Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/18/1979

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Ich darf zunächst einige amtliche Mitteilungen verlesen. Erstens. Die Richtlinien für die Fragestunde sehen bekanntlich vor, in jeder Sitzungswoche zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchzuführen. In Abweichung von dieser Regelung wird auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung vorgeschlagen, in der nächsten Sitzungswoche eine Fragestunde von 120 Minuten und eine weitere Fragestunde von 60 Minuten Dauer durchzuführen. Die erste Fragestunde soll am Mittwoch von 13 bis 15 Uhr, die zweite soll am Freitag von 8 bis 9 Uhr stattfinden. Die vorgeschlagene Abweichung von den Richtlinien bedarf nach § 127 unserer Geschäftsordnung der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der 'anwesenden Mitglieder des Bundestages. Wer mit der Abweichung einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle fest, daß die Abweichung mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden ist. Zweitens. Ihnen liegt eine Liste von Vorlagen - Stand: 15. Mai 1979 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen: Bericht der Bundesregierung über die Durchführung des tourismuspolitischen Programms von 1975 ({0}) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Haushaltsausschuß Sozialbericht 1978 ({2}) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({3}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß die Überweisungen erfolgt sind. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben von 14. Mai 1979 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Picard, Frau Dr. Walz, Dr. Warnke, Dr. Unland, Dr. Schulte ({4}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Situation auf dem Häute- und Ledermarkt - Drucksache 8/2783 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2863 verteilt. Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 9. bis 15. Mai 1979 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2880 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen. Die in Drucksache 8/2583 unter Nummer 14 aufgeführte EG-Vorlage Mitteilung der Kommission an den Rat über die Einbeziehung des Europäischen Entwicklungsfonds in den Haushaltsplan wird als Drucksache 8/2876 verteilt. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Zweiundvierzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ({5}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 29. Juni 1979 vorzulegen. Nunmehr rufe ich Punkt 1 unserer Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 8/2839 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Bei den Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Wimmer ({6}), 64 und 65 des Abgeordneten Milz sowie 94 und 95 des Abgeordneten Dr. Friedmann haben die Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden demgemäß als Anlagen abgedruckt. Damit .ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung abgehandelt. Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundenskanzleramts. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Staatsminister Wischnewski anwesend. Ich rufe Frage 96 des Abgeordneten Dr. Becher ({7}) auf: Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß das Magazin „Der Spiegel" über jede Sitzung der Bundesregierung direkt und indirekt und gegebenenfals unter Vorlage des Protokolls unterrichtet wird, und, wenn ja, was gedenkt sie dagegen zu tun? Zur Beantwortung der Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Becher zusammen beantworten dürfte.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Ist der Fragesteller damit einverstanden? ({0}) - Dann rufe ich zusätzlich Frage 97 des Abgeordneten Dr. Becher ({1}) auf: Was gedenkt der Bundeskanzler gegebenenfalls zu tun, um die Beratungen des Kabinetts mit dem gebotenen Maß an Vertraulichkeit durchzuführen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Becher, die Bundesrepierung hat keinerlei Anhaltspunkte für Vorgänge im Sinne Ihrer Frage. Dem Magazin „Der Spiegel" steht insbesondere das Kabinettsprotokoll nicht zur Verfügung. Der Bundeskanzler erwartet, daß die Teilnehmer an Kabinettssitzungen das gebotene Maß an Vertraulichkeit wahren. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß Kabinettsmitglieder, insbesondere der Regierungssprecher, die Öffentlichkeit über Beratungsergebnisse der Kabinettssitzungen unterrichten. Da jedoch, wie eingangs gesagt, keine Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende, d. h. die notwendige Vertraulichkeit nicht wahrende Berichterstattung aus dem Kabinett bestehen, bedarf es auch keiner entsprechenden zusätzlichen Anordnungen oder Maßnahmen des Bundeskanzlers.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich davon ausgehen, daß der „Spiegel" bezüglich der Manila-Sitzung des Bundeskabinetts, bei der es nach seinen Angaben wie beim Stammtisch in Hamburg-Barmbek zuging, über Informationen verfügte, die von Teilnehmern dieser Sitzung stammten?

Not found (Gast)

Insbesondere was diese Kabinettssitzung betrifft, hat zu dem Bericht des Magazins „Der Spiegel" der Sprecher der Bundesregierung in einem Leserbrief Stellung genommen, und er hat dabei auf eine Reihe von Punkten hingewiesen, die den Tatsachen nicht entsprechen. Ich lese diese Berichte im „Spiegel" auch immer mit großem Interesse; ich kann nicht bestreiten, daß sie spannend geschrieben sind. Aber für jemanden, der die Möglichkeit hat, an all diesen Kabinettssitzungen teilzunehmen, stellt sich sehr oft heraus, daß den inneren Zusammenhängen bei weitem nicht in dem notwendigen Maße Rechnung getragen wird.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, muß die Tatsache, daß Bundespressechef Bölling in der von Ihnen zitierten Ausgabe Nr. 19 des „Spiegels" über konkrete Aussagen von Kabinettsmitgliedern diskutiert, die dann vom „Spiegel" mit konkreten Gegendarstellungen derselben Kabinettsmitglieder richtiggestellt werden, in der Öffentlichkeit nicht den bedauerlichen Eindruck erwecken, daß wir von einem Kabinett regiert werden, in dem gegeneinander und nicht miteinander regiert wird?

Not found (Gast)

Ich glaube, es ist für ein Kabinett eine Selbstverständlichkeit, daß in Sachfragen in erheblichem Maße um eine gemeinsame Meinung gerungen wird. Das ist sicher auch an diesem Tage der Fall gewesen. Ich halte das für einen völlig normalen Vorgang. Sie wissen, daß im übrigen zum Schluß dieser Kabinettsitzung die Bundesregierung selbstverständlich zu einer einheitlichen Haltung in der betreffenden Frage gekommen ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft es zu, daß Kabinettsvorlagen vor der besagten Manila-Sitzung des Kabinetts von einem der teilnehmenden Minister an die Öffentlichkeit manipuliert wurden, wie es „Der Spiegel" schreibt, und daß sich der Herr Bundeskanzler über diese Indiskretion besonders ärgerte, wie „Der Spiegel" schreibt, und erklärte, man dürfe Kabinettsvorlagen, deren Auflage über 100 Stück hinausgehe, nicht mit Angaben über konkrete Prozentsätze von Etatsteigerungen und dergleichen belasten?

Not found (Gast)

Es entspricht den Tatsachen, daß Kabinettsvorlagen in der sehr hohen Auflage von über 100 Exemplaren vor den Kabinettsitzungen an die Ressorts, aber auch an andere Institutionen des Bundes gegeben werden. Aber es liegen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, daß ein Mitglied der Bundesregierung eine der Kabinettsvorlagen in ungerechtfertigter Weise weitergegeben hätte.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Ihre erste Antwort so verstehen, daß es über Kabinettsitzungen überhaupt keine Geheimhaltungsbestimmungen gibt, und wäre es zuviel verlangt, wenn man von den ehrenwerten Teilnehmern an diesen Sitzungen zumindest das gleiche Maß von Vertraulichkeit wie von den Abgeordneten dieses Hohen Hauses verlangte, wenn in unseren Ausschußsitzungen das Leuchtzeichen „vertraulich" oder „geheim" aufleuchtet?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Becher, die Regelungen, die insbesondere in der Geschäftsordnung der Bundesregierung getroffen sind, sind eindeutig. § 22 Abs. 3 lautet: Die Sitzungen der Bundesregierung sind vertraulich. Insbesondere sind Mitteilungen über Ausführungen einzelner Bundesminister, über das Stimmenverhältnis und über den Inhalt der Niederschrift ohne besondere Ermächtigung des Bundeskanzlers unzulässig. Dies ist die Grundlage, und danach wird gehandelt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich möchte an Ihre Antwort an Herrn Kollegen Becher anknüpfen, daß dem „Spiegel" Protokolle über Kabinettsitzungen nicht zur Verfügung stehen. Möchten Sie damit ausschließen, daß der „Spiegel" auf andere Weise in den Besitz von Protokollen über Kabinettsitzungen kommen könnte?

Not found (Gast)

Ich halte das für ausgeschlossen. Derartige Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie erklären Sie es sich dann, daß der „Spiegel" trotz aller dichterischen Beigabe, die dann mit eingeblendet wird, immerhin über ein reiches Maß an Informationen über Kabinettsitzungen verfügt?

Not found (Gast)

Ich sage es noch einmal: Man muß sich das auch in bezug auf die Berichterstattung sehr genau anschauen. Im Zusammenhang mit der Kabinettsitzung, die Herr Dr. Becher insbesondere gemeint hat, wird mir z. B. nachgesagt, ich hätte dem Herrn Bundeskanzler hinterher einen Brief geschrieben. Dies entspricht z. B. nicht den Tatsachen. ({0}) Ich habe in der Tat dem Herrn Bundeskanzler drei Tage vorher einen Brief geschrieben, aber dieser hatte nichts mit der Kabinettsitzung zu tun, sondern mit der Fraktionssitzung meiner Fraktion, an der ich ausnahmsweise nicht habe teilnehmen können. An diesem sehr praktischen Beispiel können Sie sehen, wie manchmal Dinge zusammengebraut werden.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stellt die Bundesregierung gegenwärtig Überlegungen an, die Vertraulichkeit der Sitzungen zu verbessern?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, an den bestehenden rechtlichen Voraussetzungen etwas zu verbessern. Die Bundesregierung wird sich immer große Mühe geben, ein hohes Maß an Vertraulichkeit zu erreichen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung der Meinung, daß telepathische Fähigkeiten Außenstehende vielleicht befähigen, das zu erfahren, was unter „vertraulich" läuft?

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Ich lasse die Frage zu, Herr Staatsminister; ich überlasse es Ihnen, ob Sie sie beantworten wollen.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat keine solche Erkenntnisse. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben vorhin Richtlinien für die Vertraulichkeit genannt. Gibt es auch Richtlinien für die Geheimhaltungspflicht?

Not found (Gast)

Selbstverständlich gibt es auch solche Richtlinien.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich rufe dann Frage 98 des Abgeordneten Engelsberger auf: Ist Bundeskanzler Schmidt - wie die Presse meldete - mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht dahin gehend übereingekommen, das integrierte Entsorgungszentrum in Gorleben vorerst nicht zu bauen, weil es in der Bevölkerung nicht durchsetzbar sei, und wie ist bejahendenfalls eine solche Übereinkunft in Einklang zu bringen sowohl mit der Pflicht der Regierung, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie momentan unpopulär sind, als auch mit deutlichem Votum des Bundeskanzlers für die Nutzung der Kernenergie bei der Eröffnung der europäischen Nuklearkonferenz?

Not found (Gast)

Ich darf die Frage des Kollegen Engelsberger wie folgt beantworten. Der Bundeskanzler hat am 30. April 1979 mit dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, Herrn Dr. Albrecht, ein Gespräch über das nukleare Entsorgungszentrum geführt. Übereinkünfte wurden nicht getroffen. Die niedersächsische Landesregierung hat ihre Entscheidung zur grundsätzlichen sicherheitstechnischen Realisierbarkeit des nuklearen Entsorgungszentrums in ihrer Regierungserklärung vom 16. Mai 1979 bekanntgegeben und ihre Haltung zum Bau des nuklearen Entsorgungszentrums begründet. Die Bundesregierung hat auf die Regierungserklärung der niedersächsischen Landesregie12380 rung zum geplanten nuklearen Entsorgungszentrum am 16. Mai 1979 umgehend mit einer ersten Stellungnahme geantwortet und darin ihre Position zur Verwirklichung des integrierten Entsorgungskonzepts zum Ausdruck gebracht. Ich gehe von der Voraussetzung aus, daß diese Erklärung der Bundesregierung bekannt ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hält es die Bundesregierung nicht für notwendig, daß ein technisches Problem von der Dimension des Entsorgungszentrums in Gorleben von allen Parteien in Bonn und Hannover getragen wird, und sind Sie nicht der Meinung, daß es eine massive Täuschung der Bürger ist, wenn die Bundesregierung in Bonn für die Entsorgung, die SPD in Hannover aber dagegen stimmt? ({0})

Not found (Gast)

Es sollte eigentlich nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, hier die Haltung von Landesparteien zu kritisieren. Allerdings darf ich folgendes sagen. Es ist für mich hochinteressant, daß innerhalb des Landes Niedersachsen die Differenzen zwischen den politischen Parteien nicht so weit auseinandergehen, vor allen Dingen, wenn ich eine Analyse der vorgelegten Resolutionen der beiden Fraktionen im niedersächsischen Landtag anläßlich der Regierungserklärung vornehme. Von entscheidender Bedeutung für das Projekt ist, ob die notwendigen Sicherheitsgarantien gegeben sind. Auf Grund dieser Sicherheitsvoraussetzungen können dann die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden. Da liegt es dann allerdings im Interesse der Sache, wenn eine möglichst breite Grundlage gegeben ist. Wenn ich die Erklärung des Ministerpräsidenten und die Erklärung des Oppositionsführers sehe, dann erkenne ich eine Reihe von gemeinsamen Punkten.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie nicht der Meinung, daß zwischen der Erklärung des Ministerpräsidenten Albrecht und der Erklärung des Oppositionsführers Ravens im Landtag in Hannover schwere Differenzen insoweit bestehen, als Ministerpräsident Albrecht gesagt hat, daß die Anlage von der Sicherheitspolitik her sicherheitstechnisch gebaut werden könne, daß sie nur politisch nicht realisierbar sei, und sind Sie nicht der Meinung, daß eben die Basis der Partei, die den Bundeskanzler trägt, nicht für die Kernenergie ist, sondern im Gegenteil den Bundeskanzler in .dieser Frage, wie man so schön sagt, allein im Regen stehen läßt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Engelsberger, ich nehme an, auch Sie werden bald die Möglichkeit haben, sich mit dieser Frage zu beschäftigen; denn wenn es darum gehen wird, das Problem der Zwischenlagerung zu lösen, wird sich diese Frage ja auch für das Land Bayern stellen. Ich hoffe, daß die Bayerische Staatsregierung und die sie tragende Partei dann die Haltung einnehmen, die dem Interesse der Allgemeinheit dienlich ist. ({0}) - Jeder muß doch wissen, daß es vorher bereits Zusagen und Erklärungen des früheren bayerischen Ministerpräsidenten gegeben hat. Wir werden zur gegebenen Zeit auf die Frage zurückkommen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben als Datum der Zusammenkunft zwischen dem Bundeskanzler und dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen den 30. April 1979 genannt. Hat dieses Datum eine ursächlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Wahl in Schleswig-Holstein?

Not found (Gast)

Ich sehe einen direkten oder indirekten Zusammenhang nicht. Das war der Termin, den beide Herren miteinander vereinbart hatten. Es ist normal, daß solche Termine nur zustande kommen, Herr Kollege Dr. Hupka, wenn sich beide Herren darauf verständigen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts abgehandelt. Ich danke dem Herrn Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung steht Frau Staatsminister Hamm-Brücher zur Verfügung. Ich rufe die Frage 11, des Herrn Abgeordneten Thüsing auf: Trifft es zu, daß - trotz der Zusage der Bundesregierung vor etwa einem Jahr, 500 politische Gefangene aus Argentinien in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen - bisher kein einziger dieser Gefangenen bei uns eingetroffen ist, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls dieses für die Betroffenen sicher unerträgliche schleppende Verfahren?

Not found (Gast)

Herr Kollege, bekanntlich liegt die Entscheidung über die Aufnahmequote für politische Flüchtlinge nicht bei der Bundesregierung, sondern bei den Bundesländern. Es trifft zu, daß bisher kein politischer Gefangener aus Argentinien in der Bundesrepublik Deutschland eingetroffen ist. Die Bundesregierung bedauert das. Es liegt jedoch nicht an der Bundesregierung oder an sonstigen deutschen Stellen, daß bisher keine Flüchtlinge bei uns eingetroffen sind. Bisher sind insgesamt 155 Aufnahmeanträge eingegangen; davon sind 28 seitens der Antragsteller wieder zurückgezogen worden. 127 Anträge sind daher noch in Bearbeitung. Es liegen 51 definitive Zusagen vor. Die Bearbeitung dieser Anträge erfolgte und erfolgt zügig und ohne Zeitverlust. Die eigentliche Ursache dafür, daß bisher keiner der politischen Häftlinge Argentinien verlassen konnte, liegt darin, daß die argentinische Regierung bisher in keinem dieser Fälle eine Ausreisegenehmigung erteilt hat. Die Bundesregierung und die Botschaft in Buenos Aires bemühen sich, die argentinischen Behörden zu einer raschen Entscheidung in diesen Fällen zu bewegen. Konkrete Einwirkungsmöglichkeiten bezüglich des argentinischen Ausreisegenehmigungsverfahrens, das eine Entscheidungsfrist von 120 Tagen, also vier Monaten, vorsieht, bestehen für uns jedoch nicht. Andere Länder, die zur Aufnahme politischer Gefangener aus Argentinien bereit sind, haben die gleiche Erfahrung wie wir gemacht. Ich möchte allerdings erwähnen, daß die argentinische Regierung in den vergangenen Monaten eine Reihe von politischen Gefangenen, um deren Freilassung zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland wir uns bemüht hatten, freigelassen hat. Sie haben sich daraufhin entschlossen, in Argentinien zu verbleiben.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.

Klaus Thüsing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002322, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, können Sie mich darüber aufklären, aus welchen Gründen die genannten 28 Antragsteller ihre Anträge zurückgezogen haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege, das ist uns im einzelnen nicht bekannt. Aber, wie ich vorhin schon andeutete, ist unterdessen offenkundig eine größere Zahl politischer Gefangener in Argentinien freigelassen worden, die darauf auf die Ausreise verzichtet haben. Das wird wohl der eigentliche Grund sein.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.

Klaus Thüsing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002322, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, können Sie Meldungen bestätigen, nach denen aus der Reihe der 500 politischen Gefangenen, die in die Bundesrepublik ausreisen sollten, inzwischen, weil weniger Hindernisse im Wege gestanden haben, einige dieser Gefangenen in andere Länder ausreisen konnten?

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege, das kann ich durchaus nicht bestätigen. Im Gegenteil: Unsere Auskünfte haben ergeben, daß auch in anderen Fällen die gleichen Schwierigkeiten vorliegen und die gleichen Fristen voll angewandt worden sind.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich rufe die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Sind die zur Durchführung des deutsch-polnischen und des deutschtschechoslowakischen Kulturabkommens vorgesehenen „Gemischten Kommissionen" gebildet worden, und wie sind sie zusammengesetzt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Art. 14 des deutsch-polnischen Kulturabkommens, das im November 1977 in Kraft getreten ist, sieht vor, daß die Kommission wenigstens einmal in zwei Jahren zusammentritt, um Durchführungsprogramme auszuarbeiten, den Stand der Verwirklichung dieses Abkommens zu beurteilen und entsprechende Empfehlungen vorzuschlagen. Wir haben nun bei den deutsch-polnischen Konsultationen vom 2. bis 4. Oktober 1978 eine Sitzung der Gemischten Kommission angeregt. Eine allgemeine Einladung zu einer ersten Sitzung der Gemischten Kommission in Bonn mit Terminvorschlag Mitte Februar 1979 wurde von uns im vorigen November ausgesprochen. Ein endgültiger Termin ist bisher jedoch leider nicht zustande gekommen. Das deutsch-tschechoslowakische Kulturabkommen, nach dem Sie auch fragten, ist am 16. März dieses Jahres in Kraft getreten. Die in Art. 12 vorgesehene Gemischte Kommission wurde bisher noch nicht einberufen. Die deutschen Mitglieder der beiden Gemischten Kommissionen werden wie üblich von der Bundesregierung und von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder bestimmt. In die deutsch-polnische Gemischte Kommission werden seitens der Bundesländer die Staatssekretäre Dr. Stollenwerk vom Kultusministerium Rheinland-Pfalz und Thiele vom Kultusministerium Nordrhein-Westfalen entsandt. Seitens der Bundesregierung gehören der Gemischten Kommission der Leiter der Abteilung für auswärtige Kulturpolitik des Auswärtigen Amts, der die deutsche Delegation leitet, sowie weitere Beamte des Auswärtigen Amts und der deutschen Botschaft in Warschau an. Die polnische Delegation wird, wie uns mitgeteilt wurde, aus Vertretern des polnischen Außen-und des Kulturministeriums sowie der polnischen Botschaft Köln bestehen und vom Leiter der Kulturabteilung im polnischen Außenministerium geleitet werden.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka. Dr. Hupka ({0}) Frau Staatsminister, nach welchem Schlüssel und in welcher Personenzahl wird diese deutsch-polnische Kommission besetzt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wie ich Ihnen sagte, sind zwei Vertreter der Bundesländer sowie Mitglieder des Auswärtigen Amts und, falls erforderlich, weiterer Bundesbehörden Mitglieder dieser Gemischten Kommission. Auf der anderen Seite ist die Zusammensetzung ähnlich. Einen bestimmten Schlüssel hierfür kann ich Ihnen nicht bekanntgeben; das weiß ich nicht genau.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wann ist - nachdem Sie uns einige Daten, die nicht eingehalten worden sind, genannt haben - mit dem Zusammenkommen der beiden Kommissionen zu rechnen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, wir hoffen und wir haben vorgeschlagen, daß noch im Juni dieses Jahres die erste Sitzung der deutsch-polnischen Gemischten Kommission zusammentreten wird.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Dann rufe ich die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Welches sind die Gründe dafür, daß, laut Denkschrift des Vorstands des „Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge", „alle Bemühungen um Kontakte mit den Behörden der Volksrepublik Polen leider bisher erfolglos blieben", und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Sachverhalt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, das Problem der deutschen Kriegsgräber in Polen, das bereits Gegenstand von wiederholten deutsch-polnischen Konsultationen war, wurde zuletzt durch die Bundesregierung anläßlich des Besuchs des Bundeskanzlers in Polen im Herbst 1977 und auch durch den Bundesminister des Auswärtigen bei seinem Besuch in' Warschau im November 1978 angesprochen. Eine Auflockerung der bisherigen negativen Haltung der Polen hat sich dabei jedoch nicht abgezeichnet. Die polnische Haltung wird mit psychologischen Hemmnissen in der Bevölkerung und innenpolitischen Schwierigkeiten begründet. Dessenungeachtet wird die Bundesregierung weiterhin bemüht bleiben, auch in Polen dieser wichtigen humanitären Aufgabe gerecht zu werden und eine umfassende Regelung der Kriegsgräberfrage in Polen zu erreichen. Eine solche Regelung hängt aber nach Auffassung der Bundesregierung von der künftigen gesamtpolitischen Entwicklung mit den Ostblockstaaten wie auch von den bilateralen Beziehungen zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland ab.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, Sie sagten eben, eine Auflockerung habe sich nicht ergeben. Hierzu, wenn ich fragen darf, steht doch wohl im Widerspruch, was als Antwort auf die Frage meines Kollegen Dr. Hennig im November vorigen Jahres erteilt wurde, nämlich daß erste Fortschritte nach dem Besuch des Bundesaußenministers in Warschau erzielt worden seien.

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, wenn Sie die Frage des Kollegen Dr. Hennig vom 10. November meinen, so habe ich die Antwort, die ich damals gegeben habe, vor mir. Ich kann nicht finden, daß von Fortschritten die Rede gewesen ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Leider entgeht mir jetzt eine Frage, ich möchte aber zitieren, Frau Staatsminister: Bereits zuvor hatte die polnische Seite in RotKreuz-Gesprächen die Bereitschaft zu ersten Fortschritten in der Kriegsgräberfrage erkennen lassen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich darf meinerseits auch aus dieser Antwort zitieren: Die Bundesregierung hat gegenüber der polnischen Seite wiederholt auf dieses Problem hingewiesen und betont, daß mehr als 30 Jahre nach Kriegsende diese Frage im Zuge des Normalisierungsprozesses nicht mehr unlösbar sein sollte. Sie hat dann ihre weitere Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, sich in dieser Frage einzusetzen. Ich finde hier allerdings - und ich muß Sie dahin gehend bestätigen - in Fortsetzung der damaligen Antwort, daß tatsächlich Rot-Kreuz-Gespräche jedenfalls nicht mehr ausgeschlossen worden sind. Sie haben seither nicht stattgefunden.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, Sie haben eben für die Lösung dieser Frage auf zukünftige normalisierte Beziehungen verwiesen. Sind nach Auffassung der Bundesregierung die gegenwärtigen Beziehungen so unzureichend, daß die Pflege der Gräber von Toten nicht möglich ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe diese allgemeine Bemerkung angeschlossen, weil es ja in der Tat in einem großen Zusammenhang steht. Wir sind insgesamt mit den Fortschritten in den deutsch-polnischen Beziehungen zufrieden. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Voigt.

Ekkehard Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002386, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß, die Bundesregierung in gewisser Weise unter Zeitdruck steht, wenn man aus Presseberichten entnehmen kann, daß die polnische Regierung damit begonnen hat, deutsche Soldatengräber einzuplanieren?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Bundesregierung tut alles, um darauf hinzuwirken, und zwar bei jeder hierfür geeigneten Gelegenheit. Mehr können wir, wie Sie ja wissen, leider nicht tun.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Frau Kollegin Berger, wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön, Frau Berger.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, wären Sie so liebenswürdig, mir zu sagen, wie ich die Antwort auf die Frage des Kollegen Wittmann in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 15. März zu verstehen habe, wo ausdrücklich geantwortet worden ist: „Die Bundesregierung hat in enger Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge das Problem der deutschen Kriegsgräber . .. angesprochen und versucht, eine Lösung ... zu erzielen. Dabei konnten allerdings nur Teilerfolge erreicht werden"?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich habe diese Antwort auch vor mir. Damals war ganz allgemein von der Kriegsgräberfürsorge in Ostblockstaaten die Rede. Es ist auch heute noch so, daß wir leider nur Teilerfolge haben. Ein Teilerfolg ist es beispielsweise, daß kürzlich anläßlich des Besuches des Bundeskanzlers in Bulgarien auch die Frage der Kriegsgräberfürsorge angesprochen und seitens der bulgarischen Seite eine Zusage gegeben wurde, daß Gespräche zwischen den Organisationen stattfinden können. Das ist zweifellos ein Teilerfolg.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Die Fragen 101 und 102 des Herrn Abgeordneten Lenzer sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 103 des Herrn Abgeordneten Voigt ({0}) auf: Hat UNO-Botschafter von Wechmar in einem Gespräch mit Generalsekretär Waldheim einen baldigen Einsatz der Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der UNO nicht mehr ausgeschlossen, wie aus Pressemeldungen hervorgeht?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es trifft nicht zu, daß Botschafter von Wechmar in einem Gespräch mit VN-Sekretär Waldheim einen baldigen Einsatz der Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der UNO nicht mehr ausgeschlossen hat. Entsprechende anderslautende Meldungen entbehren jeder Grundlage.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voigt.

Ekkehard Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002386, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wie kann ich dann aber die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers deuten, der in einer Besprechung mit Feldwebeln der Bundeswehr ähnliche Absichten deutlich gemacht hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich weiß nicht, worauf Sie sich hier beziehen wollen. Seitens der Bundesregierung ist erst kürzlich, nämlich im März, von Regierungssprecher Grünewald neuerlich deutlich gemacht worden, daß eine solche Frage nach den verfassungsrechtlichen Bestimmungen gar nicht zur Diskussion stehen kann.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter Dr. Czaja zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, fanden überhaupt Gespräche mit Herrn Generalsekretär Waldheim über diese Frage statt, und halten Sie die Bundesregierung - eine Meinung, die ich teile - für befugt, im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen ihre Auffassung gegenüber Handlungen des Generalsekretärs zum Ausdruck zu bringen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, mir ist nur bekannt, daß Generalsekretär Waldheim in einer Presseerklärung ausdrücklich auf die Unterrichtung seitens der Bundesregierung, aus welchen Gründen diese Frage gar nicht erörtert werden könne, Bezug genommen hat. Es kann also eigentlich ein solches Mißverständnis gar nicht entstanden sein.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen abgeschlossen. Ich danke der Frau Staatsminister für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Bülow zur Verfügung. Ich rufe Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf: Entspricht es dem organisatorischen Konzept der Bundeswehr, daß von einem Kreiswehrersatzamt Anfang April 1979 über 40 v. H. der Wehrpflichtigen in heimatferne Standorte einberufen wurden? Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Dr. von Bülow, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Gestatten Sie, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Ist der Herr Fragesteller damit einverstanden? ({0}) Dann rufe ich auch Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf: Wie wird die Bundesregierung eine größere Wehrgerechtigkeit für Soldaten in heimatfernen Standorten herbeiführen, die höhere Ausgaben und längere Zeiten für ihre Heimfahrten aufwenden müssen und zum Teil mit öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Heimatorte an Wochenenden nur schwerlich erreichen?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Die Bundesregierung strebt nach wie vor eine möglichst heimatnahe Einberufung der Wehrpflichtigen an. Sie wäre gewährleistet, wenn es gelingen würde, das jeweils dem Truppenstandort nächstgelegene Kreiswehrersatzamt mit der Bedarfsdeckung zu beauftragen. Das ist jedoch nichtmöglich. Der Bedarf der Truppe ist regional sehr unterschiedlich und stimmt mit dem jeweiligen Aufkommen an Wehrpflichtigen nicht überein. Durch die Dislozierung der Streitkräfte besteht gerade in den bevölkerungsschwachen Gebieten unseres Bundesgebietes ein hoher Bedarf an Wehrpflichtigen, während der Truppenbedarf in den Bevölkerungsballungsgebieten des Westens und Südwestens weitaus geringer ist. Der deshalb erforderliche Ausgleich wird durch die sogenannte Bedarfsverteilung vorgenommen. Sie wurde zum Einberufungstermin 2. April 1979 erstmals durch die elektronische Datenverarbeitung vorgenommen. Hierbei werden folgende Grundsätze beachtet. Erstens. Die Ausschöpfungsquote des Verfügungsbestandes an Wehrpflichtigen ist für jedes Kreiswehrersatzamt gleich. Zweitens. Die Stellen sind eignungsgerecht zu besetzen. Drittens. Der Bedarf wird so verteilt, daß die größtmögliche Anzahl von Wehrpflichtigen geringstmögliche Reisewege zurückzulegen hat. Insoweit größere Entfernungen unvermeidbar sind, sind damit möglichst wenige Wehrpflichtige zu belasten. Die heimatfernen Einberufungen, die nach Zuordnung aller heimatnah zu besetzenden Stellen verbleiben, belasten die Kreiswehrersatzämter unterschiedlich. Der Anteil heimatferner Stellen kann mitunter bei 40 0/o liegen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß grundsätzlich die Kreiswehrersatzämter mit heimatfernen Einberufungen belastet werden, deren Wehrpflichtige den Standort verkehrsgünstig erreichen können. Im übrigen ist die Bundesregierung bemüht, die bisher erzielten Ergebnisse durch weitere - wenn auch sehr zeitaufwendige - Programmierarbeiten noch zu verbessern. Zu Ihrer zweiten Frage. Um die Grundwehrdienstleistenden weiter finanziell zu entlasten, werden ihnen ab 1. Juli 1979 ohne Rücksicht auf die Entfernung beliebig viele Familienheimfahrten mit öffentlichen Beförderungsmitteln gewährt. Bei Durchführung der Fahrten mit der Deutschen Bundesbahn soll auch der IC-Zug in der 2. Klasse benutzt werden können. Diese Familienheimfahrten sind mit Ausnahme der geringfügigen Kosten für Zu- und Abgang am Standort und Wohnort unentgeltlich. Insoweit sind heimatnah und heimatfern Einberufene finanziell gleichgestellt. Die Disziplinarvorgesetzten sind ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen worden, den Dienstschluß für heimatfern einberufene Soldaten so festzusetzen, daß sie ihren Wohnort mit öffentlichen Beförderungsmitteln erreichen können. Dennoch verbleibende Erschwernisse durch längere Fahrzeiten für heimatfern Einberufene oder mehrmaliges Umsteigen sind jedoch nicht gänzlich auszugleichen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, liegen nach diesen Ausführungen die Lasten der Einberufung in heimatferne Standorte bei jenen Wehrpflichtigen, die aus dem ländlichen Raum kommen und ungünstige Verkehrsverhältnisse haben?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Nein. Dieser Eindruck dürfte unzutreffend sein. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß auch in ländlichen Regionen dadurch, daß die entsprechenden Garnisonen der, Bundeswehr weit entfernt sind, prozentual hohe heimatferne Einberufungen stattfinden. Aber wenn Sie die Landkarte zur Hand nehmen, sehen Sie, daß der größte Teil der heimatfernen Einberufungen aus dem Ballungsraum des Ruhrgebiets zu verzeichnen ist. Die Rekruten aus dem Ruhrgebiet müssen zu erheblichen Prozentsätzen nach Schleswig-Holstein, nach Niedersachsen und an die Zonenrandgrenze in Hessen herangeführt werden.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie gedenken Sie die Leistungen von Angehörigen von Wehrpflichtigen auszugleichen, die zu entfernten Eisenbahnstationen fahren müssen, um am Freitagabend ihren Sohn abzuholen oder ihn am Sonntagmorgen wieder dorthin zu bringen?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Soweit die Entfernung mehr als 3 km beträgt und die Gemeindegrenze überschreitet, kann der Eisenbahntarif 2. Klasse auf Antrag vergütet werden.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Voigt auf: Erwägt die Bundesregierung, für den Bereich der Bundeswehr aus einer Pressemitteilung der deutschen Ärzteschaft vom 21. März 1979 Konsequenzen zu ziehen, in der es u. a. heißt, Ärzte sind der Meinung, daß Kinder im entscheidenden Entwicklungsalter von etwa sechs bis 16 Jahren möglichst nicht umPräsident Carstens geschult werden sollten. Die Eltern werden aufgefordert, wenn irgend möglich, dafür zu sorgen, daß sie in dieser Zeit keinesfalls öfter als alle fünf Jahre versetzt werden, falls sie Berufen angehören, für die ein Standortwechsel von Zeit zu Zeit unvermeidlich ist."? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Herr Kollege, der Bundesminister der Verteidigung ist bereits seit Jahren - und zwar mit Erfolg - bemüht, die Anzahl der Versetzungen zu reduzieren und die Versetzungsprobleme der Soldaten mit schulpflichtigen Kindern generell zu mildern und im Einzelfall zu lösen. Es ist jedoch nicht möglich, auf die Versetzung von Soldaten, die Kinder im entscheidenden Entwicklungsalter von 6 bis 16 Jahren haben, zu verzichten. Für die Versetzungspraxis der Bundeswehr haben die Stehzeiten der Soldaten - dies ist die Dauer der Verwendung in einer Einheit oder einer Dienststelle - größeren Aussagewert als die Anzahl der jährlichen Versetzungen. Kurze Stehzeiten haben Unteroffiziere ohne Portepee und Leutnante/Oberleutnante des Truppendienstes. Sie haben ein Durchschnittsalter bis etwa 28 Jahre. Ihre häufigen Versetzungen sind ausbildungsbedingt. Soldaten mit einem Durchschnittsalter von über 30 Jahren - erfahrungsgemäß das Gros der Väter mit schulpflichtigen Kindern - haben heute bereits zu einem hohen Prozentsatz Stehzeiten von fünf und mehr Jahren. Es ist nicht beabsichtigt, für Soldaten mit schulpflichtigen Kindern die Stehzeit generell z. B. auf mindestens fünf Jahre festzulegen. Eine solche Maßnahme würde weder im Interesse der betroffenen Soldaten noch im Interesse der Personalführung liegen. Die Soldaten wären für diesen Zeitraum von der Förderung in ihrer Laufbahn grundsätzlich ausgeschlossen. Die Personalführung könnte in die Lage kommen, für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wichtige Dienstposten überhaupt nicht oder nicht mehr optimal besetzen zu können. Da Versetzungen trotz Vorliegens zwingender persönlicher Gründe dienstlich unerläßlich sein können, wurde eine Milderung der Folgen von Versetzungen angestrebt und zum Teil auch verwirklicht. Ich darf hier insbesondere auf die Erweiterung der Gründe hinweisen, die zu einer Umzugsverzögerung aus schulischen Gründen führen können, ohne daß der Anspruch auf Trennungsgeld und auf Familienheimfahrt erlischt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine Zusatzfragen. Die Fragen 59 und 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung abgehandelt. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung. Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Gattermann auf: Entspricht es nach wie vor der Zielsetzung der Bundesregierung, Ärzten aus Ländern der Dritten Welt die Ausbildung zum Facharzt an deutschen Krankenhäusern zu ermöglichen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Gattermann, die Einreise ausländischer Ärzte aus Ländern außerhalb der EG in die Bundesrepublik Deutschland zur Berufsausübung ist in jüngster Zeit auf Grund verschiedener Regelungen eingeschränkt worden. Da der Bedarf an Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland - mit Ausnahme einiger Fachdisziplinen - weitgehend gedeckt ist, sind die Möglichkeiten der Berufstätigkeit und der Weiterbildung zum Facharzt für ausländische Ärzte begrenzt. Der Bundesregierung ist bekannt, daß diesè erschwerte Situation mit den Bemühungen ausländischer Ärzte kollidieren kann, die sich in der Bundesrepublik Deutschland zum Facharzt weiterbilden wollen, was auch im Interesse ihres Landes liegen dürfte. Soweit solche Möglichkeiten noch bestehen und sofern besondere Gründe der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung dies erfordern, wird im Einzelfall geprüft, ob einem ausländischen Arzt die Weiterbildung zum Facharzt in der Bundesrepublik Deutschland erlaubt werden kann.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön, eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß über diese Frage unterschiedliche Auffassungen im Außenministerium, im Arbeitsministerium, in Ihrem Hause und im Innenministerium bestehen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Von unterschiedlichen Auffassungen auf dieser Ebene ist mir nichts bekannt. Natürlich ist die Bundesregierung hier ständig im Gespräch mit den Ländern, die ja im wesentlichen die Zuständigkeit in dieser Frage haben. Hier gibt es natürlich hin und wieder - je nach dem Versorgungsgrad in einzelnen Regionen - Meinungsverschiedenheiten über den Umfang dieser Zulassung. Das ist ja aber gerade der Grund, warum auf die Einzelfallprüfung abgehoben worden ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hält die Bundesregierung es für tragbar, daß z. B. einem von einem Krankenhaus dringend benötigten ausländischen Arzt vom Regierungspräsidenten die besondere Erlaubnis nach § 10 zur Ausübung des ärztlichen Berufes erteilt wird und das zuständige Arbeitsamt dann sagt: Auf Grund eines Runderlasses dürfen wir keine Arbeitserlaubnis erteilen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Gattermann, ich kenne diesen Fall im einzelnen nicht und kann ihn daher auch nicht beurteilen. Es ist ja aber gerade Sinn der Einzelfallprüfung, die örtlichen Gegebenheiten zu untersuchen, um in einer solchen Frage dann zu entscheiden. Ich finde, es hat schon Gewicht, wenn der Regierungspräsident hier eine Zulassung erteilt hat. Ich kenne die Gründe nicht, die das Arbeitsamt zu seiner Entscheidung bewogen haben. Ich kann mir aber kaum vorstellen, daß sie gegenüber dem Versorgungsgesichtspunkt durchschlagend waren, der beim Regierungspräsidenten eine Rolle gespielt hat. Man müßte aber die Einzelheiten dieses Falles kennen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Gattermann auf: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die unterschiedliche Handhabung in der Genehmigungspraxis der Behörden des Bundes und der Länder ({0}) im Sinne vorgenannter Zielsetzung zu vereinheitlichen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Gattermann, die zuständigen Behörden in Bund und Ländern waren von jeher bemüht, in ihrer Verwaltungspraxis einheitlich zu verfahren. Um ein möglichst hohes Maß an Einheitlichkeit zu erreichen, wird diese Frage derzeit unter den beteiligten Stellen in Bund und Ländern erörtert.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger sowie die Fragen 62 und 63 des Herrn Abgeordneten Lambinus sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe dann die Frage 68 des Herrn Abgeodneten Kuhlwein auf: Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten bekannt, die Pflegeeltern bzw. Jugendämter mit der Anforderung von Krankenscheinen bei der Krankenkasse des Unterhaltsverpflichteten haben, und ist die Bundesregierung erforderlichenfalls bereit, eine Änderung der Reichsversicherungsordnung mit dem Ziel vorzulegen, Pflegekindern die Familienhilfe durch die Krankenkasse ihrer Pflegeeltern gewähren zu lassen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Kuhlwein, der Bundesregierung sind Fälle bekannt, in denen solche Schwierigkeiten aufgetreten sind. Eine Rechtsänderung mit dem Ziel, Pflegekinder krankenversicherungsrechtlich den Pflegeeltern zuzuordnen, ist bisher nicht erwogen worden. Sie könnte insoweit mit Rechtsnachteilen für das Pflegekind verbunden sein, als gleichzeitig die von den leiblichen Eltern abgeleitete Familienkrankenhilfeberechtigung beendet werden müßte. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß das Pflegekind gerade hierauf unter Umständen angewiesen sein wird, insbesondere wenn die Pflegeeltern nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehören und so ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe für das Pflegekind bei ihnen nicht begründet werden könnte.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung dennoch bereit, die praktische Situation und die Rechtslage noch einmal zu überprüfen, weil aus der Praxis immer wieder Fälle bekanntwerden, in denen es erhebliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Krankenscheinen gibt?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich bin gern bereit, noch einmal zu versuchen herauszufinden, in welchem Umfang diese Schwierigkeiten auftreten, und würde mich bemühen, die Praktiker etwa aus den Jugendämtern oder bei den Sozialversicherungsträgern an einen Tisch zu bringen, damit man sich, wenn hier in nennenswertem Umfang Probleme auftreten, um Abhilfe bemühen kann.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter Kuhlwein wünscht keine weitere Zusatzfrage zu stellen. Auch sonst gibt es keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Marschall auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Anrechnung bzw. Nichtanrechnung des Kindergelds auf das Pflegegeld in den Ländern und Gemeinden unterschiedlich gehandhabt wird, und hält die Bundesregierung die Anrechnung von Kindergeldzahlungen auf das Pflegegeld überhaupt für vertretbar?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Marschall, weder das Jugendwohlfahrtsgesetz noch das Bundeskindergeldgesetz enthält eine Regelung über die Anrechnung bzw. Nichtanrechnung des Kindergeldes auf das Pflegegeld. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Frage der Bemessung des Pflegegeldes, die wiederum im Jugendwohlfahrtsgesetz nur im Grundsatz geregelt ist. Die Länder führen dieses Gesetz nach Art. 83 und Art. 30 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit aus. Mangels detaillierter gesetzlicher Regelungen entscheiden die Jugendämter im weisungsfreien Bereich der kommunalen Selbstverwaltung in eigener Verantwortung und Zuständigkeit über die Bemessung des Pflegegeldes ebenso wie beispielsweise über die Frage der Nichtanrechnung des Kindergeldes auf das Pflegegeld. Deshalb steht weder dem Bund noch der obersten zuständigen Landesjugendbehörde insoweit ein generelles oder im Einzelfall bindendes Weisungsrecht gegenüber den Ländern oder den Jugendämtern zu. Aus dieser Lage resultiert die unterschiedliche Handhabung bei den Ländern und Gemeinden. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat bereits im Rundschreiben vom 25. November 1974 die obersten Jugendbehörden der Länder aus jugendpolitischen Grilnden gebeten, darauf hinzuwirken, daß einheitlich von einer Kürzung des Pflegegeldes wegen Anrechnung des Kindergeldes abgesehen wird. Die Bundesregierung ist ferner bemüht, im Rahmen der Reform des Jugendhilferechts das Problem bundeseinheitlich in der Weise zu regeln, daß das Kindergeld auf das Pflegegeld nicht angerechnet wird.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschall.

Manfred Marschall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001423, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bemühungen der Länder, untereinander eine Vereinheitlichung der Praxis zu erreichen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Mir ist von solchen Bemühungen nichts bekannt. Ich habe Ihnen das Datum genannt, unter dem die Bundesregierung versucht hat, hier einzuwirken. Leider ist die Praxis nach wie vor uneinheitlich.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weitere Zusatzfrage des Fragestellers. - Auch sonst keine Zusatzfragen? Dann rufe ich die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Marschall auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Ungerechtigkeiten abzubauen, die dadurch entstehen, daß das Pflegegeld in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich bemessen wird?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

In dem Gesetzentwurf zur Reform des Jugendhilferechts ist in Art. 1 § 52 eine Ermächtigung für den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit vorgesehen, diese und mit ihr zusammenhängende weitere Fragen im Wege einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bundeseinheitlich zu regeln.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschall.

Manfred Marschall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001423, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung in diesem Zusammenhang für zweckmäßig, daß Jugendämter bemüht sind, die Pflegegeldzahlungen möglichst gering zu halten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich könnte dies weder aus pädagogischen noch aus finanzwirtschaftlichen Gründen für zweckmäßig halten; denn dies führt im Grunde dazu, daß -sich weniger Pflegeeltern bereit fänden, ein Pflegekind zu übernehmen. Das hat die Konsequenz, daß dann mehr Heimeinweisungen notwendig sind. Dies ist sowohl aus humanen wie auch aus finanziellen Gründen unerwünscht.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, schon vor Verabschiedung des Jugendhilfegesetzes die Länder und die Gemeinden auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen, damit schon heute das eintritt, was wir mit dem neuen Recht anstreben, nämlich eine Verhinderung von Heimeinweisungen zugunsten des Aufenthalts in Pflegefamilien?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Kuhlwein, ich gehe davon aus, daß dieser Tatbestand weitgehend bekannt ist. Aber wenn es erforderlich ist, wird dieses Thema bei Gelegenheit der Beratungen des Jugendhilfegesetzes sicher auch in der Öffentlicheit beachtet werden. Ich nehme an, daß von daher eigentlich jeder, der mit dieser Frage befaßt ist, weiß, welche Konsequenz es hat, wenn man die Stellung, auch die materielle Stellung, der Pifegeeltern nicht so ausgestaltet, daß dem weit vorhandenen Interesse, ein Pflegekind zu übernehmen, auch eine materielle Absicherung gegenübersteht.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht. - Dann rufe ich die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Kreise und Gemeinden für Pflegekinder Bekleidungsbeihilfe in unterschiedlicher Höhe gewähren, und wie könnte eine Vereinheitlichung erreicht werden?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Fiebig, das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz enthält weder eine präzise Regelung über die Bemessung des Familienpflegegeldes insgesamt noch darüber, welche Leistungen mit dem Familienpflegegeld abgegolten werden. Der Regierungsentwurf eines Jugendhilfegesetzes sieht eine Ermächtigung vor, die das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in die Lage versetzen soll, diese Fragen im Wege einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates einheitlich zu regeln. Insoweit bleibt der Fortgang der parlamentarischen Beratungen hier in diesem Hause abzuwarten.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf: Hält die Bundesregierung die Folgen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 1977 ({0}) für voll gerechtfertigt, daß in jedem Fall die Jugendhilfe nachrangig eintritt, wenn Enkelkinder bei Großeltern aufwachsen, und welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, Pflegegeldzahlungen durch den Jugendhilfeträger an Großeltern wenigstens in den Fällen sicherzustellen, in denen den leiblichen Eltern das Sorgerecht entzogen ist?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Im Interesse des Kindes und zur Vermeidung seiner Unterbringung bei Fremden oder in Heimen ist die Bundesregierung an einer Pflegegeldzahlung auch an Großeltern interessiert. Deshalb sollte auch den bei Großeltern untergebrachten und von ihnen betreuten Enkelkindern der Anspruch auf Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts zustehen. Diese Frage entscheiden die Jugendämter jedoch im weisungsfreien Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Diese verstehen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts großenteils in dem von Ihnen dargestellten Sinne und orientieren ihre Pflegegeldpraxis daran. Die Tatsache, daß Großeltern dem Enkelkind gegenüber nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig sind, bildet einen der maßgeblichen Gesichtspunkte der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Tatsache aber, daß den leiblichen Eltern das Sorgerecht entzogen ist, spielt bei der Zahlung von Pflegegeld keine Rolle, weil die Eltern auch nach Entzug des Sorgerechts dem Kind gegenüber, und zwar vor den Großeltern, unterhaltspflichtig sind und bleiben.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, einen Gesetzentwurf für ein Pflegekinderrecht vorzulegen, um diese und die von meinen Kollegen Marschall und Kuhlwein angesprochenen Fragen gesetzlich zu regeln?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Fiebig, ich glaube nicht, daß es eines solchen Gesetzes bedarf. Hinsichtlich des Pflegegeldes und der damit zusammenhängenden Fragen sieht ja der Entwurf des Jugendhilferechts eine bundeseinheitliche Regelung vor, selbstverständlich mit Zustimmung des Bundesrates. Auf der anderen Seite sind durch Entscheidungen, die wir hier in der letzten Woche im Recht der elterlichen Sorge getroffen haben, auch ganz deutliche Verbesserungen der rechtlichen Stellung der Pflegeeltern eingetreten, so daß es nach meiner Überzeugung nach Verabschiedung des Jugendhilfegesetzes - in dem Sinne, wie die Bundesregierung diese Regelung anstrebt - nicht erforderlich ist, ein spezielles Gesetz zu diesem Zweck zu verabschieden. Man wird dann, so meine ich, die Entwicklung beobachten müssen, um zu sehen, wie sich die Verbesserungen, die jetzt schon durch die Reform des Rechts der elterlichen Sorge eingetreten sind und vielleicht künftig durch das Jugendhilfegesetz eintreten, auswirken.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weiteren Zusatzfragen des Herrn Abgeordneten Fiebig; auch sonst keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 73 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf: Wie weit sind die zu Beginn des Jahres 1979 angekündigten Bemühungen der Bundesregierung gediehen, für sogenannte Haushaltsgifte kindergesicherte Flaschen- bzw. Behälterverschlüsse durch Rechtsverordnungen verbindlich vorzuschreiben?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Kollegin, seit meiner Antwort auf Ihre Fragen in der Fragestunde am 18. Januar 1979 hat die Kommission „Erkennung und Behandlung von Vergiftungen" des Bundesgesundheitsamtes einen Katalog von Stoffen erarbeitet, bei deren Verwendung in Bedarfsgegenständen ein kindergesicherter Verschluß erforderlich erscheint. Anhand dieser Aufstellung wird nunmehr bei den Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen festgestellt, welche Erzeugnisse und Erzeugnisgruppen diese Stoffe enthalten und ob diese bereits zu Vergiftungsfällen im Haushalt geführt haben. Auch die Arbeiten an der Vornorm „Kindergesicherte Packungen" des Deutschen Instituts für Normung e. V. sind inzwischen vorangeschritten. Im Rahmen eines Forschungsauftrages des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit wird zur Zeit in einem sogenannten Seniorentest geprüft, welche Anforderungen an kindergesicherte Verschlüsse gestellt werden müssen, damit derart verschlossene Erzeugnisse auch von Verbrauchern im höheren Alter noch geöffnet werden können. Dieser Test wird voraussichtlich im Juli dieses Jahres abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden im Herbst 1979 im Fachnormenausschuß erörtert werden können, so daß mit der Verabschiedung einer endgültigen Norm noch in diesem Jahr zu rechnen ist. Bis dahin wird festzustellen sein, ob die Hersteller der betreffenden Bedarfsgegenstände bereit sind, ihre Erzeugnisse von sich aus mit kindergesicherten Verschlüssen zu versehen. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird im Vorgriff auf eine künftige Gesamtregelung der Bedarf sgegenstände eine spezielle Rechtsverordnung erlassen werden müssen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich darf auf den ersten Teil Ihrer Antwort zurückkommen und Sie fragen: Wann werden die Ermittlungen des Ministeriums darüber abgeschlossen sein, welche Art von Haushaltsgiften kindergesicherte Verschlüsse oder Darreichungsformen erfordert?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Kollegin, wir bemühen uns, mit Hilfe der von mir angesprochenen Umfrage bei den Giftzentralen diese Daten beschleunigt zu ermitteln. Ich kann, wie das bei einer solchen Umfrage in der Natur der Sache liegt, nun kein festes Datum nennen. Aber wir betreiben das mit erheblicher Beschleunigung. Allerdings darf das - darin werden wir sicher übereinstimmen - nicht auf Kosten der auch dabei gebotenen Sorgfalt gehen. Ich nehme an, es wird nur noch wenige Monate dauern. Aber ich möchte mich hier nicht auf ein Datum festlegen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Ey auf: Hält es die Bundesregierung für geboten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß in manchen Diskotheken Präsident Carstens und Beatschuppen jedenfalls für Jugendliche der sogenannte Gedeckzwang abgebaut und der verbreiteten Unsitte begegnet wird, in diesen Lokalen an Jugendliche nichtalkoholische Getränke teurer als alkoholische zu verkaufen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege, nach § 3 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit ist die gewerbliche Abgabe von Branntwein und überwiegend branntweinhaltigen Genußmitteln an Kinder und Jugendliche überhaupt nicht zulässig, während andere alkoholische Getränke zum eigenen Genuß an Kinder nicht und an Jugendliche unter 16 Jahren nur bei Begleitung durch Erziehungsberechtigte abgegeben werden dürfen. Auch von der Bundesregierung wird die nicht seltene Praxis, nichtalkoholische Getränke teurer abzugeben als alkoholische und damit einen entsprechenden Anreiz auf junge Menschen auszuüben, mit Sorge registriert. Eingriffe des Gesetzgebers in das Preisgefüge sind auf der Grundlage des geltenden Rechts allerdings nur in sehr eingeschränktem Maße möglich und können für den hier angesprochenen Bereich nicht in Betracht gezogen werden. Angesichts der gegebenen Verhältnisse hat Frau Bundesminister Huber schon mehrmals Appelle an das Gaststättengewerbe und die Getränkeindustrie gerichtet, neben der strikten Einhaltung der eingangs erwähnten gesetzlichen Vorschriften auch bei der Preisgestaltung für Getränke Gesichtspunkte des Jugend- und Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit abgeschlossen. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe - wir haben noch fünf Minuten Zeit - den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wrede zur Verfügung. Zunächst Frage 75 des Herrn Abgeordneten Menzel. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage muß schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Der Herr Abgeordnete Thüsing hat um schriftliche Beantwortung der von ihm gestellten Frage 76 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Die Frage 77 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Spöri gestellt worden: Stellt die Entscheidung des Verwaltungsrats der Deutschen Bundesbahn vom 26. April, bei der u. a. die Stillegung des Personenverkehrs auf der Strecke Lauffen-Leonbronn abgelehnt wurde, eine endgültige Entscheidung dar, oder wird sich der Verwaltungsrat mit den am 26. April nicht zur Stillegung freigegebenen Strecken erneut befassen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege Spöri, daß der Verwaltungsrat den Vorschlag abgelehnt hat, den Personenverkehr auf der Strecke Lauffen-Leonbrunn einzustellen, bedeutet, daß die hierfür erforderliche übereinstimmende Willensbildung der Unternehmensorgane der Deutschen Bundesbahn bisher nicht zustande gekommen ist. Sofern der Vorstand der Deutschen Bundesbahn im Rahmen einer nunmehr erforderlichen Überprüfung seines Standpunktes zu dem Ergebnis kommt, der Personenverkehr sei bei Beachtung der für die Deutsche Bundesbahn maßgebenden Wirtschaftsführungsgrundsätze doch einzustellen, wird der Verwaltungsrat jederzeit erneut über einen Antrag des Vorstandes beschließen und gegebenenfalls auch neue Tatsachen berücksichtigen müssen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind nicht die rechnerischen Grundlagen für die Frage der Rentabilität der einzelnen von mir angesprochenen Strecken schon längst veraltet, wenn wir das gegenwärtig doch rasch steigende Energiepreisniveau berücksichtigen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, bei der Beschlußfassung über den Antrag des Vorstands wird der Verwaltungsrat in seine Überlegungen selbstverständlich auch einbeziehen, ob sich neue Tatsachen ergeben haben, die dafür sprechen, dem Antrag des Vorstands nicht zu folgen. Aber dies entbindet den Vorstand nicht von der Verpflichtung, den Antrag, wenn er auf Grund seiner Übersicht der Meinnung ist, nach wie vor diesen Antrag stellen zu müssen, erneut im Verwaltungsrat einzubringen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stellt sich nicht für die Bundesregierung nach dem Ende der Beratungen im Verwaltungsrat und auf Bundesbahnebene bei ihren anschließenden Beratungen die Frage eines Streckenstillegungskonzepts völlig neu, wenn wir die gegenwärtige Preisdynamik auf dem Energiesektor berücksichtigen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege Spöri, die Bundesregierung ist erst gefragt, wenn durch eine Beschlußfassung des Verwaltungsrats im Sinne des Antrags des Vorstandes ein solcher rechtswirksamer Beschluß zustande kommt. Erst dann wird er dem Bundesverkehrsminister vorgelegt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. . Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Böhm ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung sich veranlaßt, den beabsichtigten Bau der Autobahn A 4 Olpe-Bad Hersfeld zu überprüfen, oder mißt sie diesem Projekt wie bisher hohe Priorität zu? Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, die Bundesregierung wird auf Grund der Bedeutung, die die Landesregierungen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen dem Autobahnprojekt A 4 Olpe-Bad Hersfeld zumessen, bei der Bedarfsplanüberprüfung auch die Einstufung der A 4 untersuchen. Das Ergebnis dieser Untersuchung soll Ende 1979 dem Deutschen Bundestag zur Beratung zugeleitet werden. Das genannte Projekt ist in dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen nahezu auf der gesamten Länge als möglicher weiterer Bedarf ausgewiesen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung aus verkehrspolitisch übergeordneten Interessen den Ländern gegenüber, ganz besonders gegenüber dem Lande Nordrhein-Westfalen, für den möglichst baldigen Bau dieser Autobahn A 4 einsetzen oder nicht?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, die Bundesregierung ist gar nicht in der Situation, sich für den möglichst baldigen Bau dieser Autobahn einsetzen zu können. Denn, wie ich sagte, in dem jetzt gültigen Bedarfsplan, der ja Gesetz ist, ist diese Autobahn fast ausschließlich als möglicher weiterer Bedarf, nicht aber als konkreter, aktueller Bedarf ausgewiesen. Die . Bundesregierung kann sich also nur dann für den Bau dieser Autobahn einsetzen, wenn der Deutsche Bundestag, der dieses Gesetz zu beschließen hat, vermutlich zu Beginn des nächsten Jahres, diese A 4 in den Bedarfsplan aufnimmt. Erst dann besteht überhaupt die Möglichkeit, diese Straße zu planen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Eine weitere Zusatzf rage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bedeutet das, daß die Bundesregierung in dieser Angelegenheit die Initiative völlig dem Bun. destag überläßt? Hat sie tatsächlich zu diesem wichtigen verkehrspolitischen Thema keine Meinung?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich dachte, in meiner ersten Antwort auf Ihre Frage hätte ich deutlich gemacht, daß dieses Projekt bei der zur Zeit anstehenden Überprüfung des Bedarfsplans von der Bundesregierung geprüft wird, und diese wird dem Deutschen Bundestag Ende dieses Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres einen Vorschlag - auch zu all den anderen Maßnahmen - machen. Das heißt, die Bundesregierung überprüft dieses Projekt wie viele andere, die von den Ländern als Bedarf angemeldet werden, auch.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Bei den Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}), 81 des Abgeordneten Dr. Hüsch und 82 des Abgeordneten Wolfram ({1}) haben die Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe Frage 83 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht anwesend. Die Frage muß schriftlich beantwortet werden. Dasselbe gilt für die Frage 84 des Abgeordneten Wohlrabe. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen abgehandelt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. ({2}) - Ja, wir haben noch eine Minute Zeit, und ich bin gern bereit, diese Minute für die Beantwortung der Frage zu nutzen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sperling zur Verfügung. Wir kommen zunächst zu Frage 27 des Abgeordneten Dr. Jahn ({3}). Ist der Herr Abgeordnete Dr. Jahn anwesend? - Er ist nicht anwesend. Dann muß die Frage schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Hoffacker auf: Welche Möglichkeiten zur Beseitigung der Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung, die sich bei der Vergabe von werkseigenen mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen an Werksangehörige daraus ergeben, daß deren Einkommen vielfach die zulässigen Grenzen bereits überschreiten? Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.

Dr. Dietrich Sperling (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002196

Auf Grund der für Betriebs- und Werkswohnungen geltenden öffentlich-rechtlichen Bindungen nach dem Wohnungsbindungsgesetz dürfen nur solche Betriebsangehörige die Wohnung beziehen, die im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau wohnberechtigt sind, d. h. solche, deren Jahreseinkommen die in § 25 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreitet. Es ist damit zu rechnen, daß im Rahmen des zur Zeit im zuständigen Bundestagsausschuß beratenen Entwurfs eines Wohnungsbauänderungsgesetzes 1978 diese Einkommensgrenze erhöht wird. Damit dürfte sich auch die Problematik, die auf der Überlagerung der sogenannten Werksbindung, also des Belegungsrechts der Unternehmen, durch die öfParl. Staatssekretär Dr. Sperling fentlich-rechtlichen Bindungen beruht, entschärfen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Es tut mir leid, Herr Abgeordneter Dr. Hoffacker, die Fragestunde ist abgelaufen; ich muß hier abbrechen. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Frage. Die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Horstmeier ist zurückgezogen worden. Die Fragen, die nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden schriftlich beantwortet; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Nunmehr rufe ich Punkt 10 unserer Tagesordnung auf: Beratung des Jahresberichts 1978 des Wehrbeauftragten des Bundestages - Drucksache 8/2625 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß Ich begrüße den Herrn Wehrbeauftragten, der bei den Beratungen anwesend sein wird, und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ernesti.

Leo Ernesti (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000491, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion begrüße ich, daß in diesem Jahr eine frühzeitige erste Beratung des Jahresberichts 1978 des Wehrbeauftragten im Deutschen Bundestag stattfindet. Am 13. Juni dieses Jahres soll der Bericht im Verteidigungsausschuß beraten werden, und noch vor der Sommerpause soll eine abschließende Beratung in diesem Hohen Hause durchgeführt werden. Ich erwarte, daß vom Bundesministerium der Verteidigung unverzüglich eine Stellungnahme zu diesem Jahresbericht vorgelegt wird, damit das vorgesehene Programm termingerecht abgewickelt werden kann. Meine Damen und Herren, es bleibt zu hoffen, daß in diesem Jahr die vom Bundesministerium der Verteidigung angebotenen Lösungen so vorgetragen werden, daß dieses Hohe Haus damit auch zufrieden sein kann. Es muß konkretere Aussagen als bisher geben, denn man zog sich in den letzten Jahren immer mehr, zu gern und zu oft auf Formulierungen wie „es wird seit längerer Zeit überlegt", „es muß noch eingehend untersucht werden", „es wird derzeit geprüft" zurück, ohne eingehend Stellung zu beziehen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. In diesem Zusammenhang bedaure ich es, Herr Wehrbeauftragter, daß sie meinem Vorschlag, alle bisher unerledigten von Ihnen aufgezeigten Probleme und vorgeschlagenen Änderungen in diesem Bericht aufzulisten, nicht gefolgt sind. Ich hoffe, daß das Verteidigungsministerium in diesem Bericht eine solche Auflistung vornimmt, damit wir im Verteidigungsausschuß auch einmal kontrollieren können, welche festgestellten Probleme noch unerledigt sind. Die heutigen ersten Ausführungen zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten müssen ohne eine vorliegende Stellungnahme durch das Bundesministerium der Verteidigung zwangsläufig unvollständige Bemerkungen sein. Aber ohne den einzelnen Beratungen im Verteidigungsausschuß vorzugreifen, kann hier bereits festgestellt werden, daß der Jahresbericht zahlreiche Hinweise auf Probleme bietet, die die CDU/CSU schon seit Jahren aufgezeigt hat. Nun verschließt sich auch der Wehrbeauftragte nichtmehr vor ihnen. Hierbei denke ich besonders an die Probleme im Zusammenhang mit der Bürokratisierung, mit den Mängeln in der Ausbildung der Unteroffiziere, mit dem Verwendungs- und Beförderungsstau und mit der so- zialen Lage. In der Berichterstattung über die Vorstellung des Jahresberichts vor der deutschen Presse durch den Wehrbeauftragten ist leider der Eindruck entstanden, als sei die Bundeswehr mittlerweile zu einer Bande von Trinkern, Raufbolden und Gewalttätern geworden. Natürlich ist es am einfachsten, derartige Fälle herauszugreifen und gleichzeitig die bereits angesprochenen Probleme, die in ihrer Tragweite viel schwerer sind, dahinter zu vergessen. Wenn ich einige Schlagzeilen hier noch einmal vortrage, tue ich das nur, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. Es stand dort: „Verstöße gegen die Menschenwürde nehmen zu", „Fehlerhaftes Führungsverhalten durch Trunkenheit", „Berkhan beklagt rüden Umgangston in der Bundeswehr", „Alkoholmißbrauch", „Schwere Übergriffe in der Bundeswehr", „Berkhan läßt aufhorchen", „Bundeswehrsoldaten schauen zu tief ins Glas". Dadurch entstand in der Offentlichkeit das Bild einer Säuferarmee. Sicherlich waren die aufgeführten Beispiele schlimm genug, und sie sollten auch nicht dadurch gemildert werden, daß man auf eine Armee verweist, die das Spiegelbild der Gesellschaft sei. Alkoholmißbrauch stört die militärische Ordnung und Disziplin in besonderer Weise. Jede Verallgemeinerung von einzelnem Fehlverhalten wird jedoch unseren Soldaten nicht gerecht. Die Truppe ist besser als ihr Ruf. ({0}) Wenn der Verteidigungsminister dies allerdings durch einen schneidigen Sattelbefehl, jeglichen Alkoholausschank während der Dienststunden zu verbieten, abstellen will, so ist das wieder einmal eine typisch nervöse Überreaktion, die am Kern der Sache vorbeizielt. Im übrigen gibt es schon Verbote in ausreichender Zahl, was eigentlich auch der Minister wissen müßte, sofern er ausreichend informiert wird. Dennoch ist es zu diesen Verfehlungen gekommen. Die Ursachen für diese aufgeführten Fehlverhalten liegen meist darin, daß Vorgesetzte und Untergebene aller Ebenen in der Truppe durch eine als unerträglich empfundene Dichte von Vorschriften aller Art, von ergänzenden Arbeitsanweisungen usw. überfordert werden. Der Untergebene, der sich durch einen Wust von Vorschriften und Anweisungen hindurchlavieren muß, der selektiven Gehorsam betreiben muß, wird von einem Vorgesetzten geführt, der die Einhaltung dieser ganzen Bürokratie überwachen muß. Damit hat der Vorgesetzte kaum Zeit, sich um die Menschenführung, einen wichtigen Bestandteil der inneren Führung, zu kümmern. Wenn wir bei gelegentlichen Anlässen sowohl vom Minister als auch vom Generalinspekteur hören, daß der Mensch im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen sollte, muß erwartet werden, daß endlich geeignete Maßnahmen getroffen werden, um dieses Ziel auch in der Praxis zu verwirklichen. Starke Worte auf Kommandeurstagungen ändern hier nichts. Die Ursache von manchem Fehlverhalten liegt darin, daß die Praktizierung einer sachgerechten Dienstaufsicht durch zuviel Bürokratisierung behindert wird, anstatt Ruhe in die Truppe zu bringen und dem Vorgesetzten die Möglichkeit zu geben, sich auch den menschlichen Problemen zu widmen. Dies wird dadurch verhindert. Es müßte endlich einmal aufhören, daß nur an Symptomen kuriert wird. Die Einsetzung einer Entbürokratisierungskommission allein genügt nicht. Wir brauchen vielmehr eine verbesserte Dienst- und Fachaufsicht sowie den Mut und die Bereitschaft der Vorgesetzten, wirksam durchzugreifen. Dazu muß ihnen allerdings der Rücken gestärkt werden. Die Ausbildung und Vorbereitung der Vorgesetzten auf die Probleme der Truppenführung ist zu verbessern, d. h., es sollte mehr Erziehung und Ausbildung im Bereich der Menschenführung stattfinden. Ich frage: Ist mit der damaligen Außerkraftsetzung der zentralen Dienstvorschrift 11/1 gleichzeitig die Zielvorstellung bezüglich eines Wertbewußtseins abgeschafft worden? Da stand noch darin - sie wurde von Verteidigungsminister Schmidt damals außer Kraft gesetzt -: „Sittliche und moralische Kräfte bestimmen mehr noch als fachliches Können den Wert des Soldaten." Ordnung und Disziplin sind, wie erwähnt, unerläßliche Voraussetzung für eine funktionierende Armee. Dafür zu sorgen ist die erste Führungsaufgabe. Die Verantwortung hierfür trägt in erster Linie der Bundesminister der Verteidigung. Er sollte weniger vom Menschen, der im Mittelpunkt zu stehen habe, sprechen als durch geeignete Maßnahmen die Grundlage für ein erfolgreiches Funktionieren schaffen. Wir alle wissen - und der Inspekteur des Heeres hat dies kürzlich noch einmal ausdrücklich bestätigt -, daß die Ausbildung der Unteroffiziere unzureichend ist. Wie kann der Verteidigungsminister es verantworten, daß unzureichend ausgebildete Unteroffiziere komplizierten Technologien ausgesetzt sind, wie es z. B. beim Kampfpanzer „Leopard" oder beim „Marder" oder beim „Gepard" der Fall ist? Wie kann der Bundesminister der Verteidigung nun schon seit Jahren zusehen, wie Soldaten, die sich nicht wehren können, ständig überfordert werden? Hinzu kommt, daß die Kampfverbände personell nur „auf Rand" genäht sind. Wie soll hier der Einheits- und Verbandsführer den täglichen Schwund in der Antretestärke, der nicht ausgeglichen werden kann, auffangen? Hier wird kompensiert, hier wird improvisiert, ja hier wird leider auch „dienstlich" gelogen. Der Verwendungs- und Beförderungsstau bei Offizieren und Unteroffizieren ist den Verantwortlichen seit Jahren bekannt. Auch dem damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt. Er hat sich einen auf den ersten Blick schneidigen Einstand bei der Bundeswehr gegen und mit Hilfe der Weißbuchstellen dieses Problem damals kurzfristig gelöst, aber in seiner ganzen Schwere in die Zukunft verlagert. Nun muß sich sein Nachfolger mit diesem Problem herumschlagen. Inzwischen müßte eigentlich Hans Apel den Wechsel auf die Zukunft, den Helmut Schmidt ihm seinerzeit in die Wiege gelegt hat, einlösen. Mit Recht kritisiert der Wehrbeauftragte eine große Anzahl von Versäumnissen und Fehlleistungen des Ministeriums, auf die im einzelnen in Ermangelung der noch nicht vorliegenden Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung und vor der Beratung im Verteidigungsausschuß sowie der Kürze der Zeit, die heute zur Verfügung steht, noch nicht mit der erforderlichen Ausführlichkeit eingegangen werden kann. Eines sei aber hier schon mit aller Deutlichkeit festgestellt. Von den falschen Entscheidungen und Maßnahmen sowie Versäumnissen der Bundesregierung darf ich einige hier aufzählen: Folgerungen aus der Verkürzung der Grundwehrdienstzeit, Abschaffung des Prüfungsverfahrens für Kriegsdienstverweigerer durch ein verfassungswidriges Gesetz, mangelnde Unteroffiziersausbildung und Beförderung zum Unteroffizier bereits nach 12 Monaten, durch parteipolitisches Fehlverhalten ermöglichte skandalöse Spionagefälle, auf die Dauer unzumutbare Dienstzeitbelastung, unerträglicher Beförderungs- und Verwendungsstau, un- nötiges Verlängern der besonderen Dienstaltersgrenze mit den bekannten Folgen, Rausschmiß von Generalen, dauernder Streit an der Führungsakademie der Bundeswehr, Parteipolitisierung der Streitkräfte, truppenfremdes Studienkonzept, mangelnde Wohnungsfürsorge, ungelöste Probleme der Familienheimfahrten, übertriebene Bürokratisierung, Auszehrung der Schule für Innere Führung, um ihren Wert nach Jahren wieder neu zu entdecken, Unklarheiten und Vernebelung bezüglich der militärischen Bedrohung, Vernachlässigung der Zivilverteidigung. Wenn eine Bundesregierung dadurch Unruhe und Unsicherheit in die Streitkräfte trägt, darf sie sich nicht wundern, wenn die Stimmung in der Truppe schlecht ist und hierdurch Fehlverhalten von Vorgesetzten und Untergebenen, von denen der Wehrbeauftragte berichtete, in erschreckendem Maße zunehmen. ({1}) Die Truppe im allgemeinen ist trotz der aufgezeigten Sachverhalte besser als ihr Ruf. ({2}) Die entscheidenden Mängel liegen in der Führung. Hier ist in erster Linie der Minister gefordert. Wir werden den Bericht unverzüglich im Verteidigungsausschuß beraten und danach im Plenum des Deutschen Bundestages ausführlich behandeln. Dann werden wir über die Einzelheiten reden. Schon heute danke ich dem Herrn Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für den Jahresbericht 1978. ({3})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion hat dem Wehrbeauftragten bereits im März 1979 für die Vorlage seines Berichtes gedankt. Das ist für uns nicht nur eine obligatorische Pflichtübung, sondern Anerkennung für die kritische Berichterstattung, die uns, dem Parlament, und in Umsetzung dann auch der Bundesregierung bei der künftigen Arbeit im Bereich der Sicherheitspolitik hilfreich sein kann und sollte. Die Fragen der Inneren Führung, von Bildung und Ausbildung in der Bundeswehr und die Sozialprobleme standen auch in den letzten Jahren im Mittelpunkt der Berichterstattung des Wehrbeauftragten. Für die SPD-Bundestagsfraktion darf ich in diesem Zusammenhang vermerken, daß an diesem Wochenende eine große sicherheitspolitische Konferenz der Sozialdemokratischen Partei stattfindet, auf der auch hier genannte Fragen und Probleme ein zentrales Thema darstellen. Im Sinne der Ausführungen des Wehrbeauftragten werden Grundsätze zur Bildungs-und Ausbildungspolitik diskutiert und gegebenenfalls auch verabschiedet. Die einzelnen Fragen zu diesen Themen wurden in den letzten drei Jahren im Verteidigungsausschuß und im Parlament eingehend behandelt, so daß sich eine Erörterung im breiteren erübrigt. Mir erscheint die Diskussion über den eigentlichen Schwerpunkt des Wehrbeauftragtenberichts viel wichtiger, nämlich die Frage der Grundrechtsverletzungen im Bereich der Bundeswehr. Ich will die Bundeswehr keineswegs - das ist der einzige Punkt, in dem ich mit Herrn Kollegen Ernesti übereinstimme - zu einer Alkohl- und Schinderarmee abstempeln. Die von dem Wehrbeauftragten dargestellten Entgleisungen und schweren Vergehen sind Einzelfälle und müssen auch als solche gesehen und gewertet werden. Dennoch ist jedes Fehlverhalten auf diesem Gebiet so bedeutsam, daß es nicht übergangen werden kann, sondern der kritischen Überprüfung und Überlegung bedarf, wie hier Abhilfe geschaffen werden kann. Ich bin dem Wehrbeauftragten dankbar, daß er dieses Thema in einer sachlichen, aber bestimmten Weise aufgegriffen hat. Es wäre für die Bundeswehr schädlich, auch über nur einzelnen Entgleisungen und Vergehen den Mantel des Schweigens auszubreiten. Ich stelle fest: Sie sind für die Bundeswehr nicht bezeichnend, aber sie waren immerhin möglich. Entwürdigungen, Demütigungen und Mißhandlungen, wie sie, wenn auch nur in Einzelfällen, beschrieben wurden, müssen uns alle aufhorchen lassen. Bei denjenigen, die sie begangen haben, handelt es sich in der Regel um langjährige Vorgesetzte. Umgekehrt ist es kaum anzunehmen, daß das die ersten Fehlhandlungen dieser Art waren. Es ist auch anzunehmen, daß unter Vorgesetzten, die um solche Vorgänge wußten, nicht noch ähnliche Fehlhandlungen vorgekommen sind. Der Wehrbeauftragte hat sich in seinem Bericht auf die Darstellung dieser im wahrsten Sinne des Wortes leidigen Vorgänge beschränkt. Dabei ist gegenüber dem Bericht kritisch anzumerken, daß den Ursachen leider nicht nachgegangen wurde noch Überlegungen angestellt wurden, in welcher Weise solche Vergehen künftig eingeschränkt werden können. Hier ist wiederum ein zentraler Punkt, der im strengen Sinne Fragen der Inneren Führung und der Bildung und Ausbildung in der Truppe berührt. Sosehr man dem Bundesminister der Verteidigung dankbar sein muß für die vorbeugenden Maßnahmen in Hinsicht auf den Alkoholmißbrauch bei der Truppe und auch in bezug auf seine vielfältigen Bemühungen zur Erreichung eines menschlicheren Klimas in der Truppe, so muß doch gesagt werden, daß einige Probleme der Aufarbeitung bedürfen, Angelegenheiten, die den einzelnen Soldaten menschlich und ganz unmittelbar betreffen. In einem Gespräch mit Vertretern der Kirche wurde ich kürzlich auf die seelische Grundstimmung vieler junger Menschen aufmerksam gemacht, die zum ersten Male in einer neuen Gemeinschaft fern des Elternhauses leben müssen. Heimweh, Schwierigkeiten mit der neuen Umgebung, ein völlig neues Unterordnungsverhältnis und dazu ein bis dahin nicht gekanntes Lern- und Trainingsverhalten belasten junge Menschen in einem weit größeren Maße, als wir es gemeinhin annehmen. Es muß positiv herausgestellt werden, daß der größte Teil der Gruppen- und Zugführer und auch der Kompaniechefs sich außerordentlich viel Mühe geben. Zugleich aber weist der Arbeits- und Dienstplan aus, daß gerade diese Leute oft völlig überfordert sind und Uberstunden ableisten, wie sie weder sonst im öffentlichen Dienst noch in der freien Wirtschaft üblich sind. Für die Wehrpflichtigen, für den Newcomer, bedeutet die Bundeswehr einen völlig neuen Einschnitt. Es ist die erste Begegnung mit dem Staat in dieser Form. Ihre Ausbilder sind fast gleichaltrige Kameraden, zum großen Teil nicht in der notwendigen Weise für die Aufgaben der Menschenführung ausgebildet und manchmal hinsichtlich der von ihnen geforderten Arbeitsleistung überfordert. Dies ist das entscheidende Dilemma im unteren Führungsbereich der Bundeswehr. Zusätzlich werden unsere Soldaten bis in die unteren Führungsränge mit unmäßigen und zum großen Teil unerfüllbaren bürokratischen Anforderungen belastet. ({0}) Ich will in dieser Analyse nicht nur bei technisch vordergründigen Vorgängen hängenbleiben, obwohl eine vernünftige Überprüfung seitens des Ministeriums in diesem Bereich unerläßlich ist. Wir sind dankbar, daß mit der Einsetzung der Kommission unter dem General a. D. de Maizière hier ein Anfang gemacht wird, zumal ein alter Praktiker diese Kommission leitet. Angesichts dieser Grundrechtsverletzungen, angesichts so übler Vorkommnisse - wenn es auch Einzelvorkommnisse sind - ist für die politisch Verantwortlichen die Frage nach den Konsequenzen unabdingbar. Es stellt sich für uns die Frage einer besseren menschlichen Betreuung des jungen Menschen, der sich als Wehrpflichtiger oder Zeitsoldat oft isoliert empfindet. Gewiß ist die Bundeswehr keine Heilsarmee, aber als moderne Streitkraft ist sie auf die willige Zuarbeit aller Soldaten angewiesen. Das Prinzip von Befehl und Gehorsam allein genügt nicht mehr. Deshalb ist es auch notwendig, Kameradschaftshilfe nicht nur in organisierten Zirkeln mit Festansprachen zu pflegen, sondern sie mit den Gefreiten oder Schützen auch zu erleben. Die Ausbildung darf sich für den Unterführer nicht nur in der Handhabung der Waffen und in taktischen Gefechtsübungen erschöpfen, sondern sie muß den einzelnen als Kameraden unmittelbar einbeziehen, denjenigen, der heimatfern eingezogen wurde, der familiäre Probleme oder Schwierigkeiten hat. Ausbildung in Menschführung ist unabdingbar notwendig. Alte Truppiers mögen dem Typ des Landsknechts nachweinen und darüber vergrämt sein, daß eine sensiblere Generation nachgewachsen ist. Aber wenn die Bundeswehr sich nicht selbst isolieren will und vor allem der Grundsatz der Humanität auch in den Streitkräften bewahrt werden soll, dann muß dies beachtet werden. Kein vernünftiger Politiker wird die Notwendigkeit eines Sachunterrichts in der Bundeswehr im Umgang mit Waffen und Geräten und der Gefechtsübung in Frage stellen. Aber die Ausbildung des Ausbilders im Bereich der Menschenführung wird die zentrale Frage der Bundeswehrfür die nächste Generation. Keine Armee kann auf die Funktionsfähigkeit verzichten. Diese aber ist nur und ausschließlich zu sichern, wenn die entsprechende Motivation, wenn die entsprechende Bereitschaft der Soldaten auch vorhanden ist. Dies kann nicht nur erzwungen werden, sondern es muß durch das persönliche Beispiel und die konkrete Erlebbarkeit der Freiheitswerte, die wir verteidigen, auch in der Bundeswehr beispielhaft dargestellt werden. Dazu gehören einige konkrete Anregungen. Erstens. Eine Überprüfung des Beurteilungssystems in der Bundeswehr ist längst überfällig. Der Bundesverteidigungsminister spricht zwar zu Recht in seiner Borkumer Rede davon, daß heute nur das Meßbare in die Beurteilung einbezogen wird. Ich stimme mit ihm überein, daß es die Qualitäten eines Unteroffiziers oder Offiziers erheblich verkürzt, wenn sie nur nach diesen Kriterien bemessen werden. Zugleich fordere ich ihn auch namens der SPD-Bundestagsfraktion auf, auch Kriterien in die Beurteilung einzubeziehen und zum wesentlichen Bestandteil zu machen, welche die Fähigkeiten der Menschenführung - Innere Führung und politische Bildung - beinhalten. Zweitens. Die Offiziersprüfzentrale in Köln und die Freiwilligen-Annahmestellen müssen die Kriterien für die Bewerbung nicht nur formal, sondern auch inhaltlich darauf abstellen, ob ein Bewerber auch tatsächlich für die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland eintritt. ({1}) Vorrangig für eine Annahme muß die Bejahung des demokratisch-freiheitlichen Rechtsstaates sein vor jeder Einzeleinrichtung des Staates. Die demokratische Grundordnung unseres Staates hat den Charakter aller seiner Institutionen zu bestimmen, auch den der Bundeswehr, wie sich dies aus dem Primat der Politik ergibt. Das Bild der Bundeswehr muß das Bild einer republikanischen Streitkraft bleiben, die vom Willen des Volkes geschaffen wurde und die Sicherheit dieses Volkes im Bündnis garantiert. Für mich war es ein erschreckendes Erlebnis, als in einer Sendung der ARD über „Wotans Erben" ein junger Rechtsradikaler auf die Frage nach seinem Berufswunsch prompt antwortete: Berufsoffizier. Das Bild der Bundeswehr kann nicht von Leuten geprägt werden, die aus dem Vorgestern leben und bereit wären, unser Volk erneut in die Katastrophe hineinzuführen. ({2}) Die Offiziersprüfzentralen und die FreiwilligenAnnahmestellen sind aufgefordert, Kriterien zugrunde zu legen, die den Maßstäben einer modernen Streitmacht in einer Demokratie entsprechen. In gleicher Weise sollte das BmVg die Werbung für die künftigen Zeit- und Berufssoldaten überprüfen. Mit dem Schlagwort „Ganze Kerle gesucht" kann man vielleicht junge Menschen anlocken, die das Abenteuer suchen. Sie werden dann aber über die realen Verhältnisse in der Bundeswehr selbst getäuscht, denn die Bundeswehr ist kein Tummelplatz für Abenteurer. Nachdenkliche junge Menschen, die wir als Nachwuchs für die Unteroffiziers- und Offizierslaufbahn brauchen, werden von einer solchen Werbung abgeschreckt. Ich bin der Auffassung, daß nicht der dümmliche Draufgänger, sondern der nachdenkliche Soldat das Bild des Vorgesetzten in der Bundeswehr repräsentiert. Obwohl Einzelfälle, erschüttern die Beispiele des Wehrbeauftragten durch die Brutalität und Grausamkeit der dort benannten Vorgesetzten. Alexander Mitscherlich sagt in seinem Werk „Die Unfähigkeit zu trauern", daß Fremderniedrigung Selbsterhöhung bewirken solle. Der Typus von Vorgesetzten, der Freude an der Erniedrigung und Demütigung eines anderen Menschen empfindet, ist für uns untragbar. Es liegt auch an uns, in der Bundeswehr eine Vorstellungswelt zu schaffen, in der zwar Befehl und Gehorsam unumstößlich sind, aber kameradschaftliche Zusammenarbeit und Mitwirkung unabdingbar notwendig sind. Drittens. Ich habe den Wehrbeauftragten im letzten Jahr gebeten, eine Synopse zu erstellen, aus der ersichtlich wird, welche Fälle schon jahrelang anstehen, unerledigt bleiben oder sachlich nicht zu lösen sind. Ich möchte den Wehrbeauftragten noch einmal auf diese Anforderung hinweisen, eine solche Zusammenstellung für den nächsten Jahresbericht vorzunehmen, die ihm und uns allen hilfreich ist. Das gleiche gilt auch für die Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums zu dem Bericht des Wehrbeauftragten. Zum Schluß möchte ich dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion herzlich danken für die Anregungen, die wir besonders seit der Tagung in Leverkusen von ihm erhalten haben, und für die aktive Unterstützung, wenn es um die Belange der Bundeswehr und unserer Soldaten ging. ({3}) Präsdent Carstens: DasWort hat der Herr Abgeordnete Möllemann. ({4})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gemach, gemach, das kommt alles zu seiner Zeit. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Horn hat mit einem Dank geschlossen. Ich möchte mit einem Dank beginnen, jedenfalls um einmal den Wünschen der Opposition gerecht zu werden, und zwar möchte ich dem Wehrbeauftragten für den Bericht danken, der vorgelegt worden ist. Ich finde es erfreulich, daß wir diesmal zu einem relativ frühen Zeitpunkt dazu kommen, den Bericht zu beraten. Ich hoffe, daß wir diese' Tatsache auch als Ansporn dafür auffassen können, die schon lange geplante Novellierung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten nunmehr abzuschließen. ({0}) Bei einer ersten Beratung, die wir hier vornehmen, möchte ich mich auf einige Schwerpunkte konzentrieren und dabei mit dem Themenkomplex beginnen, der im Mittelpunkt des Berichts des Wehrbeauftragten steht, nämlich der Inneren Führung. Ich freue mich sehr darüber, daß wir jetzt eine sehr sachliche und breite Diskussion über diesen Themenbereich auch in der Öffentlichkeit haben, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir seit einigen Jahren darauf hingewiesen haben, daß nicht nur Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr wichtig sind, sondern eben auch die Frage, wie es mit den Menschen in der Bundeswehr aussieht, wie es mit der Menschenführung steht, also der Inneren Führung. Ich finde es gut, daß der Bundesverteidigungsminister in diesem Themenkomplex eine Reihe von Veränderungen eingeleitet hat - auch im Blick auf die Schule für Innere Führung -, die geeignet sind, Mängel abzustellen. Aber es bleiben eine Reihe von Mängeln bestehen. Dies belegen ja nicht nur unsere Truppenbesuche und unsere Gespräche mit Soldaten, sondern dies belegt z. B. auch ein Bericht über die diesjährige Informations- und Arbeitstagung der hauptamtlichen Jugendoffiziere, die am 6. April in Koblenz stattgefunden hat. Diese Jugendoffiziere haben dort ein einstimmig verabschiedetes Berichtspapier vorgelegt, in dem sie sich mit Schwächen der Inneren Führung beschäftigen. Etwa 40 Oberleutnante und Hauptleute sagen in diesem Papier folgendes - ich zitiere -: 1. Die von der Öffentlichkeit reflektierten Mißstände der Inneren Führung resultieren aus: teilweise unzeitgemäßen Strukturen der Bundeswehr, vor allem jedoch auch aus der gegebenen Möglichkeit willkürlich falscher Auslegung von Vorschriften. 2. Eine Veränderung des truppendienstlichen Alltags kann nur dann stattfinden, wenn es gelingt, angemessenes Verständnis der Umweltsituation und Fähigkeit sowie Bereitschaft zur Einführung in die Untergebenensituation zu vereinen, um die Erfüllung des soldatischen Auftrags zu verbessern. 3. Die Jugendoffiziere sind der Meinung, daß keineswegs Vorschriften zu verschärfen und Freiräume weiter zu verengen sind. Vorschriften sind daraufhin zu überprüfen, ob sie in ihrer gesamten Aussage den Anforderungen eines mündigen Mitarbeiters und damit dem Prinzip „zeitgemäßer Menschenführung" entsprechen. 4. Dies könnte ebenfalls bedeuten, daß in dem einen oder anderen Bereich Abschied genommen werden muß von tradierten Verhaltensweisen und der Inhalt von einschlägigen Vorschriften überdacht werden muß, was ihre Aufhebung und Neukonzipierung zur Folge haben kann. 5. Weitergehende Vorstellungen hinsichtlich etwa eines Ausgleichs von Dienstzeitbelastung, verschieden zu bewertender Dienste oder veränderte Formen einer Mitwirkung in den Streitkräften dürfen nicht tabuisiert werden. Ich finde, das ist eine ganz wichtige Aussage von Offizieren der Bundeswehr, die in diesem Bereich ja nun hauptamtlich tätig sind. Sie folgern für den Bereich der Führungsmaßnahmen - ich zitiere noch einmal -: 1. Allgemeines Unsere Vorschläge haben das Ziel, den z. Z. besonders von dem Wehrpflichtigen empfundenen Bruch zwischen seinen bisherigen zivilen Erfahrungen und dem militärischen Alltag zu verhindern. Dadurch könnte die alte Forderung: „Soldat = Staatsbürger in Uniform" besser verwirklicht werden, weil es die Pflicht aus Einsicht zu erfüllen hilft. 2. Vorschläge a. Mehr praxisorientierte Ausbildung der Ausbilder im Bereich der Menschenführung, d. h. konkret: kooperativer Führungsstil, Rollenspiele, Auswertung von Video-Aufzeichnungen ..., Konfliktlösungstraining. b. Diese Grundausbildung in Menschenführung muß im gesamten Ausbildungsweg fortgeführt werden. c. Bei der Auswahl und Förderung militärischen Führungspersonals sind soziale Fähigkeiten stärker zu berücksichtigen und zu gewichten. Sie kommen zu der Schlußbemerkung - damit endet das Zitat -: Der Spannungsbogen von Befehl und Gehorsam ist unverzichtbarer Rahmen, erlaubt jedoch die Diskussion über Liberalisierung und Vermenschlichung in Teilbereichen des militärischen Alltags. Ich habe dieses etwas ausführliche Zitat hier gebracht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, weil es aus der Bundeswehr selbst kommt, auch nicht von einzelnen Soldaten, die man vielleicht in diese oder jene Ecke einsortieren könnte, sondern von den Jugendoffizieren der Bundeswehr. Ich meine, ein solches Papier wäre eine gründliche Diskussion wert. Wir sollten vielleicht die Diskussion über den Bericht des Wehrbeauftragten im Ausschuß zum Anlaß nehmen, dieses Papier einmal zu diskutieren. Ich finde, es ist im übrigen ein Ausdruck des Praktizierens von Innerer Führung, daß ein solches Papier auch tatsächlich offen diskutiert wird, und ich freue mich darüber, daß es uns in die Diskussion gegeben worden ist. In früheren Zeiten wären möglicherweise dem einen oder anderen Soldaten deswegen Schwierigkeiten erwachsen. Es ist schön, daß das heute nicht mehr passieren kann. Ich möchte nun einige Punkte nennen, auf die wir in der Beratung über dieses Thema besonders achten wollen. Erstens. Wir werden darauf achten, daß der neue Auftrag der Schule für Innere Führung auch tatsächlich umgesetzt wird. Dabei unterstreichen wir noch einmal die Notwendigkeit, diese Schule auch materiell, personell und politisch nachhaltig zu unterstützen. Dies gilt auch und gerade für die neue Anlauf- und Erprobungsphase. Ich bin skeptisch, ob die derzeit gegebene Ausstattung dafür ausreicht. Es wird darauf hingewiesen, daß dafür im Moment nicht mehr Personal zur Verfügung stehe. Vielleicht hat das ein wenig damit zu tun, daß in der Bundeswehr insgesamt ein wenig das Prinzip vorherrscht: Zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer. Wir haben in anderem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, daß man die Funktionen der in den Stäben Diensttuenden einmal auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen sollte. Zweitens. Gemeinsam sollten wir darauf achten, daß Ausbildung und Qualifikation im Bereich der Inneren Führung für Kommandeure und Einheitsführer obligatorische Bestandteile des Werdegangs und wichtiges Kriterium bei der Beurteilung und Beförderung sind. Der Herr Kollege Horn hat soeben nachdrücklich darauf hingewiesen. Ich stimme ihm zu. Drittens. Bis Ende 1979 soll die vom Verteidigungsminister eingesetzte Kommission, die unter der Leitung von Herrn de Maizière steht, Vorschläge zum Abbau bürokratischer Strukturen unterbreiten und so helfen, den Weg zu mehr eigenständigem, selbstverantworteten Handeln freizumachen. Wir sind auf die Ergebnisse der Kommission natürlich mit Ihnen, Herr Dr. Apel, sehr gespannt. ({1}) Viertens. Wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen, um die Möglichkeiten der Mitwirkung der Soldaten aller Dienstgradgruppen auszuweiten. Am besten scheint mir das durch einen Großversuch mit den verschiedenen vorliegenden Mitwirkungsmodellen zu gehen. Sonst verfängt man sich bei der Frage der Mitwirkung sehr schnell im Ideologischen. Ich finde, praktizierte Mitwirkungsmodelle geben durch die Erfahrung eher die Möglichkeit, zu sagen, ob es geht oder nicht geht. Fünftens. Politische Bildung als Bestandteil einer lebendigen Inneren Führung verlangt die Möglichkeit praktischer Anwendung der vermittelten Theorien. Dies kann im Rahmen einer ausgeweiteten Mitwirkung geschehen. Es sollte aber auch ganz allgemein ein breiteres politisches Engagement der' Soldaten erfolgen. Das von manchen immer noch gehätschelte Idealbild, Idealbild des unpolitischen, mindestens aber parteineutralen Soldaten ist meines Erachtens eine Karikatur des Staatsbürgers in Uniform. ({2}) Wir möchten die Soldaten bitten, im eigenen und im Gemeinschaftsinteresse im Wortsinn Partei zu ergreifen, sich politisch zu engagieren - natürlich am besten bei uns; aber wenn das gar nicht geht, dann eben bei einer anderen demokratischen Partei. ({3}) Alle einschlägigen Bestimmungen, die den Soldaten in der Wahrnehmung seiner politischen Rechte besondere Zurückhaltung auferlegen, sollten wir überprüfen und, wo nötig, aufheben. Wir haben gerade in der vorigen Sitzung des Verteidigungsausschusses über einige dieser Punkte gesprochen, etwa die Frage, ob Soldaten Parteiaufkleber an ihrem Wagen haben dürfen, oder die Frage, ob man nur noch in bestimmten Zeitabständen politische Veranstaltungen in den Kasernen machen dürfen soll, oder die Frage, ob Soldaten bei politischen Veranstaltungen Uniform tragen dürfen. Ich bin der Auffassung: Wer politisches Engagement als Bestandteil funktionierender Innerer Führung wirklich will, der sollte hier die Regelungen nicht so eng auslegen, sondern mehr das Ziel sehen und diese Restriktionen aufheben. Der zweite große Teilkomplex im Bericht des Wehrbeauftragten wird von den Sozialfragen gekennzeichnet. Wir hoffen sehr, daß Ihre Analyse, Herr Berkhan, wie auch die Analyse der Kommission des Verteidigungsministeriums zu den notwendigen Konsequenzen führen werden. Schwerpunkte sind von meinen Vorrednern bereits genannt worden. Ich möchte hier nur drei aufgreifen, nämlich erstens die Frage der Versetzungshäufigkeit, die auf das dienstlich unverzichtbar notwendige Maß eingegrenzt werden muß, zweitens das Thema der Dienstzeitbelastung - hier können wir zwar von einem besonderen Berufsbild des Soldaten nach wie vor sprechen, aber nicht eine so unvertretbar hohe zeitliche Belastung von bestimmten Dienstgradgruppen abverlangen -, drittens das Thema Beförderungsstau bzw. Verwendungsstau, dem Sie mit Recht ein gewisses Augenmerk gewidmet haben; denn in der Tat werden der Personalkegel einerseits und die Motivation andererseits in bestimmten Bereichen so sehr darunter leiden, daß die Bundeswehr Schwierigkeiten haben wird, ihren Auftrag zu erfüllen. ({4}) Sie haben völlig recht, Herr Wehrbeauftragter, wenn Sie darauf hinweisen, daß die Parlamentarier dann natürlich auch haushaltsrechtliche oder haushaltsmäßige Konsequenzen werden ziehen müssen. Jeder Lösungsweg, der denkbar ist, kostet einfach mehr Geld. ({5}) - Das ist nicht eine Frage der Regierung, Herr Kollege Damm, sondern das ist eine Frage der Prioritäten, die wir bei den Haushaltsberatungen setzen müssen. Es steht ja auch Ihnen als einem Abgeordneten der Oppositionspartei völlig frei, einen entsprechenden Änderungsantrag zum Haushalt einzubringen. ({6}) Sie haben, Herr Wehrbeauftragter, eine Frage angesprochen, über die wir im Ausschuß sicher detailliert werden beraten müssen und zu der Sie möglicherweise bei der zweiten Beratung hier vor dem Plenum Stellung nehmen werden, nämlich die Frage der Familienheimfahrten. Das ist ein Thema, mit dem wir uns schon lange auseinandersetzen. Dazu bin ich nach wie vor der Meinung, daß wir den Soldaten die freie Wahl geben sollten, ({7}) ob sie mit ihrem Pkw oder mit einem öffentlichen Nah- oder Fernverkehrsmittel nach Hause fahren. Diejenigen Soldaten nämlich, die an weit abgelegenen Standorten Dienst tun oder ihren Heimatort mit Zügen nur schwer erreichen können, würden gewissermaßen bestraft, wenn sie mit dem Zug fahren müssen. Sie hingen das ganze Wochenende auf der Bahn. Das kann man, wie ich finde, von ihnen nicht verlangen. Man sollte ihnen den Betrag, den sie für eine Fahrkarte bekommen, in Form von Spritgeld auszahlen. Es wird weiter gesagt, dies erhöhe möglicherwei- se die Unfallhäufigkeit. Wir Abgeordneten haben ja auch freie Fahrt auf den Bundesbahnstrecken, und keiner von uns läßt sich vorschreiben, wegen der Unfallhäufigkeit nicht mehr mit dem Auto fahren zu dürfen. Wir sollten es anderen auch zubilligen, frei darüber zu entscheiden, mit welchem Verkehrsmittel sie fahren. Als dritten Bereich möchte ich den Bereich von Bildung und Ausbildung in den Streitkräften ansprechen. Hier möchte ich mich kurz mit zwei Gruppen befassen, und zwar zunächst mit der Gruppe der Unteroffiziere. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir müssen allmählich eine Konsequenz aus der Tatsache ziehen, daß die Unteroffiziere mit ihrer Aufgabenstellung durch die Bank überfordert sind und bleiben, wenn wir sie nicht intensiver auf ihre Aufgabe der Menschenführung vorbereiten. Die einjährige Ausbildungszeit reicht nicht aus. Sie reicht vielleicht aus, um sie fachlich zu qualifizieren. Um sie aber als Vorgesetzte von Wehrpflichtigen hinreichend im Bereich der Menschenführung auszubilden, reicht diese Zeit nicht aus. Das empfinden im übrigen die Wehrpflichtigen ebenso wie die Unteroffiziere selbst. Deswegen sollten wir ihnen wirklich eine längere Ausbildungszeit einräumen. Keine Gruppe von Vorgesetzten prägt nämlich das Bild der Wehrpflichtigen von der Bundeswehr so stark und keine Gruppe ist für den Erfolg der Ausbildung so entscheidend wie die der Unteroffiziere. Hier werden wir also Konsequenzen im Sinne der Verlängerung der Ausbildung ziehen müssen. Was die zweite Gruppe, die Gruppe der Offiziere, angeht, so interessiert uns ein Thema nach wie vor ganz besonders, nämlich der Abschnitt der Hochschulausbildung der Offiziere. Wir hatten in dieser Woche Gelegenheit, die Bundeswehrhochschule in Hamburg zu besuchen und uns dort noch etwas sachkundiger zu machen. Dies ist ja ab und zu ganz angemessen, auch für uns. In drei Positionen können wir unsere Auffassung eigentlich nur noch einmal unterstreichen. Erstens. Die studierenden Offiziere an den Hochschulen der Bundeswehr brauchen eine längere Vorlaufzeit in der Truppe. Sie sollten etwa ein Jahr als Gruppen- oder Zugführer tätig gewesen sein, bevor sie ihr Studium aufnehmen, um dann schon einen unmittelbaren Bezug zu ihrem angestrebten Beruf zu haben. Wenn sie eine Vorgesetztentätigkeit schon ausgeübt haben, erleichtert dies sicherlich eine entsprechende Ausrichtung des Studiums. Zweitens. Das erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche Anleitstudium ist nach wie vor nicht verwirklicht. Es ist aber ganz entscheidend dafür, ob die Offiziere im Bereich der Menschenführung einerseits und im Bereich der Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft andererseits ihren Auftrag erfüllen können. Drittens. Nach wie vor bleiben wir bei der Auffassung, daß die Bundeswehrhochschulen für zivile Studenten geöffnet werden sollten. Zu den Argumenten, die wir hierzu schon mehrfach vorgetragen haben, kommt nach unserem Besuch an der Bundeswehrhochschule Hamburg ein weiteres hinzu. Wir stellen fest, daß diese Hochschulen praktisch - verständlicherweise - keinen eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs rekrutieren können, dies aber natürlich gern wie jede andere Hochschule auch tun würden. Hier würde sicherlich die Öffnung für zivile Studenten ebenfalls eine Erleichterung bringen. ({8}) - Herr Kollege, wenn Sie etwas genauer zugehört hätten, hätte es dieses Mißverständnis bei Ihnen nicht gegeben. Ich habe nicht gesagt, daß es ein Defizit an Wissenschaftlichkeit gebe. Wohl aber gibt es ein Defizit an wissenschaftlichem Nachwuchs für die Hochschullehrerlaufbahn dort, und zwar deshalb, weil die dort studierenden Soldaten anschließend in militärische Verwendungen zurückgehen und nicht an der Hochschule als Assistenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Dozenten bleiben können. Dies habe ich gemeint. Jetzt dürfte es, wie ich glaube, klar sein. Hier wäre also eine Erleichterung möglich. Wir plädieren dafür, unter diesem Gesichtspunkt eine solche Veränderung herbeizuführen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. Der Bericht des Wehrbeauftragten enthält eine Fülle von guten Anregungen, die einer intensiven Beratung im Ausschuß bedürfen. Ich möchte dem Wehrbeauftragten deshalb noch einmal für seinen Bericht danken. Ihnen danke ich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich dem Wehrbeauftragten für seinen Bericht danke, so ist das keine Floskel. Sein Bericht zeigt erneut, wie wesentlich und wie wichtig die Institution des Wehrbeauftragten für die Innere Führung, für das Funktionieren, für die Einbettung der Bundeswehr in unserer Demokratie ist. Im übrigen kann ich dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages mitteilen, daß wir die Arbeit an unserer Stellungnahme zum Bericht des Herrn Wehrbeauftragten abgeschlossen haben. Die Stellungnahme ist auf dem Wege. Ich denke, daß der Verteidigungsausschuß die Unterlagen nach der nächsten, der sitzungsfreien Woche haben wird. Ich habe auch sehr viel Verständnis dafür, daß Sie, meine Damen und Herren, der Meinung sind, es sollte einmal aufgelistet werden, was denn eigentlich liegengeblieben sei. Wir haben eine derartige Auflistung nicht zu scheuen. Ich denke, sie wird zeigen, daß wir mit aller Akribie und mit aller Genauigkeit den Anregungen nachgegangen sind. Ich möchte Ihnen gerne auch an einem Beispiel zeigen, wie sich Dinge entwickeln. Der Herr Wehrbeauftragte hat uns immer wieder aufgefordert, die Fragen des Uniformtrageverbots - und wir hatten darüber im Verteidigungsausschuß vor einer Woche eine Debatte - neu zu regeln, nicht zuletzt deswegen, weil es vor Ort Schwierigkeiten gibt, wenn die Vorgesetzten zu entscheiden haben, ob ein Soldat in Uniform zu einer Veranstaltung berufsständischen oder gewerkschaftlichen Charakters gehen darf oder soll. Der 1. Mai ist ein Tag, an dem dieses Problem besonders gravierend ist, weil der 1. Mai radikale Gruppen einlädt, die Uniform für ihre politischen Ziele zu mißbrauchen. Da muß man sich dann die Entwicklung anschauen, um sehen zu können, daß sich die Dinge in den letzten Jahren entspannt haben: 1976 gab es 136 Verstöße gegen das Uniformtrageverbot, 1977 120, 1978 36 und am letzten 1. Mai 19. Zu diesen 19 kann man vielleicht 2 Soldaten rechnen, die aber auf dem Bürgersteig mitmarschiert sind, so daß nicht genau zu definieren war, ob sie nun in dem Demonstrationszug und damit in der Gefahr, gegen das Verbot zu verstoßen, waren oder ob sie nebenhermarschiert sind. Von diesen 19 haben am 1. Mai wahrscheinlich 10 gegen § 15 des Soldatengesetzes verstoßen. ({0}) Man muß derartige Größenordnungen bei 500 000 Soldaten vor Augen haben, um zu sehen, worum es geht. Dennoch, Herr Wehrbeauftragter, haben wir uns alle Mühe gemacht. Wir haben alle Alternativen durchgespielt. Wir sind vor den Verteidigungsausschuß gegangen; ich glaube, Sie haben an der Sitzung teilgenommen. Am Ende hat sich herausgestellt, daß es eine bessere als die gegenwärtige - eine durchaus unvollkommene - Regelung leider nicht gibt. Eine zweite Bemerkung: Auch ich, Herr Abgeordneter Horn, denke, daß die Werbung zugunsten der Bundeswehr manchmal dümmlich ist. Werbung ist nach meiner Einschätzung grundsätzlich dümmlich. ({1}) Insofern unterscheidet sich die Werbung der Bundeswehr auch nicht von der Werbung der politischen Parteien für sich selbst. ({2}) Ich bin aber durchaus der Meinung - und wir haben Entsprechendes eingeleitet -, daß wir nuancierter argumentieren sollten. Wenn Sie sich die letzten Nummern unseres Werbematerials anschauen, werden Sie sehen, daß darauf abgestellt wird, auch an die Adresse von 16- und 18jährigen gewandt, ein Mindestmaß an demokratischen, politischen Notwendigkeiten darzustellen und zu verdeutlichen, daß Wehrdienst Friedensdienst und damit auch in demokratisches Leben einbezogen ist. Zu Herrn Möllemann - ich komme am Ende meiner Ausführungen zu Herrn Ernesti; ich möchte in dieser Reihenfolge vorgehen -: Ich möchte ihm ausdrücklich zustimmen. Für mich ist die Schule für Innere Führung ein zentrales Instrument. Sie haben selbst anerkannt, daß viel geschehen ist. Wir wollen den Weg weitergehen, auch was die Ausstattung dieser Schule materiell wie personell anbelangt, wobei ich eines hinzufügen möchte: Das, was uns derzeit personell an der Schule für Innere Führung entgegentritt, verlangt allerhöchste Anerkennung - das ist schon gut - und macht auch deutlich, daß viele Offiziere in der Bundeswehr diese zentrale Aufgabe mit großem Engagement sehen. Im übrigen ist das - da bin ich mit Ihnen einer Meinung - Gott sei Dank auch ein Generationenproblem; junge Menschen sehen die Dinge anders. Ich bin zwar für diese offene Diskussion, Herr Ernesti, nur dürfen Sie die Diskussion an der Führungsakademie nicht so charakterisieren, wie Sie das getan haben. Herr Möllemann, ich bin auch für das politische Engagement unserer Soldaten. Nur - und in diesem Punkt unterscheiden wir uns doch -: Bitte außerhalb des militärischen Bereichs, außerhalb des Dienstbetriebes! ({3}) Ich möchte auf keinen Fall, daß wir unsere parteipolitischen Auseinandersetzungen, die zwangsläufig kontrovers, die Teil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses sind, in einen Bereich hineintragen, in den sie nicht hineingehören. Da muß es dann auch der Bundesminister der Verteidigung, wenn er in der Turnhalle der Bundeswehrhochschule in Hamburg Sonntag für Sonntag Fußball spielt, ertragen ({4}) - ja, der hat viel Zeit, das ist richtig -, daß er von dem diensttuenden Offizier gefragt wird, ob er nicht seinen mit einem Parteiaufkleber versehenen Wagen lieber vom Gelände entfernen wolle. Ich habe unseren Freund dort natürlich darauf aufmerksam gemacht, daß ich zwar Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt sei, aber eben kein Soldat. ({5}) - Der Frieden ist ja, wenn die sozialliberale Koalition weiterregiert, in unserem Land ein Dauerzustand. ({6}) Eine letzte Bemerkung noch zu Herrn Möllemann - ich glaube, auch für Sie, Herr Ernesti, wie auch für Sie, Herr Abgeordneter Horn, war diese Frage von Bedeutung -, zur Unteroffiziersausbildung: Alles das, was Sie sagen, ist im Prinzip richtig. Ich habe mich bei unseren Herren, die diese Arbeit auf der Hardthöhe mit mir zusammen leisten, noch einmal vergewissert: Wir sind an der Arbeit. Alle Teilstreitkräfte ziehen mit. Wir wollen nicht versprechen, noch vor der Sommerpause ein angepaßtes Konzept vorlegen zu können, aber nach der Sommerpause sind wir diskussionsbereit. Auch in diesem Punkt lege ich allergrößten Wert auf die offene Diskussion im Verteidigungsausschuß. Wir können nicht genug Sachverstand versammeln, um für unsere Bundeswehr das Beste und damit für unsere Demokratie das Angemessene zu erreichen. Ich möchte jetzt zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Ernesti kommen. Herr Ernesti, Sie haben in einer Schlußapotheose eine ganze Reihe von Problemen dargestellt: von dem bedauerlichen Spionagefall Lutze/Wiegel, der auf der Hardthöhe zu einer ganzen Reihe von einschneidenden Konsequenzen geführt hat, bis hin zu einer von Ihnen behaupteten, aber nie zu beweisenden Parteipolitisierung der Bundeswehr. Wenn Sie meinen, mit diesen polemischen Bemerkungen - ({7}) - Entschuldigen Sie, tut mir leid. So weit nach links habe ich Sie nicht eingeordnet. ({8}) - Das ist genau das Problem. In dem Bereich hat auch die NATO in einem Bericht einer „Task Force" festgestellt, daß wir noch mehr tun müssen, Herr Damm. Aber Sie werden das in den Ausschüssen der Nordatlantischen Versammlung schon mit richten. ({9}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich doch einfach sagen: Wenn Sie aus all dem, was Sie aufgezählt haben, den Schluß ziehen, daß die Zahl der Dienstvergehen zunehme, dann ist dazu anzumerken, daß erstens diese Schlußfolgerung falsch ist wie zweitens auch die Feststellung, daß die Zahl der Vergehen zunehme. Das muß ich hier nun einmal in aller Deutlichkeit sagen. Die Zahl der Dienstvergehen betrug im Jahre 1975 113 000, im Jahre 1976 80 000, im Jahre 1978 64 000. Die Zahl der Dienstvergehen nimmt also ab. Alle Debattenredner haben deutlich gemacht, daß wir nicht den Eindruck erwecken dürfen, als sei die Bundeswehr eine Horde von Saufbolden. Auch hier in dieser Debatte muß gesagt werden - wir werden Ihnen das auch schriftlich vorlegen -, daß die Zahl der Dienstvergehen unter Alkoholeinwirkung - das, was außerhalb der Kaserne im privaten Bereich geschieht, können wir nicht beeinflussen; hier sind wir den Tendenzen dieser Gesellschaft unterworfen - von 1978 auf 1979 um 27 °/o abgenommen hat. Die Schlagzeilen sind also nicht berechtigt. Die Zahl der Grundrechtsverletzungen durch Offiziere betrug 1978 fünf - bei 41 000 Offizieren -, die durch Unteroffiziere 49 - bei 144 000 Unteroffizieren. Das heißt nun keineswegs, daß wir die Gravamina des Wehrbeauftragten nicht ernst zu nehmen hätten. Jeder Fall für sich ist ernst zu nehmen, muß geahndet, muß beurteilt werden. Aber ich wehre mich gegen den Eindruck, als seien Alkohol oder Grundrechtsverletzungen Probleme mit zunehmender Tendenz. Dieser Eindruck ist falsch. Und im übrigen, wo haben Sie eigentlich einen Befehl von mir zum Alkoholverbot gefunden? Bitte genau nachlesen! Wir haben darauf hingewiesen, Herr Ernesti, daß Generalinspekteur Zimmermann im Juni 1974 den Ausschank von Alkohol während der Dienstzeit untersagt hat. Darauf habe ich verwiesen. Dies ist meine Pflicht. Ansonsten bin ich der Meinung: auch hier ist mit Befehl allein nichts zu machen. ({10}) Damit bin ich bei einem wichtigen Punkt, der uns augenscheinlich doch deutlich unterscheidet. Wenn ich „uns" sage, meine ich die FDP und die Sozialdemokraten. Sie haben zu dem Thema Dienstvergehen, in diesem Zusammenhang auch zum Thema Bürokratisierung, gesagt: bitte schön, da muß verbesserte Dienst- und Fachaufsicht her! ({11}) - Herr Weiskirch, Sie sagen, dies sei richtig. Ich bin überhaupt nicht gegen verbesserte Dienst- und Fachaufsicht. Dies ist meine Pflicht. Aber wenn wir meinen, Probleme innerhalb einer Großorganisation wie der Bundeswehr allein über Dienstaufsicht und Fach. aufsicht lösen zu können, dann fügen wir der auch von Ihnen beklagten Verbürokratisierung ein neues Element hinzu, und wir akzeptieren dann auch nur in Grenzen die Prinzipien der Inneren Führung, die ja darauf angelegt ist, den Menschen in seiner Individualität anzusprechen und in seiner Individualität davon zu überzeugen, daß er seine Pflicht zu tun hat - nicht wegen der Dienst- und Fachaufsicht, sondern wegen der Einsicht, wegen der Kameradschaft, wegen der Notwendigkeit, die Bundeswehr funktionsfähig zu erhalten. Über diese Frage müssen wir weiter debattieren. Ich habe die de-Maizière-Kommission nicht eingesetzt, um Dienst- und Fachaufsicht zu verstärken, sondern um Menschen, die in unserer demokratischen Gesellschaft groß geworden sind, von ihr geprägt sind, junge Menschen - und die jungen Menschen, die zur Bundeswehr kommen, sind genauso wie die jungen Menschen draußen, nicht besser und nicht schlechter, nicht radikaler und auch nicht demokratischer -, die wir immer besser ausbilden, die wir jetzt auf die Bundeswehrhochschulen schicken, in ihre eigene Verantwortung zu stellen. Wir können doch nicht junge Menschen immer besser ausbfl den und dann durch Fach- und Dienstaufsicht immer mehr gängeln wollen. Welches Bild vom Menscher steckt eigentlich hinter derartigen Bemerkungen? Zu Herrn Möllemann noch einen Satz. Die Umzugshäufigkeit ist sicherlich ein Problem. Die föderale Bildungsstruktur in unserem Land macht ja einen Umzug für viele Kinder zu einem echten Abenteuer. Dies werden wir nicht ändern, und auch das Problem der reduzierten Möglichkeiten der mitarbeitenden Ehefrauen, anderswo einen Arbeitsplatz zu finden, bleibt ein Problem - auch bei Rückgewinnung eines hohen Beschäftigungsstands. Aber in einem Punkt, glaube ich, müssen wir auch Fakten zur Kenntnis nehmen - wir werden das im Weißbuch darstellen -: Im Jahre 1969 sind 35 % der Offiziere versetzt worden, im Jahre 1977 waren es nur noch 26 %. Wir bemühen uns also schon. 1969 sind 21 % der Unteroffiziere versetzt worden, 1977 noch 12 %. Aber ein Mindestmaß an Mobilität müssen wir bei der Bundeswehr auch weiterhin verlangen. Im übrigen: Wenn wir über die soziale Lage der Bundeswehr reden, uns abstützen auf den Bericht des Herrn Wehrbeauftragten, dann müssen wir bitte auch das für mich wesentliche Zitat zur Kenntnis nehmen: daß die soziale Sicherheit innerhalb der Bundeswehr ein hohes Niveau erreicht hat. Das heißt nicht, daß das Thema Dienstzeitausgleich nicht auf der Tagesordnung bleibt. Hier lade ich Sie alle, meine Damen und Herren Abgeordneten, ein, etwas mehr Zivilcourage auch dann zu zeigen, wenn in Ihren Wahlkreisen die Bürgermeister, die Landräte - wer auch immer - kommen und wünschen, die Bundeswehr möge doch ein Zelt stellen, die Bundeswehr möge am Wochenende dies oder jenes tun. ({12}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundeswehr ist nicht dazu da, Pferdeäpfel in Aachen zu fegen. Dies kann anders gemacht und anders finanziert werden. Bei mir stoßen Sie hier auf Granit. Wenn wir den Dienstzeitausgleich ernst nehmen, wenn wir die Belastung für die Bundeswehr ernst nehmen, müssen wir auch die Zivilcourage haben, allen Beteiligten zu sagen, wir seien nicht die Hilfstruppe der Nation. Zum Thema „Dienstzeitausgleich" haben wir Ihnen übrigens eine Vorlage gemacht. Ich werde einige Schwierigkeiten haben, diese Vorlage in die Realität umzusetzen; ich vertraue auf Ihre Unterstützung. Wir werden im übrigen zum Thema „Beförderungs- und Verwendungsstau" im Weißbuch unsere Vorstellungen entwickeln. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß dieses eines der schwerwiegendsten Themen ist, die unsere Bundeswehr in den 80er Jahren betreffen werden. ({13}) Wir haben eine zunehmende Überalterung des Offizierskorps - beim Unteroffizierskorps haben wir, wie Sie sehen werden, die Probleme weitgehend gelöst - und einen unglaublichen Nachholbedarf bei der Einstellung junger Offiziere in den 90er Jahren, nämlich dann, wenn uns die sehr geburtenschwachen Jahrgänge eine ganze Reihe von auch ökonomischen Problemen bereiten werden. Wir werden Ihnen dazu Vorschläge machen, damit vom Beginn der nächsten Legislaturperiode an dieses Problem auch mit Geld - dies wird nicht billig werden - gelöst werden kann. Schlußbemerkung: Ich freue mich auf eine sehr genaue und detaillierte Aussprache im Verteidigungsausschuß. Eine Organisation wie die Bundeswehr mit 500 000 Soldaten und 170 000 ZivilbedienBundesminister Dr. Apel steten, eine Organisation von bald 700 000 Menschen, ist zwangsläufig auch zu kritisieren. Ich fordere meine Mitarbeiter, die Soldaten und die Zivilbediensteten, auf, diese Kritik als einen Teil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses zu nehmen und nicht unnötig nervös zu reagieren - wie ich uns insgesamt mehr Gelassenheit verordne. In mir finden Sie - das ist mein Angebot - einen Partner, der selbstkritisch genug ist, um auch zu wissen, daß nur der Dialog in der Lage ist, das zu tun, was dieser Republik und der Bundeswehr angemessen ist. ({14})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Jahresberichts 1978 des Wehrbeauftragten auf Drucksache 8/2625 an den Verteidigungsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Es gibt keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({0}) - Drucksache 8/2467 - aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/2870 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stavenhagen bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2}) - Drucksache 8/2868 - Berichterstatter: Abgeordneter Daweke Abgeordneter Vogelsang ({3}) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({4}) zu dem Dritten Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 BAföG - Drucksachen 8/2269, 8/2868 Berichterstatter: Abgeordneter Daweke Abgeordneter Vogelsang Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daweke.

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Haushalt des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, der insgesamt 4,1 Milliarden DM umfaßt, nimmt das sogenannte BAföG insgesamt 2 Milliarden DM in Anspruch. Sie ersehen aus dieser Relation, daß das Gesetz, das wir heute beraten, von großer Wichtigkeit ist; man könnte sagen, es ist neben dem Posten des Gehalts des Ministers und des Staatssekretärs sozusagen der wichtigste Punkt im Haushalt des Ministers, der übrigens nicht hier ist und offensichtlich dieses Gesetz etwas anders einschätzt, als wir es tun. Die Union hat dem Gesetz von Beginn der Beratungen an einen hohen Stellenwert zugemessen. Wir haben sehr früh unsere Vorschläge zur Änderung dieses Gesetzentwurfes eingebracht, und wir haben auch nach Auskunft unserer Kollegen aus den anderen Fraktionen damit einen sehr konstruktiven Beitrag zur Diskussion über die sechste Novelle gemacht. Ich möchte noch ganz kurz in Erinnerung zurückrufen, welche Vorstellungen wir hier anläßlich der ersten Lesung eingebracht haben, die wir dann auch in die Ausschußberatungen weitergetragen haben. ({0}) - Ich habe es bemerkt, daß die Regierungsbank unbesetzt ist. Ich bedauere das sehr, ({1}) da dies ein wichtiges Gesetz ist, das vielen Studenten, Schülern und Eltern natürlich auf den Nägeln brennt. ({2}) Wir haben als wichtigste Forderung in den Mittelpunkt unserer Beratungen die Forderung nach der Erhöhung der Freibeträge gestellt. Wir wollten, daß die Regierungsvorlage insofern verändert wird, daß wir eine Freibetragsgrenze für die Eltern und den Auszubildenden von 1 380 DM einführen. Wir halten das aus familien-, mittelstands-, aber auch aus bildungspolitischen Gründen für wichtig. Zur Begründung möchte ich hier noch einmal aus einer Pressemitteilung des Bundesministers vom 19. Oktober 1978 zitieren. Dort hat der Beirat beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft für dieses Gesetz folgende Bemerkungen gemacht: Bei den Freibeträgen ist durch die seit 1971 vorgesehenen Erhöhungen im wesentlichen allein der Anstieg der Lebenshaltungskosten ausgeglichen worden. Die Eltern waren damit gezwungen, sowohl den üblichen Umfang wie auch den durch besondere Leistungen erzielten realen Einkommenszuwachs fast vollständig für die Ausbildung ihrer Kinder einzusetzen. Auch die Eltern der geförderten Auszubildenden blieben damit weithin vom allgemeinen Anstieg des Lebensstandards ausgeschlossen. Dieser Tatbestand wiegt um so schwerer, als die ausreichend qualifizierten Ausbildungen zunehmend länger andauern. Eine zweite Bemerkung aus diesem Bericht lautet: Die Zukunftssicherung des Staates und der Gesellschaft wird dadurch in einem nach Auffassung des Beirats unvertretbaren Maße einem Teil der Bevölkerung aufgelastet, nämlich den Eltern, deren Kinder sich häufig nicht zuletzt auf ihr Veranlassen hin in einer qualifizierenden Ausbildung befinden. Die Eltern bezahlen diese Leistung oft mit einem vieljährigen Absinken ihres Lebensstandards gegenüber den anderen Bürgern. Besonders betroffen sind hier die Eltern, die untere und mittlere Einkommen beziehen, sowie die Eltern, die gleichzeitig mehrere Kinder in der Ausbildung haben. Der Beirat stellt hier einen empfindlichen Mangel an sozialem Ausgleich fest. Dies ist ein Zitat aus einem Bericht eines unabhängigen Gremiums. Wir können dem eigentlich nichts hinzufügen. Wir haben im Zusammenhang mit der Forderung über die Höhe der Freibeträge eine weitere Forderung erhoben, die sich auf die Verstetigung der Freibetragsregelungen bezog. Wenn man die Investitionen einer Familie in die Bildung als eine Kapitalinvestition betrachtet, ist es sehr wichtig, daß man über die Belastungen dieser Investition auch für Jahre im voraus planen kann. Das wäre nach unserer Auffassung besser möglich, wenn man den Familien nicht nur alle zwei Jahre - de facto alle drei Jahre - sagte, mit welchen Einkommensfrei-grenzen sie zu rechnen haben. Wir haben deshalb gefordert, daß wir jährlich einen Bericht vorgelegt bekommen. Eine drittte Forderung ist in dem Zusammenhang zu nennen. Auch die Einführung oder die Wiedereinführung des sogenannten Widerspruchsdarlehens war im wesentlichen familienpolitisch begründet. Diese Regelung ermöglicht es den Studenten, die Klage eines Amtsgerichts gegen die Eltern dadurch zu verhindern, daß sie selbst ein Darlehen in Anspruch nehmen, wenn sie von den Eltern nicht gefördert werden. Wir hatten vorgesehen, daß dieses Darlehen maßvoll zu verzinsen ist, um so einen Mißbrauch auszuschließen. Weiter hatten wir für zügig Studierende einen Teilerlaß des Darlehens vorgesehen. Dies sollte ein Anreiz für diejenigen sein, die ihr Studium tatsächlich rechtzeitig beenden. Wir hatten uns auf Vorschlag unserer ehemaligen Kollegin und jetzigen Ministerin in Stuttgart, Frau Griesinger, einen Vorschlag zu eigen gemacht, der für diejenigen Mütter, die ihre Kinder erziehen, ebenfalls einen Darlehenserlaß in Höhe von 80 DM monatlich vorsehen sollte. Zwei weitere wichtige Forderungen unseres Antrags im Februar waren, daß derjenige, der sein Fach wechselt, zwar immer noch in der gleichen Förderungshöchstdauer bleiben sollte, aber gleichzeitig wollten wir die Regelung des Haushaltsstrukturgesetzes beseitigen, daß danach nur noch mit Darlehen gefördert wird. Wir wollten, daß auch hier Zuschüsse möglich sind. Schließlich haben wir die Einführung einer Altersgrenze von 30 Jahren abgelehnt und statt dessen gefordert, daß die alte Regelung „35 Jahre" bestehen bleiben sollte. Ich habe das jetzt sehr zusammengefaßt. Aber dies waren wohl die wesentlichen Vorschläge, die wir gemacht haben. Man konnte nach der ersten Lesung am 8. Februar den Eindruck gewinnen, diese Vorschläge seien mehrheitsfähig. Ich möchte daran erinnern, daß in der ersten Lesung beispielsweise der Kollege Maihofer erklärt hat - ich darf das aus dem Protokoll vom 8. Februar vorlesen -: Schon jetzt aber kann ich für unsere Fraktion feststellen - also für die Fraktion der FDP -, daß es uns hierbei vorrangig um eine verstärkte Anhebung der Elternfreibeträge gehen wird, da nur so einem zunehmenden Herausfallen der mittleren Einkommensschichten aus der Ausbildungsförderung entgegengewirkt werden kann, mit all den unguten Folgen für Eltern, Schüler und Studenten gerade in diesem besonders auch politisch kritischen Bereich. Zu einem anderen Punkt aus unserer Diskussion am 8. Februar hat Herr Maihofer damals für seine Fraktion festgestellt: Unbefriedigend erscheint es unserer Fraktion auch, daß eine der nach unserer Überzeugung wichtigsten strukturellen Verbesserungen, nämlich die Wiederherstellung des sogenannten Widerspruchsdarlehens, im Entwurf nicht enthalten ist. Hier sind wir mit der Oppositionder Auffassung, daß auch aus allgemeinen familienpolitischen Gründen die ursprüngliche Regelung wiederhergestellt werden muß, die es vermeidet, die Kinder von Staats wegen in einen Prozeß gegen ihre Eltern zu treiben. Also exakt die Argumentation, die auch ich eben vorgetragen habe. In den sogenannten Ostwestfalen-Derbys - das waren die Besprechungen des Abgeordneten Maihofer ({3}), Vogelsang ({4}) und Daweke ({5}) - wurde dann auch von seiten der SPD signalisiert, daß es, mindestens was die Freibetragsregelung angeht, eine Bewegung in der Koalition gegeben habe. Wir haben gehört, daß es sogar einen Vorstandsbeschluß in der SPD-Fraktion in dieser Sache gegeben hat. Allerdings wurde hier offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt - ohne Herrn Matthöfer - gemacht. Jedenfalls haben wir dann sehr schnell zu hören bekommen, dieser Vorstandsbeschluß werde sich nicht in der Gesamtfraktion durchsetzen lassen. Es blieb also bei dem Bemühen, zwischen den Koalitionsparteien zunächst einmal irgendwie eine Einigkeit zu erzielen. Wir haben in den Ausschüssen eine sehr gespannte Beratung gehabt, wenn ich das mal untertreibend sagen darf. Wir haben am 24. April eine Sitzung angesetzt bekommen - blaues Papier, wichtige Sache, ganztägige Beratung -, alle Termine wurden gestrichen, der Ausschuß war vollzählig da, Fernsehen und so. Dann haben wir nach sieben Minuten diese Sitzung beenden müssen, weil es in der Koalition noch keine gemeinsame Stellungnahme gegeben hat. Wir haben Ihnen dann 14 Tage Zeit gelassen und gesagt: Nun wollen wir am 9. Mai das Thema erneut beraten. Der Herr Vorsitzende hatte die dankbare Aufgabe, die Sitzung um eine Stunde zu verschieben - mit dem Ergebnis, daß wir dann die wenig strittigen Punkte beraten konnten. Ab 12 Uhr wurden die Berichterstatter zum Herrn Vorsitzenden der SPD-Fraktion gebeten. Ich denke, Herr Mischnick war dabei. Aber wie ich an Ihrem etwas freundlich-erstaunten Gesicht sehe, wissen Sie ganz genau das Ergebnis: Es war nämlich nichts zu machen. ({6}) - Ja, ihr müßt eine Strategiekommission haben, sehr richtig. Dann würden Sie mindestens beschließen, daß Sie nach der Sommerpause darüber weiter nachdenken. Aber das haben Sie ja auch nicht gemacht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Einen Augenblick! - Herr Abgeordneter Wehner, da ist das Patent schon vergeben. ({0})

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben dann am 16. Mai eine Berlin-Sitzung verschoben und haben erlebt, daß auch in dieser Sitzung noch keine endgültige Stellungnahme zu diesem Problem möglich war. Man hat uns dann auf heute morgen vertröstet. Man hat gesagt, jetzt werde sich an höchster Stelle - Herr Wehner, ich weiß nicht, ob das noch geht, wenn Sie schon befaßt waren - Herr Genscher mit einem Sprechzettel um das BAföG kümmern, er werde zum Kanzler Schmidt gehen und dann versuchen, das noch durchzusetzen. Das Ergebnis ist inzwischen bekanntgeworden. Es ist eigentlich ein Nullum. Herr Präsident, es gibt ja eine Diskussion um die Frage, wie man in der Geschäftsordnung einen besseren Minderheitenschutz einbauen kann. Nach den Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, schlage ich vor, daß man ernsthaft auch über die Ausgestaltung eines Mehrheitsschutzes nachdenken sollte. ({0}) Wie kann man Mehrheiten helfen, wenn sie das Vernünftige wollen, aber gegen kleinkarierte Finanzer nicht durchsetzen können? ({1}) - Das haben wir ja auch versucht, Herr Schäfer. Wir haben es nur nicht hingekriegt, weil Sie nämlich tatsächlich nicht beweglich waren. Wir haben das aber sehr ernst genommen. Wir haben tatsächlich gemeint, daß wir Ihnen mit den sehr maßvollen Forderungen zunächst einmal helfen würden. Für eine Opposition ist es ja doch sehr leicht zu sagen, wir können noch ein bißchen drauflegen. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben uns auf den wesentlichen Punkt in der Hoffnung konzentriert, daß das, was angekündigt worden war, auch durchsetzbar wäre. Aber ich sage noch einmal: Das ist im Ergebnis null, und das gestrige Gespräch an höchster Stelle ist dann wohl auch nur als interessantes Rückzugsgefecht aufzufassen. Nachdem der Minister jetzt da ist, möchte ich ihn auch gerne fragen - nicht nur, wo Sie vorhin waren; das werden Sie nachher sicher noch erklären können -, wo er während der gesamten Beratungen eigentlich abgeblieben ist. Sie sind nämlich weggetaucht. ({2}) Man hat zwar gelegentlich gehört, daß Sie telefoniert oder vor dem Kabinettssaal mit Herrn Matthöfer gerungen hätten, aber man hat überhaupt nicht gemerkt, daß Sie in dieser Sache eine Position beziehen. Ich denke, wir sind als Parlamentarier doch zunächst einmal Verbündete, wenn wir eine richtige Sache durchsetzen wollen. Da hätte man von Ihnen doch irgendeine Stellungnahme erwarten können und nicht nur die: Es gibt im Zusammenhang mit dem BAföG noch viel zu tun; warten wir es ab! - Das war ungefähr Ihre Linie. Das Argument der Koalition ist im wesentlichen finanzpolitischer Natur. Sie sagen, wir könnten die zusätzlichen Mittel, die wir brauchten, nicht aufbringen. Ich möchte zu diesem Argument gerne Stellung nehmen. Die Mechanik der Freibetragsregelung führt Jahr für Jahr zu folgendem Ergebnis. Mit jeder Tariferhöhung, die von den Tarifparteien vereinbart wird, fällt ein Großteil der Studenten aus der Förderung heraus bzw. werden die Beträge, die den Studenten zur Verfügung stehen, gemindert. ({3}) Das hat in den letzten Jahren ständig zu Haushaltsresten geführt, die maximal 200 Millionen DM betragen haben. Wenn man sich einmal überlegt, welchen Eindruck es bei den Studenten, aber vor allen Dingen bei den Familien hinterläßt, daß das Parlament zunächst einen Haushalt beschließt, in diesen Haushalt genügend Mittel einstellt, die politisch gewollt sind, gleichzeitig aber ein Gesetz beschließt, das diese Mittel voraussehbar gar nicht abfließen lassen wird, kann man sich, glaube ich, nicht gegen den Vorwuf wehren, daß das unseriös sei. ({4}) Wenn sich darüber hinaus der Eindruck immer mehr verstärken muß, daß das sogar vom Finanzminister sozusagen mit eingeplant ist, wendet sich die Stimmung zum Schluß insgesamt gegen das Parlament, solange wir das mitmachen, solange wir diese Regelung eben nicht außer Kraft setzen. Ich glaube, es gibt noch ein anderes Argument, von dem ich allerdings nicht weiß, ob es zutreffend ist. Aber die Journalisten sagen ja, sie hätten eine Trefferquote von 30 %. Dann können wir uns ja einmal darauf verlassen, daß das, was ich am 7. Mai 1979 in der „Wirtschaftswoche" gelesen habe, zutrifft. Da wird von Herrn Matthöfer berichtet, der stolz sei, als Finanzminister jetzt neue Schwerpunkte setzen zu können. Zum Beispiel will er mehr für die Vollbeschäftigung, für die Modernisierung der Wirtschaft, für Randgruppen, Gastarbeiterkinder, Behinderte und psychisch Kranke tun. Matthöfer: „Die Antje Huber war ziemlich skeptisch, als ich ihr dafür 100 Millionen Mark zusätzlich geben wollte. Die mußte ich ihr geradezu aufdrängen." ({5}) Selbst wenn das übertrieben ist, hätte ich mir gedacht, daß unser Bildungsminister mindestens in der Lage gewesen wäre, die Mittel, die er ohnehin im Haushalt hat, voll auszuschöpfen, wobei er nicht einmal mit den Finanzpolitikern in Kollision geraten wäre, wenn man einmal davon ausgeht, die vernünftige Linie „keine Ausweitung" durchhalten zu wollen. ({6}) Der Kollege Maihofer hat uns versprochen, daß er über die Gesetzgebung ein Buch schreiben wird. Das ist für ihn ja ein völlig neues Erlebnis. Ich nehme an, daß dieser Ablauf in dem Buch eine wesentliche Rolle spielen wird. Herr Kollege Horn hat vorhin Mitscherlichs „Die Unfähigkeit zu trauern" zitiert. Maihofers Buch wird dann sicherlich den Titel tragen: Über die Fähigkeit eines Parlamentariers, über dieses furchtbare Schicksal zu trauern. Ich glaube feststellen zu müssen, daß wir uns bei unseren Forderungen nur in zwei Punkten durchgesetzt haben. Der erste Punkt betrifft - ich habe es vorhin schon erwähnt - die Anregung, daß man denjenigen Frauen, die Kinder erziehen und nicht berufstätig sind, Darlehen erläßt, und zwar mit einer Summe von 80 DM monatlich, für die Zeit, in der sie die Kinder erziehen. Das ist im Ausschuß einvernehmlich geregelt worden. Das zweite Anliegen, mit dem wir uns durchsetzen konnten, war unser Vorschlag, das Studium im Ausland mehr zu fördern. Wir haben ebenfalls einvernehmlich mit der Koalition durchgesetzt, daß Studienzeiten bis zu einem Jahr, die nicht in der Bundesrepublik verbracht werden, nicht auf die Förderungshöchstdauer angerechnet werden, daß sie also sozusagen unschädlich sind, was die finanzielle Förderung angeht. Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Offensive gegen die immer stärker werdende Tendenz, daß sich unsere Akademiker provinzialisieren, daß sie Scheu haben, ins Ausland zu gehen. Wir sind dafür dankbar, aber es ist wirklich ein Minimum dessen gewesen, was wir hier durchsetzen könnten. Ich darf feststellen: Das Ergebnis insgesamt ist mager. Die Beratungen - wenn Sie überlegen, mit wieviel Aufwand sie betrieben wurden und wer sich dort plötzlich alles mit dem BAföG beschäftigen mußte - haben ein Ergebnis gezeigt, das im Grunde bei der Rgierungsvorlage nichts Wesentliches bewegt hat. Nun könnte man sagen: Das ist nicht schlimm, die Opposition ist es gewöhnt, mit ihren Anträgen nicht durchzukommen. In diesem Fall ist es besonders schlimm, weil Sie durch Ihre Ankündigungen bei den Eltern - ich sage es noch einmal: das ist ganz wichtig, was die Bildungsplanung in einer Familie angeht - und bei den betroffenen Studenten und Schülern sehr hohe Erwartungen geweckt hatten, und zwar mit der Ankündigung, daß Sie unseren Vorschlägen geneigt seien, daß Sie sie mittragen würden. Diese Hoffnungen werden Sie nun enttäuschen. Ich hätte mich gern bei Ihnen bedankt für die Vernunft, daß Sie unseren Vorschlägen folgten. Das ist mir nicht möglich; ich kann mich bei Ihnen eigentlich nur für den Anstand bedanken, mit dem Sie unterlegen sind. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Vogelsang.

Kurt Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ein ernstes Thema auch einmal ein bißchen humorvoll, teilweise bis ins Lächerliche hinein behandelt wird, Herr Daweke. Aber ich freue mich, immerhin feststellen zu können, daß die Gewichtigkeit dieses Themas und dieses Gesetzes von Ihnen genausowenig in Zweifel gezogen wird wie von uns. Sie haben sicherlich zu Recht auf die Bedeutung des Gesetzes hingewiesen, auch auf seinen finanziellen Umfang. Ich möchte mich dem voll anschließen. Mehr kann die politische Bedeutung, wie ich meine, auch daran ersehen, daß es bisher - sowohl bei der Schaffung des Gesetzes als auch bei allen Novellen - immer möglich war, daß wir in diesem Bundestag zu einmütigen oder fast einstimmigen Beschlüssen gekommen sind. Herr Kollege Daweke - ich meine, damit mußten wir uns alle angesprochen fühlen -, wir sollten uns bei diesem Gesetz davor hüten, diese politische Leistung mit Resignation oder möglicherweise mit Kleinmut zu betrachten. Ich meine, wir stehen alle miteinander in der Gefahr, daß wir dieses Gesetz gegenüber denjenigen, für die es gemacht worden ist, nämlich den Schülern, Studenten und deren Eltern gegenüber, nicht offen und offensiv genug vertreten. Auch Ihre Anträge, über die Sie eben gesprochen haben, führen mit dazu, daß wir selber in der Gefahr stehen - ich will das nur auf Ihre Seite beziehen -, ein wirklich gutes Gesetz der Bevölkerung und insbesondere den Betroffenen nicht in dem Maße nahezubringen, wie es dieses Gesetz in der Tat verdient. Überlegen Sie einmal: Seit Bestehen dieses Gesetzes bis zum diesjährigen Haushalt haben Bund und Länder 17,3 Milliarden DM aufgebracht. Ich meine, dies ist eine verdammt beachtenswerte Leistung. ({0}) Es ist eine beachtenswerte Leistung für diejenigen, die das Geld empfangen konnten, wie ich meine, aber auch eine beachtenswerte Leistung derjenigen, die das Geld aufgebracht haben, nämlich der deutschen Steuerzahler. ({1}) - Herr Rühe, auf Ihren Einwurf werde ich gerne eingehen. Sie scheinen sich dieser Sache aber nicht mehr ganz sicher zu sein, denn Herr Daweke hat eben in der Aufzählung Ihrer Anträge diesen Punkt - sicherlich nicht unbewußt, sondern geflissentlich - übergangen. ({2}) - Aber die Redlichkeit hätte es erfordert, ihn doch noch zu erwähnen. ({3}) Ich weiß auch, daß das Bessere der Feind des Guten ist. ({4}) Ich meine aber, im Blickfeld verantwortlicher Sozialpolitiker darf nicht nur der Personenkreis stehen, der von einer gesetzlichen Regelung etwas zu erwarten hat, sondern es muß immer auch der Personenkreis betrachtet werden, der diese Leistungen zu erbringen hat. Ich meine, das muß ein Grundprinzip aller politischen Leistungen werden. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie haben nun Anträge vorgelegt, die dieses gute Gesetz aus Ihrer Sicht noch verbessern sollen. Diese Anträge, insbesondere die, die heute noch einmal erwähnt wurden, kosten viel Geld. Sie haben behauptet, man könne das mit dem, was Sie Haushaltsreste nennen, finanzieren. Das ist mit Sicherheit zu bestreiten, denn insgesamt hätte dies zusätzliche 400 Millionen DM bedeutet, die sicherlich nicht in den Haushaltsresten stecken. Nun gut, ich will da nicht nachkarten, sondern mich mit Ihrem heutigen Antrag auseinandersetzen. Wenn Sie heute behaupten - es sind ja immerhin auch zusätzliche Ausgaben in Höhe von 210 Millionen DM -, das könne im Bereich des gegenwärtigen Haushaltsansatzes verkraftet werden, dann muß ich daran die Frage knüpfen: Wie ernst nimmt sich dieses Parlament selbst, nachdem es vor einigen Wochen den Bundesfinanzminister beauftragt hat, eine Minderausgabe von 2,4 Milliarden DM durchzusetzen? Man kann dann nicht im nächsten Augenblick sagen: Alle Mittel, die wir im Haushalt veranschlagt haben, müssen bis zum letzten Pfennig ausgegeben werden. Das ist nicht mehr konsequent. Ich meine, dann nähmen wir unsere eigenen Beschlüsse nicht ausreichend ernst. ({5}) - Dazu müßte Ihr Hintermann, der Herr Windelen, als Vorsitzender des Haushaltsausschusses etwas sagen. Da müßte man fragen: Wie ernst war seine Rede zu nehmen, als er in der Plenardebatte gesagt hat: „Wir sind zu solchen unpopulären Maßnahmen bereit"? ({6}) In dem Augenblick, wo es nur darum geht, zusätzliche Ausgaben abzuwehren, sprechen Sie bereits von einem Schleiertanz. Ich kann nicht annehmen, daß das, was Sie jetzt gesagt haben, oder das, was Herr Windelen gesagt hat, noch ernst zu nehmen ist. ({7}) - Entschuldigen Sie, Sie haben den Gang der Beratungen im Ausschuß nicht verfolgt. ({8}) - Entschuldigen Sie, Sie werden mir doch gestatten, daß ich auf einen Zwischenruf eingehe. Oder nehmen Sie ihn so wenig ernst, daß Sie es nicht einmal für notwendig erachten, daß ich darauf eingehe? Das ist auch eine Möglichkeit. ({9}) - Na gut, ich werde darauf nicht eingehen und das nicht ernst nehmen. Ich bitte noch um eines: Tun wir doch nicht so, als wenn in diesem Gesetz keine Anpassung der Freibeträge und der Bedarfssätze erfolgte. Immerhin werden die Elternfreibeträge um 8 % auf 1 220 DM angehoben, die Förderbeträge für Schüler werden bis zu 10 % und die der Studenten um 7 % angehoben. Hier geht es wieder um das offensive Vertreten, daß nicht der Eindruck erweckt wird, es geschähe nichts. Es kann nur noch darum gehen, ob noch mehr geschehen kann. Von daher sollten wir uns einig sein, daß wir dieses Gesetz entsprechend seiner Bedeutung gegenüber der Bevölkerung einhellig vertreten. Wenn der Deutsche Bundestag dieses Gesetz einstimmig - davon gehe ich im Augenblick aus - verabschieden wird, so möchte ich den Deutschen Bundesrat bitten, dieses Votum politisch entsprechend zu gewichten. Denn wir haben auch die schwerwiegende Anregung des Bundesrates, bestimmte Bereiche in diesem Gesetz 1981 nicht auslaufen zu lassen, sehr ernst genommen. Sie finden in unserer Beschlußempfehlung die Aufforderung an die Regierung, bis zum 1. April nächsten Jahres dem Parlament einen Zwischenbericht darüber vorzulegen, ob nach den Erfahrungen mit der 5. Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz eine Aufhebung der jetzigen Befristung des 5. BAföG-Änderungsgesetzes empfohlen werden kann. So wie wir seine Anregungen aufgenommen haben, sollte auch der Bundesrat bei seinen Beratungen dieses Gesetzes das wahrscheinlich einstimmige Votum des Deutschen Bundestages beachten und sich mit einer Entscheidung, den Vermittlungsausschuß anzurufen, sehr zurückhalten. Meine Damen und Herren, ich möchte mich nach Abschluß dieser Beratungen bei dem Sekretär des Ausschusses und bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. ({10}) Insbesondere die Beratungen bei der Erstellung des Berichts und bei der Abfassung der Beschlußempfehlung haben unter einem solchen Zeitdruck gestanden - ich räume das ein, Herr Daweke -, daß hier ein Dank in der Tat wirklich angebracht ist. Ich möchte mich aber auch bei den Mitarbeitern aus den Ministerien bedanken, die uns ebenfalls, gemeinsam mit dem Ausschußsekretär und seinen Mitarbeitern, sehr intensiv bei der Abfassung des Berichts und der Beschlußempfehlung geholfen haben. ({11}) Wie ich einer Pressemeldung der CDU/CSU - ich gehe davon aus, daß ich sie richtig verstanden habe - entnehmen kann, wird das Bundesausbildungsförderungsgesetz von Ihnen als ein Gesetz von großer familienpolitischer Bedeutung gewertet. Ich kann mich dieser Bewertung nur vollinhaltlich anschließen. ({12}) Vizepräsdent Stücklen: Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute ein Gesetz, das sich sicherlich viele von uns - dies ist schon durch meine beiden Vorredner klar geworden - und schon erst recht alle Bildungspolitiker noch besser gewünscht hätten. Aber ich glaube, man sollte, wenn man über ein solches Gesetz debattiert, doch noch einmal darauf hinweisen, daß es kein anderes Land der Welt gibt, das so eine umfassende Ausbildungsförderung hat wie die Bundesrepublik Deutschland. ({0}) - Ich meine natürlich ähnlich leistungsfähige Länder wie die Bundesrepublik. Daß das bei den anderen nicht der Fall sein kann, finde ich, sollten wir hier einmal unerwähnt lassen. Ich möchte gleich mit dem Elternfreibetrag beginnen, weil meine Partei bei der ersten Lesung an dieser Stelle sehr eindeutig angekündigt hat, daß sie versuchen wolle, alles zu tun, um die Haushaltsansätze tatsächlich auszuschöpfen, wobei das Problem bei den Haushaltsansätzen für ein solches Gesetz immer darin liegt, daß die Fehlerquote sehr groß ist. In den letzten Jahren war im Haushalt immer mehr veranschlagt, als ausgegeben werden konnte. Die Wahrscheinlichkeit, daß es ähnlich ist wie in den Vorjahren, ist doch auch diesmal wieder groß. Trotzdem konnte sich die Koalition insgesamt nicht auf eine erhebliche Steigerung der Ausgaben für die Bundesausbildungsförderung verständigen. Ich möchte gleich sagen: Zu dem von der Union eingebrachten Antrag, den Elternfreibetrag um 80 DM zu erhöhen, sind wir der Auffassung, daß hierfür der Haushaltsansatz nicht mehr ausreichen könnte. Herr Daweke hat eine Reihe anderer ausgabeträchtiger Bereiche genannt, die diesen Betrag erheblich erhöht hätten. Hier konnten wir selbstverständlich im großen und ganzen nicht folgen. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Zuwachs der Freibeträge von 1971 bis 1979 41 % betrug und im gleichen Zeitraum die Nettolöhne und Nettogehälter eine Steigerung von 89 % erlebten. Die Freibeträge wären heute also erheblich höher, wenn sie mit den Einkommen gestiegen wären. Allerdings muß man denen, die die Anpassung an die Lohn- und Gehaltsentwicklung für richtig halten, eines sagen: Natürlich ist es das Ziel einer positiven Lohn- und Gehaltsentwicklung, die Bedürftigkeit der Menschen gegenüber staatlichen Leistungen zu reduzieren. Insofern brauchen wir uns nicht zu wundern, daß dann, wenn die Einnahmen der Familien steigen, ihre Bedürftigkeit und ihre Ansprüche gegenüber staatlichen Leistungen entsprechend sinken. Eine solche Forderung, mit der wir uns natürlich bei jeder BAföG-Anpassung auseinandersetzen müssen, halte ich insofern für unrealistisch. Dennoch muß es uns bedenklich stimmen - und das sollte das Kabinett für die nächste Anpassung mitnehmen -, ({1}) daß die Quote der Geförderten, die 1973 46 % betrug, bei der letzten Anpassung auf 39 % gefallen ist und jetzt wahrscheinlich auf weniger als 35 % sinken wird. ({2}) Das sollte uns zu der Frage veranlassen, ob man sich nicht im Grundsatz darauf einigen könnte, die Quote der Geförderten wenigstens zu erhalten, zumal wir wissen, daß gerade Menschen aus unteren Einkommensschichten Bildungschancen zunehmend wahrnehmen. Es ist auf die Haushaltslage hingewiesen worden. Auch ich finde, man darf bei einem solchen ausgabenträchtigen Gesetz die angespannte Haushaltslage nicht unberücksichtigt lassen. Herr Daweke, Sie haben heute noch einmal darauf hingewiesen, daß wir hier keinen Haushaltsrest übrig haben sollten. Darf ich Sie daran erinnern, daß die Union in diesem Haus einer globalen Minderausgabe von 2,5 Milliarden DM zugestimmt hat, ja daß sie - wie ich soeben bei meinen Erkundigungen erfahren habe - diese globale Minderausgabe um Milliarde erhöhen wollte? Dies paßt allerdings überhaupt nicht zu den Argumenten, die Sie soeben gebracht haben. ({3}) Auf eines darf ich allerdings hinweisen, Herr Matthöfer. Es ist für die Bildungspolitiker eine nicht ganz erfreuliche Tatsache, daß man in diesem Bereich einen überproportionalen Anteil einsparen möchte. ({4}) Insofern verstehen Sie bitte, daß sich die Bildungspolitiker in den letzten Wochen so hartnäckig gezeigt haben. Ich hoffe, daß dies in den nächsten Jahren Auswirkungen haben wird. ({5}) Darf ich noch eines zur CDU/CSU sagen. Es muß auffallen, daß der Bundesrat beim ersten Durchgang keine Freibetragserhöhung beantragt hat. ({6}) Hier sieht man unmittelbar die unterschiedliche Art, in der Opposition und in der Regierung Politik zu machen. ({7}) Die Union ist überall dort, wo sie in der Regierung ist und also für den Haushalt verantwortlich zeichnet, in dieser Forderung zurückhaltender gewesen. Ich will nicht unterstellen, daß der Bundesrat bei einer Erhöhung des Freibetrags nicht die Mehrheit zustande brächte. ({8}) - Herr Rühe, nun regen Sie sich nicht auf! Hören Sie mal zu! Ich habe soeben etwas gesagt, was diesen Hinweis beantwortet, nämlich: ich unterstelle nicht, daß die unionsregierten Länder im Bundesrat einer Erhöhung des Freibetrags die Zustimmung verweigern würden. Ich gehe davon aus, daß sie dies sicherlich. nicht täten. Allerdings ist festzustellen, daß die Regierungen der Unionsländer beim ersten Durchgang im Bundesrat diese Elternfreibetragserhöhung nicht vorgesehen haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Schuchardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rühe?

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber sicher.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Schuchardt, finden Sie es nicht vernünftig, daß eine solche Initiative von uns aus der Bundestagsfraktion kommt, so wie auch bei der C-Besoldung für Hochschullehrer, der dann nach dem Beschluß des Bundestages auf Initiative auch unserer Fraktion im Anschluß der Bundesrat ebenfalls zugestimmt hat?

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre, Herr Rühe. Insofern glaube ich, daß die Bundesregierung inzwischen auch daran gewöhnt ist, manche hier im Hause vorgenommene Änderungen an Gesetzen, die sie eingebracht hat, hinzunehmen. Dieses ist guter parlamentarischer Brauch. Ich hätte mir in der Tat gewünscht, wir hätten eine Mehrheit gefunden, die auch in diesem Fall so verfahren wäre.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Schuchardt, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Schuchardt, würden Sie mir bestätigen, daß der Bundesrat mit seiner andersgearteten Mehrheit schon wegen viel geringerer Beträge den Vermittlungsausschuß angerufen hat? Ich denke z. B. an das heiße Problem des freien Transports auf Nahverkehrsmitteln für Schwerbehinderte.

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, das haben wir in den letzten Jahren hinlänglich beobachten können. Ich möchte auf ein zweites Thema eingehen, das Thema der Grunddarlehen. Der Haushaltsausschuß hat vor einiger Zeit ein Gutachten des Rechnungshofes darüber angefordert, ob das Grunddarlehen, das wir ja im Zuge des Haushaltsstrukturgesetzes eingeführt haben, finanzpolitisch, haushaltspolitisch und bildungspolitisch eigentlich sinnvoll ist. Der Rechnungshof hat sein Gutachten jetzt vorgelegt, das von der Bundesregierung allerdings noch nicht im einzelnen geprüft worden ist. In dem Gutachten wird in ungewöhnlicher Klarheit darüber Auskunft gegeben, daß dieses Grunddarlehen die finanziellen Auswirkungen, die man damals damit verbunden hat, nicht erbringt. Insofern ist es logisch, daß sich der Ausschuß bei der Ungeklärtheit hinsichtlich des Sinns dieses Grunddarlehens darauf verständigt hat, diesen Darlehensanteil nicht auszuweiten. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist ein Sozialgesetz. Vor vielen Jahren war einmal die familienunabhängige Förderung angestrebt. Diese ist, wie wir alle wissen, nicht finanzierbar. Also werden nur diejenigen gefördert, die bedürftig sind. In dem Gutachten des Rechnungshofes wird festgestellt, daß Kinder aus solchen Familien leider offenbar durch diesen Darlehensanteil abgeschreckt werden, weil sie befürchten, mit einem hohen Schuldenberg in das Berufsleben einzutreten. Dies ist sicherlich nicht der Sinn des Gesetzes. Außerdem hat es außerordentlich geringe finanzwirtschaftliche Auswirkungen. Auch stehen die Verwaltungsaufwendungen in gar keinem Verhältnis zu dem Nutzen, den man erwartet hatte. Insofern hat der Ausschuß beschlossen - das möchte ich hier außerordentlich begrüßen -, daß wir die generelle Abschaffung des Grunddarlehens prüfen und gegebenenfalls beim nächstenmal vornehmen sollten. Ein weiterer Bereich, der sich wesentlich verbessert hat - ich möchte mich, was diesen Punkt angeht, kurz fassen, weil Herr Daweke darauf schon eingegangen ist -, ist der des Auslandsstudiums. Wir haben bei anderer Gelegenheit hier einmal beklagt, wie gering die Bereitschaft von deutschen Studenten geworden ist, auch einmal im Ausland einen Studienabschnitt zu absolvieren. Man kann den einzelnen natürlich nicht sozusagen zu einem Auslandsstudium verpflichten. Man kann ihn aber durch die erleichterte Förderung dazu in die Lage versetzen. Insofern ist es wichtig, daß für einen Studenten, der ins Ausland geht, die Höchstförderungsdauer um bis zu einem Jahr erweitert wird. Er wird durch das Erlernen einer neuen Sprache wohl zwangsläufig einige Verluste, was die Dauer betrifft, hinnehmen müssen. Ich halte dieses Auslandsstudium für sehr wichtig und möchte alle interessierten Studenten ermutigen, von der Förderung Gebrauch zu machen und einmal im Ausland zu studieren. Ich meine, dies wird sich später im Erwerbsleben positiv im Sinne einer Chance auswirken. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Höchstaltersgrenze nach dem Regierungsentwurf von 35 auf 30 Jahre reduziert werden sollte. Es ist so - auch darauf haben wir bei der ersten Lesung hingewiesen -, daß durch eine solche Herabsetzung der Höchstaltersgrenze möglicherweise gerade kindererziehende Elternteile benachteiligt werden. Es war deshalb logisch, daß wir im Ausschuß den Gesetzentwurf dahin gehend erweitert haben, daß für kindererziehende Elternteile die Ausnahmeregelung gelten soll, und zwar sogar unbegrenzt. Ich meine, daß die hier zur Verabschiedung anstehende Lösung eine gute Lösung ist. Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Verstetigung: Seit vielen Jahren diskutieren wir darüber, wie wir es schaffen können, daß bei der zweijährigen Anpassung nicht zunächst förderungswürdige Familien nach einem Jahr wieder aus der Förderung herausfallen, um dann nach einem weiteren Jahr wieder hineinzukommen. Ich halte es deshalb für logisch, daß in diesem Gesetzentwurf erstmalig allein eine Anpassung der Elternfreibeträge im Jahre 1980 um 3 % vorgesehen ist. Wir werden im nächsten Jahr beobachten müssen, was für eine Auswirkung dies auf die Anzahl der Geförderten haben wird, und das Ergebnis dann bei der nächsten Novelle berücksichtigen. Die CDU/CSU hat eine Reihe von Anträgen eingebracht, denen wir - ich habe es nicht verhehlt - gerne zugestimmt hätten. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einer Fraktion, die in der Opposition ist, und einer, die die Regierung stellt. ({0}) - Aber die Vorteile sind auf der anderen Seite nicht zu unterschätzen. Die gönnen wir Ihnen nicht. ({1}) Es gibt allerdings zwei Punkte, die Herr Daweke so richtig vornehm hat unter den Tisch fallen lassen. Hier konnten wir der Union bei weitem nicht folgen. Ich meine einmal den zweiten Leistungsnachweis nach dem 6. Semester, durch den eine zusätzliche Bürokratie an den Hochschulen entstehen würde. Wenn so etwas von der Union gefordert wird, die ununterbrochen über die Bürokratie stöhnt, dann liegt darin ein Widerspruch. Das, was von der Union gefordert worden ist, würde einen Rückfall in das Honnefer Modell zur Folge haben. Deshalb konnten wir diesem Antrag selbstverständlich nicht folgen. ({2}) Der zweite Punkt ist unter dem Begriff „ChaotenKlausel" bekanntgeworden. Die Union wollte, z. B. im Hinblick auf streikende Studenten, über das BAföG eine zusätzliche Disziplinierungsmaßnahme einführen. Nun frage ich mich, wie sich dies mit einem Sozialgesetz auch nur in irgendeiner Weise in Einklang bringen ließe. ({3}) - Ach, Gewalttätern, lesen Sie doch mal genau, was in dem Entwurf steht! Es geht darum, daß das Hochschulrahmengesetz dies für alle klären kann. Das ist aber doch nicht Aufgabe eines Förderungsgesetzes, eines Sozialgesetzes. Die von Ihnen an dieser Stelle geäußerte Grundauffassung überrascht mich allerdings nicht. ({4}) Meine Damen und Herren, bei solchen Gesetzen werden wir immer vor der Aufgabe stehen, einen Kompromiß zwischen dem, was die Betroffenen wünschen, und dem, was finanziell möglich ist, zu finden. Herr Daweke, Sie haben darauf hingewiesen, daß sich plötzlich in den letzten Wochen sehr viele mit diesem Gesetz beschäftigen mußten. Ich finde, das ist gut so. Ich verbinde damit die Hoffnung, daß das Kabinett dies bei der nächsten Anpassung entsprechend berücksichtigen wird. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Voigt. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort zur Debatte und zur Begründung eines Antrags.

Ekkehard Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002386, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich mit der Problematik des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auseinandersetze, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Wenn man den Verlauf der Debatte und auch die Pressemitteilungen verfolgt hat, dann konnte man wieder einmal den Eindruck gewinnen, als ob FDP und SPD vor der Offentlichkeit den Eindruck zu erwecken versuchten, das Ausbildungsförderungsgesetz sei ein Erfolg nur dieser Koalition. ({0}) Wir sollten an dieser Stelle nicht vergessen, daß schon im Jahre 1955 das sogenannte Honnefer MoVoigt ({1}) dell ins Leben gerufen wurde, der Vorläufer des heutigen Bundesausbildungsförderurigsgesetzes. Wir wissen auch, daß die Leistungen nach diesem Gesetz mittlerweile gemeinsam modifiziert und auch mehrfach verbessert worden sind. Aber es sollte auch an dieser Stelle nicht vergessen werden, daß die Initiatoren des Vorläufers des heutigen BAföG in den Reihen der heutigen Opposition zu suchen sind. ({2}) In § 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes heißt es - ich zitiere -: Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach der Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Dieser Grundsatz wurde vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 erfreulicherweise bekräftigt, indem er sagte - ich zitiere -: Nun kann es sich kein Volk leisten, seine Begabungsreserven zu vernachlässigen. Dies ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern auch der Solidarität ({3}) Er versprach weiter, „die Bundesregierung werde die Ausbildungsförderung in den nächsten Jahren" - das wäre also bereits 1977 gewesen - „verbessern, sie stärker auf soziale Kriterien und mehr auf Darlehensförderung ausrichten". Zwei Jahre später ergänzte ihn der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in der Debatte über die Große Anfrage der Fraktionen von SPD und FDP am 9. Juni 1978 zur Bildungspolitik - ich zitiere -: Die Kosten einer der Neigung und Begabung entsprecheden Bildung sind niemals verschwendet. Bildungsaufwendungen sind Investitionen für die Zukunft. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß sich hier im Saal niemand befindet, der sich den Ausführungen des Kanzlers und auch des Ministers nicht mit vollem Herzen anschließen würde. Nur ist es in diesem Fall - das möchte ich unterstreichen - wieder einmal bei starken Kanzlerworten geblieben, auf deren Einlösung die Betroffenen seit dem bis heute warten. ({4}) Wie sieht denn die Praxis aus? Sind die Erwartungen und Versprechungen, die durch diese Erklärungen - vor allem bei den Eltern - geweckt worden sind, tatsächlich realisiert worden? Wir wissen, viele Familien haben sich auf diese Versprechungen verlassen, haben sie in ihre Überlegungen und Planungen mit den Kindern einbezogen und berücksichtigt. Ich möchte hier an einigen ganz eklatanten Fällen herausheben, wie enttäuscht die Betroffenen sind. Erstens. Ich möchte hier einmal die beabsichtigte Herabsetzung der Altersgrenze von 35 auf 30 Jahre herausgreifen. Was hat dies zur Folge? Für Frauen erweist sich bereits die jetzige Förderungsaltersgrenze von 35 Jahren als Erschwernis. Ich halte es deshalb für unverständlich, daß man diese Altersgrenze jetzt sogar auf 30 Jahre herabsetzen will. Wenn man von seiten der Regierung darauf hinweist, daß man die Möglichkeit der Förderung für diejenigen, die älter als dreißig Jahre sind, in Einzelfällen abgesichert habe - wenn Sie so wollen, auf dem Verwaltungswege -, dann kann ich dazu nur sagen, daß man auch den Frauen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht ständig einen „Krieg" mit den Behörden zumuten darf. ({5}) Zweitens. Ich möchte hier noch einen Bereich herausgreifen, der in der Diskussion in der Öffentlichkeit weitgehend untergegangen ist, nämlich die mit dieser Neuregelung verbundene Benachteiligung der Zeitsoldaten. Mit der beabsichtigten Neuregelung wäre tatsächlich eine Verschlechterung der Rechtsposition der Zeitsoldaten verbunden. Hunderte von Zeitsoldaten im Alter zwischen 30 und 35 Jahren nehmen jährlich die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Anspruch. Die bisherige Regelung der Altersgrenze hat zu überhaupt keinen Schwierigkeiten geführt. Bei der Herabsetzung dieser Grenze würden sich allerdings für die Mehrzahl der Zeitsoldaten Schwierigkeiten ergeben, ({6}) und zwar besonders für diejenigen, die sich für 12 und 15 Jahre verpflichten. Die Bundeswehr braucht solche Zeitsoldaten, um eben Spezialisten in der Armee zu haben. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb die von Ausbildungsstätten des zweiten Bildungsweges kommenden Auszubildenden bevorzugt behandelt werden, während bei Zeitsoldaten regelmäßig eine Prüfung erforderlich wird, ob die Art der Ausbildung oder die Lage des Einzelfalles die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigt. Speziell Zeitsoldaten mit einer Verpflichtung von 12 bis 15 Jahren sind regelmäßig bei der Aufnahme eines Studiums auf eine Förderung nach dem BAföG angewiesen. Es sollte im Interesse des Gesetzgebers liegen, z. B. den Beruf des Unteroffiziers durch die Beibehaltung der bisherigen Regelung auch weiterhin attraktiv zu gestalten. ({7}) Ich darf Ihnen sagen: Wenn die Änderung kommt, werden die Zeitsoldaten die neue Regelung als eine gegen sie gerichtete Maßnahme ansehen. Das hat die Regierung dann auch zu verantworten. Ein dritter Punkt: Die CDU/CSU-Fraktion bedauert es ferner außerordentlich, daß ihr Antrag, die Befristung der Einbeziehung der zehnten Klasse der beruflichen Fachschulen und des Berufsgrundbildungsjahres in die Förderung bis zum Jahre 1981 aufzuheben, von der Koalition abgelehnt worden ist. Die Förderung des Besuchs der hier genannten Klassen des beruflichen Schulwesens erstrebt 12410 Voigt ({8}) und so war es auch in der Regierungserklärung von 1976 zu lesen - eine Aufwertung der beruflichen Bildung. Hier sollte ein Anreiz zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung geschaffen werden. Mit der Befristung bis 1981 wird diese gewünschte Motivation zu einer verbesserten Ausbildung automatisch außer Kraft gesetzt. Die Union geht deshalb davon aus, daß die Befristung noch rechtzeitig vor Ablauf der Frist aufgehoben wird. ({9}) Nun noch ein Wort zu der Forderung auf Erhöhung der Freibeträge. Wie Sie wissen, beantragt die CDU/CSU-Fraktion die Erhöhung der Freibeträge für das Einkommen der Eltern auf insgesamt 1 380 DM. Mit dieser Forderung wollen wir vorab die Bezieher mittlerer Einkommen berücksichtigen und besserstellen. Wir wollen gerade diejenigen Elternkreise weiter fördern, die besondere Anstrengungen zur besseren Bildung ihrer Kinder unternehmen. Wir haben nämlich eindeutig festgestellt, daß diese, wenn die Entwicklung so weitergeht wie bisher, aus der eigentlichen Ausbildungsförderung im wahrsten Sinne des Wortes herausfallen. Wir wollen hier auch vor der Öffentlichkeit mit der Erhöhung der Freibeträge unterstreichen, daß es uns um die Familienfreundlichkeit der Ausbildungsförderung insgesamt geht. ({10}) Meine Damen und Herren, die Lage ist klar, wie Beispiele deutlich zeigen. Wie sieht es denn heute aus? Die Regierungskoalition lehnt unseren Antrag ab, obwohl etliche Mitglieder der SPD- und der FDP-Fraktion den Vorschlägen der CDU/CSU in diesen Fällen durchaus zustimmen. Allerdings sagt man uns auch, daß dies von der Regierung nicht genehmigt würde. Nun, ich frage mich allen Ernstes - und das werden sicherlich auch die tun, die hier zu fördern sind -: Was ist das für ein Parlament, in dem diejenigen, die sich in den Ausschüssen mit diesen Dingen beschäftigt haben, erkennen, daß im Interesse einer gerechten und sozialen Förderung eine Erhöhung der Elternfreibeträge notwendig ist, dann aber nicht für eine solche Erhöhung stimmen, weil die Regierung aus sachfremden Erwägungen dagegen ist! ({11}) - Auch das Argument, es sei kein Geld vorhanden, stimmt nicht. Die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Gelder reichen für diesen Bereich aus, aber die Regierung will diese Mittel herausnehmen und für andere Zwecke verwenden. ({12}) Geschähe dies, so würde das mit Sicherheit zu einer großen Enttäuschung und Erbitterung bei vielen Eltern, Schülern und Hochschulabsolventen führen. Und alle wären doch mit Recht verwirrt angesichts der von mir zu Beginn meiner Rede aufgeführten Zitate und Versprechungen des Bundeskanzlers und des Ministers. Noch am Mittwoch haben im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft die SPD-Politiker eingeräumt, der Antrag auf Erhöhung der Freibeträge, den die Opposition ihnen hiermit erneut vorlegt, sei durchaus akzeptabel. Wir wissen allerdings auch, daß namhafte SPD-Politiker wie Herbert Wehner und Bundeskanzler Schmidt meinen, berechtigte Forderungen der Opposition und einiger SPD-FDP-Politiker einfach negieren zu müssen. Meine Damen und Herren, hier wird am falschen Punkt angesetzt, hier setzt man den Rotstift wieder einmal bei der Bildungspolitik an. ({13}) Es ist kein Wunder, wenn die Bürger nach solchen Versprechungen angesichts dieser Tatsachen immer mehr Staatsverdrossenheit zeigen. ({14}) Ich fasse zusammen. Alle Bildungsexperten, auch die der Koalition, sind mit den von der Opposition ausgearbeiteten Vorschlägen hinsichtlich der Erhöhung der Freibeträge im Prinzip einverstanden. Ich glaube, daß sich die Opposition hier nicht auf Kritik beschränkt, sondern ganz konkrete Alternativen aufgezeigt hat. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, ich bitte das Parlament im Interesse der betroffenen Eltern und Auszubildenden um den Willen, aber auch um den Mut, auf Grund besserer Argumente für den Antrag auf Erhöhung der Freibeträge im Sinne der CDU/CSU zu stimmen. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht der Unhöflichkeit bezichtigt werden. Es ist abgeschafft worden, daß man nach einer Jungfernrede noch eine besondere Anerkennung ausspricht, aber das ist hiermit ja doch geschehen. ({0}) Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um ihre Nachsicht dafür, daß ich zu dieser Debatte etwas verspätet eingetroffen bin. ({0}) Eine Fehleinschätzung des Beginns der Debatte und ein Verkehrsstau kamen zusammen. ({1}) - Wir haben unsere Fehleinschätzungen auf weniger wichtigen Gebieten; in Sachfragen sind wir sehr viel sicherer. ({2}) Meine Damen und Herren, als wir 1971 dieses Bundesausbildungsförderungsgesetz fast einstimmig verabschiedeten, war es unser gemeinsames Ziel, Bildungschancen durch Abbau finanzieller Barrieren zu stärken. Keinem Jugendlichen sollte eine Ausbildung deshalb verwehrt sein, weil seine Eltern ein niedriges Einkommen haben. Wir waren uns damals darüber einig, daß wir keinen Schüler- und Studentenlohn schaffen wollten. Weiterhin sollten die Eltern die Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder tragen. Für Ausbildungskosten, die die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern übersteigen, wurde die Förderung aus öffentlichen Mitteln vorgesehen. Ich betone das deshalb, weil das in der aktuellen Debatte manchmal etwas in den Hintergrund zu treten scheint. Das Angebot dieses Gesetzes wurde angenommen. Zunächst waren es knapp 500 000 Schüler und Studenten, heute, sieben. Jahre später, sind es etwa 700 000, die gefördert werden. Die jährlichen Aufwendungen der Länder und des Bundes haben sich fast verdoppelt. Rund 3 Milliarden DM werden heute dafür ausgegeben. Ich glaube, allein diese Zahl widerlegt das Gerede von dem Rotstift, der hier besonders kräftig angesetzt werde. Dem Ziel der Chancengleichheit im Bildungswesen sind wir mit der Förderung ein Stück nähergekommen. Die Zahl der Arbeiterkinder - um diese Gruppe zu nehmen - an Hochschulen steigt deutlich. Derzeit stammen 13 °/o der Studenten aus der Arbeiterschicht, 1963 waren es noch 6 °/o. Der Anteil geförderter Arbeiterkinder lag 1976 mit rund 26 % vor dem geförderten Schüler und Studenten aus anderen sozialen Schichten. Uns ging es nicht um ein bloßes Studentenförderungsgesetz. Schon in den Schulen und den beruflichen Schulen sollten Barrieren abgebaut werden. Dabei stand der Wunsch nach großzügiger Förderung der Empfänger von Anfang an im Wiederspruch zu dem Wunsch, den Kreis der geförderten Jungendlichen zu erweitern. Für mich war es im vorigen Jahr eine erfreuliche und wichtige Entscheidung, Schüler des Berufsgrundschuljahres und der Klasse 10 der Berufsfachschulen in die Förderung einzubeziehen. Diese fünfte BAFöG-Novelle hat vielen Jugendlichen einen zusätzlichen Anreiz zur Ausbildung gegeben. Die heute zur Entscheidung anstehende sechste Novelle ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Ausbildungsförderung. Auch wenn sie manche Erwartungen nicht erfüllt, bringt sie den Geförderten beachtliche Vorteile. Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, Herr Daweke, daß Sie sagen, das Ergebnis der Beratungen sei mager. Ich möchte auch gleich Ihre Frage beantworten, was der Bundesbildungsminister tat und tut. Er vertritt die Auffassung, die sich die Bundesregierung dazu gebildet hat. Er hat sich Mühe gegeben, Ihre Beratungen im Ausschuß nicht nur zu verfolgen, sondern nach Kräften zu unterstützen. ({3}) Ich denke, da werden von Ihrer Seite keine Beanstandungen erhoben. Daß es mir im übrigen zeitliche Uberschneidungen leider nicht möglich machen, an Ausschußsitzungen teilzunehmen, sollten Sie wissen. ({4}) - Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Der Bundesbildungsminister vertritt die Auffassung der Bundesregierung. Sie haben hier nicht mehrere Bundesregierungen. ({5}) Daß es Ihnen nicht gefällt, wenn keine Widersprüche und Auseinandersetzungen sichtbar werden, verstehe ich; aber es liegt genau in unserem Interesse, das so beizubehalten. ({6}) Es ist eine Verbesserung, daß die Förderungsbeträge für Studenten um 7 °Io und für Schüler zum Teil erheblich mehr angehoben werden. Die Steigerung liegt damit über dem Anstieg der Lebenshaltungskosten. Es ist eine weitere Verbesserung, daß der Elternfreibetrag um 8 % erhöht wird. Dies wird viele Eltern spürbar entlasten. Zuweilen höre ich den Vorwurf, daß der Realwert der Leistungen nach diesem Ausbildungsförderungsgesetz seit Bestehen des Gesetzes gesunken sei. Diese unrichtige Behauptung läßt sich leicht widerlegen, wenn man die Entwicklung der Bedarfssätze und der Lebenshaltungskosten seit 1971 vergleicht. Der hier maßgebliche Lebenshaltungskostenindex wird sich zwischen September 1971 und September 1979 um etwa 47% erhöhen. Dem steht nach den in der Novelle vorgesehenen Anhebungen eine Erhöhung der Bedarfssätze für zu Hause wohnende Schüler von 160 auf 260 DM, d. h. um 62,5 °/o, und für auswärts wohnende Studenten von 420 auf 620 DM, d. h. um fast 48 °/o, gegenüber. Der Realwert der Bedarfssätze wird also, über den gesamten Zeitraum gesehen, für die Schüler deutlich steigen und für Studenten jedenfalls gehalten werden. Ähnlich sieht es bei den Freibeträgen aus. Es ist auch eine Verbesserung, daß 1980 erstmals eine Zwischenanpassung der Freibeträge erfolgt und dadurch mit der weiterhin angestrebten Leistungsverstetigung ein Anfang gemacht wird. Es ist schließlich eine Verbesserung, daß das Alter für die elternunabhängige Förderung herabgesetzt wird. Ich meine, dies sollten Sie auch würdigen, wenn Sie die Herabsetzung der Altersgrenze im übrigen kritisieren. Was diese Herabsetzung an Schwierigkeiten und Erschwernissen im begründeten Einzelfall mit sich bringen kann, wird durch Ausnahmeregelungen, die Sie nicht zuletzt im Ausschuß noch einmal präzisiert habèn, aufgehoben. Hinsichtlich der Zeitsoldaten kann ich Ihnen sagen, daß Ihre Sorgen nicht begründet sind. Soweit sie nicht mit Mitteln der Berufsförderung studieren - es sind weniger als 200, die Ausbildungsförderung in Anspruch nehmen -, wird durch Verwaltungsvorschriften sichergestellt werden, daß sie durch diese veränderte Altersgrenze keinen Nachteil haben. Insoweit sind sich Verteidigungsminister und Bildungsminister durchaus einig. Mit diesen und anderen Verbesserungen können wir in der öffentlichen Diskussion bestehen und der in diesen Tagen besonders laut vernehmbaren Kritik an der Novelle eine überzeugende Antwort geben. Studentische Kritiker halten uns vor, die Zahl der Geförderten ginge zurück, immer mehr Studenten fielen aus der Förderung heraus. ({7}) Die Bundesregierung spare auf Kosten der Studenten, und ein Beweis dafür seien die Haushaltsreste, die im BAföG-Topf liegenblieben. Förderungssätze und Elternfreibeträge müßten drastisch erhöht werden, damit Studenten nicht an jenem Hungertuch nagen müßten, das mir in dieser Woche, säuberlich genäht und beschriftet, ins Ministerium geliefert worden ist. Aber wie ist die Wirklichkeit? Niemandem ist Ausbildungsförderung vorenthalten worden. Alle gesetzlichen Ansprüche wurden erfüllt und werden weiterhin erfüllt. Haushaltsreste zeigen nur, daß es schwierig ist, den Bedarf im voraus genau einzuschätzen. Nehmen z. B. weniger Abiturienten als erwartet ein Studium auf, so kann das schnell zu auffälligen Minderausgaben führen. Ich muß auch der Auffassung entgegentreten, die an dieser Stelle geäußert wird, der Haushaltsansatz sei der Rahmen für das, was wir ausgeben können und auch ausgeben sollten. Wie ich schon betonte, ist das eine Frage der Vorwegschätzung. Wenn diese Schätzung etwas zu gering ausfallen sollte, also der Ansatz geringer ist als die gesetzlichen Ansprüche der Begünstigten, dann muß nachbewilligt werden. Dann könnte auch niemand kommen und sagen: Nun ist der Topf leer, und wir können nicht mehr auszahlen. Das heißt, nicht der Ansatz im Haushalt, sondern die gesetzlichen Ansprüche bestimmen das Maß der Leistungen. ({8}) Sie sind nicht nur der Auffassung, man müsse diesen Haushaltstopf in vollem Umfang ausschöpfen, also die Betrachtung, daß es allein um den gesetzlichen Anspruchsrahmen geht, verlassen, sondern Sie stellen hier auch einen Antrag - das will ich ganz deutlich sagen -, der selbst etwaige Haushaltsreste, wenn sie noch entstehen sollten, deutlich übersteigt und nicht mit der mittelfristigen Finanzplanung abzudecken ist. Das sollen Sie wissen. ({9}) - Es sind etwa 220 Millionen DM, die Ihr Antrag jährlich kosten wird, für Bund und Länder, und für, den Bund sind es etwa 140 Millionen DM. Das ist ganz bestimmt nicht darin. ({10}) - Die Haushaltsreste der vergangenen Jahre können Sie nicht zugrunde legen, weil unsere Schätzungsmethoden sich verbessert haben, ({11}) und weil wir auch damit rechnen müssen, daß nach der 5. BAföG-Novelle - des vergangenen Jahres - eine bessere Ausschöpfung in diesem Jahr erfolgt. Ich sage Ihnen nur: Das, was Sie verlangen, ist ganz bestimmt nicht darin, unabhängig davon, daß es eine recht unmaßgebliche Betrachtungsweise ist, zu sagen: Da ist noch Geld, das muß nun ausgegeben werden. Auch der Versuch, an Hand der Quote der Geförderten die Förderung zu bewerten, geht fehl. Wir halten an der subsidiären Ausbildungsförderung fest. Nicht elternunabhängige Förderung, sondern eine Verbesserung der Sozialleistung „Ausbildungsförderung" ist unser Ziel. Es bleibt Aufgabe der Eltern, nach ihren finanziellen Möglichkeiten die Ausbildungskosten zu tragen. Wenn das Realeinkommen von immer mehr Familien in unserem Land steigt, dann muß zwangsläufig für eine zunehmende Zahl von Studenten und Schülern der Anspruch auf Förderung entfallen. Wer dagegen den Anteil der Geförderten an der Gesamtzahl der Schüler und Studenten festschreiben oder gar steigern wollte, müßte die Steigerung der Leistungssätze an der Entwicklung der Einkommen statt an der der Lebenshaltungskosten orientieren. Die Ausbildungsförderung bekäme damit den Charakter eines Lohnersatzes, was sie nach unserem übereinstimmenden Willen nicht sein sollte und auch jetzt nicht werden soll. Auch von denjenigen, die der vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfs ohne Änderung zustimmen, würde sicher mancher eine weitergehende Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze bevorzugen. Wir haben das hier in dieser Debatte nochmals gehört. Gemeinsam müssen wir aber doch zur Kenntnis nehmen, daß zu dieser Entscheidung die Abwägung mit anderen begründeten finanziellen Ansprüchen gegen den Staat gehört. Wir müssen diese Novelle und ihre Verbesserungen mit Anstand gegenüber Arbeitern und Rentnern verteidigen können, auch z. B. gegenüber arbeitslosen Jugendlichen und natürlich gegenüber dem Steuerzahler. Da sind 620 DM zuzüglich der Ergänzungen nach der Härteverordnung - auch das Kindergeld muß hier berücksichtigt werden - für den voll geförderten Studenten weder ein kümmerlicher Bagatellbetrag noch - das will ich auch sagen - ein üppiges Staatssalär, von dem sich ein bequemes Leben machen läßt. Da mögen sich auf der einen Seite die Interessenten noch so geschickt und laut zu Wort melden, da mögen auf der anderen Seite noch so tief verwurzelte Emotionen immer wieder Vorurteile nähren: beide Bewertungen der Förderungsleistungen sind falsch und sollten entsprechend geringe Beachtung finden. Ich bin dankbar dafür, daß der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft dem Antrag der CDU/CSU auf Einfügung einer sogenannten Chaotenklausel in das Gesetz nicht gefolgt ist. Das billige Schlagwort „Kein Geld für Krawallstudenten" wird Ihnen vielleicht von denen dankbar abgenommen, deren Studentenbild ohnehin von Vorurteilen und Emotionen verzerrt ist. Sie tragen mit diesem Vorstoß, den Sie ja auch öffentlich ausgewertet haben, unmittelbar zu solcher Verzerrung bei. An der studentischen Wirklichkeit aber geht Ihr Vorschlag vorbei. ({12}) Er ist weder angemessen noch praktikabel. Das Ausbildungsförderungsgesetz eignet sich nicht zum Ordnungsrecht. Es verträgt ohne Schädigung seines Charakters keinen Einsatz zu Strafsanktionen. Daß Sie das nicht selbst erkennen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, zeigt, wie fremd Ihnen die heutige Studentengeneration geworden ist; sonst hätte doch wenigstens der Widerspruch des RCDS Sie zur Einsicht bewegen müssen. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rühe?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Bitte.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben vorhin selber von der Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler gesprochen. Können Sie die Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler dafür übernehmen, daß Gewalttäter Steuermittel erhalten?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Ich muß dem Steuerzahler und jedem Bürger gegenüber die Verantwortung dafür übernehmen, daß diejenigen, die sich in unserem Staat ordnungswidrig oder gar strafbar verhalten, dafür in angemessener, rechtsstaatlicher Weise zur Rechenschaft gezogen werden. ({0}) Aber - das wiederhole ich - das kann nicht dadurch geschehen, daß man eine Sozialleistung entzieht, die an einen ganz bestimmten Tatbestand anknüpft, nämlich die Durchführung der Ausbildung. Dies ist kein Gesetz, in dem sich Strafsanktionen unterbringen lassen. Bitte besorgen Sie das auf anderem Wege. Ich meine allerdings, wir haben auf anderem Wege ausreichend Vorkehrungen getroffen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Daweke?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Bitte.

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß sich bei der Anwendung des jetzigen § 20 Abs. 2, also auch schon im geltenden Recht, erhebliche Schwierigkeiten ergeben, und wären Sie weiter bereit, zuzugeben, daß Sie durch Ihre eigene Stellungnahme im Ausschuß eigentlich unsere Argumentation unterstützt haben, hier ein besseres Recht zu schaffen?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Beim zweiten Punkt kann ich Ihnen nicht folgen. Ich weiß nicht, welche Stellungnahme Sie ansprechen. Vielleicht benutzen Sie eine weitere Zwischenfrage, um das noch einmal zu verdeutlichen. Zum ersten: Schwierigkeiten dieser Art entstehen nur bei demjenigen, der die Möglichkeiten des § 20 Abs. 2 überdehnen will. Dort ist vorgesehen, daß für diejenigen, die ihre Ausbildung unterbrechen, während dieser Zeit keine Ausbildungsförderung gezahlt wird. Freilich, das muß im Einzelfall nachgewiesen werden; dann kann man daraus Folgerungen ziehen. Wem dieser Nachweis nicht gelingt, der kann die Folgerungen nicht ziehen. So ist das bei allen Gesetzen. Das ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Rühe?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Bitte.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie dem Plenum bestätigen, daß einige Bundesländer in Abweichung von der jetzt geltenden gesetzlichen Regelung solche Steuermittel nicht zurückgefordert haben, obwohl die Studenten Vorlesungen boykottiert haben?

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Das kann ich dem Plenum und Ihnen, Herr Kollege Rühe, nicht bestätigen. ({0}) Ich gehe vielmehr davon aus, daß die Bundesländer die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, sorgfältig verfolgen und von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen. ({1}) Wenn im Einzelfall von Rückforderungen abgesehen wurde, liegen dafür offenbar triftige Gründe vor, die mit den Schwierigkeiten in Verbindung stehen mögen, die Sie vorhin angesprochen haben. ({2}) Aber lassen Sie uns über dem Streit über diese Punkte nicht vergessen, daß es uns in den letzten Jahren gemeinsam gelungen ist, die Wirksamkeit der Ausbildungsförderung zu verbessern, den Förderungsbereich schrittweise auszudehnen, zuletzt für das Berufsgrundschuljahr. Dieses Gesetz hat sich in seiner Struktur bewährt. Es hat für eine wachsende Zahl von Jugendlichen und ihren Familien mit materiellen Voraussetzungen für mehr Chancengleichheit geschaffen. Natürlich ist der Wunsch nach weiteren Verbesserungen verständlich. Ebenso verständlich muß es aber sein, daß sie nur schrittweise zu erreichen sind. Um dieses Verständnis bitte ich auch die, die auf dieses Gesetz angewiesen sind. Ich danke dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft für die engagierte Beratung dieser Novelle. Diesen Dank spreche ich besonders dem Ausschußvorsitzenden, unserem Kollegen Meinekke, aus. ({3}) Ich glaube, wir stimmen darin überein, daß er diese nicht einfachen Beratungen überlegen und geduldig mit großem Einsatz zu einem guten Abschluß geführt hat. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesen Abschluß nun auch hier zu vollziehen, indem Sie der Gesetzesnovelle zustimmen. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für die zweite Lesung liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Einzelberatungen und Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 8/2872 vor. Er ist bereits begründet. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Wer Art. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe Art. 2 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Hornhues.

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man am Ende der Beratungen der sechsten Novelle steht, erinnert man sich an den Anfang der Beratungen; das war das Ende der vierten Novelle. Damals war einer der wichtigen Punkte, daß wir herangehen wollten, die Gesamtstruktur der Ausbildungsförderung auf den Prüfstand zu stellen und zu fragen: Gibt es Alternativen? Ich möchte zu Beginn der dritten Lesung an diesen Punkt erinnern, weil ich glaube, wir haben uns über die Diskussion hinweg gemeinsam zu diesem Punkt hinbewegt, nachdem wir in diese und jene Richtung liebäugelt hatten, mit dieser oder jener Alternative, daß das BAföG letztlich so schlecht nicht sei. Ich glaube aber, daß es wichtig ist, ganz am Anfang hier noch einmal daran zu erinnern, daß wir vielleicht die eine oder andere Alternative ein wenig schnell beiseite gelegt haben und daß wir mit Blick auf kommende Beratungen uns die weitere kritische Verfolgung der Gesamtstruktur des Ausbildungsförderungssystems so ohne weiteres nicht ersparen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben eben unseren Antrag auf Erhöhung der Freibeträge, der für uns der wichtigste war - deswegen haben wir nur ihn gestellt -, abgelehnt. Ich bin damit an einem Punkt, bei dem man, glaube ich, ganz kritisch feststellen muß, daß in diesem Gesetz zwar das eine oder andere verbessert wurde, wobei der eine oder andere Vorschlag von uns übernommen wurde, daß aber doch letztlich nicht unerhebliche Strukturprobleme offengeblieben sind. ({0}) Dabei scheint mit der wichtigste Punkt das Problem der Freibeträge zu sein. Ich will mich gar nicht auf eine Diskussion darüber einlassen, wie das mit den Haushaltsresten ist. Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, sehr geehrter Herr Minister: Verstehen Sie bitte uns und auch die Öffentlichkeit, daß gefragt wird „Warum ist dies und jenes nicht möglich, wenn inzwischen im soundsovielten Jahr nicht ein oder zwei Millionen, sondern gewaltige Beträge - jeweils über 100 Millionen DM über Jahre hinweg -verblieben sind?" Herr Minister, Ihre Einlassung von eben kennen wir von Ihrem Vorgänger, von Ihrem Vorvorgänger; vermutlich wird es auch Ihr Nachfolger vortragen. Es wird alles beim alten bleiben, und Jahr um Jahr wird das Geld weiter da sein. Das ist ein Widerspruch, mit dem wir - ich glaube, das muß man ganz deutlich sagen - alles das provozieren, was wir von außen her zu hören bekommen. Das müssen wir irgendwie verändern. Wenn Sie es so nicht wollen, dann müssen wir es eben anders machen. Ich glaube nicht, daß wir damit über lange Zeiten hinwegkommen, daß wir auf der einen Seite die Überschüsse haben und auf der anderen Seite, wenn wir dies und jenes verändern wollen, sagen, dafür sei kein Geld vorhanden. Wir glauben unverändert, daß der Kernpunkt der Strukturverbesserung bei der Freibetragsregelung liegen muß, weil gerade hier - nicht nur beim BAföG, sondern auch bei anderen Gesetzen, die an Einkommensentwicklungen gebunden sind - eine Einkommenserhöhung relativ schmerzhaft und hart auf eine Minderung der Leistungen auf Grund von Sozialgesetzen durchschlägt. Ich kann dem Kollegen Maihofer nur zustimmen, der - ich glaube, im „Westfalenblatt" vom 16. Mai - erklärt hat, dies sei ein Skandal, und er wolle dies mit aller Macht verändern. ({1}) Ich hoffe, Herr Maihofer, nachdem es diesmal nicht geklappt hat, sind wir beim nächsten Versuch in einer Allianz. Ich stimme Ihnen nämlich voll zu. Dies ist ein Punkt, an dem wir erneut überlegen müssen, was da besser gemacht werden kann. Vielleicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, - ich sage dies zu uns Bildungspolitikern, vor allem zu den Bildungspolitikern von SPD und FDP - wäre es uns Bildungspolitikern gelungen, es diesmal schon durchzubekommen, wenn Sie nicht nur diesen Punkt unserer Vorschläge wenigstens innerlich unterstützt hätten, sondern auch bereit gewesen wären, sich die anderen Punkte ein wenig ernsthafter anzusehen, als Sie dies hier öffentlich bekunden. Ich meine genau die Punkte, die wir unter der Überschrift der Verhinderung von Mißbrauch bei BAföG sehen. Ich bin ziemlich sicher, daß in Ihren Reihen eine ganze Menge von Kollegen sitzt - Herr Ewen, Sie zur Not eingeschlossen -, die sagen: Im Grunde, müßte man da wirklich ein bißchen intensiver nachsehen, damit dies und jenes nicht da ist. Wenn Sie uns da gefolgt wären, würde es uns sicherlich helfen, gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber Mehrheiten in Fraktionen im Sinne einer Verbesserung der Förderung noch das eine oder andere zu erreichen. ({2}) Herr Minister, Sie haben eben § 20 angesprochen und gesagt, daß es da keine Probleme gebe. Wir haben uns darüber sehr gewundert. Es ist von meinen Kollegen angemerkt worden, daß Sie dem Problem BAföG vielleicht nicht die wünschenswerte Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Ich bitte um Nachsicht, aber Sie haben uns gerade den Beweis dafür geliefert, daß wir offensichtlich recht haben. Ich darf Sie bitten, die Tischvorlage Ihres Ministeriums vom 24. April 1979 für den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft einmal durchzulesen, in der Sie sehr deutlich auf die Probleme hinweisen, die es im Zusammenhang mit Boykotts und sogenannten Streikmaßnahmen an Hochschulen gibt, die es offensichtlich auch hinsichtlich der Auffassung Ihres Hauses und der der Regierung der Hansestadt Hamburg gibt. Darüber haben Sie freundlicherweise einen dezidierten Vermerk vorgelegt. Ich bitte, ihn nachzulesen. Sie werden dann sehen, daß wir nicht so ganz falsch liegen. ({3}) - Das ist ja verständlich, aber wichtige sollte man vielleicht doch kennen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben - ich betone dies - unsere Vorstellung zur sechsten Novelle frühzeitig eingebracht. Wir wollen offen gestehen,' daß wir mit der Zahl der Vorschläge, die übernommen worden sind, nicht ganz zufrieden sind. Wir sind mit einem erheblichen Teil der Diskussion zufrieden. Wir sind z. B. sehr damit zufrieden, daß es möglich war, über die sogenannte Chaoten-Klausel, über die sogenannten weiteren Möglichkeiten von Mißbrauchskontrollen im Ausschuß sehr vernünftig zu diskutieren. Ich bedaure es daher außerordentlich - ich darf dies hier am Ende feststellen -, daß der polemische Unterton der ersten Lesung, nachdem wir im Ausschuß sehr vernünftig zur Sache geredet haben, aus vordergründigen Erwägungen hier am Ende noch einmal aufgekommen ist. ({4}) - Natürlich, was soll es denn sonst anderes sein. Wir sind vor allen Dingen damit zufrieden, daß die Regelungen für das Auslandsstudium verbessert werden. Wir sind mit einer Reihe von Punkten unzufrieden, so mit der Freibetragsregelung. Wir sind unzufrieden mit dem zwar vorgenommenen Einstieg in die Verstetigung und halten dies für noch lange nicht optimal. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß wir uns um eine Verbesserung der Mißbrauchskontrollen bemühen müssen, daß wir sehen müssen, wie wir die Regelung der Darlehensproblematik familienfreundlicher gestalten. Wir sind der Auffassung, daß das Berufsgrundbildungsjahr - die fünfte Novelle - so schnell wie möglich endgültig abgesichert werden muß. Dies sind alles Punkte, die wir am Ende der Beratung der 6. Novelle mit Blick auf die nächste Novelle zielstrebig weiterverfolgen werden. Wir haben die Bitte, daß Sie sich, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, dann vielleicht vor der ersten Lesung schon ein wenig besser in Ihren Fraktionen abgestimmt haben und dann doch nicht so manches Versprechen abgeben, das Erwartungshorizonte aufbaut, die dann nicht einzuhalten sind. Wir bedauern dies außerordentlich. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines zu den Ländern sagen. Wir haben versucht - Sie wissen das sehr genau; wir haben Ihnen das wiederholt erläutert -, das, was wir vorgeschlagen haben, in langen Gesprächen mit den von uns regierten Ländern abzustimmen, damit sichergestellt war, daß im Bupdesrat im Erfolgsfalle kein Widerspruch dagegen eingelegt würde. Wir haben dies nach langen Verhandlungen mit unseren Finanzpolitikern erreicht. Und ich bitte, dies, was Sie ja im Ausschuß akzeptiert haben und was Sie auch genau wissen, auch einmal so hinzunehmen und dies hier auch einmal zu sagen, und nicht immer wieder die übliche Kehrtwendung zu machen und die übliche routinemäßige Polemik hier vom Stapel zu lassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz könnte unserer Auffassung nach in vielen Punkten besser sein. Wir werden diese Punkte mit Blick auf die nächste Novelle weiterverfolgen. Wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung und auf Zusammenarbeit, wie Sie dies nehmen wollen. Diese Novelle hätte besser sein können; sie hätte letztlich aber auch schlechter sein können. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir in der Schlußabstimmung der 6. BAföG-Novelle zustimmen. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Gang der dritten Beratung wirklich nicht aufhalten, aber ich kann die Behauptung, hier sei ein Vorgang ganz anders gelaufen, als ich das dargestellt hätte, nicht im Raum stehenlassen, zumal ich mich um diesen Vorgang, der das Land Hamburg betrifft, mit großer Intensität selbst gekümmert und bemüht habe. Da ging es genau um die Frage, daß die Feststellung mit der erforderlichen Zuverlässigkeit nach 20 Abs. 2 des Ausbildungsförderungsetzes nicht getroffen werden konnte. Es ging genau um die Auffassung, daß andere Erwägungen allgemeiner, politischer oder sonstiger Art hier nicht zum Zuge kommen können. An dieser Auffassung halte ich fest. Alles andere würden den Charakter dieses Gesetzes verändern. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lattmann.

Dieter Lattmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier heute morgen in einer ziemlich entspannten Atmosphäre und setzen damit im Plenum die Diskussion fort, wie wir sie auch schon im Ausschuß geführt haben. Ich finde dies dankenswert. Mir bleibt, noch einige Sachfragen zu beantworten, wo noch Antwort offensteht, und dann noch für die Sozialdemokratische Fraktion einige abschließende Bemerkungen zu machen. Herr Kollege Daweke, Sie haben in der amüsanten Gangart, die Ihr Beitrag hier hatte, das Gesetz abschließend im Ergebnis als etwas „mager" bezeichnet. Darauf möchte ich nur in einem Satz antworten: Das ist sicherlich auch eine Generationsfrage; als „mager" kann das nur jemand bezeichnen, der magere Jahre nie erlebt hat. ({0}) Aber dazu kann man Sie ja nur beglückwünschen und dies nicht etwa beklagen. Ich möchte aber auch all denjenigen Studentenorganisationen und einzelnen Studentensprechern, die mit uns in den zurückliegenden Wochen die Frage der Möglichkeit, ob nicht doch bei den Freibeträgen etwas geschehen könne, erneut diskutiert haben, auch von dieser Stelle aus bestätigen: Die Bemühung der Bildungspolitiker der Koalition, hier noch etwas zu verbessern, war sehr ernsthaft. Wir müssen - wie die Dinge liegen - dies auf die nächste Runde zu diesem Gesetz vertagen. Wir stehen selbstverständlich auch zu diesem Ergebnis, obwohl wir ,in diesem Bestreben eine ganze Menge Gemeinsamkeiten mit den Bildungspolitikern der Opposition praktizieren können, zumindest in dem, was das weitere Bemühen um die Verbesserung des Gesetzes anbelangt. Herr Kollege Voigt, Ihnen bleibt zur Herabsetzung des Förderalters von 35 Jahren auf 30 Jahre zu antworten. Sie haben offensichtlich nicht genau genug erwogen, daß im Gesetz der zweite Bildungsweg - und hier sind die eigentlichen sozialen Problemgruppen - vollständig ausgenommen ist, da dort die Förderung dem Alter nach unbegrenzt möglich ist und das Gesetz damit eine Verbesserung enthält. Sie haben auch bedauert, daß die Zeitsoldaten benachteiligt würden. Ich vermag dem nicht zu folgen, gerade aus der Sicht, daß wir beide als Kollegen aus dem Oberallgäuer Wahlkreis speziell die Probleme der Bundeswehr vor Ort kennen. Die Zeitsoldaten, Herr Kollege Voigt, haben zwei Möglichkeiten, durch die sie mit den meisten, die eine Ausbildung beginnen, unvergleichbar sind: Erstens kommen sie aus einem gestandenen Beruf, haben gut verdient und konnten für eine anschließende Ausbildung natürlich selber durch Bildung von Ersparnissen Vorsorge treffen. Zweitens erhalten sie aus anderen Etats so erhebliche Übergangsgelder und Abschlußzahlungen, daß sie praktisch eine Grundausstattung - ich will nicht sagen: ein kleines Vermögen - für eine Ausbildung mit auf den Weg bekommen. ({1}) - Die Zeitsoldaten können dies auf Grund eigener Erfahrungen, wenn sie verfolgen, was sie real im Geldbeutel haben, sehr gut bestätigen. ({2}) Ich möchte noch etwas über den seltsamen Mechanismus sagen, den wir nach achtjährigem Bestehen dieses Gesetzes bei der sechsten Novelle erleben, daß wir uns nämlich jedes Jahr auf die eine oder andere Weise - durch die Debatte über den BAföG-Bericht oder durch die Diskussion über Erhöhungen - erneut mit diesem Gesetz beschäftigen und daß jedes Jahr genau jene, die dafür arbeiten, daß Verbesserungen für die junge Generation, für Schüler und Studenten, eintreten, eine Art öffentlichen Verdruß hinnehmen müssen, und zwar Verdruß wegen konkreter Verbesserungen. Das ist ein absurder Zustand. Mit dem muß man auch einmal in der Weise umgehen, daß man so, wie ich es jetzt tue, sagt: Es ist wirklich nicht meine Aufgabe, hier nur aus der Perspektive der Zwanzigoder Dreißigjährigen zu sprechen. Man muß auch einmal aus der Erfahrung der Älteren, nämlich der Elterngeneration, sprechen. Ich weiß sehr genau: Erfahrungen sind zwischen den Generationen nicht ohne weiteres übertragbar; jede Generation hat ihre spezifischen Schwierigkeiten. Aber jenen Studentensprechern, die die jetzigen konkreten Verbesserungen durch diese Novelle so darstellen wollen, als liege eine Notlage der Studenten vor, muß einmal ganz klar gesagt werden: Mit Not hat dies nichts zu tun. Not haben die erlebt, die unmittelbar nach 1945 in diesem Land eine Ausbildung begonnen haben. Damals gab es einen massiven sozialen Numerus clausus; damals gab es verstopfte Universitäten. Im Vergleich dazu sind alle Ausbildungschancen unserer heutigen jungen Generation hervorragend. ({3}) La ttmann Jedenfalls - um noch drei Zahlen zu bringen - beträgt die konkrete Erhöhung durch dieses Gesetz im Jahr 1980 300 Millionen DM. Das sind, für die einzelnen Bezugsgruppen unterschiedlich, Zuwächse zwischen 8 und 14 %. Ganz sicher kann man sagen, daß eine Ausbildungsförderung, die für Schüler in bestimmten Fällen ab dem 10. Schuljahr, sonst ab dem 11. Schuljahr, insgesamt zwischen 465 und - für Schüler von Abendschulen - 560 DM und für Studenten von 620 bis - dazu kommen Krankenversicherung, Wohngeld, Anteile aus dem Kindergeld, also eine Realförderung - fast 700 DM im Monat beträgt, kein beklagenswerter Zustand ist. Ich möchte umgekehrt sagen: Wenn - was wir Bildungspolitiker ja gern hätten - in allen Bereichen 100 DM noch hätten draufgelegt werden können, dann fände die Debatte im Grund genommen ebenso statt, nur auf einem um 100 DM höheren Niveau. ({4}) Damit komme ich zu meinem abschließenden Punkt. Bei der dritten Lesung einer Novelle zu einem solchen Ausbildungsförderungsgesetz kann man, wie ich glaube, in ganz wenigen Minuten auch noch einen weiterreichenden Gedanken anfügen, und zwar sehr wohl im Anschluß an das, was der Bundeskanzler und auch andere Sprecher in der gestrigen Debatte über den Bericht zur Lage der Nation gesagt und bedacht haben: nämlich die in der Tat bedenkenswerte Erfahrung, daß Geld in unserer Gesellschaft nicht das Hauptproblem ist und daß man mit der Verbesserung von materieller Förderung weder die inhaltliche Motivation noch eine wirkliche Lebenszufriedenheit bei der jungen Generation erreicht. Dazu sind ganz andere Dinge wichtig. Warum ist es denn so, daß so viele alternative Lebensformen aufkommen? Warum ist es so, daß uns so viele junge Leute im Lande an Schulen und Universitäten sagen: Wie redet ihr da eigentlich im Bundestag? Wir kommen bei euch ja kaum noch vor. Die Sprache, die ihr sprecht, ist für uns schwer zu verstehen. - Dies ist für uns doch ein Anlaß, zuzuhören, wenn wir wirklich das tun wollen, was das Grundgesetz uns nicht nur nahelegt, sondern befiehlt, nämlich Abgeordnete der ganzen Bevölkerung zu sein. ({5}) - Dies gilt mit Sicherheit für alle Angehörigen dieses Hauses. Die Bildungspolitiker in allen Fraktionen waren in den letzten Jahren manchmal gemeinsam in der besonderen Schwierigkeit, daß wir uns nach einer Phase Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, in der alle Fraktionen in der Bildungspolitik in erheblichem Maße Reformen wollten, jetzt in einer Phase befinden, wo vieles schwerer zu bewegen ist. Ich sage es noch einmal: Nicht die materielle Förderung ist das eigentliche Problem. Das Problem ist vielmehr die inhaltliche Reform der Bildungspolitik, die steckengeblieben ist. Jeder Wahlkreispolitiker weiß doch, daß in seine Sprechstunden eine Menge Wahlbürger kommen, die in dem einen oder anderen Bereich etwas wollen. Bei uns hat sich eine Art von Anspruchsniveau, aber auch Anspruchsdenken in einem Ausmaß entwickelt, das man noch vor zehn, 15 Jahren in der Bundesrepublik nicht für möglich hielt. Dies ist ganz in Ordnung, aber - ({6}) - Herr Daweke, es geht Ihnen vielleicht genauso. Zu mir kommen viele Leute, die Erhöhungen da und Erhöhungen dort wollen. Es geht dann um Rentenfragen oder andere Probleme. Es kommt ganz selten einer, der sagt: Ich will eine bessere Demokratie. Die jungen Leute aber kommen und sagen genau das. Sie sind nämlich in der Politik noch nicht so ausschließlich materiell orientiert, wie es manche Gruppen von Älteren sind. Herr Kollege Voigt, Sie haben hier nicht nur als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, sondern speziell auch als Politiker der CSU gesprochen. Wenn ich mir die Schülergruppen und die Studentengruppen, die aus unserem engeren Bereich hier ankommen, anschaue und ihnen zuhöre, meine ich, sollte gerade Ihre Partei als die stärkste im südlichsten Bundesland einmal nicht so viel von finanzieller Verbesserung, sondern von der konkreten Verbesserung der Freiheit reden, die nämlich in Bayern sehr wohl Mangel leidet. ({7}) Ich komme zum Schluß, indem ich sage: Die sozialliberale Koalition und speziell die SPD-Fraktion hat sich allen Bestrebungen widersetzt, über die Bedingungen der finanziellen Förderung Wohlverhalten an den Schulen und Universitäten zu erzeugen. Wir haben beobachtet, daß Sie das Stichwort von der Chaoten-Klausel selbst haben fallenlassen. Ich möchte ein anderes Stichwort dagegensetzen: Wir wollen aber auch nicht, daß uns bildungspolitisches Spalierobst geboten wird, sondern wir wollen, daß in unserem Bildungssystem demokratische Grunderziehung - sehr wohl im Sinne von Erziehung zum Mut, im Sinne von Erziehung zu den freiheitlichen Grundprinzipien unserer Verfassung - geboten wird. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Maihofer.

Prof. Dr. Werner Maihofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001414, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen am Ende der dritten Lesung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Wenn wir angesichts der nunmehr zur Abstimmung stehenden Endfassung eine Gesamtbilanz dieser sechsten BAföG-Novelle ziehen, dann muß diese Bilanz für die beiden Teile dieser Novelle, erstens die linearen Anpassungen und zweitens die strukturellen Veränderungen, ebenso positiv wie kritisch ausfallen. Dabei kann ich an manches anknüpfen, was Herr Kollege Hornhues, aber auch Herr Kollege Lattmann in ihren Beiträgen ausgeführt haben. Erstens. Es ist unbestreitbar, daß bei der nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geforderten Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge an - wie es dort heißt - die Entwicklung der Einkommensverhältnisse und die Veränderungen der Lebenshaltungskosten durchaus achtenswerte Verbesserungen erreicht worden sind, deren positive Aspekte von meinen Vorrednern von der Koalition eingehend gewürdigt worden sind. Wenn man sich hier allerdings nichts in die Tasche lügen will - wie man so sagt -, dann muß man ebenso offen feststellen, daß diese Anpassungen nicht nur unter den Erwartungen der Studenten und ihrer Familien, sondern auch - das hat Herr Lattmann mit begrüßenswerter Deutlichkeit eben festgestellt - unter den Erwartungen der in Bildungsfragen tätigen Parlamentarier aller Bundestagsfraktionen geblieben sind. ({0}) Zwar bringt die Novelle eine durchschnittliche Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge um 6 °/o und gleicht so den geschätzten Anstieg der Lebenshaltungskosten von etwa 5,5 °/o aus. Nicht annähernd ausgeglichen werden damit jedoch - darum sollte man nicht herumreden - die mit dem Zuwachs der Nettoeinkommen um fast 90 °/o seit 1971 angesichts einer Anhebung der Elternfreibeträge um weniger als 45 °/o - also um die Hälfte - eingetretenen Folgewirkungen: Bei gleichem realen Einkommen fallen immer mehr Familien aus der Ausbildungsförderung heraus. ({1}) Wurden 1973 noch 46 % gefördert, so waren es 1977 nur mehr 39 %, also 7 % weniger. Künftig, so die Schätzungen, wird die Zahl wohl unter 35 % liegen. Das führt dazu, daß ein alleinstehender Elternteil mit Kind heute schon mit einem Nettoeinkommen von etwa 1 800 DM monatlich ganz aus der Förderung herausfällt. Dies führt, in Zahlen gesagt, dazu, daß trotz steigender Studentenzahl auch die absolute Zahl der geförderten Studenten in der Zeit von 1978 bis 1981 um weitere 25 000 absinken wird. So lauten die Schätzungen. Wir haben - und das gilt für alle hier im Parlament - deshalb bis zuletzt versucht, eine innerhalb der Haushaltsansätze mögliche bescheidene Steigerung der Elternfreibeträge um 40 DM zu erreichen, um wenigstens die jetzige Quote der Ausbildungsförderung zu stabilisieren. Es war nicht zu erreichen. Ich stehe nicht an, dies als einen empfindlichen Mangel dieses Gesetzentwurfs zu bezeichnen, ({2}) der mich dazu bewegen wird, mich trotz aller Fortschritte, die er bringt, bei der Endabstimmung der Stimme zu enthalten. Ich stehe auch nicht an - und dies ist der eigentliche Grund meiner Stimmenthaltung -, zu erklären, daß ich hier die Grenze einer Denaturierung des Parlaments erreicht sehe, die möglicherweise zwar eingegefahrenen Gepflogenheiten entspricht, aber den verfassungsmäßigen Gegebenheiten widerspricht, nach denen ({3}) - das ist kein Witz, Herr Wehner ({4}) die Abgeordneten - und nicht nur bei sogenannten Gewissensentscheidungen ({5}) nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind. ({6}) - Das ist Ihre Beurteilung. Es täte mir leid, wenn Sie unsere Verfassung so für ein Stück Papier halten. ({7}) - Aber ich bitte Sie, Sie belehren ja uns hier! ({8}) Um es klar zu sagen: Was in Art. 38 unserer Verfassung steht, muß zumindest überall dort unbedingte Geltung haben, wo es sich nicht um Grundsatzfragen der Regierungsfähigkeit oder der Mehrheitsverhältnisse, ({9}) sondern schlicht und einfach um die freie Entscheidung jedes Abgeordneten innerhalb der gegebenen Haushaltsansätze handelt. ({10}) Zweitens. Bei den strukturellen Veränderungen fällt die Bilanz dieser Novelle insgesamt positiver aus. Kritische Einschränkung verdient aus unserer Sicht lediglich die diesmal noch nicht erreichte Wiederherstellung der sogenannten Widerspruchsdarlehen, die es den Studenten ersparen würde, sich bei Konflikten mit ihren Eltern im Prozeß völlig auseinanderzustreiten, wie dies heute vom geltenden Recht gefordert wird, und es ihnen statt dessen ermöglichen würde, verzinsliche Darlehen aufzunehmen, um so ihre Ausbildungsförderung zu bestreiten, Kritische Vorbehalte verdient auch die Herabsetzung der Altersgrenze auf 30 Jahre. Diese Regelung sieht auf unser Drängen auch für die betroffenen Frauen ausdrücklich Ausnahmen vor, die ihnen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Recht auf Förderung sichern. Darauf kam es ja an. Aber es wird in der Ausführung dieser Regelung doch sorgfältig zu prüfen sein, inwieweit sich in der Wirklichkeit nicht die Ausnahme zur Regel verkehren, wodurch die ganze komplizierte Prozedur ad absurdum geführt würde. Das muß man im Verwaltungsvollzug - wir sind es uns alle schuldig, daß wir das heute noch einmal bekräftigen - prüfen. Nur unter diesem Vorbehalt haben wir dieser Kompromißregelung endgültig zugestimmt. Im übrigen aber sind gerade für das Auslandsstudium - in konstruktivem Zusammenwirken zwischen Wissenschaftsministerium und Bildungsausschuß und zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen - großzügige Regelungen für eine verstärkte Förderung des Auslandsstudiums erreicht worden, die durch gezielte Stipendienprogramme des Deutschen Akademischen Austauschdienstes unterstützt werden sollen. Es ist zu hoffen, daß damit der allseits beklagten Provinzialisierung des Hochschulstudiums - auch und gerade für den Bereich der Ausbildungsförderung - kräftig entgegengewirkt werden kann. Auf der Tagesordnung für die nächste BAföGÄnderung bleiben die durch den jüngsten Bericht des Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung unter finanzwirtschaftlichen wie kapitalwirtschaftlichen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage gestellten Grunddarlehen. Wir hätten es gern gesehen, wenn die nach dem festgestellten Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag überfällige Aufhebung der sogenannten Grunddarlehen schon bei dieser Novelle mitentschieden worden wäre. Deshalb haben wir auch die geplante Anhebung der Darlehenssätze verhindert. Sollte sich bei der Prüfung dieses Berichts am Ende nicht ein gegenteiliges Ergebnis herausstellen - das ist kaum zu erwarten -, so werden wir bei der nächsten Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ohne Wenn und Aber auf die vollständige Abschaffung der Grunddarlehen hinwirken. ({11}) Mit zur positiven Gesamtbilanz dieser BAföG-Novelle gehört auch, daß die Opposition nach den sehr sachlich und auch, wie ich meine, einigermaßen schonungslos geführten Aussprachen im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ihre ursprüngliche Absicht aufgegeben hat, das BAföG durch eine auch in der Öffentlichkeit viel erörterte sogenannte Chaoten-Klausel zu einem Disziplinierungsinstrument gegen rebellierende Studenten umzufunktionieren. ({12}) und sich am Ende den tatsächlichen wie rechtlichen Gründen nicht verschlossen hat, die gegen eine solche Veränderung sprechen. Das gleiche gilt für den zweiten Leistungsnachweis, der, wie wir in den Beratungen immer wieder gesagt haben, nur zu einem Rückfall in die massenhaften Scheinnachweise und Scheinprüfungen geführt hätte, die uns aus Zeiten des Honnefer Modells noch in abschreckender Erinnerung sind. In allen diesen Hinsichten ist das jetzt zur Verabschiedung anstehende Gesetz am Ende auch durch zahlreiche überzeugende Verbesserungsvorschläge - das will ich hier nicht unterdrücken des Bundesrates besser geworden, als es die Regierung, aber auch die Opposition ursprünglich vorgeschlagen hatte. Und was kann man Besseres über ein Gesetz, in dieser Hinsicht jedenfalls, sagen? Daß es in einigen empfindlichen Hinsichten auch unter den Erwartungen der im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft tätigen Parlamentarier geblieben ist, hängt allerdings nicht nur mit der, wie ich meine, heute falschen Optik und falschen Priorität der Politik auf dem früher allseits so beliebten Felde der Bildungs- und Hochschulpolitik zusammen, sondern hängt zusammen auch - und dies möchte ich auch den Vertretern der Studentenorganisationen bei diesem Anlaß nicht ersparen - mit dem Ausfall einer handlungsfähigen Gesamtvertretung der Studentenschaft als ständigem verantwortlichem Gesprächspartner der Parlamentarier und der Regierenden in allen diesen Fragen, wie dies der VDS - und da habe ich noch persönliche Erinnerungen aus den 70er Jahren - so erfolgreich für die Belange der Studenten wie der Hochschulen insgesamt gewesen ist. Vielleicht sollte das Unbehagen mancher an manchen der heute verabschiedeten Regelungen auch die Studentenschaften einmal zu einem grundsätzlichen Nachdenken darüber bringen, warum sich hier Prioritäten der Politik selbst gegen das heftige Widerstreben aller Bildungspolitiker in allen Fraktionen dieses Hauses zu verschieben begonnen haben. Ich meine, nach dem Ende des „Bruderkrieges" an den Hochschulen wäre es auch für die Gesamtvertretung der Studentenschaften jetzt an der Zeit, sich auf ihre Rolle als Partner in dem politischen Prozeß zurückzubesinnen, der in Bildungs- und Hochschulpolitik in Bund und Ländern stattfindet und in dem angemessene Fortschritte auch für die Belange der Studenten nur dann erzielt werden können, wenn auch sie selbst wieder ihren hierbei unverzichtbaren Part als Nächstbeteiligte und Nächstbetroffene sachkundig und verantwortlich wahrnehmen. Dies entlastet uns nicht von der Verantwortung für das vorliegende Gesetz. Aber ich glaube, es gibt hier doch Anlaß, über ein neues Verhältnis von Parlament und Studenten in künftigen Gesetzgebungsrunden nachzudenken, auch von seiten der Studentenschaften. Dieses Schlußwort kann ich nicht unterdrücken. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Rühe.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Worte gemeldet, weil Herr Bundesminister Schmude das Plenum zweimal falsch informiert hat über die tatsächlichen Probleme im Zusammenhang mit § 20, also Rückforderung von BAföG-Mitteln von streikenden Studenten. Ich hoffe, daß Sie das nur aus Unkenntnis getan haben. Zum einen ist im Gegensatz zu Ihren Ausführungen darauf hinzuweisen, daß es in dieser Sache riesige Unterschiede in der Handhabung zwischen den einzelnen Ländern gibt. In einer Tischvorlage - Sie zwingen mich, daraus zu zitieren - für die Sitzung vom 7. März stellt Ihr eigenes Haus fest: In Schleswig-Holstein wurde gegen Teilnehmer am Boykott ermittelt. Bei früheren Boykottmaßnahmen sind Rückforderungsansprüche in erheblichem Umfang geltend gemacht worden. Hamburg verwies wie schon früher auf erhebliche Ermittlungs- und Beweisschwierigkeiten und beabsichtigte daher, von der Verfolgung von Rückforderungsansprüchen abzusehen. Seitens des Bundes wurde jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 85 Abs. 4 Grundgesetz darauf hingewiesen, daß es bei der Geltendmachung solcher Ansprüche keinen Ermessensspielraum gebe. ({0}) Und ich füge ein Zweites an: Vom 9. bis 20. Mai 1977 hat es in Hamburg einen Streik gegeben, an dem viele tausend Studenten teilgenommen haben. Die Hamburger Landesregierung hat im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Herr Schmude, nicht nur auf Beweisschwierigkeiten abgehoben, sondern - wörtlich - von der „Gefahr einer erheblichen Unruhe" unter den Studenten für den Fall gesprochen, daß sie das Bundesgesetz anwenden würde. Daraufhin hat Ihr Ministerium der Hamburger Landesregierung mitgeteilt - ich zitiere wörtlich -: Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft vertritt die Auffassung, daß nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 BAföG kein Raum für allgemein- und hochschulpolitische sowie verwaltungsökonomische Erwägungen bestehe. Ich meine, daß Sie hier auch hätten sagen müssen, daß die Kollegen von SPD und FDP im Ausschuß auf den Bundeszwang hingewiesen und Sie aufgefordert haben, in Zukunft ein solches unterschiedliches Verhalten nicht mehr zu dulden. Ich frage mich auch: Wo kommen wir eigentlich hin, wenn Gesetze nur dann angewandt werden, wenn es keine Schwierigkeiten bei der Durchsetzung gibt? ({1}) Wo kommen wir denn eigentlich hin, wenn einerseits die schleswig-holsteinische Landesregierung im Interesse des Steuerzahlers Mittel von Studenten zurückfordert, die nicht studieren oder darüber hinaus sogar andere mit Gewalt am Studium hindern, und auf der anderen Seite die Hamburger Landesregierung, von SPD und FDP geführt, unter Hinweis auf erhebliche Unruhe darauf verzichtet, das Bundesgesetz anzuwenden? Das ist die Wahrheit, und ich bedaure, Herr Bundesminister, daß Sie das Plenum zweimal in unrichtiger Weise informiert haben. Sie sollten sich korrigieren. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zur dritten Lesung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Zwei Enthaltungen. Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen. Meine Damen und Herren, es liegen noch zwei weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt unter den Nrn. 2 bis 4 und 6 der Drucksache 8/2868, die Bundesregierung zu verschiedenen Maßnahmen aufzufordern und die Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 5 der genannten Drucksache weiter, den Dritten Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, Drucksache 8/2269 - es handelt sich dabei um die Vorlage, die auf der Tagesordnung unter 11. b) aufgeführt ist -, zur Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 30. Mai 1979, 13 Uhr ein. Abschließend mache ich noch auf die 7. Bundesversammlung aufmerksam, die am nächsten Mittwoch, dem 23. Mai 1979, stattfindet. Die Sitzung ist geschlossen.