Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe zunächst einige Mitteilungen zu machen. Die Richtlinien für unsere Fragestunde sehen bekanntlich vor, daß in jeder Sitzungswoche zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchgeführt werden. Abweichend von dieser Regelung wird auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung vorgeschlagen, in der nächsten Sitzungswoche neben einer Fragestunde von 90 Minuten, die am Mittwoch stattfinden soll, eine weitere Fragestunde von nur 60 Minuten Dauer durchzuführen. Diese zweite Fragestunde soll am Freitag von 8 bis 9 Uhr stattfinden.
Die vorgeschlagene Abweichung von den Richtlinien bedarf nach § 127 unserer Geschäftsordnung der Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages. Wer mit der Abweichung einverstanden Ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle fest, daß die Abweichung mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden ist.
Der Bericht der Bundesregierung über die Neuregelung des Verbots der Beschäftigung von Kindern in den §§ 5 und 6 des Jugendarbeitsschutzgesetzes - Drucksache 8/2794 - soll gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend - und dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, daß so beschlossen worden ist.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Parlamontarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 9. Mai 1979 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Spranger, Gerlach ({0}), Dr. Jentsch ({1}), Krey, Dr. Langguth, Dr. Laufs, Dr. Miltner, Regenspurger, Sauer ({2}), Volmer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter - Drucksache 8/2773 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2823 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 25. April bis 8. Mai 1979 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2838 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die in Drucksache 8/2717 unter Nr. 5 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer neuen Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Einheiten im Meßwesen und zur Aufhebung der Richtlinie des Rates 71/354/EWG
wird als Drucksache 8/2723 verteilt.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 27. April 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Richtlinie ({3}) des Rates zur Änderung der Richtlinie vom 1. Juni 1976 zur Festlegung der überarbeiteten Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen ({4})
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Geräuschemissionen von Rasenmähern ({5})
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 19 und 20 auf:
19. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut
- Drucksache 8/174 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6})
= Drucksachen 8/2647, 8/2690 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Kunz ({7})
({8})
20. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat betr. die Forstpolitik in der Europäischen Gemeinschaft
Entwurf einer Entschließung des Rates betr. die Ziele und Grundsätze der Forstpolitik in der Europäischen Gemeinschaft
Entwurf einer Entscheidung des Rates zur Errichtung eines Forstausschusses
- Drucksachen 8/2466 Nr. 20, 8/2689 Berichterstatter:
Abgeordneter Sauter ({10})
Präsident Carstens
Interfraktionell ist eine verbundene Debatte mit einem Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Wünscht einer der Herren Berichterstatter als Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Kunz ({11}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratungen des jetzt zur Verabschiedung anstehenden Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut haben sich fast über zwei Jahre erstreckt und lassen schon dadurch auch für den Außenstehenden erkennen, wie schwierig die Materie war und wie gründlich der Ausschuß seine Entscheidung vorbereitet hat. Möglicherweise hätte man von einer Novellierung des Gesetzes Abstand genommen, wäre nicht durch neue und geänderte EG-Richtlinien auf dem Gebiet des forstlichen Vermehrungsgutes eine Angleichung des korrespondierenden Bundesgesetzes erforderlich geworden. Aus innerstaatlichen Gründen kamen dann noch einige Änderungen und Ergänzungen hinzu, für die aus der Sicht der deutschen Forstwirtschaft ein Bedürfnis bestand. Weite Teile des Gesetzes finden auch inzwischen die Zustimmung der Beteiligten. Die Phänotypen-Auslese, d. h. die Zuchtwahl nach dem äußeren Erscheinungsbild eines Individuums, war während der Beratungen immer wieder in Zweifel gezogen worden. Auch eine zusätzliche Anhörung von Forstgenetikern speziell zu dieser Frage brachte kein einheitliches Bild besserer Alternativen. In der Mehrheit waren die dort befragten Forstgenetiker der Meinung, daß man auf die Phänotypen-Auslese zur Zeit noch nicht verzichten könne. Der Ausschuß hat sich deshalb der vorherrschenden Meinung der befragten Sachverständigen angeschlossen. Er ist gleichwohl zur Überzeugung gekommen, daß diese Methode nur eine vorübergehende Regelung darstellen kann. Er hat ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß das vorliegende Gesetz entsprechend novelliert werden sollte, sobald und soweit der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse dies zuläßt. Ich möchte hier noch einmal betonen, daß der Ausschuß sich außerstande sah, die offensichtlich strittige wissenschaftliche Frage zu entscheiden. Er fordert aber klar und unmißverständlich das zuständige Fachministerium auf, bessere, d. h. wissenschaftlich gesicherte Auswahlmethoden von sich aus dem Ausschuß zu unterbreiten, sobald die wissenschaftlichen Erkenntnisse dies zulassen. Dadurch soll aber keineswegs ausgeschlossen werden, daß in den Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz der Zuwachs an wissenschaftlichen Erkenntnissen stets so rasch wie möglich seinen Niederschlag findet, soweit es der Rahmen des Gesetzes zuläßt. Darüber hinaus versteht der Ausschuß seine diesbezügliche Aufforderung an das zuständige Fachministerium als dringlich, damit mögliche Verbesserungen der deutschen Forstwirtschaft rasche-stens zugute kommen können.
In der ersten Anhörung haben Vertreter der Privatwirtschaft Beschwerden gegen die fehlende Trennung von hoheitlichen und fiskalischen Aufgaben der staatlichen Forstverwaltung vorgebracht. Als Berichterstatter bin ich in meinem Schriftlichen Bericht, der dem Hohen Hause vorliegt, bereits ausführlich auf diesen Komplex eingegangen. Der Ausschuß nimmt dieses Problem sehr ernst und bittet die nach unserer Verfassung dafür zuständigen Länder, von sich aus zu überprüfen, ob eine Interessenkollision in diesem Bereich vorliegt. Weiterhin haben Vertreter der Privatwirtschaft in der Anhörung und in ihren weiteren Stellungnahmen und Eingaben auf die Monopolstellung der staatlichen Forstverwaltungen auf dem Markt für Forstsamen und Forstpflanzen hingewiesen, die sowohl aus der Größe der staatlichen Forstverwaltungen als auch aus der Behördeneigenschaft der Forstverwaltungen resultiere.
Das Land Bayern hat durch seine Forstverwaltung Grundsätze für die Zusammenarbeit mit Privatfirmen im Bereich Forstsamen und Forstpflanzen erarbeiten lassen. Sie sollen hier als beispielhaft erwähnt werden, weil sie einen Weg aufzeigen, wie der Staat mit der Privatwirtschaft zum beiderseitigen Vorteil Zusammenarbeit pflegen kann.
Die im Ausschuß bei den Beratungen dieses Gesetzes gewonnenen Erkenntnisse haben ihren Niederschlag im Bericht gefunden. Sie könnten und sollten dazu führen, daß der Staat ganz allgemein auf eine strenge Trennung zwischen fiskalischer und hoheitlicher Tätigkeit achtet und im Bereich der Wirtschaft nur insoweit tätig wird, als dies zur Erfüllung seiner Aufgabe notwendig ist. Im übrigen aber sollte er das Feld der wirtschaftlichen Betätigung der privaten Initiative überlasen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst zum Tagesordnungspunkt 19, dem Gesetz über forstliches Saat- und Pflanzgut, einige Bemerkungen machen.
Es waren zwei Problemkreise, die im Mittelpunkt dieser langwierigen Beratung standen und die mir deshalb auch Veranlassung sind, hier eine Erklärung abzugeben, zumal sie schlechthin Aktualität für unsere gesetzgeberische Arbeit besitzen. Zunächst geht es um den Grundsatz der klaren Trennung der hoheitlichen Tätigkeit des Staates von seiner wirtschaftlichen Betätigung. Seitens des betroffenen Wirtschaftszweiges waren Vorwürfe laut geworden, die Landesforstverwaltungen benutzten ihre hoheitlichen Funktionen bei der Anerkennung des forstlichen Saat- und Pflanzenguts und ihren dabei erzielten Informationsvorsprung zum Nachteil der privatwirtschaftlichen Konkurrenten am Markt, wenn es um Geschäfte des Staates mit forstlichem
Dr. Schmidt ({0})
Saat- und Pflanzgut gehe; ein und dieselben Stellen, ja oft dieselben Personen, würden in beiden Funktionen tätig.
Es ist die einmütige Auffassung des Ausschusses, daß dies, wenn es zuträfe, unter den uns allen gemeinsamen Ordnungsvorstellungen von Wirtschaft und Verwaltung unhaltbar wäre. Hoheitliche und erwerbswirtschaftliche Funktionen müssen beim Staat organisatorisch so getrennt sein, daß keine Interessenkollisionen auftreten können. Es wäre auch unerträglich, wenn bloß der Anschein einer solchen Interessenkollision entstehen könnte. Darüber hinaus kann es selbstverständlich auch nicht Sinn der wirtschaftlichen Betätigung des Staates sein, in Konkurrenz zu Privatbetrieben zu treten, die ihr Unternehmensrisiko selbst tragen müssen und ihrerseits im Wettbewerb des Marktes stehen.
Auf diesen Grundsatz bezogen bedeutet das: die forstlichen Zulassungsbehörden müssen so organisiert sein, daß ihre hoheitlichen Funktionen strikt getrennt von den erwerbswirtschaftlichen der Forstverwaltung ausgeübt werden. Das gilt auch für den Informationsfluß zwischen beiden Bereichen. Ferner ist hier die wirtschaftliche Betätigung möglichst auf die Eigenversorgung der staatlichen Forstbetriebe mit Vermehrungsgut zu beschränken.
Bei dieser Forstsaatgutnovelle haben wir es mit einem Bereich zu tun, wo diese Grundsätze von den Ländern zu praktizieren sind. Wäre insoweit eine Bundeszuständigkeit gegeben, so hätte sich der Ausschuß nicht gescheut, diese Grundsätze in Gesetzesform zu fassen. Aber angesichts der verfassungsrechtlichen Organisationsgewalt der Länder war ihm dies hier verwehrt. Dennoch ist der Ausschuß überzeugt, daß allein seine Beratungen dieses Problemkreises den Ländern Anlaß genug ist, ihre forstlichen Organisationsstrukturen zu überprüfen.
Auch ein zweiter Fragenkreis, der den Ausschuß gründlich beschäftigt hat, besitzt Aktualität für den Gesetzgeber schlechthin. Mancher Wissenschaftler war darum bemüht, daß der Ausschuß seinen forstgenetischen Erkenntnissen folge. Naturwissenschaftliche Meinungsstreite können aber nicht durch einen Beschluß des Gesetzgebers geklärt werden.
Bei dem vorliegenden Entwurf konnte der Ausschuß nur von forstgenetisch und forstbiologisch gesicherten Eikenntnissen ausgehen. Bei dem Meinungsstreit, ob man vom äußeren Erscheinungsbild eines Baumes auf qualitativ wertvolle Erbanlagen schließen oder ob man, wie einige behaupten, zu diesem Urteil auch unmittelbar durch genetische Untersuchungen kommen kann, durften wir für unsere Beschlüsse nur langfristig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde legen.
Das bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber vor dem wissenschaftlichen Fortschritt die Augen verschließt. Im Bewußtsein unserer menschlichen Unzulänglichkeiten müssen wir in Kauf nehmen, daß unsere Gesetze nicht für alle Zeiten richtig sind,
sondern in gewissen Zeitabständen entsprechend den Fortschritten der Naturwissenschaft und der Technik novelliert werden müssen.
So kann sich der Gesetzgeber - und das sei mein letztes Wort dazu - auch nicht, wie einige Wissenschaftler den Ausschuß warnen zu müssen glauben, blamieren, wenn er heute forstgenetische Thesen, die sich vielleicht erst nach Jahren als zutreffend erweisen, bei seinen Beschlüssen zu dem vorliegenden Entwurf noch nicht berücksichtigt.
Soweit meine Anmerkungen zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut.
Doch nun zu Punkt 20 der Tagesordnung, einer der vielen EG-Vorlagen, die aber nicht einen rein technischen, sondern einen politischen Hintergrund hat. Hier geht es um die Mitteilung der EG-Kommission an den Rat über die Forstpolitik in den Mitgliedstaaten. Sie enthält eine ausführliche Darstellung der strukturellen Verhältnisse des Waldbesitzes und der Forstwirtschaft in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sowie der Bedeutung der Waldbestände in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht. So weit, so gut. Mit dem Vorschlag aber, die forstpolitischen Ziele - die es meistens gar nicht gibt - und Maßnahmen der Mitgliedsländer stärker zu koordinieren und dafür einen Ausschuß aus Vertretern der Mitgliedsländer zu schaffen, in dem unter Vorsitz der Kommission ein ständiger Informationsaustausch über die Lage der Forstwirtschaft und die Forstpolitik der Mitgliedstaaten erfolgen soll, zieht sie jedoch Konsequenzen, die man nur mit den Worten „Wehret den Anfängen" qualifizieren kann.
Ich will das verdeutlichen und nur eine Frage aufwerfen, der ich persönlich allerdings große Bedeutung zumesse. Es ist die Frage, was die Kommission eigentlich im Sinn hat, wenn sie von der „Koordination forstpolitischer Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene" spricht, „falls dies zum Erreichen von gemeinsamen Zielen erforderlich" ist. Ich stelle diese Frage nicht zuletzt deshalb, weil im Zielkatalog der Kommission die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit sachgemäß bewirtschafteter Forstbetriebe aufgeführt worden ist, wohinter man wohl zuerst ein Einkommensziel vermuten darf. Was aber ist, wenn dieses zweifellos zu begrüßende Ziel in einem EG-Land nicht erreicht wird, vielleicht auch gar nicht erreicht werden kann? Beispielsweise in Italien, dessen Waldareal zu fast 60% aus unproduktivem Niederholz besteht. Was soll da auf Gemeinschaftsebene koordiniert werden? Meines Erachtens schimmert da etwas durch die Bäume - um im Bild zu bleiben -, was sich zwar auf den ersten Blick als recht harmlos ausgibt, in der politischen Kompetenz jedoch bald zu einer Politik führen kann, wie wir sie in der Agrarpolitik leider schon genügend kennen.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat empfohlen, die Mitteilung der Kommission zur Kenntnis zu nehmen. Er ersucht die Bundesregierung jedoch, die Entschließungsentwürfe zur Koordinierung der forstwirtschaftlichen Ziele
Dr. Schmidt ({1})
und Maßnahmen sowie zur Errichtung des Forstausschusses in Brüssel zurückzuweisen. Die EG besitzt für die Bereiche, die in dem Entschließungsentwurf angesprochen sind, zunächst einmal keine Kompetenz. Im Vertrag ist von Forstpolitik nirgends die Rede.
Der Grund für unsere Ablehnung der Entschließungsanträge ist aber nicht nur ein formaler, sondern auch ein politischer. Nach unseren Erfahrungen bei der Agrar- und Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft erscheint es mir nicht angebracht, den Problemen, die in der EG der Lösung bedürfen, ein weiteres hinzuzufügen. Wir sind der Auffassung, daß in den einzelnen Mitgliedsländern, bevor eine Koordinierung der Forstpolitik in Angriff genommen werden kann, Vorstellungen dafür entwickelt werden müssen. Eine Kompetenzerweiterung der EG-Institutionen für diesen Bereich steht nicht zur Debatte.
Die Ausführungen, die der Entschließungsentwurf der Kommission zu den Zielen und Grundsätzen einer gemeinsamen Forstpolitik enthält, sind notwendigerweise allgemein. Sie rechtfertigen keine neuen Institutionen und Behördenapparate bei der Kommission. Vereinbarungen über gemeinsam durchzuführende Vorhaben der Strukturverbesserung und des Umweltschutzes sowie die Berücksichtigung forstpolitischer Zielsetzungen bei agrarund wirtschaftspolitischen Maßnahmen sind nach den vorliegenden Erfahrungen mit den vorhandenen Institutionen durchaus möglich. Bevor größere Schritte auf Gebieten getan werden, die in den Gemeinschaftsverträgen nicht angesprochen sind, sollten die Institutionen der Gemeinschaft unter Beweis stellen, daß sie die vorhandenen Aufgaben angemessen lösen können. Da liegt noch unendlich vieles im Argen.
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Begründung der ablehnenden Haltung unseres Ausschusses zu den Vorschlägen der Kommission noch einige Bemerkungen machen, die unsere eigenen Aufgaben in diesem Bereich betreffen. Ich kann das leider nur sehr kurz machen. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit das Bundeswaldgesetz, das Jagdgesetz, das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege in diesem Hause beschlossen. Wir haben eine Gemeinschaftsaufgabe Agrarstrukturverbesserung und Verbesserung des Küstenschutzes sowie ein Umweltprogramm der Bundesregierung und auch teilweise der Bundesländer. Überall werden die ökologischen und wirtschaftlichen Funktionen des Waldes mehr oder weniger ausführlich beschrieben.
Ich frage mich aber: Haben wir deshalb ach eine überzeugende forstpolitische Gesamtkonzeption? Ich komme zu dem Ergebnis: im Grunde genommen nicht. Das Bundeswaldgesetz ist ein Rahmengesetz; wichtige Fragen sind in den Ländern unterschiedlich geregelt worden. Wir reden von Wiederaufforstung bei Windbruchflächen, wir reden von Verästung und dergleichen mehr. Aber Vorstellungen über eine gesamtforstpolitische Konzeption gibt es nirgends, in keinem Lande der EG, auch nicht außerhalb der EG.
Herr Abgeordneter, wir sind in der Kurzdebatte. Darf ich bitten, zum Ende zu kommen.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident.
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß wir das bei unseren eigenen Zielsetzungen natürlich beherzigen sollten.
Ich darf Sie zum Schluß bitten, dem Gesetzentwurf und dem Votum des Ausschusses - Drucksache 8/2689 - zuzustimmen. Ich darf die Erwartung aussprechen, daß die Bundesregierung das Votum des Bundestages ungeachtet jeder taktischen Verhandlungslage berücksichtigt.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Paintner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es außerordentlich, daß das Hohe Haus heute Gelegenheit nimmt, forstwirtschaftliche Fragen zu diskutieren; denn die Forstwirtschaft verdient unser besonderes Interesse. Nur durch eine wirtschaftlich leistungsfähige Forstwirtschaft kann die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion unserer Wälder gesichert werden. Wir haben hier eine große Verpflichtung nicht nur gegenüber der Forstwirtschaft, sondern auch gegenüber der Bevölkerung insgesamt.
Eine Grundforderung bei der Bewirtschaftung unserer Wälder ist neben dem Nachhaltigkeitsprinzip die Forderung nach der Verwendung von geeignetem Saat- und Pflanzengut. Diese Forderung ist für die Forstwirtschaft eine so bedeutende Frage, weil damit eine Entscheidung für die gesamte Umtriebszeit - und die ist bekanntlich sehr lang - getroffen wird. Erwähnt sei auch das erhöhte Betriebsrisiko, das durch die Verwendung ungeeigneten Vermehrungsgutes entsteht und z. B. beim Eintreten von Schneebruchschäden sichtbar wird.
Auch künftige Generationen benötigen nachwachsende Rohstoffe. Es ist sogar anzunehmen, daß sie auf die nachwachsenden Rohstoffe stärker als wir angewiesen sind. Gesetzliche Regelungen über forstwirtschaftliches Saat- und Pflanzengut sind daher außerordentlich wichtig. Da die wissenschaftlichen Kenntnisse inzwischen weiter fortgeschritten sind, begrüßt es die FDP-Fraktion, daß die Bundesregierung in Anlehnung an eine entsprechende EG-Richtlinie eine Novellierung des forstlichen Saat- und Pflanzengutgesetzes eingeleitet hat. Mit dem jetzt zur Verabschiedung vorliegenden Gesetzentwurf wird nachvollzogen, was auf dem Gebiet des forstlichen Saat- und Pflanzgutes als gesicherte Erkenntnis gilt. Somit ist natürlich auch hinsichtlich der weiteren Forschung auf diesem Gebiet kein Abschluß gegeben, sondern die jetzt vorliegende Neuregelung sollte zugleich Ansporn sein zu neuen wissenschaftlichen Untersuchungen.
Die Zielsetzung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut, nämlich die Erhaltung und Verbesserung der Ertragsfähigkeit des Waldes, wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf um das Ziel einer Erhaltung und Verbesserung der Wirkung des Waldes auf die Umwelt erweitert. Die FDP begrüßt dies mit Nachdruck.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist eine geeignete Grundlage gegeben, den neuen Erkenntnissen auf züchterischem Gebiet in der Forstwirtschaft zur Anwendung zu verhelfen. Es liegt nun an den beteiligten Marktpartnern, den Baumschulbetrieben, den staatlichen, kommunalen und privaten Waldbesitzern sowie den Aufsichtsbehörden, wie sie die vom Gesetz geregelten Bereiche und die vom Gesetz nicht geregelten Bereiche ausfüllen. Sie sollten dies tun im gegenseitigen Verständnis. Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, dem Waldeigentümer Vorschriften über den Anbau zu machen. Dies begrüße ich sehr; denn es zeigt nicht nur unsere positive Einstellung zum privaten Eigentum, sondern unterstreicht auch unsere Auffassung, daß die Vielfalt der forstlichen Ziele und Verhältnisse besser von einzelnen Waldbesitzern als vom Gesetzgeber berücksichtigt werden kann. Die FDP-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Lassen Sie mich damit überleiten zur Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend die Forstpolitik in der Gemeinschaft. Auf die fehlende Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Gestaltung einer gemeinsamen Forstpolitik hat mein Herr Vorredner bereits hingewiesen. Maßnahmen der Gemeinschaft auf forstwirtschaftlichem Gebiet müssen sich daher zwangsläufig auf bestimmte Teilbereiche beschränken, für die entsprechende Rechtsgrundlagen im Vertrag vorgegeben sind. Der Bereich des forstlichen Saat- und Pflanzgutes ist dafür ein musterhaftes Beispiel. Daß die Forstpolitik in jüngster Zeit zunehmend im Blickpunkt des gemeinschaftlichen Interesses gestanden hat, beruht auf einem geschärften Bewußtsein für die herausragenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen des Waldes.
Daher ist es verständlich, daß sich die Kommission in verstärktem Maße dem forstlichen Problem in der Gemeinschaft zuwendet. Ich darf in diesem Zusammenhang an die forstwirtschaftlichen Schwerpunktmaßnahmen der Gemeinschaft erinnern, seien es die forstwirtschaftlichen Versorgungsmaßnahmen zugunsten der Mittelmeergebiete, seien es die Mittel, die zur Beseitigung der Sturmschäden in Niedersachsen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds bereitgestellt wurden.
Der Vorschlag für eine Entschließung des Rates betreffend die Ziele und Grundsätze der Forstpolitik ist für uns in der vorliegenden Fassung jedoch nicht annehmbar. Er geht in seiner Ausgestaltung über eine Koordinierung der Forstpolitik der Mitgliedstaaten als Aufgabe der Mitgliedstaaten hinaus und soll durch einen umfangreichen Maßnahmenkatalog offensichtlich den Weg für eine umfassende gemeinsame Forstpolitik ebnen.
Ich bin der Meinung, daß es im Rahmen der bisherigen Koordinierungsverfahren möglich sein muß, aber auch genügen sollte, daß sich die Mitgliedstaaten auf grundlegende forstpolitische Ziele einigen und auf einige wesentliche Grundsätze verständigen. Für die Errichtung eines ständigen Forstausschusses besteht kein zwingender Grund. Mit einem Ausschuß auf der Ebene und unter dem Vorsitz der Kommission würde nicht der Tatsache Rechnung getragen, daß eine Koordinierung grundlegender forstpolitischer Ziele Aufgabe der Mitgliedstaaten ist.
Die Forstpolitik in der EG hat viele Dimensionen, zunächst einmal natürlich forst- und holzmarktpolitische, dann aber auch EG-rechtliche, regionalpolitische, agrarmarktpolitische, umweltpolitische und finanzielle. Ich bin der Meinung, daß sich die Bundesrepublik Deutschland auf Grund der Zunahme des Gewichts der Forstwirtschaft in der Gemeinschaft einer intensiven Kooperation auf Dauer nicht entziehen kann.
Ich habe dargelegt, warum die forstpolitische Initiative der Kommission in ihrer vorliegenden Fassung abzulehnen ist. Wir fordern daher die Bundesregierung auf und bitten sie, sich um Lösungen zu bemühen, die einerseits zu mehr Verständigung auf forstpolitischem Gebiet zwischen den Mitgliedstaaten führen, andererseits aber sicherstellen, daß die Gestaltung der Forstpolitik auch weiterhin im Aufgabengebiet der einzelnen Mitgliedstaaten verbleibt.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar kurze Bemerkungen zum Tagesordnungspunkt 20 anfügen. Seit der letzten Debatte, in der wir uns ausgiebig über die Forstpolitik unterhalten haben, nämlich im Zusammenhang mit der Beratung des Bundeswaldgesetzes, sind fast fünf Jahre ins Land gegangen. Ich meine, daß die heutige Vorlage des Berichts der Kommission und die Beschlußfassung über diese Drucksache eine günstige Gelegenheit bieten, um kurz Fragen der Forstpolitik in der EG anzusprechen.
Aber lassen Sie mich zunächst einmal eine Anmerkung zur Empfehlung und zum Votum des federführenden Ausschusses machen. Wenn wir dem Haus - übrigens in Übereinstimmung mit dem Bundesrat - eine Ablehnung der Entschließung empfehlen, dann nur deshalb, weil wir glauben - und hier befinden wir uns in Übereinstimmung mit den anderen Fraktionen -, daß die Probleme der europäischen Forstpolitik nicht mit Hilfe eines neuen Ausschusses zu bewältigen sind.
({0})
Diese Empfehlung, Herr Kollege Dr. Schmidt, richtet sich nicht gegen die im Bericht umrissenen Zielsetzungen der Forstpolitik in der Europäischen
Sauter ({1})
Gemeinschaft, aber ich stimme Ihnen zu: Wir haben in der Gemeinschaft keinen Mangel an Organen, Ausschüssen, Kommissionen, Gremien und Administrationen. Die Organisation der Forstpolitik ist in den einzelnen Staaten so unterschiedlich geregelt, daß eine Harmonisierung oder gar eine Integration gar nicht möglich ist. Eine solche Integration ist - ich glaube, darin stimmen wir überein - weder wünschenswert noch notwendig. Die Forstpolitik in der Bundesrepubik Deutschland ist eine nationale und, so. möchte ich hinzufügen, eine föderale Aufgabe.
({2})
Wir wehren uns aber nicht, Herr Kollege Dr. Schmidt, gegen eine bessere und engere Koordination der Forstpolitik in der Gemeinschaft. Ich meine sogar einen Schritt weitergehen und sagen zu müssen, daß die Forstpolitik eine weltweite Dimension hat. Wenn Sie, Herr Kollege Schmidt, den Vorwurf erheben, daß es eine überzeugende Forstpolitik nicht gibt, daß eine überzeugende forstpolitische Konzeption fehlt, dann richtet sich dieser Vorwurf gegen die Bundesregierung, und ich bin gespannt darauf, was die Bundesregierung auf diesen Vorhalt aus ihrem Lager zu antworten hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wald und Holz sind leider Gottes nicht ohne weiteres vermehrbar. Holz als Rohstoff ist Mangelware in der Gemeinschaft; das Außenhandelsdefizit betrug nach dem Bericht, den wir heute zu beraten haben, im letzten Jahr 8 Milliarden Rechnungseinheiten. Der Holzbedarf nimmt jedoch laufend zu, und Einfuhren aus Drittländern und aus Übersee stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Die FAO weist zu Recht darauf hin, daß ein zunehmender Wohlstand in den Ländern der Dritten Welt mit einem steigenden Holzbedarf verbunden ist. Die Forstpolitik muß jedoch gerade in hochindustrialisierten Ländern vor dem Hintergrund der wachsenden Gefahr für unsere Umwelt gesehen werden, und es gibt in diesem Hause wohl keine Meinungsunterschiede darüber, daß Umweltpolitik ohne aktive Forstpolitik nicht möglich ist.
Im Bericht der Kommission finden wir eine Reihe interessanter Hinweis für die Forstpolitik der nächsten Jahre. Wir teilen die dort vertretene Auffassung, daß es langfristiger Perspektiven bedarf, um die wichtigen Funktionen des Waldes zu sichern. Die Forstgeschichte in Europa ist ein erschütterndes Lehrbeispiel dafür, daß Sünden am Wald über Generationen, ja, über Jahrhunderte hinweg nicht korrigierbar sind.
({3})
Wir stehen also vor der schier unlösbaren Aufgabe, zum einen den wachsenden Holzbedarf zu befriedigen und zum anderen den Wald wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, den Naturhaushalt und die Erholung zu erhalten und zu sichern. Angesichts der knapper werdenden Energie auf unserem Planeten wird in immer stärkerem Maß die Frage gestellt, ob nicht durch vermehrte Verwendung von Holz dieses Problem entschärft werden könnte. Ich möchte hier vor Illusionen warnen. Dennoch ist es
begrüßenswert, daß der Waldbesitzerverband in der Bundesrepublik Deutschland die Initiative ergreift, um die Vernichtung von jährlich 3 Millionen Kubikmetern Schwachholz zurückzudämmen. Neue Techniken zur Verwertung von Holz als Heizmaterial sind vielversprechend.
Die berechtigte Forderung nach sparsamem Umgang mit dem Rohstoff Holz ist nicht immer leicht zu realisieren. Aber die stärkere Wiederverwendung etwa von Papier brächte auf dem Holzmarkt eine wesentliche Entlastung. Wir wollen alle Bemühungen in dieser Richtung unterstützen.
Sicher haben wir - und darauf weist der Bericht hin - in der Gemeinschaft noch Möglichkeiten, die Holzproduktion zu steigern. Wichtig und vordringlich sind eine kontinuierliche Bestandpflege, eine optimale Ausbildung des Forstpersonals, ein verstärkter Erfahrungsaustausch und schließlich eine Bekämpfung der den Wäldern drohenden Gefahren.
Herr Abgeordneter, wir sind in der Kurzdebatte. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ich möchte mich bemühen. Ich bin überzeugt, Herr Präsident, als Freund des Waldes geben Sie mir eine Minute dazu.
({0})
Es tut mir leid, Herr Abgeordneter. Kommen Sie bitte zum Schluß.
Ich möchte zum Schluß kommen. Ich wollte darauf hinweisen, daß der Ausweitung des Waldes Grenzen gesetzt sind und daß wir hier angesichts des wachsenden Holzbedarfs und der Nichtvermehrbarkeit der Flächen vor einer Herausforderung stehen.
Lassen Sie mich mit dem Hinweis schließen: Auch wenn wir aus den genannten Gründen die Entschließung der Kommission ablehnen, unterstützen wir alle Bemühungen und Bestrebungen, die darauf angelegt sind, eine Forstpolitik zu verfolgen, die sich nicht nur an der Gegenwart orientiert, sondern auch vor kommenden Generationen Bestand hat.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich, daß Sie den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut und die Mitteilung der Kommission zur Forstpolitik in der Europäischen Gemeinschaft benutzen, um im Deutschen Bundestag über so etwas Wichtiges wie die Forst- und Waldwirtschaft zu diskutieren.
Ich möchte vor allem zu den Vorschlägen der Kommission und damit natürlich zur Forstpolitik
aus der Sicht der Bundesregierung Stellung nehmen.
Die Forstwirtschaft hat auf der Ebene der Gemeinschaft lange Zeit ein Schattendasein geführt. Eine der wesentlichen Ursachen hierfür liegt sicherlich in der begrenzten Kompetenzzuweisung durch die Römischen Verträge. Das Hauptprodukt der Forstwirtschaft, das Holz, ist im Anhang II zu Art. 38 EWG-Vertrag nicht enthalten. Damit fehlt der Gemeinschaft die Zuständigkeit für die Gestaltung einer gemeinsamen Forstpolitik, die anderen Gemeinschaftspolitiken vergleichbar wäre. Ich glaube, das war so gewollt. Dabei sollte es bleiben.
Maßnahmen der Gemeinschaft auf forstwirtschaftlichem Gebiet müssen sich daher zwangsläufig auf Teilbereiche beschränken. Ergänzend muß ich darauf hinweisen: Solche Maßnahmen hat es bereits in der Vergangenheit gegeben. Es wurde schon von Vorrednern erwähnt - und ich glaube, das sollte man fairerweise anerkennen -, daß sich die Europäische Gemeinschaft auf Drängen der Bundesregierung finanziell ganz maßgeblich bei der Bewältigung der Sturmkatastrophe in Niedersachsen engagiert hat. Ähnliches gilt natürlich auch für andere Fälle, bis hin zur Einbeziehung forstlicher Maßnahmen in die Pakete „Mittelmeer I" und „Mittelmeer II" zur Lösung der Strukturfragen in den südlichen Gebieten der Gemeinschaft. Dies ist zu begrüßen. Die angeführten Maßnahmen beweisen, daß bereits etwas geschehen ist.
Dennoch bleibt es bei den Rechtsgrundlagen und soll bei diesen Rechtsgrundlagen bleiben. Sie ermöglichen es gleichwohl, auch in Zukunft etwas zu tun, auch in der Forstpolitik, z. B. wie es heute vormittag mit der Rechtsangleichung in Form der Änderung des Gesetzes über forstliches Pflanz- und Saatgut geschieht. Ich möchte dem zuständigen Ausschuß und den Berichterstattern ausdrücklich danken. Ich will seitens der Bundesregierung zu dieser Materie nur mit einem Satz Stellung nehmen. Die Feststellung bezüglich der privatwirtschaftlichen Unternehmungen der Träger hoheitlicher Aufgaben wird von der Bundesregierung voll unterstützt und begrüßt. Ich kann nur hoffen, daß der Appell des Hohen Hauses bei den zuständigen Ländern und deren Forstverwaltungen berücksichtigt wird. Das Problem ist- aber sehr differenziert zu behandeln, damit sich nicht alle Forstverwaltungen gleichermaßen angesprochen fühlen. Das wäre sehr unfair. Ich unterstreiche das mit Nachdruck. Die Debatte wird in dieser Richtung sicherlich einige nützliche Auswirkungen haben.
Die Gestaltung der Forstpolitik verbleibt weiterhin nationale Angelegenheit. Die Bundesregierung wird auf dieser Position beharren, solange keine anderen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Ich muß darauf hinweisen, daß wir in wenigen Wochen europäische Wahlen haben. Natürlich kann niemand hier und heute sagen, was sich aus der europäischen politischen Entwicklung, z. B. im Hinblick auf mehr Kompetenzen für das Europäische Parlament, letzten Endes an rechtlichen und
politischen Konsequenzen ergibt. Das heißt, was ich jetzt sage, gilt für die derzeitige Rechtslage in der Gemeinschaft auf der Basis der Römischen Verträge.
Dies gilt auch hinsichtlich der Koordinierung bestimmter forstpolitischer Ziele und Grundsätze der Mitgliedstaaten.
Daß die Forstpolitik gleichwohl in jüngster Zeit zunehmend in den Blickpunkt des gemeinschaftlichen Interesses gerückt ist, beruhte auf dem geschärften Bewußtsein für die herausragenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen des Waldes. Mit Blick auf die ökonomische Seite darf ich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die gegenwärtige Holzerzeugung in der Gemeinschaft nur 40 % des Bedarfs deckt. Das Außenhandelsdefizit der Gemeinschaft bei Holz und Holzerzeugnissen liegt an zweiter Stelle hinter dem bei Erdölerzeugnissen. Dabei darf ich allerdings folgendes feststellen - es sind ja die Länder, die durch ihre Landesforstverwaltungen die Schwerpunkte praktischer Forstpolitik zu setzen haben; dem Bund bleibt nur die Rahmenkompetenz; außer einigen Bäumen auf Truppenübungsplätzen verfügt der Bund über keinen Wald -: Es ist mit ein Verdienst der Landesforstverwaltungen, daß die Bundesrepublik Deutschland eines der waldreichsten Länder dieser Gemeinschaft ist. Immerhin haben wir nahezu 30 % unserer Flächen mit Wald bedeckt, und zwar, wie ich zu meiner Freude feststellen kann - das darf ich hier und heute einmal sagen -, nicht nur mit Monokulturen, sondern in einem beachtlichen Umfang auch mit Mischkulturen, deren Wiederaufforstung übrigens seit Jahrzehnten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gefördert wird.
Ich möchte hinzufügen: In meinen Augen hat Holz eine große Zukunft. Gerade angesichts der Entwicklung auf dem Ölsektor werden wir zusehends auf Naturprodukte zurückgreifen müssen. Außerdem werden wir Holz eher mehr als weniger brauchen. Der Wald hat also aus ökonomischer Sicht, aber auch aus der Sicht des ökologischen Gleichgewichtes der Umwelt für die Zukunft der Industriegesellschaft große Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund und auch angesichts der großen Debatten über den Umgang mit natürlichen Ressourcen war es wohl verständlich, daß die Kommission das Bestreben hat, auch ihrerseits den forstlichen Problemen in der Gemeinschaft in Zukunft mehr Bedeutung beizumessen. Das sollte man als ein positives Verhalten bewerten.
Daher begrüßt die Bundesregierung, daß die Kommission in ihrem Bericht die Bedeutung des Waldes eingehend gewürdigt und darüber hinaus die Lage und die Aufgabe der Forstwirtschaft in den Mitgliedstaaten analysiert hat. Zu den einzelnen Punkten der Darstellung mag es unterschiedliche Auffassungen geben, die sicherlich Anlaß für eine Aussprache, gegebenenfalls für Berichtigungen sein dürften. Insgesamt stellt dies den informativen Wert des Berichtes für die Mitgliedstaaten jedoch nicht in Frage.
Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Ernährungsausschusses und des Bundesrates, daß in der vorliegenden Form die Vorschläge für uns nicht voll akzeptabel sind. Um es sehr deutlich zu sagen: Wir bejahen eine koordinierte nationale Forstpolitik. Die Koordinierung bejahen wir allerdings, weil wir sie für zwangsläufig halten. Sie muß in die gesamte Agrarstrukturpolitik eingebettet sein. Ich könnte mir die Lösung gewisser regionaler Probleme der Gemeinschaft ohne Wiederaufforstung gar nicht vorstellen. Verschiedene Bereiche der Gemeinschaft werden, solange sie das Forstproblem nicht in Form von Wiederaufforstung lösen können, ihre großen Probleme mit starken Klimaschwankungen, Trockenheit, Erosion nicht lösen können. Das sollte man insgesamt sehen.
Ich betone noch einmal zusammenfassend: Die Bundesregierung kann ihre Bereitschaft nur darin erklären, daß es zu koordinierten, d. h. abgestimmten nationalen Forstpolitiken kommt.
Der Vorschlag für eine Entschließung des Rates betreffend die Ziele und Grundsätze der Forstpolitik ist in der heute vorliegenden Fassung nicht annehmbar, weil er in seiner Ausgestaltung über eine Koordinierung der Forstpolitik der Mitgliedstaaten als eigener Aufgabe der Mitgliedstaaten hinauszielt und durch einen umfangreichen Maßnahmenkatalog offensichtlich den Weg für eine umfassende gemeinsame Forstpolitik ebnen soll.
Ich spreche hier auch aus meiner Erfahrung mit Strukturpolitik in der Gemeinschaft. Ich habe in
I der großen Auseinandersetzung um eine Strukturpolitik für diese Gemeinschaft, mit der die Probleme von Sizilien bis Edinburgh gelöst werden sollen, gelernt, und weiß, daß das schon auf dem Sektor der Agrarstruktur außerordentlich schwierig ist.
({0})
- Nein, das ist keine späte Erkenntnis, Herr Sauter. Sie müssen einmal meine Reden aus dem Jahre 1962 nachlesen. Studieren Sie die einmal.
({1})
- Nein, auch nicht im Jahre 1972. Man muß nur immer genau wissen, was man tut. Ich habe schon immer die Erkenntnis gehabt. Nur dürfen Sie nicht vergessen, daß ich auch ein gewisses Konzept mit übernommen habe. Das will ich nur sagen. Sie können einmal alle Reden des Bundestagsabgeordneten Ertl nachlesen. Da würden Sie manches nachlesen können.
({2})
- Nein, nein. Ich mußte auf Ihren Zwischenruf antworten. Ich lasse mich nicht durch einen nichtqualifizierten Zwischenruf abqualifizieren. Insoweit habe ich auch Selbstbewußtsein. Das gebe ich gerne zu.
So schwierig es schon ist, einen Rahmen für eine wirklich funktionsfähige gemeinsame Strukturpolitik zu finden, noch schwieriger scheint mir dies auf dem Forstsektor zu sein. Die Unterschiede in der Forstwirtschaft sind innerhalb der Gemeinschaft in der Tat mindestens ebenso gravierend, wenn nicht noch gravierender als in der Agrarstruktur. Daher kann nur ein Koordinierungsverfahren als akzeptabel anerkannt werden. Das müßte auch genügen. Das sollten die Mitgliedstaaten in einer Entschließung festlegen. Dabei sollten sie auch den wesentlichen Rahmen für forstpolitische Ziele abstecken, die in den einzelnen Ländern gelten und die man dann möglicherweise koordiniert handhaben kann. Auf die Aufzählung dieser Ziele möchte ich jetzt verzichten; ich darf aber darauf hinweisen, daß im Agrarbericht das Thema Forstpolitik auch bezüglich der Zielsetzung sehr ausführlich behandelt ist. Das ist also im Agrarbericht nachzulesen.
Im übrigen ist von meinem Haus eine Studie, die Jaakko-Pöyry-Studie, veranlaßt worden, in der die aktuelle Problematik der Forstwirtschaft mit Blick auf zukünftige Lösungen untersucht wurde. Wir sind dabei, diese Studie mit den betroffenen Kreisen auszuwerten. Ich bin überzeugt, wir werden anhand dieser Studie möglicherweise bis Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres im Ernährungsausschuß berichten können, ob und in welcher Form wir Notwendigkeiten zur Aktualisierung unserer forstpolitischen Zielsetzung sehen.
Nun ein letztes Wort zu dem Forstausschuß, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Bundesregierung steht der Einrichtung eines ständigen Forstausschusses reserviert gegenüber. Aber für mich ist das nicht der letzte Dollpunkt; es kommt darauf an, was damit beabsichtigt ist. Wir kennen innerhalb der Gemeinschaft bereits die Zusammenarbeit im Agrarstrukturausschuß; die hat sich bewährt und soll fortgesetzt werden. Wir kennen auch die ständigen Konferenzen der Leiter der nationalen Forstverwaltungen. Ich persönlich würde bevorzugen und möchte das auch vorschlagen - muß mich dazu allerdings mit meinen acht Kollegen abstimmen -, das ähnliche zu machen wie auf dem Marktordnungssektor, wo es das Instrument der Marktdirektoren-Gespräche gibt. Ich halte das für den richtigen Weg. Für den Vorschlag gibt es offensichtlich auch formale Gründe; so ist die Kommission, solange dieses Kind keinen Namen hat, nicht willens, Dolmetscher und ähnliches zur Verfügung zu stellen, was die Arbeit in einer so heterogenen Gemeinschaft nicht unbedingt erleichtert.
Lassen Sie mich zum Abschluß, meine Damen und Herren, zu dem Gesamtkomplex noch folgende grundsätzlichen Anmerkungen machen: Ich bin der Meinung, daß sich die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des zunehmenden Gewichtes der Forstwirtschaft in der Gemeinschaft einer intensivierten Kooperation auf Dauer nicht entziehen kann und sollte. Sie sollte sich daher bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel auch nicht darauf beschränken, die forstpolitische Initiative der Kommission in ihrer vorliegenden Fassung schlichtweg abzulehnen, sondern sich aktiv darum bemühen, Lösungen zu finden, die zu einem höchstmöglichen Maß an
Verständigung zwischen den Mitgliedsstaaten führen, andererseits aber sicherstellen, daß die Gestaltung der Forstpolitik auch weiterhin im Aufgabenbereich der einzelnen Mitgliedsstaaten verbleibt.
Ich kann dem Hohen Hause mitteilen, daß ich gestern veranlaßt habe, daß die Bundesregierung für die Beratungen in Brüssel ein schriftliches Konzept in dem mit den letzten Sätzen dargestellten Sinne vorlegen wird, nämlich eine koordinierte Forstpolitik innerhalb der Gemeinschaft zu betreiben, die im wesentlichen auf nationaler Zusammenarbeit beruht.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung zu Tagesordnungspunkt 19, Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über forstliches Saat- und Pflanzgut.
Ich rufe die Art. 1, 2, 4 und 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Der Ausschuß schlägt auf Drucksache 8/2647 unter Nr. 2 vor, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20, Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 8/2689. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Pieroth, Hauser ({0}), Dr. Zeitel, Dr. Biedenkopf, Breidbach, Dr. Dregger, Franke, Glos, Dr. Häfele, Frau Hoffmann ({1}), Kolb,
Kraus, Lampersbach, Dr. Möller, Müller ({2}), Niegel, Dr. Pinger, Dr. van Aerssen, Prangenberg, Dr. Schäuble, Schröder ({3}), Dr. Schwörer, Sick, Dr. Waigel, Dr. Warnke, Dr. von Wartenberg, Wissmann, Dr. Wörner, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU
Förderung von Existenzgründungen
- Drucksache 8/2603 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({4}) Finanzausschuß
Haushaltsausschuß
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Pieroth.
Herr Präsident! Verehrte Frau Renger!
({0})
- Geschätzte Kollegin! Meine Herren! Wir behandeln heute eine Vorlage der CDU/CSU zur Förderung von Existenzgründungen. Die Regierung steht mit leeren Händen da, obwohl sie seit der Gipfelkonferenz im Juli letzten Jahres, seit zehn Monaten draußen im Land ständig über Existenzgründungshilfen redet. Die Regierung ist über einen Kabinettsbeschluß noch nicht hinausgekommen; noch immer fehlen aus den verschiedensten Gründen exakte Verfahrensrichtlinien. Dabei häufen sich draußen bei den Kammern die Anfragen von Betroffenen, die seit Monaten abgewiesen und vertröstet werden müssen. Das haben unsere Gründungswilligen - zumeist junge Menschen - nicht verdient. Wir brauchen sie, und wir dürfen sie nicht immer wieder enttäuschen.
({1})
Sie erwecken hohe Erwartungen und kommen in der Regierung nicht richtig zur Sache, weil Teile der SPD das eben nicht wollen.
({2})
- Für die SPD-Führung, Herr Schachtschabel, ist die Mittelstandspolitik offensichtlich doch nur eine lästige Pflichtübung.
({3})
Über alles reden Sie, aber haben Sie einmal den Herrn Brandt, den Herrn Ehmke oder auch nur Sie, Herr Fraktionsvorsitzender Wehner, der Sie doch über alles im Deutschen Bundestag reden, je über die Bedeutung, Funktion und Notwendigkeit von selbständigen Menschen in dieser Gesellschaft reden hören? Darüber reden Sie nie!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Oostergetelo?
Bitte schön.
Herr Kollege, haben Sie zur Kenntnis genommen, daß während Ihrer Regierungszeit z. B. im Agrarbereich etwa jeder Zweite seine Existenz verloren hat?
Ja, nur hat sich die Entwicklung, solange Sie an der Regierung sind, verschärft - bis auf die drei letzten Jahre der Krise, in denen die Landwirtschaft immer noch sicherer geblieben ist als eine Beschäftigung in einer industriellen Welt, für die Sie in hohem Maße die Verantwortung tragen. Ich komme darauf noch zurück. Im übrigen war das in der Landwirtschaft eine weltweite Entwicklung. Aber Sie haben nicht gemerkt, daß wir inzwischen beim Punkt 21 der Tagesordnung sind. Wir reden über die Selbständigkeit insgesamt und nicht nur über die Landwirtschaft.
({0})
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Oostergetelo?
Ja, wenn es keine Dauererscheinung wird, gern.
Herr Kollege, da ich die Landwirtschaft auch als Teil des Bereiches der Selbständigen betrachte, bin ich davon ausgegangen, daß ich dazu eine Frage stellen darf: Haben Sie zur Kenntnis genommen, daß sich die Strukturentwicklung im Agrarbereich in den letzten zehn Jahren bei sozialer Absicherung vollzogen hat?
Die soziale Absicherung wurde von uns in den 60er Jahren grundgelegt. Strengen Sie sich doch einmal an, jetzt wenigstens die Absicherung der Witwen im landwirtschaftlichen Bereich nach unseren Vorstellungen durchzuziehen. Dann dürfen Sie wieder Fragen stellen.
({0}) Zunächst will ich hier aber fortsetzen.
Aus der Selbständigkeit im ganzen gibt es seit Jahren einen bedrohlichen Exodus und eben nicht nur bei der Landwirtschaft. Seit Jahren gibt es auch Warnungen, und es gibt Empfehlungen, was dagegen zu tun ist. Der Sachverständigenrat hat in seinem großen Jahresgutachten im Dezember 1976, als er die angebotsorientierte Politik zum erstenmal formulierte, eine verstärkte Förderung von Unternehmensneugründungen gefordert. Die Verbände weisen auf diese Notwendigkeit hin.
Die CDU/CSU hat schon in der Aussprache über die Regierungserklärung 1976 und in allen wirtschaftspolitischen Debatten danach auf die Dringlichkeit einer Selbständigkeitspolitik hingewiesen. Die Regierung zaudert aber aus den genannten Gründen, die Ihnen nicht so gefallen haben. Die wiederholten Ankündigungen seit dem Weltwirtschaftsgipfel sind nichts anderes als ein Alibi für vergangene Untätigkeit.
Wer aber die täglichen Probleme der Selbständigen kennt, den muß die heutige Lage sehr beunruhigen. Die Gesamtzahl der Selbständigen nahm in den Jahren von 1969 bis 1978 um fast 400 000 ab. Diese Entwicklung kann nur noch bis zum Jahre 2033 so weitergehen. Dann ist der letzte Selbständige allenfalls im Museum für Sozialgeschichte zu besichtigen und kann uns dort von der schleichenden, von der heimlichen Verstaatlichung erzählen.
({1})
Während z. B. in Nordrhein-Westfalen von 1966 bis 1970 die Zahl der Betriebe noch um 14 000 angestiegen ist, sank sie wiederum in Nordrhein-Westfalen - deshalb haben Sie dort ja Strukturprobleme - von 1970 bis 1975 um 15 000. Läßt man, Herr Kollege, jetzt einmal die Landwirtschaft weg, so gab es im Jahre 1978 einen gewissen Lichtblick, nämlich außerhalb der Landwirtschaft ein vorläufiges Plus von 16 000.
Ich bin mir ganz sicher, daß der hochgeschätzte Redner der SPD, Kollege Schachtschabel, jetzt anschließend von der Tendenzwende sprechen wird, obwohl die Regierung in deren Kabinettsbeschluß vom 14. Februar vor einer solchen euphorischen Betrachtung warnt. Viele dieser Existenzgründer, die da in den letzten Jahren gegründet haben, sind nur Rezessionsselbständige, sind Selbständige auf Widerruf. Es sind ältere Menschen, die seit Jahren keine Arbeit finden und deshalb vorübergehend eine Gastwirtschaft aufmachen, junge Juristen, die nur notgedrungen in eine Rechtsanwaltspraxis einsteigen, Handelsvertreter, die von ihren mittelständischen Firmen als festangestellte Reisende nicht mehr beschäftigt werden können. Die meisten von denen warten nur darauf, bei nächster Gelegenheit in die Unselbständigkeit zurückkehren zu können.
Auf der anderen Seite gibt es aber ein großes, immer noch gewaltiges Potential von Menschen, die aus innerem Bedürfnis heraus gern selbständig werden würden. Nach einer Umfrage der IHK Koblenz wären 59 % der 18 bis 25 Jahre Alten gern selbständige Unternehmer. Die meisten schrecken dann aber doch vor der Realisierung zurück. Sie werden in der Unselbständigkeit festgehalten, weil ihnen die Hürden vor der Selbständigkeit zu hoch erscheinen, die sich durch Bürokratie, soziale Unsicherheit, fehlendes Kapital und vor allem durch politische Diffamierungen vor ihnen auftürmen. Diese schlummernde Dynamik darf unserer Volkswirtschaft nicht länger verlorengehen; wir brauchen sie.
({2})
Meine Damen und Herren, es ist deshalb kein Widerspruch, wenn sich die Politik jetzt um mehr Selbständigkeit kümmern soll. Die Politik muß die von ihr mitverursachten Hürden und Hemmnisse vor der Selbständigkeit beseitigen. Der Staat hat seit Jahren Menschen aus der Selbständigkeit getrieben, er hat Risikobereitschaft gemindert, er hat Privatwirtschaft zurückgedrängt. Unser heutiger Antrag ist ein Zeichen dafür, daß jetzt das Ruder herumgeworfen werden soll.
({3})
- Ach, da können Sie doch nicht lachen, Kollege Schachtschabel. Sie sind doch Professor für Mittelstandspolitik, Sie müssen doch einigermaßen, wenn auch nur theoretisch, die Situation der Selbständigen kennen.
({4})
Aber damit Sie es wenigstens theoretisch aufnehmen können: diese unsere Weichenstellung ist eine Konsequenz der Idee der Sozialen Marktwirtschaft. Die Väter der Sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, Müller-Armack, Röpke, hatten erkannt, daß sich Wettbewerb nicht von selbst einstellt. Sie sagten deshalb: Wettbewerb muß veranstaltet werden. Ganz genauso ist es heute, wenn sich Selbständigkeit nicht mehr von selbst einstellt. Die Politik muß deshalb die Chancen zum Selbständigwerden wieder vergrößern. Unsere Wirtschaftsordnung darf nicht von den Wurzeln her austrocknen. Nur mit mehr Selbständigen können wir unsere Strukturprobleme lösen.
Wir wollen den Sprung in die Selbständigkeit erleichtern, indem wir - das ist das Herzstück unseres Antrages - analog zum Bausparen in Zukunft das Ansparen von Kapital für eine selbständige Tätigkeit steuerlich begünstigen. Sparbeträge bis zu 5 000 DM jährlich können maximal fünf Jahre als Sonderausgaben vom steuerpflichtigen Einkommen abgesetzt werden, insgesamt also 25 000 DM. Ist zehn Jahre nach Beginn dieses Ansparens die Existenzgründung nicht erfolgt, sind diese Ansparbeträge in einem Jahr nachzuversteuern, und zwar progressionsverschärfend. Wir verhindern damit den unechten Existenzsparer.
Darüber hinaus werden wir im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten das ERP-Existenzgründungsprogramm dem Bedarf stärker anpassen, die Kreditgarantiegemeinschaften, die insbesondere in süddeutschen Bundesländern hervorragend arbeiten, sachgerecht ausbauen, die Kapitalbeteiligungsgesellschaften für die mittelständische Wirtschaft von der Gewerbesteuer freistellen. Wir werden weiter Neugründungen von selbständigen gewerblichen Unternehmen in der Regionalpolitik auch dann fördern, wenn die hergestellten Güter nicht überregional abgesetzt werden.
({5})
- Sie können wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zur Vollbeschäftigung auch auf dem flachen Land dienen, nicht ständig inhibieren. Da müssen Sie im Ruhrgebiet ja inzwischen genug gelernt haben, Herr Kollege.
({6})
Das heißt im Klartext: wir sehen es nicht länger ein, daß man die Zweigniederlassung des Großkonzerns fördert und den tüchtigen Mann vor der Haustür, den man zu Hause kennt, leer ausgehen läßt. Der ist uns auf Dauer wichtiger, gerade in den strukturschwachen Räumen. Information und Beratung für Existenzgründungen bei den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft sollen soweit als möglich unterstützt werden.
Jetzt zu bestimmten Regierungsvorstellungen. Der angekündigte Regierungsvorschlag - um es deutlich auszudrücken - taugt nichts. Geplant sind zusätzliche Bürgschaften und Darlehen für Existenzgründungen, die ohne solche Hilfe unterbleiben würden. Ein Vergleich mit unserem Antrag offenbart die Mängel des Regierungsentwurfs und die erheblichen Vorteile unseres Existenzsparens.
Erstens. Die Regierung subventioniert, wir stärken die Fähigkeit des einzelnen, Risiko selbst zu tragen; die Regierung erhöht wieder einmal die staatlichen Ausgaben, wir vermindern die Steuerlast.
Zweitens. Die Regierung muß auswählen, bei uns entscheidet jeder selbst.
({7})
- Ja, nach dem Regierungsentwurf müssen unter den Bewerbern die 10 000 geeigneten ausgesucht werden, die etwas bekommen sollen. Da aber 120 000 im Jahr eine neue Existenz gründen, muß die Regierung auch festlegen, wer die 110 000 sind, die nichts bekommen. Wer bestimmt, wer legt fest, wer wählt sachgemäß aus? Unser Existenzsparen ist dagegen breit angelegt. Es steht jedem Existenzgründer offen, vermeidet damit Wettbewerbsverzerrungen, die Sie wieder neu schaffen.
Drittens: Das Regierungsvorhaben ist schwer verständlich, erweitert die Programmflut und ist wenig plakativ. Unser Antrag hat durch die weitgehende Analogie zum Bausparen ein klares Profil.
Viertens ist das Regierungsvorhaben ein großer Bluff. Es wird als Eigenkapitalhilfe verkauft. Herr Staatssekretär Grüner, seit wann muß man denn auf Eigenkapital Zinsen zahlen? Ich kenne das nicht. Seit wann muß man Eigenkapital zurückzahlen? In Wahrheit verbilligen Sie doch nur Fremdkapital für eine bestimmte Phase. Unser Existenzsparen dagegen verschafft dem jungen Betrieb wirkliches Eigenkapital, und nur Eigenkapital ist eine solide Basis für den Anfang.
({8})
Fünftens. Sie erwecken doch nur Illusionen, schlimmer noch, Sie erzeugen - und gerade Sie sollten es nicht tun - neue Subventionsmentalität. Wir wollen doch nicht noch mehr Subventionen. Solche Subventionen sind doch nichts anderes als die Vorstufe von Investitionslenkung. Hören Sie doch nach Hamburg. Bei uns gibt es keine unwürdige Subventionshascherei, kein Betteln bei einer Behörde, kein Schlangestehen beim Vergabebeamten, kein Ausspielen guter Beziehungen bis hin in die Sprechstunde des Abgeordneten.
({9})
- Nein, das ist eine einfache Regelung. Wer nur bürokratisch denken kann, kommt nicht auf die einfachen Dinge im Leben.
({10})
Bei uns wird schon Jahre vor der Existenzgründung
- das ist das Entscheidende - die Eigeninitiative, der Realisierungswille des noch Unselbständigen gestärkt, es später einmal selbst zu wagen. Das ist der
Wirtschaftspionier, den wir brauchen. Wir dürfen nicht den züchten, der schon bei der Betriebsgründung fragt: „Was bekomme ich von meiner Regierung?"
Ich kann jedenfalls mit Befriedigung feststellen, daß aus diesem Grund der Juniorenkreis der deutschen Wirtschaft das Regierungsprogramm massiv kritisiert, es untauglich nennt - die müssen es ja wissen - und dafür unser Modell befürwortet. In ähnlicher Richtung hat sich der DIHT ausgesprochen. Die übrigen Verbände beurteilen unser Vorhaben positiv.
Auch da, Herr Kollege Schachtschabel, werden Sie nachher anderes sagen. In Ihrer Hauszeitung „Bilanz" haben Sie sich ja schon selbst gefeiert zum Regierungsvorhaben. Sie sollten bei den Stellungnahmen der Verbände nur genau hinhören und auch zwischen den Zeilen lesen, dann werden Sie sehen, daß sich die Verbände nur deshalb so abgewogen aussprechen, weil Sie den Draht zur amtierenden Regierung nicht verlieren wollen. In der Sache findet unser Modell Zustimmung.
({11})
- Nein, das ist Tatsache. Lesen Sie die Stellungnahmen der Verbände genau nach, auch wenn Sie Ihnen nicht gefallen.
Meine Damen und Herren, es gibt in letzter Zeit immer mehr Publizität und mehr Aktivität für Existenzgründungshilfen. Die Kammern - die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern - arbeiten vorbildlich. Ich nenne nur München, Münster, Kiel, Koblenz. Die IDEX, die Anlaufstelle für Gründungswillige in Koblenz, hat im letzten Jahr 8 000 Beratungen durchgeführt. Das zeigt, unser Antrag kommt zur rechten Zeit.
Das Info-Institut begrüßt unsere Idee des Existenzsparens. Nachher könnte allerdings eingewandt werden, das Ifo-Institut sei eher für Steuergutschrift als für Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage. Dazu sage ich: Unser Weg ist leistungsbezogen, und das ist richtig. Wir brauchen Sonderanreize, z. B. für besser verdienende leitende Anstellte, die die Sicherheit ihrer gegenwärtig abhängigen Beschäftigung gegen das unternehmerische Risiko eintauschen sollen. Davon hatten wir in den letzten Jahren zu wenige. Die brauchen wir. Deshalb danken die Unionsparteien ausdrücklich all den tüchtigen Menschen, die in den letzten Jahren trotzdem das Wagnis einer selbständigen Existenz eingegangen sind..
({12})
Nur darf es dabei nicht bleiben. Wir müssen uns weitergehende Gedanken machen, wie die, die selbständig sind, auch selbständig bleiben können; wie wir die Bedingungen für die Übernahme von Unternehmen etwa durch leitende Angestellte bei Ausbleiben des unternehmerischen Nachwuchses verbessern können; wie der Zugang zum Kapitalmarkt für junge Betriebe verbessert werden kann. Die Banken sollten überlegen, wie Risikokapital für junge Betriebe bereitgestellt werden kann. Großunternehmen könnten Erfindungen, die sie selbst nicht verwerten, verstärkt über Innovationsbörsen verkaufen. Kurzum: Wir brauchen eine breite Bewegung für mehr Selbständigkeit in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. An den Schulen muß damit schon begonnen werden.
({13})
In den Schulen und in den Hochschulen sollte man mehr über den Wert von Selbständigkeit für die Allgemeinheit hören.
Nach dem Abbau der sozialen Diskriminierung des Gewinns haben wir jetzt die fatale Unterschätzung der sozialen Bedeutung unternehmerischer Akvität abzubauen. An den Schulen sollte man auch hören, daß über die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer, über 13 Millionen, in Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt sind und daß man sich in diesen Familienbetrieben, wenn es einmal nicht so gut läuft, eher in der persönlichen Lebenshaltung einschränkt, als Kurzarbeit anzumelden und die Leute auf die Straße zu setzen.
({14})
Meine Damen und Herren, Demokratie braucht als ökonomischen Unterbau die Marktwirtschaft. Zwar ist Marktwirtschaft allein noch keine Garantie für Demokratie, aber es gibt keine Demokratie in irgendeinem Land dieser Erde, wo die Marktwirtschaft abgeschafft ist. Hat man erst einmal die Selbständigen liquidiert, dann werden auch Menschenrechte, Bürgerrechte und Freiheitsrechte liquidiert und eliminiert.
({15})
- Nein, das sind doch Tatsachen. Sie können mir doch kein Land nennen, in dem es keine Marktwirtschaft gibt, wo trotzdem freiheitliche Lebensrechte garantiert werden. - Wer deshalb für die Demokratie ist, muß auch für die Selbständigkeit sein.
({16})
Die Soziale Marktwirtschaft kennt zwei Grundelemente: Wettbewerb und Eigentum. Mit unserem Antrag werden beide Brückenpfeiler zugleich gestärkt. Marktwirtschaft ohne Selbständige, das ist wie ein Auto ohne Motor; es läuft dann nichts.
Nur mehr Selbständige bringen über mehr Wettbewerb mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze. Mehr Selbständigkeit ist deshalb die beste Zukunftsinvestition. Es waren kleine Selbständige wie Daimler, Bosch und Siemens, genau wie Grundig, Nixdorf und Schickedanz, die die großen Durchbrüche in der Wirtschaftsgeschichte gebracht haben. Wissenschaftliche Untersuchungen von Professor Szyperski belegen es exakt: Es sind zumeist neugegründete kleinere Betriebe, die den Keim für eine neue Branche bilden. Das wird auch in Zukunft nicht anders sein. Die Hannover-Messe hat gerade den Erfolg mittelständischer Betriebe bei der Solartechnik und bei der Abwärmenutzung gezeigt.
Offensichtlich finden etablierte Unternehmen trotz aller Bemühungen um Diversifizierung nur schwer aus ausgetretenen Pfaden heraus. Dort
bleibt zuviel in den Schubladen. Der Neue, der Newcomer, muß mit- seiner Idee auf den Markt kommen, weil er davon leben muß. Er kann seine Idee nicht in der Schublade lassen. Solche Pioniere brauchen wir. Nur so packen wir die großen Herausforderungen unserer Zeit; bei der Energie vorzusorgen, die Umwelt für die Nachwelt zu bewahren, den internationalen Strukturwandel zu bestehen und den Menschen in den armen Regionen dieser Erde mehr und wirksamer zu helfen und damit Arbeit und Wachstum für alle zu schaffen.
Die Probleme kennen wir. Da sind wir uns ja alle auch wohl einig. Doch Sie glauben, daß nur Patentrezepte wie Investitionsmeldestellen, Strukturräte und Innovationsfonds weiterhelfen. Wir in der CDU/CSU sagen: Nur mit mehr selbständigen Menschen werden wir diese Aufgabe packen.
({17})
Meine Damen und Herren, in einem letzten Sinn heißt Selbständigkeit noch mehr. Es geht um eine soziale Grundhaltung, die man als gewerblich Selbständiger ebenso erfüllen kann wie als Abteilungsleiter einer Behörde oder als Vorarbeiter oder als Meister in einem Großbetrieb, die dort zu mehr Humanität des Arbeitslebens führt. Wer sich zuerst auf seine Fähigkeit besinnt, wer eher für sich selbst vorsorgt, statt sich vom Staat versorgen zu lassen, wer dem Behördenentscheid die eigene mutige Entscheidung vorzieht, der ist ein selbständiger Mensch, der wird nicht zum betreuten Untertan. Sie, meine Damen und Herren in der SPD und FDP, können sich jetzt entscheiden, für wen Sie sind. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schachtschabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erscheint mir überflüssig, auf die ungerechtfertigten und teilweise unhaltbaren Ausführungen des Herrn Kollegen Pieroth einzugehen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß sich in den Ausschüssen noch abklären lassen wird, was er an allgemeinen Ausführungen vorgetragen hat, die nach unserer Auffassung Binsenwahrheiten sind. Das sind Selbstverständlichkeiten, von denen er wohl glaubt, sie mit Schwung vortragen zu müssen, um sie noch einmal seiner eigenen Fraktion in Erinnerung zu rufen.
({1})
Der vorliegende Antrag der CDU/CSU - darum geht es ja - zur Förderung von Existenzgründungen zeigt zunächst einmal, daß die Opposition erstaunlicherweise doch in der Lage zu sein scheint, von der Regierungskoalition zu lernen. Denn offenbar hat nunmehr auch die CDU/CSU die Bedeutung einer gezielten Förderung von Existenzgründungen erkannt und einen eigenen Antrag - allerdings mit erheblichen Schwächen, wie Sie gleich sehen werden - vorgelegt. Wie üblich hinkt die Opposition mit ihren Aktivitäten und Vorschlägen jedoch weit hinter der sozialliberalen Koalition her.
({2})
Das scheint nicht nur an der Frühjahrsmüdigkeit zu liegen, Herr Kollege.
({3})
- Sie werden es gleich sehen.
Sie hinkt hinterher; denn die sozialliberale Koalition und die Bundesregierung haben die Gründung selbständiger Existenzen bereits vom Beginn ihrer Regierungsverantwortung an nachdrücklich unterstützt. Die enorme Aufstockung etwa des ERP-Existenzgründungsprogramms belegt das ebenso wie die maßgebliche Verbesserung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieses Programms. Nun hat sich die Bundesregierung jedoch keineswegs damit begnügt, bewährte Maßnahmen fortzuführen, sondern sie hat lange vor der CDU/CSU intensiv daran gearbeitet, geeignete zusätzliche Instrumente zu entwickeln, die den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern.
Herr Kollege Pieroth, ich darf Sie noch einmal daran erinnern - vielleicht sollten Sie das doch ein bißchen nachlesen oder sich von Ihrem Assistenten zuarbeiten lassen -: Bereits in den Beschlüssen zur Stärkung der Nachfrage und zur Verbesserung des Wirtschaftswachstums vom 28. Juli 1978 sind die Bundesminister für Wirtschaft und der Finanzen beauftragt worden, zu prüfen, durch welche weiteren Maßnahmen die Gründung neuer selbständiger Existenzen gefördert werden kann. Wichtige Impulse für diese Initiative gingen von der SPD-Bundestagsfraktion, namentlich von der Arbeitsgruppe Selbständige aus, die sich schon zuvor mit diesen Fragestellungen befaßt und verschiedene Vorschläge - auch steuerlicher Art - erörtert hatte. Diese Vorschläge sind in das Prüfungsverfahren einbezogen worden, als dessen Ergebnis das Eigenkapitalhilfeprogramm der Bundesregierung zur Förderung von Existenzgründungen vorliegt.
Dieses Eigenkapitalhilfeprogramm, das in seinen wesentlichen Elementen der Öffentlichkeit bereits im Sommer 1978 zugänglich gemacht worden ist, muß in seinen finanzwirksamen Teilen im Rahmen des Nachtragshaushaltes verabschiedet werden - auch das sollten Sie wissen, Herr Kollege Pieroth -, damit es in Kraft treten kann.
({4})
Mit diesem Programm können Existenzgründern zusätzliche, risikotragende Mittel für angemessene und erfolgversprechende Existenzgründungen zur Verfügung gestellt werden. Von maßgeblicher Bedeutung für die Wirksamkeit des Programms ist, daß dem Existenzgründer die Eigenkapitalhilfe
für die Dauer von zwanzig Jahren als persönliches Darlehen gewährt wird, das in den ersten zehn Jahren tilgungsfrei bleibt. Besonders wichtig ist auch, daß diese Mittel nicht banküblich abgesichert zu werden brauchen und im Konkursfall voll haften. Gerade durch diese Regelung erhalten sie Eigenkapitalcharakter. Bestehen bleibt allerdings die persönliche Haftung des Existenzgründers gegenüber dem Darlehensgeber.
In der quantitativen Ausgestaltung ist vorgesehen - und das erscheint mir sehr wichtig -, die Eigenkapitalhilfe im Verhältnis 3 : 2 - bezogen auf Darlehen und Eigenkapital - zu gewähren. Die Obergrenze für die Eigenkapitalhilfe ist bei 100 000 DM festgelegt, ebenso das Eigenkapital und Eigenkapitalhilfe zusammen höchstens ein Drittel der Investitionssummen ausmachen dürfen.
Im Hinblick auf die Darlehenskosten ist darauf zu verweisen, daß die Eigenkapitalhilfe in den ersten zwei Jahren zinsfrei bleibt. Danach ist vom dritten bis zum zehnten Jahr der bei der Aufnahme der Mittel am Kapitalmarkt vereinbarte Zinssatz zu zahlen. Ab dem elften Jahr muß dann der jeweils geltende Marktzins zuzüglich der Bankgebühren gezahlt werden.
Ich will darauf verzichten, alle weiteren Einzelheiten, die im übrigen nachzulesen sind, hier aufzuzeigen. Aber aus dieser kurzen Schilderung, die ich anbringen mußte, wird deutlich, daß die Bundesregierung hier ein effizientes Programm entwikkelt hat, das geeignet ist, den Mangel an ausreichenden Eigenmitteln bei der Gründung einer Existenz in angemessener Weise auszugleichen.
({5})
Größten Wert legt die SPD-Bundestagsfraktion auch darauf, daß im Zusammenhang mit der Förderung von Existenzgründungen die Beratung intensiviert wird, denn der Ubergang in die Selbständigkeit wird zum Teil nicht nur dadurch erschwert, daß die Eigenmittel allein nicht ausreichen, sondern vor allem auch dadurch, daß potentiellen Selbständigen Informationen und Beratungen über ihre künftige Aufgabenstellung nicht in ausreichendem Umfang vermittelt werden. Wir begrüßen deshalb nachdrücklich, daß die Bundesregierung in Ergänzung zum Eigenkapitalhilfeprogramm Maßnahmen zur verstärkten Unterstützung der Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft für die Beratung Gründungswilliger im Rahmen der Gewerbeförderung vorsieht.
Nach diesen Initiativen der Bundesregierung und der sozialliberalen Koalitionsfraktionen kommt nunmehr die CDU/CSU-Fraktion mit einem als „Kontrastprogramm" bezeichneten eigenen Antrag zur Förderung von Existenzgründungen, in dem schwergewichtig vorgesehen ist, alternativ zur staatlichen Begünstigung des Bau- und Prämiensparens in Zukunft das Ansparen für eine selbständige gewerbliche Tätigkeit steuerlich zu begünstigen. Auf ein Sperrkonto sollen maximal fünf Jahre lang jeweils höchstens 5 000 DM, zusammen also 25 000 DM, eingezahlt und gleichzeitig als Sonderausgaben
vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden dürfen. Wenn zehn Jahre nach Beginn des Ansparens die Existenzgründung unter voller Aufgabe der Arbeitnehmertätigkeit unterbleibt - ich bitte, das besonders zu beachten -, sollen die Sparleistungen nachversteuert werden.
Ich meine, daß der Gedanke einer Ansparförderung prinzipiell nicht uninteressant ist, weil sie durchaus zu einer verstärkten Eigenkapitalbildung bei potentiellen Selbständigen führen kann.
({6})
- Das bestreiten wir auch gar nicht; lassen Sie mich erst zu Ende reden.
Allerdings bestehen aus sozialdemokratischer Sicht gegen diesen CDU/CSU-Vorschlag erhebliche Bedenken; denn wegen der progressionsabhängigen Wirkung wären in erster Linie hohe Einkommensbezieher begünstigt. Gegen diese dürften aber unter den Gründungswilligen in typisch mittelständischen Bereichen, etwa bei Gesellen des Handwerks, kaum die Mehrheit ausmachen, so daß - allerdings dem Selbstverständnis der CDU/CSU durchaus entsprechend - in erster Linie diejenigen gefördert würden, die es am wenigsten benötigen.
({7})
Auch scheint mir die Gefahr eines möglichen Mißbrauchs dieser Regelung beträchtlich zu sein, wenn es nicht gelingt, sehr detaillierte praktikable Bestimmungen, vor allem zur eindeutigen Abgrenzung der zu begünstigenden Neugründungen oder zur Vermeidung von mißbräuchlicher Ausnutzung, etwa durch Umgründungen, zu entwickeln.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth?
Nein, das möchte ich nicht, denn ich habe so wenig Zeit, Herr Präsident, daß ich meine Ausführungen jetzt zu Ende bringen möchte. Ich bitte um Verständnis.
Dies dürfte, falls es überhaupt gelingt, sehr schwierig sein; vor allen Dingen ist es eine Aufgabe der Opposition, die diesen Antrag eingebracht hat. Aber die Opposition hat ja durchaus Gelegenheit, dies dann in den Ausschußberatungen über die plakativen Ankündigungen hinaus konkret darzustellen; wir warten sehr darauf.
Ich will es bei diesen kurzen Hinweisen belassen. Denn entscheidend für die Behandlung des CDU/CSU-Antrages ist die Tatsache, daß die öffentliche Hand mit den ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine möglichst wirkungsvolle Förderpolitik zu betreiben hat. Wenn man sich aber unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für das eine oder das andere Programm entscheiden muß, fällt die Wahl nicht schwer. Die wirkungsvollere Maßnahme ist zweifellos das von der Bundesregierung vorgelegte Eigenkapitalhilfeprogramm. WirkungsDr. Schachtschabel
voller ist es vor allem deshalb, weil einem jungen Menschen, der sich selbständig machen will, mit diesem Eigenkapitalhilfeprogramm der Bundesregierung sofort und nicht erst in fünf oder gar zehn Jahren, wie es der CDU/CSU-Vorschlag vorsieht, geholfen wird.
Ich frage mich allen Ernstes, was ein junger Mann, der in der Gegenwart eine Marktlücke entdeckt, aber nicht genügend eigene Mittel angespart hat, um sich selbständig zu machen, davon hat, wenn ihn die CDU/CSU damit tröstet, er solle doch erst einmal fünf oder zehn Jahre mit seinem Vorhaben warten.
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Möglicherweise haben sich während eines so langen Zeitraums das wirtschaftliche Umfeld und die Lebensverhältnisse des Betreffenden derart verändert, daß er überhaupt keine Möglichkeit mehr sieht, seine ursprünglich gefaßten Absichten unter nunmehr veränderten Verhältnissen in die Tat umzusetzen.
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Wirkungsvoller ist das Programm der Bundesregierung aber auch deshalb, weil es - und das ist gewollt - in Abhängigkeit von den eigenen Mitteln des möglichen Gründers auch quantitativ beachtliche Summen zur Verfügung stellen kann. Auch hier ist der Oppositionsvorschlag im Vergleich zu unserem Vorhaben von erschreckender Dürftigkeit.
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Alle Rechenkunststücke - und ich habe mit Amüsement die Presseerklärung des Herrn Kollegen Hauser vom 26. April 1979 gelesen - können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die tatsächliche Hilfe für den einzelnen Existenzgründer nach dem Ansparmodell der CDU/CSU in Abhängigkeit von seinem persönlichen Steuersatz sehr gering ist.
Bei dem von Herrn Hauser gewählten Beispiel eines Steuersatzes von 20 % beträgt die Steuerersparnis, alles in allem genommen, nach fünf Jahren lediglich 5 000 DM. Es mutet geradezu abenteuerlich an, meine Damen und Herren, wenn die CDU/CSU zu diesem Betrag von 5 000 DM die eigene Sparleistung von 20 000 DM addiert, den Gesamtbetrag über zehn Jahre mit 7 % verzinst und dann den Eindruck zu erwecken versucht, daß die aus diesen einzelnen Komponenten resultierende Gesamtsumme das Ergebnis ihres steuerlichen Ansparmodells wäre.
Anfügen möchte ich noch, daß die Opposition offenbar von einer beachtlichen Sparfähigkeit potentieller Selbständiger ausgeht. Ich habe meine Zweifel daran, ob jemand - zumal bei einem Steuersatz von 20 %, das dazugehörige Einkommen läßt sich ja leicht ermitteln - Monat für Monat, und das fünf Jahre lang, neben all seinen anderen Ausgaben und Verpflichtungen einen Betrag von knapp 340 DM für eine künftige Existenzgründung ansparen kann. Meine Damen und Herren, ich glaube, dieses Beispiel ist doch wohl einleuchtend.
Ich will gar nicht auf die übrigen flankierenden Forderungen der CDU/CSU eingehen, die deren Antrag enthält. Sie sind nach unserer Auffassung wenig geeignet, einen zusätzlichen wirkungsvollen Beitrag zur Förderung von Existenzgründungen zu leisten. Sie sind zum Teil überflüssig, weil sie durch die selbständigenpolitische Praxis der sozialliberalen Koalition bereits überholt sind.
Ich will auf die einzelnen Beispiele, die hier anstehen und die des weiteren zu erörtern wären, nicht eingehen. Aber daran, meine Damen und Herren, kann ich nicht vorbeigehen: Wir verweisen darauf, daß - dies scheint die Opposition übersehen zu haben - beim Bundesministerium für Wirtschaft bereits eine Arbeitsgruppe besteht, die in Zusammenarbeit mit Verbänden der Wirtschaft der Frage nachgeht, inwieweit bürokratische Hemmnisse abgebaut werden können.
Andere in dem Oppositionsantrag enthaltene Forderungen sind nach unserer Auffassung zu allgemein und unbestimmt, etwa die nach sachgerechtem Ausbau der Kreditgarantiegemeinschaften, oder aber zu praxisfremd, etwa die Annahme, junge Selbständige würden sich bei geringfügiger Anderung der Konditionen der Kapitalbeteiligungsgesellschaften bedienen. Die Forderung, die Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zu ändern, stößt nicht auf Unverständnis. Wir werden darüber zur gegebenen Zeit noch sprechen.
Insgesamt ist festzuhalten, daß das Eigenkapitalhilfeprogramm der Bundesregierung den Vorschlägen der CDU/CSU vorzuziehen ist. Das Programm der Bundesregierung ergänzt und verstärkt den bisher schon erfolgreich praktizierten Katalog selbständigenpolitischer Maßnahmen dieser sozialliberalen Koalition und setzt an der richtigen Stelle an. Ich verweise nur auf die Untersuchung von Herrn Professor Dr. Erwin K. Scheuch, dem Leiter des Instituts für angewandte Sozialforschung, Köln. Leider muß ich die Wiedergabe der Ergebnisse dieser Untersuchung wegen der abgelaufenen Zeit unterlassen.
Aber ich möchte im Zusammenhang auch mit anderen Ergebnissen noch feststellen, daß hier in der Tat ein Anliegen durch die Programme, insbesondere durch dieses Programm der Bundesregierung, effektiv umgesetzt werden kann und muß. Wir werden Sorge dafür tragen, daß das Eigenkapitalhilfeprogramm der sozialliberalen Bundesregierung so schnell wie möglich verabschiedet wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition fordert in ihrem Antrag auf der Drucksache 8/2603 vom 28. Februar 1979 die Bundesregierung auf, ein Förderungsprogramm für Existenzgründungen zu realisieren. Dieser Aufforderung bedurfte es nicht, da die Bundesregierung bereits am 14. Februar 1979
ein Programm zur Förderung der Gründung selbständiger Existenzen beschlossen hatte.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die Äußerungen des Kollegen Pieroth von heute und im Pressedienst vom 9. Mai 1979 eingehen. Herr Kollege Pieroth, die Bundesregierung steht bei ihrer Konzeption keineswegs mit leeren Händen da. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wissen genausogut wie ich, daß jeder Kabinettsbeschluß zur Realisierung eine gewisse Zeit benötigt. Aber wir sind ja von Ihnen gewöhnt, daß Sie jede Initiative der Koalition pauschal ablehnen, ohne die Vorschläge einer sachlichen Prüfung zu unterziehen.
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Wir werden den Entwurf keineswegs zurückziehen, wie Sie fordern, sondern alles versuchen, um den Interessierten unser Programm nahezubringen. Mit Polemik allein erreicht man keine Existenzgründung.
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Wenn man wie Sie mit leeren Händen dasteht, muß man - und das tun Sie ja häufig - mit der Angst operieren.
Gerade weil wir die Entwicklung der Zahl der Selbständigen sehr aufmerksam verfolgt haben und von der nicht nur wirtschaftlichen, sondern vor allem politischen Notwendigkeit eines existenzfähigen Mittelstands überzeugt sind, haben wir ein schlüssiges Konzept vorgelegt.
Ein Wort zu den Zahlen, die Sie zur Situation der Selbständigen angeführt haben. Es ist niemandem gedient, wenn man nur immer wieder die Angst schürt. Man muß, um die Dinge richtig zu sehen, die Situation analysieren. Es ist natürlich sehr einfach, wenn Ihre Seite für alles die Bundesregierung verantwortlich macht. Die Zahl der Selbständigen - ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft - ging in den Jahren 1960 bis 1969 um etwa 200 000 zurück, in den Jahren 1970 bis 1977 hingegen „nur" - ich setze das Wörtchen „nur" in Anführungsstriche - um 72 000. Von 1977 bis zum heutigen Tag ist ein Anstieg um 16 000 neue Existenzen zu verzeichnen. Ob sich hier bereits eine Tendenzwende abzeichnet, vermag ich nicht zu sagen.
Das Regierungskonzept geht von dem Hauptproblem bei der Gründung selbständiger Existenzen aus, nämlich vom mangelnden Eigenkapital. Ich möchte die Schwerpunkte dieses Konzepts, die weitgehend den Zielvorstellungen der Freien Demokraten entsprechen, kurz darlegen:
Erstens. Dem Existenzgründer wird als Eigenkapitalhilfe für 10 Jahre ein tilgungsfreies persönliches Darlehen ohne bankübliche Sicherheitsleistung, jedoch unter persönlicher Haftung zur Verfügung gestellt. Herr Kollege Pieroth, ich habe Ihre Äußerung vielleicht falsch verstanden; mir ist jedenfalls nicht klargeworden, warum Sie bemängeln, daß man für eine Eigenkapitalhilfe einen gewissen Zins und eine Amortisation leisten muß. Als selbständiger Unternehmer sehe ich es als selbstverständlich an, daß mein Eigenkapital in jedem Fall verzinst wird, ob es nun in der Firma oder woanders arbeitet. Das haben Sie hier moniert.
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- Das braucht nicht zurückgezahlt zu werden. Aber ich will es doch verzinst haben.
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- Beide gleichzeitig können wir nicht reden. - Sie haben auch die Verzinsung moniert; das können Sie aus dem Protokoll entnehmen. Es ist doch ganz klar: Wenn Sie Eigenkapital irgendwo einbringen, wollen Sie es auch verzinst haben. Das ist doch wohl nicht zu bestreiten.
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Zweitens. Im Konkursfall haften die Mittel voll, d. h., das Vergabeinstitut verzichtet auf die Geltendmachung seiner Quote als Konkursgläubiger. Dadurch erhält das Darlehen Eigenkapitalcharakter und verbreitert damit in wesentlichen Umfang die Eigenkapitalbasis und vor allen Dingen auch die Kreditwürdigkeit.
Drittens. Die Eigenkapitalhilfe kann für die Gründung eines gewerblichen Unternehmens oder für die Ausübung eines freien Berufes gewährt werden.
Viertens. Für die Wahrung des regionalen Präferenzgefälles wird in Berlin und im Zonenrandgebiet ein günstigeres Verhältnis zwischen Darlehen und Eigenmitteln als im Normalfall gewährt.
Für die FDP-Bundestagsfraktion begrüße ich dieses Programm ausdrücklich, weil es junge Menschen gezielt ermutigt und ihnen bei ihren Bemühungen Hilfestellung gibt, sich selbständig zu machen und eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen.
Dieses Programm wird bereits am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Meine Damen und Herren von der Opposition, hören Sie zu!
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- Es wird am 1. Juli in Kraft treten. Das lassen Sie nur unsere Sorge sein, wie wir das machen.
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Wir werden selbstverständlich im Wege des Nachtragshaushalts die Mittel bereitstellen. Ich erkläre hier, daß das Programm am 1. Juli in Kraft tritt.
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Dazu lassen Sie mich, Herr Kollege, eine Bemerkung machen. Sie haben in Ihrem Antrag nicht ein einziges Wort über die Finanzierungsmöglichkeiten und die Kosten gesagt, die auftreten. Ich gebe IhWurbs
nen hier Brief und Siegel, daß Ihr Programm teurer wird als das der Bundesregierung. Für das erste Jahr brauchen wir 12 Millionen DM, für das zweite Jahr 36 Millionen DM und für die weiteren Jahre 48 Millionen DM, um dieses Programm realisieren zu können. Hier liegen ganz klare Vorstellungen vor.
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- Herr Kollege Pieroth, ich lasse keine Fragen mehr zu.
Herr Abgeordneter Pieroth, es tut mir leid, der Herr Abgeordnete Wurbs läßt keine Zwischenfragen zu.
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Im Gegensatz zum Programm der Bundesregierung werden die Vorschläge der Opposition den gewünschten Effekt nicht erzielen. Ich darf an dieser Stelle auch die Widersprüchlichkeit in Ihren eigenen Reihen aufzeigen. Auf der einen Seite bringen die Mittelstandspolitiker der Opposition im Deutschen Bundestag einen Antrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, mehr für die Förderung von Existenzgründungen zu tun. Auf der anderen Seite hat nach einer Notiz der „Wirtschaftswoche" vom 2. April 1979 der baden-württembergische Wirtschaftsminister Rudolf Eberle das verstärkte Engagement des Bundes in der Mittelstandsförderung kritisiert. Insbesondere verstoße der Bund auf dem Gebiet der Förderung von Existenzgründungen sowohl gegen die Verwaltungs- als auch gegen die Finanzierungskompetenz der Länder. Weiter heißt es, das Verhalten des Bundes sei schlichtweg mit den Grundsätzen eines kooperativen Förderalismus nicht vereinbar.
Klarer kann die Zerstrittenheit in den Reihen der CDU/CSU über eine wirkungsvolle Mittelstandspolitik wohl nicht verdeutlicht werden.
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Dabei betonen CDU und CSU immer wieder, daß nur sie eine effektive Mittelstandspolitik betreiben. Doch auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit.
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Meine Damen und Herren, meines Erachtens sind die Vorschläge der Opposition auch nicht geeignet, wirkungsvoll zur Förderung von Existenzgründungen beizutragen. Dies möchte ich an Hand der einzelnen Punkte begründen. Unter Punkt 1 schlagen Sie vor, das Ansparen von Existenzgründungskapital steuerlich zu begünstigen. Dieser Vorschlag ist jedoch aus folgenden Gründen sehr problematisch.
1. Er ist in dem Sinne „progressionswirksam", indem er besonders den Personen mit hohen Einkommen Steuern ersparen würde. Aber die jungen Menschen, die sich eine eigene Existenz aufbauen wollen,
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gehören in aller Regel nicht zu dieser Einkommensklasse.
2. Weiterhin birgt Ihr Vorschlag die Gefahr von Steuerumgehungen in sich, zumal erst nach zehn Jahren geprüft werden soll, ob die Existenzgründung tatsächlich vollzogen ist.
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- Das hat nichts damit zu tun, ob ein Sperrkonto besteht. Die steuerlichen Vergünstigungen nehmen Sie in Anspruch. So kann jedermann behaupten, sich selbständig machen zu wollen.
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- Hinzu kommt, daß auch bei der nach zehn Jahren vorgesehenen Nachversteuerung wesentliche Zinsersparnisse durch Steuerstundung zu erwarten sind.
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Auch dies erhöht die Mißbrauchsgefahr, der nur dadurch begegnet werden könnte, daß man einen Strafzuschlag einführt.
3. Vor allem ist dieser Vorschlag auch nicht geeignet, zur Steuervereinfachung beizutragen. Auch hier wird wieder ein Widerspruch in der Argumentation der CDU/CSU deutlich. Auf der einen Seite fordert man Steuervereinfachung, auf der anderen Seite legt man ständig neue Vorschläge vor, die zu einer weiteren Komplizierung unseres Steuersystems führen. Bei einer Realisierung des Vorschlags der Opposition würde es ausführlicher, ins einzelne gehender Bestimmungen bedürfen, vor allem zur eindeutigen Abgrenzung und zur Vorsorge gegen mißbräuchliche Ausnutzung, z. B. durch Umgründungen und durch Gründung von „Eintagsfliegen".
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Die Verpflichtung des Finanzamtes, nach zehn Jahren zu prüfen, ob die Existenzgründung tatsächlich erfolgt ist, und die eventuelle Nachversteuerung wird man auch nicht gerade als Beitrag zur Steuervereinfachung einstufen können. Hinzu kommt, daß Minister Gaddum für die völlige Streichung der Sonderausgaben eintritt, während Ihr Vorschlag vorsieht, daß die Ansparbeträge als Sonderausgaben abgesetzt werden können.
4. Dieser Vorschlag kann, wenn überhaupt, nicht unmittelbar, sondern höchstens mittel- bis längerfristig zu Existenzgründungen führen. Demgegenüber zielt das Programm der Bundesregierung, das ich kurz dargelegt habe, auf schnelle Wirkung und Umsetzung ab.
Insgesamt ist daher Ihr Vorschlag aus steuer-und mittelstandspolitischer Sicht nicht sinnvoll und auch nicht praktikabel.
Unter Punkt 2 Ihres Antrages fordern Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das ERP-Existenzgründungsprogramm müsse in seiner Ausgestaltung den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Existenzgründuna entsprechen. Der Subventions12162
wert des Fremdkapitals müsse ordnungspolitischen Grundsätzen genügen und der Haushaltslage angepaßt sein.
Hierzu ist folgendes festzustellen: Die Förderung von Existenzgründungen gehört seit Jahren zu den Schwerpunkten der Mittelstandspolitik der sozialliberalen Koalition. Daher ist gerade das ERP-Existenzgründungsprogramm kontinuierlich ausgebaut und verstärkt worden. Im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten - dies entspricht Ihrer Forderung - wurden die Planansätze für ERP-Existenzgründungsdarlehen von Jahr zu Jahr aufgestockt: von 158 Millionen DM im Jahre 1975 über 225 Millionen DM im Jahre 1976 und 265 Millionen DM im Jahre 1977 auf - man höre - 500 Millionen DM im Jahre 1978. Allein die letzte Steigerungsrate beträgt damit fast 90 %. Auch künftig sollen die ERP-Mittel für Existenzgründungen verstärkt werden. Wie Ihnen bekannt, erörtern wir zur Zeit bei der parlamentarischen Beratung des ERP-Planes 1979 Möglichkeiten einer über den vorgeschlagenen Planansatz von 540 Millionen DM hinausgehenden Mittelbereitstellung, wie z. B. die Umprogrammierung von Ausgaberesten des Jahres 1978 sowie die Einstellung von Verpflichtungsermächtigungen. Die Konditionen dieses Programms werden als sehr günstig gewertet. Das beweist die starke Nachfrage nach diesem Programm. Im Zeitraum von 1975 bis 1978 wurden 19 210 Nachwuchskräften der gewerblichen Wirtschaft Darlehen von rund 900 Millionen DM zum Aufbau eines eigenen Unternehmens zur Verfügung gestellt. Dabei sind nach Auskunft der mit der Durchführung des Programms betrauten Lastenausgleichsbank Schwierigkeiten nicht bekanntgeworden. Insgesamt läßt sich daher feststellen, daß das ERP-Existenzgründungsprogramm ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Förderung bei der Gründung neuer selbständiger Existenzen ist.
Unter Punkt 3 wird in dem Antrag der CDU/CSU der Ausbau der Kreditgarantiegemeinschaften gefordert. Tatsache ist, daß die Kreditgarantiegemeinschaften mehrfach ihre volle Zufriedenheit mit Form und Inhalt der neuen, ab 1. Januar 1979 geltenden Rückbürgschaftserklärungen zum Ausdruck gebracht haben. Dies ist vor allem dadurch erklärlich, weil dem Selbsthilfecharakter dieses Instituts und seiner Eigenständigkeit stets Rechnung getragen worden ist. Außerdem ist der Oppositionsvorschlag deswegen nicht ganz verständlich, weil die Kreditgarantiegemeinschaften zwar bei der Fremdmittelbeschaffung eine wesentliche komplementäre Rolle spielen, jedoch das Hauptproblem bei der Gründung einer neuen Existenz in der mangelnden Eigenkapitalausstattung liegt.
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Hier können die Kreditgarantiegemeinschaften nicht helfen,
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jedoch kann dies gerade das neue Existenzgründungsprogramm der sozial-liberalen Bundesregierung tun, weil es die Eigenkapitalbasis verbreitern hilft.
Unter Punkt 4 fordern Sie von der Bundesregierung, die Kapitalbeteiligungsgesellschaften für die mittelständische Wirtschaft von der Gewerbesteuer freizustellen. Eine solche Freistellung würde zwar den Beteiligungsgesellschaften eine Kostenentlastung bringen, aber gleichzeitig würden zusätzliche Kosten auf die Beteiligungsnehmer, d. h. auf die Existenzgründer zukommen; denn gemäß den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes wäre dann die Gewerbesteuer von dem Existenzgründer zu tragen. Damit würde die Existenzgründung nicht erleichtert, sondern vielmehr erschwert.
In Punkt 5 des vorliegenden Antrags wird von Ihnen gefordert, Neugründungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" auch dann zu fördern, wenn die Güter oder Leistungen nicht überregional abgesetzt werden. Mit diesem Vorschlag werden nach meinem Dafürhalten zwei unterschiedliche Zielsetzungen miteinander vermengt und damit in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt. Die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe dient dem Ziel, zusätzliche Einkommensströme in wirtschaftlich und strukturell schwache Regionen zu lenken. Diese Forderung stellt bewußt auf Unternehmen ab, die Wirtschaftsgüter herstellen oder Leistungen erbringen, die ihrer Art nach regelmäßig überregional abgesetzt werden. Damit soll das Einkommen in den Fördergebieten erhöht und gleichzeitig die Nachfrage nach typischen regional begrenzten Leistungen verstärkt werden. Die Wirksamkeit dieses Instrumentariums würde erheblich geschwächt, wenn es zur Förderung der Neugründung von Existenzen, mit der bewußt gesellschafts- und mittelstandspolitische Ziele verfolgt werden, aufgeweicht würde.
Im letzten Punkt, dem Punkt 6 des Antrags, wird gefordert, die Information und Beratung über Existenzgründungen bei den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft soweit wie nötig und möglich zu unterstützen. Auch die FDP-Bundestagsfraktion hält es für notwendig, die Beratung junger Unternehmen, die bekanntlich besonders insolvenzgefährdet sind, zu verstärken. Gedacht ist an die Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung der Existenzgründung und an die Beratung und Fortbildung in der Anlaufphase.
Auch die Bundesregierung hat bei der Verabschiedung ihres neuen Existenzgründungsprogramms am 14. Februar 1979 diesen Punkt als wichtig anerkannt. Sie hat daher beschlossen, die Gründungsinformation und -beratung im Rahmen der bewährten Instrumente der Gewerbeförderung in den nächsten Jahren weiter zu verstärken.
Im letzten Satz des Antrages wird schließlich die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, inwieweit die Fülle und Kompliziertheit rechtlicher Vorschriften die Existenzgründung behindern und wie diese Hindernisse beseitigt werden können. Auch dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft, da im Bundeswirtschaftsministerium bereits eine Arbeitsgruppe
mit dieser Zielsetzung eingesetzt wurde. Mein Kollege Schachtschabel hat hierauf schon hingewiesen.
Zusammenfassend und abschließend stelle ich für die FDP-Bundestagsfraktion fest, daß die sozialliberale Koalition mit ihren steuerpolitischen Beschlüssen, mit der ständigen Aufstockung des ERP-Existenzgründungsprogramms, mit dem neuen Existenzgründungsprogramm, mit der vorgelegten Novelle zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, mit dem Programm über Zuschüsse zu den Personalaufwendungen kleiner und mittlerer Unternehmen bei ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit und mit der Erhöhung der Investitionszulage im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen für die ersten 500 000 DM der Investitionskosten eine wirkungsvolle, den ökonomischen Realitäten und Zielen Rechnung tragende, flexible Mittelstandspolitik betreibt. Ein wesentlicher Punkt dieser Mittelstandspolitik ist die Förderung der Gründung neuer selbständiger Existenzen.
Demgegenüber bringt der Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung von Existenzgründungen wenig Neues und enthält zum Teil untaugliche Instrumente zur Erreichung dieses Ziels. Zum Teil steht er im Widerspruch zu anderen wirtschaftspolitischen Zielen der Opposition. Dieser Antrag der CDU/CSU ist kein Beweis für eine wirkungsvolle Mittelstandspolitik der Opposition. Er verfehlt seinen Zweck. Die FDP-Bundestagsfraktion wird ihm daher nicht zustimmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordnete Hauser ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der bisherigen Debatte ist ja mehrmals das Programm der Regierung angesprochen worden, das im Bundeskabinett am 14. Februar verabschiedet worden ist. Herr Professor Schachtschabel, Sie haben hier gesagt, dieses Programm sei bereits im Sommer 1978 im wesentlichen festgelegt gewesen und müsse so schnell wie möglich in Kraft treten. Deswegen möchte ich mit ein paar Anmerkungen diese beiden Programme vergleichen, weil ich den Eindruck habe, daß es hier doch wohl Mißverständnisse gibt.
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Unser Programm, das hier in der Beratung zur ersten Lesung ansteht, hat mit dem Regierungsprogramm zwei Punkte gemeinsam: zum einen Teile der Überschrift und zum anderen den Umstand, daß beide Programme leider noch nicht in Kraft gesetzt sind. Für unser Programm fehlt derzeit noch die parlamentarische Mehrheit. Das liegt aber wahrscheinlich daran, daß Sie unser Programm gar nicht richtig gelesen haben; denn, Herr Kollege Wurbs, wenn Sie es gelesen hätten, hätten Sie vieles von dem, was Sie hier vorgetragen haben, gar nicht sagen dürfen.
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Für das Regierungsprogramm fehlt jedoch die Finanzierung. Ich kann mich nur wundern, wie salopp Sie darüber hinweggehen, daß im Haushaltsplan dafür keine Mittel bereitstehen, wenn Sie dieses Programm am 1. Juli in Kraft setzen wollen. Bisher war ich immer der Meinung, daß der Bundestag die Haushaltsrechte hat und daß der Bundestag entscheidet, was im Haushaltsplan steht - und nicht eine der Koalitionsfraktionen oder die Bundesregierung.
Im übrigen frage ich mich, wie das denn mit der notwendigen Zustimmung der EG-Kommission in Brüssel ist, von der Sie wissen, daß Sie sie zu Ihrem Programm brauchen. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie bisher in Brüssel nicht einmal angefragt, ob Sie die Genehmigung bekommen können. Hier wird vom 1. Juli geredet und davon gesprochen, daß das so schnell wie möglich in Kraft treten müsse. Wenn es Ihnen damit so furchtbar ernst wäre, hätte ich geglaubt, daß Sie diese Sache in Brüssel zumindest rechtzeitig notifiziert hätten. Dann wäre nämlich die Zweimonatsfrist, in der sich die Kommission erklären muß, inzwischen abgelaufen.
Die Bundesregierung hat aber offenbar zu ihrem eigenen Programm nicht allzu viel Vertrauen und damit nicht allzu viel Eile. Wie gesagt, es werden 30 Millionen DM benötigt. Sie haben eben von 16 Millionen gesprochen. Es ist praktisch schon ein halbes Jahr um, deswegen ist auch nur noch die Hälfte notwendig. Alles das steht aber nicht zur Verfügung. Wenn dies alles schon unter dem voluminösen Gedanken und unter der Überschrift „Beitrag zur Wiederherstellung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts" steht - denn unter solcher Überschrift ist Ihr Programm doch konzipiert worden -, dann muß ich sagen: Da lachen doch die Hühner, wenn man hört, wie das bei Ihnen in Wirklichkeit abläuft.
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Meine Damen und Herren, der Weltwirtschaftsgipfel hat offenbar seinerzeit bei der Koalition einige Probleme des Mittelstandes in die Diskussion gebracht. Sie sind dann wahrgenommen worden, anschließend hat man sie aber schlechtweg wieder vergessen. Das Programm der Bundesregierung wird daher wohl nicht am 1. Juli in Kraft treten können, sondern erst dann, wenn die Bundesregierung entweder in den Nachtragshaushalt 1979 oder in den Haushalt 1980 die Mittel zur Durchführung des Programms einsetzt.
Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu diesem klaren Sachverhalt stehen das Bemühen und der publizistische Aufwand, mit dem dieses Programm in der Öffentlichkeit und speziell in den interessierten Verbänden des Mittelstandes publiziert werden soll.
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So hat z. B. der Bundesminister für Wirtschaft in einem Schreiben vom 9. März zahlreiche Verbände auf das Programm aufmerksam gemacht, obwohl es bisher weder in Kraft getreten ist noch die konkre12164
Hauser ({4})
ten Richtlinien zur Verfügung stehen und über die Durchführungsbestimmungen zur Abwicklung dieses Programms überhaupt noch keine abschließenden Vorstellungen bestehen.
Lassen Sie mich nach diesen Vorbemerkungen zum Stand der Debatte einige grundsätzliche Anmerkungen zu den beiden Programmen machen, die sich trotz des gemeinsamen Ziels, einen Beitrag zur Förderung von Existenzgründungen zu leisten, fundamental unterscheiden. Unser Programm, das Programm der CDU/CSU-Fraktion, unterscheidet sich von dem Kabinettsbeschluß der Bundesregierung so diametral wie die siegreiche Premierministerin Margaret Thatcher mit ihrem wirtschafts- und steuerpolitischen Programm von der geschlagenen Labour Party.
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Es geht bei den beiden Programmen nicht nur um unterschiedliche Varianten eines Themas, es geht um zwei fundamental unterschiedliche Ansätze zur Lösung eines nunmehr offensichtlich auch von der Bundesregierung erkannten Problems, das darin besteht, daß wir über nunmehr schon viele Jahre ein Ausbluten der marktwirtschaftlichen Substanz, eine kontinuierliche Konzentration und ein kontinuierliches Abnehmen der Zahl der mittelständischen Betriebe festzustellen haben. Der Kollege Pieroth hat das hier in sehr anschaulicher Weise dargestellt; ich brauche das nicht noch einmal zu tun.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram?
Da die anderen Kollegen auch der Meinung waren, Zwischenfragen nicht zulassen zu sollen, will ich mich dieser Praxis in dieser Debatte anschließen, Herr Kollege.
Die Bundesregierung nennt ihr Programm ein Eigenkapitalhilfeprogramm. Sie bietet aber im Prinzip nur eine gewisse Variante eines zinsbegünstigten Fremdkapitals und sie bietet in der bescheidenen Größenordnung von 30 Millionen DM eine neue Subvention. Man kann dies tun, denn man hat in den zurückliegenden Jahren die Zahl der Subventionen ohnehin erheblich gesteigert, so daß sich der Kommentator-Verlag in Frankfurt sogar dazu veranlaßt sah, einen eigenen, viele hundert Seiten dicken Subventionsführer herauszugeben, der es deutschen Unternehmen erleichtern soll, sich im Gestrüpp der vielfältigen Subventionen zurechtzufinden. Die kaum mehr überblickbare Vielfalt der Programme haben wir oft und mit guten Argumenten als wenig hilfreich für die Lösung der Probleme gekennzeichnet.
Man mag dieses neue Programm der Bundesregierung als ein Zeichen guten Willens hinnehmen und auch bereit sein, sich von den angebotenen Programmen einen Teil an Land zu ziehen, wenn dies in der konkreten Situation dann überhaupt möglich sein sollte. Man darf aber nicht verkennen, daß der Ansatz dieses Programms im Prinzip, wenn auch nicht ungewöhnlich, da bisher leider
allzu häufig praktiziert, so doch falsch ist. Daran ändert nichts der Umstand, daß die Regierung ihr zinsverbilligtes Fremdkapital in Eigenkapital umtauft. Dieses an anderer Stelle von der Regierung selbst als persönliches Darlehen dem Existenzgründer für die Dauer von 20 Jahren mit zwei zinsfreien und zehn tilgungsfreien Jahren gewährte Fremdgeld ist natürlich voll zurückzuzahlen, wie das bei Fremdkapital nun mal notwendig ist.
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Der Ansatz der Union ist ein völlig anderer, wie dies Herr Kollege Pieroth hier bereits umfassend dargestellt hat. Wir wollen kein Geld verschenken, weil wir wissen, daß gerade der mittelständische Unternehmer die Regierungsgeschenke auf Kosten des Steuerzahlers weder in der bisherigen Form noch in der nunmehr verkleideten und aufgeschminkten Form als Eigenkapitalhilfe will und braucht.
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Was notwenig ist, ist eine verbesserte Chance, selbst und aus eigener Kraft eine fundierte Basis für ein künftig zu gründendes Unternehmen zu legen. Der Meister in einem Großbetrieb, der möglicherweise gut verdienende Mitarbeiter in einem Handwerksbetrieb würde sich nach einigen ersten Berufsjahren gerne selbständig machen, wenn ihm dazu die steuerlichen Möglichkeiten vorweg gewährt würden. Ihm fehlt heute die Möglichkeit zum steuerfreien Ansparen von Kapital für eine selbständige unternehmerische Tätigkeit. Zu diesem Zweck sollen nach unserem Programm auf ein Sperrkonto eingezahlte Ansparbeträge in Höhe von 5 000 DM für die Dauer von maximal fünf Jahren als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgesetzt werden.
Ich verstehe überhaupt nicht, Herr Kollege Schachtschabel, weshalb Sie meinen, daß ein solches Programm nur für die Bezieher hoher Einkünfte in Frage kommen könnte. Wieso können denn nicht auch Facharbeiter und diejenigen, die heute unselbständig in einem mittelständischen Betrieb tätig sind, jährlich 5 000 DM sparen? Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie haben. Ich bin bisher immer der Auffassung gewesen - und dies hat sich vielfach bestätigt -, daß jemand, der den Mut zur Selbständigkeit hat, zu noch ganz anderen Leistungen fähig ist, als einmal im Jahr 5 000 DM zu sparen.
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Das steuerfreie Investitionssparen führt nach fünf Jahren zu einer Ansparsumme von 25 000 DM. Sie haben vorhin hier die Zahlen etwas glossiert, die ich in einer Erklärung für den Diskussionskreis Mittelstand der CDU/CSU-Fraktion schon einmal veröffentlicht habe, daß nämlich einschließlich der Verzinsung am Ende der fünf Jahre 30 766 DM zur Verfügung stehen. Genau das ist doch der Betrag, den Sie von den Leuten erwarten, die Ihr Regierungsprogramm in Anspruch nehmen. Ich werde Ihnen gleich die Rechnung darüber aufmachen, wie es aussieht, wenn er dieses Geld nicht zur Verfügung hat. Dann kommen wir doch in die Situation hinein, die Sie gemeinsam mit uns beklagen und
Hauser ({3})
die vom Kollegen Wurbs eben noch einmal angesprochen worden ist, daß gerade an der mangelnden Eigenkapitalausstattung - und zwar nicht falsch firmiertes Eigenkapital, sondern echtes Eigenkapital - die Existenz vieler mittelständischer Betriebe scheitert.
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Die Vorteile des CDU/CSU-Programms liegen eindeutig darin, daß wir keine Bürokratie und kein Antragsverfahren brauchen, daß jeder Steuerbürger von dem vorteilhaften Programm Gebrauch machen kann. Dieses Existenzgründungssparen, bei dem der Gründungswillige allerdings keine Staatssubvention erhält, sondern selbst den Gürtel enger schnallen muß, verbessert nachhaltig die Eigenkapitalausstattung und damit die Fähigkeit eines jungen Unternehmens, die schwierige Pionierphase nach der Gründung durchzustehen. Das Regierungsprogramm dagegen subventioniert Fremdkapital mit nur bedingter Eigenkapitalähnlichkeit und treibt gründungswillige Arbeitnehmer in erhebliche Risiken.
In dem Vorschlag, den das Regierungsprogramm in den Richtlinien macht, wird davon gesprochen, daß höchstens ein Drittel der gesamten Investitionssumme Eigenkapital einschließlich der Eigenkapitalhilfe sein darf. Ich will das hier an einem Beispiel deutlich machen. Wenn ein Handwerker mit 300 000 DM eine Betriebsgründung vornehmen will, dann darf er nach Ihrem Programm höchstens 40 000 DM Eigenmittel aufbringen. Das ist genau der Betrag, von dem ich hier eben gesprochen habe, während der Bundesminister für Wirtschaft drei Fünftel von diesen 100 000 DM, also 60 000 DM, an Eigenkapitalhilfe zusätzlich gewährt. Mithin beträgt die Eigenkapitalhilfe der Bundesregierung, die nach zwei Jahren verzinst und später zurückgezahlt werden muß, maximal 20 % des gesamten Investitionsvolumens. Daraus folgt, daß der echte Eigenkapitalanteil bei unserem Handwerker in Höhe von 40 000 DM bei 300 000 DM Investitionssumme nur 13 % beträgt. Jetzt frage ich Sie: Wie wollen Sie es denn miteinander vereinbaren, wenn Sie einerseits darüber klagen, daß die Eigenkapitalausstattung unserer Betriebe zurückgeht, daß sie leider bis auf 20 % abgesunken ist, andererseits aber ein Programm vorstellen, das eine Eigenkapitalausstattung von höchstens 13 % zum Ziel hat? Wer mehr hat, bekommt dann nichts mehr. Wo ist denn da die Logik, wenn Sie andererseits sagen, zu geringes Eigenkapital gefährde die mittelständischen Betriebe?
Wir haben einzuwenden, daß eine derart schmalbrüstige Finanzierung erhebliche Risiken für ein junges Unternehmen gerade in den ersten Jahren mit sich bringt. Alle Analysen über die Insolvenzursachen kommen zum Ergebnis, daß mangelndes Eigenkapital und falsche Finanzierung ursächlich für die große Mehrzahl der Insolvenzen sind. Durch das Programm der Regierung wird aber dieses Problem nicht gelöst, sondern allenfalls vergrößert. Darüber hinaus ist das Programm der Bundesregierung ein Musterbeispiel für perfekten Bürokratismus und natürlich auch für Etikettenschwindel.
Lassen sie mich ein weiteres Beispiel sagen: Sie haben in Ihrem Programm gesagt, daß die freien Berufe an diesem Programm beteiligt werden könnten. Bei näherem Hinsehen muß man aber feststellen, daß der Bundesminister für Wirtschaft gesagt hat, daß Ärzte von diesem Programm ausgeschlossen würden. Die Ärzteverbände hatten nämlich angefragt. Wahrscheinlich wollen Sie nicht nur die Ärzte, sondern alle freien Berufe ausschließen. Es wird hier der Eindruck erweckt, als könnten diejenigen, die im Bereich der freien Berufe von dem Programm Gebrauch machen wollen, darauf hoffen, es auch tun zu können. In Wirklichkeit sind Sie jedoch überhaupt nicht bereit, diesen Leuten zu helfen.
Weil wir dies erkannt haben und wissen, daß Ihr Programm in der Substanz falsch angelegt ist, daß es nicht das Ergebnis bringen kann, das wir dringend brauchen, haben wir unser Programm vorgelegt. Ich kann nur hoffen, daß Sie, wenn sie unser Programm einmal sorgfältig studiert haben, zu einer anderen Auffassung kommen und dann auch bereit sind, mit uns gemeinsam den Weg zu gehen, den wir hier vorschlagen, möglicherweise auch in Ergänzung zu Ihrem Programm, um dann wirklich eine Basis für die Gründung selbständiger mittelständischer Existenzen zu schaffen.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu der mit Recht gestellten Frage Stellung nehmen, wie es mit dem Inkrafttreten des Eigenkapitalhilfeprogramms stehe. Es ist vorgesehen, daß Anträge auf Gewährung eines Eigenkapitalhilfedarlehens ab 1. Juli 1979 bei jeder Hausbank gestellt werden können. Bis zur Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsplans 1979 - darauf haben Sie, Herr Kollege Hauser, hingewiesen, daß hier ein Problem vorliegt - werden die Zinssubventionen unter dem Vorbehalt der späteren Bewilligung zugesagt. Da die Zinsen nachträglich fällig werden, also frühestens am 1. Januar 1980, entsteht dem Antragsteller kein Schaden. Da hier im Hause der übereinstimmende Wille besteht, Existenzgründungen zusätzlich zu fördern, haben wir keinen Zweifel daran, daß wir die Genehmigung des Haushaltsausschusses und des Parlaments für die Zinssubventionen im Nachtragshaushalt 1979 erhalten werden.
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Es war leider nicht möglich, die Richtlinien für das Programm früher vorzulegen, weil wir allein für dieses Programm keinen Nachtragshaushalt vorlegen konnten.
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Parl. Statssekretär Grüner
- Doch, sie stimmen völlig mit meiner Erklärung überein; denn Herr Wurbs hat ja hier erklärt, daß das Programm am 1. Juli 1979 in Kraft tritt. Das will ich hier bestätigen und mit einigen Details anreichern.
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- Wir haben das Programm im Februar im Kabinett verabschiedet, Herr Kollege. Angesichts der Probleme, die damit verbunden sind, und angesichts der Tatsache, daß wir eben den ordentlichen Haushalt nicht erreichen konnten, ist die Verzögerung, die hier beklagt wird und die auch ich bedaure, eingetreten. Aber es ist keine Verzögerung, die zu gravierenden Beanstandungen Anlaß gibt, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß das Kabinett ja erst im Februar entschieden hat.
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- Nein. - Die Richtlinie für dieses Programm wird noch in diesem Monat veröffentlicht werden. Wir mußten natürlich zunächst eine Lösung finden, um die zeitliche Verzögerung bis zur Erreichung des Nachtragshaushalts zu überbrücken. Die verbleibende Zeit bis zum 1. Juli wird benötigt, um das Anlaufen des Programms in technischer Hinsicht vorzubereiten. Wir haben das Programm, Herr Kollege Hauser, bei der EG-Kommision im Januar notifiziert. Die schriftliche Zustimmung der Kommission zu diesem Programm liegt seit langem bei uns vor.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Uberweisung des Antrags auf der Drucksache 8/2603 an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und an den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß - mitberatend - vor. Ist das Haus damit einverstanden?
- Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 22 soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung von der Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden?
- Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Zweite und 'dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films ({0})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({1})
- Drucksache 8/2108 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({2})
- Drucksache 8/2792 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Waigel ({3})
Bevor ich das Wort erteile, möchte ich mitteilen, daß vereinbart ist, die Debatte bis 13 Uhr abzuschließen. Ich bitte, sich hinsichtlich der zeitlichen Einteilung darauf einzurichten.
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waigel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag berät ein Gesetz, für das der Wirtschaftsausschuß federführend ist und in dem das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes geregelt wird. Das Gesetz ist seiner Rechtsnatur nach unbestreitbar ein Wirtschaftsförderungsgesetz; und doch wird es in den Medien im Feuilleton- und Kulturteil abgehandelt, weil es der Filmszene und damit dem Kulturbereich zugeordnet wird. Wir sehen hier bereits einen Zielkonflikt, der immer wieder bei der Beratung der Filmförderungspolitik entsteht. Dieser Zielkonflikt zwischen Wirtschafts- und Kulturförderung führt zu erheblichen verfassungspolitischen, ordnungspolitischen und wirtschaftsrechtlichen Problemen. Die verfassungsrechtliche Grundlage und Grundsätze der Wirtschaftsordnung gebieten uns nämlich, in diesem Zusammenhang primär die wirtschaftliche Situation des deutschen Films zu sehen, wobei künstlerische Gesichtspunkte, Kulturpolitik und Qualitätsförderung nur im Zusammenhang mit der Wirtschaftsförderung inhärent einbezogen werden dürfen.
Bereits mehrmals haben sich Gerichte, Rechtswissenschaft und Verwaltung mit diesem Thema beschäftigt und auf den schmalen Grat hingewiesen, auf dem sich die wirtschaftliche Filmförderung bewegt. Ich darf auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahre 1972 hinweisen, in dem dieses ausgeführt hat, die Filmförderungsanstalt habe kein Recht, nach eigenem Ermessen Förderungsbeihilfen oder Prämien zu vergeben, um einen Anreiz für die Herstellung von Filmen mit kulturellem Wert zu schaffen, denn - so begründet das Gericht seine Auffassung - „die Förderung wertvoller Filme ist nach dem Grundgesetz Sache der Länder".
In einem verfassungsrechtlichen Gutachten hat bereits 1974 Professor Weides zum damals gültigen Filmförderungsgesetz hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit bemerkenswerte Ausführungen gemacht und die Form des damaligen Gesetzes bereits sehr kritisch beleuchtet. Professor Weides kommt zu dem Ergebnis, daß die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 des Grundgesetzes für eine gesetzliche Regelung des Massenmediums Film zuständig seien. Der Bund könne nach Art. 75 Nr. 2 des
Grundgesetzes allein Rahmenbestimmungen über die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films erlassen, um den Film als Meinungsverbreitungsinstitut im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Grundgesetzes bundesgesetzlich zu ordnen. Das bisherige Filmförderungsgesetz besitze - so Weides - keinen Rahmencharakter, sondern ordne den Regelungsgegenstand unmittelbar und vollständig. Aber - so folgert er - die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 11 sei nur für den Film als Wirtschaftsgut heranzuziehen, und dabei müsse die Förderung der Filmwirtschaft als Hauptzweck des Gesetzes geregelt werden. Es gebe erhebliche Bedenken gegen die filmkulturellen Förderungshilfen der bisherigen Filmförderungsgesetze, insbesondere auch der Projektförderung - so Professor Weides.
Diese schon damals geäußerten Bedenken sind nicht entkräftet, sondern sie sind durch die Neufassung des Gesetzes verstärkt worden. Das ist insbesondere durch die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingebrachten Änderungsanträge der Koalition geschehen. Diese Änderung läßt es als höchst fragwürdig erscheinen, ob das Gesetz in der vorgelegten Fassung noch dem Grundgesetz entspricht.
Es ist bemerkenswert - die Koalition sollte sich das gut überlegen -, daß sogar das Bundesjustizministerium in einem Rechtsgutachten zu der Erkenntnis kommt, dieser Entwurf, und zwar der ursprüngliche Entwurf, sei mit einem verfassungsrechtlichen Risiko belastet. Eine weitere Akzentverschiebung in Richtung Kultur und Qualität verschärfe dieses Risiko. Die Grauzone zwischen Wirtschaft und Kultur sei hier sehr problematisch und dürfe nicht weiter in Richtung kulturelle Akzente verschoben werden. Genau das aber, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie getan und damit das Gesetz mit einem verfassungsrechtlichen Risiko belastet, wo Sie noch nicht wissen, wie das letztendlich ausgehen wird.
Ich weise auf diese Gefahr nicht hin, weil wir dieses Gesetz zu Fall bringen wollen. Wir haben daran konstruktiv mitgearbeitet, wir haben weder zeitlich noch sachlich irgendeine Verzögerung durchgeführt. Wir waren zu jedem Vermittlungsgespräch bereit. Wir haben aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, auf verfassungspolitische Argumente hinzuweisen, weil wir uns alle darum bemühen müssen und sollten, nur solche Gesetze zu verabschieden, die vor dem Bundesverfassungsgericht wirklich bestehen können.
Wir wissen, daß Qualität im Sinne des Filmförderungsgesetzes nur ein Qualitätsbegriff sein darf, der einen Bezug zur Absatzfähigkeit auf dem Markt im In- und Ausland hat. Dabei ist Kinoqualität eigentlich jener Bezugspunkt, der hier mit angesprochen werden muß.
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen, und zwar zum Problem des Rechtscharakters einer Ausgleichsabgabe. Der Rechtscharakter einer verwaltungsrechtlichen Ausgleichsabgabe gebietet, daß ihre Form, Gestaltung und Verwendung nicht gegen den erklärten Willen jener erfolgen dürfen, die die Abgabe aufbringen. Diese Rechtsnatur setzt einen gewissen Konsens der Beteiligten voraus, vor allen Dingen der Hauptabgabepflichtigen. Denn wie soll sonst ein Gesetz seinen Selbsthilfecharakter bewahren, wenn hier das getan wird, was die Wirtschaft dieser Branche nicht haben möchte?
Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Einer Abgabe, die die Betroffenen aufbringen müssen, entspricht es eigentlich, daß sie dann auch weitgehend im Wege der Selbstverwaltung aufgebracht und verteilt wird, daß der Selbstverwaltung weitgehend Raum gelassen und nicht staatlich, gesetzlich oder ideologisch dekretiert wird.
Ich halte es für unzulässig, ordnungspolitisch verfehlt und ideologiebehaftet, wenn an der beteiligten Wirtschaft und vor allem an den das Kino Besuchenden, dem Publikum vorbei andere, eigene Wertvorstellungen in den Vordergrund gerückt werden.
Dieser Gesetzentwurf begegnet über die verfassungsrechtliche Problematik hinaus auch gravierenden ordnungspolitischen Einwänden. Ausgangspunkt einer Gesetzesnovellierung hätte die Tatsache sein müssen, daß eine Verbesserung des Verhältnisses von Produktionskosten und Einspielergebnis erreicht wird. Im Moment deckt das Einspielergebnis nur noch 35 °/o der Produktionskosten. Anstatt die wirtschaftliche Basis der Filmwirtschaft zu stärken und jene Filme verstärkt zu fördern, die auch wirtschaftlichen Gegebenheiten und dem Publikumsgeschmack Rechnung tragen, wird das Gießkannenprinzip einer ungehemmten Verteilungswirtschaft und einer undurchschaubaren Vergabepraxis fortgesetzt.
({0})
Ich will dies nur mit einigen Beispielen verdeutlichen. Die Förderschwelle bei Prädikatsfilmen -§ 22 Abs. 2 - wird gegenüber dem jetzigen Rechtszustand noch weiter herabgesetzt. Dies hat zur Folge, daß ein Produzent, dessen Film am Markt ganze 52 000 DM erbracht hat, bereits die volle Förderung erhält. Das ist der Weg in die Subventionswirtschaft.
Ein zweites Beispiel. Im Rahmen der erleichterten Referenzfilmförderung werden auch Filme, die die Einspielschwelle nicht erreicht haben, gefördert. Sie sollen das Zweifache der von ihnen verdienten Bruttoverleiheinnahmen erhalten - § 23 Abs. 2. Wir halten das für unzulässig, für unwirtschaftlich, unzumutbar, und darauf zielen auch unsere Anträge ab, die wir in Drucksache 8/2841 formuliert haben.
Demgegenüber wird die Referenzfilmförderung bereits bei einer Besucherzahl von 400 000 zu frühzeitig gekappt. Dies bedeutet, daß ein Film, wenn er auf Produzentenanteil 400 000 DM eingespielt hat, keine weitere Förderung erfährt. Das heißt, genau der wirtschaftlich relevante, erfolgreiche Film wird nicht entsprechend gefördert, wenn endlich einmal die Chance bestünde, für den nächsten Film die entsprechende Startbasis, das entsprechende Eigenkapital, zu schaffen, um nicht dauernd in einem
Teufelskreis weiter zu produzieren, obwohl immer weniger Geld zur Verfügung steht. Das Geld muß verwendet werden, obwohl die Basis für einen wirtschaftlich tragbaren Film, der auch entsprechende Ausgaben mit sich bringt, nicht vorhanden ist.
({1})
Je geringer die Förderung gerät, desto geringer ist das Startkapital für den nächsten Film, der produziert werden muß, weil die Förderung ja nachträglich erfolgt. Der nächste Film muß, ob man will oder nicht, produziert werden. Hat ein Film dann endlich einmal den erwünschten Erfolg, hört die Förderung dort wieder auf, wo es interessant wäre, was im internationalen Wettbewerb wichtig wäre und die verheerende Relationsverschiebung bei den Marktanteilen der deutschen gegenüber den ausländischen Produzenten in gewisser Weise verbessern könnte.
Es findet im Moment eine völlig schiefe Diskussion über die Problematik und das Thema des lowbudget-Films statt. Kein Mensch hat etwas dagegen, wenn mit sparsamen Mitteln Filme produziert werden, für die ein Bedarf besteht und die das Publikum sehen möchte. Unerträglich ist allerdings die Forderung, ausgerechnet jene Filme mit einer Sonderkondition, mit einem Übermaß an Förderung auszustatten; denn hier ist keinerlei Bezug zur Höhe der Herstellungskosten mehr vorhanden.
({2})
Um ja nicht mißverstanden zu werden: Niemand wendet sich gegen die Produktion dieser Filme, niemand wendet sich gegen eine normale Förderung dieser Filme. Für rationales Denken allerdings nicht mehr verständlich ist die überproportionale Sonderförderung gerade der Filme, deren Publikumsqualität zur angeblichen Filmqualität in einem geradezu gespenstisch umgekehrt proportionalen Verhältnis, steht. Das muß von vielen Filmen, allerdings nicht von allen, gesagt werden.
Kunst, Kultur und Wissenschaft sollten nicht in das Räderwerk der Politik gelangen, und Politiker sollten in ihren Urteilen über kulturelle und künstlerische Erzeugnisse vorsichtig sein. Hier sind manchmal - sicher in allen Lagern - falsche Fronten geschaffen worden.
Ich habe allerdings - und das sage ich als Politiker - kein Verständnis dafür, das Filme und Hersteller überproportional - ich betone: überproportional - gefördert werden, damit sie Deutschland im Ausland als einen schießwütigen Polizeistaat darstellen und unsere Gesellschaft und unsere Staatsordnung verhöhnen und verketzern.
({3})
Niemand von uns fordert den Abbau einer solchen Normalförderung; ich sage aber nein zu einer solchen unberechtigten Sonderförderung.
({4})
Ich begreife auch die Geisteshaltung jener gar nicht, die diese Gesellschaft, diesen Staat, seine Ordnung so für ganz und gar unerträglich halten, aber dann willig bereit sind, im nachhinein oder im vorhinein die Hand aufzuhalten, also durchaus bereit sind, von dieser „miesen Gesellschaft" Subventionen in Millionenhöhe anzunehmen.
({5})
Hier wird deutlich, daß von diesen Kreisen auch eine gewisse Politisierung des Films versucht wird, daß eine Gruppe des deutschen Films über Gruppen in SPD und FDP auch Einfluß auf die staatliche Filmförderung gewinnen möchte. Dies ist um so leichter, als sich der Bundeswirtschaftsminister an diesem Thema völlig desinteressiert zeigt und sein Parlamentarischer Staatssekretär zwar anwesend ist, aber aus verständlichen Gründen ebenfalls nur eine formale Anwesenheit in den Ausschüssen und wahrscheinlich auch im Plenum zeigt, weil eben dieser Bereich den ideologischen Minderheiten in den Parteien überlassen worden ist.
({6})
Ich will nur zwei Beispiele anführen. Wir haben einen Film, der in zwei Jahren 22 000 DM eingespielt hat - man kann sich die Publikumsmassen vorstellen, die die Kassen gestürmt haben -, aber in diesem Bereich eine Förderung von 189 000 DM erhalten hat.
({7})
Ein anderer Film hat 74 000 DM eingespielt und eine Gesamtförderung von 202 000 DM erhalten. Meine Damen und Herren, hier stehen die Dinge nicht mehr in Relation zueinander. Das ist kein Wirtschaftsförderungsgesetz mehr, das ist eine totale Subventionsmentalität, die wir keiner Branche, auch nicht der Filmbranche, zumuten können.
({8})
Wenn die Filmpolitik so weitergeht, führt sie zu einer großen Filmbewahrungsanstalt, zu einem Archiv von Filmen, die niemand sehen möchte.
Wir haben uns über den Bundesrat und vor allen Dingen im Ausschuß darum bemüht, ein vernünftiges Gesetz zustande zu bringen. Das ist daran gescheitert, daß die Koalition zu unseren wesentlichen Anträgen nein gesagt hat. Das Zustandekommen dieses Gesetzes ähnelt dem mancher Filme: Ein Drehbuch ist nicht vorhanden - das ist auch nach diesem Gesetz nicht mehr notwendig -, die Regie ist einseitig, die Produktion miserabel, der Absatz mäßig, der Hauptdarsteller nur nebulös erkennbar, Nutznießer sind jene, deren Filme niemand sehen möchte. Die ganze Produktion des Filmförderungsgesetzes und einiger Filme geht am Publikum vorbei, und dies unter dem Gesichtspunkt der Mitbestimmung - eine unverständliche Fehlentwicklung bei der Koalition.
({9})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Martiny-Glotz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Waigel, als wir uns vor zwei Tagen auf dem Weg zum Bundeshaus trafen, riefen Sie mir zu: Bei Philippi sehen wir uns wieder. Ich kann nur fragen: Wo sind eigentlich unsere Truppen? Aber ich bedanke mich für die sehr sachliche und gute Rede, die Sie hier gehalten haben. Daß wir in einigen Sachpunkten unterschiedlicher Meinung sind, ist dabei wohl klar.
Sie sprachen zunächst einmal davon, hier könnten „Subventionen in Millionenhöhe" einkassiert werden. Ich bestätige, daß der Grad der Subventionierung in der gesamten Filmwirtschaft ein eigentlich nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht hat. Das betrifft aber jede Art von Filmproduktion: da braucht sich die eine Seite von der anderen nichts vorhalten zu lassen. Aber „Millionen" fallen im Einzelfall gewiß nicht an. Denn insgesamt gibt es über die Filmförderungsanstalt ja nur 25 Millionen zu verteilen. Da entfällt auf das Einzelprojekt natürlich nur ein - gemessen an den Produktionskosten - im Grunde relativ bescheidener Posten. Das „große Geld" müssen sich die Filmemacher letzten Endes doch anderswo holen.
({0})
Die Wirtschaftlichkeit der Filmförderung haben Sie bestritten, da in verfassungrechtlich bedenklicher Weise eine Barriere zur Kultur hin inzwischen überschritten sei. Ich widerspreche dieser Meinung. Denn wir haben uns besonders darum bemüht, bei der Novellierung der Tatsache Rechnung zu tragen, daß zum Film nicht nur die Produktion, sondern auch der Verleih und das Abspiel gehören.
In allen drei Stufen haben wir es seit Jahren mit Kapitalkonzentration, Vermachtung der Märkte, Ausscheiden marktschwacher, aber strukturpolitisch bedeutsamer Wettbewerber zu tun, und zwar aus einer Vielfalt von Ursachen. Alle drei Sparten klagen letzten Endes über die Entwicklung. Die Kinos klagen, daß sie gute Filme häufig erst dann kriegen, wenn sie schon „abgeleiert" sind. Die Verleiher klagen, daß ihnen starke Unternehmen, meist amerikanischen Ursprungs, die guten Filme abjagen; manchmal jagt sie ihnen auch das Fernsehen ab. Die Produzenten klagen, daß sie mit dem Aufwand für „Superman" oder „Der weiße Hai" in der Bundesrepublik Deutschland nicht Schritt halten können.
In der Tat, die deutsche Filmwirtschaft hat es schwer. Denn die Amerikaner sind viel stärker und haben einen viel größeren Markt. Auch die Franzosen, Italiener und Briten sind stärker. Sie geben sehr viel mehr Geld für Filmförderung aus, und zwar auch von Staats wegen, was wir bisher nicht tun, und sie sind viel nationalistischer als wir.
({1})
Wir sind, meine ich, durchaus in der Gefahr, daß unsere nationale Filmwirtschaft langsam stirbt. Der absteigende Marktanteil belegt diese These. An der nationalen Filmwirtschaft hängen aber Arbeitsplätze, und an der nationalen Filmwirtschaft hängt ein Teil der deutschen Kultur, den wir im Vergleich zur französischen, italienischen und britischen lebendig erhalten müssen - ebenso wie das Museumswesen, das Qualitätsorchester oder das Experimentiertheater. Deswegen betreiben wir Filmförderung.
Die Filmförderung ist wirtschaftlicher geworden, Herr Waigel, auch wenn Sie das bestreiten. Denn wir haben Verleih und Kino einbezogen und uns vor allem bei der Kinoförderung besonders große Mühe gegeben. Die Abgabe haben wir gegenübel der Regierungsvorlage noch reduziert. Ich will hier noch einmal Zahlen vortragen, die Sie alle kennen, aber auch berücksichtigen sollten, weil sie auf einer Ausarbeitung der Filmförderungsanstalt beruhen, die uns während der Beratungen zugegangen ist. Bei einer Abgabe von 20 Pfennigen pro Kinokarte, die die Filmtheater ja leisten wollten, würden bei den Filmtheatern mit 20 000 bis 150 000 DM Jahresumsatz 4,69 Millionen DM erhoben, bei den Filmtheatern mit 150 000 bis 250 000 DM Jahresumsatz 4,55 Millionen DM und bei den Filmtheatern mit mehr als 250 000 DM Jahresumsatz 16,59 Millionen DM.
Wenn man dem die prozentualen Abgaben von 2,7 oder 3,2 oder 3,7 vom Hundert gegenüberstellt, so wie die Filmförderungsanstalt sie ermittelt hat, wie wir sie aber mit einer kleinen Abweichung von 0,05 % plus beschlossen haben, dann würden bei den von mir soeben genannten Umsatzkategorien in der niedrigsten 3,05 Millionen DM erhoben, in der zweiten 3,93 Millionen DM und in der stärksten 19,04 Millionen DM.
Ich sage das so ausführlich, damit es auch im Protokoll steht. Denn diese Zahlen zeigen ganz deutlich, daß 58,9 % aller Kinos sich bei der von uns beschlossenen prozentualen Abgabe weit günstiger stellen als mit 20 Pfennig pro Kinokarte.
Dazu kommt, daß wir beschlossen haben, den Filmtheatern einen Teil ihre Einsatzes automatisch rückzuvergüten und auch besondere Projekte verstärkt zu fördern. Dies alles scheint mir unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten besonders gelungen zu sein. Das gilt auch für die finanziell verbesserte Verleihförderung.
Was nun die Filmproduktion angeht, so ist das Instrumentarium dasselbe geblieben. Wir betreiben Referenz- und Projektfilmförderung. Dieses Instrumentarium insgesamt ist auch unbestritten. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß die Opposition bei der Verabschiedung der letzten Novelle 1974 bei der Einführung der Projektförderung, die jetzt als Instrument überhaupt nicht mehr bestritten ist, genau wie heute gesagt hat, dies sei verfassungswidrig, und sie würde ein umfangreiches Vermittlungsverfahren anzetteln. Nichts dergleichen ist geschehen. Inzwischen vermag sich niemand mehl aus der deutschen Filmproduktionsförderung die Projektfilmförderung wegzudenken.
Wir haben auch hier Grenzen gezogen, die die Wirtschaftlichkeit dieses Gesetzentwurfs verstärken Die Förderungsbeihilfen sind nach oben begrenzt
Das Zweifache der Bruttoverleiheinnahmen ist hier angesetzt. Bisher gab es diese Obergenze nicht. Außerdem sind die Projektfördermittel nach unten begrenzt. 20 °/o Eigenanteil sind vorgeschrieben. Auch diese Maßnahme gab es bisher nicht. Auf Einschreiten von Bernhard Wicki, der offensichtlich einen teureren Film machen möchte, haben wir für die teureren Filme eine besondere Regelung eingeführt. Er muß eben nicht die 20 % zahlen, sondern etwas weniger, weil hier die 20 % Eigenbeteiligung schon zu hoch wären. Sie könnten hier sagen, das sei dann nicht wirtschaftlich; aber es ist eine vernünftige Regelung, die wir sogar einvernehmlich beschlossen haben. Ihre Haltung erscheint mir nicht konsequent.
Das mag Ihnen alles nicht weit genug gehen. Das gestehe ich gerne zu. Aber Sie dürfen nicht so tun - auch die Publizistik nicht veranlassen, so zu tun -, als ob alles noch schlimmer geworden sei, als es bisher ist. Das Gegenteil ist richtig. Es ist erheblich besser geworden, als es bisher war.
({2})
Sie haben dann daran Anstoß genommen - das ist auch der Gegenstand eines Änderungsantrages-, daß wir auf 130 000 Besucher abstellen, um die erleichterte Referenzfilmförderung zu gewähren. Herr Waigel, meine Damen und Herren, hier muß man doch einmal ganz klar sagen, daß wegen der harten Konkurrenz auf dem Filmmarkt die erleichterte Referenzfilmförderung so bemessen sein muß, daß überhaupt Marktzutrittschancen in diesem Markt bestehen. Deswegen halte ich diese Grenze durchaus für gerechtfertigt.
Wenn wir einen unbegrenzt großen Topf hätten, würde ich Ihnen auch gern entgegenkommen und sagen: Okay, wir fördern unbegrenzt nach Besucherzahlen auch nach oben, 800 000, 1 Million, meinetwegen. Aber der Topf ist begrenzt. Wir haben uns dafür entschieden, die Förderung im Mittelfeld schwerpunktmäßig erfolgen zu lassen, um strukturverbessernd und innovationsfördernd für den deutschen Film wirken zu können.
Eine etwas spitze Bemerkung am Rande. Sie haben Ihre Änderungsanträge wohl etwas mit der heißen Nadel genäht. Denn unter Ziffer 7 ist zu § 68 Abs. 1 ein Änderungsantrag aufgeführt, den wir bereits einvernehmlich im Ausschuß beschlossen hatten, der also der Ausschußfassung entspricht. Ich weiß nicht, ob auch die anderen Anträge so flott gearbeitet sind; der Verdacht ist immerhin nicht ganz von der Hand zu weisen.
({3})
Sie wollen wirtschaftlich letzten Endes eine Förderung des „closed shop". Auch aus Ihrem Gesetzentwurf zum UWG spricht ja diese Haltung. Das Geld soll, bitte schön, an diejenigen gehen, die es auch bisher schon gekriegt haben, wobei eine direkte Proportionalität aufrechterhalten bleibt: wer bisher viel gekriegt hat, soll auch in Zukunft viel kriegen. Das nennen Sie Wirtschaftsförderung. Wir nennen Wirtschaftsförderung allerdings etwas anderes:
nämlich eine Förderung von Innovationen, von neuen Ideen, auch von neuen Leuten und dabei zugegebenermaßen, eine gelinde Umverteilung von den Großen auf die Kleinen und Mittleren. Das nennen Sie dann Kulturförderung und drohen mit einer Verfassungsklage.
({4})
- Auch wenn Sie dazwischenschreien, Herr Wohlrabe, Ihre Filmförderung ist mittelstandsfeindlich. Alle Begründungen, die Sie zuvor bei dem anderen Tagesordnungspunkt bezüglich Existenzgründung und Mittelstandsförderung gebracht haben, werden in der Filmwirtschaft dann doch sehr unglaubwürdig.
Dann kommt das Schlagwort von der „Gremienwirtschaft". In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" war gestern zu lesen: „Der deutsche Film wird nicht mehr produziert, sondern immer mehr verwaltet." Natürlich gibt es bei 80 bis 90 % Subvention eine ganze Menge Verwaltungsaufwand. Die Produzenten hätten natürlich gern 100 °/o des von ihnen benötigten Geldes gegen Quittung bar auf die Hand, möglichst ohne Nachweispflichten. Ich zitiere noch einmal die „Frankfurter Allgemeine" : „Zu lachen gibt es fast gar nichts im deutschen Film." Unter diesen Prämissen würden sich dann zumindest die Produzenten ins Fäustchen lachen, wenn wir eine solche Förderung betrieben.
Wir haben uns bei der Gesetzesnovelle bemüht, diese „Gremienwirtschaft" etwas abzumildern. Wir haben zunächst einmal die Gremien verkleinert. Das ist bei Ihnen nicht ganz auf Gegenliebe gestoßen.
({5})
Wir legen Ihnen einen Gesetzentwurf vor, in dem der Verwaltungsrat von 33 auf 23 Mitglieder verkleinert worden ist. Ganz abgesehen von allen sachlichen Begründungen, die dafür sprechen, werden dadurch im Jahr auch rund 30 000 DM gespart.
({6})
- Wer so laut schreit, hat meistens unrecht, meine Herren.
({7})
Ich würde Ihnen eigentlich anempfehlen, sich etwas zu mäßigen.
({8})
- Nein, das ist Geschrei und kein Argument, Herr Wohlrabe. Aber davon haben Sie ja auch in der Vergangenheit bereits Kostproben geliefert.
({9})
Ich meine, daß die Verkleinerung der Gremien vernünftig ist, weil sie sie arbeitsfähiger macht. Im übrigen besteht ja die Möglichkeit, wenn nun wirklich Sachverständige „ausgesperrt" sein sollten, diese von Fall zu Fall hinzuzuziehen oder sie in die entsprechenden Unterkommissionen einzubinden.
Wir haben uns auch hinsichtlich der Vergabekommission bemüht, das Vergabeverfahren etwas
unbürokratischer und flexibler zu handhaben. Wir haben zwei Änderungen vorgenommen, einmal hinsichtlich des Abstimmungsverfahrens, zum anderen hinsichtlich der Kommission aus drei Mitgliedern, die kleine Förderungsbeiträge bis zu 200 000 DM vergeben kann. Wir lassen eine größere Flexibilität Platz greifen und bauen die Gremienwirtschaft ab. Sie nennen das „Selbstbedienungsladen", das sei Ihnen unbenommen. Man kann aber nicht auf der einen Seite die Gremienwirtschaft beklagen und es auf der anderen Seite kritisch sehen, wenn versucht wird, die Gremienwirtschaft abzumildern. Da sollte man wohl irgendwo konsequent bleiben.
({10})
Ich mache im übrigen darauf aufmerksam, daß der Vorsitz der von Ihnen so besonders attackierten Vergabekommission bisher immer bei einem Herrn Ihrer Couleur gelegen hat und die Mehrheit in diesem Gremium gleichfalls.
({11})
Nach der Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist gewährleistet, daß das auch in Zukunft so bleibt.
Infolgedessen halte ich Ihre Änderungsanträge zu §§ 6 und 8 nicht für berechtigt. Die' Zukunft wird erweisen, daß die Gremien der Filmförderungsanstalt nicht schlechter, sondern besser arbeiten können.
Wir führen hier im übrigen - natürlich verdeckt - auch eine politische Debatte mit den üblichen Scheinfronten. Herr Waigel hat dazu schon einen Beitrag abgegeben.
Ich möchte Ihnen aber eine Kostprobe dieses Frontverlaufes doch nicht vorenthalten. Es ist ein Beitrag aus der Fachpresse, der davon spricht - ich zitiere -:
Rotlichter allenthalben. Die vom eigenen Linksdruck überrollte SPD/FDP-Regierungskoalition schickt sich offenbar an, ihr politisches Mütchen demonstrativ an der deutschen Filmwirtschaft zu kühlen.
Ich habe mir extra ein rotes Kleid angezogen, Herr Waigel, damit Sie mich auch erkennen und als „ideologische Minderhet" hier entsprechend einstufen können.
({12})
Im übrigen aber will ich gar nicht weiter polemisieren,
({13})
sondern nur zum Abschluß, weil ich an das Ende meiner Redezeit gemahnt werde, noch einmal fragen, ob denn eigentlich irgend jemand irgend jemand anderen in der Vergangenheit gehindert hat, flotte Unterhaltungsfilme zu drehen und diese auch zu vermarkten?
({14})
Das ist doch nicht der Fall gewesen. Wir haben uns, um uns gar keinen Mißverständissen auszusetzen, diesmal noch besonders bemüht, das Kriterium „guter Unterhaltungsfilm" erneut in das Gesetz einzuführen. Ich kann also den Herren Hebecker, Axel vom „Filmecho" und den anderen Journalisten, die sich hier einschlägig ausgewiesen haben, nur anraten, ihrer Klientel doch zu sagen, daß sie auch für gute Unterhaltungsfilme Fördermittel, Prädikate, Preise usw. bekommen können. Sie müssen nur die entsprechenden Ideen haben. Aber in diesem Punkt hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" ganz recht; ich zitiere zum Abschluß: „Gegen Mangel an Einfällen helfen keine Geldspritzen."
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haussmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte mich gern Herrn Waigel, meinem geschätzten Partner in vielen Wirtschaftsfragen, zuwenden und sagen, daß das Desinteresse, das er bei diesem Gesetz des Bundeswirtschaftsministers beklagt, vielleicht aus seiner Sicht erwünscht sein könnte, daß er aber zu den zentralen Fragen - Frage der Abgabe, Frage des Charakters eines Strukturgesetzes - immer selbst sehr klar auf die Grenzen, die einer Veränderung des Regierungsentwurfes gesetzt sind, hingewiesen hat; dabei ist es ja auch geblieben. Der Regierungsentwurf ist bestimmt kein Werk einzelner ideologischer Minderheiten, sondern er ist in einem unglaublich langen und komplizierten Verfahren mit den Verbänden - auch sie haben mitgewirkt, zum Teil sehr konstruktiv - zustande gekommen.
Was mich etwas enttäuscht hat, war, daß die Stellungnahme des Bundesrates eigentlich in vielen Punkten sehr viel sachlicher orientiert war als manche Anträge, die Sie im Wirtschaftsausschuß und auch heute wieder im Plenum zur Diskussion gestellt haben.
({0})
Ich erinnere nur an die Frage der Festabgabe oder der prozentualen Abgabe. Hier hat der Bundesrat eine sehr klare Meinung bezogen. Bei Ihnen war das anders. Wir waren flexibel; wir haben - darauf hat Frau Dr. Martiny-Glotz hingewiesen - die Höhe der prozentualen Abgabe auch deshalb korrigiert, weil wir der Meinung sind, daß wir hier nicht zu hoch belasten können.
Was die Gremienbesetzung angeht, so bin ich eigentlich sehr enttäuscht. Ich fand es hervorragend, daß es uns einmal gelungen ist, ein großes Gremium gleichmäßig und gleichgewichtig zu verkleinern, nämlich von 33 auf 23 Mitglieder; heute stellt die Opposition einen Antrag, wieder auf 30 Mitglieder zu erhöhen.
({1})
- Es war abgestimmt, nur fanden Sie vielleicht die
Ökomene im Bereich der Kirchen zu weit getrieben,
weil wir ihnen zumuteten, nur einen Vertreter zu haben; aber andere Gruppen müssen sich eben auch durch andere vertreten lassen.
(Dr. Waigel ({2})
Zur Sache selbst. Die FDP-Fraktion weiß, daß der deutsche Film mit diesem Gesetz, das heute in zweiter und dritter Beratung diskutiert wird, nicht zu seiner früheren Bedeutung zurückgeführt werden kann; dazu haben sich die Verhältnisse zwischen den Medien viel zu sehr geändert. Wir glauben, daß es trotzdem in Zukunft eine Chance gibt für einen guten Unterhaltungsfilm in einem attraktiven Filmtheater, weil nach unserer Auffassung die Zahl der aktiven Kulturbürger zunimmt, die bereit sind, abends ihre vier Wände zu verlassen, nicht fernzusehen und in einem attraktiven Filmtheater einen guten Film zu sehen. Trotzdem wissen wir, daß dem deutschen Film mit Geld allein nicht geholfen werden kann. Die FAZ schreibt ja: „Gegen den Mangel an Einfällen helfen selbst Geldspritzen nicht."
Ziel des Gesetzes - darauf möchte ich auch die Opposition noch einmal verweisen - war ja immer ein doppeltes, und zwar nicht erst bei dem jetzigen Entwurf, sondern schon bei dem jetzt geltenden Gesetz. Es war einmal, die Wirtschaftlichkeit des deutschen Filmes zu erhöhen, und zum anderen, gleichzeitig und gleichgewichtig die Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage zu steigern. Deshalb bin ich sehr enttäuscht, daß die Diskussion oft im Sinne von Wirtschaftlichkeit kontra Qualität oder von Kunst gegen Kommerz läuft. Das Gesetz schreibt uns ja in seiner Zielsetzung vor, diese beiden Prinzipien auf einen Nenner zu bringen. Ohne Zweifel läßt sich feststellen, daß das bisherige Gesetz zumindest dazu geführt hat, daß der neue deutsche Film in der internationalen Kritik und auch auf Festivals eine wachsende Akzeptanz findet. Wir wissen aber, daß dies noch nicht zu einem größeren durchschlagenden Publikumserfolg führt. Sicherlich ist es so ähnlich, wie die FAZ schreibt: daß es schwierig ist, die Balance zwischen Kunst und Kommerz zu halten. Trotzdem gilt: Keine falschen Gegensätze, nur Qualität hilft langfristig zu mehr Rentabilität und Wirtschaftlichkeit. Es gibt ermutigende neue Beispiele. Der Film von Fassbinder „Die Ehe der Maria Braun" oder Schlöndorffs „Blechtrommel" lassen hoffen, wie wir im Moment sehen. Ich glaube, daß sich dies fortsetzt.
Es ist aber offensichtlich, daß beispielsweise der amerikanische, französische oder italienische Film auch durch seine Qualität so erfolgreich ist. Natürlich muß der Qualitätsbegriff - das gebe ich gern zu - bei einem Wirtschaftsgesetz durchaus marktorientiert angelegt sein. Das ist ja auch Ziel dieses Entwurfs. Marktorientierung heißt aber auch, zuzugeben, daß der deutsche Film auf dem deutschen Markt nicht die gleichen Wettbewerbschancen hat wie der Film anderer Länder, der sich, wie in den USA, in nahezu ungebrochener Tradition entwickeln konnte oder aber auf eine unvergleichlich stärkere staatliche Unterstützung - eine höhere Filmförderung wie in Frankreich und Italien - zurückgreifen kann.
Lassen Sie mich zum zweiten kurz zur Hauptkritik von Herrn Waigel - und ich weiß, daß Herr Schwarz-Schilling und Herr Wohlrabe in die gleiche Richtung gehen wollen - noch etwas sagen, nämlich dazu, daß dieses Gesetz einen zu starken „Kulturtouch" bekommen habe, daß es viel zu wenig Wirtschaftsförderungsgesetz geblieben sei. Ich glaube nach wie vor, daß der Selbsthilfecharakter und vor allem der Charakter der Wirtschaftsförderung, in diesem Gesetz durch fünf Punkte beibehalten, in manchen Teilen sogar verstärkt wurde:
Erstens. Sie wissen, daß die Grundförderung der programmfüllenden Filme verstärkt und erstmalig dynamisiert wird.
Zweitens. In das Gesetz ist der Passus aufgenommen, daß bei der Projektfilmförderung das Eigenrisiko des Produzenten und dadurch ja auch sein Interesse an der Herstellung publikumswirksamer Filme verstärkt wird. Das ist durchaus eine Sache, die meines Erachtens zur Verstärkung des Wirtschaftscharakters gehört.
Drittens. Bei der Förderung des Kurzfilms ist die Marktorientierung erstmalig geregelt, das heißt, mit Fördermitteln sollen Kurzfilme hergestellt werden, die sich von der Länge her zum Abspielen im Kinobeiprogramm eignen.
Viertens - und das halte ich für sehr wichtig, weil wir nicht nur von der Förderung der Produktion ausgehen dürfen, da eben der Absatz im Vergleich zu den Filmen anderer Länder eine wesentliche Rolle spielt -: Das Instrumentarium der Absatz- und Abspielförderung soll erheblich erweitert werden. Über die filmbezogene Absatzförderung hinaus soll ja eine Förderung auch der Absatzstruktur eingeführt werden und über die halbautomatische Kinoförderung hinaus eine gezielte Stärkung der Abspielstruktur. Hier geht es auch um die Verbesserung der Marktbedingungen des Films; Produktion und Abspielvertrieb gehören hier also eng zusammen.
Den fünften Punkt halte ich für ein weiteres wichtiges Indiz dafür, daß dieses Gesetz stärker den Charakter eines Wirtschaftsgesetzes bekommen hat. Es handelt sich dabei nach wie vor um die Frage der Filmabgabe. Deshalb verstehe ich auch nicht den Antrag der Opposition in diesem Punkt. Die Filmabgabe der Theater soll .nach unserem Entwurf und unseren Vorstellungen künftig im Grundsatz ja auch für kommunale Kinos zahlbar sein. Das 'ist ein Punkt, der von der Wirtschaft immer falsch ausgelegt wurde. Sie soll in einem prozentualen Verhältnis zum Eintrittskartenumsatz erhoben werden. Dies knüpft an die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Abspielung an. Zugleich wird dadurch einer Schwächung der Förderungskraft der Filmförderanstalt vorgebeugt, die im Falle der Fixabgabe, die Sie wollen, bei einer Erhöhung der Preisrate immer vor die Frage gestellt ist, ob Sie erhöhen oder es beim alten Satz belassen und damit real praktisch eine Minderung ihres Förderungspotentials in Kauf nehmen soll.
Die prozentuale Abgabe nimmt auch auf die unterschiedliche Preisgestaltung für verschiedene Besucherschichten Rücksicht. Sie honoriert, wenn
z. B. Preisermäßigungen für Kinder, Studenten, Rentner oder Soldaten gegeben werden. Wir glauben deshalb, daß diese prozentuale Abgabe den Wirtschaftscharakter verstärkt. Zum ersten honoriert sie eine differenzierte Preispolitik, was eine Festabgabe nicht tut. Zum zweiten ist sie mittelstandsfreundlicher, weil sie auf die Lage, auf die Größe, auf den Standard der Kinos Rücksicht nimmt.
({3})
An den aufgeführten fünf Punkten zeigt sich meines Erachtens, daß der Charakter der Wirtschaftsförderung verstärkt wurde; denn auch auf den sonstigen Feldern unserer Wirtschaftsstrukturpolitik tauchen ja diese Grundsätze auf, erstens die Förderung der kleinen und mittleren Betriebe, zweitens Anreize für Innovationen, drittens das Offenhalten für Newcomer und viertens das Streben nach Qualität. Deshalb glaube ich auch, daß der Vorwurf der Nichtverfassungsmäßigkeit, der von Teilen der Opposition und von einzelnen Verbänden erhoben wird, nicht verfangen wird.
Lassen Sie mich zum Abschluß zwei Bitten meiner Fraktion aussprechen:
Erstens. Das Fernsehen, das über 1 000 Filme pro Jahr ausstrahlt, muß sich stärker als bisher an der Filmförderung beteiligen. Daran halten wir nach wie vor fest. Ich könnte mir vorstellen, daß diese Bereitschaft des Fernsehens, sich stärker zu beteiligen, durch eine gewisse Unterstützung durch den Finanzminister erhöht werden könnte. Der Wirtschaftsminister hat zumindest seine Bereitschaft hierzu angekündigt.
Zweite Bitte an die Opposition, Herr Waigel und Herr Wohlrabe: Wir sind der Meinung, wenn diese verbesserten Förderungsbedingungen greifen und damit auch der Topf größer wird, sollte die Opposition Mitverantwortung übernehmen und auf einzelne Verbände einwirken, damit die Boykottdrohung, die im Moment dasteht, aufgehoben wird.
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Sorgen Sie mit uns dafür, daß das Gesetz angewandt wird, nicht boykottiert wird! Sorgen Sie dafür, daß sich das Verfassungsgericht seinen eigentlichen Aufgaben in anderen Bereichen zuwenden kann und nicht im Bereich der Filmförderung tätig werden muß!
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwarz-Schilling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn verschiedene Medien miteinander in Wettbewerb stehen, hat der Staat eine bestimmte Rolle. Zunächst einmal kommt es darauf an, daß diese Medien ganz normal in einem Wettbewerb um das Medienbudget des einzelnen Haushalts kämpfen können, durch bessere Aktivität und ähnliches mehr.
Zum zweiten wird sich, gerade wenn neue Medien eingeführt werden, eine neue Rolle des einzelnen Mediums herausstellen, indem es auch ergänzende Funktionen haben kann und keineswegs nur im Wettbewerb um das Medienbudget steht, weil es da auch eine echte Ausweitung geben kann.
Gerade wenn solche neuen Medien auftreten, gibt es Strukturkrisen, Verdrängungswettbewerb und ähnliches mehr. Der Staat hat hier die Rahmenbedingungen zu setzen, um die Veranstaltung von Wettbewerb zu garantieren, die Verhinderung von Monopolen, die Erhaltung oder die Herstellung von Wettbewerb unter allen Beteiligten. Insofern ist es gerade in einer solchen Frage außerordentlich schwierig, Herr Dr. Haussmann, wann man Wettbewerb auf der einen und Qualität auf der anderen Seite erreichen will, ohne sich über die Definition der Qualität ganz Rechenschaft zu geben. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist es ja nicht immer so, daß Qualität mit Mißerfolg am Markt einhergeht. Es kann auch einmal umgekehrt sein! Insofern sind hier sehr viel tiefgründigere Fragen zu stellen, als das bisher der Fall war.
Bei den Initiativen des Staates, soweit sie mehr in den Bereich der Eingriffe gehören, muß die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund stehen. Insofern möchte ich den Eindruck, der auf Grund der Reden meiner Vorredner hier entstanden sein könnte, daß es sich um Subventionen handelt, nachdrücklich korrigieren. Die Mittel werden von dem betroffenen Wirtschaftszweig selbst aufgebracht.
({0})
Insofern ist es sehr, sehr angemessen, wenn wir mit solchen großartigen Reden zurückhaltend sind, denn der Wirtschaftszweig bezahlt selbst, nicht der Steuerzahler, nicht einmal wir als Politiker.
({1})
Die Einführung des Fernsehens hat zweifelsohne zu einer der größten Herausforderungen für den Film geführt. Der Film hatte bis dahin das technische Monopol eines Massenmediums für optische und gleichzeitig akustische Kommunikation, die es in keinem anderen Bereich gegeben hat. Hinzu kommt nun, daß dieses Fernsehen durch staatlich sanktionierte Privilegien, Rundfunkgesetze und ähnliches mehr öffentlich-rechtlich organisiert ist und durch die Finanzierung mit Gebühren, unabhängig vom Erfolg, eine totale Risikobeseitigung für das Fernsehen vorhanden ist. Mit diesem Monstrum Fernsehen muß der Film konkurrieren. Man muß sich einmal vollkommen deutlich machen, was das heißt. Dazu kommt noch der große Komfort und die Bequemlichkeit, die das Fernsehen bereitet, das Pantoffelkino zu Hause, so daß von dem Bürger her gesehen ein Fortschritt in Richtung Fernsehen unabweislich ist.
Die Fakten zeigen das sehr deutlich. 1956 haben wir noch 800 Millionen Kinogänger pro Jahr gehabt, 1964 waren es 320 Millionen. Die Filmtheater
wurden von 6 950 im Jahre 1956 auf 5 551 im Jahre 1964 reduziert. Die Zahl der Fernsehgeräte stieg von 1,5 Millionen im Jahre 1956 auf über 10 Millionen im Jahre 1964. In dieser Zeit kam dann die Idee des Filmförderungsgesetzes. Man wollte es besser machen. Ich brauche das jetzt hier nicht im einzelnen auszuführen. Aber was ist als Erfolg dieses Gesetzes in der Zeit von 1965 bis 1977 festzustellen? Die Kinogänger sind von 294 Millionen im Jahr 1965 auf 124 Millionen im Jahre 1977 zurückgegangen, die Filmtheater sind von 5 209 noch weiter auf 3 072 abgerutscht. Die Fernsehgeräte sind von 10 Millionen auf über 20 Millionen angestiegen. Das Fazit ist also, der Verfall wurde nicht aufgehalten, so schön wir es uns vielleicht alle vorstellen und so ehrlich auch allseits die Absicht gewesen ist. Es ist leider nicht der Fall. Es gab zum anderen auch gute Versuche der Anstalten, ARD und ZDF, durch freiwillige Vereinbarungen entsprechende Hilfen herbeizuführen. Da kommt nun die ganze Problematik der Koproduktion. Das Fernsehen setzt natürlich gern Koproduktionen durch, die ihm, seinem Medium, entsprechen. Bei der Finanzgewalt dieser Anstalten ist dann auch eine entsprechende Privilegierung ganz klar vorhanden.
Wenn man jetzt einmal sieht, wie stark der Spielfilm in dieses Medium hineingekommen ist, der vorwiegend aus dem Ausland importiert wird, kann man sich im einzelnen vorstellen, wie das weiterlaufen wird. 1977 hatten wir im Fernsehen 157 Filme von den USA, 47 %, aus der Bundesrepublik 34 Filme, das sind 10,2 %. Es waren in der gesamten ARD 9 Filme aus Deutschland, im ZDF wenigstens 25. Bei den Dritten Programmen haben wir eine Größenordnung von 687 Filmen. Davon sind
14 aus der Bundesrepublik und 348 aus den Vereinigten Staaten. Dabei sehen Sie, daß dieses Medium eine doppelte Konkurrenz für unseren Film bedeutet, indem es einmal die deutschen Filmtheater entleert und zum zweiten auch noch den ausländischen Film über das Fernsehen hier hineinbringt. Bei aller Bemühung ist also diese Sache in keiner Weise in Ordnung gekommen.
Nun kommt das eigentlich Unmögliche, daß die
15 Pf, die man bei der Kinokasse zu bezahlen hat - auf Grund gesetzlicher Grundlagen aufoktroyiert -, genau in dem Medium, wo nun der riesige Zuwachs entsteht, nicht vereinbart worden sind. Wir hatten ja damals den Vorschlag gemacht, zumindest durch eine Pauschalregelung - denn jeder normale Bürger guckt sich mindestens einmal im Monat einen Film an - 15 Pf abzuführen, damit die Finanzmöglichkeiten unabhängige, selbständige Produktionsmöglichkeiten des Films ergeben und nicht zu Abhängigkeiten von dem Fernsehen führen. Aber das hat man einfach gelassen. Wir haben es jetzt auch gar nicht mehr gefordert. Es hatte keinen Zuspruch, weder von den Parteien SPD und FDP noch von den Fernsehanstalten. Die Fernsehanstalten sind ja autonom. Wenn sie hier nicht von der Regierung und den Ländern in entsprechender Weise aufgeklärt werden, hat es keinen Zweck.
({2})
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, bei diesem Filmförderungsgesetz wurde eine große Chance vertan. Wir hätten jetzt die Möglichkeit gehabt, zu fragen, ob es spezifische Leistungen des Mediums Kino in der Differenzierung des Marktes gibt, ob der Staat die Eigenhilfe und Selbsthilfe in diese Richtung hineinbringen sollte, damit die Medien ihre verschiedenen Rollen in entsprechender Weise neu in diesem Markt einnehmen können, ob man die Frage der Kooperation der Medien auf eine gesunde Grundlage stellen sollte, damit sie nicht in gegenseitige Abhängigkeit geraten, ob man die Monopole abschaffen sollte, wo der eine gegen Monopole kämpfen muß. Ich würde nicht sagen, daß das hier besonders stark zum Ausdruck gekommen ist, aber doch meinen, daß dem vielleicht eine stärkere Zielsetzung gesellschaftspolitischer Absichten zugrunde liegt, als man hier in diesem Gesetz vermuten sollte. Die SPD hat in ihren Leitsätzen vom 7. Dezember 1973 zunächst schon einmal ganz klar gesagt, der Deutsche Film sei „seit 1928 gesellschaftspolitisch immer von rechts organisiert und künstlerisch korrumpiert und verzerrt" gewesen; es sei „stets sein Ziel gewesen, reaktionäre Ideologie aufzubereiten" . Und dann kamen noch einige Dinge über die Nazizeit. Nun, ich meine, es würde genauso unfair sein, den deutschen Hörfunk während dieser Zeit vielleicht in entsprechender Weise mit Urteilen zu belegen und damit ein allgemeines Klischee gegenüber dem Hörfunk zu machen. Daß die Nazizeit alle Bereiche erfaßt hat, das wissen wir. Insofern sollte man das jetzt nicht einem Sektor zuordnen. Aber wenn in diesen Leitsätzen gesagt wird, daß man „gesellschaftspolitische Interessen" durch kultur- und wirtschaftspolitische Maßnahmen durchsetzen wolle, dann frage ich mich: Ist das vielleicht der eigentliche Zielpunkt? Sind es vielleicht diese gesellschaftspolitischen Absichten, eine ganz bestimmte Rollenverteilung staatlich durchzusetzen? Ich bedaure es, wenn sich hier eine solche Auffassung durchgesetzt hat, die man schon im Jahre 1973 den Leitsätzen der SPD entnehmen konnte. Ich hoffe, daß dies trotzdem nicht gelingen wird.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nöbel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch ihre ständige Agitation gegen das Gesetz zur Förderung des Films, in dessen Institution die CDU/CSU andererseits nicht genug mitarbeiten kann - hier redet man von Politisierung -, trägt die CDU/CSU leider dazu bei, eine Zurückhaltung bei Filmtheaterbesitzern und unseren Bürgern gegenüber dem deutschen Film zu fördern. Die Opposition beklagt ferner die kulturfreundliche Gestaltung der Filmförderungsgesetzgebung seit 1974. Sicher fehlt dem Bund die Kompetenz für ein Kulturgesetz;
({0})
aber er hat in unserer Staatsordnung, Herr Dr. Waigel, sicher auch kein Recht, ein kulturfeindliches Gesetz zu schaffen,
({1})
das den Trend zu einer Wiedererholung deutscher Filmqualität aufhebt. Der Film ist schließlich kein Wirtschaftsgut wie ein Kochtopf oder eine Konserve, sondern ein Medium mit Intensivwirkung geistiger, pädagogischer, seelischer Art auf den Menschen. Aber auch hier verfolgen Sie, wie wir soeben von Herrn Schwarz-Schilling erfahren haben, wieder Ihre medienpolitische Linie des Primats des Kommerziellen vor der gesellschaftspolitischen Verantwortung.
({2})
Auch hier steuern Sie den Weg der Teilprivatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an, indem Sie Mittel der Anstalten - ich sage es hier einmal - für die Schnulze abkassieren wollen.
({3})
Hier stellt sich in der Tat die verfassungsrechtliche Frage,
({4})
und dabei wird hier der Hinweis unterschlagen, daß ja die Rundfunkanstalten längst zugesagt haben, ihre Beteiligung von bisher 44 Millionen DM bis auf 79 Millionen DM zu erhöhen.
Mit ihrer Argumentation erweckt die Opposition den Eindruck, als sehne sie sich nach der Filmszenerie vom Anfang der siebziger Jahre zurück: Wolfgangsee usw.
Das bewußte Herunterspielen der Wiedergesundung der deutschen Filmwirtschaft ist auch aus einem anderen Grunde unredlich.
({5})
- Davon rede ich jetzt. Wer die 10 % oder 11 % Anteil am deutschen Markt
({6})
nicht nur wie wir bedauert, sondern sie wie die
CDU/CSU und ihr nahesstehende Teile der Filmwirtschaft der deutschen Filmförderung anlasten will
({7})
- doch, das wollen Sie - und dabei auf den höheren Marktanteil des französischen und des italienischen Films in diesen Ländern verweist, der müßte eigentlich auch sagen, daß dort das Vielfache an Förderung gewährt wird, weil die Steuer- und Abgabebelastung dort auch das Vielfache gegenüber der Bundesrepublik Deutschland beträgt.
({8})
Die Koalition will die Abgabesätze von 2,75 bis 3,75 % der Eintrittskarte festsetzen. In Frankreich beträgt aber allein die Abgabenbelastung 16 %. Man könnte meinen, die Opposition, die die Wirksamkeit der deutschen Filmförderung bestreitet, wolle langfristig nach dem Beispiel anderer Länder auf höhere Abgabenbelastungen hinarbeiten und es sich allerdings jetzt durch bestimmte Bekenntnisse nicht mit ihrer Klientel, den Besitzern größerer Filmtheater, verderben.
({9})
Es ist die Besorgnis angeklungen, das Recht der EG könne sich als Hindernis für diesen Entwurf der Neufassung des Filmförderungsgesetzes erweisen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich rede jetzt nicht mit Herrn Wohlrabe, sondern über den wichtigen Punkt EG. Hierzu ist zunächst festzustellen, daß der Bund im wesentlichen nur die geltende Förderung fortsetzen will. Diese jedenfalls ist 1973 in Brüssel anerkannt worden. Wenn sich die Bundesregierung zu einer Neufassung entschlossen hatte, dann nur deshalb, weil das Gesetz, das schon zwei Novellen erlebt hat, jetzt nicht noch durch eine dritte Novelle verkompliziert werden sollte. Die neue Fassung des Gesetzes ist lesbarer geworden.
Was den EG-Aspekt angeht, so ist es unsere Ansicht, daß nicht ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer besonderen Filmkrise, mit ihren gegenüber Frankreich und Italien weitaus geringeren Fördermitteln anfangen sollte, sich gegen den übrigen EG-Film weit zu öffnen, zumal dieser EG-Film auf dem deutschen Markt einen mehrfach höheren Anteil hat als der heimische Film. Wenn wir zudem bei uns die Abspielförderung ausbauen, dann tun wir im Grunde sogar mehr für den Film aus anderen EG-Staaten als für den eigenen Film. Davon abgesehen ist die Motivation jeder nationalen Filmförderung, die Lebens- und Leistungsfähigkeit des eigenen Films als eines Ausdrucks der eigenen Gesellschaft und Kultur im weiteren Sinne unter Einschluß der Wirtschaftsgesellschaft als einer Selbstdarstellung auch gegenüber dem Ausland zu sichern.
({10})
Dem EG-Vertrag sind auch Kultur- und Ordnungsvorbehalte der Mitgliedstaaten nicht fremd. Es ist auch - soweit ich sehe - in der Bundesrepublik Deutschland ganz überwiegende Meinung, daß wir derzeit nur einen Film fördern wollen, der erkennbar deutsch ist. Das schließt die volle Förderung sogar deutsch-minoritärer Co-Produktionen, die Beschäftigung einer ganzen Reihe von ausländischen und vor allem EG-Filmschaffenden auch künftig nicht aus.
Der Entwurf sieht insbesondere in der hier zur Beschlußfassung vorliegenden Fassung darüber hinaus noch eine ganze Reihe zusätzlicher Öffnungen zur EG vor. Diese Anpassungen an den Gemeinsamen Markt, die sogar künftige Integrationsfortschritte vorwegnehmen, sind übrigens ein weiterer Beweis dafür, wie wirtschaftlich dieses Gesetz ausge12176
richtet ist. Wir erwarten von der EG-Kommission - solange es keinen eigentlichen europäischen Film gibt, vielmehr nur einzelne rein nationale oder gemischt-nationale Filme -, daß sie die Eigenart der nationalen Filmförderungsrechte achtet und sich nicht in Gegensatz zu den Bemühungen um die Stärkung der nationalen Filmwirtschaften in Europa setzt. Alles andere - das wird immer wieder betont - läuft auf eine weitere Stärkung des Drittlandsfilms hinaus, der ohnehin zusehens stärker, ja, dominant wird. Mit dieser Ansicht steht die Bundesrepublik Deutschland in Europa nicht allein. Wir haben auch die Interessen unserer Kulturschaffenden zu vertreten, denn ihre Arbeitslosigkeit ist weit höher als die in den übrigen Berufen.
Ich komme zum Schluß, weil meine Redezeit abgelaufen ist. Es ist erfreulich, daß sich auch in diesem sozialen Bereich die Ansichten großer Teile der Filmproduzenten mit denen der Gewerkschaften decken.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Langguth.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte wurde mehrfach auf die schlechte Wettbewerbslage des deutschen Films hingewiesen und auch auf die Tatsache, daß gegenwärtig nur etwa 10 % der in Deutschland laufenden Filme deutsche Produktionen inklusive Co-Produktionen darstellen. Es wäre aber auch interessant, darauf hinzuweisen, daß sogar weniger als 5 % der Filme, die in deutschen Filmtheatern laufen, rein deutsche Produktionen sind, wenn man die Co-Produktionen abzählt. Wenn Sie hier die Zahlen mit denen der fünfziger Jahre vergleichen, dann werden Sie feststellen, daß damals etwa 50 % der Filme, die auf deutschen Leinwänden zu sehen waren, deutsche Filme waren. Allein an diesem Beispiel sehen Sie den Niedergang des deutschen Films.
({0})
Wir müssen uns die Frage stellen, warum beispielsweise der amerikanische Film in Deutschland etwa 40 °/o ausmacht. Dies doch nicht nur, weil er etwa aus Amerika kommt, sondern weil der amerikanische Film ohne Schwierigkeiten in eine Lücke stoßen konnte, die der deutsche Film in den letzten Jahren freiwillig hinterlassen hat, und zwar mangels marktgängiger Filme.
({1})
Auch wenn 1977 die Zuschauerzahlen erstmals nach zwanzig Jahren wieder um 8 % zunahmen und da und dort argumentiert wurde, die Strukturkrise der deutschen Filmwirtschaft sei zu Ende, muß dennoch mit Nachdruck festgestellt werden, daß als Hauptursache für den starken Rückgang des Marktanteils des deutschen Films in erster Linie das Unvermögen der deutschen Filmhersteller genannt werden muß, sich thematisch auf die Bedürfnisse der deutschen und insbesondere der jugendlichen Filmbesucher einzustellen. Das wurde übrigens mit Nachdruck gerade von seiten der
Filmförderungsanstalt im Hearing des Deutschen Bundestages zu diesen Fragen dargelegt.
Auch der Hinweis, daß dieses Unvermögen vor allem durch höhere Filmfinanzierungsmöglichkeiten des Auslandes bedingt sei, ist für die letzten Jahre nicht mehr stichhaltig; denn es ist zu verweisen auf die mittlerweile am Markt befindlichen 65 der 100 projekt- oder fernsehgeförderten Filme und deren zumeist sehr großvolumige Finanzausstattung. Bisher ist es jedoch nur einem einzigen Film gelungen, seine Herstellungskosten einzuspielen.
({2})
Ursache hierfür - darauf hat der Kollege Waigel vorhin zu Recht hingewiesen - ist letztlich die immer deutlicher gewordene Subventionsmentalität der deutschen Filmhersteller. Wir stehen doch vor der Situation, daß man, bevor die Produktion eines Filmes überhaupt beginnt, möglichst schon 100 % der Herstellungskosten aus öffentlichen Finanzmitteln erhalten will.
({3})
- Sozusagen Vorkasse. - Das führt zu dem sogenannten Gremienfilm, also zu einem künstlichen Filmprodukt, das von seinem Hersteller vor der Produktion in der Finanzierungsfrage allein danach ausgerichtet wird, bei möglichst vielen Gremien zu gefallen. Auf Grund dieses Finanzierungssystems sind viele Produzenten immer mehr dazu übergegangen, sich in erster Linie an den Subventionen der verschiedenen Gremien zu orientieren. Eine Orientierung am Markt, an den Bedürfnissen des Kinobesuchers findet nicht statt. Dadurch entheben sich die Produzenten der Notwendigkeit, sich einer Abstimmung durch die Kinobesucher mittels Eintrittskarten zu unterziehen.
Wir haben ein Nebeneinander von auch von Spezialjuristen kaum noch zu durchdringenden Gremien. Wir haben die Filmförderungsanstalt mit ihrem ganz unterschiedlichen Instrumentarium: mit der Grundbetragsförderung, der Zusatzbetragsförderung, der Projektförderung in ihren verschiedene Ausprägungen. Es gibt das Bundesinnenministerium mit seinen Gremien und Preisen. Es gibt das „Kuratorium junger deutscher Film" mit seiner Produktions- und Absatzförderung. Wir haben das Film-Fernseh-Abkommen, gleichfalls mit einem vielfältigen Instrumentarium für die Förderung von Filmen. Die Bundesländer Berlin und Bayern geben Filmförderungsmittel für die Herstellung, den Absatz und das Abspielen von Filmen. Auch aus dem Bundeshaushalt fließen Beträge für die Filmförderung im Auslandsabsatzbereich und für die Kinderfilmproduktion.
All das geschieht ohne Koordination, ohne daß der eine weiß, was der andere tut, und auf welchen Unterlagen die jeweilige Förderung im Einzelfall beruht.
({4})
Unsere Fraktion hat bereits bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes 1974 in einer Entschließung gefordert - auch der Bundesrat hat das getan -, die Bundesregierung möge in Zukunft dafür
Sorge tragen, daß die Filmförderung der Bundesrepublik unter ein Dach kommt. Es muß festgestellt werden, daß dieser Regierungsentwurf eine solche Koordinierung nicht herbeiführt. Nicht einmal ein Subventionsregister ist ins Auge gefaßt, aus dem alle Beteiligten die Subventionsdaten hätten entnehmen können. Hierzu muß man sagen, daß dieser Plan wahrscheinlich nicht zuletzt auch daran scheiterte, daß zwei beteiligte Bundesressorts wegen Kompetenzproblemen an die Regelung dieser Frage nicht herangegangen sind.
({5})
- Ihr Hinweis, daß beide der FDP an gehören, ist völlig richtig.
Um es zu wiederholen: Die mangelnde Koordinierung der Subventionsgeber erzwingt keine Orientierung der Filmhersteller am Markt. Diese Mentalität führt dazu, daß der wirklich gute Unterhaltungsfilm aus deutscher Produktion auf dem bundesdeutschen Filmmarkt kaum mehr vorhanden ist.
({6})
- Das muß man leider zur Kenntnis nehmen, und das muß man auch in dieser Deutlichkeit sagen. Ich bitte Sie, Frau Kollegin, noch einmal das Hearing in aller Ruhe nachzulesen, wo das auch im einzelnen bestätigt wird.
Meine Damen und Herren, bemerkenswert ist die Tatsache, daß selbst Regisseure, die erhebliche öffentliche Mittel für die Herstellung von Filmen abkassierten, dies so sehr als eine Selbstverständlichkeit ansehen, daß sie weltweit erklären, die Bundesrepublik tue kaum etwas für die Filmförderung. Ich will nicht das zweifelsfrei bedeutende Schaffen des Filmregisseurs Werner Fassbinder hier in Frage stellen. Wenn er jedoch in einem Interview mit dem amerikanischen Magazin „News week" vom August 1977 die Bundesrepublik Deutschland als ein Land mit der miesesten Filmförderung darstellt, obwohl gerade er in den letzten drei Jahren 3,4 Millionen DM, davon allein 1,2 Millionen DM aus Filmförderungsmitteln des Bundesinnenministeriums erhalten hat,
({7})
dann nimmt eine solche Kritik doch mehr als nur wunder.
({8})
Ich fasse zusammen. Das Filmförderungsgesetz, wie es von der Bundesregierung vorgelegt wird, ist kein großer Wurf. Es kommt den Interessen einer mittelständisch geprägten Filmwirtschaft und der in dieser Industrie Beschäftigten nicht entgegen. Hinzu kommt, daß trotz aller Aussagen und trotz aller Zusagen, wie sie von der Regierung gerade in den Beratungen des Haushaltsausschusses gemacht wurden, Haushaltsmittel des Bundes für die Filmförderungsanstalt im Einzelplan 09 nicht vorgesehen sind. Auch dies belegt, daß die Worte der Bundesregierung, sie hielte die Filmförderung für so bedeutend, häufig doch nur auf dem Papier stehen.
Deswegen werden wir dem Entwurf der Bundesregierung, wie er hier vorgelegt ist, in dieser Form unsere Zustimmung versagen.
({9})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Grüner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung des vor genau einem Jahr vom Bundeskabinett vorgelegten Entwurfes des Filmförderungsgesetzes hat die Bundesregierung festgestellt, daß sich der deutsche Film auf dem Wege der Besserung befindet. Diese Feststellung hat sich bestätigt. Die Besserung hat sich im Jahre 1978 und in den ersten Monaten des Jahres 1979 deutlich fortgesetzt.
({0})
Wegen der Kürze der Zeit will ich Zahlen hier nicht vorlegen.
({1})
Dies ist nicht etwa allein das Verdienst ausländischer Filme; auch deutsche Filme gewinnen an Boden und tragen zu den Umsätzen der Filmtheater bei.
({2})
Ich gehe allerdings nicht so weit, einen direkten Kausalzusammenhang zwischen dieser erfreulichen Entwicklung und der Tatsache der Filmförderung herzustellen.
({3})
Diesen Nachweis kann niemand führen, ebenso wenig allerdings den Nachweis des Gegenteils. Es ist ja überhaupt bei aller Wirtschaftsförderung außerordentlich und ungewöhnlich schwierig, den Nachweis der unmittelbaren Wirkung exakt zu führen. Das ist in allen Bereichen so.
({4})
Ich behaupte aber, daß es diese jetzt zu verzeichnende positive Entwicklung ohne Filmförderung in dieser Form jedenfalls nicht gegeben hätte. Filmförderung und Filmförderungsgesetz haben ohne Frage zur Erhaltung und Bewahrung einer filmwirtschaftlichen Struktur beigetragen. Sie haben den Nährboden und das Klima geschaffen, aus dem sich Ansätze zur Neuerung, Besserung und zum Aufschwung entwickeln und Kräfte zur Selbstheilung freisetzen können, die, so hoffen wir, zur Gesundung der Filmwirtschaft beitragen können.
Mit dem Gesetz, das heute zur zweiten und dritten Beratung vorliegt, werden bis Ende 1986 die Voraussetzungen aufrechterhalten, die für eine weitere Gesundung der deutschen Filmwirtschaft unabdingbar sind.
({5})
Dieses Gesetz ist ein Wirtschaftsförderungsgesetz.
Ich betone das gerade unter dem Eindruck der Dis12178
kussion in den letzten Tagen und Wochen, die sich heute in der Debatte fortgesetzt hat. Ich möchte das näher am Beispiel der Förderung der Filmproduktion ausführen; einmal deshalb, weil hier der Schwerpunkt der Förderungsmaßnahmen liegt, zum anderen deshalb, weil die Zweifel ausschließlich in diesem Zusammenhang geäußert werden. Für die Förderung der Filmproduktion werden insgesamt 77 % aller Mittel der Filmförderungsanstalt vorgesehen, weil Filme die wichtigste Grundlage jeder filmwirtschaftlichen Betätigung, also auch des Filmverleihs und des Filmtheaters, sind.
50 % aller Mittel - erheblich mehr als nach geltendem Recht - werden im Rahmen der Referenzfilmförderung vergeben, einem Förderungssystem, bei dem der Hersteller selbst - ohne Einschaltung eines Gremiums - bestimmt, wie der Film aussehen soll. Es liegt allein bei ihm, inwieweit er kommerzielle, künstlerische, gesellschaftliche oder sonstige Vorstellungen mit seinem Film verwirklicht, ob er beim Kinopublikum Erfolg hat oder nicht. Die Hilfe ist also, wie es dem Film als einem geistigen Werk angemessen ist, inhaltlich neutral, kann also auch keine kulturpolitische Zielsetzung verfolgen, die mit der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes nicht vereinbar wäre. Dieses inhaltlich neutrale und daher die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Filmproduzenten voll erhaltende Förderungssystem hat der Gesetzentwurf erheblich gestärkt; er hat mithin den Wirtschaftscharakter des Gesetzes gegenüber dem geltenden Recht in diesem Punkte noch unterstrichen.
Auch die Projektfilmförderung, für die 20 % der Mittel vorgesehen sind, dient der Wirtschaftsförderung, nicht der Kulturförderung. Voraussetzung dieser Förderung ist, daß das Filmvorhaben geeignet erscheint, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität des deutschen Films zu stärken. Diese Förderungsart ist erst 1974 in das geltende Gesetz eingefügt worden. Sie ist vor allem eine Reaktion auf das damalige Spielfilmangebot - die Titellisten von Anfang der 70er Jahre sprechen ja Bände das dem Ruf des deutschen Films und damit auch seiner wirtschaftlichen Anziehungskraft außerordentlich geschadet hat.
({6})
- Ich möchte im Blick auf die Zeit keine Zwischenfragen zulassen.
({7})
- Es gibt eine Vielzahl von Ursachen dieses Rückgangs, und ich weise noch einmal darauf hin, daß kein Wirtschaftsförderungsgesetz, wie immer es konzipiert wäre, von vornherein in Anspruch nehmen könnte, eine Aufwärtsentwicklung zu bewirken.
({8}) deutscher Marktanteil, das ist
die Erfolgsliste!)
- Aber, Herr Kollege, jede andere Gestaltung hätte eine solche Abwärtsentwicklung jedenfalls auch nicht ausschließen können.
Der Forderung nach Qualität und Wirtschaftlichkeit - ich betone: Qualität und Wirtschaftlichkeit; die Begriffe sind in einem Zusammenhang zu sehen
- liegt die Erkenntnis zugrunde, daß nur der qualitätsvolle deutsche Film auf die Dauer eine Chance am Markt hat. Der Aspekt „durch Qualität zur Wirtschaftlichkeit, also zur Rentabilität" ist ein rein wirtschaftlicher, kein kultureller Aspekt. Die Förderung ist inhaltlich neutral, denn auch sie ermöglicht jede Art von Filmen. Dafür bietet schon die pluralistisch ausgewogene Zusammensetzung der Vergabekommission Gewähr. Diese umfaßt ein breites Spektrum filmwirtschaftlichen Sachverstands und verhindert damit schon von ihrer Konzeption her einseitige Entscheidungen und die damit verbundene Einengung der Filmproduzenten.
Die Forderung „durch Qualität zur Wirtschaftlichkeit" ist nicht von heute auf morgen zu verwirklichen. Sie wirkt langfristig, dafür um so nachhaltiger.
Aber auch die kurzfristige Komponente kommt nicht zu kurz. Gerade dieser Gesetzentwurf hat durch eine neue Regelung der Eigenbeteiligung des Herstellers an den Herstellungskosten eines Films sowie durch eine schärfere Fassung der Bedingungen für die Rückzahlung des Förderungsdarlehens dafür Sorge getragen, daß schon der einzelne Hersteller die Rentabilität seines Filmvorhabens stärker im Auge hat, als das zur Zeit der Fall ist. Also auch hier das Fazit: keine Kulturförderung, sondern im Gegenteil Stärkung der Wirtschaftsförderung.
An diesen beiden Beispielen wollte ich deutlich machen, was von der Behauptung, das Filmförderungsgesetz sei als Kulturförderungsgesetz von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes nicht mehr gedeckt und daher verfassungswidrig, nüchtern und bei Licht betrachtet zu halten ist.
({9})
Die Argumentation von Teilen der Filmbranche scheint mir ohnehin an einem Mangel an Sachbezogenheit und Überzeugungskraft zu leiden, wie insbesondere die Diskussion um die Form der Filmabgabe zeigt. Ich kann nur noch einmal betonen: Die prozentuale Abgabe, die der Gesetzentwurf vorsieht, belastet jedes Theater entsprechend seiner Leistungsfähigkeit und ist damit gerechter als die feste Abgabe, die das große Filmtheater wenig und das kleine verhältnismäßig stark belastet.
Mit der Verabschiedung dieses Strukturförderungsgesetzes der Filmwirtschaft ist eine wichtige Etappe auf dem Wege zur Stärkung des deutschen Film erreicht. Die materiellen Voraussetzungen dafür, daß sich der deutsche Film in der Zukunft gegenüber der ausländischen Konkurrenz besser behaupten kann, sind damit gegeben. Was wir nicht vorgeben können, sind Ideenreichtum und das Gefühl dafür, in welcher Weise eine Idee verarbeitet werden muß, um zu einem wirtschaftlichen Erfolg
zu führen. Der Gesetzgeber hat damit seine Arbeit getan. Nunmehr ist die gesamte Filmbranche aufgerufen, dieses Gesetz so zu nutzen, daß der größtmögliche Erfolg erzielt wird.
Im Namen der Bundesregierung und insbesondere im Namen des für dieses Gesetz federführenden Bundeswirtschaftsministers danke ich all denen, die durch ihr Engagement und ihre Mitarbeit zur Gestaltung und zur rechtzeitigen Verabschiedung des Gesetzes beigetragen haben und beitragen werden.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, nachdem der Gesetzentwurf hier schon mehrfach erörtert worden ist, mit wenigen Strichen einiges zu unseren Anträgen sagen.
Verfassungsrechtlich halten wir die Vorlage der Bundesregierung und insbesondere die im Ausschuß durchgesetzten Anträge der Koalitionsfraktionen für höchst bedenklich. Wirtschaftspolitisch fehlen das eindeutige Bekenntnis und die klare Linie. Nach unserer Auffassung sind ideologische Vorurteile und Umverteilungsdenken an deren Stelle getreten. Subventionierungsdenken hat Vorrang.
Lassen Sie mich in vier Punkten einiges zu unseren Anträgen sagen.
Was ursprünglich als wirtschaftliche Selbsthilfe gedacht war, gerät zunehmend unter den Einfluß des Staates, der seine wie auch immer gearteten Ziele auf dem Umweg über eine rigorose Personalpolitik in den verschiedenen Gremien durchzusetzen versucht. Die Union lehnt es ab, die Filmtheater - auch über diesen Umweg - zu Staatstheatern der jeweils regierenden Parteien zu machen. Wir sind - und dies lassen Sie mich zum Verwaltungsrat sagen - für Verkleinerung, aber nicht so. Im Gegensatz zum Entwurf der Bundesregierung treten wir dafür ein, daß die entscheidenden Verbände der deutschen Filmwirtschaft angemessen und ihrer Bedeutung gemäß vertreten sind. Es ist völlig unverständlich, daß gerade die Fraktionen der SPD und der FDP ein Vorhaben unterstützen, bei dem so wichtige Bereiche wie der Kurzfilm oder die Exporteure des deutschen Films beides übrigens Schwerpunkte, die insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium sehr fördert - nun nicht mehr im Verwaltungsrat vertreten sein sollen. Unser Antrag soll dies korrigieren. Warum Sie sich so entscheiden, kann nur parteipolitisch gesehen werden. Sachlich gibt es dafür keine Begründung.
({0})
Der zweite Punkt. Die Union ist der Meinung, daß das Filmförderungsgesetz als ein Gesetz zur Selbsthilfe nicht gegen den erklärten Willen und gegen
die Erfahrungen einer ganzen Branche gemacht werden kann.
({1})
Dazu gehört, daß das Aufkommen der Mittel, also die Filmabgabe, einvernehmlich mit dem Hauptverband der deutschen Filmtheater gesetzlich geregelt wird. Unverständlicherweise sind die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen dazu nicht bereit. Statt dessen soll eine prozentuale Abgabe vereinbart werden, die unverhältnismäßige Belastungen für Kinos und Verleiher bringt. Wir treten für eine Wahlmöglichkeit ein, die den gleichen geldlichen Aufwand erbringt:
({2})
einerseits eine vernünftige prozentuale Abgabe, andererseits wahlweise vor allem die bewährte Festabgabe. Schon heute hat sich die Theaterwirtschaft dankenswerterweise bereit erklärt, einer Erhöhung auf 20 Pf pro Kinokarte zuzustimmen.
Viele der 3 000 Kinos, die wir in der Bundesrepublik noch haben, spielen ganz überwiegend ausländische Filme,' da deutsche Produktionen an der Kinokasse mehrheitlich leider nicht bestehen. Dennoch zahlen auch diese Filmtheater ihre Groschen in den Topf der deutschen Filmförderung.
Was Sie hier einführen wollen, gleicht einer Zwangsabgabe, mit der Sie auf der Basis der Freiwilligkeit keinen Erfolg haben, vielmehr scheitern und damit das Anliegen einer echten Filmförderung kaputtmachen und untergraben werden.
Wer so kompromißlos wie die Bundesregierung und die SPD und die FDP und so uneinsichtig wie sie beide - es tut mir leid, das sagen zu müssen - die Wahlmöglichkeit, die wir vorgeschlagen haben, ablehnt, muß sich heute schon vorhalten lassen, daß nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an qualitätsvollen Filmen erreicht wird und daß Sie damit - ich überspitze - die Totengräber der deutschen Filmproduktion überhaupt sein können.
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Wenn die Beiträge nicht eingezahlt werden, werden Sie sehen, was rauskommt.
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Drittens. Nachdrücklich muß vor einer Aushöhlung dieses Wirtschaftgesetzes durch kulturpolitische Manipulationen gewarnt werden. Meine Vorredner haben dies ausführlich dargelegt. Sie rufen damit nur das Bundesverfassungsgericht auf den Plan. Ich bin sicher, daß es diesmal nicht bei der Ankündigung bleiben wird. Es gibt schon heute genügend Verbände, aber auch andere Interessierte, die sich dieses Thema diesmal unter Garantie bemächtigen werden. Wir werden es nicht zulassen und auch der Bundesregierung nicht gestatten, auf diese Weise kulturpolitische Ziele in ein Wirtschaftsgesetz einzubauen. Wir befinden uns hier im Einklang mit der Meinung der Verbände und der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft. Wir werden durch viele Gutachten unterstützt, insbesondere von unabhängigen Wissenschaftlern, aber auch, wie Sie wissen, des Bundesjustizministeriums.
Die CDU/CSU-Fraktion beantragt deshalb, durch die Einrichtung einer vernünftigen Vergabekommission, eventuell auch einer empfehlenden Unterkommission, so zu verfahren. Einen Selbstbedienungsladen, wie Sie ihn in der Unterkommission vorgeschlagen haben, lehnen wir ab.
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Es ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar, daß in ein und derselben Sache mit den gesetzlichen Möglichkeiten, als Antragsteller ein sogenanntes aluid einzureichen, eine unterschiedliche Spruchpraxis in der Filmförderungsanstalt herbeigeführt wird. Außerdem ist bei einem nur aus drei Mitgliedern bestehenden Entscheidungsgremium die verwaltungsrechtlich stets vorausgesetzte Pluralität in der Zusammensetzung nicht gewährleistet. Wir warnen sehr vor dieser verfassungspolitisch falschen Regelung und stellen gerade deshalb unseren Änderungsantrag, damit später keine Fehlinterpretationen geschehen. Wer ein rechtlich einwandfreies Gesetz will, muß unserem Änderungsantrag zustimmen. Andere Beschlüsse, wie sie hier beantragt werden, insbesondere bezüglich der Abschaffung der Zweidrittelmehrheit im Gegensatz zur Regierungsvorlage und daraus auftretende gerichtliche Folgen haben wir nicht zu vertreten. Wir sehen es als unsere Pflicht an, im Interesse der Filmwirtschaft schon heute davor zu warnen.
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Viertens. Wir haben den Eindruck, daß der Gesetzentwurf weitgehend am Grünen Tisch entstanden ist ohne wirkliches Gespür für die Nöte und Probleme der Filmschaffenden. Warum hat man eigentlich im Wirtschaftsministerium oder in den Unterausschüssen des Bundestages umfangreiche Anhörungen veranstaltet, wenn man auf die ganz große Mehrheit der Meinungen, die die Filmwirtschaft vertreten hat, nicht reagiert? Ich finde es skandalös und unbegreiflich, mit welcher Uneinsichtigkeit und mangelnden Kompromißbereitschaft diese Novelle betrieben wird. Lassen Sie mich als Beispiel nur den künftigen Wechsel auf Besucherzahlen statt Bruttoverleiheinnahmen anführen; darauf soll in Zukunft abgestellt werden. Der Gesetzentwurf geht vom Anrechnungsverhältnis 2 : 1 aus. Im Hinblick auf die seit 1968 eingetretenen Eintrittspreiserhöhungen erscheint es nicht vertretbar, in einem Wirtschaftsgesetz die an sich schon sehr niedrig bemessenen Eingangsschwellen für die Filmförderung unter offensichtlich nur kulturpolitischen Gesichtspunkten noch weiter zu senken. Wir beantragen deshalb eine Verdoppelung von 400 000 auf 800 000 DM. Das ist unser Antrag. Wir meinen, daß damit die Eingangsschwelle marktgerecht und wirtschaftspolitisch vertretbar gestaltet wird.
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Der Marktanteil des deutschen Films - ich hatte es schon durch einen Zwischenruf sagen dürfen - ist seit November 1974 weiter abgesackt, und zwar von 11 % auf 5 %. Es besteht der Verdacht, daß die Regierungs- und Koalitionsvorlage mehr schadet als nützt. Das kann nicht im Interesse des deutschen Films sein. Das lehnt die CDU/CSU ab. Deshalb werden wir gegen diese Gesetzesvorlage stimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einige wenige Bemerkungen. Es war nicht der Wunsch der sozialliberalen Koalition, über dieses Gesetz so lange zu diskutieren, aber wo von Ihnen so viele Redner aufgebracht wurden, mußten wir natürlich auch etwas dagegen halten.
Der Gesetzentwurf ist meines Erachtens ziemlich harmlos, nahezu langweilig. Sie, Herr Wohlrabe, wollen ihn offenbar zum Krimi hochstilisieren. Aber das gelingt Ihnen nicht. Ich war sowieso ein bißchen betroffen, Herr Wohlrabe, daß Sie hier so ausführlich gesprochen haben, Sie, von dem jeder weiß, daß Sie im Filmgeschäft tätig sind und daß Sie als Verleiher hier versuchen, die Weichen in Richtung Ihrer eigenen Interessen zu stellen. Das ist nicht gut für das Image dieses Hauses.
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Das ist eine ganz schlechte Angelegenheit.
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Die sozialliberale Koalition wird den Antrag der Opposition ablehnen. Ich brauche das gar nicht ausführlich zu begründen. Die Probleme des Filmförderungsgesetzes sind im Ausschuß, in kleinen Gremien, in einem Unterausschuß wirklich ausführlich diskutiert worden. In vielen Punkten sind wir der CDU/CSU entgegengekommen. Aber irgendwo müssen wir natürlich mal halt machen und sagen: Dies ist jetzt unser Gesetz, wir können doch nicht ein Gesetz der CDU/CSU machen, sondern die Kernpunkte des Gesetzes müssen bleiben.
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Ich hatte mir vorgenommen, einige wenige Bemerkungen über die wichtige Frage zu machen, ob dies ein Wirtschaftsgesetz ist oder nicht. Es ist ein Wirtschaftsgesetz. Denn die Filmförderung ist durch dieses Gesetz noch wirtschaftlicher geworden. Im übrigen ist die Verfassungskonformität des alten Gesetzes, das wiederholt im Rechtsstreit vor Verwaltungsgerichten überprüft worden ist, niemals von einem Verwaltungsgericht bestritten oder bezweifelt worden. Aber die wirtschaftlichen Elemente werden beispielsweise durch eine Erhöhung des Eigenrisikos bei der Produktion in diesem Gesetz verstärkt, durch frühere Rückzahlbarkeit von Projektförderungsdarlehen, durch eine nach oben beschränkte Dynamisierung der Grundförderung und durch den Ausbau der Absatz- und Kinoförderung. Außerdem werden durch dieses Gesetz und die für 1979 vorgesehenen Haushaltsmittel die Chancen des deutschen Films im Ausland verbessert. Der deutsche Film braucht nicht nur, wie Herr Staatssekretär Grüner gesagt hat, mehr Einfälle und bessere Vorbereitung, sondern er braucht in
der Tat auch mehr Geld. Das wird durch dieses Gesetz zur Verfügung gestellt. Dieses Geld ist auf dem klein gewordenen Inlandsmarkt, der vom ausländischen Film zunehmend dominiert wird, leider nicht mehr zu bekommen.
Ich verstehe deshalb den Unmut nicht, den die Opposition hier über die Neufassung des Filmförderungsgesetzes bekundet. Die CDU/CSU hat sich wiederholt zur Qualität des deutschen Films bekannt. Trotzdem bekämpft sie den Entwurf mit dem Argument, die Koalition schaffe ein Kulturgesetz, wofür der Bund nicht zuständig sei. Wie kann man aber glauben, der Qualitätsbegriff könnte beim Film ohne das kulturelle und künstlerische Element auskommen? Es ist eine nicht zulässige Vereinfachung, ein kulturfreundliches Gesetz mit einem Kulturgesetz etwa gleichzustellen. Ich habe mit Aufmerksamkeit gehört, Herr Kollege Waigel, daß im Grundsatz auch Sie diese Meinung vertreten. Wir dürfen kein Kulturgesetz machen, und das wollen wir auch nicht.
Aber uno actu, einige Sätze weiter gewissermaßen, haben Sie sich über bestimmte kulturelle oder Qualitätskriterien in anderen Filmen aufgeregt, die wir alle beide nicht wollen. Aber damit haben Sie uno actu auch eine Wertung über einen Film abgegeben, die einen kulturellen Aspekt zum Inhalt gehabt hat. Das ist nicht korrekt, Herr Waigel.
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Ich hatte Ihnen gesagt, daß wir den Antrag auf Drucksache 8/2841 ablehnen werden. Ich brauche deshalb nicht mehr ausführlich auf diesen Antrag einzugehen. Er ist schließlich in den entsprechenden Gremien debattiert worden.
Wir können vor allem nicht mitmachen, daß eine absolute Abgabe im Gegensatz zur prozentualen Abgabe erhoben werden soll. Diese Wahlmöglichkeit würde dazu führen, daß vor allem die absolute Abgabe gewählt würde. Das würde wiederum dazu führen, daß am Ende der Laufzeit dieses Gesetzes die Filmförderungsanstalt nur noch zwei Drittel von dem Volumen zur Verfügung hat, das sie eigentlich zur Verfügung haben sollte.
Noch drei Bemerkungen zum Schluß. Erstens. Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Filmförderung auf Grund des Gesetzes hatte Erfolg. Seit der letzten Novelle hat sich die Zahl der Prädikatisierungen gegenüber früheren Jahren ungefähr verdreifacht. Das Echo auf den deutschen Film im In- und Ausland ist wesentlich positiver geworden. Auch das gute Abschneiden unseres Films auf internationalen Wettbewerben ist bekannt.
Meine zweite Bemerkung. Selbstverständlich ist dies ein Selbsthilfegesetz. Wir nehmen bestimmten Schichten im Filmbereich etwas weg und geben es den schwächeren. Das führt - das gebe ich zu - zu einer gewissen Nivellierungstendenz. Aber diese Nivellierung ist gewollt und Absicht. Alle Wirtschaftsgesetze, die wir sonst kennen, haben diese Eigenschaft, um den Schwächeren ein wenig zu
helfen. Alles andere wäre meines Erachtens auch absurd.
Eine letzte Bemerkung. Herr Wohlrabe will ja wohl gleich noch eine persönliche Erklärung abgeben. Ich kenne kein Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren - und ich bin schon sechs Jahre hier im Parlament -, das so unter massiven Druck der Verbände geraten ist wie dieses recht harmlose Filmförderungsgesetz; und das ist sehr bedauerlich.
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Da droht die Spio z. B. mit der Verweigerung der Mitarbeit im Verwaltungsrat.
Herr Abgeordneter Dr. Jens, ich muß Sie bitten, nun abzuschließen.
Ich komme zum Schluß. - Da droht der Kinobesitzerverband, die Abgabe überhaupt nicht weiterzugeben. Meine Damen und Herren, es geht hier auch um die Frage, ob dieses Parlament entscheidet oder ob die Verbände entscheiden.
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Es geht um die Frage von Theodor Eschenburg: Leben wir in einem Staat der Herrschaft der Verbände? Lassen Sie uns dem Druck dieser Verbände widerstehen! Es geht bei diesem Gesetz auch ein wenig um das Selbstverständnis unserer parlamentarischen Demokratie.
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Das Wort für eine ganz kurze Erklärung hat noch Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Beitrag sollte ursprünglich ein Beitrag zur dritten Lesung sein, aber eine Aussprache in dritter Lesung wird wohl heute nicht stattfinden. Haben Sie keine Sorge, daß ich Ihre Geduld allzusehr in Anspruch nehme, aber einige wenige Dinge müssen ergänzt, klargestellt und wohl auch noch gesagt werden. Dabei sage ich von vornherein, in welcher Eigenschaft ich dies tue, nämlich einmal natürlich als Mitglied dieser gesetzgebenden Versammlung, aber zum anderen auch als ein aus dieser gesetzgebenden Versammlung in die Filmförderungsanstalt hineindelegierter Abgeordneter. Die Abgeordneten sind in dieser Anstalt tätig mit Vertretern der Regierung, des Bundesrates und der öffentlichen Hand. Bisher hat noch niemand in der Öffentlichkeit, auch kein Journalist, die nutzvolle und vernünftige Tätigkeit dieser Vertreter der öffentlichen Hand in der Anstalt bestritten.
ich würde ganz gern darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß wir uns im Jahre 1967 hier in diesem Hause zwischen allen Fraktionen bei der Verabschiedung des ersten Filmförderungsgesetzes auf einen Entschließungsantrag einigen konnten. Wir haben damals als Ziele gleichrangig nebeneinandergestellt die Wirtschaftsförderung und die Qualitätssteigerung. Wir haben die Bundesregie12182
Dr. Meinecke ({0})
rung aufgefordert, mit den Ländern Kontakt aufzunehmen und ihrerseits die kulturelle Förderung zu steigern, sie intensiver zu betreiben als bisher. Dies ist bei den meisten Ländern nicht geschehen; man muß aber positiv anmerken, daß das Land Berlin und der Freistaat Bayern zu den Finanzmitteln dieser Anstalt beitragen. Sie betreiben zwar damit in ihrem eigenen Gebiet, in ihrer eigenen Region Filmförderung, aber die Anstalt steht dadurch auf sichereren Beinen. Mein erster Wunsch ist also, daß die übrigen Bundesländer nun einmal in Erwägung ziehen, sich in einer gewissen Weise daran zu beteiligen.
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Das zweite: Sie finden in § 2 des Gesetzes den umfangreichen Katalog der Aufgaben der Anstalt. Dazu gehört auch die Förderung des europäischen Films. Bei der Diskussion um die europäische Situation ist zu kurz gekommen, daß sich die großen Filmländer Europas, die einen erheblich höheren Marktanteil haben als wir, nach Art. 4 des GATT-Verfahrens noch der Screen-Regelung bedienen. Das heißt, sie kommandieren ihren Filmtheatern, ihren Fernseh- und Rundfunkanstalten einen gewissen prozentualen Anteil der eigenen Produktion. Dies tun wir nicht. Und dies ist an die Europäische Kommission gerichtet: Bevor man unser Gesetz kritisiert, soll man dafür sorgen, daß die Screen-Regelungen in Europa aufhören.
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Das dritte: Es ist mit Recht von der recht merkwürdigen Semantik gesprochen worden, in der sich die Diskussion abgespielt hat, von den Versuchen einer gewissen Erpressung; auch gewisse semantische Entgleisungen haben heute eine kleine Rolle gespielt. Mit einem wohlwollenden und einem weniger wohlwollenden Auge betrachten wir die Reflexion dieser Diskussion in der deutschen Presse. Ich will Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier, und insbesonere denjenigen, die sich urn dieses Gesetz, welches ein schwieriges Gesetz ist, sehr viel Mühe gegeben haben, nicht den Kommentar einer mir sonst sehr lieben Zeitung aus dem Frankfurter Raum vorenthalten, die da sagt: „Die Geschichte der Filmförderung in der Bundesrepublik und vornehmlich ihre parlamentarische Beratung ist ein Treppenwitz, ein grausiger, ein irrwitziger, ein Debakel ohne Ende" - so geht das dann weiter, und insbesondere die Filmexperten der SPD und der FDP - insofern kommen Sie dabei besser weg - werden schlicht als Vollidioten bezeichnet. Ich kann nur wiederum sagen: Die Teilnahme dieser „Idioten" oder dieser „Nichtkönner" und „Laien" in diesen Anstalten ist bisher von niemandem ernsthaft bestritten worden. Ich möchte allen denen nun auch meinerseits - das darf ich vielleicht im Namen dieser bundesunmittelbaren Anstalt tun - und insbesondere den Damen und Herren aus der Regierung, die sich ein Jahr lang soviel Mühe gegeben haben, danken, und ich möchte an die Vernunft aller Beteiligten appellieren, nun aus dem Gesetz das zu machen, was mit diesem Gesetz beabsichtigt ist.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zur Abgabe einer Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Jens hat den Eindruck zu erwecken versucht, daß ich hier in irgendeiner Weise unzulässig Einfluß nehme, noch dazu mit privatwirtschaftlichem. Charakter, wenn ich einmal so sagen darf, um es sehr vorsichtig zu formulieren. Ich möchte festhalten, daß dieser Eindruck falsch ist.
Ich lege Wert auf die Feststellung, daß seit meinem Eintritt in die Geschäftsführung eines Filmverleihs im vergangenen Jahr bis zum heutigen Tage und, soweit ich die Akten dieser Firma kenne, auch in der Vergangenheit davor diese Firma nicht einen einzigen Pfennig nach den Förderungsmodalitäten des Filmförderungsgesetzes erhalten hat. Wenn Sie sachkundig genug wären, wüßten Sie auch, daß diese Mittel bisher an Produktionen und nicht an Verleihe gehen. Es ist also falsch, wenn Sie in irgendeiner Weise behaupten, daß hier persönliche Vorteile gezogen werden.
Im übrigen empfehle ich Ihnen, einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß es noch lange kein Schaden sein muß, wenn jemand etwas dazu sagt, der sachkundig ist. Das haben wir in anderen Bereichen - von den Bauern bis hin zu den Gewerkschaften - auch.
Diese Art der Diffamierung möchte ich zurückweisen.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung.
Ich rufe die §§ 1 bis 5 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe § 6 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2841 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. - Ich darf unterstellen, daß sämtliche Änderungsanträge bereits durch die Ausführungen der Debattenredner begründet sind. - Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
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Wer § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 7 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Vizepräsident Stücklen
Ich rufe § 8 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2841 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die §§ 9 bis 21 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe § 22 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/2841 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer § 22 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 22 ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 23 auf. Hierzu liegt auf der gleichen Drucksache unter Ziffer 4 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 23 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die §§ 24 bis 26 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 28 auf. Hier liegt, wiederum auf der gleichen Drucksache, unter Ziffer 5 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 28 in der Ausschußfassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die §§ 29 bis 56 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe § 57 auf. Hier liegt auf Drucksache 8/2841 unter Ziffer 6 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 57 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe die §§ 58, 60 bis 67 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe § 68 auf. Hierzu liegen auf Drucksache 8/2841 unter den Ziffern 7 bis 9 drei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Der Änderungsantrag zu Abs. 1 ist überholt, da die Vorschrift mit gleichem Wortlaut vom Ausschuß so vorgelegt und beschlossen worden ist. Wer den beiden verbleibenden Änderungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU noch zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 68 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe die §§ 69 bis 79, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? ({1})
Dieses Gesetz ist mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, es liegen zwei weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2792 unter b), die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. - Das Haus ist damit einverstanden; das ist so beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt außerdem auf Drucksache 8/2792 unter c) die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist diese Entschließung angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Plenarsitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Mai 1979, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.