kompliment gemacht; denn genau das steht in ihm.
({20})
- Das Leben ist kompliziert, verehrter Herr Kollege, und ich hoffe nicht, daß Sie dem Irrtum von Herrn Fredersdorf unterliegen, die einfachste wäre auch gleichzeitig die gerechteste Lösung. Sonst müßten Sie beispielsweise für eine Kopfsteuer sein. Das ist die einfachste aller Steuern, aber gleichzeitig auch die ungerechteste.
({21})
Genauso wäre es, wenn jemand versuchen wollte, das komplizierte Geschehen am Arbeitsmarkt in drei handfeste Faustregeln zu pressen. Das wollen wir nicht. Gerade weil wir für Gerechtigkeit sind, ist ein gewisses Maß von komplizierten Regelungen unvermeidbar. An der Redlichkeit desjenigen, der das Gegenteil behauptet, sind Zweifel angebracht.
({22})
Zu § 103: Er ist in der öffentlichen Diskussion sehr zu Unrecht als Schwerpunkt der Neuregelun12636
gen angesehen worden. Die Schwerpunkte liegen und lagen vielmehr bei den notwendigen Verbesserungen der Qualifikation. Worum es aber ging, war, die in dem Runderlaß 230 zu einseitig auf die Anpassung des Arbeitslosen an den Arbeitsmarkt ausgerichtete Grundrichtung in eine vernünftig austarierte Abwägung der Einzelinteressen umzugestalten. In den Beratungen ist das, was im Regierungsentwurf zu regeln versucht wurde, aber, wie die Beratungen gezeigt haben, in Einzelfällen nicht deutlich genug war, durch die Koalitionsfraktionen konkretisiert, verdeutlicht und verbessert worden. Ich vermag in gar keiner Weise darin eine Prestigefrage zu sehen, daß ein Regierungsentwurf in den Beratungen durch die Koalitionsparteien besser gemacht wird. Es ist der Sinn parlamentarischer Beratungen, einen Regierungsentwurf zu verbessern.
({23})
- Verehrter Herr Kollege Zink, Sie brauchen das nicht, und Herr Kollege Blüm, ich glaube, Sie können das auch nicht. Aber meine Kollegen zu meiner linken und rechten Seite haben es gekonnt. Mein Respekt, daß sie dazu in der Lage waren.
({24})
- Verehrter Herr Kollege Zink, ein Formelkompromiß ist das, was § 103 enthält, mit Sicherheit nicht, sondern die Grundrichtung der Generalklausel - um Mißverständnissen vorzubeugen - ist bei den einzelnen Fällen noch einmal verdeutlicht worden.
({25})
- Wir werden es erleben, ich sehr viel schneller als Sie. Sie können sich darauf verlassen, daß ich mich sofort darum kümmern werde, wie die Praxis aussieht.
Sehr zu Recht ist festgestellt worden, daß hinsichtlich dieser Fragen überhaupt kein Gesetz alle Einzelheiten aufzählen kann. Darum die Bestimmung, daß die Bundesanstalt für Arbeit diese Einzelheiten nicht durch einen Erlaß des Präsidenten, sondern durch eine Anordnung des Verwaltungsrates, dieses sehr viel größeren Selbstverwaltungsgremiums, zu regeln hat. Das wird die Selbstverwaltung sehr schnell regeln. Das ist einer der vielen Punkte, verehrter Herr Kollege Blüm, wo das Gesetz mehr Selbstverwaltung vorschreibt und wenig Theorie enthält. Vor allen Dingen wird die Selbstverwaltung vor Ort gestärkt.
Herr Kollege Zink, wenn Sie von Mißtrauen gegenüber der Arbeitsverwaltung sprechen: Wir haben bei vielen Gelegenheiten feststellen können, wie gut in den einzelnen Arbeitsämtern gearbeitet wird. Wir haben in den vergangenen Haushalten die Zahl der Berufsberaterstellen und Vermittlerstellen in der Arbeitsverwaltung nicht ohne Grund um 1 600 bzw. 1 200 erhöht, sondern das ist geschehen, um diese Arbeit noch effektiver zu gestalten, damit vor Ort noch intensiver gearbeitet werden kann. Genau deshalb ist auch die Stärkung der Selbstverwaltung vor Ort ein besonders wichtiges Ziel des 5. Arbeitsförderungsgesetzes.
Gestatten Sie mir abschließend einige Bemerkungen zu den mittelfristigen Perspektiven, die Sie, Herr Zink, hier ausgearbeitet haben. Sie haben das, was die Institute geschrieben haben, richtig wiedergegeben. Es ist auch richtig, daß bei dem jetzt erkennbaren Trend etwa 5 % reales Wachstum für die Vollbeschäftigung Mitte der achtziger Jahre notwendig wären. Sie haben aber vergessen, hinzuzufügen, daß allein die Fortsetzung des Trends an Arbeitszeitverkürzungen aus den letzten 20 Jahren die Lücke schließen würde. Ich habe auf Grund der gegenwärtigen Aktivitäten der Gewerkschaften die Gewißheit, daß noch etwas mehr an Arbeitszeitverkürzungen in verschiedenster Form geschehen wird als im Trend der letzten 20 Jahre.
({26})
Wenn Sie beides zusammenziehen, sieht die mittelfristige Perspektive für den Arbeitsmarkt sehr viel freundlicher aus.
Es gehört nicht viel Phantasie dazu zu sagen: Wenn die deutsche Wirtschaft ihre Anstrengungen nicht ganz erheblich erweitert, noch über die anerkennenswerten Anstrengungen in der Vergangenheit bei der Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen hinaus, kann man mit besseren Gründen eine Facharbeiterlücke für 1985 als Schwierigkeit am Arbeitsmarkt voraussagen. Aber ich hoffe, es wird uns - der Arbeitsverwaltung und der gewerblichen Wirtschaft - gemeinsam gelingen, diese Lücke vorbeugend zu schließen.
Vorbeugende Arbeitsmarktpolitik und vorbeugende Ausbildungsbereitschaft - das ist das, was der Arbeitsmarkt heute und morgen braucht. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes gibt hierfür eine gute, geeignete Grundlage. Ich bitte Sie, dieser Grundlage zuzustimmen.
({27})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Das Gesetz ist in dritter Beratung gegen eine Stimme angenommen worden.
Der Ausschuß hat in seiner Beschlußempfehlung unter Ziffer 2 - Buchst. a und b - eine Entschließung vorgelegt und unter Ziffer 3 beantragt, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ich unterstelle, daß ich über beide Ziffern geschlossen abstimmen lassen kann. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel
- Drucksache 8/856 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0})
- Drucksache 8/2824 -Berichterstatter: Abgeordneter Pohlmann ({1})
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Müller ({2}), Dr. Blüm, Zink, Dr. Bekker ({3}), Pohlmann, Frau Dr. Neumeister, Franke, Vogt ({4}), Burger, Stutzer, Hasinger, Kroll-Schlüter, Braun und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte
- Drucksache 8/2387 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({5})
- Drucksache 8/2824 Berichterstatter: Abgeordneter Pohlmann ({6})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt eine verbundene Debatte bis zu einer Stunde vor.
Ich frage zunächst, ob der Berichterstatter eine Ergänzung des Berichts zu geben wünscht.
({7})
- Herr Kollege, dann machen Sie aber bitte einen deutlichen Schnitt, damit es darüber nachher im Hause keinen Streit gibt. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 8/2824 enthält den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und zu dem von der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diesem Bericht noch einige wenige Bemerkungen für alle diejenigen anfügen, die sich mit der Materie nicht ausreichend vertraut gemacht haben oder, aus welchen Gründen auch immer, nicht vertraut machen konnten. Ziel dieser Gesetzentwürfe ist es, den Schutz unserer Mitbürger vor den Gefahren der modernen Technik zu verbessern. Wir wissen aus den Unfallverhütungsberichten, daß auf diesem Sektor eine Menge geleistet wird. Wir wissen auch, daß das Verständnis für den Sicherheitsgedanken in den
letzten Jahren immer ausgeprägter geworden ist. Ich glaube, daß wir heute feststellen können, daß sich das vor gut zehn Jahren verabschiedete Gesetz über technische Arbeitsmittel durchaus bewährt hat. Zweifellos hat es dazu beigetragen, daß die Unfallgefahren, soweit sie auf technischen Mängeln beruhen, eingedämmt worden sind. Ich sage ganz bewußt „eingedämmt worden sind", denn selbstverständlich hat das Gesetz nicht alle technisch bedingten Unfälle ausschließen können. Die Möglichkeit z. B. des menschlichen Versagens ist immer gegeben und läßt sich auch durch das perfektionierteste Gesetz nicht' ausschalten.
Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat die Initiative des Bundesrates, das Gesetz über technische Arbeitsmittel zu ändern, zum Anlaß genommen, in einer Sachverständigenanhörung zu erforschen, welche Lücken noch bestehen und in welcher Form Verbesserungen im Sinne des Schutzes des Verbrauchers eingeführt werden können.
Der Ausschuß hat sich zunächst einmal einstimmig dafür ausgesprochen, den Gesetzestitel zu ändern. Ich sagte schon, daß das Gesetz „Gesetz über technische Arbeitsmittel" heißt. Landläufig wurde es, als . „Maschinenschutzgesetz" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist einfach irreführend, denn das Gesetz über technische Arbeitsmittel betrifft keineswegs nur den Maschinenschutz, sondern hat ebenso große Bedeutung für den Schutz aller Geräte, die der private Verbraucher benutzt, z. B. der Haushalts- und der Sportgeräte sowie der Spielwaren. Wir meinen, daß die Bezeichnung ,,Gerätesicherheitsgesetz" in Verbindung mit dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingeführten Sicherheitszeichen „GS" - das heißt „geprüfte Sicherheit" - den Kern trifft und vom Verbraucher letztlich auch nicht mißverstanden werden kann.
Lassen Sie mich an diesem Punkte darauf hinweisen - ich glaube, dem Herrn Präsidenten liegt die entsprechende Mitteilung vor -, daß sich in die Drucksache 8/2824 der Druckfehlerteufel eingeschlichen hat. Die in Art. 1 unter 01 in Klammern aufgeführte Kurzbezeichnung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel - Sie finden sie auf Seite 4 der Drucksache in der rechten Spalte - muß richtig „Gerätesicherheitsgesetz" und nicht „Gerätesicherungsgesetz" heißen.
Ich stelle ausdrücklich fest, daß wir das zur Beschlußgrundlage machen; dann brauche ich es nachher nicht zu wiederholen.
Ich bedanke mich, Herr Präsident.
Das Sicherheitszeichen selbst, das ich eben schon erwähnte, darf in Zukunft vom Hersteller oder Einführer eines technischen Arbeitsmittels benutzt werden, wenn das Erzeugnis von einer bestimmten Prüfstelle einer Bauartprüfung unterzogen worden ist und den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht. Selbstverständlich besteht weder eine Prüfpflicht noch eine Prüfzeichnungspflicht. Auch bleiben an12638
dere Zeichen wie z. B. das VDE-Zeichen unberührt. Der Ausschuß ist aber der Ansicht, daß sich das Sicherheitszeichen zunehmend als werbewirksames Mittel für sichere Produkte bewährt hat; von der gestzlichen Verankerung erhofft er sich eine weitere Förderung.
Auch ist der Schutz der Verbraucher und der Hersteller, insbesondere derjenigen Hersteller, die ihre Produkte einer strengen Bauartprüfung haben unterziehen lassen, insofern verbessert worden, als in Zukunft eine mißbräuchliche Verwendung als Ordnungswidrigkeit behandelt wird und damit den Bußgeldvorschriften unterliegt.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß begrüßt ferner, daß der Bundesrat den sogenannten Messefall aufgegriffen hat. Auch wir sind der Ansicht, daß eine ungleiche Behandlung von Herstellern, Importeuren und Händlern nicht gerechtfertigt ist. Die bisherigen Bestimmungen ermöglichten es, nur gegen Hersteller und Importeure vorzugehen und ihnen die Ausstellung mangelhafter Erzeugnisse zu untersagen. Der ausstellende Händler, dagegen war nicht zu fassen. In Zukunft soll es möglich sein, auch ihm die Ausstellung nicht einwandfreier Geräte zu untersagen.
Die generelle Einbeziehung des Handels sowie von Teilen technischer Arbeitsmittel in den Geltungsbereich des neuen Gerätesicherheitsgesetzes lehnte der Ausschuß übereinstimmend ab. Wir meinen, daß ein solches Vorhaben eine Überforderung insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen bedeuten würde. Sowohl von der Vielfalt des Sortiments - im Regelfall handelt es sich hier um einige tausend Artikel -, aber auch von der immer komplizierter werdenden Technik der Geräte her sind diese Betriebe in der Regel nicht in der Lage, laufend die sicherheitstechnische Beschaffenheit aller technischen Arbeitsmittel ihres Vertriebsprogramms zu überprüfen.
Es fehlen meistens Spezialkenntnisse, es fehlt aber auch die technische Ausstattung. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Prüfung weiterhin an der Quelle, d. h. bei den Herstellern und den Importeuren vornehmen zu lassen.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Ausschusses wurde dadurch erleichtert, daß sich Industrie und Handel im Interesse eines verbesserten Verbraucherschutzes an einen Tisch setzten und im April 1978 eine gemeinsame Erklärung unterzeichneten, die die Fragen des zivilrechtlichen Rückabwicklungsverhältnisses zwischen Händler und Hersteller zufriedenstellend regeln und damit auch gewährleisten soll, daß Arbeitsmittel, die behördlich beanstandet worden sind, nicht an den Verbraucher gelangen. Der Ausschuß geht davon aus, daß das funktioniert. Er hat die Prüfungspflicht wunschgemäß in die Selbstverantwortung der Wirtschaft gegeben. Ich glaube, damit haben wir ein gutes Beispiel dafür gegeben, daß man nicht alles gesetzlich regeln soll, wenn auch die Möglichkeit zu privatrechtlichen Vereinbarungen gegeben ist.
({0})
Ein besonders wichtiger Komplex ist die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte. Hier bestand effektiv eine Gesetzeslücke. Insbesondere ausländische Geräte haben sich häufig als außerordentlich mangelhaft erwiesen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb einen Gesetzentwurf für diese Spezialmaterie eingebracht. Dieser Entwurf sollte sicherstellen, daß die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der medizinisch-technischen Geräte und Anlagen erhöht wird und daß ein wirkungsvollerer Schutz für die Patienten, für die Ärzte und für das bedienende Personal garantiert wird. In der Zielsetzung bestand Einigkeit mit der Koalition, die diesen Komplex aber im Gesetz über technische Arbeitsmittel unterbringen wollte. Es konnte letztlich eine interfraktionelle Einigung in der Form erzielt werden, daß diese Materie in einem besonderen Abschnitt des neuen Gerätesicherheitsgesetzes geregelt wird. Die Einzèlheiten der Festlegung sicherheitstechnischer Anforderungen, der Prüf- und Nachweispflichten sowie der Beratung und der Unterweisungspflichten werden in Zukunft in einer Verordnung zu regeln sein, für die Sie die Ermächtigung in dem genannten Gesetz finden.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident, so weit die Berichterstattung. Ich weiß, daß ein SPD- und ein FDP-Kollege noch nach mir sprechen werden. Lassen Sie mich deshalb zu dem Gesetz über die Prüfungspflicht für medizinisch-technische Geräte noch eine Erklärung für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgeben.
Ich sagte schon, daß wir uns letztlich geeinigt haben. Das geschah insbesondere, um nicht noch mehr Zeit ins Land gehen zu lassen und um einen schnelleren Schutz der Bürger vor den Unfallgefahren zu erreichen, die ja erheblich sind und die der Kollege Müller ({1}) in der ersten Lesung, wie ich glaube, sehr eindringlich an Hand von Prüfungsberichten der Zentralstelle für Sicherheitstechnik in Düsseldorf nachgewiesen hat.
Immerhin ist die Bundesregierung ja schon am 8. Januar 1978 aufgefordert worden, in dieser Sache etwas zu tun. Als dort, wie so häufig, Sendepause zu verzeichnen war, haben wir unseren Gesetzentwurf eingebracht, der sicherstellen sollte, daß ein neues Gerätemodell ohne Bauartprüfung nicht auf den Markt kommen darf. Auch laufende Kontrollen und sachgemäße Wartung bei den Betreibern, den öffentlich-rechtlichen wie privaten Krankenhäusern und den Arztpraxen, haben wir als zwingende Voraussetzung für die Sicherheit vorgesehen.
Herr Hölscher hat sich heute bei der Opposition bedankt. Ich möchte mich auch meinerseits bei der FDP bedanken, daß sie uns ausdrücklich in unserem Vorhaben unterstützte. Herr Kollege Schmidt ({2}) hat sich in der ersten Lesung für unser Vorhaben eingesetzt. Er hat bemerkenswerterweise auch gesagt, daß er den Bereich der medizinisch-technischen Geräte für so speziell hält, daß es ihm besser erschiene, hierfür eigene Regelungen zu treffen. Die FDP war also mit uns auf einem guten Weg, gemeinsam ein Spezialgesetz einzubringen. Leider war das Durchhalte- und Durchstehvermögen zum Schluß nicht mehr so ausgeprägt.
Ich möchte hier für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion festhalten, daß wir ein Spezialgesetz für richtiger gehalten hätten. In der Richtigkeit dieser Auffassung sind wir nebenbei auch von einer Reihe von SachPohlmann
verständigen bestätigt worden. Die Koalition wählte in der Form einen anderen Weg. Wir bedauern das. Uns kam es aber im wesentlichen auf den Inhalt an, und wir freuen uns, daß die Koalition inhaltlich unserer Initiative letztlich gefolgt ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir hoffen, daß wir mit diesem neuen Gerätesicherheitsgesetz einen weiteren wichtigen Meilenstein in Richtung Sicherheit gesetzt haben. Als Berichterstatter bitte ich das Hohe Haus, der Beschlußempfehlung des Ausschusses zu folgen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mitunter tun wir uns alle schwer, das, was wir meinen, auch in die richtige Gesetzessprache umzusetzen, wie schon vom Berichterstatter gesagt wurde: Wer würde dem Gesetz über technische Arbeitsmittel - bisher in der Kurzform auch „Maschinenschutzgesetz" genannt - anmerken, daß es sich um ein Gesetz handelt, mit dem die Sicherheit unserer Haushaltsgeräte ebenso wie die der Skistöcke oder Kinderbettchen, der Fernsehleuchten oder der Gartengeräte gemeint ist? Wer würde wohl den Lockenwickler einer Dame für ein technisches Arbeitsmittel halten? Wer würde wohl von Maschinenschutz reden, wenn es um die Sicherheit einer Haushaltsleiter geht? Die neue Kurzbezeichnung „Gerätesicherheitsgesetz" kommt dem Zweck des Gesetzes schon näher, verdeutlicht schon eher, daß es uns um die Verbesserung der Sicherheit der Dinge geht, mit denen wir es im täglichen Leben zu tun haben. Dieses Gesetz ist nämlich ein wichtiger Bestandteil des Verbraucherschutzes. Es soll die Gefahren bannen helfen, die im täglichen Leben aus der sicherheitsgefährdenden Konstruktion unserer Konsumgüter erwachsen, und es soll dem Verbraucher eine Hilfe bieten, ein sorgfältig sicherheitsgeprüftes Gerät von einem anderen, das diese Prüfung nicht durchlaufen hat, zu unterscheiden.
Das Gesetz, über das wir heute beschließen, ändert das aus dem Jahre 1968 stammende Gesetz über technische Arbeitsmittel zum erstenmal. Es führt erstmals zu umfassenden Regelungen betreffend die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte, auf einem Sektor also, der bisher - in diesem Falle kann ich dem Berichterstatter nur zustimmen - noch schutzbedürftig war, noch aus den gesetzlichen Bestimmungen ausgeklammert war.
Kollege Pohlmann hat vorhin ausgeführt, daß CDU und CSU ursprünglich an ein eigenes Gesetz dachten, mit dem die Prüfpflicht medizinisch-technischer Geräte geregelt werden soll. Auch unsere Kollegen von der FDP haben eine Zeitlang mit dieser Idee gespielt. Das aber hätte mitnichten zu einer Gesetzesvereinfachung geführt. Ich freue mich, daß sich die Union unseren besseren Einsichten anschließen wird.
Ich freue mich auch, daß es uns gelungen ist, die Opposition davon zu überzeugen, daß im bisherigen Gesetzesbereich weitere Verbesserungen notwendig sind. Für den Bundesratsentwurf war nämlich ursprünglich von der Opposition ein anderes Schicksal
ausersehen worden: Man wollte ihn schlicht vergessen und durch Nichterledigung einen sanften Tod sterben lassen. Wir und die Kollegen von der FDP-Fraktion dachten da anders. Wir haben uns die Bundesratsvorlage vorgenommen, haben das, was uns nicht praktikabel und nicht konsensfähig erschien, herausgestrichen und die Dinge hineingeschrieben, die uns regelungsfähig dünkten. Wir haben uns Monate mit dieser Vorlage beschäftigt. Es erfüllt uns mit Genugtuung, daß sich schließlich auch die Opposition unseren Überlegungen genähert hat. Es wäre auch zu merkwürdig und unserem parlamentarischen Auftrag nicht angemessen, wenn ein verbesserter Verbraucherschutz im Streite der Parteien und der Interessenten auf der Strecke bliebe.
Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal die ursprüngliche Vorlage des Bundesrates. Sie werden feststellen, daß wir sie gründlich umgearbeitet haben. Im Klartext: Es ist kaum noch etwas davon übriggeblieben. Die generelle Einbeziehung des Handels in das Gerätesicherheitsgesetz - das will ich offen sagen, sie war vom Bundesrat beabsichtigt - erwies sich als nicht mehrheitsfähig. Selbst die bayerische Staatsregierung, die einst mit diesem Gedanken spielte, den sie in Form der Bundesratsinitiative eingebracht hatte, vergaß ihn unter ihrem neuen Ministerpräsidenten schlagartig : Interesse gleich Null.
Immerhin - das machen wir jetzt - wird der Handel mit unserer Gesetzesvorlage, wie wir sie gemeinsam beschließen werden, künftig in zwei Punkten gefordert sein. Zum einen wird man ein gefährliches Gerät, das die Prüfung auf Messen nie passieren würde, wenn es vom Hersteller oder Importeur ausgestellt würde, jetzt auch dann aus dem Verkehr ziehen können, wenn man es über den Handel auf Messen einschleusen wollte. Eine solche Regelung sind wir unseren Herstellern, unseren korrekten Importeuren, aber auch und vor allen Dingen unseren Verbrauchern schuldig.
Zum anderen klaffte nach wie vor angesichts der Tatsache eine Sicherheitslücke, daß man zwar den Vertrieb sicherheitsgefährdender Geräte beim Hersteller oder Importeur unterbinden konnte, aber machtlos war, wenn der Artikel sich bereits beim Handel befand und der Händler nicht von sich aus bereit war, das mit einer Untersagungsverfügung belegte Gerät an den Hersteller bzw. Importeur zurückzugeben. Das wird jetzt geändert. Jetzt wird man uneinsichtige Händler in die Verantwortung nehmen können und somit ein doch sehr bedenkliches Sicherheitsrisiko für den Verbraucher ausschalten.
Es wäre reizvoll, nachzuzeichnen, wie schwierig es war, in diesem Punkt einen Fortschritt zu erzielen. Der Verbraucher würde sicher darüber nur den Kopf schütteln. Immerhin ist es gelungen. Es erfüllt die Mitglieder meiner Fraktion mit Genugtuung, daß unsere Beharrlichkeit sich letztlich doch ausgezahlt hat.
Nicht verwirklichen ließ sich die Bundesratsvorstellung, auch die Einzelteile von Geräten den Bedingungen des Gerätesicherheitsgesetzes zu unterwerfen. Ein Verzicht darauf allerdings ist uns deswegen leichter gefallen, weil es doch eines erheblichen Prüf- und Verwaltungsaufwandes bedurft
hätte, um zu erreichen, daß eine solche Forderung nicht nur auf dem Gesetzespapier steht, sondern praktische Konsequenzen hat.
Bei der Einbeziehung der medizinisch-technischen Geräte in den Schutzbereich des Gesetzes waren die Widerstände nicht so gravierend. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung bezweifelte angesichts bekanntgewordener tragischer Unfälle mit medizinisch-technischen Geräten keine Fraktion. Wir ziehen nur den Schluß daraus, daß wir künftig bei erkennbaren Gefahren Gesetzeslücken schneller müßten schließen können. Es darf nicht erst die ersten Toten geben, bis gehandelt werden kann. Es darf nicht erst eine so quälend lange Frist verstreichen, bis dieses Parlament sich auf eine Regelung zu verständigen vermag.
({0})
- Nein, Herr Pohlmann. Wenn Sie der Bundesregierung Untätigkeit vorwerfen, dann wissen Sie, daß dieser Vorwurf nicht stimmt.
({1})
Wir haben über Monate mit der Regierung nach einem vernünftigen konsensfähigen Gesetzestext gerungen. Aber es war nicht so einfach, einen konsensfähigen Gesetzestext zu finden. Das ist die Krux. Die Monate dazwischen mit dem langen und zähen Ringen, die Monate, in denen die Sicherheit, die notwendig ist, nicht geschaffen werden kann, sind schmerzlich. Da müssen wir alle gemeinsam noch ein bißchen schneller arbeiten. Dieses Parlament würde nicht korrekt handeln, wenn es dann sagte: Du, Regierung, arbeite schneller, als das Parlament bereit ist, den Vorstellungen und Gesetzesüberlegungen zu folgen.
Jetzt ist in dem Gesetz, abgestuft nach den Gefährdungsgraden, eine flexible Lösung gefunden worden, die zu mehr Sicherheit in den Arztpraxen und Krankenhäusern führen wird. Seien wir gemeinsam froh darüber.
Schließlich - hier sollten wir alle gemeinsam dem Sicherheitsbemühen des Bundesarbeitsministeriums ein dickes Lob zollen - ziehen wir auf gesetzlichem Wege den Schluß aus der Tatsache, daß nach etwa einem halben Jahrzehnt die verbesserte Sicherheit von Geräten endlich beim Konsumenten auch als Verkaufsargument anschlägt. Das Sicherheitszeichen „GS" wird jetzt von uns besonders gegen unbefugtes Anbringen und gegen Nachahmung geschützt. „Geprüfte Sicherheit" ist zu einem Qualitätsmerkmal geworden. Das spricht für die Qualität der Institute, die dieses Zeichen verleihen dürfen. Das spricht für das Sicherheitsbewußtsein der Hersteller, Importeure und des Handels, die auf diese Güteklassifizierung Wert legen. Das spricht für den Verbraucher, der sich an diesem Zeichen mehr und mehr orientiert.
Das zwingt uns dazu, diesen erreichten Standard auszubauen, zu festigen und vor Mißbrauch zu schützen.
Der Fortschritt, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt mitunter auf leisen Solen daher, undramatisch, routinemäßig, wie es scheint. Er
kann sich nicht vor den Fernsehkameras aufplustern, und die großen Leitartikler werden ihn nicht zur Kenntnis nehmen. Es ist ja „nur" ein Mehr an Sicherheit, was wir heute beschließen. Es schützt „nur" Hunderttausende vor abwendbaren Gefahren. Es werden ja „nur" einige schreckliche Tragödien verhindert werden können.
Trotzdem, so glaube ich, ruht auf solcher Alltagsarbeit des Parlaments mehr Segen - auch die Effizienz ist größer - als auf so mancher Debatte, in der so mancher Wortheld der Nation die Worte bewegt und nicht die Dinge.
({2})
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Lust für einen Liberalen, zu dieser Frage sprechen zu können. Es ist deswegen eine Lust, weil wir in diesem Fall nur Blumen und Dank zu verteilen haben - zunächst einmal an die hier heute nicht mehr vertretene CSU aus Bayern, die eine ausgezeichnete Vorlage eingebracht hat. Das war eine Vorlage, die es uns ermöglicht hat, genau das zu tun, was die CSU landauf, landab verlangt; weniger Verwaltungsvorschriften, weniger Bürokratie, weniger Stempel. Kurz: Wir haben den Gesetzesvorschlag, der uns aus dem Bundesrat von der CSU aus Bayern präsentiert worden ist, genauso behandelt, wie sie, die CSU, es unter anderem in ihren Fernsehwahlspots verlangt, nach genau den gleichen Maßstäben, die uns dort vorgeführt werden. Wir können, so hoffe ich, des Lobes und Dankes gewiß sein, daß wir uns so verhalten haben, wie es dort gefordert wird. Am Rande sei vermerkt, daß wir nicht böse wären, wenn wir deswegen auch ein wenig gelobt würden.
Ernsthaft möchte ich auch den Dank an den Koalitionspartner zum Ausdruck bringen. Nach fairen und offenen Diskussionen haben wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorlegen können, in dem das Notwendige geregelt und auf das Überflüssige, insbesondere überflüssige Verwaltungsarbeit, verzichtet wird. Wir glauben, daß es richtig ist, die Dinge so zu behandeln.
Ich bitte, sich einmal vorzustellen, was passiert wäre, wenn die Bundesregierung einen solchen Gesetzesvorschlag, wie er aus Bayern kam, eingebracht hätte. Ich bin sicher, es hätte überall geheißen: „Kalte Sozialisierung", „Erdrosselung des Mittelstandes", „Ausuferung der staatlichen Bürokratie" - und was es da noch mehr an schönen Sprüchen gibt.
({0})
- Ja.
Wir haben uns bemüht, keine rhetorischen Kraftakte zu veranstalten, sondern wir haben ganz schlicht und einfach Industrie und Handel nahegelegt, doch einmal zu überlegen, ob man nicht eine vernünftige Absprache treffen könne, die es ersparen würde, 300 000 Einzelhändler permanent zu kontrollieren, staatlicher Überwachung zu unterCronenberg
stellen. Diese Gespräche - und das war für uns gar nicht erstaunlich - führten bei Industrie und Handel zu einer freiwillig getroffenen Absprache, die sicherheitsbedenklichen Arbeitsmittel so zu behandeln, wie sie behandelt werden müssen, also zu vermeiden, daß solche sicherheitsbedenklichen Arbeitsmittel an den Verbraucher gelangen. Dieses liberale Konzept ist auch ein wirksamer Beitrag, so meinen wir, ein konkreter Beitrag gegen zunehmende Staatsmacht, gegen zunehmende Bürokratie.
({1})
- Dem möchte ich nicht widersprechen. Aber es ist vielleicht beispielhaft für gutes Verhalten.
Die Novelle wurde deshalb bei den Ausschußberatungen grundlegend umgestaltet. Sie beschränkt sich in der Ihnen heute vorliegenden Form darauf, die Vereinbarungen zwischen Industrie und Handel zum notwendigen Schutz des Endverbrauchers in zwei Punkten zu ergänzen.
Erstens. Die Vereinbarung kann dann nicht greifen, wenn ein Einzelhändler sich bewußt über diese Vereinbarung hinwegsetzt. In diesem Falle - positiv, wie wir Liberalen nun einmal eingestellt sind, gehen wir davon aus, daß es sich um ganz wenige Ausnahmefälle handelt - kann die Gewerbeaufsicht dem Einzelhändler den Verkauf des mangelhaften Arbeitsmittels untersagen. Dies ist nach unserer Auffassung auch notwendig.
Zweitens. Die Vereinbarung kann auch dann nicht zum Zuge kommen, wenn ein Händler auf einer Messe mangelhafte Arbeitsmittel ausstellt und der Hersteller oder Importeur dieses Arbeitsmittels nicht festgestellt werden kann. Auch in diesem Falle kann die Gewerbeaufsicht künftig gegen den Aussteller vorgehen. Ein solcher Aussteller muß sich so behandeln lassen, als ob er selbst Hersteller oder Importeur wäre.
Mit dieser liberalen Lösung erreichen wir außerdem einen wirksamen, Verbraucherschutz, und zwar wirksamer, meinen wir, als das Bürokratiemodell der CSU aus südlichen Gefilden unseres Vaterlandes.
Ferner wollen wir die Sicherheit technischer Geräte durch besondere Prüf-, Nachweis-, Wartungs-
und Unterweisungspflichten verbessern, und zwar im Interesse der Patienten und auch des Bedienungspersonals. Über die Notwendigkeit solcher ergänzenden Regelungen bestand nach der in der Praxis gewonnenen Erfahrung von Anfang an Übereinstimmung bei allen Fraktionen. Die zuständigen Bundesministerien werden ermächtigt, die Einzelheiten durch Verordnung zu regeln, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Die FDP legt ganz besonderen Wert darauf und bittet dafür um Unterstützung im ganzen Hause, daß die vorgesehenen Prüfungen soweit wie nur eben möglich auch durch private Unternehmen, und zwar mehrere private Unternehmen, durchgeführt werden können.
Nun möchte ich noch ein Mißverständnis aufklären. Herr Kollege Pohlmann, Sie haben gesagt, Hansheinrich Schmidt habe hier von dieser Stelle
bei der ersten Lesung eine Sonderregelung für medizinisch-technische Geräte verlangt.
({2})
Dikes ist korrekt und richtig. Hansheinrich Schmidt hat aber nicht verlangt, daß wir ein Sondergesetz machen, sondern wollte eine Sonderregelung. Und genau diese Sonderregelung haben wir nun auch in diesem Gesetz getroffen.
({3})
Insofern, lieber Kollege Pohlmann, ist die Kritik an dem Kollegen Schmidt ({4}) und der FDP in diesem Punkt nicht ganz gerechtfertigt.
Erfreulicherweise konnten wir auch eine vernünftige Regelung in der Frage des Prüfzeichens finden. Das neue Prüfzeichen wird hoffentlich im Interesse unserer produzierenden Industrie weltweit einen hohen Werbewert für deutsche Qualität und Sicherheit erlangen.
Am Rande sei vermerkt - das zu sagen mag mir als mittelständischem Unternehmer erlaubt sein -, daß es noch einen erfreulichen Nebeneffekt gibt: Mögliche Wettbewerbsvorteile durch firmeneigene Prüfstellen - die großen Importeure haben sinnvollerweise solche eigenen Prüfstellen - werden durch dieses gemeinsame Sicherheitszeichen natürlich ein wenig abgebaut. Dies schien uns vernünftig und richtig zu sein.
Quintessenz des ganzen Unternehmens: Es wurde uns ein bayerischer Gesetzentwurf vorgelegt, der ein vorhandenes Problem lösen sollte. Wir vermerken dankbar, daß sich Bayern um diese Sache so bemüht hat. Der Lösungsvorschlag war aber bestenfalls ein Beitrag zu mehr Verwaltung, zu mehr Bürokratie. Deswegen haben wir gemeinsam ein praktikables, vernünftiges Gesetz daraus gemacht. Das wiederum sollten Sie dankbar anerkennen.
({5})
So haben wir ein hoffentlich nicht so seltenes Beispiel, daß Bundesrat - in diesem Fall der Freistaat Bayern -, die Opposition und die Koalitionsfraktionen gemeinsam zu einem vernünftigen, unbürokratischen Gesetz gekommen sind. Wir stimmen diesem Gesetz daher verständlicherweise gern zu. Mein Appell gilt nunmehr dem Bundesrat, er möge sich dieser besseren, liberalen Lösung nicht verschließen. Denn anderenfalls müßte der Kandidat aus Bayern, der Kandidat für die Kanzlerkandidatur, Franz Josef Strauß, zum Schluß noch unter dem Motto antreten: Mehr Bürokratie wagen! Und das möchten wir ihm allen Ernstes nicht zumuten.
({6})
Meine
Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen
nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir
kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung.
Ich rufe Art. 1, 1 a, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Wortmeldungen zur
dritten Beratung
liegen nicht vor. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmige Beschlußfassung.
Meine Damen und Herren, es liegt noch der Gesetzentwurf des Abgeordneten Müller ({0}) und Genossen der Fraktion der CDU/CSU vor. Wir stehen vor der Frage, ob wir ihn noch in zweiter Beratung behandeln oder ob wir ihn im Sinne des Ausschußvorschlages durch den soeben gefaßten Beschluß als erledigt betrachten.
({1})
- Dann können wir - Ziffer 1 der Beschlußempfehlung ist bereits erledigt - über die Ziffern 2 und 3 der Beschlußempfehlung, nämlich den Gesetzentwurf des Abgeordneten Müller ({2}) und Genossen der CDU/CSU-Fraktion sowie die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären, gemeinsam abstimmen. Wer den Ziffern 2 und 3 der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nun die Zusatzpunkte 1 und 2 auf:
1. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Mai 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Irak über den Luftverkehr
- Drucksache 8/2882 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über den Fluglinienverkehr
- Drucksache 8/2878 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Das Wort zur Begründung und zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlagen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. - Ich gehe davon aus, daß das Haus den Vorschlag des Ältestenrates billigt.
Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5})
Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent
für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten
- Drucksachen 8/2609, 8/ 2857 -Berichterstatter: Abgeordneter Dreyer
Ich darf dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht danken; er hat auf eine Ergänzung verzichtet. Auch anderweitig wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf der Drucksache 8/2857.
Wer der Beschlußempfehlung, die Bundesregierung zu ersuchen, den in Drucksache 8/2609 enthaltenen Verordnungsvorschlag abzulehnen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({6}) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Bundeseigene Liegenschaften in Wiesbaden, Schloßplatz 3/Mühlgasse 4-6 ({7}) ;
Einwilligung zur Veräußerung gem. § 64 Abs. 2 BHO
- Drucksachen 8/2607, 8/2879 - Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Ich danke dem Herrn Berichterstatter; auf eine mündliche Ergänzung wird verzichtet. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung auf der Drucksache 8/2879.
Wer für die Beschlußempfehlung des Ausschusses, dem Antrag des Bundesministers der Finanzen zuzustimmen, ist, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 5 auf:
Beratung der Ubersicht 10 des Rechtsausschusses ({8}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
' - Drucksache 8/2892 Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/2892, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den aufgeführten Streitsachen abzusehen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest wünschen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Juni 1979, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.