Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine
Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. März 1979 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über die Änderung des Ehenamens ({0})
Siebentes Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern ({1})
Gesetz zu den Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Arabischen Republik Ägypten, dem Haschemitischen Königreich Jordanien, der Arabischen Republik Syrien und der Libanesischen Republik
Gesetz zu dem Abkommen vom 6. Mai 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 30. April 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Kuwait über den Fluglinienverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 2. August 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
Der Bundesrat hat in derselben Sitzung beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird.
Sein Schreiben ist als Drucksache 8/2644 verteilt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/2637 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Eymer auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß der von ihr vorgelegte Erfahrungsbericht zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz in seinem Aussagewert dadurch erheblich eingeschränkt ist, daß er das außergerichtlidie Verhalten von Vermietern und Mietern als Erkenntnisgrundlage wenig berücksichtigt?
Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht. Der Bericht stützt sich überwiegend auf Erkenntnisse über das außergerichtliche Verhalten von Mietern und Vermietern. Hierzu sind zur Vorbereitung des Berichts umfangreiche Untersuchungen mehrerer Forschungsinstitute durchgeführt worden. Der Bericht, der in Kürze als Bundestagsdrucksache 8/2610 vorliegen und wohl auch vom Parlament behandelt werden wird, gibt die Ergebnisse dieser Untersuchungen im einzelnen wieder. Ich darf hierauf Bezug nehmen.
Eine
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Wie ist die, im Bericht zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz ausgesprochene Aufforderung an die Rechtsprechung zu verstehen, sie solle das Miethöhengesetz in einer Weise auslegen, die das Interesse des ja manchmal wenig rechtskundigen Vermieters im Ergebnis besser als bisher berücksichtigt?
Ich darf darauf verweisen, daß die Bundestagsdrucksache noch nicht vorliegt und dazu erst Stellung genommen werden sollte, wenn das der Fall ist. Wir sollten die Debatte nicht vorwegnehmen.
Im übrigen ist es nicht gut, auf einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Punkte Bezug zu nehmen. Ich kann nur sagen - vereinfacht ausgedrückt -, daß der Bericht zu dem Ergebnis kommt: Das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz hat sich bewährt.
Bitte, Herr Kollege.
Glaubte die Bundesregierung, die vom Bundesbauministerium bereits in der „Süddeutschen Zeitung" vom 26. Februar 1978 angekündigte Vorlage von Vorschlägen zur Änderung des Miethöhengesetzes durch Appelle an die Rechtsprechung ersetzen zu können, und wie beurteilt sie dieses Vorgehen aus verfassungsrechtlicher Sicht?
Ich verweise auf das, was ich eben als Antwort auf die erste
Frage erwähnt habe, und füge ergänzend hinzu - das ist etwas sehr vereinfacht und gestanzt ausgedrückt -: Das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz hat sich nicht nur bewährt, es gibt auch keinen Anlaß zu Änderungen - cum grano salis.
Herr
Abgeordneter Möller.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung veranlaßt, in ihren Bericht wiederholt Formulierungen aufzunehmen - ich zitiere jetzt einige -, nach denen die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis dazu weiter beobachtet werden müßten, obwohl davon in dem vorher veröffentlichten Entwurf des Justizministeriums an keiner Stelle die Rede gewesen ist?
Der Entwurf hat verschiedene Stadien durchgemacht. Es gibt keinen Anlaß, die jeweiligen Entwürfe zu veröffentlichten. Wesentlich ist allein das endgültige Ergebnis. Es lautet - um es noch einmal zu betonen: in sehr vereinfachter Form ausgedrückt -, daß sich das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz bewährt hat. Grund zur Änderung dieser Vorschriften besteht nicht.
Selbstredend wird das Bundesministerium der Justiz die Rechtsprechung zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz sehr sorgfältig beobachten, wie es das bei allen anderen Gesetzesbestimmungen, die geändert worden sind, auch getan hat und weiterhin tun wird.
Vizepräsident Dr. Schmidt-Vockenhausen Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Eymer auf:
Warum hat die Bundesregierung in dem Bericht nicht die Erfahrungen der Anwaltschaft einbezogen, insbesondere die vielfach vorgebrachte Feststellung, es gebe kein vergleichbares Reditsgebiet, auf dem die Anwälte mit einem derart hohen Prozentsatz von einer beabsichtigten Klageerhebung abraten müssen?
Herr Kollge, die Bundesregierung hat die ihr bekanntgewordenen Erfahrungen aus der Anwaltschaft in ihrem Bericht über die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes berücksichtigt. Allerdings hat der DAV von der erbetenen Stellungnahme abgesehen. Es standen daher nur Erfahrungsberichte einzelner Rechtsanwälte zur Verfügung.
Soweit Sie die Klageerhebung durch Vermieter ansprechen, darf ich zunächst bemerken, daß die für den Bericht durchgeführte Gerichtsaktenauswertung eine hohe Erfolgsquote der Vermieter bei Räumungs- und Mieterhöhungsklagen ergeben hat. Ich will auf der anderen Seite freilich nicht ausschließen, daß die Rechtsanwälte auch in Mietsachen relativ häufig von der Erhebung einer Klage abraten. Ob das hier häufiger geschieht als auf anderen Rechtsgebieten, läßt sich an Hand des vorliegenden Materials nicht feststellen.
Eine
Zusatzfrage, Herr Kollege Link.
Herr Staatssekretär, was hat den Justizminister bewogen, den Entwurf des Berichtes zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz zu publizieren, obwohl ihm Widerstände und entgegengesetzte Auffassungen aus dem Wirtschaftsministerium bekannt waren?
Ich kann mich nicht erinnern, daß der Entwurf als solcher publiziert und jedermann frei zugänglich gemacht worden wäre. Aber es ist kein Grund vorhanden, zu verschweigen, daß es gegensätzliche Meinungen gab, die dann ausgetragen werden mußten. Diese sind beigelegt worden. Die Bundesregierung hat sich geeinigt. Die Drucksache, von der ich sprach, wird Ihnen demnächst zur Verfügung stehen.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kolb.
Herr Staatssekretär, welche Rolle hat der Bundesbauminister bei der Ausarbeitung dieses Berichts gespielt? Hat er seine Zuständigkeiten hier nicht berührt gesehen?
Herr
Kollege, ich kann keinen Zusammenhang mit der hier eingereichten Frage sehen. Ich bedaure, daß ich die Frage in dieser Form nicht zulassen kann.
Vielleicht darf ich, Herr Präsident, gleichwohl antworten.
Herr
Kollege, wenn Sie den Hintergrund erläutern können, ist mir das recht. Ich muß aber nach der Geschäftsordnung ausdrücklich darauf aufmerksam machen, damit daraus keine Rechte hergeleitet werden können.
Hier ist streng nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung verfahren worden. So ist der Bericht zustande gekommen:, nämlich unter Federführung des Bundesministers der Justiz. Da das Bundesbauministerium gehört werden muß, ist dem ausdrücklich und ausführlich Rechnung getragen worden.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Möller.
Herr Staatssekretär, ist denn der Entwurf des Bundesjustizministeriums ohne Kenntnis des Ministeriums bzw. des Ministers und des Parlamentarischen Staatssekretärs an die Öffentlichkeit gelangt?
Herr
Kollege, an sich ist das eine Zusatzfrage zu der ersten Frage. Darüber werden Sie sich auch klar
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
sein. Wenn der Herr Staatssekretär die Frage beantworten will, bitte.
Ich denke, die Frage ist beantwortet.
Der
Herr Kollege Coppik hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 121 und 122 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Anworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Böhme zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Jobst auf:
Hält es die Bundesregierung für angezeigt, daß angesichts der jüngsten Benzinpreissteigerungen und der damit verbundenen Mehrkosten vor allem für die Autofahrer, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, die Kilometerpauschale von 36 Pfennig wieder auf 50 Pfennig erhöht wird?
Zu Ihrer denselben Sachverhalt betreffenden Frage in der Fragestunde am 7. Dezember 1977 hat die Bundesregierung bereits erklärt, daß haushaltsmäßige und verkehrspolitische Erwägungen einer Erhöhung des Kilometer-Pauschbetrags entgegenstehen. An dieser Erklärung hält die Bundesregierung weiterhin fest.
Es kann auch nicht erwogen werden, etwa eine Sonderregelung nur für solche Arbeitnehmer einzuführen, die auf die Benutzung ihres eigenen Kraftfahrzeugs zum Erreichen des Arbeitsplatzes angewiesen sind. Feststellungen, ob die Benutzung des Fahrzeugs tatsächlich zwangsläufig ist, sind schon aus Verwaltungsgründen nicht möglich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie dennoch: Hätte die Senkung der Kilometerpauschale im Jahre 1967 von 50 auf 36 Pfennig auf Grund der allgemeinen Kostensteigerung nicht schon längst rückgängig gemacht werden müssen, und hätte nicht inzwischen auch das Versprechen des . damaligen innerdeutschen Ministers Wehner eingelöst werden müssen, daß eine der ersten Maßnahmen nach 1969 die Anhebung der Kilometerpauschale wäre?
Ich will nicht im einzelnen auf die Unterstellungen, die in Ihrer Frage enthalten sind, eingehen. Ich wiederhole, was ich Ihnen geantwortet habe, nämlich daß vor allem haushaltsmäßige Gründe dem entgegenstehen. Eine Erhöhung auf 50 Pfennig würde etwa 1 Milliarde
DM jährlich an zusätzlichen Steuermindereinnahmen bedeuten. Bei einer Erhöhung auf 64 Pfennig würde sich die Steuermindereinnahme auf 1,85 Milliarden DM steigern, und bei einer Verdoppelung auf 72 Pfennig würde sie 2,8 Milliarden DM jährlich erreichen. Dies sind Beträge, die jetzt im Hinblick auf die sowohl zum 1. Januar 1978 als auch zum 1. Januar 1979 und dann noch zum 1. Januar 1980 beschlossenen Steuerentlastungen nicht vertretbar sind.
Sie haben noch eine Zusatzfrage. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie konzentriert fragten.
Herr Staatssekretär, nachdem von der neuerlichen Benzinpreiserhöhung gerade die Kraftfahrer in den ländlichen Regionen und besonders auch im. Zonenrandgebiet betroffen sind, frage ich Sie, ob Sie es für angezeigt halten, daß für diesen Personenkreis die Mehrbelastung durch die Anhebung der Kilometerpauschale ausgeglichen wird.
Ich sagte Ihnen vorhin bereits - sosehr ich Ihre Frage verstehe -, daß Sonderregelungen für Arbeitnehmer, die besonders auf die Benutzung ihres eigenen Kraftfahrzeuges angewiesen sind, z. B. in Flächenstaaten, aus verwaltungsmäßigen Gründen nicht möglich sind. Die Komplizierung wäre so erheblich, daß dies von den Finanzämtern nicht bewerkstelligt werden könnte, Feststellungen darüber, ob die Benutzung des Fahrzeuges tatsächlich auch zwangsläufig ist, sind, wie gesagt, aus Verwaltungsgründen nicht möglich.
Herr
Kollege Bötsch, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung voraussichtlich ihre Haltung auch dann unverändert beibehalten, wenn im Zuge der Überlegungen zur Vereinfachung der Kfz-Steuer zumindest ein höherer Mineralölsteueranteil vorgesehen werden sollte, wenn nicht gar die gesamte Kfz-Steuer über die Mineralölsteuer erhoben würde?
Herr Kollege, für den Fall, daß die Kfz-Steuer abgeschafft werden sollte, worüber das Bundesfinanzministerium vor Weihnachten ein Hearing veranstaltet hat, welches zur Zeit ausgewertet wird, ist die Frage einer Anhebung der Kilometerpauschale ein ganz wichtiger Teil der Überlegungen.
Herr
Kollege Kolb, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß die Steuerausfälle für die Bundesregierung zu hoch seien. Wie stellen Sie sich aber dazu, daß Sie durch eine Benzinpreiserhöhung von
einem Pfennig über die Mehrwertsteuer eine Mehreinnahme von 64 Millionen DM haben?
Herr Kollege, die Tatsache, daß über eine Mehrwertsteuererhöhung auch der Staat partipiziert, ist die eine Sache. Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß gerade im Kfz-Bereich beispielsweise die Kfz-Steuer in ihrer Höhe seit 1957 völlig unverändert blieb, so daß ich hier, wenn ich an die Kostensteigerung insgesamt denke, auch umgekehrt feststellen muß, daß die Belastung hinsichtlich der Kfz-Steuer gleichgeblieben ist und an den allgemeinen Kostensteigerungen nicht teilgenommen hat. Im Gegenteil ist prozentual eine Verminderung in der Kfz-Steuerbelastung insgesamt dadurch eingetreten, daß die Kfz-Steuer seit 1957 unverändert blieb.
Herr
Kollege Jäger, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie kommen Sie zu Ihrer Aussage, daß die Verbesserung der Pauschale für Arbeitnehmer, die keine Möglichkeit der Benutzung eines Verkehrsmittels des öffentlichen Nahverkehrs haben, zu ungeheuerem Verwaltungsaufwand führt, wo doch die Verbindung von Wohnplätzen und Orten durch öffentliche Verkehrsmittel ohne jede Schwierigkeit für jeden Finanzamtsbereich leicht feststellbar wäre und damit auch für den einzelnen Steuerfall ohne Mühe berücksichtigt werden könnte?
Herr Kollege,
wir haben diese Frage natürlich zusammen mit den Ländern geprüft, und die einheitliche Antwort darauf war, daß derartige Sonderregelungen, wie Sie sie soeben ansprachen, zu starkem Verwaltungsaufwand führen würden, so daß deswegen eine Sonderregelung hier nicht als möglich erachtet wird.
Ich
danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Staatsanwaltschaft in Hof ({1}) zur Zeit wegen illegaler Textileinfuhren, die aus Drittländern über die DDR im Rahmen des innerdeutschen Warenverkehrs getätigt worden sind, Ermittlungen durchführt, und trifft es nach dem Erkenntnisstand der Bundesregierung insbesondere zu, daß die Hauptgeschäftspartner der hiesigen Importeure der volkseigene Außenhandelsbetrieb der DDR-Textil „Commerz" in Ost-Berlin, Behrenstraße 46, und die „Wiratex Export" in Ost-Berlin, Unter den Linden 62-68, sind?
Ich möchte beide Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl gemeinsam beantworten.
Da der
Fragesteller damit einverstanden ist, rufe ich auch die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) auf:
Wie hoch sind die dem Bund aus diesen illegalen Textileinfuhren entstandenen Zoll- und Steuerausfälle, und was hat die Bundesregierung unternommen bzw. was gedenkt sie zu unternehmen, um künftig den zu Lasten der deutschen Textilindustrie gehenden illegalen Manipulationen im Rahmen des Warenverkehrs zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zu begegnen?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Hof ({0}) wegen illegaler Bezüge von Drittlandtextilien über die DDR im Rahmen des innerdeutschen Handels unterrichtet. Geschäftspartner des hiesigen Beziehers ist in erster Linie der staatliche Außenhandelsbetrieb „Textil Commerz". Inwieweit auch der Außenhandelsbetrieb „Wiratex" beteiligt ist, wird sich im Rahmen der weiteren Abwicklungen ergeben.
Eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche ähnlichen Fälle illegaler Einfuhren bzw. illegaler Bezüge hat es in der Vergangenheit gegeben, und welcher Art waren sie im einzelnen?
Seit 1970 sind der Bundesregierung 19 Fälle illegaler Bezüge von Drittlandware über die DDR mit einem Warenangebot von insgesamt zirka 165 Millionen Verrechnungseinheiten bekanntgeworden. Sie betrafen insbesondere den Textil- und Stahlsektor. In fünf dieser Fälle sind Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Dem Warenwert von 165 Millionen Verrechnungseinheiten stehen Bezüge im innerdeutschen Handel im vergleichbaren Zeitraum, nämlich von 1970 bis 1978, in Höhe von rund 28,5 Milliarden Verrechnungseinheiten gegenüber. Er entspricht damit knapp 0,6 % dieses Gesamtbezugsvolumens.
Herr
Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Verstöße, und wie haben darauf bisher vor allen Dingen auch unsere EG-Partner reagiert?
Ein illegaler Bezug von Waren ausländischen Ursprungs unter Mißbrauch der Zollfreiheit des innerdeutschen Handels stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen wesentliche Grundsätze dieses Handels dar, der seinem Ansehen schadet. Unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft ist die konsequente Haltung der Bundesregierung gegenüber solchen Umgehungsgeschäften bekannt, und sie haben wegen dieser konsequenten Haltung ihre Kritik an diesen Vorgängen bisher entsprechend maßvoll gehalten.
Eine
weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl ({0}).
Herr Staatssekretär, welche Schritte hat die Bundesregierung gegenüber den DDR-Behörden bisher unternommen, und wie haben sich die DDR-Behörden bisher dazu geäußert?
Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen sind durch diese illegalen Geschäfte Zölle und Steuern wahrscheinlich in Millionenhöhe verkürzt worden. Die Treuhandstelle für den Interzonenhandel hat unmittelbar nach Bekanntwerden erster Ermittlungsergebnisse das Ministerium für Außenhandel der DDR mit Nachdruck auf die illegalen Geschäfte hingewiesen und die Erwartung ausgesprochen, daß solche Praktiken strikt unterbunden werden. Darüber hinaus wurden die zuständigen Grenzkontrollstellen angewiesen, den Bezug von Textilien aus der DDR verstärkt zu überwachen. Die Entscheidung über etwaige weitere Konsequenzen hängt vom endgültigen Ermittlungsergebnis ab.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Können Sie wenigstens annähernd die bisherigen Zoll- und Steuerausfälle in D-Mark beziffern?
Das ist leider nicht möglich, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.
Eine
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie zu sagen, ob die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit der DDR diese Ausfälle in Millionenhöhe zur Sprache gebracht und versucht hat, einen Ausgleich zu erzielen?
Es ist gerade angesichts der Bedrohung des innerdeutschen Handels, die von solchen Vorgängen ausgeht, eine Selbstverständlichkeit, daß wir diese Fälle mit den DDR-Behörden mit großem Nachdruck besprechen.
Herr
Abgeordneter Jäger, die letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob der Bundesminister Graf Lambsdorff bei seinen Gesprächen, die er gestern in Leipzig geführt hat, auch diese Frage angesprochen hat - und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis?
Mir liegt ein detaillierter Bericht noch nicht vor, und ich kann deshalb dazu auch noch nicht Stellung nehmen.
Der
Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}) ist nicht
im Saal, so daß die Fragen 6 und 7 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf:
Ist ein interministerieller Staatssekretärausschuß mit der Prüfung befaßt oder befaßt gewesen, ob Währungsreserven der Deutschen Bundesbank für die Finanzierung der Rohstoffsicherung eingesetzt werden sollen, und, wenn ja, ist diese Prüfung bereits abgeschlossen?
Grüner, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, der Staatssekretärsausschuß für Rohstofffragen hat sich mit der Frage des Einsatzes der Währungsreserven der Bundesbank für die Finanzierung der Rohstoffsicherung bereits in früheren Jahren befaßt. Damals ist der Ausschuß nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, daß ein solcher Weg erhebliche Probleme aufwerfen würde. Deshalb wurde dieser Gedanke seinerzeit zurückgestellt. Angesichts der Entwicklungen im Rohstoffbereich wird jedoch in größerem Zusammenhang auch dieser Themenkomplex erneut geprüft werden.
Herr
Abgeordneter, eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß im Augenblick Gespräche über dieses Problem auf der Ebene der Staatssekretäre nicht stattfinden?
Das ist richtig, aber das Gespräch wird in dieser Frage mit der Bundesbank geführt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß es zwischen den Ressorts Meinungsverschiedenheiten über den in meiner Frage angesprochenen Gegenstand gibt?
Ja, es ist selbstverständlich, daß diese Frage kontrovers diskutiert wird, weil vieles dafür und vieles dagegen spricht. Ich würde das allerdings nicht als einen Meinungsstreit zwischen den Ressorts bezeichnen, sondern als einen Meinungsstreit darüber, welche Argumente das Pro und welche Argumente das Kontra stützen.
Eine
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Linde.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Rohstoffsituation im Hinblick auf die Versorgung mit Rohstoffen und des weiteren im Hinblick auf die möglichen Arbeitsplatzgefährdungen? Sind diese so stark, daß hier doch bald Maßnahmen der Bundesregierung ergriffen werden müssen?
Herr
Staatssekretär, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie zu einer Antwort nur im Rahmen des Zusammenhangs mit der Ausgangsfrage gehalten sind. Alles Weitere stelle ich in Ihr Ermessen.
Herr Kollege, daß die Rohstofffragen von außerordentlicher Bedeutung sind, ist durch die Einsetzung dieses Staatssekretärsausschusses unterstrichen worden. Wir werden auf die Herausforderungen, die in diesem Felde liegen, flexibel reagieren müssen.
Herr
Abgeordneter Voss.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß die Deutsche Bundesbank in dem Meinungsstreit, den Sie eben andeuteten, mehr der Meinung Ihres Ressorts zuneigt und daß sie die Ansicht, die vom Finanzressort vertreten wird, aus Gründen, die ihre Unabhängigkeit betreffen, ablehnt?
Es liegt keine abschließende Stellungnahme der Deutschen Bundesbank zu dem Themenkreis in der jetzt laufenden Diskussion vor. Bei den früheren Überlegungen war es eindeutig so, daß die deutsche Bundesbank die Argumente geteilt hat, die gegen eine Inanspruchnahme der Devisenreserve - in welcher Form auch immer - sprachen. Aber ich betone, es sind neue Gespräche im Gange. Die Deutsche Bundesbank wird sich sicher zu diesen Gesprächen äußern und eine Meinung bekanntgeben.
Damit
rufe ich die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung zum gleichen Gegenstand auf:
Hat sich die Bundesregierung gegebenenfalls bereits eine Meinung zu diesem Problem gebildet, und wenn ja, welche?
Herr Kollege, der Meinungsbildungsprozeß, innerhalb der Bundesregierung zu dem Gesamtkomplex der Rohstoffbevorratung und ihrer Finanzierung ist noch nicht abgeschlossen. Es werden in diesem Zusammenhang mehrere Modelle diskutiert. Dabei spielt auch die Frage, ob eine direkte Finanzierung, von Rohstoffreserven aus Devisenbeständen der Bundesbank mit dem geltenden Bundesbankgesetz vereinbar ist, eine Rolle. .
Eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die von mir gestellten beiden Fragen werden hier von dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums beantwortet. Nach meiner Kenntnis ist das Bundesfinanzministerium zuständig. Hat der Umstand, daß Sie die Fragen beantworten, etwas damit zu tun, daß der Bundesfinanzminister eine andere Haltung als der Bundeswirtschaftsminister einnimmt?
Nein, das hat damit sicher nichts zu tun; sonst würde vermutlich der Bundesfinanzminister die Frage hier beantworten, sondern es hat nur damit zu tun, daß eine so gewichtige Frage, die wir ja nur in vollem Einvernehmen mit der Bundesbank lösen können, in der Gesamtverantwortung der Regierung steht. Ich betone noch einmal, daß es hier Argumente dafür und dagegen gibt, daß man sie hier aber nicht vereinfacht auf Ressortunterschiede reduzieren kann.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages über die Ergebnisse umgehend unterrichtet werden, wenn solche vorliegen werden?
Das ist ganz selbstverständlich. Ich gehe heute davon aus, daß, wenn es überhaupt zu einer Finanzierung von Rohstoffreserven aus Devisenbeständen der Deutschen Bundesbank kommen sollte, dies nach meinen derzeitigen Kenntnissen und meinem derzeitigen Informationsstand ohne eine Änderung des Bundesbankgesetzes undenkbar wäre.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, welche Rohstoffgruppen sieht die Bundesregierung als besonders sensibel an?
Das ist
ein Problem besonderer Art. Hier geht es darum, ob sich die Bundesregierung in der Frage eine Auffassung gebildet hat. Ich kann im Augenblick den unmittelbaren Zusammenhang mit der eingebrachten Frage nicht erkennen. Ich werde jetzt den Herren Abgeordneten Dr. Voss und Dr. Linde das Wort zu einer Zusatzfrage geben. Vielleicht können Sie sich unterdessen noch einmal die Frage ansehen; ich würde Sie gern noch einmal aufrufen.
Herr Staatssekretär, hat sich die Bundesregierung oder Ihr Ressort bereits eine Meinung darüber gebildet, wie die Unabhängigkeit der Bundesbank bei der notwendigen Änderung des Bundesbankgesetzes, die Sie eben angedeutet haben, gewahrt bleiben könnte?
Ich kann nur so viel sagen, daß die Unabhängigkeit der Bundesbank die eine Grundvoraussetzung und die volle Übereinstimmung . mit der Bundesbank in dieser Frage die zweite Grundvoraussetzung für eine Lösung dieses Problems darstellt.
Abgeordneter Dr. Linde.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich die Präsidenten der Landeszentralbank in Niedersachsen, Frau Dingwort-Nusseck in einer öffentlichen Veranstaltung vehement gegen den Einsatz der Devisenreserve der Bundesbank als Rohstoffpufferinstrument ausgesprochen hat?
Das ist mir nicht bekannt; aber es gibt viele triftige Gründe gegen einen solchen Einsatz. Sie werden im Rahmen der jetzigen Gespräche diskutiert werden, auch und in erster Linie mit der Bundesbank.
Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die CDU zu diesem alten SPD-Vorschlag im Wirtschaftsausschuß bislang eine ablehnende oder zumindest keine zustimmende Haltung eingenommen hat?
Herr
Kollege, hier wird nach der Auffassung der Bundesregierung gefragt. Ich bitte um Verständnis, daß wir uns an die Bestimmungen für die Fragestunde halten müssen; sonst kommen wir in Schwierigkeiten.
Damit rufe ich die nächste Frage, die Frage 10 des Abgeordneten Wolfram ({0}), auf:
Ist sichergestellt - auch in Anbetracht der Verhandlungen einzelner Bundesländer mit der Volksrepublik China über den Kauf chinesischer Kohle -, daß auch in Zukunft Importkohlen aus Drittländern nur im Rahmen der Mengen des Kohlezollimportkontingentgesetzes in die Bundesrepublik Deutschland kommen, oder beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung?
Zum Schutze der deutschen Kohle beschränkt das bis Ende 1981 geltende Kohlezollkontingentgesetz die Einfuhr von Drittlandkohle insgesamt auf eine Menge von rund fünf Millionen Tonnen per annum. Etwaige Lieferungen von Kohle aus der Volksrepublik China können daher auch nur im Rahmen dieses Importkontingents erfolgen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diese Regelung im Hinblick auf Verhandlungen über den Kauf chinesischer Kohle zu ändern. Für den Zeitraum ab 1982 wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein, ob die energiepolitische Lage der 80er Jahre gewisse Änderungen in der notwendigen Anschlußregelung nötig macht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die These „Priorität der Kohle" konkret heißt: Vorrang der heimischen Kohle auch vor Importkohle, und daß zusätzliche Importmengen auch im Rahmen des Ermessensspielraums des Wirtschaftsministers nicht genehmigt werden können, solange unsere Kohle auf Halde liegt und den Bedarf decken kann?
Herr Kollege, wir haben ja in unserer Fortschreibung des Energieprogramms in diesem Bereich gemeinsam mit dem Bundestag unsere Grundsätze bereits festgelegt. An diesen Meinungsäußerungen halten wir fest.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie auch meine Auffassung, daß die richtige Politik „weg vom Öl" nicht dazu führen darf, daß wir uns bei der Kohle in neue, problematische Importabhängigkeiten begeben?
Das ist sicher ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Selbstverständlich wird aber auch die Diskussion um Importkohle nicht etwa beendet sein.
Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen sie unter diesem Gesichtspunkt die verlustreiche Beteiligung der Ruhrkohle AG an amerikanischen Kohlengruben, die sie jetzt wieder abstoßen will?
Das fällt vielleicht, Herr Kollege, auch in den Bereich des von Herrn Wolfram angesprochenen Risikos, wenn auch in etwas anderer Akzentuierung.
Herr
Staatssekretär, der unmittelbare Zusammenhang mit der eingereichten Frage ist nicht gegeben; aber Sie haben es noch beantwortet.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie sich in jüngster Zeit die Preisdifferenzen für Vergaserkraftstoffe zwischen den konzerngebundenen und den freien Tankstellen entwickelt haben, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Marktanteile der freien Tankstellen in etwa zu sichern?
Der Abstand der Verbraucherpreise für Vergaserkraftstoff zwischen den Tankstellen der Markengesellschaften und den freien konzernungebundenen Tankstellen ist in der letzten Zeit geringer geworden. Nach den letzten Erhebungen des Statistischen Bundesamts betrug er Mitte Februar im Durchschnitt 3 bis 4 Pfennige pro Liter.
Der Grund für diese Entwicklung sind vor allem die gestiegenen Beschaffungskosten auf den internationalen Märkten, insbesondere auf dem Rotterdamer Markt, die auf ihrem Höchststand am 20. Februar 1979 noch um ca. 10 Pfennige je Liter über den durchschnittlichen Tankstellenpreisen in der Bundesrepublik lagen. Seitdem sind die Preisnotierungen in Rotterdam um ca. 8 Pfennige pro Liter gefallen. Außerdem haben die Mineralölgesellschaften mit Preisanhebungen in der Größenordnung von bis zu 2 Pfennigen pro Liter begonnen, so daß auch von dieser Seite die Preisschere kleiner geworden ist.
Die Bundesregierung wird die Entwicklung auch des Marktanteils der Gruppe der unabhängigen Benzinanbieter, die im vorigen Jahre ihren Anteil um 5 % ausweiten konnten, sorgfältig beobachten. Sie sieht gegenwärtig keinen Anlaß für besondere Maßnahmen. Das Bundeskartellamt wird auch weiter darauf hinwirken, daß die freien Tankstellen nicht durch diskriminierende Praktiken bei der Gestaltung der Raffinerieabgabepreise oder auf Grund mißbräuchlicher Handhabung der Endverbraucherpreise durch die Konzerngesellschaften aus dem Markt gedrängt werden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß wir die freien Tankstellen bei der Vergabe von neuen Tankstellen an den Bundesautobahnen in Zukunft stärker berücksichtigen?
Die Bundesregierung unterstützt diese im Wirtschaftsausschuß vorgetragenen Anregungen.
Sie wollten keine weitere Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Dr. Jens. Herr Kollege Wolfram. Bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß zur Zeit auf dem Tankstellenmarkt eine Art Verdrängungswettbewerb zu Lasten der freien und nicht konzerngebundenen mittelständischen Betriebe stattfindet, der unterbunden werden muß?
Herr Kollege, es ist keine Frage, daß ein solcher Verdrängungswettbewerb sich in Krisensituationen wie der jetzigen abspielt. Das war auch die Situation 1973/74. Ich habe ja soeben mit Zahlen belegen können, daß der Abstand zwischen den Preisen der Freien und den Preisen der Konzerngebundenen so ist, daß jedenfalls im Augenblick von uns keine Gefahr für die freien Tankstellen gesehen wird. Das schließt nicht aus, daß uns in der Zukunft solche Entwicklungen bevorstehen können und daß dann das Handeln des Kartellamts vonnöten sein wird,
Herr
Abgeordneter Dr. Jens, ich rufe Ihre nächste Frage auf, die Frage 12:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Benzinpreise der Konzerne in Regionen mit freien Tankstellen nodi immer relativ niedrig sind, und was kann die Bundesregierung tun, um die Preissteigerungen für die Autofahrer zu begrenzen?
Auch unter den gegenwärtigen Marktverhältnissen sind die Benzinpreise der Markengesellschaften in Gebieten mit vielfältiger Angebotsstruktur einschließlich einer starken Repräsentanz konzernungebundener Benzinanbieter - das sind insbesondere die Ballungsgebiete - niedriger als in Randgebieten. Die Preisabstände sind jedoch geringer geworden, da die jüngsten Preisanhebungen nicht linear erfolgten, sondern die niedrigeren Preise stärker angehoben wurden. Der Grund hierfür dürfte in der bestehenden Preisdifferenz zwischen Bedienungs- und Selbstbedienungsstationen sowie in der Tatsache liegen, daß bei einer linearen Preisanhebung in Randgebieten die 1-DM-Schallgrenze überschritten worden wäre.
Die Bundesregierung ist, bestärkt durch die Erfahrungen der Vergangenheit, der Auffassung, daß eine sichere und ausreichende Benzinversorgung der Autofahrer am ehesten durch den Marktpreis gewährleistet wird. Sie hält es daher weder für notwendig noch für zweckmäßig, in die Preisentwicklung für Vergaserkraftstoffe einzugreifen, solange es nicht um eine mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht geht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen denn regionale Märkte bekannt, wo bereits jetzt die Preise der freien Tankstellen für Vergaserkraftstoffe höher liegen als die Preise bei den Markentankstellen?
Das ist mir von regionalen Märkten nicht bekannt.
Wollen Sie eine weitere Zusatzfrage stellen? Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn in diesem Zusammenhang die jüngst vorgenommenen Preiserhöhungen der Mineralölkonzerne, und glauben Sie, daß die jetzt vorgenommenen Preiserhöhungen mit der angekündigten Ölpreiserhöhung der OPEC-Staaten zu vereinbaren sind?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß das rechnerisch nicht der Fall ist. Aber ich muß bei der Betrachtung dieser Vorgänge daran erinnern, daß zu den Zeiten, als die Gesellschaften auf dem deutschen Markt Verluste erlitten, niemand hier bei uns auf die Idee gekommen ist, sie in irgendeiner Weise für diese Verluste zu entschädigen, weil die OPEC-Preise höhere Preise gerechtfertigt hätten. Der Kernpunkt unserer Problematik liegt darin, daß der niedrige Preis für Benzin - wenn man von der Steuerbelastung absieht - auf unseren Märkten damit zusammenhängt, daß wir den Wettbewerb aufrechterhalten konnten. Die hohen Preise auf dem Rotterdamer Markt, die wir heute haben, sind die niedrigeren Preise der Vergangenheit, die diesen scharfen Wettbewerb auf unserem Markt ermöglicht haben. Man kann nicht das eine haben wollen, ohne das andere in Kauf nehmen zu müssen.
({0})
Herr
Abgeordneter Wolfram, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Freien zur Zeit bei den Konzernen und Raffinerien so teuer einkaufen müssen, daß ihnen die benötigte Marge nicht verbleibt, und wie wollen Sie sicherstellen, daß die Freien in bezug auf Mengenbelieferung und Einkaufspreise nicht diskriminiert werden?
Dazu steht uns das Instrumentarium unseres Wettbewerbsrechts zur Verfügung, das wir ja auch in der letzten Krise angewendet haben. Ich betone nur noch einmal, daß wir bei der derzeit gegebenen Situation solche Befürchtungen nicht hegen. Ich schließe das .aber für die Zukunft nicht aus.
Ich rufe die Frage 13 des Herr Abgeordneten Dr. Enders auf:
Sind der Bundesregierung Klagen von Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet bekannt, nach denen Angebote nicht gebührend berücksiditigt werden, die nach der Zonenrandklausel bis zu 5 v. H. über den Angeboten von Bewerbern außerhalb des Zonenrandgebiets liegen, und welche Folgerungen zieht sie gegebenenfalls daraus?
Herr Staatssekretär, haben Sie eventuell vorgesehen, die Fragen 13 und 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders gemeinsam zu beantworten?
Das mache ich gern. Es wird dann etwas langwierig.
Aber dann hätte der Herr Abgeordnete vielleicht eine geschlossene Ubersicht über das gesamte Problem.
Ich rufe also auch die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, auf die Vergabe von Aufträgen dahin gehend einzuwirken, daß die zulässig teureren Angebote von Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet zwingend berücksichtigt werden müssen, gegebenenfalls unter Zahlung der Differenzsumme?
Herr Kollege, zusätzlich zur Einräumung von Mehrpreisen sehen die Richtlinien bereits folgende Bevorzugung vor: Einem Zonenrandbewerber, dessen Angebot selbst unter Anwendung der Mehrpreisstaffel nicht berücksichtigt werden könnte, kann gleichwohl eingeräumt werden, maximal 50 % des Gesamtauftrags zum Preis des wirtschaftlichsten Bieters zuzüglich der genannten Mehrpreise zu übernehmen. Das ist allerdings nur möglich, wenn der Angebotspreis des bevorzugten Bewerbers je nach Angebotssumme nicht höher als 4 bis 8 % über dem Preis des wirtschaftlichsten Bieters liegt.
Hiermit habe ich Ihre Frage 14 beantwortet: Ich bitte um Entschuldigung, daß ich die Reihenfolge der Beantwortung der Fragen verdreht habe.
Die Frage 13 beantworte ich wie folgt: Derartige Klagen sind der Bundesregierung bisher nicht bekannt. Die Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Personen und Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin ({0}) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 11. August 1975 sehen vor, daß dem bevorzugten Bewerber der Zuschlag bei einer gewissen Überschreitung des wirtschaftlichen
Angebots erteilt werden soll. Die zu gewährenden Mehrpreise bewegen sich je nach Höhe der Angebotssumme zwischen 6 und 0,5 %. Die Ausgestaltung dieser Mehrpreisregelung als Soll-Vorschrift bedeutet, daß von ihr nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Sie kommt in ihrer praktischen Auswirkung daher einer Muß-Vorschrift annähernd gleich. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird diese Mehrpreisregelung, die auf eine gebührende Berücksichtigung der Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet abzielt, insgesamt konsequent angewandt.
Herr Kollege Enders.
Herr Staatssekretär, möchten Sie aus meinen Erfahrungen entgegennehmen, daß sehr häufig Klagen aus dem Mittelstand des Zonenrandgebiets über diese Nichtberücksichtigung vorgetragen werden.
Das nehme ich gern entgegen mit der Anregung, daß solche Klagen konkretisiert auch uns zur Kenntnis gebracht werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Enders.
Herr Staatssekretär, welche Anreize sind nun gegeben, bei der Vergabe von Aufträgen die Betriebe aus dem Zonenrandgebiet zu berücksichtigen, wenn es sich um eine Soll-Vorschrift und nicht um eine zwingende Vorschrift handelt?
Herr Kollege, ich habe ausgeführt, daß diese Soll-Vorschrift praktisch zwingend ist. Der Bewerber solcher Aufträge kann sich mit Nachdruck auf sie berufen, und die Auftraggeber sind gehalten, sich daran zu halten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht denn die Gewähr, dad jemand auch bereit ist, die erhöhten Angebote zu bezahlen?
Diese Gewähr besteht beim öffentlichen Auftraggeber, weil er durch diese Regelungen zu einer solchen Handhabung verpflichtet wird.
Herr Kollege, Sie wollen keine weitere Zusatzfrage stellen? - Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie haben von einer fast zwingenden Vorschrift gesprochen. Meine Frage ist: Welche Art von Erfolgskontrolle wendet Ihr Haus an, um dafür zu sorgen, daß diese Vorschrift eingehalten wird?
Wir können, Herr Kollege, eine solche Erfolgskontrolle nicht anwenden, außer in unserem eigenen Vergabebereich im Rahmen der Bundesregierung. Aber das ist ja nicht das Entscheidende. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, daß uns Fälle vorgetragen werden, wo von diesen Regeln abgewichen wird, damit wir sie entsprechend verfolgen können.
Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, in Ergänzung dazu folgendes. Würden Sie als zuständiges Ministerium veranlassen, daß alle Dienststellen des Bundes darauf aufmerksam gemacht werden, daß diese Richtlinien bestehen und daß Ihr Haus wünscht, daß die Anbieter aus dem Zonenrandgebiet entsprechend Berücksichtigung finden?
Eine solche Bekanntmachung hat stattgefunden, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß die Fragestunde mit dazu beiträgt, die Öffentlichkeit noch einmal an diese Angelegenheit in der gebührenden Weise zu erinnern.
Der Herr Abgeordnete Spöri hat um schriftliche Beantwortung der Frage 15 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die nächste Frage, die Frage 16, ist von dem Herrn Abgeordneten Gansel eingereicht:
Wie ist die Erklärung des Vertreters der Bundesregierung auf der Tagung der Internationalen Energieagentur am 2. März 1979 zu verstehen, für Bonn stehe bei der Verwirklichung des ({0})Sparzieles die Preispolitik im Vordergrund, und wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtige Preispolitik der Mineralölkonzerne?
Die Entschließung des Verwaltungsrats der Internationalen Energieagentur beläßt den Mitgliedstaaten die Freiheit, mit welchen Mitteln sie das Einsparziel von 2 Millionen barrel per day - das entspricht 5 °/o des für die gesamte IEA 1979 erwarteten Verbrauchs - erreichen wollen. Als geeignete Maßnahmen werden genannt: verstärkte Energieeinsparung, Ausnutzung der Möglichkeiten der Substitution von 01 durch andere Energieträger, möglichst starke Nutzung der heimischen Energieproduktion, nationale Preispolitik, , flexible Vorratspolitik, Verstärkung der langfristigen Politik- des ,,Weg vom Öl".
Die Bundesregierung geht davon aus, daß es möglich ist, die Einschränkung des Ölverbrauchs in erster Linie über den Preis und ohne administrative Maßnahmen zu erreichen. Dank unserer flexiblen Marktpolitik haben wir den Engpaß bei der Ölversorgung bisher gut überstanden.
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche auf eine Frage des Herrn Kollegen Enders zur Preispolitik der Mineralölkonzerne vor allem beim Heizöl - beim Benzin sind die Preise nach mehrmonatiger Stabilität von einzelnen Gesellschaften angehoben worden, ohne daß bereits ein abschließendes Urteil möglich wäre - Stellung genommen und dabei auf den starken Einfluß der Entwicklung auf den internationalen Märkten, insbesondere dem Rotterdamer Markt, auf unser Preisniveau hingewiesen. Im Ergebnis war trotz eines relativ hohen Einfuhranteils von ca. 40 % der durchschnittliche Preisanstieg in der Bundesrepublik wesentlich geringer als in Rotterdam, weil die inländischen Raffineriegesellschaften bzw. der durch sie versorgte Handel einen Mischpreis zwischen teurer Importware und der eigenen Erzeugung gebildet haben. In der Zwischenzeit sind die Notierungen in Rotterdam deutlich zurückgegangen, und auch die Heizölpreise in der Bundesrepublik haben ihren Höchststand überschritten.
Herr Abgeordneter, haben Sie eine Zusatzfrage?
({0})
Bitte, Herr Abgeordneter Wolfram zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß die aus Ihrem Hause bekanntgewordene These - möglichst hohe Energiepreise, damit gespart wird - falsch und wenig hilfreich ist und Energieproduzenten und -händler ermuntert werden, stärker als nötig zuzulangen?
Herr Kollege, eine solche Äußerung aus unserem Hause gibt es nicht, sondern wir haben - wie immer - den Standpunkt vertreten, daß eine der wirkungsvollsten Maßnahmen zur Energieeinsparung die sogenannte pretiale Lenkung darstellt. Das ist natürlich keine Aufforderung an die Mineralölkonzerne, etwa zuzugreifen.
Die hier dargelegten Beispiele machen deutlich, daß das Preisniveau bei uns in der Bundesrepublik lange nicht die Höhe erreicht hat, die auf den freien Märkten in Rotterdam zu verzeichnen war. Von daher kann man durchaus sagen, daß sich die Preisentwicklung hier bei uns in der Bundesrepublik angesichts der internationalen Lage in einem Rahmen gehalten hat, der aus der Sicht der Bundesregierung - jedenfalls gegenwärtig - keinen Anlaß zu Beanstandungen gibt.
Ich rufe Frage 17 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Welche der nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz erforderlichen Genehmigungen sind der bundeseigenen Fritz-Werner-IndustrieAusrüstungs-GmbH für die Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr einer sowjetischen Panzerabwehrrakete erteilt worden, und wie beurteilt die Bundesregierung die Geschäftspolitik des Unternehmens bei Kriegswaffenexport und Produktion im Ausland?
Herr Kollege, wie die Geschäftsführung des Unternehmens versichert, hat eine Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr einer sowjetischen Rakete nicht stattgefunden. Es handelt sich vielmehr um folgenden Sachverhalt.
Die Firma Fritz Werner, Geisenheim, hat unter anderem von der iranischen Regierung einen Auftrag
erhalten, im Iran Labors zur Untersuchung und Entwicklung von Raketen zu planen und die entsprechenden Einrichtungen zu liefern und dabei auch eine im Besitz der Iraner befindliche sowjetische Boden-Luft-Rakete in das Projekt mit einzubeziehen. Um die notwendigen technischen Untersuchungen über die Möglichkeit eines Nachbaus der Rakete durchführen zu können, hat das Unternehmen Einzelteile der Rakete aus dem Iran in das Bundesgebiet importiert.
Bei diesen Teilen handelte es sich nach Angabe der Geschäftsführung - anders, als dies in dem „Stern"-Artikel dargestellt worden ist - nicht um den vollständigen Treibsatz, den Sprengkopf und den Infrarot-Suchkopf der Rakete, sondern jeweils nur um Einzelteile dieser Komponenten. Hiernach hat die Firma mit dem Import dieser Teile nicht gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, da sie für die Einfuhr dieser Teile keiner Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz bedurfte. Teile von Kriegswaffen sind nach diesem Gesetz nur dann genehmigungsbedürftig, wenn sie nach der abschließenden Aufzählung der Kriegswaffenliste ihrerseits als Kriegswaffen eingestuft sind und wenn es sich hierbei um komplette Bestandteile handelt. Auf Teile von Gefechtsköpfen, Zielsuchköpfen, Treibsätzen oder auf Teile anderer Komponenten treffen diese Voraussetzungen nicht zu.
Mit den importierten Teilen hat das Unternehmen im Bundesgebiet weder eine fertige Rakete des Typs SAM noch einen Prototyp hierfür hergestellt. Eine genehmigungsbedürftige Herstellung im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes ist danach gleichfalls nicht feststellbar.
Exportiert wurden von der Firma im Zusammenhang mit der SAM-Rakete nach ihren Angaben lediglich maschinelle und apparatebautechnische Ausrüstungen für Fabrikationsanlagen. Für diese Anlagen, die den Firmenangaben zufolge allgemein zur Herstellung von Raketen und Munition und nicht speziell zum Nachbau der SAM-Rakete dienen sollten, hat das Unternehmen die erforderliche Ausfuhrgenehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz beantragt. Diese Genehmigung ist vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft am 7. September 1978 erteilt worden.
Was Ihre Frage nach der Bewertung der Geschäftspolitik betrifft, möchte ich auf folgendes hinweisen. Die Firma Fritz Werner, Geisenheim, betreibt das Geschäft zur Errichtung kompletter Anlagen für die Fertigung von Munition und Waffen und die damit insbesondere verbundene Lieferung von Werkzeugmaschinen seit mehreren Jahrzehnten. Die Geschäftsführung kennt die im Zusammenhang mit Rüstungsexporten zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz genau. Den Genehmigungsbehörden liegen keine Informationen darüber vor, daß die Firma bisher gegen die einschlägigen Gesetzesbestimungen im Zusammenhang mit dem Rüstungsexport verstoßen hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie die von Art. 26 des Grundgesetzes geforderte Kontrolle der Produktion und des Exports von Kriegswaffen - dem dient ja das Kriegswaffenkontrollgesetz - dadurch ad absurdum geführt haben,. daß Sie hier die Auffassung vertreten haben - ich übertrage das jetzt einmal -, eine Pistole, zu der keine Munition geliefert werde und bei der das Visier nicht mitgeliefert werde, sei keine Waffe?
Herr
Kollege, Ihre Bewertung nehme ich nicht in die Frage auf. - Bitte.
Ich kann diesen Vergleich nicht als stichhaltig ansehen, Herr Kollege. Ich darf vielmehr auf meine Antwort hinweisen, in der die im Kriegswaffenkontrollgesetz vorgenommenen Einschränkungen dargelegt sind, nach denen das zuständige Amt, das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, zu verfahren hat. Wenn hier strengere Maßstäbe angelegt werden sollen - das ist politisch durchaus zu diskutieren -, muß das Kriegswaffenkontrollgesetz entsprechend geändert werden.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie die Hinweise des Waffenhändlers Mertins im „Spiegel" dementieren, daß dieses Bundesunternehmen auch Munitionsanlagen nach Burma und Algerien exportiert hat? - Herr Präsident, zweite Hälfte meiner Frage.
Sie haben das richtig erkannt; diese lasse ich zu.
Herr Kollege, ich kann zwar zu dieser Frage mangels Informationsunterlagen im Augenblick nicht Stellung nehmen, aber ich werde Sie gern schriftlich darüber informieren.
Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen - darauf würden dann ja wohl andere Kriterien zutreffen -, daß im Zusammenhang mit der sowjetischen Panzerabwehrrakete die gleiche Firma die Panzerabwehrrakete „Kobra" exportiert hat?
Ich kann auch zu dieser Frage im Augenblick nicht Stellung nehmen. Ich möchte nur hinzufügen, daß selbstverständlich dann, wenn der Export von Produktionsanlagen zur Fabrikation von Waffen auf Grund der hier im Bundestag verabschiedeten Gesetze von uns genehmigt wird, alle die Fragen auftauchen, die hier gestellt werden, und daß sie nicht etwa eine Besonderheit im Hinblick auf den Iran darstellen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort, die Sie dem Kollegen Gansel gegeben haben, dahin gehend interpretieren, daß 'ein Panzer dann, wenn es technisch möglich ist, ihn in Einzelteile zu zerlegen und ihn so über die Grenze zu transportieren, nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt, auch wenn man weiß, daß man nach dem Zusammensetzen der Einzelteile wieder einen Panzer erhält?
Frau Kollegin, Sie werden verstehen, daß ich die Frage so nicht zulasse.
Ich rufe somit Ihre Frage, die Frage 18 auf:
Sind den Vertretern des Aufsichtsrats der DIAG, zu der die Fritz-Werner-Industrie-Ausrüstungs-GmbH gehört, Einzelheiten über die Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr einer sowjetischen Panzerabwehrrakete bekanntgegeben worden?
Frau Kollegin, die Mitglieder des Aufsichtsrates wurden von der Geschäftsführung nicht darüber unterrichtet, daß bei Fritz Werner, Geisenheim, auf Wunsch eines Kunden Teile einer bei diesem Kunden vorhandenen sowjetischen Rakete untersucht wurden. Der Umfang des hier in Frage stehenden Auftrags löst keine besondere Berichtspflicht aus.
Eine Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr von sowjetischen Raketen hat nicht stattgefunden. Es wurden lediglich Einzelteile eingeführt. Nach den Angaben der Unternehmensführung handelt es sich ausschließlich um solche Teile, die, wie eine Prüfung in unserem Hause ergeben hat, keinen Kriegswaffencharakter haben. Auch die technische Auswertung dieser Teile war kein Vorgang, der nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz genehmigungsbedürftig gewesen wäre.
Für den damit im Zusammenhang stehenden Auftrag über die Planung und Lieferung einer Versuchs- und Entwicklungsanlage für Raketen ist die nach dem Außenwirtschaftsgestz erforderliche Ausfuhrgenehmigung beantragt und erteilt worden.
Frau Kollegin, Sie haben jetzt zwei Zusatzfragen. Bitte, die erste.
Herr Staatssekretär, hätten die Vertreter Ihres Hauses bei der - wie zumindest im „Stern" geschildert wurde - etwas merkwürdigen Errichtung dieser R- und D-Abteilung nicht darauf aufmerksam werden müssen, daß dort vielleicht etwas entwickelt wird, was nicht unbedingt dem Betriebszweck der Firma dienlich ist oder doch zumindest dort nicht aufgezählt ist?
Frau Kollegin, ich kann das so nicht sehen. Wenn die Iraner eine Prototypanlage zum Bau von Raketen wünschen und wir einer Firma in Deutschland genehmigen, die Anlagen dazu nach den geltenden Gesetzen zu liefern, dann sind solche Anlagen zum Bau von Raketen im Ergebnis selbstverständlich geeignet, und zwar unabhängig davon, ob die Iraner dann beabsichtigen, sowjetische Boden-Luft-Raketen etwa nachzubauen oder nicht. Das Grundsatzproblem ist, ob wir die Möglichkeit des Exports solcher Fabrikanlagen aufrechterhalten oder einschränken wollen. Das Problem stellt sich deshalb für alle Lieferbereiche, nicht nur für den Bereich des Iran. Da diese Anlagen nicht dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen, haben wir die Konsequenz in Kauf zunehmen, daß in einem Fall wie dem im Iran die Probleme zur Sprache kommen, die Sie hier gerade angeschnitten haben. Aber sie hätten genauso zur Sprache kommen können, wenn sich eine andere politische Entwicklung im Iran ergeben hätte.
Es ist auch undenkbar, das Kriegswaffenkontrollgesetz etwa dadurch zu umgehen, daß man eine solche Waffe in alle Einzelteile zerlegte. Das würde eine klare Umgehung des Kriegswaffenkontrollgesetzes bedeutet haben und hätte mich veranlassen müssen - wenn ein solcher Tatbestand vorgelegen hätte -, zu sagen: Es ist gegen das Gesetz verstoßen worden. Das haben aber unsere Ermittlungen bisher nicht ergeben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche konkreten Maßnahmen wird Ihr Ministerium ergreifen, um zu verhindern, daß in Zukunft der von Ihnen jetzt zum Schluß geschilderte Zustand eintreten könnte, daß zerlegte Waffen ein- oder ausgeführt werden, die sehr wohl Waffen sind?
Es ist in diesem Falle die Aufgabe des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft, die Anträge sorgfältigst zu kontrollieren. Wir haben keinen Zweifel, daß das auch geschieht.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß dieser Vorgang und die Fragestunde heute Veranlassung sein werden, die Überprüfung noch einmal vorzunehmen, sofern das nicht schon allein auf Grund des „Stern"-Artikels geschehen ist.
Abgeordneter Waltemathe, Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf die vorhin dem Kollegen Gansel gegebene Antwort, daß politisch über Ergänzungen des. Gesetzes diskutiert werden müsse: Darf ich das so verstehen, daß die Bundesregierung meint, die gesetzlichen Bestimmungen müßten auch auf den Export von Fabriken, Maschinen oder Maschinenteilen, die zur Herstellung von Waffen geeignet sind, ausgeweitet werden?
Nein, das dürfen Sie nicht so verstehen. Die Bundesregierung ist der
Meinung, daß die Einschränkungen, die wir uns in diesem Bereich auferlegt haben, mit zu den strengsten gehören, die es in der Welt gibt. Sie ist nicht der Meinung, daß eine weitere Einschränkung erfolgen sollte.
Ich wollte damit nur sagen, daß das, wenn das Parlament eine andere Auffassung dazu haben sollte, durch eine Änderung des Gesetzes erfolgen müßte und daß deshalb der Verdacht, daß Behörden ihre Pflicht nicht erfüllt hätten - das ist nicht ausgesprochen worden; aber es hätte der Anschein entstehen können, daß man solche Vorgänge im Auge hat nach den Ermittlungen, die wir angestellt haben, nicht berechtigt ist.
Herr
Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, nachdem ich Ihren Antworten entnehmen konnte, daß die in den Fragestellungen durchschillernden Behauptungen im Kern unwahr sind, frage ich Sie, ob Sie diese Diskussion im Hinblick auf die Sanierungsbemühungen bei der DIAG für hilfreich halten?
Einen
Augenblick. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie eine Frage stellten und keine Bewertung anderer Zusatzfragen vornähmen. - Bitte.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob Sie diese öffentliche Diskussion über Aktivitäten der DIAG-Tochtergesellschaft Fritz Werner GmbH im Hinblick auf die im Moment laufenden Sanierungsbemühungen, die hohe Millionenbeträge aus dem Bundeshaushalt erfordern, für nützlich halten.
Herr Kollege, angesichts der Brisanz dieser Vorgänge und angesichts des uns gemeinschaftlich beschäftigenden Problems der Rüstungsbegrenzung meine ich, daß sich eine Firma, die in diesem Bereich tätig ist, das gefallen lassen muß und daß es notwendig ist, das zu diskutieren, auch wenn es negative wirtschaftliche Auswirkungen für die Firma haben könnte.
({0})
Wer in diesem Bereich tätig ist, muß damit leben.
Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Staatssekretär, stellt die Bundesregierung Überlegungen an, das Kriegswaffenkontrollgesetz entsprechend den Vorstellungen von Frau Simonis zu ergänzen und auszudehnen?
Nein, das beabsichtigt die Bundesregierung nicht. Ich habe übrigens der Frage der Frau Kollegin Simonis auch keine konkrete Anregung dieser Art entnehmen können.
Letzte
Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den Umstand, daß die DIAG - wenn ich das richtig sehe - bisher 550 Millionen DM aus ERP-Mitteln erhalten hat, die der Mittelstandsförderung dienen sollen, vor dem Hintergrund, daß damit Labors in Persien zur Produktion sowjetischer Raketen hingestellt werden?
Herr Abgeordneter, das ist eine Verkennung der tatsächlichen Abläufe. In Wahrheit ist das so, daß die Erträge der Firma Fritz Werner, Geisenheim, in Höhe von etwa 60, Millionen DM im Jahr in die DIAG eingeflossen sind und damit die Verluste, die diese Firma erlitten hat, vermindert haben.
Ich rufe
die Frage 19 der Abgeordneten Frau Simonis auf:
Sind bei der Fritz-Werner-Industrie-Ausrüstungs-GmbH in den kommenden Jahren im Zusammenhang mit der Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr einer sowjetischen Panzerabwehrrakete Gesthaftsverluste zu erwarten?
Ich wäre dankbar, wenn wir uns auf den Komplex konzentrierten, damit die anwesenden weiteren Fragesteller die Möglichkeiten haben, ihre Fragen beantwortet zu erhalten.
Grüner, Parl. Staatssekrteär: Frau Kollegin, die Firma Fritz Werner, Geisenheim, wird für das Geschäftsjahr 1978 einen Gewinn von rund 39 Millionen DM ausweisen. Für das Geschäftsjahr 1979 wird nach dem Stand der gegenwärtigen Zielprojektion ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet. Aus diesem Grunde sowie unter dem Gesichtspunkt, daß die Einfuhr, Weiterentwicklung und Ausfuhr von Raketen nicht stattgefunden hat, dürfte die von Ihnen aufgeworfene Frage gegenstandslos sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir einmal sagen, welche Höhe die Entwicklungskosten erreicht haben, die die Firma Werner im Zusammenhang mit der SAM-7-Rakete aufgewandt hat?
Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Ausfuhr der Laboranlagen und Werkzeugmaschinen, die im Zusammenhang mit diesem Pilot-Projekt - wenn ich das laienhaft so nennen darf - für die Konstruktion von. Raketen durch die Firma Fritz Werner stattgefunden hat, ein Auftragsvolumen von 10 Millionen DM hatte. Das hat aber nichts mit diesen Teilen zu tun, die ja nur der Entwicklung der erforderlichen Werkzeugmaschinen dienten.
Noch
eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, in dem bereits genannten „Stern"-Artikel steht, daß die Firma Werner noch drei Raketen dieses Typs auf ihrem Betriebsgelände stehen hat. Können Sie mir bitte sagen, was mit diesen drei Raketen jetzt passieren soll?
Ich nehme an, daß sie im Iran stehen. Ich bin leider im Augenblick nicht in der Lage, darauf zu antworten.
Meine
Damen und Herren, ich glaube, wir können diese Sache hier nicht weiter abhandeln. Ich lasse jetzt aber noch Zusatzfragen von Herrn Thüsing und Herrn Gansel zu. Danach fahren wir fort. Herr Abgeordneter Thüsing!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, im Zusammenhang mit der Frage der Frau Kollegin Simonis noch einmal ausdrücklich Ihre vor diesem Haus am 16. Februar gegebene Antwort zu bestätigen, daß auch die Firma Werner schweres Erdkampfgerät nicht exportieren wird?
Ja, das würde ich selbstverständlich bestätigen, weil sie nichts exportieren kann, was dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegt, es sei denn, sie würde dafür eine Genehmigung erhalten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, hat die Fritz Werner GmbH für diese Fabrikationsanlagen, die zufällig auch zur Herstellung von Munition, Schnellfeuergewehren und Panzerabwehrraketen geeignet sind, Hermes-Bürgschaften erhalten?
Herr
Abgeordneter, die von der Frau Kollegin eingereichte Frage bezieht sich auf die Geschäftsverluste.
({0})
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die Frage in diesem Zusammenhang zu beantworten?
Es ist so, daß die Firma Fritz Werner gegen Vorkasse gearbeitet hat und deshalb auf die teuren Hermes-Kredite nicht angewiesen war.
Ich
rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0})' auf:
Wieviel Arbeitsplätze wurden seit 1973 im Zonenrandgebiet mit Bundesmitteln gefördert, und wieviel Arbeitsplätze sind seitdem in diesem Raum verlorengegangen?
Nach der Antragsstatistik der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sind seit dem 1. Januar 1972 im Zonenrandgebiet durch im Rahmen dieser Gemeinschaftsaufgabe geförderte Investitionen über 214 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, im Jahresdurchschnitt also etwa 31 800. Die Zahl der in diesem Zeitraum im gesamten Zonenrandgebiet verlorengegangenen Arbeitsplätze, für die keine Meldepflicht besteht, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht keine Möglichkeit, in Ihrem Hause oder in nachgeordneten Dienststellen oder in - sagen wir es noch allgemeiner - der Bundesregierung nachgeordneten Dienststellen diese Zahl der verlorengegangenen Arbeitsplätze im Zonenrandgebiet einigermaßen genau festzustellen?
Nein, da keine Statistik darüber geführt wird und keine Meldepflicht besteht, ist das leider nicht möglich.
Noch
eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht nicht die Möglichkeit, auf Grund der vorhandenen Arbeitsplätze und der geförderten und am Schluß existierenden Arbeitsplätze festzustellen, wieviel Arbeitsplätze in der Zwischenzeit verlorengegangen sind?
Wir können nur die allgemeine Arbeitsmarktstatistik über die Entwicklung der Zahl der Beschäftigten in den entsprechenden Gebieten zu Rate ziehen. Darüber hinaus sehe ich im Augenblick jedenfalls keine Möglichkeit, etwas zu tun. Aber ich nehme Ihre Fragen gerne zum Anlaß, das noch einmal überprüfen zu lassen.
Ich
rufe die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Dr. Linde auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wieviel Betriebe und wieviel Arbeitsplätze seit 1976 im niedersächsischen Zonenrandgebiet verlagert bzw. stillgelegt worden und wieviel Arbeitsplätze in dieser Zeit neu geschaffen worden sind?
Herr Staatssekretär, wollen Sie eventuell beide Fragen gemeinsam beantworten?
Ja, gern.
Der
Fragesteller ist ebenfalls einverstanden, so daß ich auch die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Dr. Linde aufrufe:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie die Abwanderungsbilanz für das niedersächsische Zonenrandgebiet lautet und wie die Motive für die Wanderungsbewegungen lauten?
Der Fragesteller hat dann vier Zusatzfragen.
Deutschei Bundestag - 8. Wahlperiode Grüner, Parl. Staatssekretär: Über den Verlust von Arbeitsplätzen durch Betriebsstillegungen bzw. -verlagerungen gibt es keine amtliche Statistik. Sofern den Arbeitsämtern solche Tatsachen nicht mitgeteilt werden, sind die Behörden auf allgemeine Informationsquellen angewiesen.
Nach einer Studie des Landesarbeitsamts Niedersachsen-Bremen sind 1976/77 im niedersächsischen Zonenrandgebiet 91 Betriebe - davon 37 Industriebetriebe - stillgelegt bzw. verlagert worden. Das hat zum Verlust von 5 793 Arbeitsplätzen geführt.
Über die Zahl der im niedersächsischen Zonenrandgebiet geschaffenen Arbeitsplätze gibt die Antragsstatistik der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Auskunft. Danach sind seit dem 1. Januar 1972 durch Errichtung neuer und Erweiterung bestehender Betriebe im Jahresdurchschnitt rund 17 500 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Angaben nach den Jahren sind nicht verfügbar.
Der Wanderungssaldo - Ihre zweite Frage - für das niedersächsische Zonenrandgebiet im Zeitraum 1975 bis 1977 war negativ.. Der Wanderungsverlust betrug 14 172 Personen; das sind 6,4 Promille, bezogen auf die Wohnbevölkerung. Über die Motive der Abwanderung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Herr
Kollege, erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auch im Anschluß an die vorhergehende Frage möchte ich doch noch einmal fragen, ob Sie - bzw. die Bundesregierung - es nicht für dringend erforderlich halten, sich Grundlagen für eine verbesserte Strukturpolitik in Form eines besseren Zahlenmaterials zu beschaffen, sowohl was die Betriebsstättenzählung als auch was die Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern angeht?
Herr Kollege, wünschenswert sind solche Zahlen sicher, aber wir stehen vor der Frage von Aufwand und Ertrag. Wir konzentrieren uns im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung auf den Versuch, in diesem Bereich eine Erfolgskontrolle zu praktizieren. Schon allein das ist ein außerordentlich aufwendiges und schwieriges Unterfangen.
Eine
weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie sich auf Erfolgskontrolle beschränken wollen, möchte ich Sie gerne fragen, wie man denn diese Erfolge überhaupt kontrollieren kann bzw. wie Sie die zusätzlichen Arbeitsplätze, die geschaffen worden sind, errechnet haben.
Herr Kollege, die Arbeiten an dieser Erfolgskontrolle, die im Planungsausschuß von den Wirtschaftsministern der
Länder und dem Bundeswirtschaftsminister vergeben worden sind, beschäftigen sich auch mit der Frage, welche statistischen Größen, welche Kriterien erfaßt werden müssen, um eine solche Erfolgskontrolle mit sinnvoller Aussage zu ermöglichen. Das Endergebnis dieser Bemühungen liegt uns noch nicht vor. Aber ich werde Ihnen gerne einen Zwischenbericht zu diesem Thema zukommen lassen, so daß Sie sich ein Bild verschaffen können, vor welchen Schwierigkeiten wir hier stehen.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, können Sie meine Befürchtung zerstreuen, daß die Erfolgsmeldungen über angesiedelte Arbeitsplätze nur dadurch zustande kommen, daß man D-Mark Förderungskapital mit einer imaginären Arbeitsplatzgröße multipliziert? Denn die gleiche Frage, die ich hier gestellt habe, ist im niedersächsischen Landtag mit ganz anderen Zahlen beantwortet worden.
Andere Zahlen kann ich mir nicht vorstellen; dem müßte man nachgehen.
Es ist natürlich richtig, daß alle unsere Aussagen
zu neu geschaffenen oder gesicherten Arbeitsplätzen zunächst einmal auf konkreter Kontrolle auf Grund der Anträge beruhen, die die Firmen einreichen und die die Grundlage der Bezuschussung darstellen, daß aber im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung dieser Firmen keine Garantie dafür gegeben ist, daß einmal geschaffene Arbeitsplätze tatsächlich erhalten bleiben. Es können also innerhalb des Betriebes Arbeitsblätze wegfallen, die unter Umständen mit dem Förderungstatbestand nichts zu tun haben. Aber es wird bei der Antragstellung sehr sorgfältig geprüft, ob die beantragten Mittel tatsächlich zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze beitragen oder nicht.
Eine
letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir zustimmen, daß gesichertes Zahlenmaterial und auch Erfolgsstatistiken über die regionale Strukturförderung deshalb erforderlich sind, um im Zonenrandgebiet eine langfristige Abwanderung zu verhindern und eine allgemeine Bevölkerungsumschichtung zu vermeiden, die darin besteht, daß nur junge Menschen in der Ausbildung und ältere Mitbürger, die dort leben, sich im Zonenrandgebiet befinden, daß sich die aktiv erwerbstätige Bevölkerung aber in den Ballungsgebieten befindet, mit allen finanziellen Konsequenzen, die das hat?
Ich stimme Ihnen im Grundsatz zu, wobei ich selbstverständlich ergänze, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer unangetastet bleibt und wir uns darauf konzentrieren, den Versuch zu machen, die Fördermittel, die wir von Staats wegen einsetzen, auf ihre Wirksamkeit hin11366
sichtlich des angestrebten Ziels, nämlich der Schaffung von Arbeitsplätzen, hin zu überprüfen und so transparent wie möglich zu machen, um dem Gesetzgeber die Gewißheit zu verschaffen, daß das Geld auch sinnvoll eingesetzt ist.
Daß unsere Bemühungen in diesem Punkt noch nicht voll erfolgreich waren, möchte ich bestätigen;deshalb auch diese Bemühungen, eine Erfolgskontrolle zu haben, die bisher noch nicht ausreichend zur Verfügung steht.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers , für Wirtschaft beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sperling zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen .des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium in dem Gutachten Staatliche Interventionen in einer Marktwirtschaft" vom 15./16. Dezember 1978 zum Bereich der öffentlichen Förderung von Sozialwohnungen, insbesondere die Feststellung, infolge des nicht funktionsgeredeten Einsatzes des Preisinstruments in der Mietpreispolitik für öffentlich geförderte Sozialwohnungen sei die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nicht so gut, wie sie sein könnte?
Herr Kollege Bötsch, die von Ihnen zitierte Aussage des Wissenschaftlichen Beirats gründet sich auf Modellüberlegungen. Von diesen Modellüberlegungen weiß niemand, wie sie sich im Ernstfall der Praxis auf Grund der tatsächlichen Verhaltensweisen von Menschen als richtig erweisen.
Deswegen ist aus der Sicht der Bundesregierung folgendes festzustellen. Der Stand der Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung wäre ohne die in den letzten Jahrzehnten im sozialen Wohnungsbau erbrachten Leistungen sicherlich wesentlich ungünstiger, als er sich heute - nicht zuletzt auf Grund dieser Leistungen - tatsächlich darstellt.
Im Hinblick auf die insgesamt erreichte Verbesserung der Wohnungsversorgung wird der traditionelle soziale Wohnungsbau inzwischen in der Mehrzahl der Länder auf den Wohnungsbau für bestimmte Zielgruppen und auf den Wohnungsbau im Zusammenhang mit Stadterneuerungsmaßnahmen konzentriert. Durch den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Wohnungsbau-Änderungsgesetzes 1978 wird angestrebt, die Bindung öffentlich geförderter 'Mietwohnungen nach Rückzahlung der öffentlichen Mittel während der zehnjährigen Nachwirkungsfrist nur noch aufrechtzuerhalten, soweit dies zum Schutz bestehender Mietverhältnisse erforderlich ist.
Die Bundesregierung hat dieser Zielsetzung mit der Einschränkung zugestimmt, daß namentlich in Bedarfsschwerpunkten noch generell an den Sozialbindungen festgehalten werden muß. Bisher hat es weder im Bundestag noch im Bundesrat formelle Anträge gegeben, die auf eine weitergehende Auflockerung der Bindungen im Sozialwohnungsbestand zielen. Daraus ist zu folgern, daß alle im
Bundestag vertretenen Parteien und alle in den Länderparlamenten vertretenen Parteien nur eine sehr behutsame und allmähliche Auflockerung der Sozialbindungen für politisch vertretbar halten.
Zusatzfrage, Herr Bötsch. .
Wie groß würden Sie unter diesen von Ihnen geschilderten Voraussetzungen den Anteil der noch nicht mit einer Sozialwohnung versorgten Berechtigten ansetzen, die aus der jährlichen Neuerrichtung von Sozialwohnungen vielleicht eine Wohnung erhalten könnten?
Herr Kollege, dies ist schwer zu schätzen, weil ja nicht nur die Neuerrichtung von Sozialwohnungen zur Bezugsmöglichkeit für berechtigte Gruppen führt,. sondern auch die Fluktuation im Bestand der Wohnungen. Da gibt es sicherlich unterschiedliche Schätzungen. Wenn Sie darüber nähere Zahlen wissen wollen, bin ich gern bereit, den Versuch zu machen, sie Ihnen schriftlich zu geben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paterna.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung bestätigen, daß der Freistaat Bayern von der Ermächtigung nach § 5 a des Wohnungsbindungsgesetzes im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders ausgiebig Gebrauch gemacht hat, nämlich Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf auszuweisen, um auf diese Weise die Zweckbestimmung des sozialen Wohnungsbaus zu sichern?
Herr Kollege Paterna, ich kann bestätigen, daß der Freistaat Bayern diesen Paragraphen sehr häufig genutzt hat. Ob ihn dabei die Motive getrieben haben, die Sie genannt haben, vermag ich nicht genau zu sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kolb.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dieses Lotteriespiel unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen Berechtigten, die auch weiterhin unversorgt bleiben, und stimmen Sie mir zu, daß mit dieser ungleichen Verteilung der öffentlichen Förderung die Unterstützung aller Berechtigten in Form einer Individualförderung nicht möglich ist?
Nein, Herr Kollege, ich halte dies weder für ein Lotteriespiel, noch ist dies der Grund dafür, daß eine Unterstützung aller Berechtigten im Sinne der Individualförderung nicht möglich ist. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, daß das Wohngeldgesetz viele Berechtigte unterstützt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Ich werde danach zur nächsten Frage übergehen und bitte um Verständnis dafür, daß ich den Versuch mache, allen Fragestellern zu diesem Geschäftsbereich noch eine Antwort geben zu lassen.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung in dem in Frage 20 angesprochenen Jahresgutachten, daß die Vergleichsmietenregelung, die 1971 eingeführt wurde, Mieterhöhungen erschwerte und die Rentabilität von Mietwohnungen zusätzlich belastete, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache?
Herr Kollege, ich sagte schon, daß es sich hier um Überlegungen handelt, die aus einer Modellüberlegung abgeleitet wurden. Nun ist es immer möglich, aus reinen Modellen nachzuweisen, daß die Wirklichkeit diesem Modell nicht ganz entspricht und daß man deswegen, wenn die Wirklichkeit dem Modell entspräche, zu anderen Zuständen käme, die vielleicht gerechter wären. Nur ist es immer so, daß die Wirklichkeit in der Tat solchen Modellen nicht entspricht und aus vielerlei Gründen auch nicht entsprechen kann.
Ich
rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den auch zukünftig für Problemgruppen und aus städtebaulichen Gründen erforderlichen Bereich an Objektförderung zu „individualisieren"?
Herr Kollege Bötsch, gerade bei dem auf Problemgruppen und auf Stadterneuerungsmaßnahmen zielenden sozialen Wohnungsbau ist der Spielraum für eine Verlagerung zwischen Objektförderung und Subjektförderung außerordentlich gering, weil nämlich die betreffenden Wohnungen von Haushalten aus den Problemgruppen auch unter Berücksichtigung des Wohngelds nur angenommen werden, wenn sich die Miete innerhalb bestimmter Grenzen hält. Es gibt unter den Ländern eher Bestrebungen, für kinderreiche Familien, die neue entsprechend große Wohnungen beziehen, die Objektförderung gezielt aufzustocken.
Eine
Zusatzfrage.
Welchen Personenkreis rechnet die Bundesregierung zu den Problemgruppen - auch die Kinderreichen, wenn ich Sie richtig verstanden habe -, auf die die .Objektförderung konzentriert werden soll, und -
Herr
Kollege, wir sollten es zunächst bei der einen Frage belassen.
Dies ist richtig, Herr Kollege Bötsch. Neben den Familien mit Kindern sind es die älteren Mitbürger, Behinderte und vor allen Dingen Ausländer, häufig auch mit Familien mit Kindern, die zu den Problemgruppen .gerechnet werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Zählen Sie auch das Merkmal der Einkommensschwäche hinzu?
Das Merkmal der Einkommensschwäche für sich genommen fällt nicht hierunter; aber es ist natürlich ein Merkmal, das zur Bezuschussung mit Wohngeld führen kann.
Herr
Abgeordneter Paterna, eine Zusatzfrage. Ich bitte nur, sie knapp und klar zu fassen, damit auch die anderen Fragesteller noch eine Möglichkeit erhalten.
Herr Staatssekretär, da der Fragesteller von einem funktionsgerechten Einsatz des Preisinstruments am Markt und von der Individualisierung der Förderung ausgeht, frage ich: Können Sie bestätigen, daß in der Sachverständigenanhörung zu diesem Komplex unwidersprochen geblieben ist, daß am Beispiel des Ballungsraumes Hamburg bei einer Entlassung sozialer Mietwohnungen aus der Bindung mit Mietsteigerungen von 30 bis 40 °/o, verglichen mit der marktüblichen Miete, zu rechnen wäre und dies natürlich zur Erhöhung der Individualförderungsmittel führen mußte?
Herr Kollege Paterna, dies ist in der Tat in der Sachverständigenanhörung so gesagt worden, und es ist wieder ein Hinweis darauf, daß eine Modellüberlegung mit der geschichtlichen Wirklichkeit, wie sie in einem Zeitablauf gewachsen ist, nicht unbedingt übereinstimmt.
Herr
Abgeordneter Dr: Schneider, ich rufe Ihre Frage 22 auf:
Hat die Bundesregierung entgegen ihren ursprünglichen Zusagen und mit den Ländern getroffenen Absprachen darauf verzichtet, die wesentlichen Grundlagen der Finanzhilfen des Bundes an die Länder zur Wohnungsbauförderung sowie den Verteilungsmaßstab gesetzlich zu regeln, und, wenn ja, aus welchen Gründen, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht für die Bundesbeteiligung am sozialen Wohnungsbau im Verhältnis zu den einzelnen Ländern?
Herr Präsident und Herr Kollege Schneider, darf ich die Fragen 22 und 23 im Zusammenhang beantworten?
Da der
Fragesteller einverstanden ist, rufe ich auch die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Bedeutet der Verzicht auf eine gesetzliche Absicherung der Beteiligung des Bundes an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, daß sich der Bund in absehbarer Zeit überhaupt aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückziehen möchte?
Die Verpflichtung des Bundes, sich am sozialen Wohnungsbau finanziell zu beteiligen, ergibt sich bereits aus dem Zweiten Wohnungsbaugesetz. Die Bundesregierung steht, wie auch die mittelfristige Finanzplanung zeigt, zu dieser Verpflichtung. Das Kabinett hat anläßlich der Diskussion über aktuelle Fragen der Wohnungspolitik am 21. Februar ausdrücklich seine in der Regierungserklärung dargelegte Absicht bekräftigt, sich an den wohnungs- und städtebaulichen Aufgaben der Länder finanziell zu beteiligen. Dabei soll sich die Beteiligung des Bundes am sozialen Wohnungsbau auf bestimmte Zielgruppen und auf die Förderung der Eigentumsbildung für Familien konzentrieren. Der Bund zieht sich also
nicht aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurück.
Die Frage, wie die wesentlichen Grundlagen der Finanzhilfen, insbesondere das Beteiligungsverhältnis zwischen Bund und Ländern und die Verteilungsmaßstäbe, auf verfassungskonforme, also Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes gemäße Weise geregelt werden sollen, ob durch Gesetz oder durch Verwaltungsvereinbarung, berührt demnach nicht die Entscheidung des Bundes dem Grunde nach, sondern nur das Problem des Vollzugs einer schon bestehenden gesetzlichen Aufgabe und einer politischen Willenserklärung der Bundesregierung.
Die Bundesregierung hat in der schon genannten Sitzung vom 21. Februar nicht eine gesetzliche Regelung der Beteiligung des Bundes beschlossen, weil sie sich in der formellen Frage - Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung - nicht gern für ein Gesetz entscheiden wollte. Sie geht aber davon aus, daß das gemeinsame Bemühen von Bund und Ländern darauf gerichtet sein sollte, zu einer einvernehmlichen Regelung für die nächsten Jahre zu kommen.
Eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, diesen Fragenkomplex auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie die verschiedenen Förderungsmodelle und Förderungsmethoden in einem Dritten Wohnungsbaugesetz allgemein koordiniert und neu geordnet werden könnten?
Aber sicher, Herr Kollege Schneider, wir sind immer bereit, so etwas zu prüfen. Nur läßt sich manches auch dadurch prüfen, daß man um Verwaltungsvereinbarungen bemüht ist. Wenn die sich einvernehmlich herstellen lassen, findet später die Gesetzgebung viel leichter statt.
Bitte, Herr Kollege.
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Jahre 1976 entstandene politische Sachlage, ih der nämlich große Unsicherheit darüber bestand, in welcher Form die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung dem sozialen Wohnungsbau weiterhin fördern würde, wodurch in der Wohnungswirtschaft, insbesondere bei den gemeinnützigen Baugesellschaften, eine Reihe von Unsicherheiten entstanden sind?
Herr Kollege Schneider, die Regierungserklärung 1976 und die mittelfristige Finanzplanung, wie sie in den Folgejahren vorgelegt wurde und in den nächsten Jahren auch vorgelegt werden wird, zeigen, daß zu solcher Beunruhigung kein Anlaß besteht.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Verhandlungen des Bundes mit den Ländern laufen unterschiedlich. Wie ist der Stand der Verhandlungen des Ministeriums mit dem Land Niedersachsen in bezug auf dessen Zustimmung zur Verteilung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau?
Herr Kollege Schneider, wir haben jeweils mit den Ländern insgesamt, mit allen Ländern gemeinsam gesprochen. Die Länder drängen - und dies ist gut verständlich - darauf, daß die Mittel für den sozialen Wohnungsbau verteilt werden. Dies dient der Verstetigung der Baukonjunktur, sicher auch, nachdem dieser Winter für die .Bauwirtschaft ein bißchen härter war, als das zunächst vorauszusehen war.
Das Land Niedersachsen hat sich den Bedingungen, die die anderen Länder und der Bund gutgeheißen haben, bisher nicht voll anschließen können. Daher ist der Stand der Vergabe von Bundesmitteln für Niedersachsen noch offen.
Die
letzte Zusatzfrage.
Wird der Bundesbauminister seine Mittel auch dann verteilen, wenn seine Verhandlungen mit Niedersachsen scheitern, und, wenn ja, wie wird er mit den für Niedersachsen vorgesehenen Mitteln im besonderen verfahren?
Das
letzte ist nun natürlich noch die fünfte Frage gewesen, aber bitte!
Herr Kollege Schneider, die Mittel werden auch bei offenem Stand der Verhandlungen mit Niedersachsen verteilt, und die für Niedersachsen bisher vorgesehenen Mittel werden in Reserve gehalten, da wir damit rechnen, daß wir mit Niedersachsen zu einer einvernehmlichen Regelung kommen können und so Niedersachsen entsprechend Mittel weiter zufließen werden.
Wir
kommen nun zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Francke ({0}). Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ziehen Sie eine gemeinsame .Beantwortung in Erwägung? Vermutlich nicht, da zwei verschiedene Institute angesprochen sind.
Ja, es sind zwei verschiedene Institute genannt, und es sind zwei verschiedene Antworten.
Gut,
dann rufe ich zunächst Frage 24 des Herrn Abgeordneten Francke ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung vorgenommene Hochrechnung der Wohnungsstichprobe 1972 ({1}), nach der 1978 40 v. H. aller Haushalte in Sozialwohnungen die für diese geltenden Einkommensgrenzen überschreiten, und welche Folgerungen zieht sie daraus?
Herr Kollege Francke, es liegt auf der Hand, daß die Quote der sogenannten Mehrverdiener im Sozialwohnungsbestand seit der letzten Anpassung der Einkommensgrenzen im Jahre 1974 gestiegen ist, einerseits weil eben die Einkommensgrenzen seitdem unverändert
geblieben sind, andererseits weil die Einkommen der Arbeitnehmer und anderer Bevölkerungsgruppen sich erhöht haben. Die meisten Mehrverdiener sind jedoch nach wie vor den breiten Schichten des Volkes zuzurechnen, auf deren Wohnungsversorgung der soziale Wohnungsbau in den. vergangenen Jahrzehnten ausgerichtet war.
Bei der Beurteilung der Mehrverdienerquote ist zu berücksichtigen, daß alle Vorschläge für Fehlbelegungsabgaben, die es bisher gab, gewisse Toleranzschwellen für Überschreitungen der Einkommensgrenzen vorgesehen haben. Im übrigen ist zum wiederholten Male darauf hinzuweisen, daß das Problem der ausschließlich an Einkommensgrenzen orientierten Fehlbelegung weitgehend durch das Problem der Mietverzerrungen überlagert und relativiert worden ist. So ist zweifellos der Fall eines Mehrverdieners in einer teuren Sozialwohnung aus der Zeit Anfang der 70er Jahre ganz anders zu werten als der Fall eines Mehrverdieners in einer wesentlich billigeren, aber gleichwertigen Sozialwohnung aus der Zeit Anfang der 60er Jahre.
Schließlich sollte nicht übersehen werden, daß nach den vom Land Bremen seit Jahren vorgenommenen Einkommensüberprüfungen der Anteil der Mehrverdiener bei Eigentümern öffentlich geförderter Eigenheime wesentlich höher ist als bei Mietern von Sozialmietwohnungen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, aus ihrer Erkenntnis, daß das Fehlbelegungsproblem mit dirigistischen Maßnahmen nicht zu lösen ist, die Konsequenz zu ziehen, daß mittels einer Liberalisierung des Sozialwohnungsbestandes, sei es durch Lockerung der Bindungen, sei es durch Abbau von Hemmnissen bei der Privatisierung, ein Lösungsweg gegeben wäre?
Herr Kollege Francke, Sie wissen, daß wir den Gesetzentwurf aus dem Lande Nordrhein-Westfalen im Bundesrat haben. Sie wissen auch, daß wir im Bundesgebiet sehr unterschiedliche Nachfrageverhältnisse für Sozialmietwohnungen haben. Wenn auf diese unterschiedlichen regionalen Verhältnisse Rücksicht genommen wird, dann ist - regional begrenzt - gegen eine solche Liberalisierung gar nichts einzuwenden.
Dann
rufe ich Ihre nächste Frage auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Städtebauinstituts ({0}), daß die „Fehlbelegerquote" bei 50 v. H. anzusiedeln sei, wenn man berücksichtige, daß ein gewisser Bestand an Sozialwohnungen Haushalten vorbehalten ist, deren Einkommen um 20 v. H. unter den normalen Einkommensgrenzen liegen, und welche Folgerungen zieht sie daraus?
Herr Kollege Francke, die Feststellung des Städtebauinstituts läßt außer Betracht, daß es sich bei der angesprochenen Regelung in § 5 Abs, 3 des Wohnungsbindungsgesetzes nur um eine Vorrang-, eine Präferenzregelung handelt. Unterschreitet das Gesamteinkommen eines Wohnberechtigten die normale Einkommensgrenze mindestens um 20 %, so ist in der Bescheinigung anzugeben, daß er auch zum Bezug einer Wohnung berechtigt ist, die vor dem 1. Januar 1966 gefördert worden ist, die also entsprechend billiger ist. Wohnungssuchende, die eine solche Wohnberechtigungsbescheinigung vorweisen können, haben bei der Wiederbelegung dieser älteren Sozialwohnungen Vorrang. Bewirbt sich indessen kein Wohnungssuchender mit einer solchen Wohnberechtigungsbescheinigung um eine freigewordene ältere Sozialwohnung, so können andere wohnberechtigte Wohnungssuchende berücksichtigt werden. Aus dieser Vorrangregelung einen allgemeinen Schluß auf die sogenannte Fehlbelegungsquote zu ziehen, ist, glaube ich, nicht ganz seriös.
Sie
möchten eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, was spricht eigentlich nach Ansicht der Bundesregierung dagegen, zumindest zur Verhinderung zukünftiger Fehlbelegungsfälle die Ausgabe des Berechtigungsscheins nach § 5 auf fünf Jahre zu begrenzen und dann eine erneute Beantragung einzuführen?
Herr Kollege Francke, das Beispiel des Landes Bremen zeigt, daß dies auch in Länderhoheit bewältigt werden kann, wenn entsprechende Bedingungen vorliegen. Ansonsten wäre es aber auch sinnvoll und logisch sauber, diese Frage nicht nur für Mieter von Sozialwohnungen, sondern auch für die Eigentümer von sozialen Eigentumswohnungen zu stellen, weil ja nicht einzusehen ist, warum die Mieter schlechtergestellt sein sollen als die Eigentümer.
Eine
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paterna. Danach rufe ich die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Möller auf.
Herr Staatssekretär, im Anschluß am Ihre eben gemachten Ausführungen frage ich Sie: Können Sie . einmal grundsätzlich Auskunft darüber geben, welche bundesgesetzlichen Regelungen die Bundesländer eigentlich daran hindern, das Problem der Fehlbelegung zu lösen?
Keine, Herr Kollege Paterna, wenn sie es wollen. Aber ich sehe - und das sehen eigentlich die meisten Bundesländer genauso, vor allen Dingen die Flächenstaaten -, daß dann ein ganz erheblicher Verwaltungsaufwand und viel Dirigismus auf sie zukäme.
Herr
Staatssekretär, im Hinblick auf den Ablauf der Fragestunde schlage ich vor, daß wir die Beantwortung der beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Möller verbinden, damit der Herr Fragesteller die Möglichkeit hat, noch beide Fragen beantwortet zu bekommen. Ich rufe also die Fragen 26 und 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller auf;
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Halt die Bundesregierung ihren Widerstand gegen die im Wohnungsbauänderungsgesetz 1978 vom Bundesrat vorgeschlagene Gleichstellung von öffentlidi geförderten Mietwohnungen, die nachträglich in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden, mit solchen eigengenutzten Eigentumswohnungen, die als solche gefördert worden sind, weiterhin aufrecht, und wenn ja, wie vereint sie dies mit ihrer Absicht, die Wohneigentumsquote gerade auch durch die Umwandlung von Mietwohnungen in eigengenutzte Wohnungen zu erhöhen?
Halt die Bundesregierung an ihrer im Zusammenhang mit der mittelfristigen Finanzplanung geäußerten Absicht fest, eine Bestandsaufnahme im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, vorzunehmen, und bis wann ist mit konkreten Ergebnissen zu rechnen?
Herr Kollege Möller, die Wertung, die Sie in Ihrer Frage zur Gleichstellung von sogenannten geborenen und sogenannten gekorenen Eigentumswohnungen der Auffassung der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrates im Entwurf des Wohnungsbauänderungsgesetzes 1978 beilegen, trifft in dieser Form jedenfalls nicht zu.
Ich verweise insoweit auf die Ausführungen der Bundesregierung im Allgemeinen Teil der Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 8/1769. Entsprechend dem Vorbehalt der Bundesregierung zu weiterer Darlegung wird der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gemäß einem Kabinettsbeschluß vom 21. Februar eine Regelung empfehlen, wonach die Landesregierungen die Gebiete mit erhöhtem Bedarf an öffentlich-geförderten Wohnungen bestimmen, in denen die vorgeschlagenen Auflockerungsregelungen für Mietwohnungen nicht gelten, soweit solche Gebiete nicht bereits durch Rechtsverordnung nach § 5 a des Wohnungsbindungsgesetzes festgelegt sind.
Allerdings wird auf Grund der inzwischen bekanntgewordenen sogenannten Verdrängungserwerbe bei Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, d. h. solcher Erwerbe, bei denen die Mieter aus ihrer bisherigen Wohnung und ihrer vertrauten Wohnumgebung durch Veräußerung der Wohnungen hinausgedrängt werden, sorgfältig zu prüfen sein, ob derartige Erwerbe durch bestimmte Auflockerungsregelungen begünstigt werden und dies zu sozial unvertretbaren Härten führt. Deshalb hat die Bundesregierung in der genannten Kabinettssitzung dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau einen entsprechenden Prüfungsauftrag unter Mitwirkung des Bundesjustizministers und des Bundeswirtschaftsministers erteilt. Ich möchte annehmen, daß es auch in Ihrem Sinne liegt, solche Verdrängungserwerbe möglichst einzudämmen; denn durch solche Erwerbe kann die verstärkte Eigentumsbildung im Wohnungsbereich durchaus diskreditiert werden.
Die Finanzhilfen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau - damit gehe ich auf Ihre zweite Frage ein - sind nach den Erklärungen der Bundesregierung völlig klargestellt. Die Bundesregierung hat nichts undeutlich gelassen; Ausmaß und Zweckbestimmung der Finanzhilfen des Bundes gründen sich auf Regierungserklärung und andere Beschlüsse. Sie finden dies in den Haushaltsentscheidungen wieder. Hinsichtlich des Ersatzwohnungsbaus verweise ich auf das Programm für Zukunftsinvestitionen. Mit den Strukturproblemen des Sozialwohnungsbestandes hat sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Entwurf des Wohnungsbauänderungsgesetzes befaßt. Sie kennen die Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf, wie ich vorher schon sagte. Neue Erkenntnisse werden wir vielleicht aus der Wohnungsstichprobe 1978 bekommen, deren statistisches Datenmaterial derzeit aufgearbeitet wird und das uns für die Beurteilung der Wohnungsversorgung noch wertvolle Aufschlüsse geben kann.
Eine
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt die Stellungnahme der GEWOS zu diesem Fragenkomplex, die sich bekanntlich mit Nachdruck dafür eingesetzt hat, die in Eigentumswohnungen umgewandelten Mietwohnungen wie andere eigengenutzte Eigentumswohnungen zu behandeln, der Bundesregierung nicht Veranlassung, dieses Thema noch einmal zu überdenken?
Dies mag ein Hinweis darauf sein, daß man immer wieder einmal nachdenken muß. Allerdings steht die GEWOS mit dieser Auffassung nicht als einziger Ratgeber dar, sondern es gibt auch andere, die dies völlig anders sehen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie zu meiner zweiten Frage nochmals um konkrete Auskunft bitten, was die Bundesregierung jetzt zu tun gedenkt, insbesondere was die Bundesregierung in ihrer Sitzung am 21. Februar zu diesem Fragenkomplex ganz konkret beschlossen hat und wann die Bundesregierung dem AuSschuß darüber berichten wird.
Herr Kollege Möller, wir hatten ja bereits eine Sitzurig, die dem Ausschuß darüber Aufschluß gab. Der eine Beschluß ist völlig eindeutig: Das Problem der Regionalisierung von möglichen Auflockerungsbestimmungen soll dadurch gelöst werden, daß die Landesregierungen die Gebiete bestimmen, in denen diese Auflockerungen nicht gelten sollen. Zweitens ist die abermalige Prüfung zu nennen, ob nicht im Wohnungsbindungsgesetz bestimmte Vorkehrungen getroffen werden müssen, um soziale Härten, die sich in manchen Fällen zeigen könnten, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welchen Stellenwert mißt das Bundesbauministerium hinsichtlich der zukünftigen Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum dem frei finanzierten Mietwohnungsbau im Verhältnis zum sozialen Mietwohnungsbau und zum Eigenheimbau zu?
Herr Kollege Möller, der frei finanzierte Mietwohnungsbau hat
sicher eine bedeutsame Rolle zu spielen, und Investitionen, die dorthin gehen, werden in der Tat für die Wohnungsversorgung weitaus sinnvoller sein als Investitionen, die in die Spekulation mit Verdrängungserwerb gehen.
({0})
Herr
Abgeordneter Möller, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich meine Frage auch noch auf den Eigenheimbau ausdehnen, den Sie ausgelassen haben.
Herr Kollege Möller, es tut mir leid, Sie wissen doch ganz genau, wie sehr die Bundesregierung gerade auch auf den Eigentumserwerb - auch in den Städten - aus ist. Wir haben die Diskussion über das Stadthauskonzept und ähnliches.
Herr
Abgeordneter Francke, ich kann noch eine Zusatzfrage zulassen.
Herr Staatssekretär, welchen Stand haben die Arbeiten der Bundesregierung an dem von ihr vorzulegenden Bericht über die Beseitigung der steuerlichen Nachteile nicht gemeinnütziger Wohnungsunternehmen bei der Veräußerung von Sozialwohnungen?
Herr Kollege, diese Frage wäre an den Finanzminister zu richten. Denn der ist der federführende Minister für steuerrechtliche Fragen.
Herr
Abgeordneter Kolb.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Aussagen von Meinhard Miegel im „Handelsblatt" vom 7. März 1979, insbesondere seine Feststellung, im Wohnungsbau ticke eine Zeitbombe; die zukünftigen Kostensteigerungen im Wohnungsbau würden bei Beibehaltung der amtlichen Wohnungsbaupolitik zwangsläufig zu einer immer stärkeren Abhängigkeit des Bürgers vom Staat im Bereich des Wohnens führen, sowie seine Forderung, politische Redlichkeit gebiete es deswegen, die bisherigen Geleise des Wohnungsbaus zu verlassen?
Bitte,
Herr Kollege Kolb, ich maße mir nicht an, alles, was der Herr Miegel dort geschrieben hat, unbedingt beurteilen zu können. Aber erinnere ich mich nicht richtig, wenn ich sage, daß er ein Mitarbeiter von Herrn Biedenkopf ist?
Der
Herr Abgeordnete Dr. Jahn ({0}) hat um schriftliche Bantwortung seiner Fragen 28 und 29 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beantwortet. Herr Staatssekretär Dr. Sperling, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Agrarberichts 1979 der Bundesregierung
- Drucksachen 8/2530, 8/2531 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
'Zur Einbringung hat das Wort der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer politisch bewegten und mit vielen ökonomischen Unwägbarkeiten behafteten Zeit hat die Bundesregierung vor vier Wochen ihren Agrarbericht 1979 vorgelegt. Ich darf wohl davon ausgehen, daß er inzwischen von allen Interessierten gelesen worden ist. Außerdem sind die Eckdaten zur Situation und Entwicklung der Agrarwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1977/78, um das es hier geht, intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Ich kann mich daher heute auf einen kurzen Aufriß der Lage der deutschen Landwirtschaft beschränken, um anschließend etwas ausführlicher auf die gegenwärtig drängenden Probleme der Agrarpolitik einzugehen.
Die Einkommen der deutschen Landwirtschaft haben sich im Wirtschaftsjahr 1977/78 nach dem trockenheitsbedingten Rückschlag des Vorjahrs wieder deutlich verbessert. Im Durchschnitt aller Vollerwerbsbetriebe stieg das Reineinkommen nach den Buchführungsergebnissen der Testbetriebe des Agrarberichts um 10,3% auf über 24 000 DM 1 je Familien-Arbeitskraft.
Diese Zahl darf man aber nicht isoliert sehen. Mit Recht weist die Landwirtschaft darauf hin, daß damit das Spitzenergebnis von 1975/76 noch nicht wieder erreicht ist. Hier zeigt sich aufs neue: Auch für die Landwirtschaft zählt weniger der isolierte Vergleich ausgewählter Jahre als vielmehr die längerfristige Entwicklung.
Seit 1968/69 - so weist der Agrarbericht 1979 aus - haben die landwirtschaftlichen Einkommen bis 1977/78 um jährlich 8 % zugenommen. Bezieht man die Vorschätzung für das Wirtschaftsjahr 1978/79 ein, so kommen wir auf eine durchschnittliche jährliche Steigerungsrate von voraussichtlich 7,5 %. Die Landwirte sind also alles in allem nicht schlecht gefahren, und sie haben in den letzten zehn Jahren an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen. Ich sage das in Kenntnis der Tatsache, daß das Vergleichseinkommen im gleichen Zeitraum um 9,6 % bzw. 9,2 % gestiegen ist.
Ich bin jedoch der Auffassung, daß die Differenz ausgeglichen wird durch einige positive Besonderheiten des persönlichen und betrieblichen Bereichs auf dem Bauernhof, die nicht allen Teilen unserer Ge11372
sellschaft in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Dabei denke ich z. B. an die relative Sicherheit des landwirtschaftlichen Arbeitsplatzes, die Sicherheit gebende Funktion des Vermögens, das demnächst durch die Regelung für jüngere Witwen, Imker und Binnenfischer abgerundete soziale Sicherungssystem und auch die Garantien auf dem Marktsektor.
Diese insgesamt positive Entwicklung ist in erster Linie das Ergebnis der Leistungsbereitschaft unserer Land- und Forstwirte selbst sowie ihrer mithelfenden Familienangehörigen und Landarbeiter. Dafür meine Anerkennung und meinen Respekt.
({0})
Mitbeteiligt an dieser positiven Entwicklung ist aber auch die Agrar- und Ernährungspolitik, die wichtige Voraussetzungen hierfür geschaffen hat.
Besonders froh bin ich über die Entwicklung der Einkommenverteilung innerhalb der Landwirtschaft. Vor allem die Veredelungs- und Futterbaubetriebe konnten wieder aufholen. Die Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Betriebsgruppen und Regionen, insbesondere aber zwischen einkommensstärkeren und einkommensschwächeren Betrieben, gingen daher wieder auf ein auch in anderen Wirtschaftsbereichen übliches Maß zurück.
In den Weinbau- und Gartenbaubetrieben hat sich 1977/78 die günstige Einkommensentwicklung der Vorjahre in der großen Linie fortgesetzt. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede nach Betriebsgruppen und Regionen.
In den Forstbetrieben war 1977 eine deutliche Verbesserung der Einkommenslage festzustellen. Ich sehe darin auch einen Erfolg der im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe für diesen Bereich durchgeführten strukturverbessernden Maßnahmen. Mit dem zuständigen Ausschuß dieses Hohen Hauses weiß ich mich einig in dem Bemühen, diese Maßnahmen möglichst bald um die Bestandspflege zu erweitern. Zunächst sind hier aber noch einige verfassungsrechtliche Aspekte zu klären.
Die insgesamt positive Entwicklung der Agrarund Ernährungswirtschaft zeigt sich für mich besonders deutlich in den weiter gestiegenen Investitionen der Landwirte. Zusammen mit den Investitionen der Ernährungsindustrie und des Ernährungshandwerks ergibt das ein beträchtliches Investitionsvolumen, das zusätzliche Kaufkraft und Arbeitsplätze im ländlichen Raum schafft.
Das Investitionsverhalten der Landwirte, das aus konjunkturpolitischer Sicht nur zu begrüßen ist, werte ich auch aus anderen Gründen als positives Signal. Einerseits bietet die Einkommensentwicklung zusammen mit unseren agrarpolitischen Hilfen hineinreichenden finanziellen Spielraum für erforderliche Wachstumsinvestitionen, andererseits-und das ist mir noch wichtiger - zeigen unsere Landwirte damit Mut und Vertrauen in die Zukunft, in dieser zum Pessimismus neigenden Zeit eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine gesunde Weiterentwicklung unserer Wirtschaft.
Sorge bereitet mir jedoch der seit einigen Jahren verzögerte Strukturwandel der Landwirtschaft. In den letzten vier Wirtschaftsjahren, von 1974/75 bis 1977/78, hat sich die Abnahmerate des Arbeitskräftebestandes gegenüber früheren Jahren halbiert. Sie liegt zur Zeit bei etwa 2 %. Es handelt sich hierbei - wie wir alle wissen - um die Auswirkungen eines seit der Energiekrise 1973 verlangsamten allgemeinen Wirtschaftswachstums. Rückläufige außerlandwirtschaftliche Beschäftigungsmöglichkeiten sowie hohe Arbeitslosenquoten auf der einen Seite und relativ sichere landwirtschaftliche Arbeitsplätze mit weitgehender Absatzgarantie für alle wichtigen Agrarerzeugnisse auf der anderen Seite haben bei vielen die Vorzüge der selbständigen landwirtschaftlichen Existenz in neuem Licht erscheinen lassen. Die rückläufige Abwanderung führte zu einem schrumpfenden Flächenangebot und steigenden Boden- und Pachtpreisen, was wiederum viele Landwirte veranlaßte, ihre wachsenden Einkommensansprüche über die sogenannte „innere Aufstockung", d. h. den Ausbau der Veredlungsproduktion auf der Grundlage zugekaufter Futtermittel, zu befriedigen. Die überaus starke Zunahme der Importe billiger Stärke- und Eiweißfuttermittel, die keiner Marktordnung und damit keiner Einfuhrabgabe unterliegen, aber auch das rasant wachsende Angebot landwirtschaftlicher Veredlungsprodukte legen beredtes Zeugnis von dieser Entwicklung ab.
Dabei hat die Landwirtschaft ihre Produktionsreserven in ungeahnter Weise mobilisiert. Sie stößt auf wichtigen Märkten an deutliche Grenzen. Das Bevölkerungswachstum in der Europäischen Gemeinschaft stagniert. Der Pro-Kopf-Verbrauch bei wichtigen Grundnahrungsmitteln steigt nur noch geringfügig. Bezogen auf die Gesamtheit aller Produkte steht einer jährlichen Steigerung des Angebots um ca. 2 % innerhalb der Gemeinschaft nur noch eine Nachfragesteigerung von ca. 1 % gegenüber, wobei es naturgemäß große Unterschiede von Produkt zu Produkt gibt.
Am gravierendsten ist die Diskrepanz zwischen der Angebots- und Nachfrageentwicklung bei der Milch. Der Selbstversorgungsgrad hat hier inzwischen eine Höhe erreicht, der den für eine sichere Versorgung notwendigen Vorrat, den ich für die Gemeinschaft, d. h. für 260 Millionen Menschen, bei Butter auf ungefähr 260 000 t beziffern möchte, erheblich übersteigt.
Magermilchpulver kann infolge des Wettbewerbs mit billigen Substituten nur noch mit Hilfe erheblicher Subventionen in den Futtertrog geleitet werden. Der eingeschlagene Weg einer konsequenten Verbilligung der Magermilch und des Magermilchpulvers, d. h. einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit mit pflanzlichen Eiweißfuttermitteln in der Verfütterung, zeigt zwar erste Erfolge, denn die Bestände an Magermilchpulver sind bis Ende Februar in der Gemeinschaft auf 530 t gesunken.
Aber die staatlichen Aufwendungen zur Absicherung der Milchpreise haben die tolerierbare Grenze erreicht. Der Milchmarkt stellt gegenwärtig eines der Hauptprobleme der Agrarmarktpolitik dar. Die Lösung dieses Problems ist sicherlich dringend erforderlich.
Bei Getreide haben wir in diesem Wirtschaftsjahr mit der mengenmäßig hohen Ernte von 115 MillioBundesminister Ertl
nen t erstmals den zu erwartenden Verbrauch von maximal 113 Millionen t überschritten. Trotzdem werden zusätzlich über 20 Millionen t stärke- und eiweißreiche Futtermittel in die Gemeinschaft eingeführt, die in erheblichem Umfange Getreide aus der Verfütterung in die Intervention verdrängen. Wissenschaftler weisen darauf hin, daß wir in den nächsten zehn Jahren mit einem weiteren Anstieg der Getreideerträge um 6 bis 8 dz/ha rechnen müssen.
Der Überschuß bei Zucker beläuft sich voraussichtlich im laufenden Wirtschaftsjahr auf rund 1,4 Millionen t, wobei AKP- und C-Zucker nicht berücksichtigt sind.
Meine Damen und Herren, aus dieser Situationsschilderung ist zu entnehmen, daß die agrarpolitische Lage schwieriger geworden ist. Unsere Landwirte fordern mit Recht die weitere Teilnahme an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung. Sie wissen aber auch, daß sie den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind, daß die Marktprobleme wachsen und der Spielraum der Agrarmarkt- und Preispolitik enger wird. Sie erleben es auch, daß in anderen Bereichen die Einkommenserwartungen zurückgesteckt werden müssen.
Das entscheidende Problem der Agrarpolitik besteht angesichts der aufgezeigten Schwierigkeiten darin, daß bei dem Bemühen um mehr Ausgeglichenheit auf den Märkten die Einkommenspolitik für die Landwirte nicht vernachlässigt werden darf.
({1})
Die Lösung dieses Konflikts wird durch die Verlangsamung des Strukturwandels nicht unerheblich erschwert. Die günstige Entwicklung der Konjunktur in den letzten Monaten läßt uns aber hoffen, daß wieder mehr Landwirte mit unzureichender Existenzbasis - das sind vor allem die kleineren Vollerwerbs- und Zuerwerbsbetriebe - die Möglichkeit haben werden, ihre Einkommensverhältnisse durch Berufskombination oder Berufswechsel zu verbessern.
Dabei liegt die Notwendigkeit einer engen Verzahnung von Agrarstruktur- und Regionalpolitik im ländlichen Raum auf der Hand. Nur so läßt sich auf Dauer sicherstellen, daß die Menschen auf dem Lande im Gefühl sozialer Sicherheit wohnen bleiben und ihr Eigentum erhalten können.
({2})
Damit ganz deutlich wird, wie meine Vorstellung von der deutschen Landwirtschaft und damit auch die Zielrichtung für den Strukturwandel aussieht: Ich will keine Monostrukturen auf dem Lande,
({3})
sondern eine möglichst große Vielfalt von Existenzformen im Voll-, Zu- und Nebenerwerb. Nur so können wir die Lebensfähigkeit unserer Dörfer, eine breite Eigentumsstreuung und eine gesunde Siedlungsstruktur auf dem Lande wirtschaftlich und gesellschaftlich erhalten.
({4})
Was die Verbraucher angeht, so habe ich Verständnis dafür, daß manche durch die Entwicklungen auf bestimmten Agrarmärkten irritiert sind. Sie sollten aber nicht vergessen, daß ihre Kaufkraft - gerade auch für Ernährungsgüter - weiter gestiegen ist und daß ihnen insgesamt ein preiswertes, reichliches und hochwertiges Nahrungsmittelangebot zur Verfügung steht, das nie seinesgleichen gehabt hat. Hier sprechen die Zahlen für sich: Der Anteil der Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel an den Kosten für die Lebenshaltung ist in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren für mittlere Einkommensklassen von 32 % auf 22 % gesunken.
Die Nahrungsmittelpreise sind hinter der allgemeinen Preissteigerungsrate wesentlich zurückgeblieben. Sie haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß wir im vergangenen Jahr mit 2,6 % die geringste Preissteigerungsrate seit 1969 hatten.
({5})
In einer Zeit steigender Energie- und Rohstoffpreise verdient dieser Stabilitätsbeitrag Anerkennung! Ich möchte hier hinzufügen: Eine gesicherte Ernährung hat zweifelsohne einen noch höheren Stellenwert als eine gesicherte Energieversorgung, wobei es hier in unserem technischen Zeitalter sicher wechselseitige Abhängigkeiten gibt.
Vielfalt, Qualität und Preiswürdigkeit unserer Nahrungsmittel verdanken wir aber auch einem leistungsfähigen Ernährungshandwerk und einer leistungsfähigen Ernährungsindustrie. Erst auf der Grünen Woche jüngst in Berlin konnte ich mich wieder von ihrer Leistungs- und Wettbewerbskraft ebenso wie von der Anpassungsfähigkeit unseres in einem harten Konkurrenzkampf stehenden Groß- und Einzelhandels auf dem Ernährungssektor überzeugen.
Nach all dem Gerede vom „Gift im Kochtopf" erscheint es mir besonders wichtig, auch hier noch einmal klar herauszustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland auf dem Ernährungssektor, einschließlich Pflanzenschutz- und Futtermittelrecht, zu den Ländern mit den fortschrittlichsten gesetzlichen Bestimmungen in der Welt zählt.
({6})
Wir werden dafür sorgen - in der Gemeinschaft werden wir uns darum bemühen -, daß diese Bestimmungen auch in Zukunft eingehalten und - wenn es erforderlich sein sollte - gegebenenfalls verschärft werden, damit der Verbraucher seinen Einkaufskorb wie bisher unbesorgt füllen kann.
An dieser Stelle möchte ich gern den Toxikologen Professor Henschler aus Würzburg zitieren, der in einem Fernsehbeitrag zu dem Problem „Fremdstoffe in Nahrungsmitteln" sinngemäß folgendes gesagt hat:
Die gesetzlich festgelegten Toleranzwerte in der Bundesrepublik Deutschland sind in jedem Fall ausreichend. Es kommt lediglich darauf an, ihre Einhaltung zu gewährleisten. Als viel problematischer ist die' gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung durch Gifte aus Tabak- und Alkoholgenuß sowie durch Mißbrauch von Medikamenten anzusehen.
Ich meine, dem ist nichts hinzuzufügen.
Agrarpolitik, meine Damen und Herren, ist heute mehr als die Kunst, die divergierenden Interessen von Erzeugern, Weiterverarbeitern, Handel und Verbrauchern unter einen Hut zu bringen; sie ist zu einem guten und ständig wachsenden Teil Gesellschaftspolitik.
Eine nachhaltige Verbesserung der Lage der Landwirtschaft setzt eine Stärkung des Wirtschaftswachstums bei Preisstabilität voraus. Deshalb ist die von der Bundesregierung verfolgte Politik der Verbesserung dès Beschäftigungsstandes, der wachstumspolitischen Vorsorge und der Verstetigung der wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen voll im Einklang mit agrarpolitischen Interessen. Die Agrarpolitik leistet dazu ihrerseits aktive und, wie ich meine, vorbildliche Beiträge, sei es als Preisstabilisator, sei es im Rahmen ihrer Investitionsprogramme für den ländlichen Raum.
Eine wichtige Ergänzung der strukturpolitischen Maßnahmen im einzelbetrieblichen und überbetrieblichen Bereich war das Dorferneuerungsprogramm. Es bietet eine breite Palette von Möglichkeiten an, um die Lebensqualität in den ländlichen Gemeinden zu erhalten und zu verbessern. Darüber hinaus wird die Wirtschaftskraft besonders in strukturschwachen ländlichen Räumen gestärkt. Zusätzliche Arbeitsplätze wurden geschaffen.
Ich freue mich deshalb besonders, daß dieser Teil des Programms für Zukunftsinvestitionen wie auch die wasserwirtschaftliche Vorsorge, der zweite in meiner Zuständigkeit liegende Teil des Programms, zügig und reibungslos ablaufen. Dies ist auch ein Verdienst der zuständigen Landwirtschaftsverwaltungen, denen dafür zu danken ist.
Ich begrüße es sehr, daß die Aspekte des Natur- und Umweltschutzes im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe für 1979 noch mehr berücksichtigt worden sind. Wir werden künftig den lebenswichtigen Anliegen des Umweltschutzes auch in der landwirtschaftlichen Produktion noch mehr als bisher Rechnung zu tragen haben, z. B. durch verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet des integrierten Pflanzenschutzes.
Die veränderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Entwicklungen auf den Agrarmärkten haben auch ein Überdenken der einzelbetrieblichen Förderung erforderlich gemacht. Natürlich muß man sich heute die Frage vorlegen, ob und wo die staatliche Agrarpolitik angesichts der Marktsituation noch Investitionshilfen geben kann. Wir -haben hier bereits reagiert, indem wir die Prosperitätsklausel im einzelbetrieblichen Förderungsprogramm schrittweise verschärft haben. Wenn wir hier nicht konsequent bleiben, d. h. uns neben der Entwicklungsfähigkeit auch an der Bedürftigkeit der Betriebe ausrichten, werden wir die ohnehin zunehmenden Konzentrationstendenzen in der Landwirtschaft noch begünstigen und die Chancen der bäuerlichen Veredelungsproduktion in unverantwortlicher Weise schmälern.
({7})
Das ist auch der entscheidende Grund für das Einziehen von Kapazitätsgrenzen bei der Förderung gewesen, z. B. bei der Milch, wo jetzt nur noch 60 Stallplätze gefördert werden und bei über 80 Stallplätzen die Förderung ganz aufhört.
Wir werden uns auch überlegen müssen, wie wir die Milcherzeugung, vorwiegend die mit Hilfe von Zukauffutter, eindämmen können, wobei außenhandelspolitische Zwänge die agrarpolitischen Lösungsmöglichkeiten außerordentlich stark einengen. Es ist jedoch in unsere Hand gelegt, die staatliche Unterstützung einer solchen Entwicklung zu immer größeren Einheiten ohne Bindung an die Fläche auf ein Minimum zu reduzieren.
({8})
In der Mastschweineerzeugung sehe ich schon die Gefahr heraufziehen, daß dieser vormals typisch bäuerliche Veredelungszweig in Großbetriebe abwandert. In den vergangenen Jahren haben wir mit den einzelbetrieblichen Förderungsprogrammen jährlich eine Kapazität für etwa 500 000 Mastschweine geschaffen. Das ist, wie die Marktlage für Schweinefleisch zunehmend zeigt, nicht unproblematisch, wenngleich ein Teil der genannten Kapazität auch ohne staatliche Förderung entstanden wäre. Teilweise hört man jetzt schon die Forderung, man müsse nun auch zu einer preispolitischen Absicherung für das mit staatlichen Mitteln geschaffene Produktionspotential kommen. Dies kann sicher nicht Sinn einer Förderung sein, die nur Hilfe zur Selbsthilfe sein will und sein kann.
({9})
Die neuesten Vorschläge zur Strukturpolitik aus Brüssel gehen erfreulicherweise in die von uns schon lange anvisierte Richtung. Auch dort hat man jetzt endlich die agrarpolitischen Zeichen der Zeit richtig gedeutet und das Augenmerk auf mehr Flexibilität der Förderung und stärkere Beachtung der tatsächlichen Bedürftigkeit förderungsfähiger Betriebe gelenkt.
Oft wird man heute aber zu der Erkenntnis kommen müssen, daß die realistischere Zukunftsperspektive für viele, vor allem kleinere Betriebe im Nebenerwerb liegt. Uns ist es in der Bundesrepublik Deutschland gelungen, das Kleinbauernproblem, von wenigen Ausnahmen abgesehen, über die Möglichkeit eines außerlandwirtschaftlichen Einkommens zu lösen. Wenn dabei die jüngeren Leute mit guter Ausbildung schon in der Vergangenheit besser gefahren sind als andere, so müssen wir dem Nachwuchs in den einkommensschwachen Betrieben heute erst recht klarmachen, wie lebenswichtig eine gute Ausbildung ist. Sie wird den jungen Leuten in der Zukunft die notwendige Flexibilität geben, allen denkbaren Entwicklungen optimal gewachsen zu sein.
Viele Landwirte bewegt heute die Frage, ob sie künftig mehr Steuern zahlen und eine Buchführung für das Finanzamt vorlegen müssen. Meine grundsätzlichen Vorstellungen zu diesem Problem sind ebenso wie die des Finanzministers weitgehend bekannt. Aus dem Finanzministerium liegt inzwischen ein Referentenentwurf vor. Er erfordert eine einBundesminister Ertl
gehende Prüfung, diese geschieht im Augenblick. Die Bundesregierung wird dann in angemessener Frist ihren Entwurf vorlegen.
Was die Markt- und Preispolitik angeht, so hat die Kommission inzwischen ihre Vorschläge unterbreitet. Sie stoßen bei den Landwirten verständlicherweise auf wenig Gegenliebe. Niemand, weder die Kommission noch die Bundesregierung, kann aber die Augen davor verschließen, daß wir hier angesichts der Lage auf wichtigen Agrarmärkten vor der Erschöpfung des verfügbaren Finanzvolumens stehen.
({10})
Dies erfordert Konsequenzen, nicht zuletzt deshalb, weil wir das weitere Funktionieren unserer Agrarmarktordnungen im Interesse unserer Landwirte nicht in Frage stellen wollen.
({11})
Ein positiver Aspekt für die deutsche Landwirtschaft ergibt sich aus der Einigung der acht am Europäischen Währungssystem beteiligten Mitgliedstaaten über die Regelung der Währungsausgleichsprobleme, die bislang wegen des französischen Junktims das Inkrafttreten des EWS verhindert hatten.
Preis- und Einkommenssenkungen aus der Anpassung von Währungsrelationen im EWS wird es demnach für die deutsche Landwirtschaft nicht geben. Die von Frankreich ins Spiel gebrachte Automatik ist vom Tisch. Das ist beschlossen. Wir sind damit in unserer konsequenten Haltung, in der wir die volle Unterstützung des Herrn Bundeskanzlers hatten, was ich mit Dank registriere, voll bestätigt worden.
({12})
Bemerkenswert fand ich ebenfalls, daß der Bundesverband der deutschen Industrie noch kürzlich unsere Haltung, d. h. die Ablehnung des Abbauautomatismus, voll unterstützt hat. Hier, also in der Auffasung, daß Währungsfragen im EWS nicht in einen gefährlichen Koppelungsmechanismus mit der Preisentwicklung im Agrarsektor gebracht werden dürfen, stimmen die Interessen der Landwirtschaft voll mit denen der Industrie überein.
Die Einigung sieht konkret folgendes vor:
1. Bei künftigen Leitkursänderungen wird wie bisher der Währungsausgleich automatisch erhöht, d. h. das nationale Agrarpreisniveau bleibt unverändert.
2. Für den Abbau solcher neu entstehender Währungsausgleichsbeträge haben sich die Mitgliedstaaten das Ziel gesetzt, diese in zwei Raten innerhalb von zwei Jahren zu beseitigen.
3. Bei diesem Abbau - und dies ist aus der Sicht der deutschen Landwirtschaft die entscheidende Frage - muß die Einkommensentwicklung berücksichtigt werden; auf keinen Fall darf der Abbau zu einer Preissenkung in nationaler Währung führen.
Nachdem damit die von Frankreich hergestellte Verknüpfung des EWS mit dem Währungsausgleich aufgelöst worden ist, konnte das EWS gestern in Kraft treten. Hoffen wir - auch im Interesse der
Agrarpolitik -, daß dieser zukunftsweisenden Entscheidung auf dem Währungssektor Erfolg beschieden sein wird.
Ein Wort noch zur anstehenden Erweiterung der Gemeinschaft um Griechenland, Portugal und Spanien. Diese Erweiterung ist ein allgemeinpolitisches Anliegen. Sie eröffnet sicher neue Chancen und Perspektiven, wird aber auch erhebliche, vor allem finanzielle Opfer von uns fordern. Wenn die aus übergeordneten politischen Gründen unumgänglichen Kosten jedoch wegen der agrarisch geprägten Wirtschaftsstruktur der Beitrittsländer wiederum auf dem Sektor der Agrarpolitik anfallen, so darf das selbstverständlich nicht der Agrarpolitik zum Vorwurf gemacht werden.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert: Die Gemeinschaft führt auch in ihrer internationalen Agrarpolitik kein selbstgenügsames Eigenleben. Sie ist eingebettet in die weltwirtschaftlichen Verflechtungen der Agrarmärkte und trägt dabei auch den welternährungspolitischen Anforderungen Rechnung. Ich" darf hier nur daran erinnern, daß die Gemeinschaft nach wie vor der größte Nahrungsmittelimporteur der Welt ist. Das ist unser Beitrag zum internationalen Handelsaustausch. Aber der Agrarhandel darf auch in Zukunft keine Einbahnstraße werden. Schon jetzt zeichnen sich in einigen Ländern der Dritten Welt, z. B. in Brasilien, Folgen einer einseitig auf den Export ausgerichteten Agrarproduktion ab. Die großflächige Umwandlung von Naturlandschaften in landwirtschaftliche Nutzflächen und deren Nutzung durch Monokulturen führt dort zu Umweltschäden, deren ganzes Ausmaß erst in einigen Jahrzehnten zu ermessen sein wird.
Seit einigen Jahren ist auf internationaler Ebene der Kampf um die natürlichen Schätze dieser Erde schärfer geworden. Das erfordert von uns einen besonnenen Umgang mit den begrenzt verfügbaren natürlichen Ressourcen. Das gilt ganz besonders für Rohstoffe, die zur Energiegewinnung dienen. Die Landwirtschaft kann und muß ihren Beitrag sowohl zur Energieeinsparung als auch zur Energiegewinnung leisten. Über Möglichkeiten dazu denken wir in meinem Hause gegenwärtig zusammen mit der Forschung intensiv nach. Wir haben auch die ersten Versuche anstellen lassen.
Zu den begrenzten .Schätzen dieser Erde gehören auch - wer hätte daran noch vor wenigen Jahren gedacht - die Fische in unseren Meeren und Gewässern. Um die Fischerei in bestimmten Gewässern und Meereszonen ist der Verteilungskampf besonders zäh geworden. Die deutsche Seefischerei ist davon 'in erheblichem Umfang betroffen und muß sich den neu geschaffenen Fakten anpassen. Die Bundesregierung hat eine angemessene Berücksichtigung der Drittlandsverluste der deutschen Fischerei bei der Verteilung der EG-internen Ressourcen gefordert und im Rahmen der Einigung zwischen acht EG-Staaten über die Quoten für 1978, der die EG-Kommission zugestimmt hat, auch erreicht.
Die für 1978 vereinbarten Quoten für die deutsche Fischerei überstiegen beträchtlich deren frühere Fänge im EG-Meer. So konnte eine ernste Gefährdung der Existenz der deutschen Seefischerei mit Ausnahme von Teilen der Ostseefischerei verhin11376
dert werden. Außerdem hat die Bundesregierung mit Hilfe eines Sofortprogramms versucht, unserer Fischwirtschaft über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Bis 1980 sind hierfür 87 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt vorgesehen.
Leider konnte innerhalb der Gemeinschaft die dringend erforderliche Einigung über die interne Fischereipolitik noch nicht erzielt werden. Nach wie vor blockieren überzogene britische Forderungen eine gemeinschaftliche Regelung. Das Ausbleiben der internen Regelung wiederum nimmt Großbritannien zum Anlaß, die Verabschiedung von EG-Rahmenabkommen mit Norwegen, Färöer, Schweden und Spanien zu blockieren. Immerhin ist es gelungen, mit diesen Drittstaaten trotzdem einen Modus vivendi auch für die gegenseitige Fischerei im Jahre 1979 zu vereinbaren. Nur besonderen Anstrengungen der Bundesregierung ist es zu danken, daß Großbritannien seinen Vorbehalt gegen das Interimsrahmenabkommen EG-Kanada fallen ließ und damit der Weg für die deutsche Fischerei im Jahr 1979 vor Kanada frei wurde. Ich kann nur hoffen, daß es in diesem Jahr endlich gelingt, die gemeinschaftlichen Fischereiprobleme zu lösen. Ich appelliere - in dieser Frage natürlich besonders mit Blick auf Großbritannien, aber auch allgemein - an alle Beteiligten in der Europapolitik, häufiger über den Tellerrand nationaler Eigenbröteleien hinwegzublicken und sich zu wirklich europäischen Lösungen durchzuringen. In einer Gemeinschaft ist eben ein ausgewogenes Geben und Nehmen gleichermaßen wichtig und letzten Endes auch vorteilhaft für alle.
Meine Damen und Herren, der Agrarbericht 1979 zeichnet ein realistisches Bild der altrar- und ernährungspolitischen Gesamtsituation. Ich meine, auch in meiner Rede hier habe ich heute weder schönzufärben noch schwarzzumalen versucht.
({13})
Es wird deutlich, daß die Agrarpolitik insgesamt schwieriger geworden ist.
Die deutsche Landwirtschaft hat trotz vieler Probleme erneut ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Ihre Leistungen, die uns allen zugute kommen, können sich weltweit und auch im Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten sehen lassen.
({14})
Die Landwirtschaft hat sich als ein vollwertiger Bestandteil der Industriegesellschaft bewährt. Ich habe schon verschiedentlich sagen können und wiederhole es hier, daß wir nicht nur eine der leistungsfähigsten Landwirtschaften der Welt haben, sondern daß der ländliche Raum auch insgesamt attraktiver geworden ist, und zwar für die städtische und ländliche Bevölkerung.
({15})
Dies nicht zuletzt deshalb, weil wir eine bäuerliche Landwirtschaft haben, die der weit überwiegende Teil unserer Gesellschaft in dieser Form auch in Zukunft erhalten wissen will.
({16})
Erfolge fallen uns allen nicht in den Schoß. Vor allem aber bei unseren Landwirten sind Mühe und harte Arbeit Voraussetzung für derartige Leistungen, wie sie im vergangenen Jahr wieder erbracht wurden. Ohne die tätige Mithilfe der Bäuerin über ihre Aufgaben als Hausfrau und Mutter hinaus sind sie kaum denkbar.
({17})
Ich darf daher wie in jedem Jahr die Einbringung des Agrarberichts schließen mit einem herzlichen Dank an den gesamten Berufsstand, in erster Linie aber an unsere Landfrauen.
An die nachwachsende Generation möchte ich gern appellieren, ihre Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung fortzusetzen.
Mit meinem Dank verbinde ich gleichzeitig den Appell an die Land- und Ernährungswirtschaft, die Agrar- und Ernährungspolitik der Bundesregierung weiterhin auch durch eigene Anstrengungen zu unterstützen.
Wir sitzen alle in einem Boot. Ich bin sicher, daß wir es auch in der künftig etwas bewegteren agrarpolitischen See auf geradem Kurs halten können. Dazu bedarf es des Gemeinschaftssinnes, wie er gerade auch bei der jüngsten winterlichen Schneekatastrophe gefordert und erwiesen wurde.
({18})
Meine Damen und Herren, damit ist der Agrarbericht. eingebracht. Herr Bundesminister ich danke Ihnen. Die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt findet in der morgigen Plenarsitzung statt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. März 1979, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.