Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/8/1979

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich eines Ereignisses gedenken, welches den Bundestag unmittelbar angeht. Vor 20 Jahren, am 19. Februar 4959, wurde der erste Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages nach Art. 45 b des Grundgesetzes, wie es dort heißt, „zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle" gewählt. Die Institution des Wehrbeauftragten war wesentlich als ein Instrument zur Sicherung des Primats der Politik gegenüber der Bundeswehr gedacht. Heute, 20 Jahre danach, können wir mit Genugtuung feststellen, daß der Vorrang politischer Entscheidungen als eine selbstverständliche Tatsache von allen, auch von unseren Soldaten, anerkannt wird. Gestützt auf dieses Vertrauen war es dem Wehrbeauftragten möglich, sich neben seiner im Auftrag des Parlaments ausgeübten Kontrollfunktion in zunehmendem Maße auch der Sorgen und Nöte der einzelnen Soldaten anzunehmen. Aus den Wechselbeziehungen zwischen parlamentarischer Kontrolle und Alltagswirklichkeit unserer Streitkräfte ist diese Institution nicht mehr hinwegzudenken. Im Namen des ganzen Hauses danke ich dem Herrn Wehrbeauftragten zugleich stellvertretend für seine vier Amtsvorgänger sowie allen Angehörigen des Amtes für ihre Tätigkeit in Wahrung der Interessen des Parlaments und zum Wohle der Bundeswehr. ({0}) Ich darf dem Hause mitteilen, daß die Fraktion der CDU/CSU für die Kollegin Frau Geier, die ihr Amt als Schriftführerin niedergelegt hat, die Kollegin Frau Dr. Riede ({1}) als Schriftführerin vorgeschlagen hat. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist Frau Kollegin Dr. Riede ({2}) als Schriftführerin gewählt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführten Beratungspunkte ergänzt werden: 1. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Siebenten Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern ({4}) ({5}) Berichterstatter: Abgeordneter Vogel ({6}) 2. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({7}) zu dem Gesetz über die Änderung des Ehenamens ({8}) ({9}) Berichterstatterin: Frau Minister Dr. Rüdiger 3. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes ({10}) a) Bericht des Haushaltsausschusses ({11}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({12}) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dübber b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({13}) ({14}) Berichterstatter: Abgeordneter Wohlrabe Abgeordneter Dr. Diederich ({15}) ({16}) Ist das Haus auch damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist die Erweiterung der Tagesordnung so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 2 unserer Tagesordnung auf: a) Große Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP zur Politik der Friedenssicherung durch Verteidigung und Entspannung und zum Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle - Drucksachen 8/2195, 8/2587 - b) Große Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU Erhaltung und Festigung des Friedens durch Sicherheit, Rüstungskontrolle, Abrüstung und den Abbau der politischen Spannungsursachen - Drucksachen 8/2312, 8/2587 Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst für die SPD-Bundestagsfraktion bedauern, daß der Herr Bundesaußenminister heute nicht in der Lage ist, sich an dieser Debatte selber zu beteiligen. Wir' wünschen ihm von Herzen eine schnelle Genesung. ({0}) Die SPD-Bundestagsfraktion hat auf Anregung ihres Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner die Initiative zu dieser Debatte ergriffen. Wir haben unsere Fragen für die Große Anfrage im Frühherbst vorgelegt. Wir danken der Bundesregierung für die vorliegende Antwort. Sie nimmt wesentliche Elemente des grundsätzlichen Beitrages auf, den der Herr Bundeskanzler im Frühjahr bei der UNO-Abrüstungskonferenz in New York gehalten hat. Wir sind dem Bundeskanzler besonders dankbar, daß er in einer so wegweisenden Form bei der UNO-Abrüstungskonferenz den Beitrag der Bundesrepublik Deutschland für die Entspannungspolitik verdeutlicht hat ({1}) Wir sind der Auffassung, daß die hier dargelegte Politik der Bundesregierung fortgesetzt werden muß, um den Prozeß der Entspannung zwischen Ost und West zu fördern und dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern. Dazu sollten auch künftig konkrete Maßnahmen eingeleitet werden. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Großen Anfrage, die durch Art und Umfang der Anfrage der Opposition entstanden sind. Das erste Wort sollte der Bewertung der Sicherheit gelten. Unsere Sicherheit ist zur Zeit gewährleistet Wir wehren uns gegen die Panikmache derjenigen, die uns einreden wollen, daß die Sicherheit der NATO-Staaten zur Zeit nicht gegeben ist. ({2}) Die NATO ist in der Lage, vor einem Angriff auf ihre Territorien wirksam abzuschrecken. Die Sicherheitspolitik des Bündnisses hat sich als friedenserhaltender Faktor bewährt. Die Verteidigungsfähigkeit und die Bündnissolidarität der Allianz gewährleisten, daß kein Staat unserer Allianz erpreßbar ist. Die sozialliberale Koalition hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, daß der Dialog und die praktische Zusammenarbeit zwischen West und Ost gestärkt werden konnte und daß dadurch die Konfrontation in Europa erheblich abgebaut wurde. Wir haben die seit 1967 von allen NATO-Staaten akzeptierte Sicherheitskonzeption, nämlich Sicherheit durch verteidigungspolitische Anstrengungen und rüstungskontrollpolitische Maßnahmen zu erreichen, ernst aufgenommen und durch unsere Politik seit 1969, durch konstruktive Politik, ausgefüllt. In diese politische Übereinstimmung, die mit dem Namen des ehemaligen belgischen Außenministers Harmel verbunden ist, haben wir unsere Ost- und Deutschlandpolitik eingebaut, u. a. mit dem Ziel, den Gewaltverzicht in Europa in Verträgen festzuschreiben. Dieses Ziel ist durch die Vertragspolitik erreicht worden. Im zweiten Schritt - der jetzt vollzogen wird - kommt es darauf an, den Gewaltverzicht im miltärischen Bereich zur Anwendung zu bringen. In dieser Phase II sind dafür die Verhandlungsebenen die Verhandlungen in Wien über konventionelle Waffenreduzierung, MBFR genannt, und die Verhandlungen der beiden Großmächte über die strategischen Nuklearwaffen, die SALT-Verhandlungen. Instrument dieser Politik ist auch die KSZE-Politik. Die zweite Folgekonferenz der KSZE wird im Herbst 1980 stattfinden. Wir hoffen dort auf Ergebnisse, die über die von Belgrad hinausgehen. Diese Politik ist Sicherheitspolitik. Die Opposition behauptet; sie trage diese Politik mit. Ich finde, sie ist dafür den Beweis bisher schuldig geblieben. ({3}) Die Grundlagen für diese Politik in der zweiten Phase sind in der Zeit der Vertragsverhandlungen in der Legislaturperiode von 1969 bis 1972 und danach gelegt worden. Bei der parlamentarischen Entscheidung über die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland dem Atomwaffensperrvertrag beitreten soll oder nicht, haben Sie, die Opposition, zu keiner einheitlichen Entscheidung gefunden. Die eine Hälfte hat dafür gestimmt, die andere dagegen. Ich frage: In welcher außenpolitischen Lage wäre die Bundesrepublik, wenn sie diesem Vertrag nicht beigetreten wäre und damit vor der Welt nicht ganz klargemacht hätte, daß sie ein Interesse am Besitz von Nuklearwaffen nicht hat? ({4}) Ich frage, um wieviel negativer die Forderung z. B. von Herrn Strauß von anderen Staaten eingeschätzt würde, die Bundesrepublik sollte notfalls in einer isolierten Entscheidung in Europa bilateral mit den Vereinigten Staaten Nuklearwaffen hier aufnehmen. Sie haben sich zweitens bei der Abstimmung über den UNO-Beitritt entsprechend unentschieden verhalten. Ich kann mir die wirksame Wahrnehmung der sicherheits- und friedenspolitischen Interessen der Bundesrepublik außerhalb der UNO, aber bei Anwesenheit der DDR in der UNO überhaupt nicht vorstellen. Wir haben drittens zu verzeichnen, daß die OstVerträge von Ihnen mit überhaupt keinem Votum versehen worden sind. Sie haben nicht den Mut aufgebracht, sich hier zu entscheiden. Wir lebten heute nicht so sicher, wenn wir nicht die Ost-Verträge zur Grundlage unserer Außenpolitik zur Verfügung hätten. ({5}) Was Ihre Beiträge zur KSZE-Politik angeht, so haben Sie noch in der Schlußdebatte gefordert, daß sich die Bundesrepublik als einziger der 35 beteiligten Staaten nicht beteiligen sollte. ({6}) Es würde eine Kooperationspolitik aller europäischen Staaten einschließlich der Vereinigten Staaten und Kanadas unter Ausschluß der Bundesrepublik stattfinden. Kann sich jemand vorstellen, wie das für die Bundesrepublik politisch aussehen würde? Wir können am Beispiel dieser KSZE exzellent nachweisen, wie sehr sie mit Ihren politischen Grundsatzentscheidungen irren. Sie haben damals davor gewarnt, dieser KSZE-Politik beizutreten, weil sie die Vereinigten Staaten in Distanz zu Westeuropa bringe. Genau das Gegenteil ist eingetreten. ({7}) Sie haben davor gewarnt, weil Sie glauben, daß dieses sich verbindende Westeuropa wieder zerfasern würde. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Europäische Gemeinschaft hat nie so einheitlich außenpolitisch agiert wie gerade während der KSZE-Verhandlungen. Heute sprach die EG auch als Verhandlungspartner gegenüber dem Warschauer Pakt mit einer Stimme. Das haben Sie damals für unmöglich gehalten. Die Bundesrepublik wäre insgesamt in einer unerträglichen außenpolitischen Isolierung, wenn diesen Ihren Ratschlägen in der Vergangenheit gefolgt. worden wäre. Da Sie diese Grundlagen, auf denen die Rüstungskontrollpolitik aufbaut, nicht mitgetragen haben, können Sie die zweite Phase auch nicht anders als in der uns allen bekannten Form begleiten. Ich kann hier nur feststellen: Unsere Entspannungspolitik hat sich bewährt. Wir haben sie auf Europa konzentriert. Niemand wird bestreiten können, daß die politische Lage in Europa erheblich verbessert worden ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Pawelczyk, können Sie bestätigen, daß die sozialdemokratische Fraktion gegen den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum westlichen Bündnis war, und wie würden Sie es beurteilen, wenn wir daraus Konsequenzen für die Bündnistreue der SPD zögen? ({0})

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mertes, können Sie bestätigen, daß unser Fraktionsvorsitzender Herbert Wehner im Juni 1960 in einer Grundsatzrede im wesentlichen in fünf Punkten die Außenpolitik der SPD erklärt hat? Bündnispolitik, Freihalten West-Berlins, Wahrnehmung der deutschen Interessen durch verteidigungspolitische Maßnahmen in Verbindung mit der Aufnahme von Kooperation zu den Staaten des Warschauer Paktes, damit die Sicherheit der Bundesrepublik gefestigt werden kann. ({0}) Mit dieser Grundsatzrede haben alle diejenigen, die Zweifel hatten, die Zweifel ausgeräumt bekommen. Ich kritisiere, daß Sie gegen diese Politik vorgehen, aber die Verträge und den Zugewinn, den wir erwirtschaftet haben, geradezu als Checkliste benutzen und die Fortschritte, die wir dadurch erreicht haben, als nicht weitgehend und nicht schnell genug disqualifizieren. ({1}) Sie haben zwei Tage Zeit. Kommen Sie hierher, korrigieren Sie Ihre außenpolitischen Grundlagen, dann können wir über diese Fragen viel besser reden. ({2})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich gestatte keine Frage mehr. Ich sehe nämlich, daß meine Zeit dann weiterläuft.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

So ist es, Herr Abgeordneter. Das ist leider die Übung.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich dachte, diese Zeit würde mir nach der Geschäftsordnung nicht angerechnet.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Nein, Herr Abgeordneter, das sieht die Geschäftsordnung leider nicht vor. Aber die Entscheidung, ob Sie eine Frage beantworten wollen oder nicht, liegt ganz in Ihrem Ermessen.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist schade. Ich würde nämlich gern Fragen beantworten, weil ich dann noch mehr Zeit hätte, die Politik der SPD zu begründen. ({0}) Da brauchen wir uns ja nicht zu schämen: Wir haben Erfolge vorzuzeigen. Daß Ihnen das nicht gefällt, ist eine andere Sache. Europa gehört heute zu den sichersten Regionen der Welt. - Darüber lacht der Vorsitzende der Oppositionsfraktion. Das kann ich nicht verstehen. Herr Kohl, Sie werden hier ja selber noch reden und werden vielleicht den Gegenbeweis antreten wollen. Wer behauptet, daß Europa heute nicht zu den sicherheitspolitisch sichersten Regionen der Welt gehört, hat die Politik nicht richtig verfolgt. ({1}) Heute wird es für unwahrscheinlich gehalten, daß Europa Ausgangspunkt einer neuen kriegerischen Auseinandersetzung wird. Statt die Entspanungspolitik zu unterstützen, erklären führende Oppositionspolitiker sie für gescheitert. Wer diese Politik zerstört, muß aber wissen, was er dabei zugleich mitzerstört. Er zerstört gleichzeitig den Konsens, den wir in der HarmelKonzeption gefunden haben, der Konzeption nämlich, Sicherheit durch verteidigungspolitische Maßnahmen und Entspannungspolitik zu finden. Das ist heute die Geschäftsgrundlage zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Wer die Entspannungs11122 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode politik zerstört, zerschlägt diese gemeinsame Grundlage, der führt uns zurück in den Kalten Krieg. ({2}) Er zerstört zweitens den gemeinsamen politischen Boden innerhalb der NATO. Denn dies ist der gemeinsame Boden aller NATO-Staaten, der Boden, auf dem Holland, Skandinavien, Belgien und alle anderen Staaten mit uns gemeinsam stehen. Es gibt zu dieser Konzeption keine Alternative, wenn man das Bündnis zusammenhalten will, und das wollen wir. Meine Damen und Herren, wir, die Bundesrepublik Deutschland, würden im übrigen am schlechtesten dabei fahren. Wenn dieser Konsens verlorenginge, wäre die Bundesrepublik am ärgsten betroffen. Wir haben das Berlin-Problem, nicht andere. Wir haben dazu beizutragen, daß der Verkehr auf den Transitwegen risikolos läuft. Wir haben dafür zu sorgen, daß Familienzusammenführungen stattfinden können. Wir brauchen deshalb Partnerschaft nach West und Ost. Unsere Sicherheit dazu finden wir allerdings ausschließlich in der Nordatlantischen Allianz unter Führung der Vereinigten Staaten. Die Sicherheitsinteressen aller NATO-Staaten sind gleichgerichtet. Gegen diesen Konsens darf man nicht vorgehen. Es geht für uns nicht um die Ablösung der Entspannungspolitik, sondern darum, diese Politik fortzusetzen, konkrete Verhandlungsergebnisse im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung zu schaffen. Ostverträge und konkrete Ergebnisse in diesem Bereich der Politik sind zwei Phasen derselben Politik, die wir 1969 begonnen haben. Die auf Entspannung ausgerichtete Außenpolitk muß verteidigungspolitisch abgedeckt sein. Deshalb haben wir doch so große Anstrengungen unternommen, um das Sicherheitsinstrument der Bundesrepublik, die Bundeswehr, auszubauen. Sie genießt heute im In- und Ausland hohe Anerkennung. Wir Sozialdemokraten haben drei hervorragende Politiker, nämlich Helmut Schmidt, Georg Leber und Hans Apel, ({3}) als Verteidigungsminister eingesetzt, um damit zu unterstreichen, welchen Wert wir der Sicherheit zumessen. ({4}) - Meine Damen und Herren, ich würde doch diejenigen bei Ihnen, die hier etwas hämisch lächeln, bitten: Fahren Sie doch herum! Unterhalten Sie sich mit denen, die Verantwortung tragen, in West und Ost und diskutieren Sie mit ihnen über den Wert der Bundeswehr! Dann werden Sie das bestätigt bekommen. Die Tatsache, daß die Warschauer-Pakt-Staaten in den Vertragsverhandlungen intensiv versuchen, die Bundeswehr mit einzubeziehen, ist doch mit ein Beispiel dafür. Aus der Antwort auf die Große Anfrage ergibt sich, in welcher Weise wir den Beitrag geleistet haben. Der Verteidigungsetat ist während unserer Zeit praktisch verdoppelt worden. Unter sozialdemokratischer Verantwortung ist die Bundeswehr zum ersten Mal auf die Umfangszahl gebracht worden, die Sie der NATO versprochen haben, ohne das Versprechen je gelöst zu haben. ({5}) Wir haben ein Modernisierungsprogramm für Waffen und Material - es ist entschieden, zum Teil realisiert in einem Umfang von 40 bis 50 Milliarden DM aufgelegt. Wir haben den Angehörigen der Bundeswehr dafür zu danken, daß sie zugunsten dieser verteidigungspolitischen Maßnahmen einen gewissen Rückstau im sozialpolitischen Bereich in Kauf genommen haben. Wir sind der Meinung, daß dieser Nachholbedarf jetzt Vorrang hat und jetzt gedeckt werden muß. ({6}) Diese unsere sicherheitspolitische Seite der Politik, der Außenpolitik, werden wir auch in Zukunft ernst nehmen. Wir sind über das Ausmaß, die Zunahme der Zahl sowjetischer Mittelstreckenraketen besorgt. Der Bundeskanzler selbst hat bereits 1977 auf diese Gefahr hingewiesen. Die Tatsache, daß wir ein NATO-Langzeitprogramm nicht nur beschlossen haben, sondern daß es sich in der Realisierung befindet, ist ein Ergebnis dieser Bewertung. Wir brauchen hier nicht die Ermahnung der Opposition; wir brauchen schon längst nicht ihre übertriebenen Reaktionen. Unsere Sicherheit ist gewährleistet. Ich möchte an die Adresse der Opposition sagen: Unterlassen Sie es, die Beistandsverpflichtung der Vereinigten Staaten in Zweifel zu ziehen! ({7}) - Natürlich: die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. ({8}) Erst jüngst lese ich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", daß Ihr Fraktionskollege Müller-Hermann - mit einer entsprechenden Bewertung der amerikanischen Regierung - dies ausdrücklich tut. Ich kann Ihnen die Unterlage geben, wenn Sie sie brauchen. Aber ich nehme an, daß Sie es selber gelesen haben. ({9}) Heute ist Sicherheit vorhanden. ({10}) - Natürlich! - Die Behauptung, daß die Sicherheit für die Bundesrepublik in den 80er Jahren nicht mehr gegeben sei, geht insofern an den Tatsachen vorbei, als sie auf Grund einer Analyse begründet wird, die davon ausgeht, daß der Warschauer Pakt zunehmend Rüstungsmaßnahmen trifft, ohne daß die NATO reagiert. Jeder, der die Politik verfolgt, kann zur Kenntnis nehmen, daß die NATO reagiert. Zerreden Sie also nicht unsere eigenen Sicherheitsleistungen! ({11}) Ich möchte Sie aber bitten, Ihr Augenmerk nicht nur auf diesen Teil unserer Politik zu lenken. Denn neben Maßnahmen der Verteidigungspolitik haben wir die Rüstungskontrollpolitik genauso ernst zu nehmen. Der nahezu ungebrochene Rüstungswettlauf schafft zunehmend Probleme. Es muß das Bemühen beider Seiten sein, in diesen Rüstungswettlauf einzugreifen. Wir müssen uns darum bemühen, daß der Automatismus - militärische Forderung, Entwicklung, Erprobung, Produktion, Einführung in die Streitkräfte - auf beiden Seiten . unterbrochen werden kann. ({12}) Wir müssen dahin kommen, daß über Waffensysteme nicht erst verhandelt wird, wenn sie eingeführt sind. Wir müssen einen Weg finden, zu verhandeln, bevor Waffensysteme eingeführt werden. Hier sollten Sie sich, finde .ich, mit uns und nicht gegen uns engagieren. ({13}) Der sicherheitspolitischen Logik folgend, muß ich hier auch feststellen, daß wir zwar Rüstungsprogramme brauchen, daß sie aber so flexibel aufgebaut sein müssen, daß sie unterbrochen werden können,-wenn wir durch außenpolitische Entscheidungen andere, nämlich rüstungskontrollpolitische, Entscheidungen bekommen können. Für diese Politik ist es erforderlich, daß das subjektive Sicherheitsbedürfnis jeder Seite voll mit in Rechnung gezogen wird. Der Versuch, zu einer politischen Lösung beizutragen, ist jedoch kein Verzicht auf Waffenmodernisierung generell. Ich warne alle diejenigen, die immer wieder so tun, als ob der Westen das bei den Nuklearverhandlungen oder bei den Wiener Verhandlungen getan hätte. Wir haben nirgends einen Modernisierungsverzicht ausgesprochen; wir werden einseitige auch nicht aussprechen. Wir werden aber dafür wirken, daß durch rüstungskontrollpolitische Maßnahmen die Waffenmodernisierungsprogramme auf beiden Seiten gleichzeitig gedrosselt werden. Das sind unsere Anstrengungen, denen Sie sich gerne anschließen dürfen. Wir werden in diesem Jahr, wie wir alle wissen, eine intensive Diskussion über Mitverantwortung, Dislozierung und Kostenbeteiligung an neuen nuklearen Mittelstreckenwaffen haben, d. h., wir führen sie bereits. Hüten wir uns vor vorschnellen Rüstungsentscheidungen! Nach aller Erfahrung sind sie nicht mehr rückgängig zu machen, wenn das Ergebnis dieser Entscheidungen so aussieht, daß die Systeme bereits in der Truppe stationiert sind. Statt dessen sollten wir politische Anstrengungen unternehmen, um bestehende regionale Ungleichgewichte im Verhandlungswege auszugleichen. Erst wenn das nicht gelingt, müssen und werden wir verteidigungspolitisch reagieren. Wir wollen also nicht aufrüsten, um abzurüsten; wir wollen versuchen, einen anderen Weg durch kluge Außenpolitik zu öffnen. Die gegenwärtige Diskussion über Mittelstreckenwaffen muß in diesen Gesamtzusammenhang der Politik aufgenommen werden. Wenn ich mir die Mittelstreckenwaffendiskussion der Opposition ansehe, so fallen mir drei Stichworte ein: erstens Übertreibung, zweitens Renationalisierung, drittens Rüstung vor Rüstungskontrolle. Damit sind wir nicht einverstanden. Das haben wir vielfach zum Ausdruck gebracht; wir werden es heute und morgen wieder tun. ({14}) Herr Dregger - weil Sie hier sitzen, will ich Sie gleich ansprechen -, was bezwecken Sie z. B. damit, in einer maßlosen Übertreibung das Potential, den Potentialzuwachs bei der SS 20 darzustellen? Sie sprechen davon, daß die Sowjetunion 1978 bereits 600 SS 20-Raketen, also nukleare Mittelstreckenwaffen, besessen habe. Herr Zimmermann mußte sich auf der internationalen Wehrkundetagung in München von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bestätigen lassen - das können Sie in der Ausgabe vom 20. Februar 1979 nachlesen -, daß er als Übertreiber ertappt worden sei. In der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 23. Februar 1979 erklärt uns Herr Ruehl, ({15}) daß der Warschauer Pakt Anfang 1979 zwischen 120 und 135 dieser Raketen auf 40 bis 45 Startrampen habe. Und bei Ihnen hat sie 1978 bereits 600. ({16}) Her Strauß und Herr Zimmermann gehen so weit, die Bundesrepublik in eine Sonderrolle treiben zu wollen. Herr Zimmermann in München, nachzulesen in Ihrer Rede - Zitat -: „Sie" - die Bundesrepublik Deutschland - „muß selbst dann votieren, wenn sie hierdurch in eine europäische Sonderrolle käme. Es geht schließlich um ihre eigene Existenz." ({17}) Der letzte Satz ist völlig richtig. ({18}) Es geht hier um unsere eigene Existenz. Gerade deswegen können wir eine Sonderrolle im Bereich der Nuklearwaffenpolitik innerhalb Europas überhaupt nicht gebrauchen. ({19}) Ein Bilateralismus, der sich auf diesem Wege entwickelte, wäre ein erster Schritt zu einer Renationalisierung. Kein europäischer Staat, auch kein westeuropäischer, würde diese Politik mit uns gemeinsam gehen. ({20}) Herr Kollege Wörner, Sie sagen doch auch, die NATO brauche in Europa eigene Waffen, was auch immer unter „eigenen" zu verstehen ist. ({21}) - Nein, nein. Ich gebe zu, daß Sie eine Entwicklung durchgemacht haben, für die ich viel Sympathie habe, von Ihren ersten Äußerungen auf Ihrem wehrpolitischen Kongreß in Kiel bis hin zu Ihren letzten. Das ist in Ordnung. ({22}) - Das finde ich auch gut, weil es den Auffassungen unserer Politik entgegenkommt. ({23}) Im Gegensatz zu dem, was Sie nach wie vor vertreten, Herr Wörner, vertreten wir die Auffassung, daß gerade die Jahre, die wir jetzt zur Verfügung haben, in denen die nuklearen Mittelstreckenwaffen, auch wenn sie jemand einführen wollte, noch gar nicht eingeführt werden können, weil sie vor Anfang der 80er Jahre überhaupt nicht produziert werden können, intensiv für Verhandlungen nutzen müssen. Schon heute befinden sich an keinem anderen Ort der Welt so viele Waffen und Soldaten wie auf dem Boden der Bundesrepublik und der DDR zusammengenommen. Wie wollen Sie es denn verantworten, nicht zunächst einen Versuch auf dem Verhandlungswege zu machen mit dem Ziel, die Entwicklung neuer Nuklearwaffen zu verhindern? ({24}) Das wäre doch praktisch eine Unterbrechung von ,Verhandlungen, die genauso schädlich ist. ({25}) Die Sowjetunion hat ihre Bereitschaft erklärt, über Mittelstreckenwaffen zu verhandeln. Das ist ein großer Erfolg, den die Bundesregierung anläßlich des Besuchs von Herrn Breschnew in Bonn erzielt hat. Es ist der Bundesregierung gelungen, das zu erreichen. Wir haben die Sowjetunion da noch nicht beim Wort genommen. Sie wird beim Wort genommen, wenn der SALT-II-Vertrag unterschrieben ist. Das heißt: Der Versuch steht noch bevor. Es ist keine seriöse Politik, die Aufrüstungsentscheidung zu treffen, bevor überhaupt versucht worden ist, ob wir nicht auf einem anderen Wege Sicherheit schaffen können. ({26}) Wenn allerdings dieser Versuch fehlgeht, sind wir der Meinung - das haben wir x-fach erklärt -, daß wir dann verteidigungspolitisch reagieren müssen. Daran gibt es doch gar keinen Zweifel. ({27}) - Nein, das habe ich doch schon gesagt. Indem ich mich gegen Herrn Strauß und Herrn Zimmermann stelle. Wir Sozialdemokraten werden uns nicht in eine Einzelgängerrolle, in eine singuläre Rolle in Westeuropa drängen lassen. ({28}) Als letzten in diesem Komplex will ich Herrn Kiep ansprechen. Herr Kiep erklärte z. B., die Frage der tatsächlichen Einrichtung von Mittelstrekkensystemen könne von der sowjetischen Verhandlungsbereitschaft abhängig gemacht werden. Das ist mir schon viel sympathischer. Nur haben wir davon nicht sehr viel, weil Herr Kiep sich weder bei der CDU noch bei der CSU mit seinen außenpolitischen Vorstellungen durchsetzen kann. Das wissen wir seit 1969. Ich stelle hier für uns folgendes fest. Wir halten daran fest: Es wird im Nuklearwaffenbereich keine nationalen Entscheidungen der Bundesrepublik geben. Zweitens. Wir werden auch in Zukunft alle sicherheitspolitischen Entscheidungen im Bündnis gemeinsam treffen. Meine Damen und Herren, sehen Sie sich die Äußerungen Ihrer eigenen Politiker an: Es gibt gravierende Unterschiede in den Darstellungen Ihrer Spitzenpolitiker. Herr Wörner, um Sie noch einmal anzusprechen, Sie sagten in Kiel - auf diesen Satz bin ich schon eingegangen -: Notfalls muß Europa darangehen, seine eigenen cruise missiles - das sind Nuklearwaffen zu entwickeln. ({29}) - Nein, nein. Ich habe doch den Satz hier vorliegen. Sie sagten, Europa müsse notfalls seine eigenen Nuklearwaffen entwickeln. Ich kann doch diesen Satz nur so verstehen: Es könnte doch sein, daß wir der Beistandsgarantie der Vereinigten Staaten nicht vertrauen dürfen. Wer so redet, der führt Abkopplung von den USA herbei. Davor kann ich nur warnen. ({30}) Einige Bemerkungen zum SALT-II-Abkommen. Aus rein westeuropäischer Sicht könnte auch ich mir ein günstigeres SALT-II-Abkommen vorstellen, z. B. was die Einbeziehung der SS 20 angeht. Nun ist das aber kein rein europäisches und schon längst nicht ein rein westeuropäisches Abkommen. Es ist ein Abkommen. der beiden Führungsmächte, und wir haben uns zu fragen, ob unsere berechtigten Sicherheitsinteressen in diesem Abkommen der beiden Führungsmächte aufgenommen sind und Berücksichtigung gefunden haben. Hierzu kann ich feststellen, daß der Kompromiß, den die beiden Großmächte miteinander geschlossen haben, sehr wohl berechtigte Interessen der Bundesrepublik aufgenommen hat. ({31}) - Was ich sage, kann man aus dem Abkommen bereits jetzt entnehmen. Unsere Grundbedingungen sind: 1. Westeuropas Sicherheit beruht auf dem militärischen Beistandsversprechen der Vereinigten Staaten, nuklear und konventionell. Es gibt keinen Anlaß, diesem Versprechen zu mißtrauen. Ganz im Gegenteil. Wer die Verhandlungen verfolgt - auch Sie können sie insoweit verfolgen -, muß bestätigen, daß die Wahrung der europäischen Sicherheitsinteressen von den Vereinigten Staaten wahrgenommen worden ist. 2. Die Vereinigten Staaten verfügen auf absehbare Zeit über ein Nuklearwaffenpotential, das imstande ist, das sowjetische abzudecken. Damit ist die Abschreckung auch in Zukunft garantiert. Das erkennbare SALT-II-Abkommen läßt genügend verteidigungspolitische Möglichkeiten offen, um im negativen Fall reagieren zu können und um dafür zu sorgen, daß wir nicht erpreßbar werden. Die Vereinigten Staaten haben die SALT-Verhandlungen in enger Konsultation mit den europäischen Verbündeten geführt. Unsere grundlegenden Sicherheitsinteressen sind berücksichtigt. Die Überlegenheit der Mittelstreckenwaffen der Sowjetunion kann noch durch Potentiale der Vereinigten Staaten abgedeckt werden. An die Adresse der Gegner des SALT-Abkommens möchte ich sagen, daß es an der Zeit ist, sich auch einmal die Nachteile einer Ablehnung genau durch den Kopf gehen zu lassen. Es ist im übrigen an der Zeit, daß die Vorteile, die SALT II hat, auf den Tisch kommen und von uns mitdiskutiert werden. SALT II darf nicht als ein isolierter Vorgang betrachtet werden. Nur nach einer Ratifizierung des SALT-II-Abkommens wird es möglich sein, über andere Nuklearwaffen, Mittelstreckenwaffen, also alle, über die noch an keinem Tisch verhandelt wird, zu verhandeln. Sie müssen in die Verhandlungen einbezogen werden. Sie schaffen es nur durch SALT II. Nur daurch wird unser eigenes Sicherheitsinteresse auch in Zukunft berücksichtigt werden können. Nur wenn SALT II ratifiziert ist, haben wir eine gute Chance, die Verhandlungen über die Reduzierung konventioneller Truppen in Wien in angemessener Zeit zu einem guten Ergebnis zu führen. ({32}) Nur über diese Ratifizierung haben wir die Chance, die zweite KSZE-Folgekonferenz 1980 in Madrid zu einem besseren Ergebnis zu führen als die erste in Belgrad. Wenn dieser SALT-II-Vertrag nicht ratifiziert wird, wird die Welt unsicherer. ({33}) Es wird außerdem folgendes eintreten. Erstens. Gibt es kein SALT II, so gibt es keinen Vertrag, der die beiden Großmächte bindet, sich im weiteren qualitativen und quantitativen Aufwuchs von Nuklearpotential zurückzuhalten. Es gehört doch nicht viel dazu, sich auszumalen, was dann wohl geschehen würde. Es würde einen neuen gravierenden Rüstungswettlauf geben, weil jeder Angst hat, daß der andere eine Erstschlags-Kapazität gewinnt. Malen Sie sich aus, wie dann die Welt aussehen würde. ({34}) Zweitens. In dem Atomwaffensperrvertrag - dem Sie ja nicht so gern beitreten wollten - haben die beiden Großmächte den übrigen Staaten der Welt versprochen, daß sie Zurückhaltung in der Nuklearwaffenpolitik üben werden und sich selber an Reduzierungen beteiligen werden. ({35}) Wenn es keine Bindung durch Verträge geben wird, werden einige Staaten, Schwellenmächte, technisch hochstehende Staaten, die heute nicht Atomwaffenstaaten sind, sich überlegen, den Nuklearwaffenstatus zu gewinnen. Wie soll die Welt eigentlich sicherer gemacht werden, wenn zu der Zahl der jetzt bestehenden Nuklearmächte noch neue hinzukommen? Drittens. Die außenpolitische Stabilität in Europa, die heute besser aussieht als jene in den meisten Regionen der Welt, würde erneut gefährdet und aufs Spiel gesetzt werden. Die Vorteile einer SALT-II-Ratifizierung sind für Europa und die Welt wesentlich größer als die Nachteile. Wir wünschen die Ratifizierung. Wir gehen davon aus, daß wir anschließend eine gute Möglichkeit haben, die MBFR-Verhandlungen stärker in den Vordergrund zu stellen. Wir wissen alle, daß der Bundeskanzler 1976 eine MBFR-Initiative angekündigt hat. Sie ist in der Regierung anschließend entwickelt worden, in der NATO akzeptiert und dem Warschauer Pakt vorgelegt worden. ({36}) - Das ist alles Quatsch, was Sie da erzählen. ({37}) Der Warschauer Pakt hat in der Antwort auf diese westliche Initiative so qualifiziert reagiert wie nie zuvor. Es hat eine bedeutsame Annäherung in den prinzipiellen Fragen dieser Verhandlungen gegeben. Ich glaube, wir müssen der Bundesregierung dankbar sein, daß sie eine Initiative entwickelt hat, die dieses Entgegenkommen ermöglicht hat. ({38}) - Das ist gar nicht wahr. Herr Wehner ist der Auffassung - und diese können wir auch alle teilen -, daß die qualifizierte Antwort des Warschauer Paktes es verdient, daß wir zügig daranbleiben, noch bestehende Maßverständnisse jetzt aufzuklären, damit die positiven Ergebnisse endlich zu einem ersten Abkommen geführt werden. ({39}) - Hierzu sagt Herr Mertes, ein erstes MBFR-Abkommen wäre unglaublich. ({40}) - Er meint sich selbst. Na gut! Der nach wie vor bestehende Unterschied in den Fragen der Parität und der Kollektivität bleibt aufzuklären. In beiden Fragen hat sich die andere Seite bewegt. Ich glaube, daß es an der Zeit ist und auch eine Möglichkeit gibt - in diesem Punkt, Herr Mertes, waren wir uns, wie ich glaube, schon einmal einig -, die gegenseitige Kompromißfähigkeit in diesen Substanzfragen auszuloten. Meiner Meinung nach ist es dazu nötig, eine politische Grundsatzentscheidung auf hoher politischer Ebene zu treffen, um den Verhandlungsdelegationen dann die entsprechenden Anweisungen zu geben. ({41}) Wir werden keiner Regelung zustimmen, die nicht das Datenproblem aufklärt. Wir werden auch keiner Regelung zustimmen, die dazu führen könnte, daß der Warschauer Pakt ein Mitentscheidungsrecht über bündnisinterne Entscheidungen im sicherheitspolitischen Bereich bekommt. Ich sehe diese Gefahren auch nicht. Ich glaube, wir müssen mit dem Warschauer Pakt darüber verhandeln - und sie haben ein Recht, mit uns darüber zu verhandeln -, in welcher Weise die Bundeswehr an Reduzierungsschritten beteiligt wird. Hier will ich als meine Meinung sagen, daß ich der Auffassung bin, daß es richtig wäre, wenn die Bundesrepublik mit der Bundeswehr prozentual etwa gleich stark jeden Reduzierungsschritt mitmacht, den die westeuropäischen NATO-Staaten mit ihren Landstreitkräften vornehmen. ({42}) Darüber kann und muß verhandelt werden. Darüber hinaus muß ich feststellen, daß die sogenannte Option 3 - also das Verhandlungsangebot: Abzug eines Teils der amerikanischen Nuklearwaffen gegen den Abzug sowjetischen konventionellen Offensivpotentials - auf dem Tisch liegt und auf dem Tisch bleiben muß und daß man die Verhandlungen auf dieser Basis fortsetzen sollte. Die SPD-Fraktion geht davon aus, daß die in der NATO entwickelten begleitenden Maßnahmen in nächster Zeit in Wien vorgelegt werden, damit der Warschauer Pakt eine Chance hat, sich in der Verhandlungspause, die im April eintritt, mit diesem Angebot der NATO zu beschäftigen. Wir alle wissen, daß begleitende Maßnahmen ein wesentliches Element dieser Politik sind, weil sie geeignet sind, zusätzlich Vertrauen zu bilden und das Moment des Überraschungsangriffs aus dem militärischen Bedrohungsspektrum zurückzunehmen. Wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß Generalsekretär Breschnew in seiner Moskauer Rede vom 2. März das Instrument der vertrauensbildenden Maßnahmen offensiv angesprochen hat. Wir wissen, daß es in der Vergangenheit auf der sowjetischen Seite gerade in diesem Bereich Zurückhaltung gab. Meine Damen und Herren, wir sollten die Gelegenheit - auch am MBFR-Tisch - nutzen, um einen Beitrag zur weiteren Stabilisierung zu leisten. Wer sich allerdings - wie einige Oppositionspolitiker - an abenteuerlichen Sandkastenspielen mit dem Ziel beteiligt, China in unsere Sicherheits- und Deutschlandpolitik einzubeziehen, wird die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mit Sicherheit verspielen und nicht verbessern. ({43}) Da ist die Rede von „gleichgerichteten strategischen Interessen" der NATO und der Volksrepublik China; da wird vorgeschlagen, Geld, das wir für die Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen ausgeben, lieber für die Entwicklung Chinas auszugeben. In diesem Zusammenhang wird auch vorgeschlagen, militärisches Know-how mitzuliefern. Da höre ich, daß Herr Marx in einem Beitrag von gestern die militärische „Strafaktion" Rotchinas würdigt. Meine Damen und Herren, wer Verständnis dafür aufbringt oder es politisch unterstützt, daß politische Auseinandersetzungen, die Staaten miteinander haben, von militärischen „Strafaktionen" begleitet werden, vergeht sich am Frieden der Welt und damit am Frieden in Europa. ({44}) Ich hoffe, daß Sie diese Debatte zum Anlaß nehmen werden, uns die Frage zu beantworten, wie Sie mit dieser Politik den Frieden in Europa und für die Bundesrepublik Deutschland - und wir haben ja auch für die Sicherheit Berlins zu sorgen - stabil halten wollen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, wie ein CDU-Politiker Berlin zum Vorteil der Bürger der Stadt regieren soll, wenn er von seiner Partei derartige Vorgaben bekommt. ({45}) . Der Herr Bundespräsident hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, es sei auch für den Westen gefährlich, wenn sich in der Sowjetunion Angst breitmache, eingekreist zu werden. Mit diesem Hinweis kann der Herr Bundespräsident zumindest hier in der Bundesrepublik, wenn ich die Diskussionslandschaft richtig sehe, nur die Opposition gemeint haben. Unser Beitrag muß darin bestehen, mitzuhelfen, daß der Normalisierungsprozeß gegenüber China nicht zu neuen Konfrontationsbeziehungen innerhalb Europas führt. Da haben wir unsere Aufgabe zu sehen, und daran beteiligt sich die Bundesregierung. Sie hat sich in erfreulicher Klarheit von Vorschlägen, die aus dem Lager der Opposition gekommen sind, abgegrenzt. Die Sicherung des Friedens erfordert eine permanente Politik des gewaltfreien Interessenausgleichs zwischen den Staaten. Um das zu ermöglichen, bePawelczyk kennen wir uns zu einer Politik der atlantischen Solidarität unter Führung der Vereinigten Staaten. Wir werden unsere Anstrengungen, den Frieden durch militärische Sicherheit zu stabilisieren, fortsetzen, und ich sage noch einmal: Diese militärische Sicherheit haben wir, und wir werden dafür sorgen, daß wir sie auch behalten. Wir werden zum anderen dafür sorgen, daß durch Maßnahmen der Rüstungskontrolle und Abrüstung immer wieder versucht wird, die berechtigten Sicherheitsinteressen durch politische Übereinstimmung zwischen den beiden Bündnissen zu wahren. Hier brauchen wir Ergebnisse, hier stehen wir am Anfang, hier sollten Wir alle uns hartnäckig darum bemühen, mehr zustande zu bringen, weil das Hinauszögern dieser Verhandlungen dieser Politik schaden kann. Ich möchte Sie am Schluß auffordern, meine Damen und Herren der Opposition: hören Sie auf mit der Diffamierung der sozialdemokratischen Politiker, denen es entscheidend mit zu verdanken ist, daß die Lage in Europa sich so stabilisieren konnte, daß wir heute zu den sichersten Regionen der Welt gehören. ({46}) Ich nenne unseren Bundeskanzler Helmut Schmidt, den Parteivorsitzenden Willy Brandt und den Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner. ({47}) Ich finde es geradezu einen Skandal, ({48}) in welcher Weise Sie mit diesen Herren umgehen, die ihre ganze Kraft dafür eingesetzt haben, Europa zur sicheren Region zu entwickeln, und die sich darum sorgen, daß durch politisches Abenteurertum - Einkreisung über China, nationale Alleinträgerschaft in der Nuklearwaffenpolitik und andere derartige politische Vorschläge - die Sicherheit verlorengeht und in der Zukunft keine Chance besteht, sie auch durch Maßnahmen der Rüstungskontrolle und Abrüstung zu stabilisieren. ({49})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auf alle Sachthemen, die der Kollege Pawelcyzk angeschnitten hat, im Laufe meiner Ausführungen eingehen. Nur eine persönliche Bemerkung am Anfang! Ich habe auf der Wehrkundetagung erklärt, eine Zahl meines Referats sei falsch hochgerechnet worden, und zwar habe ich das von mir aus korrigiert, ohne Korrektur von jemand vorher. Es wäre fair und seriös gewesen, das so zu sagen ({0}) und den nächsten Satz des Leitartikels der „Frankfurter Allgemeinen" auch noch zu zitieren. Er lautet: Dennoch war allen Anwesenden klar, daß die weitreichende mobile und präzise sowjetische Waffe nicht nur eine schwere militärische Bedrohung, sondern vor allem ein politisches Herrschaftsinstrument erster Ordnung darstellt. Das hat der Herr Kollege leider nicht zitiert. Nur dann wäre es vollständig gewesen. ({1}) - Nein, das wundert nicht. Die Problematik, die die Fraktion der CDU/CSU in ihrer Großen Anfrage vom 23. November letzten Jahres angeschnitten hat, war noch nie so aktuell wie in diesen Tagen. Die besondere Aktualität ist darauf zurückzuführen, daß im Regierungslager durch einen Paukenschlag ein Signal gegeben wurde, nunmehr auch in der Sicherheitspolitik eine Politik des Wandels durch Annäherung zu betreiben. Den Paukenschlag führte, wie könnte es anders sein, Herr Kollege Wehner. Er scheut vor der Rolle eines politischen Vorreiters nicht zurück. Drei Dinge waren es, die er in die Diskussion brachte. Erstens, daß die Forderung nach zusätzlichen Waffensystemen für die NATO in Europa nicht der „realen Lage der Bundesrepublik" entspreche und hinsichtlich dieser Systeme daher nur eine „vorgebliche Notwendigkeit" vorliege. Das war am 16. Januar. Zweitens, daß die Bundesrepublik bei den Wiener Gesprächen über einen Truppenabbau in Mitteleuropa der „bremsende Faktor" sei. Drittens, daß das Militärpotential der Sowjetunion als „defensiv" charakterisiert werden müsse. Die beiden letzten Äußerungen erfolgten am selben Tag, an dem der Kanzler und sein Kabinett, eingezwängt zwischen militärisch begründeter Forderung und linker Ideologie, eine sicherheitspolitische Tagung abhielten, die wegen des Fernbleibens des Kollegen Wehner ziemlich ergebnislos endete. Das war am 31. Januar. Seit dem Harmel-Bericht 1967 - er wurde schon erwähnt - beruht das Sicherheitskonzept der NATO auf zwei Komponenten, nämlich dem früher alleinherrschenden Prinzip der Abschreckung und dem wegen der veränderten Weltlage für erforderlich gehaltenen Prinzip der Entspannung, der Rüstungskontrolle, der Abrüstung. Man war sich dabei dar- über im klaren, daß Entspannung nur auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit möglich ist und daß sinnvolle Abrüstung ein Vorgang zu sein hat, der militärisches Gleichgewicht anstrebt auf niedrigerem Niveau. ({2}) Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß sich der ganze Westen - nicht nur die . Bundesrepublik - im Laufe der Jahre mehr und mehr von den Grundlagen des Harmel-Berichts entfernt hat. ({3}) Man hat eine Politik betrieben, die angesichts des sowjetischen Verhaltens von mir nur als „sogenannte" Entspannungspolitik bezeichnet werden kann, und man hat die Abschreckung vernachlässigt. Gerade in dieser Dekade der sogenannten Entspannung hat die Sowjetunion quantitativ und qualitativ stärker als je zuvor aufgerüstet. Der Westen, der in derselben Zeit qualitativ zu wenig und quantitativ fast nichts unternahm, geriet mehr und mehr ins Hintertreffen. Heute stehen im mitteleuropäischen Abschnitt des Eisernen Vorhangs fünf sowjetische Devisionen mehr als vor zehn Jahren. 6 500 Kampfpanzer der NATO stehen rund 20 000 Kampfpanzern des sowjetischen Blocks gegenüber. Vor zehn Jahren waren es 6 000 Panzer auf der östlichen Seite weniger. Das heißt, die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben in der Phase, in der sich der Westen um Entspannung bemühte, annähernd ebensoviele Panzer zusätzlich angeschafft, wie dem Westen insgesamt zur Verfügung stehen. ({4}) Auf dem Gebiet der konventionellen Offensivwaffen hat der Warschauer Pakt eine Überlegenheit von 3 : 1 erlangt. Meine Damen und Herren, das ist die Überlegenheit, die man unter Militärs für erforderlich hält, den Verteidiger zu besiegen. ({5}) Vor zehn Jahren hatten die Divisionen des Warschauer Pakts 9 600 Schützenpanzer, heute 16 000 Das schwerwiegendste Problem, vor dem die NATO gegenwärtig steht, ist jedoch das sowjetische Mittelstreckenpotential. Ihm hat die NATO nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Dieses Potential hat sich auch in der Zeit vermeintlicher Entspannung zu der Bedrohung ausgewachsen, die es heute darstellt. Schon seit langer Zeit sind Hunderte von sowjetischen ,Mittelstreckenraketen auf Ziele in Westeuropa gerichtet. Aber jetzt sind neue sowjetische Raketen des Typs SS 20, die von mobilen Rampen abgeschossen werden können und mit drei Sprengköpfen versehen sind, hinzugekommen, ein Potential mit einer Reichweite von 4 000 km, das jeden Punkt Westeuropas, aber nicht nur Westeuropas, auch Chinas, auch alle Punkte von strategischer Wichtigkeit im Nahen Osten erreichen kann. Man rechnet heute nach neuesten Schätzungen damit, daß der Sowjetunion Mitte der 80er Jahre 300 bis 400 Abschußgeräte für Flugkörper dieser Art zur Verfügung stehen werden. Die Zahl der Sprengköpfe beträgt damit, wie ich ausführte, das Dreifache. ({6}) Hinzu kommt das sowjetische Mittelstreckenpotential, das durch den hochmodernen Überschallbomber Backfire dargestellt wird. Das sind die Fakten, meine Damen und Herren; so war die Praxis. Der Paukenschlag des Kollegen Wehner hat die sicherheitspolitische Landschaft nun auch in der Theorie zu verändern versucht. ({7}) Nicht, daß die Bundesregierung bereits offen eine andere Theorie vertritt, nicht auch, daß sie diese andere. Theorie bis jetzt in Wahrheit will - nein, nur in dem Sinne, daß sie sich nicht mehr eindeutig zu der alten, gesicherten, gefestigten, lange von ihr vertretenen Theorie zu bekennen wagt. Das ist der entscheidende Punkt. ({8}) Wäre es nicht so, hätten der Außenminister, der Verteidigungsminister, der Bundeskanzler auf Herbert Wehners Signal anders reagiert. ({9}) Die aktuellste sicherheitpolitische Frage dieser Tage lautet - man kann es drehen, wie man will -: Was hat der West zu tun, um die Bedrohung Westeuropas durch das sowjetische Mittelstreckenpotential auszugleichen? Was kann der Westen tun? Die Bundesregierung weigert sich beharrlich, seit die Frage aufgeworfen ist, eine Antwort zu geben, die den Namen „Antwort" auch verdient. Der Kollege Wehner hat beschlossen und verkündet, daß hinsichtlich dieser Mittelstreckenwaffen nur eine „vorgebliche Notwendigkeit" vorliege, und schon hat alles gekuscht. Folgsam hat der für die äußere Sicherheit verantwortliche Bundesminister Apel zwei Tage nach der Äußerung des Kollegen Wehner in einem Zeitungsinterview das Problem der sogenannten Grauzone, also der sowjetischen Mittelstreckenwaffen, angesprochen und erklärt, er wisse, daß das Bündnis auf diese Herausforderung eine Antwort geben müsse und daß man dafür zu sorgen habe, daß über dieses Problem bei SALT III gesprochen werde. Welche Antwort jedoch das Bündnis nach Auffassung der Bundesregierung zu geben hat, blieb offen. Der Hinweis auf SALT III war jedenfalls keine Antwort, allenfalls eine Zuflucht; denn kein Mensch weiß, ob es je zu SALT III kommen wird. ({10}) Wenn es doch dazu kommen sollte, ist es nach aller Erfahrung mehr als fraglich, ob die Sowjetunion dann bereit ist, ausgerechnet über solche Waffen mit sich reden zu lassen, denen auf westlicher Seite kein Äquivalent gegenübersteht. Der Bundeskanzler ließ im Januar verlauten, daß die Bundesrepublik durch Entwicklungen in der NATO - gemeint war die Einführung amerikanischer Mittelstreckenraketen - nicht in eine Sonderrolle gedrängt werden dürfe. Das . Bündnis insgesamt müsse derartige Entscheidungen tragen, und im übrigen habe die Entscheidungsgewalt allein der amerikanische Präsident. Die damit verbundene Verantwortung dürfe ihm nicht abgenommen werden. Natürlich liegt die Entscheidung über den Bau neuer Nuklearwaffen allein beim amerikanischen Präsidenten; denn wir sind keine Nuklearmacht. Aber gerade weil wir keine Nuklearmacht sind, müssen wir, da wir in erster Linie die Bedrohten sind, eine Meinung darüber haben dürfen, was für dieses Land Bundesrepublik Deutschland gut oder schlecht, notwendig oder entbehrlich ist. ({11}) Gerade weil wir keine Nuklearmacht sind, müssen wir diese unsere Auffassung, was wir in diesem Land auf nuklearem Gebiet für erforderlich halten, unmißverständlich formulieren und an den amerikanischen Partner herantragen. ({12}) Die hierfür erforderlichen Entscheidungen liegen ausschließlich in unserer Kompetenz. Sie sind weder Sache des Bündnisses insgesamt noch Sache der amerikanischen Regierung. Niemand im Bündnis und niemand von der amerikanischen Regierung hat der deutschen Bundesregierung je verboten, sich eine eigene Meinung zu bilden und sie auch auszusprechen. ({13}) Die Vereinigten Staaten von Amerika sehen das genauso. Ihr Präsident will die für die nukleare Verteidigung Europas erforderlichen Entscheidungen nicht ohne Votum der betroffenen europäischen Staaten treffen. Er will die Verantwortung mit ihnen teilen. Einerseits braucht er das Votum der Partner aus innenpolitischen Gründen, andererseits will der amerikanische Präsident nicht der Kreml des Westens, sondern nur der Primus inter pares sein. ({14}) Gerade auf unser Votum wartet er am meisten; denn wir sind schon aus geographischen Gründen sein wichtigster Partner. Damit sind wir bei der vom Kanzler abgelehnten Sonderrolle. Auch wir sind auf eine Sonderrolle überhaupt nicht erpicht. ({15}) Es wäre uns das liebste, das Bündnis würde einstimmig solche Maßnahmen für alle beteiligten Länder beschließen. ({16}) Es wäre uns das zweitliebste, wenn einige dafür in Frage kommenden Staaten des Bündnisses so beschließen würden. Nur - drittens muß auch das gesagt werden -, es ist einfach eine Tatsache, daß für die Einführung solcher Waffensysteme die Bundesrepublik deshalb - Sie können auch „leider" dazu sagen; auch damit bin ich einverstanden - in Betracht kommt, nicht weil sie ein Vorreiter sein will, sondern weil es die Geographie Europas beinahe erzwingt. ({17}) Denn Pershing II, um nur ein System zu nennen, hat nur einen Teil der Reichweite der SS 20. Im übrigen, meine Damen und Herren, sind die Vokabeln „Sonderrolle im Bündnis", „Vorreiter im Bündnis" ({18}) - auf die „Achse" komme ich noch -, in dem vom Bundeskanzler hergestelltem Zusammenhang nicht seriös. Das klingt so, als ob es in der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern Westeuropas Leute gebe, die es gar nicht erwarten könnten, neue Atomwaffen zu bekommen. ({19}) Meine Damen und Herren, Sie sollten uns bitte nicht an die Töne der vor 20 Jahren von der SPD geführten Antiatomkampagne erinnern. ({20}) Die Chance zur Friedenssicherung liegt wesentlich im militärischen Gleichgewicht, solange verbindliche Abrüstungsvereinbarungen nicht bestehen. ({21}) Das gilt um so mehr, als sich Moskau bis jetzt durch keinen Rückzugsverzicht zu einer Abrüstungsmaßnahme hat bewegen lassen. Das haben wir beim amerikanischen Fernbomber B 1 ebenso erlebt wie bei der Aussetzung der Entscheidung über die Neutronenwaffe. Auch haben die Sowjets, wie SALT und MBFR zeigen, laufende Abrüstungsgespräche noch nie zum Anlaß genommen, vom weiteren zügigen Ausbau ihres eigenen Potentials abzusehen. ({22}) Günther Gillessen hat in den letzten Februartagen einen Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben, in dem es heißt: Wenn Abrüstung bestehendes Ungleichgewicht vergrößern sollte, gefährdet sie den Frieden. ({23}) Wenn Aufrüstung Ungleichgewicht mindert oder aufhebt, stabilisiert sie ihn. ({24}) Auch in der Aktuellen Stunde am 15. Februar verschloß sich die Bundesregierung einer solchen Eikenntnis. Immer wieder wurde SALT III als die angebliche Lösungsmöglichkeit für das Mittelstrekkenproblem beschworen. Immer wieder mußte das Bündnis als Versteck herhalten. Man tat gerade so, als ob es verboten sei, in einer das Bündnis berührenden Frage ein nationales Votum abzugeben. Oder sollen die anderen Partner erst votieren, etwa nach dem Motto „Hannemann, geh, du voran"? Kein Wort haben wir schließlich gegen des Kollegen Wehners Feststellung gehört, die Sowjetunion sei als Militärmacht defensiv. Warum hat sich nicht wenigstens der Bundesaußenminister, dem auch ich von hier aus die besten Genesungswünsche übermitteln möchte, ({25}) gegen die Attacken zur Wehr gesetzt? Seine Pressemitteilung vom 16. Februar war doch ein Lavieren zwischen dem als richtig erkannten und der regierungsamtlichen Linie, auf keinen Fall etwas zu sagen, was die linken Ideologen in der Koalition verprellen könnte. ({26}) Meine Damen und Herren, heute können wir lesen, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD erklärt, die Bundesrepublik könne kein Trägerschiff für Waffen werden. „Wir bilden keine Achse Washington - Bonn", soll der Kollege Wehner gesagt haben. Und wörtlich weiter: Solche Achsenpolitik hat es früher gegeben, und es hat immer wieder Achsenbrüche gegeben. Ich denke nicht daran, gewisse Erfahrungen mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und den dazwischenliegenden Irrtümern wiederholbar zu machen. Herr Kollege Wehner, soll das bedeuten, daß Sie hier die Achse des nationalsozialistischen deutschen Reiches mit dem faschistischen Italien mit der Waffenbrüderschaft der NATO-Demokratien USA und Bundesrepublik Deutschland vergleichen wollen? ({27}) Am 17. Februar hat der Verteidigungsminister auf der NATO-Wehrkundetagung in München darauf verzichtet, den Charakter des sowjetischen Militärpotentials überhaupt zu bewerten. Welche Erklärung liegt näher, als daß er sich „defensiv" wegen der versammelten NATO-Prominenz und „offensiv" wegen seines Fraktionsvorsitzenden nichts zu sagen traute? Tauchstation auch hier. Nach diesem Versteckspiel glaubte man seinen Augen nicht zu trauen, als am 19. Februar in einem deutschen Nachrichtenmagazin zu lesen war, die Bundesregierung habe der Entwicklung der Rakete Pershing II und der Cruise Missiles zugestimmt und Verteidigungsminister Apel beauftragt, in Washington entsprechend zu verhandeln. Schon am nächsten Tag gab es aus dem Bundespresseamt ein promptes Dementi, was nach dem Wehner-Signal von Mitte Januar nur folgerichtig war. Aber nun zur Antwort der Bundesregierung selbst. Sie ging uns am 20. Februar zu, etwa eine Stunde, nachdem sie dpa übermittelt worden war - auch nicht gerade die feinste Art, das Parlament zu behandeln. ({28}) Wir haben eine Reihe von positiven Ansätzen gefunden. Ich möchte sie ausdrücklich in der von der Bundesregierung genannten Reihenfolge hervorheben: Erstens. Wir begrüßen es, daß Sie sich grundsätzlich bereit erklären, auch in Zukunft Ihren Beitrag zu den Bemühungen um Friedenssicherung durch Rüstungskontrolle auf der bewährten Grundlage der Verteidigungsfähigkeit im Bündnis zu leisten. Zweitens. Wir begrüßen Ihre grundsätzlichen Bekenntnisse zu NATO, Flexible Response und Triade. Drittens. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß Kriegsverhütung eine zentrale Aufgabe ist. Wir stimmen viertens auch zu, wenn Sie die Herstellung der Parität auf der Grundlage der Kollektivität als das anzustrebende Verhandlungsziel bei den Wiener Verhandlungen in Mitteleuropa bezeichnen und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Datendiskussion hinweisen. Wir begrüßen es 'schließlich fünftens, daß Sie das ungeheure Potential, das der Sowjetblock allein auf konventionellem Gebiet unterhält, realistisch darstellen. Diesen Punkten stehen allerdings gravierende negative Punkte entgegen: Erstens. Die Antwort der Bundesregierung relativiert die sowjetische Übermacht an Vernichtungskapazität, indem sie sich zu einem Gleichgewichtsbegriff bekennt, der außer der militärischen auch noch die ökonomische und soziale Komponente umfaßt. Zweitens. Unzulänglich ist die Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage, wie sich Gewaltverzicht, KSZE-Schlußakte und Entspannung zur ungehemmten sowjetischen Aufrüstung sowie zur Weigerung verhalten, im Ostblock Menschenrechte und nationales Selbstbestimmungsrecht zu gewähren. ({29}) Hier wird mit Undeutlichkeiten und oberflächlichen Floskeln gearbeitet, um nur ja nicht die Wahrheit sagen zu müssen, daß nämlich die Politik der Entspannung im wesentlichen einseitig und deshalb erfolglos war. ({30}) Wie ein Triumphzeichen trägt die Bundesregierung die gemeinsam mit Generalsekretär Breschnew gefundene Formulierung vor sich her, daß niemand, also auch nicht die Sowjetunion, die militärische Überlegenheit anstrebe. ({31}) Dieser Satz aus der gemeinsamen deutsch-sowjetischen Deklaration von 1978 sagt aus, daß die Sowjetunion laut Breschnew keine Überlegenheit hat und daß die Bundesregierung den Inhalt dieser Aussage nicht bezweifelt. - Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Sie wissen doch am besten, wie groß diese Überlegenheit gegenüber Mitteleuropa heute schon ist und daß es heute die größte strategische Sorge der Vereinigten Staaten von Amerika ist, um wieviel größer diese Überlegenheit Mitte der 80er Jahre sein wird, wenn nichts geschieht. ({32}) Viertens. Die Bundesregierung schildert zwar den zahlenmäßigen Umfang des konventionellen Potentials des Ostblocks, macht jedoch keine AusDr. Zimmermann sage über den zahlenmäßigen Umfang des nuklearen Potentials, weder im Langstrecken- noch im Mittelstreckenbereich, auch nicht bei den atomaren, Gefechtsfeldwaffen. Warum tut sie das? Offenbar nur, um die sowjetische Bedrohung geringer erscheinen zu lassen, als sie wirklich ist. Sie unterläßt auch jeglichen Hinweis auf den Charakter, den dieses Potential haben soll: vorgesehen für einen weltweiten Einsatz und ein allzeit geeignetes Instrument für die politische Einschüchterung. Fünftens. Die Bundesregierung behauptet, daß sich am nuklearstrategischen Gleichgewicht zwischen Ost und West in absehbarer Zeit nichts Entscheidendes ändern würde. Dies ist auch vorher gesagt worden. Diese Behauptung ist falsch. Sie wäre sogar dann unrichtig, wenn die USA unverzüglich neue Waffensysteme einführen könnten, was aber nicht möglich ist. Sie würden den Vorsprung der Sowjets aus zeitlichen Gründen allenfalls einholen können, nicht jedoch von vornherein verhindern können. Sechstens. Die Bundesregierung behauptet, daß der Westen noch auf eine angemessene Antwort der Sowjetunion auf das Angebot von Präsident Carter warte, die Entscheidung über die Produktion der Neutronenwaffe zurückzustellen. Ich glaube, da wartet nur noch die Bundesregierung. Die USA wissen, daß sie diese Waffe entweder bauen müssen oder nichts bekommen, denn Generalsekretär Breschnew bot für den amerikanischen Verzicht auf den Bau der Waffe seinerzeit nur einen entsprechenden sowjetischen Verzicht an. Dies war ein Verzicht auf nichts, denn er hatte nichts gegenüber dem Verzicht auf ein weitentwickeltes Projekt. Dies ist selbstverständlich erlaubte und gekonnte sowjetische Politik. Siebentens. Im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung ist die Bilanz der Wiener Gespräche über einen Truppenabbau nicht gut, sondern schlecht. Mit allen Tricks versuchen die Sowjets, ihre Überlegenheit festschreiben zu lassen. Auch gas ist ihr gutes Recht. Sie nennen das ganz einfach Parität und verschließen sich einer ehrlichen Datendiskussion. Nun wieder zurück auf den Kern der Auseinandersetzung: Wie ist der Ausgleich gegenüber diesem ' sowjetischen Mittelstreckenpotential möglich? Das ist zunächst die Frage nach der Modernisierung, von Pershing zu Pershing II, und die Frage nach landgestützten Marschflugkörpern, Cruise Missiles. Die Bundesregierung gibt auch hier wieder keine Antwort. Sie versteckt sich hinter Gemeinplätzen. Der bekannteste ist inzwischen der, daß in dieser Frage „das Bündnis insgesamt" den Weg finden muß. ({33}) - Das ist nicht schlimm, das ist eine Frage, die am Anfang steht. Aber in dieser Frage wird ja bereits seit Jahr und Tag verhandelt, wie Sie ganz genau wissen. Und der Westen hat immer noch nicht die Antwort gefunden, weil die Bundesregierung als Regierung einer der wichtigsten Staaten dieses Bündnisses ständig mit der Antwort zögert. Das ist doch der Punkt. ({34}) Nehmen wir die Formulierung: Der Westen soll sich die Möglichkeit offenhalten, entstandene Lükken durch Modernisierung zu schließen. Was heißt denn „Modernisierung"? Ob die Bundesregierung mit diesem Begriff ein Gegengewicht zu SS 20 und Backfire meint, ist doch völlig ungeklärt. Sie drückt sich doch mit Absicht so unklar aus. Das Resümee aus diesen 128 Seiten ist leider das, daß die Bundesregierung die Absicht nicht dementiert hat, den von Herbert Wehner vorgezeichneten Weg beschreiten zu wollen. Vielmehr wird aus jeder Antwort sichtbar, daß ein unklarer Kurs geradezu beabsichtigt ist. ({35}) Je länger die Bundesregierung zögert und laviert, desto schwerer, Herr Bundeskanzler, wird es angesichts des wachsenden sowjetischen Drucks sein, sich zu den verteidigungspolitisch gebotenen Notwendigkeiten durchzuringen - schwerer für uns, schwerer für das Bündnis, schwerer für die Vereinigten Staaten von Amerika. ({36}) Jeder von uns will die Entspannung. Jeder weiß, daß wir den Frieden erhalten wollen, erhalten müssen. Das ganze Wollen hilft jedoch nichts, wenn die Sowjets nicht mitmachen wollen, wenn sie nicht anerkennen wollen, daß Entspannung nur durch Beseitigung der Spannungsursachen, nur durch fairen Ausgleich und nur durch militärisches Gleichgewicht eintreten kann. Eine Analyse sowjetischen Verhaltens ergibt doch, daß die Sowjetunion seit den alliierten Siegen über Deutschland und Japan die einzige große Macht der Erde ist, die sich eine expansive Politik leistet. Sie betreibt Expansion in der Weise, daß sie ihren Einflußbereich - weltweit und ohne Rücksicht auf den Willen der betroffenen Völker - systematisch ausweitet. Zwischenziel für die Sowjetunion sind: Schwächung der Vereinigten Staaten, Herausnahme Westeuropas aus dem atlantischen Paktsystem und Unterstellung der westeuropäischen Staaten unter die Hegemonie der Sowjetunion. Die Attraktivität dieses Zwischenziels liegt in der Vorstellung, daß die Summierung des wirtschaftlichen Potentials des Ostblocks und Westeuropas das Potential der Vereinigten Staaten von Amerika übertreffen würde und hierdurch nicht nur eine existenzbedrohende Schwächung der USA möglich wäre, sondern sich gleichzeitig die Chance ergäbe, China wieder zur Räson zu bringen. Das Zwischenziel Westeuropa wird auf den unterschiedlichsten Wegen verfolgt: in Europa ohnehin sowie im Nahen Osten und Afrika, die beide rohstoffpolitisch für uns unverzichtbar sind. Bei Afrika kommt hinzu, daß um seine Südspitze lebenswichtige Versorgungslinien für uns führen. Die Sowjets handeln bei der Verfolgung dieses Ziels entweder selbst oder - risikomindernd - durch Stellvertreter wie Kuba und in zunehmendem Maße auch die DDR in vielen Teilen Afrikas. Im formal kooperativen Bereich wird Entspannung und Vertragspolitik gepredigt und getrieben. Gleichzeitig findet auf anderen Ebenen Konfrontation statt: zum einen in Form von Propaganda, die dem Ziel dient, innerhalb des Sowjetblocks und in der Dritten Welt ein Feindbild aufzubauen, das Westeuropäer und Amerikaner als kapitalistische Ausbeuter, Rassisten und Kriegstreiber erscheinen läßt, zum anderen in der Form des Exports von Agenten und revolutionärer Ideologie sowie der Ausbildung terroristischer Kräfte und der materiellen Unterstützung derselben mit Waffen und Munition. Aber wichtigstes Mittel in dieser weltweiten operativen Auseinandersetzung ist das gewaltige sowjetische militärische Potential. ({37}) Es geht über die Bedürfnisse der Landesverteidigung, wie jeder weiß - jeder! -, ({38}) weit hinaus, wird laufend vergrößert und modernisiert und ist - abgesehen vom Interkontinentalbereich - jedem Gegner in jeder Hinsicht überlegen. Dieses Potential, Herr Kollege Wehner, ist selbstverständlich auch defensiv, aber eben nur „auch". Nein, wir haben es hier mit einer Maschinerie zu tun, die eine weltweite Operationsfähigkeit hat. Auch die Sowjetunion will heute keinen Krieg - davon sind wir überzeugt; Adenauer hat das durchaus richtig erkannt -, aber die Sowjetunion will mit dieser Armee die jederzeitige Fähigkeit zur Drohung, Einschüchterung und - wenn nötig - Erpressung haben. Entspannung ist für die Sowjetunion unter den aufgezeigten Umständen bis heute leider nichts anderes gewesen als die Fortsetzung der Expansionspolitik mit anderen Mitteln. ({39}) Nicht anders verhält es sich mit der sowjetischen Abrüstungspolitik. Moskau denkt nicht daran, auf ein echtes Gleichgewicht einzugehen. Die Wiener Gespräche sind ein Beweis. Ein anderer ist die Tatsache, daß die Sowjets nach SALT I - im Gegensatz zu den USA, die sich vertrauensvoll auf ihren technologischen Lorbeeren auszuruhen begannen - ganz massiv in die Grauzone eingestiegen sind und dort eine völlig neuartige strategische Bedrohung geschaffen haben. Vereinbarungen über Rüstungsbegrenzungen und Abrüstung sollen aus der Sicht der Sowjetunion kein Gleichgewicht festschreiben oder herbeiführen, sondern sie sollen ihr im Wettlauf der Systeme die Möglichkeit geben, ihre Rüstungsanstrengungen rationeller zu gestalten. Neben dem Wunsch nach Entspannung und Abrüstung gebieten uns Verantwortung und Gewissen, uns einer glaubhaften Abschreckung zu widmen. Die Glaubhaftigkeit der Abschreckung beruht auf einer Triade: auf der engen Verflechtung zwischen konventionellen Streitkräften, taktisch-nuklearen Waffen und den strategischen Systemen. Sie funktioniert nur dann, wenn auf den drei Ebenen ein annäherndes Gleichgewicht zwischen den Blöcken besteht. Wie sieht es heute aus? Konventionell ist der Westen weit unterlegen. Bei den nuklearen Gefechtsfeldwaffen herrscht bestenfalls Parität; sie ist im Abnehmen begriffen. Im Bereich der strategischen Langstreckensysteme ist das Gleichgewicht durch die immer treffsicherer werdenden sowjetischen Inter- kontinentalraketen gefährdet, und im strategischen Mittelstreckenbereich ist der Westen praktisch nicht präsent. Aus unserer Sicht sind die Vereinigten Staaten als Nuklearmacht des Bündnisses aufgefordert, Entscheidungen zu treffen erstens zur Aufrechterhaltung der Balance im interkontinentalen strategischen Bereich - ich nenne die Stichworte MX und Trident -, zweitens zur Herstellung wenigstens eines gewissen Ausgleichs im eurostrategischen Bereich - zu denken wäre an Pershing II und landgestützte Cruise Missiles -, drittens zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Gefechtsfeld; neben anderen Neuerungen auf taktisch-nuklearem Gebiet käme hier, besonders um die dreifache sowjetische Panzerüberlegenheit auszugleichen, nach wie vor die Neutronenwaffe in Betracht. ({40}) Doch nicht nur die Vereinigten Staaten haben zu handeln. Auch die Europäer. Sie sind hinsichtlich amerikanischer Nuklearsysteme für Europa finanziell und im übrigen auf dem Gebiet der konventionellen Rüstung gefordert, die nachhaltig zu verstärken ist. Sollten auch mangels deutscher Beratung, deutscher Erklärungen, deutscher Entscheidungen die Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten ausbleiben, so wäre der Tag abzusehen, an dem die Glaubwürdigkeit der Abschreckungsstrategie der Vergangenheit angehört . Die NATO würde dann zwangsläufig einem Erosionsprozeß ausgeliefert werden, der die Chancen für die Sowjetunion erheblich vergrößern würde, die Hegemonie in Europa zu gewinnen. Die globale Rechnung der Sowjetunion könnte dann aufgehen. Demokratien leiden an dem fatalen Fehler, auch die außenpolitischen Dinge durch die innenpolitische Brille zu sehen: ({41}) das Volk unter den Gesichtspunkten der Lohnentwicklung und der sozialen Leistungen, die Regierung unter dem Gesichtspunkt, wie man die nächsten Wahlen gewinnt. Erst dramatische Entwicklungen schärfen oft den Sinn für das wirklich Entscheidende. Die Wiederherstellung der Triade und ihre zuverlässige Sicherung für die 80er Jahre ist das Gebot der Stunde. Sie wird den Paktstaaten nicht leichtfallen, auch aus finanziellen Gründen. Aber das allein genügt noch nicht. Langfristig gesehen müssen die NATO-Staaten mehr tun, als im nordatlantischen Raum eine funktionierende Abschreckung sicherzustellen; denn die Abschreckung dort hat den weltweiten Aufmarsch der Sowjetunion nicht verhindert. Dem militärischen Prinzip der Defensive sollte daher in Zukunft kein politisches Prinzip der Defensive mehr entsprechen. Auch bei der WiederherstelDr. Zimmermann lung der Triade sind die Positionen des Westens nur mit einer offensiven Politik zu halten. Wir haben bei allem Wunsch nach Abrüstung die Pflicht, die gemeinsamen Notwendigkeiten der Verteidigung - USA, Westeuropa - zu erkennen und ihnen, meine Damen und Herren, so lange die Priorität einzuräumen, solange die Sowjetunion zu umfassender substantieller und geostrategischer Abrüstung nicht bereit ist. Wir bitten Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, sich nach diesen und nur diesen Maximen zu richten. ({42})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der FDP begrüßt, daß die Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der im Hause vertretenen Fraktionen die Gelegenheit gibt, hier ausführlich zu der Politik der Friedenssicherung der sozialliberalen Koalition und der von ihr getragenen Regierung Schmidt/Genscher Stellung zu nehmen, einer Politik der Friedenssicherung durch Verteidigung und Entspannung, und damit auch Stellung zu nehmen zum Stand der Bemühungen dieser Regierung um Abrüstung und Rüstungskontrolle. Diese Debatte und ihr Thema Friedenssicherung sind zu wichtig, als daß sie zum Schauplatz wechselseitiger Verdächtigungen und persönlicher Unterstellungen degradiert werden dürften. Auch Ton und Stil dieser Debatte sollten zeigen, daß es dabei um Friedenssicherung, um Entspannung geht. Unser aller Überleben hängt davon ab, ob die von uns betriebene Friedenssicherung Erfolg haben kann, ob sie gelingt. Dazu bedarf es ganz wesentlich auch des Rückhalts beim informierten, kritik-, urteils- und entscheidungsfähigen Bürger. Wir wollen daher die Gelegenheit nutzen, möglichst nicht nur in der Sprache der Experten hier für die Öffentlichkeit, also auch für die Hörer, Seher und Leser draußen, in verständlicher Weise die Grundsätze unserer Politik der Friedenssicherung und damit auch der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik, die Ziele, die Möglichkeiten und Grenzen, die Methoden und Mittel dieser Politik darzulegen. Dies in nüchterner Weise vorzunehmen, ist auch deshalb notwendig, weil die Rüstungskontrolldebatte, wie sie in den letzten Wochen stattgefunden hat, zwar das Interesse der Öffentlichkeit am Thema geweckt haben mag, andererseits aber eher zur Verwirrung und Emotionalisierung der Diskussion beigetragen hat. Versuchen wir deshalb eine sachliche Analyse und eine sachbezogene Diskussion. Zunächst einige Bemerkungen zu weltpolitischen Faktoren und zum Rüstungswettlauf. Seit Gründung der unser politisches Schicksal und Handeln bestimmenden Einrichtungen wie UNO, NATO und Warschauer Pakt hat sich die Welt grundlegend verändert. Nicht mehr zwei Großmächte allein bestimmen die Politik. Die Zahl der souveränen Staaten hat sich seither verdreifacht. Sie alle bringen ihre oft widersprüchlichen, oft aber auch gemeinsamen Interessen in das politische Kräftespiel ein. Viele der jungen Staaten haben Schwierigkeiten bei ihrer Selbstfindung und dabei, sich ihren Platz im Wettbewerb der Mächte zu sichern und zu behaupten. Das ist verständlich, zumindest verständlicher als die Tatsache, daß viele der seit langem etablierten Mächte und Staaten trotz veränderter Lage und trotz des Wissens um diese Veränderungen an Nationalismen und Egoismen festhalten. Trotz des Wissens der Verantwortlichen um die damit verbundenen Gefahreh werden ideologische Gegensätze weiter vorangetrieben. Hegemoniebestrebungen, Versuche also, Einflußzonen zu errichten und auszuweisen, werden fortgesetzt. ({0}) Alle diese Faktoren führen, zusammengenommen, zu Unsicherheit, Kriegen und Auseinandersetzungen. Herr Kollege Mertes, Sie fragen durch Zwischenruf: Von wem denn? Ich denke, Sie werden nicht in das einseitige Raster eintreten wollen, Verantwortlichkeit für ähnliche Verhaltensweisen immer nur einer Seite zuzuschieben. ({1}) Ich glaube, dann könnten wir diese Diskussion gleich beenden. Zu den Folgen dieser Erscheinungen gehört auch der weltweite Rüstungswettlauf, der wiederum Ursache für gegenseitige Furcht und gegenseitiges Mißtrauen, für die Bindung eines Großteils unserer wirtschaftlichen Kräfte für Rüstungszwecke und für zunehmende Konflikt- und Kriegsgefahr ist. Das wiederum schafft neue, unsere Existenz gefährdende Probleme und verhindert und erschwert ihre Lösung. Die laus dem Rüstungswettlauf entstehenden Gefahren werden durch die Zerstörungskraft und Reichweite moderner Massenvernichtungsmittel und weltweite gegenseitige Abhängigkeit verstärkt. Sie bringt mit sich, daß Staaten und Bündnisse in Konflikte auch solcher Regionen verwickelt werden können, die sie bislang in beruhigend weiter Entfernung geglaubt hatten. Die geschilderten fundamentalen Veränderungen, die darüber hinaus durch explosives Wachstum von Wissenschaft und Technologie bestimmt sind, haben auch im Bereich der Sicherheitspolitik zu grundlegenden Wandlungen geführt, die durch folgende Trends gekennzeichnet sind: Wir alle wissen, daß das Sicherheitsproblem ausufert und daß militärische Bedrohung nur noch eine von zahlreichen anderen Gefährdungen unserer Existenz ist. Wir haben aber auch beobachten müssen, daß militärische Drohungen selbst eher wieder zugenommen haben. In der Dritten Welt wird diese Entwicklung durch den dramatisch zunehmenden Rüstungsexport aus den Industrieländern verstärkt Der Jahresbericht des Instituts für strategische Studien in London hat hierüber eindeutige Aussagen gemacht. Wir schließen uns der Kritik dieses Instituts am Vorgehen der großen Rüstungslieferländer an. Besondere Sorge bereitet uns auch, daß die Rüstungstechnologie zunehmend vorangetrieben wird und in der Gefahr ist, sich zu verselbständigen. Es besteht die Gefahr, daß die Vereinbarungen über die auf Waffen- und Personalmengen bezogenen Methoden und Überprüfungsmöglichkeiten der Rüstungskontrolle nicht mehr der Dynamik der Rüstungsentwicklung und -technologie zu folgen vermögen. Ein weiteres Problem ist: Die Rüstungstechnologie bringt Waffen von immer größerer Treffsicherheit bei gleichzeitig räumlich zunehmend begrenzter Wirkung hervor. Wir werden uns alle fragen müssen, ob die damit verbundene höhere Glaubwürdigkeit des Einsatzes dieser Waffen die Abschreckung erhöht oder zum Gebrauch dieser Waffen verführt. Die von mir geschilderten weltpolitischen Faktoren und aufgezeigten Trends machen eine weltweite Entspannungspolitik zwingend notwendig. Diese Politik muß vor allem davon bestimmt sein, daß sie die Sicherheit der anderen nicht geringer als die eigene schätzt. Diese Politik muß der Partnerschaft und dem gerechten Interessenausgleich auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der Unabhängigkeit, der Selbstbestimmung und der Menschenrechte verpflichtet sein. Sie muß auf der Grundlage des politischen und militärischen Gleichgewichts stattfinden. Eine solche Politik muß zur .Konflikteindämmung und zum Krisenmanagement fähig sein. Sie bedarf daher der Fähigkeit, die eigenen Entscheidungsmöglichkeiten unzweifelhaft zu verdeutlichen. Gleichzeitig muß sie auch im Ansatz Provokationen vermeiden und kompromißbereit und so angelegt sein, daß die am politischen Prozeß beteiligten Mächte stets ihr Gesicht zu wahren vermögen, auch die Mächte der anderen Seite. Wie wichtig gerade diese Forderung ist, zeigt uns in diesen Tagen der kriegerische Konflikt in Südostasien. Dieser hoffentlich bald endgültig beendete Krieg zeigt darüber hinaus in erschreckend deutlicher Weise die Richtigkeit .des von mir zum Thema der weltweiten Abhängigkeiten in der Sicherheitspolitik Gesagten. Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzungen sind unabdingbare Bestandteile der jetzt mehr denn je notwendigen Friedenspolitik. Dabei darf man von der allgemeinen Erkenntnis ausgehen, daß weltweite und vollständige Abrüstung unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Ziel muß zunächst vielmehr sein, die Rüstungsprozesse in Kooperation so zu steuern, daß Verteidigungsfähigkeit und gegenseitige Abschreckung auf gleichgewichtigem, möglichst niedrigerem Niveau an Kräften erhalten bleiben, daß bedrohliche und provozierende militärische Verhaltensmöglichkeiten abgebaut und die Rüstungskosten so gering wie möglich gehalten werden. Nicht weniger muß Rüstungskontrolle darauf abzielen, mögliche Krisen und Konflikte, die aus dem Rüstungswettlauf entstehen können, aber auch mögliche Anreize für eine weitere Eskalation des Wettrüstens zu vermeiden, z. B. durch den Verzicht auf die Verwirklichung neuer waffentechnologischer Möglichkeiten - dies allerdings im Zusammenhang mit Rüstungkontrollvereinbarungen. Aus dem von mir eingangs geschilderten, vielleicht etwas verwirrenden Muster heutiger politischer Beziehungen heben sich die Beziehungen zwischen Ost und West und die Beziehungen zwischen Nord und Süd besonders heraus. Die Außenpolitik der von uns getragenen Regierung unter Außenminister Genscher gestaltet die Beziehungen zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens, auf der Grundlage von Interessenausgleich und Kooperation unter Gleichberechtigten, also auf der Grundlage der von mir genannten Elemente einer weltweiten Entspannungspolitik. Nur einer solchen Politik kann es gelingen, den Gegensatz zwischen Ost und West zu zügeln und die Welt so vor der Katastrophe eines nuklearen Krieges zu bewahren. ({2}) Nur so kann der Nord-Süd-Gegensatz überwunden werden. Nur so können schwere Störungen unserer arbeitsteiligen Weltwirtschaft vermieden und damit eine Bedrohung unserer Wirtschaft und somit auch unserer Existenz abgewendet werden. Von entscheidender Bedeutung für weltweite Entspannung und Sicherheit und von vitaler Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind nun einmal stabile Verhältnisse zwischen Ost und West. Die sogenannte Ostpolitik der sozialliberalen Koalition ist dieser Notwendigkeit durch eine Entspannungspolitik gerecht geworden, die geeignet ist, das Verhältnis zwischen den Staaten und Kontakte zwischen den Menschen - auch zwischen den in zwei Staaten lebenden Deutschen - zu verbessern. Die Entspannungspolitik ist auch geeignet, Krisen an den Orten ihres Entstehens abzubauen. Diese Politik ist im wesentlichen unter den liberalen Außenministern Scheel und Genscher entstanden und ist in fast allen wichtigen Bereichen von seiten der CDU/CSU nachhaltig bekämpft worden. Diese Politik hat sich konkretisiert z. B. in den Ostverträgen, im Viermächteabkommen über Berlin, in der Schlußakte von Helsinki, in den deutsch-polnischen Vereinbarungen Iron 1975, im 25-Jahre-Kooperationsabkommen mit der Sowjetunion und zuletzt in der deutsch-sowjetischen Deklaration vom 6. Mai 1978. Im Gegensatz zur Reaktion der Opposition, die nahezu alle diese praktischen Schritte abgelehnt oder sich in Enthaltung geflüchtet hat, hat diese Politik in unserer Bevölkerung eine breite Zustimmung gefunden. Sie hat der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Außenpolitik darüber hinaus weltweit Anerkennung und Achtung eingetragen. Dabei war die Entspannungspolitik der liberalen Außenminister Scheel und Genscher stets realistisch. Sie haben ihre Voraussetzungen stets nüchtern gesehen. Sie wußten: Entspannungspolitik wird durch die Fortdauer des prinzipiellen Gegensatzes zwischen den freiheitlich-demokratischen und den kommunistischen WertMöllemann vorstellungen, die dadurch geprägten Systeme, aber auch durch den Gegensatz der politischen Ziele der diesen Systemen angehörenden Staaten erschwert. Sie wußten, daß die Gegensätze im Ideologischen und Prizipiellen fortdauern werden und nur in ihren negativen Auswirkungen gezügelt werden können. Dies ist nicht zuletzt oft auch deshalb so schwierig, weil die langen Jahre der Konfrontation, des sogenannten Kalten Krieges, ja eben nicht nur Macht-, sondern auch Bewußtseinsstrukturen und Denkweisen verfestigt haben. Von diesen Tatsachen ist vor allem auch unsere äußere Sicherheitslage gekennzeichnet. Sie ist bestimmt von der Ost-West-Rivalität, die in Europa vor allem die Bundesrepublik Deutschland belastet. Sie ist bestimmt von der Fähigkeit und der Entschlossenheit der Blöcke, dem jeweils anderen Block gegenüber militärisch nicht in eine Unterlegenheit zu geraten. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Nuklearwaffen. Deren Existenz zwingt beide Seiten, die Gefahr zu berücksichtigen, daß eine bewaffnete Auseinandersetzung in Europa zur nuklearen Eskalation, zur Steigerung in den Atomkrieg, führen kann. Hieraus folgt immer mehr in Einsicht beider Seiten, daß jeder militärische Konflikt wegen der damit verbundenen Gefahr der nuklearen Eskalation, des Ausweitens des Atomkrieges, verhindert werden muß, und daraus folgt auch die Einsicht, daß die Fortsetzung der Entspannungspolitik durch Fortschritte in der Rüstungskontrolle ergänzt werden muß. Dies belegt ein Blick auf das militärische Kräfteverhältnis. Bei weltweit ungefährem militärischen Kräftegleichstand zwischen Ost und West besteht zwischen NATO und Warschauer Pakt ein annähernder Kräftegleichstand bei den strategischen Waffen, also bei der gefährlichsten Kategorie der Atomwaffen. Es besteht eine Überlegenheit ides Warschauer Pakts im Bereich der Europa unmittelbar bedrohenden Mittelstreckenraketen. Es besteht eine Überlegenheit des Warschauer Pakts an konventionellen Streitkräften in Europa, deren Aufbau und Stationierungsorte zum Angriff befähigen. Darüber hinaus bestehen deutliche geographische Vorteile des Warschauer Pakts. Ein Anhalten dieser Tendenzen kann eine Gefährdung der Verteidigungsfähigkeit Westeuropas zur Folge haben. Auf Grund der konventionellen Überlegenheit des Warschauer Pakts der gegenwärtigen Führung der Sowjetunion derzeit die Absicht eines militärischen Angriffs auf Westeuropa unterstellen zu wollen wäre mindestens sehr gewagt, vermutlich sogar sehr falsch. Es muß aber festgestellt werden, daß die konventionellen militärischen Fähigkeiten des Warschauer Pakts weit. über seine Verteidigungsnotwendigkeiten hinausgehen. Politische Wirkungen ergeben sich nicht nur aus möglichen Absichten, sondern auch aus tatsächlichen Fähigkeiten. Auch wenn nicht die Absicht besteht, militärische Überlegenheit als Mittel der Politik anzuwenden, löst diese beim Gegenüber doch ein Gefühl der Bedrohtheit aus und wirkt politisch verunsichernd; sie macht den anderen mißtrauisch und damit auch weniger handlungsfähig im Sinne eigener Abrüstungsmaßnahmen. Die militärischen Fakten machen es deutlich: Sicherheit ist nur durch Entspannungsbemühungen auf der einen und Verteidigung auf der anderen Seite zu erreichen. Keine dieser Aufgaben kann vernachlässigt werden, ohne die jeweils andere und damit auch den Frieden in Gefahr zu bringen. Dies bedeutet auch: Die Fähigkeit zur wirksamen Abschreckung und Verteidigung ist als Voraussetzung für erfolgreiche Entspannungsbemühungen unverzichtbar; denn Entspannungspolitik lebt vom Ausgleich der Interessen unter Gleichberechtigten. Anpassung an die Machtinteressen des anderen wäre das Gegenteil von Entspannungspolitik. Dieses Betonen beider Säulen der Sicherheitspolitik, sowohl einer glaubwürdigen, funktionierenden Verteidigung als auch eines intensiven Bemühens um Rüstungskontrolle und Abrüstung, kennzeichnet in besonderer Weise die sicherheitspolitische Konzeption der FDP gegenüber allen, die einseitig oder übergewichtig die Verteidigung bzw. einseitig oder übergewichtig die Abrüstung propagieren. Zu den Grundsätzen, Voraussetzungen und Zielen der Entspannungspolitik konnte ich Ihnen also etliches vortragen. Lassen Sie mich nun einiges zu den Prinzipien unserer Sicherheitspolitik sagen. Wir Liberalen haben schon sehr frühzeitig darauf hingewiesen, daß Sicherheitspolitik weit mehr als nur reine Militär- und Verteidigungspolitik ist. Sicherheitspolitik ist für uns vielmehr die Summe aller politischen Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, unser Volk vor gewaltsamer Bedrohung oder Erpressung zu schützen und ihm Selbstbestimmung in einer freiheitlichen und friedlichen Zukunft zu gewährleisten. Sicherheitspolitik verbindet also eine auf friedlichen Interessenausgleich gerichtete Außenpolitik mit den notwendigen Überlegungen der Landesverteidigung ebenso, wie sie um ihre Abhängigkeit von der Entwicklungs-, Rohstoff- und Außenwirtschaftspolitik weiß. Erfolgreich kann die von uns zu betreibende Sicherheitspolitik nur sein, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind. Die erste Voraussetzung: eine aus Überzeugung und ausdauernd betriebene Außenpolitik des Friedens und der Entspannung, die uns weltweit Freunde und Verbündete schafft, die das Entstehen neuer Konfliktherde möglichst verhindert und bestehende Konflikte, ihre oft bedrükkenden Symptome, mehr noch ihre Ursachen zu beseitigen versucht. Nationale Eigenbröteleien, Weltverbesserertum und Kraftmeierei schließen eine letztlich erfolgreiche Außenpolitik heute mehr denn je aus, ja sie isolieren den, der sie anwendet, wie sich in verschiedenen Beispielen gezeigt hat. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, daß ich Ihnen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Sie zu diesem Thema ja ein sehr ambivalentes Verhältnis haben, noch einmal deutlich sage: Es reicht nicht aus, wenn Sie in Sachdebatten hier im Hause, solange es um MBFR geht, so tun, als seien Sie die wahren Bannerträger dieser Bundesregierung, wenn Sie in anderen, über diesen Rahmen hinausgehenden Fragenbereich hier und noch mehr draußen massiv die von uns betriebene Politik bekämpfen. Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal in den Protokollen der Debatte über die Schlußakte von Helsinki nachzulesen. Der heute in Bayern tätige, wie ich höre, demnächst bei den Bundestagswahlen Mitspitzenmann Franz Josef Strauß hat ja allen Argumenten, die Sie gegen Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa durch diese Konferenz gebracht haben, die Krone aufgesetzt, als er die KSZE-Schlußakte mit dem Münchener Abkommen verglich. Ich denke, Sie werden wirklich gefordert sein, hier einmal unmißverständlich darzulegen - so wie Sie es in anderen Bereichen von unseren Kollegen aus der SPD immer verlangt haben -, ob Sie nun wirklich und in vollem Umfang auf der Grundlage der von der Bundesregierung abgeschlossenen Verträge und damit natürlich auch der von diesen implizierten Politik stehen. (Dr. Mertes [Gerolstein] ({3}) Die zweite Voraussetzung für eine erfolgreiche Sicherheitspolitik ist eine ausreichend starke Notwehrorganisation „Bundeswehr", die als fester Bestandteil des Atlantischen Bündnisses jeden militärischen Angriff für jeden denkbaren Aggressor zu einem kalkulierbar untragbaren Risiko werden läßt. Organisation und Struktur der Bundeswehr müssen ihrer militärischen Aufgabe, aber auch ihrer Funktion in einer freiheitlichen Gesellschaft entsprechen. Die Ausstattung der Bundeswehr und des Bündnisses entspricht im übrigen der Aufgabe. Sowohl der amtierende Generalinspekteur als auch General Haig haben bei ihren Lagebeschreibungen eindeutig erklärt, die sicherheitspolitische Situation sei so, daß die Feststellung gerechtfertigt werde: Bundeswehr und NATO erfüllen ihre Aufgabe zufriedenstellend. ({4}) - Herr Kollege Wörner, Sie weisen darauf hin, daß ich den wesentlichen Teil vergesse. Ich nehme an, daß Sie in Ihrem Beitrag anschließend dieses Versäumnis nachholen werden. Möglicherweise liegt hier aber auch ein Unterschied in der politischen Bewertung. Die dritte Voraussetzung' ist die Überzeugung eines möglichst großen Teils der Bevölkerung, daß es lohnend und notwendig ist, diesen Staat mit beträchtlichem Aufwand zu verteidigen. Insofern unterstreicht liberale Sicherheitspolitik den engen Zusammenhang zwischen Verteidigungswürdigkeit und Verteidigungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir meinen, je gerechter und freiheitlicher wir unseren Staat gestalten, um so größer wird die Einsicht in die Notwendigkeit sein, daß man ihn auch gegenüber anderen Ordnungen verteidigen muß. Die angesprochene Fähigkeit der NATO, wirksam abzuschrecken und zu verteidigen und somit eine Politik der Sicherheit durch Gleichgewicht betreiben zu können, ist nur dann gegeben, wenn folgende sicherheits- und militärpolitische Bedingungen gewahrt bleiben: erstens die Verteidigung im Bündnis, d. h. vor allem Bündnissolidarität, zweitens die Entscheidungsfreiheit des Bündnisses, z. B. über Bewaffnung, Struktur und Organisation seiner Streitkräfte sowie über den Umfang der nationalen Truppenanteile, und drittens die uneingeschränkte Fähigkeit zur Durchführung der Strategie der „flexible response", d. h. der jeweils angemessenen militärischen Antwort auf einen militärische n Angriff. Wie gesagt, die führenden Repräsentanten des Militärs im Bündnis haben unlängst bestätigt, daß diese Fähigkeit zur Durchführung der „flexible response" gegeben ist. Diese Strategie will Abschrekkung und Verteidigung dadurch gewährleisten, daß sie konventionelle und nukleare Mittel bereithält, um einem möglichen Angreifer auf der von ihm gewählten Stufe eines militärischen Konflikts entgegentreten zu können. Bleibt dies erfolglos, wird der Abwehrkampf qualitativ gesteigert, um den Angreifer zur Einstellung der kriegerischen Handlungen und gegebenenfalls zum Rückzug vom NATO-Territorium zu zwingen. Die Eskalation kann bis hin zum Einsatz strategischer Atomwaffen erfolgen. Lückenlose Abschreckung ist ohne diese Stufe der Eskalation nicht gewährleistet. Die schwerwiegenden Folgen, die ein Krieg vor allem für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bevölkerung haben kann, erfordern, daß ein potentieller Angreifer wirksam mit der Gefahr der Eskalation konfrontiert wird und so vor kriegerischen Handlungen oder der Fortsetzung eines begonnenen Angriffs abgeschreckt wird. Das macht neben ausreichenden strategischen Atomwaffen nach Zahl, Art und Leistungsfähigkeit ausreichende taktische A-Waffen nötig. Nur so wird im Frieden und im Spannungsfall einem möglichen Angreifer das untragbare Risiko einer Aggression vor Augen geführt. Nur so sind in einem kriegerischen Konflikt das Potential und die Flexibilität gegeben, die notwendig sind, um durch vorbedachte Eskalation, d. h. durch politisch kontrollierten, gezielten Einsatz auch nuklearer Waffen dem Angreifer zu demonstrieren, daß bei Fortsetzung seiner Aggression Gewinnchance und Risiko für ihn nicht mehr in einem tragbaren Verhältnis zueinander stehen. Ohne diese Voraussetzungen bei den taktischen Atomwaffen würde bei Versagen der Direktverteidigung auf konventioneller Ebene ein schwer zu kontrollierendes und rasches Eskalieren des kriegerischen Konflikts in eine massive atomare Auseinandersetzung mit allen schlimmen Folgen für die Bevölkerung gerade unseres Landes eintreten, vorausgesetzt, daß der Eskalationswille der USA unter diesen Umständen überhaupt noch gegeben wäre. Von einer Strategie der flexiblen Antwort könnte dann keine Rede mehr sein. Die Abschrekkung würde wesentlich an Glaubwürdigkeit verlieren. Über ihren unmittelbaren militärischen Wert hinaus ist ein Vorhandensein solcher Waffen auch von symbolischer Bedeutung. Er signalisiert einem potentiellen Aggressor, aber auch den Bündnispartnern, die nicht über Nuklearwaffen verfügen, den Willen und die Fähigkeit des Bündnisses zur Eskalation. Die Abschreckungsstrategie der NATO braucht also eine ausgewogene Gesamtstruktur des Abschreckungspotentials von konventionellen und atomaren Mitteln. In diesem Verbund kann eine Einzelkompontente die andere nicht ersetzen. Die Abschreckungswirkung hängt vom Eskalationsverbund ihrer einzelnen Komponenten ab. ({5}) Die Strategie der flexiblen Erwiderung muß darüber hinaus für die Gesamtheit des NATO-Gebietes Anwendung finden. ({6}) Präsident Carter hat mehrfach - so auch während seines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland im letzten Jahr - ausdrücklich betont, daß die nuklear-strategische Stabilität untrennbar mit der Stabilität in und für Europa verbunden ist. Es sagte: Die amerikanische Sicherheit ist heute genauso eng mit der westeuropäischen Sicherheit verknüpft wie in den letzten drei Jahrzehnten. Wir sind zur Abschreckung vor einem Krieg in Europa und wir sind zur Verteidigung des gesamten Bündnisgebietes bereit. Wir vertrauen auf diese Zusage unseres Partners, auf die wir angewiesen sind, und sind unsererseits bereit, unseren Teil zur Friedenssicherung beizutragen. Wirksame Abschreckung und Verteidigung bedürfen der Fähigkeit, vorne, also grenznah zu .verteidigen. Die dichte Besiedlung und geringe Tiefe der Bundesrepublik . Deutschland und die hohe Präsenz der in der DDR stationierten Verbände des Warschauer Paktes verlangen die Fähigkeit, mit ausreichenden, präsenten und dazu schnell aufzustellenden gekaderten Verbänden grenznah, unverzüglich und schlagkräftig zu verteidigen, da ein länger anhaltender Kampf auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland das zerstören würde, was verteidigt werden soll. Die hierfür jetzt vorhandene Zahl an Verbänden, nicht an Personalstärke, bildet das Minimum dessen, was zur Aufrechterhaltung der Vorneverteidigung auch nach Erreichen des MBFR-Zieles notwendig ist. Auf dieser Grundlage müssen die Grundsätze für eine echte Rüstungskontrolleaufbauen. Dabei muß der besondere Charakter der Rüstungskontrollpolitik beachtet werden. Sie ist wie die Entspannungspolitik auch wegen der technologischen Komplexität dieses Bereiches, vor allem aber wegen der ideologischen und politischen Gegnerschaft der Verhandlungspartner im Grundsätzlichen ein langfristiger, von Stagnationen und Rückschlägen begleiteter, mit Geduld und Augenmaß zu betreibender Prozeß, der des Rückhalts aller Parteien im Grundsätzlichen, der Abstimmung im nationalen, europäischen und im Bündnisrahmen bedarf und von Unstetigkeit, Sprunghaftigkeit, von dem Wunsch nach schnellem Erfolg und von unsachlichen Profilierungsbedürfnissen gefährdet wird. Die Grundsätze unserer Rüstungskontrollpolitik lauten in Kurzfassung: Erstens. Alle Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Zweitens. Das Prinzip der unverminderten Sicherheit für alle Beteiligten muß eingehalten werden. Drittens. Ausgangspunkt müssen die Realitäten sein, d. h. die Existenz der Bündnisse mit ihren bestehenden Kräfteverhältnissen. Viertens. Die gesamtstrategische Sicht und das Prinzip, das die flexible response die Verteidigung des gesamten NATO-Gebietes gewährleisten muß, dürfen nicht verlorengehen. Fünftens. Beachtet werden muß auch die organisatorische, strukturelle und technologische Entscheidungsfreiheit, die zum Erhalt der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses und für eine mögliche europäische Verteidigungsoption notwendig ist. Bei den Bewertungen von Ergebnissen sollte man auch immer zur Kenntnis nehmen, daß das Bündnis und nicht einzelne Regierungen Verhandelnder ist. Eine Bewertung unserer Rüstungskontrollpolitik ergibt: Wir haben uns auf der Grundlage der von mir soeben genannten Prinzipien konstruktiv und mit entscheidenden Beiträgen an den stattfindenden Rüstungskontrollverhandlungen beteiligt. Wir haben nachhaltig darauf gedrungen, daß die MBFRVerhandlungen als Ergänzung zur KSZE möglichst zeitparallel stattfinden. Wir haben immer wieder betont, daß Entspannung ohne militärische Sicherheit durch Rüstungsbegrenzung und entsprechende begleitende Maßnahmen nicht möglich ist. Die Bundesregierung - und in ihr Hans-Dietrich Genscher - hatte wesentlichen Anteil an der Aufnahme von Vereinbarungen über militärische vertrauensbildende Maßnahmen in die KSZE-Schlußakte. Man mag die bislang gegebenen vertrauensbildenden Maßnahmen für unzureichend halten, wichtig ist der Einstieg in den Versuch, durch mehr Offenheit Mißtrauen abzubauen und damit eine der Ursachen des Wettrüstens zu verringern. Wir treten für die vertragliche Festlegung dieser Maßnahmen auch bei den MBFR-Verhandlungen ein. Darüber hinaus konnte, besonders auch während des Breschnew-Besuchs, Wesentliches zur Anerkennung des Paritätsprinzips durch den Warschauer Pakt erreicht werden. ({7}) Was dort vereinbart worden ist, muß seine konkretisierte Festlegung bei den Verhandlungen in Wien finden. Die westliche MBFR-Initiative vom April 1978 ist wesentlich von der Bundesrepublik Deutschland gefördert worden. Wir haben stets darauf gesehen, daß die Verhandlungen weder den Boden der militärischen Gegebenheiten noch den des rüstungskontrollpolitischen Ziels verlassen. Wir haben daher eindringlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Konsequenzen auszugleichen, welche die unterschiedliche Tragweite von Reduzierungsmaßnahmen für im Vertragsraum stationierte, aber aus anderen Staaten kommende Streitkräfte einerseits und für die einheimischen Streitkräfte 'andererseits ergeben können. In der Erkenntnis, daß nur im Rahmen des Blindnisses Verteidigung und Entspannung erfolgreich betrieben werden können, hat die Bundesregierung nicht zuletzt stets darauf geachtet, daß das Prinzip der Kollektivität für die Verhandlungen und ihre Ergebnisse gültig wurde und aufrechterhalten blieb. Das heißt, beide Bündnissysteme bleiben frei, Truppenverminderungen, die hoffentlich bald fest vereinbart werden, in sich in nationale Anteile aufzuteilen. Die FDP-Fraktion begrüßt auch die im Vorjahr eingebrachten und im Schlußkommuniqué der NATO-Außenministerkonferenz vom Dezember 1978 niedergelegten Vorschläge des deutschen Außenministers, die darauf abzielen, die nächste KSZE-Überprüfungskonferenz in Madrid auf politischer Ebene abzuhalten und bei MBFR die Einberufung einer Verhandlungsrunde auf Außenministerebene vorzuschlagen, wenn die erzielten Ergebnisse dies rechtfertigen. Aus den bereits erwähnten Gründen hat die Bundesregierung in den bilateralen Konsultationen mit den USA und in der NATO nachhaltig und oft die Auffassung vertreten, daß in den SALT-Verhandlungen der gesamtstrategische Aspekt und damit auch die westeuropäischen Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben müssen. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den weltweiten Abrüstungsbemühungen wird in folgendem deutlich: Verzicht auf die Herstellung von A-, B- und C-Waffen 1954; Beitritt zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen 1968; Unterzeichnung des Vertrages über das Verbot, bakteriologische Waffen zu entwickeln, herzustellen und zu lagern, 1972; Verpflichtung, umweltverändernde Techniken nicht zu nutzen. Wir begrüßen auch, daß die Bundesregierung derzeit an Abkommen mitarbeitet über 1. das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Waffen und deren Vernichtung; 2. das Verbot radiologischer Waffen; 3. einen umfassenden Atomversuchsstopp. Die restriktive Praxis der Bundesrepublik im Bereich des Rüstungsexports ist bekannt. Sie sollte beibehalten werden. Nicht zuletzt hat die Bundesrepublik alle notwendigen Maßnahmen getroffen, um den Mißbrauch von Kernenergieanlagen für militärische Zwecke zu verhindern. Diese Bilanz ist Ausdruck der Friedenspolitik dieser Koalition, die auf Interessenausgleich und Kooperation, auf friedliche Konfliktbeilegung und Krisenmanagement ausgerichtet ist, ohne eigene Wertvorstellungen oder Grundpositionen aufzugeben. Diese Politik hat es dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister erlaubt, auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen über Abrüstung mit großer Glaubwürdigkeit aufzutreten und das Bewußtsein für die Notwendigkeit von Rüstungskontrolle zu stärken. Diese. Politik hat darüber hinaus wesentlich dazu beigetragen, daß sich nun bei MBFR Umrisse eines Abkommens abzuzeichnen beginnen, die auch von den Zielvorstellungen des NATO-Bündnisses mitbestimmt sind. Die auf Sicherheit durch Verteidigung gründende, aber ebenso auf Entspannung zielende Politik und damit eine Politik, die auch die Sicherheit des Verhandlungspartners achtet, hat sicher auch dazu beigetragen, daß Generalsekretär Breschnew in der derzeitigen, für die Sowjetunion sicher nicht einfachen weltpolitischen Lage ausdrücklich betont, daß sie an einer Weiterführung der Entspannungspolitik interessiert ist, daß sie SALT II zügig beenden will, daß sie für weitgehende militärische vertrauensbildende Maßnahmen im Reduzierungsraum von MBFR ist. Wir begrüßen die Äußerungen ausdrücklich als konstruktiv. Daß wir bezüglich der Datendiskussion und der Mittelstreckenwaffen grundsätzlich anderer Meinung sind, haben wir wohl hinreichend deutlich gemacht. Wir halten aber diese Meinungsverschiedenheiten auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen für überwindbar. Wer den Stand der Rüstungskontrollpolitik in der Gesamtheit bewerten will, sollte sich - ich erwähne das bewußt noch einmal - darüber klar sein, daß diese Politik nur eine Politik der kleinen Schritte sein kann. Er sollte nicht unrealistische oder nur langfristig zu erreichende Ziele als Maßstäbe für das kurzfristig zu Erreichende, für das heute Erreichte anlegen. Er sollte sich vielmehr einmal anschauen, wie die weltpolitische Lage in dieser Hinsicht noch vor zehn Jahren war. Wir jedenfalls sind nach wie vor stolz darauf, daß wir in der sozialliberalen Koalition unseren Beitrag zum weltweiten Versuch, mehr Sicherheit durch mehr Zusammenarbeit zu erreichen, geleistet haben. Wenn der Kollege Zimmermann hier festgestellt hat, lakonisch und natürlich den Feststellungen anderer Kollegen aus der Union widersprechend, die Entspannungspolitik sei gescheitert, dann tut er damit nichts anderes, als daß er deutlich macht, daß Sie eben nach wie vor gegen diese Konzeption von Politik sind. Sagen Sie es dann doch alle so deutlich wie der Kollege Zimmermann! Bei SALT ist man erstmalig zur zahlenmäßigen Senkung von Trägerwaffen in der Konzeption gekommen, statt zur Festlegung von Obergrenzen. Die Qualität der Waffen ist als Verhandlungsgegenstand in Angriff genommen worden. Bei MBFR hat es Annäherungen im Konzeptionellen gegeben, ist man sich über gegenseitige Daten, Strukturen und Möglichkeiten klarer geworden. Ein solcher Dialog wirkt stabilisierend. Die neue Struktur der Genfer Abrüstungskonferenz, die Teilnahme Frankreichs, hat neue Hoffnungen geweckt. Die Sondergeneralversammlung schließlich hat Fortschritte im Bewußtsein über die Notwendigkeit der Rüstungskontrolle gebracht. Wie nach unserer Meinung die einzelnen laufenden Verhandlungen en detail . fortgesetzt werden sollten, darüber wird mein Kollege Kurt Jung sprechen. Lassen Sie mich nun einiges zu Maßnahmen sagen, die uns mittel- und langfristig nötig erscheinen. Nötig und und ohne jede vernünftige Alternative ist nach unserer Auffassung die Fortsetzung der konstruktiven, . unsere Sicherheit wahrenden Rüstungskontrollpolitik der Bundesregierung mit dem Ziel, den Militärpotentialen ihre destabilisierende, provozierende und politisch einschüchternde, vor allem aber ihre unmittelbar bedrohende Wirkung zu nehmen. Hierzu muß der Westen mittel- und langfristige Maßnahmen anstreben, die Angriffsoptionen des Warschauer Paktes verhindern, die Warnzeiten verlängern und damit auch die Verfügbarkeit militärischen Potentials für das Erreichen offensiver Ziele begrenzen. Die französische Initiative einer Abrüstungskonferenz, die den Raum vom Atlantik bis zum Ural umfaßt, sollte nachdrücklich unterstützt werden. Dieses Konzept würde den relativ willkürlich definierten Reduzierungsraum bei MBFR nach West und Ost in einer der beiderseitigen Sicherheit förderlichen Weise ausweiten. ({8}) Vor allem aber scheint es richtig, ein besonderes Schwergewicht auf ein verfeinertes Instrumentarium vertrauensbildender Maßnahmen zu legen. Wie bisher sollten die Verhandlungen mit Stetigkeit und Geduld weitergeführt werden. Dabei muß der Zusammenklang von Verteidigungs- und Verhandlungsoptionen gewahrt werden. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung muß, soweit dieses möglich ist, auch weiterhin ihre Autorität geltend machen, um den weltweiten Rüstungsexport zu reduzieren. Die großen Waffenexportländer in Ost und West müssen wissen, daß sie sonst die Zahl möglicher Krisenherde ebenso vergrößern wie die Wahrscheinlichkeit, daß dort entstehende Kriege künftig auch sie unmittelbar involvieren werden. Darüber hinaus meinen wir, daß um der Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der eigenen Position willen die Methoden bei der Feststellung des militärischen Kräfteverhältnisses auch auf der eigenen Seite immer wieder überprüft werden sollten. Jede Möglichkeit, unsere Verteidigungsstruktur bei Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit im Bündnis so eindeutig defensiv wie möglich zu gestalten, sollte genutzt werden. Und schließlich, meine Damen und Herren, muß die Aufklärung über den Sinn, die Ziele und die Notwendigkeit der Rüstungskontrolle in stärkerem Maße auch auf die Bevölkerung ausgedehnt werden. Ich glaube, eine sehr sporadisch geführte, häufig an Einzelvorfällen orientierte oder sich an der Beschaffung neuer Waffensysteme ausrichtende Diskussion über Fragen der Bedrohung, der Strategie und der Friedenssicherung wird ihrem Anspruch nicht gerecht. Dies allerdings tut die Antwort der Bundesregierung, der wir für die ausführliche Darlegung ihrer Überlegungen danken möchten. Und an dieser Stelle wird natürlich auch ein Mitglied der Freien Demokratischen Partei seinem Parteivorsitzenden, dem Außenminister Genscher, besonders herzliche Genesungswünsche aussprechen dürfen. - Ich bedanke mich für Ihre Geduld. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung, Dr. Apel. ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin durchaus darüber zufrieden, daß wir heute und morgen - denke ich - eine sehr umfassende und gründliche sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte haben. Es ist durchaus angebracht, wenn unser Volk und damit auch der Deutsche Bundestag Fragen in den Mittelpunkt stellen, die für die Existenz dieses Landes von zentraler Bedeutung sind. Wir sollten allerdings alle darauf achten, daß diese Debatte sachbezogen ist, und versuchen, soweit es geht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, mit anderen Worten: unserer Verpflichtung als Parlamentarier, als Repräsentanten des deutschen Volkes zu entsprechen, ({0}) Ich möchte gleich zu Beginn darauf hinweisen, daß es in der Bewertung der Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU augenscheinlich einen sehr grundsätzlichen Unterschied gibt zwischen Herrn Zimmermann, der vor mir gesprochen und die Beantwortung als unzureichend und als Lavieren bezeichnet hat, und dem verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU. ({1}) Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr Dr. Wörner, hat am 24. Februar im Sender Freies Berlin gesagt - ich zitiere wörtlich -: Die Antwort der Bundesregierung verdeutlicht in erfreulich klarer Weise den Zusammenhang zwischen Rüstungskontrollpolitik und einer auf militärisches Gleichgewicht begründeten Abschreckung. ({2}) Herr Kollege Wörner fährt fort: Sie - die Bundesregierung bestätigt damit die Position der CDU/CSU, - ob Sie nach der Rede von Herrn Zimmermann noch für die CSU sprechen dürfen, mögen Sie intern klären und sie bietet damit - das will ich ganz offen sagen - - so der Abgeordnete Dr. Wörner -die Chance zu einer Versachlichung der gegenwärtig laufenden Debatte. Wenn dies so wäre, wäre es vernünftig, die Rede des Abgeordneten Zimmermann aus dieser Möglichkeit, die der Abgeordnete Dr. Wörner zur Versachlichung sieht, auszuklammern und darauf zu hoffen, daß in späteren Debattenbeiträgen dieses Aufeinanderzugehen, das Versachlichen der Debatte möglich wird. Es kommt wohl darauf an, nicht nur im Ton gemessen zu reden, sondern auch in der Sache, so daß dies Einander-Verstehen und -Zuhören möglich wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie gestatten eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Wörner, Herr Bundesminister?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Bitte schön.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Dr. Wörner, bitte schön.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesverteidigungsminister, ohne in irgendeinem Wort von dieser meiner Auffassung abweichen zu wollen, darf ich Sie doch fragen, ob Sie nicht so freundlich wären, dann auch meine mit Herrn Zimmermann völlig übereinstimmende Kritik an der unzureichenden und ausweichenden Antwort der Bundesregierung auf die Bedrohung durch die sowjetischen Mittelstreckenraketen darzustellen. Das hätten Sie fairerweise dann auch sagen müssen, wenn Sie schon Passagen aus diesem Interview herausgreifen.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ich komme sehr gern auf diesen Punkt zurück, Herr Kollege Dr. Wörner. Dennoch werden Sie mir zugeben müssen, daß Ihre von mir vollinhaltlich zitierte Aussage vom 24. Februar sich sehr wohltuend, sehr positiv von der Tonlage und dem Inhalt dessen abhebt, was der erste Fraktionssprecher der CDU/ CSU, der Abgeordnete Dr. Zimmermann, uns geboten hat. ({0}) Ich hoffe sehr, daß es möglich wird, diese Debatte heute und morgen auf der von Ihnen anvisierten Linie zu bestreiten. Denn in einem Punkt sind wir sicherlich einer Meinung, meine sehr verehrten Damen und Herren: daß wir alle unser Land auf dem Wege zum sozialen Rechtsstaat ohne äußeren Druck weiterentwickeln wollen, daß die gewährleistete äußere Sicherheit die Voraussetzung für das Glück unseres Landes ist. Hier möchte ich einen bekannten Spruch dahin abwandeln, daß nicht der Krieg der Vater aller Dinge ist, sondern daß für Europa und die Welt der Friede der Veater aller Dinge ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Wenn wir über Frieden reden, wenn wir über Sicherheitspolitik reden, wenn wir heute und morgen über die Schicksalsfragen dieses Landes sprechen, dann sollten wir auch als Sicherheitspolitiker nicht vergessen und übersehen, daß der soziale Friede in unserem Land, ein Mehr an Gerechtigkeit, die Erhaltung und Fortentwicklung unserer Wirtschaftskraft die Voraussetzungen sind, die die Fähigkeit und die Bereitschaft schaffen, unser Land sicher bleiben zu lassen, es unangreifbar werden zu lassen. Ich bitte, wenn wir über Verteidigungsausgaben reden, doch sehr, nicht zu übersehen, daß es eine Wechselbeziehung zwischen äußerer und persönlicher Sicherheit, zwischen äußerem und sozialem Frieden gibt. Verteidigungspolitik und Sicherheitspolitik müssen dies stets im Auge behalten. Unser Land ist so verteidigungsfähig, unser Land ist so verteidigungsbereit, wie dieser soziale, dieser innere Friede in unserem Lande gesichert und gegeben ist. Auch dies ist Teil der Sicherheitspolitik. ({2}) Der Abgeordnete Dr. Zimmermann hat dann - ich werde mich diesem Thema jetzt zuwenden -darüber geredet, daß ihm das Signal von 1967, das Signal der NATO, Verteidigungspolitik und Entspannungspolitik als die beiden Seiten der Sicherheitspolitik anzusehen, sehr wohl bewußt sei. Er hat aber schwere Vorwürfe - in diesem Punkte unterscheidet er sich dann eben doch von dem Abgeordneten Dr. Wörner - hinsichtlich der Realisierung, der Beibehaltung dieser gleichgewichtigen Sicherheitspolitik geäußert. Ich möchte dazu ausführen, daß sowohl Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit als auch Fortsetzung der Entspannungspolitik Elemente der Sicherheitspolitik sind. Wer eines der beiden Elemente vernachlässigt, gefährdet die Erreichung der Sicherheit, gefährdet auch das andere Ziel der Sicherheitspolitik. ({3}) Oder, um konkret zu sein: Militärisches Ungleichgewicht erzeugt Unsicherheit. Unsere Verteidigungsfähigkeit ist die Voraussetzung für die Entspannungspolitik. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Entspannungspolitik für beendet erklärt, wer Entspannungspolitik für tot erklärt, muß sich fragen lassen, wohin er denn diesen Kontinent, unser Europa, unser Land treiben lassen, in welche Risiken er sich hineinbegeben will. ({4}) Der Herr Kollege Genscher hat in dem bereits angesprochenen Aufsatz am 16. Februar dazu etwas gesagt. - Bevor ich zitiere, möchte ich eine sehr persönliche Bemerkung machen: Ich bin betroffen, daß der Bundesaußenminister, der Vizekanzler, an dieser wichtigen Debatte heute nicht teilnehmen kann. Denn es wäre wichtig, daß er deutlich machen könnte und deutlich machen würde, daß es zwischen der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen keinerlei Unterschiede in der Betrachtung gibt. ({5}) Es ist wichtig, daß er wieder gesund wird, weil wir auf ihn nicht verzichten können.({6}) Ich möchte nun den Herrn Bundesaußenminister zur Frage der Entspannungspolitik zitieren. In dem von mir bereits erwähnten Aufsatz vom 16. Februar 1979 sagt er wörtlich: Die von uns im Rahmen der Entspannungspolitik geschlossenen Verträge werden von uns aufrichtig erfüllt. Die eingeleitete Entspannungspolitik betrachten wir nicht als Episode, sondern sie ist langfristig angelegt. Sie ist keine Episode, sie ist langfristig angelegt, und beide Seiten, Osteuropa wie Westeuropa, haben ein Interesse an der Fortsetzung dieser Entspannungspolitik. Wenn es nicht so wäre, dann wäre die Entspannungspolitik allerdings beendet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wörner?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Bitte schön.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Verteidigungsminister, wenn Sie so demonstrativ die angebliche Einigkeit im Lager der Koalition und zwischen Koalition und der Bundesregierung unterstreichen: Wie erklären Sie sich die fortlaufenden Äußerungen des Kollegen Wehner - zuletzt in Ungarn und dann auch noch im RIAS von sich gegeben -, und sind Sie der Auffassung, daß seine Formulierungen über die Achse, die es angeblich gebe, der Ansicht von Bundesaußenminister Genscher entsprechen? ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Abgeordneter Dr. Wörner, die Bundesregierung hat unter Beteiligung der Vertreter der Koalitionsfraktionen - beide Fraktionsvorsitzenden waren anwesend - Wort für Wort ihre Antwort auf die Großen Anfragen formuliert. Wort für Wort stimmen wir überein, daß das die Basis unserer Politik ist. Sie sagen selber, das sei eine Position, die auch Sie in weiten Teilen mittragen könnten. ({0}) - Entschuldigen Sie, Herr Dr. Mertes, ich bin nicht bereit, mich in dieser Art und Weise von Ihnen von meinem Thema abbringen zu lassen. Ich habe Ihnen dazu meine Position dargelegt. ({1}) Da mag die eine oder andere Formulierung auch auf Irritation stoßen. Nur, Irritationen über beleidigende Formulierungen zu schaffen - darin ist ja wohl die CDU/CSU Meister. ({2}) - Ich bitte Sie, Herr Kohl: Wer irritiert Sie denn andauernd durch Bemerkungen zu Ihrer Person? Sind wir das oder sind das Ihre eigenen Parteifreunde? ({3}) Ich meine, wir haben überhaupt keinen Grund, ({4}) uns durch Polemik und Verdächtigungen von seiten der Opposition vom Thema abbringen zu lassen. Wenn der Abgeordnete Dr. Zimmermann sagt, seit dem Harmel-Bericht, seit 1967 seien wir von der Harmel-Formel - Entspannungspolitik und Verteidigungspolitik als die beiden Seiten der Sicherheitspolitik - abgewichen, dann muß es mir gestattet sein, diese zehn Jahre sozialliberaler Sicherheitspolitik nachzuzeichnen, damit nicht nur für den Deutschen Bundestag, sondern auch für diejenigen, die diese Debatte draußen im Lande mitverfolgen, sichtbar wird, ({5}) wie stark die Opposition in dieser Frage irrt. Mein Kollege Pawelczyk hat bereits dargestellt, wie Sie sich immer wieder versagt haben: entweder durch Neinsagen oder durch Nichtssagen oder durch Gespaltensein, durch Nicht-einheitliche-Stellung-beziehen-Können zu den verschiedenen erfolgreichen Ansätzen der Sicherheitspolitik. So ist es doch gewesen. Wir können doch heute feststellen, daß die Ostverträge, das Viermächteabkommen über Berlin, die deutsch-polnischen Vereinbarungen von 1975, auch das 25-Jahres-Kooperationsabkommen mit der Sowjetunion, die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und ihre Ergebnisse politische Inhalte gebracht haben, ({6}) die unserem Lande genutzt, die Europa genutzt und die eine breite Zustimmung gefunden haben. ({7}) Ich füge hinzu: Beide Seiten, Osteuropa wie Westeuropa, die NATO wie der Warschauer Pakt, haben Vorteile von diesen Abkommen gehabt. Aber ganz besondere Vorteile hat unser Land gehabt. Wir sind ein geteiltes Land. Wenn ich manchmal den Ersatz für Politik bei Ihnen, das Hurra-Rufen, höre, dann frage ich mich, ob Sie sich dieser Tatsache hinlänglich bewußt sind. ({8}) In jedem Fall kann ich nur feststellen, daß uns augenscheinlich weiterhin sehr viel stärker Meinungsverschiedenheiten trennen, als mir das recht wäre, ({9}) als das für unser Land gut wäre. Als wir im Dezember letzten Jahres endlich verkehrsvertragliche Absprachen mit der DDR vereinbart hatten, als wir endlich grünes Licht für den Bau einer Autobahn von Hamburg nach Berlin bekamen - und dies ist mehr als der Bau einer Autobahn, ({10}) das ist das Zeichen dafür, daß überall in Deutschland die Bereitschaft vorhanden ist, die Lebensfähigkeit dieser Stadt zu festigen und weiterzuentwickeln, eine gegenüber den 50er und frühen 60er Jahren ganz neue politische Situation, ({11}) eine Situation, die der Stadt nützt, die unserem Lande, diesem geteilten Lande, nützt sagt ein Mitglied der Opposition, der Abgeordnete Professor Abelein, zu diesem Thema: Für die Wiedervereinigung Deutschlands und für das materielle und ideelle Wohlergehen der Bevölkerung der DDR wäre es besser, einige Milliarden DM für China auszugeben. ({12}) Sie, Herr Abgeordneter Dr. Wörner, verwenden immer wieder die Formulierung: Der Westen muß die strategische Interessengemeinschaft mit China erkennen und zielstrebig ausbauen (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Korrekt zitieren: „-gemeinsamkeit" ! und die wechselseitigen Kontakte enger und dauerhafter knüpfen. Zugegeben: dieses große und wichtige Land ist ein Land, mit dem wir Handel und Wandel wollen, mit dem wir den kulturellen Austausch ausbauen wollen, die gegenseitige Öffnung, auch die Freundschaft entwickeln wollen. Aber wo kommen wir denn eigentlich hin, wenn wir auf diese Art und Weise europäische Politik machten, wenn ich befürchten muß, daß Sie daran denken, sich vor anderer Leute Karren spannen zu lassen, notfalls zu Lasten unseres eigenen Landes? ({13}) Meine Damen und Herren, wenn ich mir diese zehn Jahre Entspannungspolitik und ihre Ergebnisse anschaue, die Steigerung der Freizügigkeit innerhalb Europas - wenn es im wesentlichen auch eine einseitige ist, Herr Dr. Mertes, zugegeben -, wenn ich mir das Klima anschaue, das sich entwikkeit hat, oder die Position West-Berlins, die so viel sicherer geworden ist, dann möchte ich eigentlich ganz gerne wissen, wie Sie behaupten können, diese Politik wäre ohne Erfolg geblieben. Es wäre doch vernünftig, wenn Sie sagten -7({14}) -Gut, Herr Dr. Mertes, Sie sagen, diese Politik sei erfolgreich. So verstehe ich Ihren Zwischenruf. Dies wäre ein neuer Ton, den ich gerne verbuchen würde, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({15}) Ein Zweites. Da hat der Herr Dr. Zimmermann gesagt, die Verteidigungsfähigkeit habe als die zweite Seite der NATO-Sicherheitspolitik - Entspannungs- und Verteidigungsfähigkeit - kräftig in diesen zehn Jahren gelitten. Auch dies stimmt nicht. ({16}) Wie sind wir denn in dieses Jahrzehnt eingetreten? Wir sind mit einer Doktrin eingetreten, die Mansfield-Doktrin hieß, mit der Bedrohung, einseitig einige zehntausend amerikanische Soldaten aus der Bundesrepublik und Mitteleuropa abzuziehen. ({17}) Wie sieht heute die Situation aus? Heute sind zwei zusätzliche Brigaden der Amerikaner in der Bundesrepublik stationiert, davon eine im Nordabschnitt, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({18}) Wir üben Jahr für Jahr die Zuführung amerikanischer Soldaten zu dem eingelagerten Material und den Geräten bei uns. ({19}) Wir haben das langfristige Verteidigungsprogramm beschlossen. Die Bundeswehr ist eine der besten Armeen der Welt geworden, ({20}) eine Armee mit republikanischem Geist, ({21}) mit einer modernen, rein defensiven Bewaffnung. - Dieser Geist war immer republikanisch. Dies heißt nur, daß ich mich im Interesse - ich denke, auch der Opposition - gegen alle diejenigen wende, die draußen im Lande versuchen wollen, diese unsere Bundeswehr auf Grund einiger Vorfälle, die es bei 500 000 Menschen immer gibt, zu verdächtigen. ({22}) Das heißt: Wir haben etwas geleistet. Das Bündnis ist fester geworden. ({23}) - Das Bündnis ist fester geworden. Wer will denn dies eigentlich bestreiten? ({24}) Die amerikanische Präsenz in Europa ist kräftiger geworden. Im Gegensatz zu all den Parolen, die ich hier immer wieder höre und die nicht stimmen, haben wir auch national mehr getan, als es im Jahrzehnt davor getan wurde. ({25}) Herr Pawelczyk hat bereits darauf aufmerksam gemacht, daß wir den Verteidigungsetat von 1970 bis 1978 um nominal 80 % erhöht haben. Wenn wir die Preissteigerungen abziehen, beträgt dieser Zuwachs real 25 %. Dies ist mehr als die Realsteigerung um 3 % jährlich, die wir jetzt im langfristigen Verteidigungsprogramm verabredet haben. Wir haben 1978 auch die neue Heeresstruktur durchgebracht. Der leider scheidende General Haig hat dazu am 15. Dezember 1978 in der „Osnabrükker Zeitung" erklärt - ich zitiere -: Wie ich in diesen Tagen bereits gegenüber Minister Apel zum Ausdruck gebracht habe, bin ich über die Umstrukturierung des Heeres erfreut. Sie bringt zusätzliche Feuerkraft und Beweglichkeit, vermehrte Kräfte für die Vorneverteidigung und eine verbesserte Territorialverteidigung. All dies gibt Anlaß zur Zufriedenheit. ({26}) Ich weiß also überhaupt nicht, was diese ganze Schwarzmalerei soll. Es ist der sozialliberalen Sicherheitspolitik in der Tat gelungen, in den zehn Jahren Entspannungspolitik voranzubringen und konkret und erlebbar für Europa und für unser Land in Europa werden zu lassen. Wir haben die NATO gefestigt. Das bedeutet: Der Frieden ist sicherer geworden. ({27}) Präsident Carter hat bei seinem Besuch in der Bundesrepublik 1978 gesagt - Herr Möllemann hat darauf bereits hingewiesen -: Die amerikanische Sicherheit ist heute genauso eng mit der westdeutschen Sicherheit verknüpft wie in den letzten drei Jahrzehnten. Wir sind zur Abschreckung vor einem Krieg in Europa und wir sind zur Verteidigung des gesamten Bündnisgebietes bereit. Darin sehen wir dreierlei: Erstens. Wir haben dem amerikanischen Präsidenten und dem amerikanischen Volk für ihr Engagement zu danken. ({28}) Zweitens haben wir festzustellen, daß wir uns aufeinander verlassen können. Drittens: Die Solidität und die Solidarität des Bündnisses wachsen. Nun werden Sie sagen - und der Herr Abgeordnete Dr. Zimmermann hat über dieses Thema gesprochen -, daß das Potential der Sowjetunion und des Warschauer Pakts stärker wächst, als es geboten ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das, was wir in der Beantwortung der Großen Anfrage in Ziffer 23 zu diesem Thema gesagt haben. Wir stützen uns dabei auf das Kommunique der NATO-Ministertagung vom Dezember 1978. Wir unterstreichen mit Sorge, daß der fortschreitende Ausbau des Militärpotentials des Warschauer Pakts über das zur Verteidigung sinnvolle Maß hinausgeht. Dennoch - ich denke, darüber müßten wir uns einig sein - gibt es überhaupt keinen Grund, den Frieden in Europa gefährdet zu sehen. Herr Zimmermann hat den Eindruck erweckt, als lebten wir in dieser Zeit und in den nächsten Jahren in unserem Land nicht mehr sicher. Ihm ist augenscheinlich nicht bewußt, daß sein Parteivorsitzender, der nunmehrige bayerische Ministerpräsident, bei seinem vorletzten Auftritt im Deutschen Bundestag im April 1978 gesagt hat - ich zitiere aus dem Bundestagsprotokoll -: Die Sowjetführung weiß ganz genau, daß bei der Stärke der NATO, bei der politischen Zusammensetzung der NATO und bei den in der NATO geltenden inneren Regeln ein Angriffskrieg weder vorbereitet noch durchgeführt werden kann. Unser früherer Bundestagskollege Leisler Kiep hat nach seiner Rückkehr aus den USA am 2. März im Westdeutschen Rundfunk gesagt: Ich bin natürlich völlig der Meinung von Konrad Adenauer und sicherlich in diesem Punkte auch von Herbert Wehner, daß es keine sowjetische Absicht gibt, einen Krieg zu beginnen. ({29}) Lassen Sie uns dies doch zur Kenntnis nehmen. Lassen Sie uns doch versuchen, Polemik, Verdächtigungen, Angstmacherei, Panikmache aus dieser Debatte herauszunehmen. ({30}) Vizepräsident. Frau Renger: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Bitte schön.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesverteidigungsminister, haben Sie nicht bemerkt, daß die Diskussion nicht darum geht, ob die Sowjetunion einen Angriffskrieg will, sondern darum, ob sie ihre militärische Macht nicht so ausweitet, daß sie zwecks Durchsetzung ihrer Ziele Einschüchterung, Druck, Drohung und Erpressung unter den Bedingungen des Friedens - im Sinne von Nichtkrieg - ausüben kann? ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Dr. Mertes, ich bin Ihnen für dieses Stichwort ausgemacht dankbar, weil ich darauf jetzt eingehen möchte. Ich möchte mich wiederum auf das abstützen, was Herr Dr. Zimmermann gesagt hat. Er sagte, ich wäre als Verteidigungsminister in München auf Tauchstation gegangen, indem ich mich geweigert hätte, Potentiale der Sowjetunion zu bewerten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Pawelczyk zulassen.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, natürlich.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben Sie gemerkt, daß es der Opposition darum geht, den politischen Gegner zu verletzen? ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Abgeordneter Pawelczyk, auf diese Art und Weise sind weder Sie noch ich noch sonst jemand verletzbar. Das sind alles Eigenverletzungen. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Abgeordnete Dr. Zimmermann hat hier gesagt, ich wäre in München auf Tauchstation gegangen; ich hätte mich dort geweigert, sowjetische Potentiale zu bewerten. Ich will dazu gleich einige Bemerkungen machen. In einem Punkte möchte ich allerdings bitten, künftig etwas vorsichtiger zu sein. Es ist natürlich für alle peinlich, ({1}) wenn der Abgeordnete Dr. Zimmermann auf eben dieser Internationalen Wehrkundetagung in München so argumentiert, daß der Botschafter eines NATO-Staates aufstehen muß, um sich in vorsichtigen, aber deutlichen Formulierungen von der Art und Weise zu distanzieren, wie der Abgeordnete Dr. Zimmermann sein eigenes Land betrachtet und angenommen hat. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, Sie hatten nicht das Wort zu einer Zwischenfrage.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Damm hat gesagt, ich hätte das selbst nicht mitgehört. Das stimmt. Ebenso stimmt aber, daß Herr Zimmermann sich so aufgeführt hat. Das war nämlich inzwischen bekannt. ({0}) - Aber ich bitte Sie, Herr Damm! Jetzt kommen wir zum Thema. ({1}) Um was geht es? Es geht darum, daß wir uns - natürlich! - über Motive, über Ansichten, über politische Möglichkeiten - auch wenn militärische Potentiale aufgebaut werden - unterhalten. Das Entscheidende ist doch aber etwas völlig anderes, Herr Kollege Dr. Mertes. Das Entscheidende ist doch, daß wir als Verteidigungspolitiker, als Sicherheitspolitiker Potentiale, die vorhanden sind, die eingesetzt werden können, in unsere politischen Überlegungen so einbeziehen, daß sie uns nicht bedrohen können. ({2}) Dazu kann ich nur sagen: Genau das passiert. Genau das ist die Antwort des Westens im Bereich des langfristigen Verteidigungsprogramms. Wir verfolgen hier das Ziel, ungefähre Parität zu erreichen. Man darf nicht so argumentieren, wie es der, Abgeordnete Dr. Zimmermann getan hat, wenn er sagt, wir trügen die Bonner Deklaration wie ein Banner vor uns her. Die Bonner Deklaration ist ein entscheidender Durchbruch. Es ist ein Durchbruch, wenn zwei wichtige Staatsmänner, Leonid Breschnew und unser Bundeskanzler, sich auf die Formel einigen, daß es beide Seiten als wichtig betrachten, daß niemand militärische Überlegenheit anstrebt, ({3}) daß sie davon ausgehen, daß annähernde Gleichheit und Parität zur Gewährleistung der Verteidigung ausreichen. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen doch auch bei MBFR diese Entwicklung: 1973 den sowjetischen Ansatz, die historisch gewachsene Disparität festzuschreiben, heute die Bereitschaft, die Parität zu akzeptieren. ({5}) Und da sagen Sie: Sie tun's nicht. Lassen Sie uns dies in Verhandlungen ausloten! ({6}) Ich unterstreiche das, was der Abgeordnete Pawelczyk gesagt hat: Die Datendebatte ist nicht irgendeine Debatte, sondern eine wichtige Debatte, die zu einem guten Ende geführt werden muß. ({7}) Insofern sehe ich überhaupt nicht, wo hier eigentlich Probleme zwischen uns liegen sollen. ({8}) Wenn wir die ungefähre Parität wollen, werden wir sie auch anstreben und für sie arbeiten, und zwar auf den beiden Wegen, die in der NATO vorgesehen sind, zunächst auf dem Wege der Modernisierung unserer Waffensysteme im Rahmen vorgegebener Personalstärken. Nirgends, weder bei MBFR noch anderswo, ist der NATO ein Modernisierungsverbot vorgegeben oder wären wir bereit, ein solches zu akzeptieren. Die 40 Milliarden DM für neue Waffen, die der Bundeswehr zufließen, sind doch dafür eine Ausdruck. Das langfristige Verteidigungsprogramm der NATO ist doch dafür ein Ausdruck. Die Steigerung der Verteidigungsausgaben in der Vergangenheit wie in der Gegenwart ist doch dafür ein Ausdruck. Aber - und in dieser Frage werden wir uns anscheinend weiterhin voneinander unterscheiden - die rüstungskontrollpolitische Seite - die rüstungskontrollpolitischen Absprachen, die rüstungskontrollpolitischen Möglichkeiten - gehören genauso dazu. ({9}) Es geht eben nicht nur auf einem Wege, sondern auf zwei Wegen, die zum selben Ergebnis führen. ({10}) - Wenn Sie das sagen, Herr Dr. Mertes, sagen Sie dasselbe wie der Abgeordnete Dr. Wörner, den ich zitiert habe und der die Bundesregierung in seinem Interview in dieser Politik bestätigt, aber dann sagen Sie etwas anderes, als der erste Sprecher der Opposition von der CSU, Herr Dr. Zimmermann, hier gesagt hat ({11}) und in München gesagt hat. Lassen Sie mich deshalb einige Bemerkungen über SALT machen, über das, was zwischen den beiden Supermächten geschieht, um stufenweise die interkontinentalen nuklearen Potentiale zu begrenzen. Es stimmt, wenn hier gesagt wird, daß diese Verhandlungen in die Richtung der Parität gehen. Es stimmt, daß Mitte oder Ende der 80er Jahre .im Zweifelsfalle durch SALT III dann auch Parität hergestellt sein wird. ({12}) Aber die entscheidende Frage - und die muß ich an uns stellen - ist doch: Selbst wenn das so wäre, ist es nicht auch dann so, daß der Schutz der US-Waffen, diese interkontinentale Fähigkeit der USA, ausreicht, um für jeden potentiellen Bedroher hier in Europa ein unerträgliches Risiko zu schaffen? Bleibt es nicht auch dann so, daß das stimmt, was Präsident Carter auf dem letzten NATO-Gipfel mit aller Klarheit festgestellt hat, daß nämlich auch künftig die Einheit des Bündnisses, die Solidarität des Bündnisses, die Solidität des Bündnisses ({13}) - des Bündnisgebietes, wenn Sie so wollen - gewährleistet ist? ({14}) - Gut, ich sage „Bündnis", Sie sagen „Bündnisgebiet". Für mich ist das eher deutscher Aufsatz, aber ich bin ja bereit, Ihnen in dieser Frage entgegenzukommen. Wenn dies so ist, verstehe ich nicht, wenn gerade bei der Mittelstreckenproblematik, auf die ich zu sprechen kommen werde, von vielen, die hier sehr kräftig reden, mit der Art und Weise, wie sie reden, 2 unterschwellig zusätzlich Zweifel an der Bereitschaft der USA gesät werden, sich für ihre Bündnispartner in Westeuropa zu engagieren. Diese Zweifel sind gefährlich, sie sind falsch, sie sind ungerecht. ({15}) Deswegen wünschen wir einen erfolgreichen Abschluß von . SALT II. Wir sehen in dem Abschluß dieser Verhandlungen einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses. Wir sehen insbesondere, daß die regionale Stabilität in Europa, die wir brauchen und die wir wollen, und die sich herbeiführende strategische Stabilität der beiden Großmächte im nuklear-interkontinentalen Bereich eng miteinander zusammenhängen. Wir sehen auch, daß der Erfolg in Wien bei den Truppenbegrenzungsverhandlungen mit dem Erfolg der Begrenzung der strategisch-interkontinentalen Waffen der beiden Supermächte verbunden ist. Deswegen darf niemand, wenn er eine erfolgreiche Rüstungskontrollpolitik in Europa will, das Scheitern dieser interkontinental-strategischen Verhandlungen wollen oder gar durch Bemerkungen befördern. ({16}) - Wenn es niemand will, ist es gut. Aber ich höre natürlich auch Töne, die sehr große Fragen hinsichtlich von SALT II aufwerfen. Natürlich gibt es Fragen. Der Abgeordnete Pawelczyk hat darauf aufmerksam gemacht. Damit bin ich bei dem wichtigen Thema der Mittelstreckenraketen. Diese Problematik hat sich durch zwei Entwicklungen eingestellt, einmal natürlich durch die laufenden Verhandlungen der beiden Supermächte in ihrem Verhältnis zueinander, zum zweiten auch durch die technologische Entwicklung, durch das neue Waffensystem, die eurostrategische Mittelstreckenrakete der Sowjetunion, genannt SS 20. Es kann nicht bestritten werden, es darf auch nicht bestritten werden, daß die Sowjetunion durch diese Waffe destabilisierend in Europa wirkt. Aber hören wir doch endlich auf, in dieser Frage mit Horrorzahlen zu arbeiten! Was sollen denn die Zahlenangaben, die hier herumschwirren? Herr Zimmermann hat diese Zahlenangaben heute reduziert. Aber auch sie sind immer noch falsch. Damit will ich die Probleme nicht verniedlichen. Ich weiß, daß wir eine Antwort auf diese Frage zu finden haben. Aber in einem Punkte kann ich Herrn Zimmermann nicht folgen. Es gibt auch in der internationalen Bündnisdebatte Zeitabfolgen zu bedenken. Wir werden erst am Ende des Monats April bei der nuklearen Planungsgruppe einen ersten Bericht über das bekommen, was technologisch überhaupt in diesem Bereich denkbar ist. Wir wären "also gar nicht in der Lage, heute Antworten auf Fragen zu geben, die Herr Dr. Zimmermann stellt. Es sind dann anschließend politische Debatten zu führen. Dies sind doch nicht Fragen, die man nach Katalog beantworten kann - nach einem Warenhauskatalog: „Was hätten Sie denn gerne?" -, sondern dies sind hochpolitische Fragen. Die Bundesregierung wird eine Antwort geben, Herr Dr. Zimmermann. Aber die Bundesregierung wird sich in dieser Frage nicht so vorwagen und vorwagen dürfen, wie Sie es wollen, wie Sie es versuchen. Ich hielte dies für tödlich für das Bündnis, auch für die Außen- und Sicherheitspolitik dieses Landes, auch für die Beziehungen zwischen den USA und Westeuropa und auch für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Westeuropa. ({17}) Ich will ganz unmißverständlich sagen, um was es geht. Es geht darum, daß wir auch heute mit allem Nachdruck feststellen und festschreiben, daß die USA die nukleare Führungsmacht und Schutzmacht des Bündnisses sind und daß wir, als wir den Nicht-Verbreitungsvertrag unterschrieben haben, uns unter diese Schutzfunktion der USA gestellt haben. ({18}) Es geht darum, daß das Bündnis eine Einheit ist, daß das Bündnis eine Solidargemeinschaft ist, mit gleichen Rechten. Es geht allerdings ebenso darum, daß das Bündnis sich bei ihren Entscheidungen so einsetzt, daß die USA an der Solidarität des Bündnisses auch in dieser Frage teilhaben können. ({19}) Darum geht es. Aber, hochverehrter Kollege Dr. Zimmermann, hier taucht zum erstenmal die entscheidende Frage auf - sie hat doch eine neue politische Qualität, nicht nur eine militärische -, ob die Sowjetunion vom westeuropäisch-kontinentalen Territorium aus mit Nuklearwaffen erreicht werden soll oder nicht. Das ist doch eine Frage, die man nicht so vom Tisch wischen kann, über die man doch nicht so reden kann, wie Sie es tun. ({20}) Es kann doch bei einer solch entscheidenden Frage kein Ausbrechen aus der Bündnissolidarität geben. ({21}) Es kann doch nicht so sein, daß wir uns selbst, wie Sie es augenscheinlich wollen, in eine Sonderrolle hineinbegeben. ({22}) Wir wollen doch nicht die Solidarität des Bündnisses aufs Spiel setzen. Wir wollen doch die Risikoteilung im Bündnis erhalten, und wir wollen auch die Stabilität der Ost-West-Beziehungen sichern. ({23}) Ich füge hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren: es geht auch um strategische Fragen, es geht auch um Fragen, wo Waffen wann stehen und welche Erpressungs- und Bedrohungsmöglichkeiten sich von der anderen Seite her daraus ergeben können. Hier geht es um eine Risikoteilung. Der Abgeordnete Wörner hat am 8. Februar im Westdeutschen Rundfunk ausgeführt: „Ich glaube nicht, daß man die Verhandlungen in eine zeitliche Reihenfolge bringen kann." Es ging darum, ob man zuerst nur Abrüstungsverhandlungen führen und dann erst in die Frage der Modernisierung eintreten sollte. Sie sagen, Herr Abgeordneter Wörner: Es ist falsch, erst aufzurüsten und dann zu verhandeln; es ist genauso falsch, zu sagen: Erst verhanBundesminister Dr. Apel dein, und wenn das scheitert, dann etwas anderes zu machen. ({24}) Das Richtige ist, diese Verhandlungen und die Gegenmaßnahmen parallel laufen zu lassen. ({25}) Ich kann dem zustimmen. Alle Erklärungen, die Herr Pawelczyk, die ich und andere gemacht haben, liegen auf dieser Linie. ({26}) Es gibt nicht die Schwarz-Weiß-Malerei, die Sie der sozialliberalen Koalition anzuhängen versuchen, ({27}) sondern es geht darum, Extremlösungen abzuschneiden. Es geht darum, deutlich zu machen, daß auch in dieser Frage Verteidigungspolitik und Rüstungskontrollpolitik ein Ganzes sind, daß wir uns erneut auf das beziehen, was das Bündnis 1967 im Harmel-Bericht festgeschrieben hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier gibt es auch Zeitabläufe, die sichtbar sind. Die technische Entwicklung braucht ihre Zeit. In dem Abkommen zur Begrenzung der interkontinentalen Waffen ist bis Ende 1981 sowieso eine Dislozierung der Marschflugkörper ausgeschlossen. Insofern ist es vernünftig, daß die NATO eindeutige Beschlüsse faßt, dann in ein rüstungskontrollpolitisches Gespräch einzutreten, um die Bedrohung auf einem niedrigeren Niveau zu stabilisieren und nicht einseitig Positionen zu beziehen, die dem Bündnis und auch unserem Lande nicht gut bekommen können. ({28}) Eine Debatte im Verteidigungsausschuß hat ja auch sehr deutlich gemacht, daß, wenn wir sachlich reden, wenn wir nüchtern reden, wenn wir reden, ohne den anderen diffamieren zu wollen, wenn wir zur Sache reden, ({29}) die Meinungsverschiedenheiten doch eigentlich sehr viel kleiner sind, Herr Abgeordneter Dr. Wörner, als hier gemeinhin dargestellt werden soll. ({30}) Warum müssen wir denn diese Art von Schattenboxen aufführen? Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu MBFR machen. Unser Land hat das größte Interesse an einem erfolgreichen Abschluß von MBFR, weil wir ein geteiltes Land sind, weil wir an der. Nahtstelle dieser beiden Blöcke liegen und weil wir die Entspannungspolitik, die wir so erfolgreich betrieben haben, auch militärisch fortentwickeln müssen. Aber wir sind auch das Land, das am meisten von MBFR betroffen wird. Deswegen müssen wir mit aller Kraft und mit aller Gewissenhaftigkeit für MBFR verhandeln. Es ist ja keineswegs so, als hätte sich von 1972/73 bis heute nichts getan. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das Festschreiben historisch gewachsener Kräfteverhältnisse aufgegeben worden ist, daß das Ziel der ungefähren Parität akzeptiert worden ist. ({31}) Ich unterstreiche erneut, was der Abgeordnete Pawelcyk gesagt hat: Wenn MBFR, wie ich es einmal gesagt habe, eine große militärische, vertrauensbildende Maßnahme ist, dann muß Vertrauen auch durch Sicherheit über die Zahlen gebildet werden, über Wissen über Stationierung von Streitkräften auf beiden Seiten, in der DDR, in Polen, in der Tschechoslowakei, in der Bundesrepublik und in den Beneluxländern. Aber ich füge hinzu: MBFR ist mehr. MBFR schafft Sicherheit, Schutz vor Überraschungen, auch vor militärischen Überraschungen, und deswegen hat MBFR einen zentralen Stellenwert. Wir sind für weitere vertrauensbildende Maßnahmen. Es ist gut, wenn in diesen Wiener Truppenbegrenzungsverhandlungen auch über vertrauensbildende Maßnahmen so gesprochen wird, daß beide Seiten wissen, ob bzw. daß sie sich an die Abmachungen halten. Es ist vernünftig, wenn die NATO dazu - hoffentlich bald; an uns liegt die Verzögerung nicht - ein Paket einbringt, das die Dinge weiterbringt. ({32}) Natürlich geht es auch darum, daß alle Armeen, die sich in diesem Reduzierungsraum bewegen, signifikant oder bedeutsam an der Reduzierung beteiligt sind, wobei natürlich deutlich sein muß, daß das Zusammengehörigkeitsgefühl, der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses nicht gestört werden dürfen. ({33}) - Ja, sicherlich. Herr Kollege Dr. Marx, ich versuche, hier Fremdworte wie Kollektivität möglichst nicht zu verwenden; ({34}) aber wenn Sie das vermissen, sage ich: Die Kollektivität des Bündnisses, der Zusammenhalt des Bündnisses, die gemeinsame Willensbildung des Bündnisses sind dabei festzuhalten. Alleingänge wird es nicht geben. Auch bei MBFR geht es am Ende darum, Verteidigungspolitik und Rüstungskontrollpolitik zusammenzuführen. Auch MBFR, auch die Wiener Verhandlungen eignen sich wenig für parteipolitischen Schlagabtausch. ({35}) Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir sind mit dem, was sozialliberale Sicherheitspolitik in zehn Jahren geschafft hat, nicht nur zufrieden, sondern wir sind darauf stolz. ({36}) Vor eineinhalb Jahrzehnten hätte es niemand geglaubt, daß diese Stadt Berlin, dieses West-Berlin so sicher sein würde, daß es möglich sein würde, neue Verbindungswege, eine neue Autobahn zu bauen, Schienenwege und die Wasserwege zu sichern, den Durchgangsverkehr störungsfrei laufen zu lassen. ({37}) Wir werden diese Politik fortsetzen, aber wir werden auch im Bündnis unsere Position wahren. Wir sind der zweitstärkste Partner im Bündnis. Wir sind uns unserer Verantwortung bewußt. ({38}) Es gibt keinen Grund - und niemand außer vielleicht dem einen oder anderen Redner der Opposition tut es -, an unserer Sicherheitspolitik, an unserer Verbindung im Bündnis zu zweifeln. NATO und Europäische Gemeinschaft sind die Pfeiler unserer Sicherheitspolitik. Wir haben dazu keine Alternative, es gibt keine, wir wollen keine. Ohne die USA geht es nicht, und wir können uns aufeinander verlassen. Natürlich gibt es in der praktischen Politik, wenn Verteidigungsminister über Geld reden, auch Streitfragen. Es gibt Auseinandersetzungen, aber es gibt keinen Zweifel an dieser transatlantischen Allianz. Bei uns ist Sicherheitspolitik in guten Händen: Sicherheitspolitik als Entspannungspolitik, Sicherheitspolitik als Erhalt der Verteidigungsfähigkeit der Allianz und damit unseres Landes. Die Welt lebt in diesen Wochen in einer Zeit politischer und militärischer Turbulenzen. Ich denke, die deutschen Bürger stellen in diesen Wochen fest, daß Europa und damit auch unser Land in einer Zone des Friedens und der Ruhe leben. Das ist das Ergebnis unserer Politik. Ich füge hinzu: Dies muß auch so bleiben, da wir nur auf dieser Basis unsere Mitwirkung an der Lösung der weltweiten Probleme Hunger, Not, Unterentwicklung und Krieg leisten können. Der Bundesaußenminister hat am 16. Februar in dem bereits von mir zitierten Aufsatz erklärt - ich zitiere Nicht die Konservierung von militärischer Überlegenheit, nicht Aufrüstung, nicht Vorherrschaft, sondern Friedenspolitik, Abrüstung, Gleichgewicht, Partnerschaft und gerechter Interessenausgleich auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der Unabhängigkeit, des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenrechte sind die Grundelemente der Außenpolitik der Zukunft. Er fügt hinzu: Diesen Zielen fühlt sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Diese Aussage des Vizekanzlers umschreibt genau unsere Aufgabe. Sie entspricht auch dem Auftrag, dem ich mich als Bundesverteidigungsminister verpflichtet fühle. ({39})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auftrag und Ziel dieser heutigen Parlamentsdebatte, wenn wir dem gemeinsamen Auftrag des Parlaments nachkommen wollen, muß eine nüchterne, eine sachliche Bestandsaufnahme über die Ergebnisse der Entspannungspolitik in Europa und weltweit sein.. Sehen Sie, Herr Bundesminister Apel, ich habe Ihre Rede angehört. Sie sind eigentlich nur bedingt zur Sache, vor allem zur Sache Ihres Ressorts, gekommen. Sie haben ja hier als Bundesverteidigungsminister gesprochen. ({0}) Das andere war so eine Mischung, wie wir sie zunehmend von Ihnen gewohnt sind: in frommem Gewande den Andersdenkenden diffamieren. ({1}) Das ist genau jene Form, die eigentlich zu diesem nüchternen, in der Sache leidenschaftlich zu erörternden, aber doch sehr ernsten Thema nicht paßt. Aber, meine Damen und Herren von SPD und FDP, das ist ja auch das Drehbuch und die Regie für heute und morgen: vom eigentlichen Thema ablenken. ({2}) Es ist beinahe rührend, Herr Apel, wie Sie hier den Vizekanzler und FDP-Vorsitzenden zitiert haben. Aber ich kann mich nicht erinnern, ein einziges Wort von Ihnen und Ihrem Kabinettschef, dem Bundeskanzler, gehört zu . haben, als Herr Wehner unüberhörbar Herrn Genscher laut und deutlich ans Bein getreten hat, ({3}) als er ohne jede Courtoisie in einem beinahe rüpelhaften Stil den Bundesaußenminister öffentlich geohrfeigt hat. ({4}) Wenn Sie jetzt unentwegt Genscher zitieren, können Sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Dissens über die Grundfrage der Aussprache des heutigen Tages und eine der elementaren Grundfragen der Bundesrepublik Deutschland in der Koalition unübersehbar ist. ({5}) Er wird jetzt wieder gekittet. Aber in Wahrheit sind Sie doch immer weiter auseinandergekommen. ({6}) Wir erwarten von Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß Sie in dieser Debatte gemeinsam mit Ihren Kabinettskollegen dem Haus Rechenschaft und Klarheit über Ihre Sicherheitspolitik geben. Ich erhoffe mir um der Bundesrepublik Deutschland willen, daß am Ende dieser Debatte gar kein Zweifel mehr aufkommt. Nur: Eine Debattenführung, daß jetzt zwei Tage lang Wohlverhalten geübt wird und danach wieder Herr Wehner das Sagen der Koalition hat, ist genau das, was wir nicht mitmachen werden, weder heute noch morgen noch danach. ({7}) Die Auffassungen im Hause über die Ziele und Inhalte von Entspannungspolitik waren und sind kontrovers. Es gab aber immer eine Übereinstimmung in dem Ziel, Europa - ich formuliere es so - sicherer werden zu lassen. Sicherheit ist aber nicht nur eine subjektive Empfindung. Sicherheit ist nur dann wirklich Sicherheit, wenn sie auf Realitäten beruht - und wenn die Realitäten diese Sicherheit bestätigen. Alles andere ist Illusion, und das muß deutlich unterschieden werden. ({8}) Die Realität ist: Die Entspannungspolitik hat in den Fragen des militärischen Kräfteverhältnisses und der Begrenzung der Rüstungsanstrengungen auch auf seiten der Sowjetunion und ihrer Verbündeten nicht die Ergebnisse gebracht, Herr Bundesminister Apel, die wir alle gemeinsam erhofft haben und die Sie und Ihre Freunde immer vorausgesagt haben. Wer dies ausspricht - es ist eine unbequeme Erfahrung und Tatsache -, wird von Ihnen sehr schnell - auch das haben wir gerade wieder erlebt - mit dem Vorwurf abgetan, er betreibe Schwarzmalerei. Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde ist es einfach zwingend, daß wir vor allem auch jene Zeugen einmal heranziehen, die Sie so gerne für sich vereinnahmen. Der Leiter des Londoner Instituts für strategische Studien, Dr. Bertram, hat in diesen Tagen erklärt: Zu einer Zeit, in der zugleich die politische Entspannung gewisse Fortschritte gemacht hat, hat die Sowjetunion ihre militärischen Programme in einer Geschwindigkeit und Intensität vorangetrieben, die nichts ihresgleichen hat auf westlicher Seite. Das ist nun ein ganz und gar in Ihrem Sinne loyaler Zeuge. Er hat eigentlich nur das wiedergegeben, was Sie weltweit lesen, hören und diskutieren können. ({9}) Lesen Sie doch einmal nach, was „Die Zeit" - ich will das jetzt gar nicht alles zitieren - in allerletzter Zeit zu all diesen Themen geschrieben hat. Das ist Ihre Hauszeitung, Herr Apel. Es ist beunruhigend, daß die sowjetische Machtzunahme auf allen Ebenen stattfand - und vor allem in Europa. Dies erfüllt uns mit großer Sorge. Denn das heißt konkret: 1. Im Bereich der strategischen Nuklearwaffen wird es zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika Anfang der 80er Jahre - so Kissinger vor wenigen Tagen in London - effektiv Parität geben. Herr Bundesminister Apel - Sie haben das eben hier anders dargestellt -, dies heißt doch für uns im Klartext, daß es für das Ungleichgewicht in Europa dann eben keinen strategischen Ausgleich mehr gibt. ({10}) 2. Im Bereich der nuklearen Mittelstreckenraketen hat die Sowjetunion mit der SS 20 und dem Backfire-Bomber in Europa eine klare Überlegenheit erreicht. Sie haben diese Aussage meines Kollegen Zimmermann attackiert. Ich habe es eigentlich nicht recht verstanden; ich habe wirklich nicht verstanden, was Sie im Zusammenhang mit diesem Zitat, das ich jetzt noch einmal aufnehme, Fritz Zimmermann vorzuwerfen haben. 3. Die Sowjetunion ist dabei, bei den taktischen Nuklearwaffen ebenfalls eine zahlenmäßige und qualitative Überlegenheit zu erreichen. 4. Die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes ist seit langem unbestritten. Ich verstehe auch hier nicht, Herr Bundesminister Apel, warum Sie entgegen Ihren Ausführungen außerhalb dieses Hauses die Aufzählung dieser Tatsache durch den Kollegen Zimmermann nun anklagend hervorheben. Das ist doch eine gänzlich unbestrittene Tatsache. Vor der Entspannungsphase verfügte die NATO noch über eine klare qualitative Überlegenheit. Heute hat uns auch hier die Sowjetunion erreicht. Wenn man Sie hier hört, Herr Apel, könnte man meinen, daß die Zeitrechnung der Verteidigungspolitik vom Jahre 1969 an datiert. Ich kann Sie nur dringend bitten, meine Damen und Herren von der SPD/FDP: Hören wir doch mit diesem Unsinn auf, die eigene Regierungszeit als das Wesen aller Dinge und als den Anfang aller Geschehnisse zu verzeichnen! Wir haben in der deutschen Geschichte miserable Erfahrungen mit Leuten gemacht, die die Geschichte mit ihrem Regierungsanfang datierten. Das hat nie gut geendet. ({11}) 5. Die Sowjetunion hat ihre Luftwaffe und ihre Seestreitkräfte zu einem militärischen Instrument ausgebaut, das inzwischen weltweit in dem Sinne eingesetzt wird, wie es vorhin Alois Mertes in der Zwischenfrage deutlich gemacht hat. 6. Die Sowjetunion verfügt mit Kuba über verbündete Söldnertruppen, die bereit sind, in regionalen Krisenherden stellvertretend militärisch zu intervenieren. Es muß hier im Deutschen Bundestag einmal klar angesprochen werden, daß es erschreckend ist, daß sich auch die DDR zunehmend anschickt, eine ähnliche Rolle zu übernehmen. Ge11150 rade angesichts einer Diskussion - die überall in Europa in bestimmten Bereichen jetzt besonders intensiv läuft - über die jüngste deutsche Geschichte, ist es bedrückend zu sehen, daß hier im anderen Teil Deutschlands junge deutsche Mitbürger in diesem Sinn mißbraucht werden. ({12}) Die sicherheitspolitischen und militärischen Konsequenzen dieser unvergleichbaren sowjetischen Aufrüstung liegen auf der Hand. Die Sowjetunion verfügt gegenüber Westeuropa, dem Mittleren Osten, China und Japan mit ihrem nuklearen Mittelstreckenpotential über ein Bedrohungsinstrument, dem keine überzeugende Abschreckung gegenübersteht, wenn die strategische Parität einen Ausgleich künftig nicht mehr ermöglicht. ' Der eben schon zitierte Dr. Bertram sagt dazu, daß sich die Sowjetunion mit der SS 20 eine zusätzliche militärische Option geschaffen habe. Herr Bundesminister Apel, ich habe dazu von Ihnen nichts gehört. Ich habe nur ganz pauschal gehört, wer darüber rede, sei ein Schwarzseher. Dies sind doch Tatsachen, die nicht mit einer Schönwetterrede von einer Parlamentstribüne hinweggewischt werden können. ({13}) Die Sowjetunion kann künftig, wenn sich die jetzige Verschiebung des Kräfteverhältnisses fortsetzt, in Zentraleuropa gewissermaßen aus dem Stand angreifen, ohne Gefahr zu laufen, daß ihr Angriff strategisches Ausmaß erreicht und damit auch das eigene Territorium einbezieht. Die Gefahr, daß Westeuropa vom atomaren Schutz der USA abgekoppelt wird, besteht doch vor allem dann, wenn das nukleare Potential der NATO auf dem europäischen Kontinent in einseitiger Weise quantitativ und qualitativ beschränkt anstatt zur Erzielung eines besseren Gleichgewichts ausgebaut wird. Moskau kann seine weltweite Interventionspolitik mit Hilfe seines maritimen und luftstrategischen Instrumentariums verstärken. Sie könnte unmittelbare Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland haben, wie gerade auch das Beispiel am Persischen Golf deutlich macht. Wir stellen damit fest: Das weltweite Gleichgewicht zwischen West und Ost, das den Frieden sichert, ist in Gefahr. In Europa hat die Sowjetunion das militärische Kräfteverhältnis entscheidend zu Lasten Westeuropas, zu unseren Lasten verändert. Die strategische Umfassung Westeuropas durch eine wachsende sowjetische Militärpräsenz in Afrika und Mittelost wird bei uns immer noch zuwenig zur Kenntnis genommen. Viel zu wenige erkennen die Gefahr für das westliche Bündnis, die in dieser Entwicklung steckt. Die Aufrüstung der Sowjetunion schreitet fort. Der Gipfel ihres Rüstungspotentials ist noch nicht erreicht. Die Sicherheitslücke zwischen Ost und West wird wachsen, wenn wir keine angemessenen Gegenmaßnahmen treffen. Vor diesem Hintergrund der militärischen Aufrüstung der Sowjetunion in den letzten Jahren sind doch die politischen Folgewirkungen unübersehbar spürbar geworden. Nichts in diesen Jahren hat den Willen und die tatsächliche sowjetische Aufrüstung gebremst: weder SALT noch die Verhandlungen über Truppenreduzierungen in Wien, weder die Abrüstungsverhandlungen in Genf noch die Abrüstungsdiskussion in der UNO, weder die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa noch die Gewaltverzichtsverträge, ({14}) von denen Sie, Herr Apel, soeben gesprochen haben. Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir zweifeln gar nicht daran - ich sage noch einmal das, was ich genauso wie der Kollege Strauß in der Debatte über den Besuch des Generalsekretärs Breschnew hier ausgeführt habe -, .daß auch die Sowjetunion reale Motive besitzt, um ihrerseits Entspannungspolitik in ihrem Sinne betreiben zu wollen. ({15}) Aber Entspannungspolitik im sowjetischen Sinne, meine Damen und Herren, schließt zwei Entwicklungen prinzipiell und ausdrücklich ein: die Fortführung der eigenen militärischen Aufrüstung und die Begrenzung der Entspannung auf Europa, d. h. auf diejenigen Gebiete, in denen die westliche Abschreckung bisher wirksam gewesen ist. Im übrigen - das ist das Entscheidende - beansprucht die Sowjetunion für sich selbstverständlich das Recht auf Anfachung und Unterstützung von sogenannten Befreiungskriegen überall auf der Welt, wie es gerade in ihre Strategie paßt. ({16}) Wenn deshalb, meine Damen und Herren, der Kollege Genscher in einer Erklärung, mit der wir uns heute noch mehr beschäftigen müssen, zum Thema Sicherheit und Entspannung am 16. Februar feststellt: „Entspannungspolitik ist ihrer Natur nach unteilbar", so ist dieses Verständnis von Entspannungspolitik ganz richtig. Aber das ist doch nicht mehr das Verständnis weiter Teile der SPD in diesem Hause! ({17}) Die Jahre der Entspannungspolitik - das ist doch kein Kalter Krieg, das ist ein realistisches Betrachten der Welt um uns - lehren, daß diese Aussage, was die Sowjetunion angeht, nur eine leere Beschwörungsformel geblieben ist. Mit Recht sagte der frühere amerikanische Außenminister Kissinger: Das praktische Ergebnis ist, daß in einer örtlichen, regionalen Krise die sowjetische Interventionsbereitschaft politisch bedeutender sein wird als in der Vergangenheit. Und Herr Kissinger ist doch kein Kalter Krieger, sondern das ist ein nüchtern in die Welt blickender Mann. Diese Erkenntnisse müssen doch besonders wir uns zu eigen machen. Denn er redet doch nicht von irgendeinem Teil der Welt, sondern er redet doch vor allem von Mitteleuropa - und dort leben wir. Er sagte auch, die amerikanische Politik werde in Zukunft bei Krisen vorsichtiger sein müssen; dies sei ein Ergebnis von geopolitischer Bedeutung. Die Neigung der Sowjetunion, sich weltweit in regionale Krisen einzuschalten, hat zugenommen. Sie ist mit Erfolg dabei, regionale GleichDr. Kohl gewichtssysteme zu verändern und sich auf diesem Wege - von vielen völlig unbemerkt - ein Übergewicht zu sichern. Die Entwicklungen in Asien, in Afrika und in Europa zeigen, daß sich auch ein regionales Übergewicht der Sowjetunion zwangsläufig auf das. globale Gleichgewicht auswirkt und damit die Sicherheit des Westens und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland direkt berührt. Herr Bundesminister Apel, Sie haben hier gelassen das Wort ausgesprochen, daß die Gefährdung abgenommen habe. Ich kann das nicht sehen - viele in der Welt sehen es nicht so. Wir müssen feststellen: Die Gefahr einer weltweiten Konfrontation hat nicht abgenommen, sondern sich in letzter Zeit drastisch verstärkt. Der amerikanische General David Jones, der Vorsitzende der Konferenz der Stabschefs, hat zum Verteidigungshaushalt gegenüber dem Kongreß festgestellt: Die ungefähre Gleichwertigkeit der .strategischen Nuklearwaffen hat großen Einfluß auf die Perzeption von Entscheidungsträgern in Washington und Moskau. Aber das gilt doch nicht nur für Washington und Moskau, sondern das gilt ebenso für Europa, das gilt ebenso für die Bundesrepublik Deutschland. ({18}) Die Gefährdung des globalen Gleichgewichts und das wachsende Ungleichgewicht in Europa erhöhen die Gefahr, ({19}) daß Westeuropa für die Sowjetunion politisch, Herr Kollege Apel, erpreßbar wird. ({20}) Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, sollte dieser Zustand eintreten, kann Moskau gewissermaßen mit Europa als Geisel auf die Dauer auch die USA erpressen und von ihr politisches Wohlverhalten erzwingen. ({21}) Das, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, Herr Bundeskanzler, ist in ein paar Skizzen eine Bilanz der politischen Ergebnisse und Wirkungen der Entspannungspolitik, die Sie so euphorisch preisen. Das Fazit lautet: Der Westen - das sind wir - befindet sich am Ende der 70er Jahre in der militärischen und politischen Defensive. Die Sowjetunion hat die Entspannungspolitik dazu benutzt, das militärische Kräfteverhältnis weltweit und regional zu verändern. Sie hat jede Chance, die sich ihr bot, ausgenutzt, ihre Macht auszudehnen. Und so müssen wir heute nüchtern feststellen: Der Friede ist eben nicht sicherer geworden. Es ist kein Wunder, daß quer über die Welt der Begriff der Entspannungspolitik zunehmend aus dem Vokabular gestrichen wird. Das hat der amerikanische Präsident Ford, der sich ja Ihres besonderen Wohlwollens erfreute, Herr Bundeskanzler, genauso getan wie viele führende Außenpolitiker der USA bis hin zu einer großen deutschen Tageszeitung anläßlich der Debatte der letzten Tage. Diese Äußerungen müssen wir als Indiz dafür werten, wie ernst die Krise der Entspannungspolitik ist. Die Krise ist das Ergebnis der fortlaufenden sowjetischen Aufrüstung, mit der die sicherheitspolitischen Disparitäten im Ost-West-Verhältnis nicht abgebaut, sondern eher verstärkt worden sind. Die Entspannungspolitik muß deshalb die wirklich zentralen Probleme, die in Europa anstehen und die uns bewegen, erst noch lösen. Was sind die Schlußfolgerungen, die wir aus dieser Bilanz zu ziehen haben? Es gibt zwei klare Erkenntnisse. 1. Die politische Entspannung zwischen Ost und West bleibt ein Muster ohne Wert, wenn sie nicht auch ihre militärische Entsprechung findet. Wir stimmen auch hier Kissinger zu, wenn er sagt: Es kann auch nicht akzeptabel sein, daß es Beschränkungen bei Waffen, aber keine' Beschränkungen bei politischem Verhalten geben kann. Das ist doch genau das Problem, vor dem wir jetzt stehen. ({22}) 2. Politische und militärische Entspannung darf nicht auf bestimmte Regionen der Welt beschränkt bleiben; sie muß weltweit durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich an die Adresse der Sowjetunion sagen: Wir nehmen das sowjetische Sicherheitsbedürfnis, soweit es in den berechtigten nationalen Interessen begründet ist, sehr ernst. Wir erwarten, daß die Sowjetunion in gleichem Maße auch auf unser Sicherheitsbedürfnis Rücksicht nimmt. Wir nehmen den Willen der Sowjetunion, einen nuklearen Weltkrieg und damit eine Weltkatastrophe zu verhüten, sehr ernst. Sie muß ihn aber auch mit ihren Taten bekunden. ({23}) Die Sowjetunion wie alle anderen in der Welt können davon ausgehen, daß das deutsche Volk vom Willen zum Frieden beseelt ist. Wir haben die Lektion der Geschichte gelernt. Wir wissen, was Krieg an Elend, Blut und Tränen über die Menschen bringt. Zweimal in diesem Jahrhundert haben die Generationen in Deutschland das erlebt. Wir wissen vor allem, daß Gewalt kein Mittel der Politik ist. Das ist eine Erkenntnis, Herr Apel, die nicht erst seit 1969 auf der Regierungsbank gewachsen ist. ({24}) Ich habe im. letzten Jahr von dieser Stelle aus bei der Aussprache über das Ergebnis des Besuchs des sowjetischen Staatsoberhauptes Breschnew gesagt: ' Es liegt im nationalen Interesse der Deutschen, sich für gutnachbarliche Beziehungen mit der Sowjetunion einzusetzen. Wir sind bereit, die Sowjetunion als einen Partner zu betrachten, mit dem eine Zusammenarbeit in vielen Bereichen möglich und für beide Seiten von Vorteil ist. Aber wir nennen auch klare Bedingungen dafür. 1. Frieden und Sicherheit in Europa und weltweit bestimmen sich nicht allein nach der Befriedigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen. Wenn Mos11152 kau, wie der Kollege Ahlers von der SPD zu Recht geschrieben hat, militärische Parität als einen Zustand definiert, der sich mit sowjetischer Überlegenheit nicht nur verträgt, sondern diese sogar voraussetzt, dann ist das für uns keine Grundlage für eine Diskussion über Parität. ({25}) Meine Damen und Herren, es kann doch auch nicht ernsthaft von irgend jemandem in. diesem Hause bestritten werden, daß das Rüstungspotential der Sowjetunion bei weitem das übersteigt, was notwendig ist, um die Sicherheit und Unversehrtheit der Sowjetunion zu garantieren. 2. Frieden, wenn er dauerhaft sein soll, muß sich an den Fortschritten im Sinne der Prinzipien der UN-Charta messen lassen. Gewaltverbot, Souveränität, territoriale Integrität, Selbstbestimmungsrecht, Menschenrechte, das gehört in diesen Katalog hinein. ({26}) Wer es totschweigt, nimmt eben Grundanlagen und Grundrechte nicht mehr wahr. . 3. Frieden setzt die Stabilität des globalen Gleichgewichts voraus. Sicherheit und Entspannung sind zwei Seiten derselben Medaille. Wenn die Sowjetunion fortfährt, die Entspannungspolitik als ein Instrument zur Destabilisierung des Westens und zur Tarnung für ihre Aufrüstung zu mißbrauchen, fördert sie in Wahrheit eine Politik der Spannungen. Sie fordert das Mißtrauen geradezu heraus. Das sind auch Erfahrungen dieser Zeit. ({27}) 4. Das globale Gleichgewicht kann dauerhaft nur gesichert werden, wenn es durch regionale Gleichgewichtssysteme ergänzt wird. ({28}) Das durch die sowjetische Auf- und Umrüstung entstandene Ungleichgewicht in' Europa gefährdet die Sicherheit Westeuropas, bedroht den Weltfrieden. Es ist einfach nicht wahr, was Herr Breschnew kürzlich in einer Wahlrede in der Sowjetunion gesagt hat, daß in Europa ein allgemeines Gleichgewicht bestehe. Das ist genau jene Definition der Sowjetunion, die wir auf gar keinen Fall akzeptieren können und akzeptieren werden. ({29}) Die Kräftebalance in Europa muß erst wiederhergestellt werden. Meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, wenn dies durch Abrüstung und Rüstungskontrolle erreicht werden kann, sind wir dafür. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben im Jahre 1969 in Ihrem Buch „Strategie des Gleichgewichts" einiges dazu gesagt. Ich zitiere Sie: Aus der Sicht unserer eigenen Sicherheitsinteressen bleibt das militärische Gleichgewicht in Europa conditio sine qua non für die politische Stabilität der Bundesrepublik Deutschland. Das ist auch heute noch richtig. Ich frage mich nur, ob Sie heute noch nach dieser Einsicht handeln - ob Sie danach noch handeln können. 5. Wir lehnen eine Politik der Rüstungskontrolle ab, die die militärische Entspannung auf Europa begrenzen, die Abrüstung ausschließlich unter spezifisch europäischen Gesichtspunken durchsetzen und die Modernisierung der westlichen Waffensysteme verhindern will. 6. Die Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa schließt die Androhung und Anwendung von Gewalt aus. Aber, meine Damen und Herren, das gehört dazu: Androhung, Anwendung von Gewalt, aber auch die Manifestation von Gewalt; denn die Manifestation von Gewalt führt ursächlich fast immer auch zur Anwendung von Gewalt. ({30}) Nur, wenn die Prinzipien der UN-Charta, die in der Schlußakte bestätigt worden sind, eingehalten werden, kann allmählich jene Vertrauensbasis geschaffen werden, ohne die eine wirkliche Entspannung nicht denkbar ist und von der ich annehme, daß wir sie gemeinsam wollen. Meine Damen und Herren, das Projekt eines gesamteuropäischen Nichtangriffspaktes, das jetzt durch Herrn Breschnew erneut hervorgeholt wurde und das von einer Fixierung des bestehenden militärischen Übergewichts der Sowjetunion ausgeht, kann dazu ganz gewiß nicht beitragen. Ich bin sehr daran interessiert, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich zu diesem Thema äußern. Denn die Äußerung Ihres Parteivorsitzenden Willy Brandt war sehr eigenartig. Das war ein entschlossenes Jein zu diesem Thema. Aber was wir jetzt brauchen, ist eine klare Linie. Ich hoffe, es ist die klare Linie des klaren Nein zu dieser Vorstellung Breschnews. ({31}) Der Gewaltverzicht, der bilateral im Moskauer Vertrag und multilateral bereits in vielfacher Weise verankert wurde, schließt deutlich den Verzicht auf Angriff ein. Neue Verpflichtungen erhöhen doch nicht die Glaubwürdigkeit. Wenn man über die gleiche Sache dauernd erneut Verträge abschließen zu müssen glaubt, muß das doch Zweifel an der Ernsthaftigkeit früherer Verträge und Absichtserklärungen wecken. ({32}) Wenn das Wort „Pacta sunt servanda" gilt, muß es schon gelten, wenn in einem Vertrag etwas ein einziges Mal klar und deutlich ausgesprochen ist. Man manipuliert am Wahrheitsgehalt, wenn die These dann immer in Frage gestellt wird. Die Politik der Sowjetunion als Manifestation der Gewalt durch Aufrüstung würde von einem solchen Vertrag unberührt bleiben. Ich möchte Sie nochmals zitieren, Herr Bundeskanzler. Sie schrieben damals: Die sehr weitgehende tatsächliche Abhängigkeit der finnischen Politik von Moskauer Zustimmung ist für die sowjetische Führung gewiß vorteilhafter als jede spektakuläre äußere Veränderung der Verhältnisse. Übertragen auf die Verhältnisse in Mitteleuropa, ist das doch genau die Frage, die uns jetzt beschäftigt. ({33}) Ich will beidieser Gelegenheit etwas nachtragen. In der letzten Debatte haben Sie sich gegen den Gebrauch der Landesbezeichnung unserer uns befreundeten Nachbarn in Finnland ausgesprochen. Dieses Thema und den Vergleich mit Finnland haben durchaus auch Sie in die Terminologie der deutschen Politik eingeführt. Was Sie hier formuliert haben, ist doch eigentlich das, was Analytiker sowjetischer Politik als die Gefahr der Finnlandisierung Europas bezeichnet haben: die Einbeziehung Westeuropas in den sowjetischen Einflußbereich. Das liegt in gar keinem Fall in unserem Interesse. Wir werden uns einer solchen Entwicklung mit äußerster Kraft entgegenstemmen. ({34}) Wer dies sagt, wird in den nächsten Tagen vor allem in der Moskauer Presse als Kalter Krieger bezeichnet werden. Das macht uns nichts aus. Wir lassen uns weder durch friedfertige Beteuerungen noch durch Beschimpfungen vom Gegenteil überzeugen. ({35}) Überzeugen können uns nur klare, ausgewogene und kontrollierte Begrenzungen der strategischen Waffen im Rahmen der amerikanisch-sowjetischen SALT-Verhandlungen. Überzeugen können uns nur stabilitätsfördernde Fortschritte bei den Wiener Verhandlungen über Truppenreduzierungen in Mitteleuropa, die den elementaren Interessen des Westens und damit der Bundesrepublik Deutschland Rechnung tragen. Überzeugen können uns nur die sichtbare Einlösung der KSZE-Schlußakte und der Abbau der Spannungen, vor allem in und um Berlin und an der innerdeutschen Grenze. ({36}) - Ich kann nur sagen: Ich weiß nicht, von was für einer Chinapolitik Sie in diesem Zusammenhang gesprochen haben. Sie bringen hier ein Zitat, das kein Mensch kennt und von dem ich nach den Erfahrungen mit dem von Ihnen praktizierten Umgang mit Zitaten nicht einmal weiß, ob es überhaupt zutrifft, und gründen darauf eine Aussage über die CDU/CSU. Das ist doch absurd, Herr Kollege! ({37}) Aber weil Sie jetzt dieses Thema ansprechen, sei gesagt: Es ist für uns keine Überraschung, Herr Pawelczyk, daß in diesen Tagen eine Diskussion in Gang gekommen ist, die um Verständnis für die sowjetische Aufrüstung wirbt. So hören wir, Herr Pawelczyk, der Sowjetunion drohe die gelbe Gefahr. Das Schreckgespenst der Einkreisung der Sowjetunion durch ein teuflisches Bündnis zwischen China, Japan, den USA und Europa wird an die Wand gemalt. Das Argument ist wahrlich nicht neu. ({38}) Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Gustav Heinemann, Erich Ollenhauer und andere. Aber kann man denn mit der Sachkenntnis, die wir über den Westen, die Bundeswehr und alles, was dazugehört, besitzen, im deutschen Parlament das Argument von der Einkreisung wirklich ernst nehmen? Ist es nicht angesichts der realen Lage ein Schreckgespenst, das von der sowjetischen Führung aus propagandistischen Gründen nach innen und nach außen benutzt wird? ({39}) Gibt es eine einzige Macht, ein einziges Land, eine einzige politisch relevante Gruppe in Europa, die nicht an einem gutnachbarschaftlichen Verhältnis zur Sowjetunion interessiert ist? Dies gilt für die Bundesrepublik gleichermaßen wie für Frankreich und Italien. Soll Japan einen Krieg führen? Die Entwicklung im Mittleren Osten beweist doch das genaue Gegenteil. Wenn aber die Sowjetunion, wie Sie es einmal genannt haben, Herr Bundeskanzler, diesem Alptraum unterliegt, gibt es doch für sie nur zwei logische alternative Schlußfolgerungen. Die eine ist in der Tat Aufrüstung, um militärisches Übergewicht zu erreichen. Die andere aber ist eine Poli- tik der Entspannung und Verständigung gerade mit Westeuropa, mit den USA und mit uns. Die Sowjetunion muß doch wissen, daß sie nicht beides zur gleichen Zeit glaubwürdig tun kann: aufrüsten und von Entspannung reden. ({40}) Unsere Antwort auf die sowjetische Herausforderung kann nur im Rahmen des westlichen Bündnisses und gemeinsam mit der westlichen Führungsmacht, den Vereinigten Staaten von Amerika, erfolgen. Damit auch dies ganz klar ist, Herr Bundesminister Apel: Es ist mehr als erbärmlich, von Ihrer Seite hier den Versuch unternehmen zu wollen, ausgerechnet die CDU/CSU in eine antiamerikanische Richtung zu drängen. Wir waren und wir bleiben die Partei der deutsch-amerikanischen Freundschaft und Partnerschaft. Dazu haben wir die Sozialdemokraten nie gebraucht. Wir sind zu keinem Zeitpunkt schwankend geworden, als Ihre Basisbataillone durch das Land zogen und auf dem Höhepunkt der Vietnamkrise „Ami go home" schrien. ({41}) Damit dies klar ist: Ich meine nicht nur die Basis. ({42}) - Herr Wehner, Sie gehören nicht zur Basis. Auf diesen Gedanken käme ich nicht. Dr. Kohl, ({43}) Sie bewegen die Basis. Sie sind, wenn es sein muß, der Atlas der Basis. Die Basis sind Sie aber nicht. Ich glaube auch gar nicht, daß die Basis Sie noch versteht. Das ist aber Ihre und nicht meine Sache. ({44}) Da Sie gerade den Zwischenruf machten, Herr Wehner: Die Frage, die sich uns stellt, ist, ob Sie vielleicht mit zu jenen immer wieder auftretenden antiamerikanischen Ausfällen des Bundeskanzlers beitragen. Diese Frage stellt sich für uns. ({45}) Ich sage es noch einmal: Unsere Antwort auf die sowjetische Herausforderung - Herr Apel, nichts anderes hat der Kollege Zimmermann hier gesagt - kann nur im Rahmen des westlichen Bündnisses und gemeinsam mit der westlichen Führungsmacht, den Vereinigten Staaten von Amerika, erfolgen. Die Antwort reicht aber nicht aus, wenn sie nur darin besteht, alle Verantwortung für unsere Sicherheit auf die USA abzuwälzen. So billig kommen wir vor der Geschichte nicht davon. Genauso wenig können wir Europäer oder kann gar die Bundesrepublik Deutschland allein den Amerikanern die Entscheidung über nukleare Nachrüstung - auf welcher Ebene auch immer - abnehmen. In diesem Zusammenhang erscheint es mir nochmals erforderlich, gerade unsere Position gegenüber den USA deutlich zu machen. 1. Das Gleichgewicht in Europa und damit unsere Sicherheit bleibt von der glaubwürdigen atomaren Abschreckung der USA abhängig. Die Bundesrepublik Deutschland hat aus freiem Willen und im Vertrauen auf die amerikanischen Garantien auf atomare Waffen verzichtet. 2. Die Vereinigten Staaten bleiben für den atomaren Schutz ihrer Verbündeten in Europa verantwortlich. 3. Die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Verpflichtungen und Garantien gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, gegenüber dem westlichen Bündnis ist für uns ein hohes politisches Gut. Sie ist unverzichtbar, und wir warnen deshalb davor, sie leichtfertig in Frage zu stellen oder gar zu schwächen. 4. Die NATO-Strategie der flexiblen Abwehrreaktion reicht eben nur so lange aus, wie die konventionellen, die taktisch-nuklearen und die strategisch-nuklearen Vergeltungsfähigkeiten miteinander verkoppelt sind. Es bleibt die ständige Aufgabe der USA, ihre Einsatzdrohung mit atomaren Waffen glaubwürdig zu erhalten. 5. Die gefährliche Auswirkung lokaler Krisen auf das globale Gleichgewicht zwischen Ost und West weist den Vereinigten Staaten von Amerika eine hohe Verantwortung für die Sicherung des Friedens auch dort zu, wo regionale Ungleichgewichte die regionale und immer häufiger auch die weltweite Sicherheit gefährden. Meine Damen und Herren, ich füge hier einmal hinzu: Ich finde es wenig erfreulich, daß dann, wenn im Rahmen dieser weltweiten Verantwortung der Amerikaner Vorkommnisse und Ergebnisse eintreten, die nicht gerade als Glücksfälle oder Erfolge gewertet werden, eine breite Häme durch das westliche Ausland, durch die Verbündeten - einschließlich der Bundesrepublik - geht. Die Amerikaner haben eine Verantwortung sui generis, und wenn sie aus dieser Verantwortung heraus handeln, sind sie nicht immer gleichermaßen erfolgreich; aber wir tun gut daran, sie voller Sympathie auf diesem Wege mit jeder Unterstützung zu versehen. ({46}) Das heißt im Klartext: Die Verbündeten und Freunde müssen sich auf die amerikanische Macht verlassen können, aber die Amerikaner auch auf die Europäer. Wenn allerdings die Amerikaner die Reden und Äußerungen aus der SPD in der Bundesrepublik Deutschland hören, Herr Pawelczyk, können sie nicht den Eindruck gewinnen, daß sie sich auf diese Partei verlassen können. ({47}) Kissinger hat vor ein paar Tagen mit Recht darauf hingewiesen, daß bei der Unterzeichnung von SALT I im Jahre 1972 beide Vertragspartner auch politischen Prinzipien zugestimmt hätten, "die für Washington von essentieller Bedeutung waren. Allgemein habe man sie, so fügt er bedauernd hinzu, nicht ernst genug genommen, weil die Sowjetunion schon viele Prinzipien mit vielen Staaten unterzeichnet habe. Wir alle haben ein Interesse daran, daß Rüstungskontrollvereinbarungen eben nicht durch gegenläufige politische Aktionen entwertet werden. Was, meine Damen und Herren, ist die Aufgabe des westlichen Bündnispartners USA, was ist die spezifische Aufgabe der Bundesrepublik und der Bundesregierung? 1. Es ist die Aufgabe aller Allianzmitglieder, die sicherheitspolitische Lage - politisch und militärisch - gemeinsam so zu analysieren, daß sowohl die Allianz als auch ihre Führungsmacht in ihrem jeweiligen Entscheidungsbereich die notwendigen Entscheidungen treffen können und daß diese Beschlüsse anschließend die Unterstützung der ganzen Allianz finden können. 2. Eine Entscheidung der amerikanischen Regierung für den Bau bestimmter nuklearer Waffen darf doch nicht im Anschluß daran an der Frage ihrer Dislozierung scheitern. Die Diskussion um die Neutronenwaffe im Februar, März, April, Mai und Juni des vergangenen Jahres hat uns doch gerade unter diesem Gesichtspunkt in den USA enorm geschadet. ({48}) Daß Sie, Herr Bundeskanzler, mit Herrn Genscher bei der NATO signalisierten, Sie seien dafür, und daß Herr Brandt, Herr Wehner und, allen voran, Herr Bahr sowie Herr Ehmke, und wie sie alle heißen, hier das genaue Gegenteil gemacht haben, daß sie den Versuch einer moralischen Disqualifizierung dieser Waffe unternommen haben, daß sie überhaupt versucht haben, Verteidigungspolitik ins Zwielicht zu ziehen, hat der Bundesrepublik mehr als alles andere in den letzten zwölf Monaten geschadet! ({49}) - Wissen Sie, meine Damen und Herren, wenn ich die Parteitagsbeschlüsse von Köln betrachte, würde ich als Amerikaner nur sagen: armes Europa! ({50}) 3. Die Bundesrepublik Deutschland bestimmt über ihre Sicherheitsbedürfnisse selbst. Angesichts der Teilung Deutschlands, angesichts der Lage West-Berlins, angesichts unserer geopolitisch zentralen Lage in Europa und angesichts unseres freiwilligen Verzichts auf atomare Rüstung befinden wir uns in einer besonderen Sicherheitslage. Wir müssen deshalb - und das ist ganz legitim - unsere eigenen Interessen im Bündnis wahrnehmen. Wir können uns weder hinter dem Rücken der Amerikaner verstecken noch können wir uns mit der Haltung unserer europäischen Nachbarn, der Niederlande, Belgiens oder Dänemarks, herausreden; sie befinden sich in einer anderen sicherheitspolitischen Ausgangsposition. Das heißt für uns: Wir entlassen die Vereinigten Staaten nicht aus ihrer Verantwortung für den atomaren Schutz Europas. Wir müssen dann aber, wenn dies stimmt, bereit sein, getroffene Entscheidungen mitzutragen und auch auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland auszuführen. 4. Die Bundesrepublik Deutschland muß im Rahmen ihrer Möglichkeiten, im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, im Rahmen der westlichen Allianz 'und in den internationalen Organisationen ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit in Europa und weltweit verstärkt leisten. Sie, Herr Bundeskanzler, haben in dem bereits zitierten Buch geschrieben: Je erfolgreicher die Weltpolitik der USA sich ausnimmt, um so mehr sind die Europäer bereit, die amerikanische Führungsrolle zu akzeptieren. Je mehr diese aber Rückschläge, Gefahren und innere Unsicherheit erkennen läßt, um so mehr verliert sie in Europa an Vertrauen. Herr Bundeskanzler, der Erfolg oder Mißerfolg amerikanischer weltpolitischer Verantwortung ist doch häufig genug - wenn man fair ist, muß man das zugeben - auch vom Verhalten der Verbündeten, also auch von unserem Verhalten, abhängig: Ich frage Sie: Wo war denn eigentlich der deutsche Beitrag, der Beitrag der Westeuropäer - ich will Sie gar nicht direkt ins Obligo nehmen - beim Ablauf der Geschehnisse im Iran, die dann so leidenschaftlich kritisiert wurden? Wenn ich mir Ihre Neujahrsansprache noch einmal unter diesem Gesichtspunkt ansehe, dann muß ich sagen, sie war in diesem Punkt mindestens .so harmlos wie das, was ich gelegentlich aus Amerika gehört habe. ({51}) Was unternimmt denn die Bundesregierung, um die Friedensbemühungen des amerikanischen Präsidenten im Nahen Osten zu unterstützen? Denn wenn Präsident Carter scheitert, können doch auch für uns zentrale Interessen unmittelbar betroffen sein. ({52}) Ich sage hier ganz bewußt im Blick auf den Nahostkonflikt, wiederum wegen der latenten Diskussion gerade in der jungen Generation: Hier geht es nicht nur um wirtschaftliche Interessen. Wir wissen, wie sehr wir als Bürger der Bundesrepublik Deutschland insgesamt unter der Entwicklung zu leiden beginnen, daß wir möglicherweise in einen Zwiespalt geraten: hier die alte traditionelle Freundschaft mit den arabischen Ländern - und dort die mühsam genug an den Gräbern von Auschwitz und Majdanek und Treblinka entstandene neue Freundschaft mit dem Volk und dem Staate Israel. Es ist für uns einganz wichtiger Punkt, daß wir in Zukunft nicht nur in guten nachbarschaftlichen Beziehungen, sondern in Freundschaft mit den Arabern und den Juden leben können. ({53}) Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Sind es nicht häufig genug führende Mitglieder Ihrer eigenen Partei und Ihrer Regierung - ich habe das Beispiel der Neutronenwaffe erwähnt -, die Kampagnen anführen, die geeignet sind, Antiamerikanismus zu schüren, die alles tun, um die inneramerikanische Diskussion zu erschweren und der Sowjetunion Munition gegen Washington frei Haus liefern? Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben immer wieder auf ein „kompliziertes, interdependentes System" der Sicherheitspolitik in der Bundesrepublik hingewiesen, so daß man die Sicherheitspolitik - ich zitiere Sie und frage Sie: Gilt das auch heute noch? - weder allein den Militärs noch „gutwilligen Idealisten" überlassen dürfe. Ich fürchte nur, es ist inzwischen eine dritte Kategorie hinzugetreten: Leute, die weder Idealisten noch gutwillig sind, sondern eindeutig die Geschäfte Moskaus betreiben. ({54}) Ich meine, man darf auch den Ideologen diese Politik nicht überlassen - aber, Herr Bundeskanz11156 ler, auch nicht den Strategen, die jetzt beim Thema Sicherheitspolitik bereits die Gräben fair die Bundestagswahl 1980 ausheben. ({55}) Denn die Linie, die hier gezogen wird, ist doch für jeden erkennbar: Im Bereich der Außenpolitik die Friedensfreunde der SPD. Wer nicht bedingungslos in den Chor der Hofjubler einstimmt, der, meine Damen und Herren, ist ein Feind des Friedens, der wird in den Orkus der Wahl verwiesen. In der Innenpolitik, Herr Bundeskanzler - um das gleich bei dieser Gelegenheit noch mit aufzuarbeiten -, haben Sie ja auf einer Wahlkundgebung in Koblenz bereits den Tenor angegeben. Da werden einzelne Persönlichkeiten der CDU und dann - so wird es auf den Wahltag hinauslaufen - die beiden Schwesterparteien gemeinsam zunächst als 'konservativ, dann als rechtskonservativ, dann als rechts und - je nach Ihrer Stimmung - vielleicht noch als rechtsradikal bezeichnet. Dann brechen Sie ab, und die ({56}) eigentlichen Verleumder vom Dienst beginnen, Ihre Behauptungen zu steigern: Aus der rechtsradikalen wird die faschistische, die neonazistische Union. Das haben wir alles schon gehört. Ich sage Ihnen nur warnend bereits heute: Diese Sache läuft 1980 nicht. ({57}) Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Freund& mit dieser Art der Diffamierung - jetzt in der konkreten Situation gegenüber unserem Freund Karl Carstens - fortfahren, müssen Sie davon ausgehen, daß der innere Friede der Bundesrepublik, der durch ' Ihre Tätigkeit ohnedies hinreichend gestört ist, noch weiter gestört wird. ({58}) Wir werden nicht hinnehmen, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie versuchen, auf diese Art Wählergunst zu erschleichen. Sie sollen Ihre Argumente vortragen; wir können uns kämpferisch auseinandersetzen. Da braucht man auch gar nicht zimperlich zu sein. Im Umgang mit Ihnen wird man auch nicht zimperlich, meine Damen und Herren. Nur: Wenn Sie dabei sind, das letzte Stück Gemeinsamkeit - das ist auch das Stehen zur deutschen Geschichte ({59}) zu zerstören, dann tragen Sie die Verantwortung für diesen Vorgang. ({60}) - Ach Gott, Herr Kollege Wehner, was soll ich' mich mit Ihnen über diesen Punkt streiten? Sie wissen doch genau, daß das die Linie ist, die Sie anführen. ({61}) - Nein, Herr Kollege Wehner, ich habe nicht den Eindruck, daß ich in dieser Gefahr stehe. Aber ich habe nicht die Absicht, Sie zu unterschätzen. Das, was Sie hier gelegentlich an eruptiven Ausbrüchen bieten, hat doch alles ein strategische Ziel. Wir wollen jetzt darüber reden ({62}) - nein -, wie Sie die Fäden für 1980 ziehen. Rüstungskontrolle ist doch für Sie nur ein beliebiges Zwischenstück zur Diffamierung der CDU/CSU. ({63}) Sie, Herr Bundeskanzler, verlangen Festigkeit der Regierung und Zivilcourage der Regierenden - das ist ein schönes Wort -, um die innenpolitischen Konflikte um unseren Verteidigungsbeitrag ohne Schaden für die äußere Sicherheit zu bewältigen. Mir scheint aber, in der gegenwärtigen Diskussion besteht Ihre Zivilcourage vor allem darin, allen Seiten recht zu geben. Sie haben Herrn Genscher hier in bewegten Worten für seine Arbeit gedankt; Sie haben sich mit Herrn Wehner einig erklärt, obwohl doch die Widersprüche zwischen beider Position unübersehbar ist. Herr Wehner bestreitet, daß „von der Sowjetunion nur etwas drohe. Das, was sie hat, ist defensiv und nicht Aggression". Herr Genscher erklärt: Wir unterstellen der gegenwärtigen sowjetischen Führung nicht die Absicht eines militärischen Angriffs auf Westeuropa, aber es ist evident, daß ihre militärischen Kräfte über das für die Verteidigung Notwendige hinausgehen. In der politischen Wirkung muß man zwischen möglichen Absichten und tatsächlichen Fähigkeiten zu unterscheiden wissen. ({64}) Herr Wehner sagt: Mit der Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland „wäre ein entscheidender Teil der Bemühungen vertraglicher Sicherung nicht nur angeknackst, sondern könnte zerbrechen. In wessen Interesse" - so Wehner - „kann das liegen, daß hier im Herzen Europas auch noch ein ganz akuter Krisenherd entsteht?" Herr Genscher erklärt, und zwar nicht in grauer Vorzeit, sondern alles in den letzten Tagen und Wochen: „Verteidigungsanstrengungen, die sich ausschließlich an der Verteidigungsfähigkeit orientieren und keine Überlegenheit anstreben, sind nicht entspannungsfeindlich. Die Entspannung würde im Gegenteil gefährdet, wenn Verteidigungsfähigkeiten und Verteidigungswille nachließen." - Herr Apel, können Sie mir sagen, daß wir etwas anderes als das soeben Gesagte verlangt, gesagt und getan haben? ({65}) Herr Wehner sagt: „Die westlichen Vorschläge bei der Wiener Truppenreduzierungsverhandlung sind unzureichend, weil es vorwiegend Expertengespräche sind" - man hört dabei richtig, wie er diese Worte herausstößt -, „in denen vorwiegend, wenn nicht gar ausschließlich Daten ausgetauscht und gegenübergestellt werden." Herr Genscher erklärt: „Die Datendiskussion dient dazu, das Ziel der Parität in die Wirklichkeit umzusetzen. Versäumt man das, so wäre dies kein guter Boden, auf dem Entspannung gedeihen kann." Herr Wehner sagt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist der bremsende Faktor. Das sagen sowohl Amerikaner als auch komischerweise" - ich weiß nicht, warum das „komischerweise" so sein soll - „Briten und auch andere". Das ist so eine neue Klassierung: Amerikaner, Briten usw. ({66}) . „Ich weiß, wo die Schwachstelle der westdeutschen Präsentation der Außenpolitik liegt. Ich kenne die Methoden des Außenministers Genscher, und ich bin nicht damit einverstanden." "Ich bin übrigens sicher, daß Herr Wehner heute noch einen warm empfundenen Wunsch für Hans-Dietrich Genscher von dieser Bühne zum Ausdruck bringen wird. ({67}) Herr Genscher erklärt: „Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland findet in Ost und West eine positive Würdigung." Er fügt mit Recht hinzu: „Es dürfen weder im Westen noch im Osten Unsicherheiten über die Grundziele unserer Außenpolitik aufkommen." Meine Damen und Herren von der FDP, die Sie heute auch hier den Koalitionsrauch abstoßen werden: Was ist das eigentlich für ein Koalitionspartner, den Sie da haben? Von wem redet eigentlich Herr Genscher, wenn er sagt: in Ost und West eine positive Würdigung, und es dürfte keine Unsicherheit aufkommen? Damit kann er uns nicht meinen; denn unsere Position ist völlig klar. Daß er seine eigene Partei meint, ist trotz der Entwicklung der FDP in diesem Zusammenhang unwahrscheinlich. Dann bleiben nur noch die bewährten Genossen übrig, die immer für so etwas zur Verfügung stehen: Herr Wehner, Herr Bahr, Herr Brandt und Herr Ehmke, ({68}) die die Politik in Frage stellen, Herr Bundeskanzler, es trägt nicht zur Klarheit bei, wenn Sie dem Außenminister danken und Ihre Übereinstimmung mit Herrn Wehner erklären. ({69}) Ich muß Ihnen sagen: Ich habe nur aus den amtlichen Dokumenten, überwiegend aus dem „Bulletin", zitiert, das sich sonst nicht wie ein Krimi liest; aber in diesem Fall ist es ein lesenswertes Dokument. Deshalb, meine ich, Herr Bundeskanzler: Es ist an der Zeit, daß Sie dem ,deutschen Volk Rechenschaft abgeben; Sie sind der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. ({70}) Es ist nicht zuletzt Ihre Partei, die für die entstandene Unsicherheit über den deutschen Weg in der Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich ist. ({71}) Auch wenn Hans-Dietrich Genscher nicht da ist, muß ich es jetzt trotzdem sagen: Es zeugt nicht von viel Mut bei ihm, wenn der Außenminister seine Position in der Begründung damit klarstellen läßt, daß von östlicher Seite in Wien an der Verhandlungsführung der deutschen Delegation öffentliche Kritik geübt worden ist. ({72}) Wenn ich gesagt hätte, das sei die östliche Seite gewesen, so wäre das eine Beleidigung von Herrn Wehner gewesen; aber jetzt sagt es Hans-Dietrich Genscher, der erfahren hat, daß vor allem Herr Wehner die öffentliche Kritik angeführt hat. ({73}) Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, man muß Nachsicht mit den Kollegen von der FDP haben. Warum sollen sie eigentlich die Probleme beim Namen nennen, wenn es der Bundeskanzler, der dafür verantwortlich ist, nicht tut? Herr Bundeskanzler, hätten Sie doch einmal in diesen Tagen Ihre Worte, die ich schon eingangs zitierte, aus dem Buch von 1969 wiederholt. Ich will es für Sie tun - weil das für Sie einfacher ist - an die Adresse von Herrn Wehner. Sie sagten damals: Wer in der heutigen Lage Illusionen verbreitet und meint, er könne Sicherheit und Bündnis kleinschreiben, wenn er nur Entspannung großschriebe, könnte gleichfalls unsere Freundschaften und die Bündnisbindungen aufs Spiel setzen, ohne irgend etwas zu gewinnen. Wer sich selbst in das Ansehen bringt, bei längerem Hinhalten billiger zu werden, kann nicht erwarten, daß seine Postionen überhaupt ernst genommen werden. ({74}) Herr Bundeskanzler, das sind goldene Worte. Sie sollten sie in Leder schlagen lassen und Herrn fahr, daß die Antwort der berühmten roten Rosen kommt; und deswegen werden Sie es nicht tun. ({75}) Wir hätten uns sehr gewünscht, daß Sie sich an diese Maximen politischen Handelns erinnern, die wir Wort für Wort unterstreichen. Es ist ein kluges Wort. Warum sollen wir es nicht unterstreichen, auch wenn es von einem politisch Andersdenkenden kommt? Aber es ist ja noch nicht zu spät. Herr Wehner hat ja sein Spiel noch nicht beenden können. Er kann sich auch diesmal nicht von seinem Talent abbringen lassen, gerade im Ausland, meistens im östlichen Ausland, jetzt wieder in Ungarn, unsere Position zu bemäkeln. Worüber reden Sie eigentlich in Ihrem Koalitionsausschuß, wenn Herr Wehner extra nach Budapest fahren muß, um seine Anmerkungen anzubringen? ({76}) Herr Wehner, daß dabei Ihr einladender Partner großes Verständnis für Sie gehabt hat, das verstehe ich auch. So frei Haus aus deutschen Landen bekommt man es nicht immer geliefert. Herr Bundeskanzler, hier geht es um mehr. Sonst könnte man darüber hinweggehen. ({77}) - Ja, das ist klar, daß das für Sie eine schlimme Rede ist. Das glaube ich. ({78}) Sie können die Wahrheit nicht mehr ertragen, das ist schlimm für Sie. Herr Bundeskanzler,' hier geht es um mehr als um einige Mißverständnisse oder unterschiedliche Akzente. Hier geht es um eine Grundsatzentscheidung. Wir erwarten, daß Sie Herrn Wehner entgegentreten. Es geht um das Verhältnis von Sicherheit und Abrüstung. Es geht um das Verhältnis von Sicherheit und Entspannung. CDU und CSU sind immer für eine Politik der Rüstungskontrolle und Abrüstung eingetreten. Das Ausmaß der weltweiten Aufrüstung ist erschreckend. Niemand von uns hat eine Freude daran, wenn wir gleichzeitig das elende Schicksal von Millionen Menschen auf dieser Erde beobachten, denen nicht hinreichend von den reichen Industrienationen geholfen werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, Ihre angemeldete Redezeit von 60 Minuten ist überschritten. ({0}) - Ich bitte Sie, bitte sehr. - Ich bitte Sie, möglichst schnell zum Ende zu kommen.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Für die CDU/CSU gibt es klare Kriterien für eine Politik der Rüstungskontrolle und Abrüstung: 1. Diese Politik muß dem Frieden dienen. 2. Sie darf sich durch eine Politik der Androhung, Anwendung oder Manifestation von Gewalt nicht entmutigen lassen 3. Sie muß Gleichgewicht und Stabilität global und regional wahren. Sie muß sie dort, wo sie gestört sind, wiederherstellen. Wir halten deshalb eine Politik, die der Sicherheit und der Abrüstung eine gleiche Priorität einräumt, für falsch. Für die CDU/CSU geht Sicherheit vor Abrüstung; dient die Abrüstung der Sicherheit, sind wir ohne Einschränkung dafür. ({0}) Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist es schon von Bedeutung, wenn der Kollege Wehner das sowjetische Arsenal so einschätzt, wie er es getan hat. Sie, Herr Bundeskanzler, haben zu einem anderen kritischen Zeitpunkt, als die Menschen über den Einmarsch in die CSSR tief bewegt waren, geschrieben: Der Einmarsch in die CSSR hat Westeuropa .. . menschlich erschüttert und auch die Besorgnis von einer aggressiven Sowjetunion hervortreten lassen. Die völlig irrige sowjetische Erwartung der Reaktion bei den Völkern der CSSR muß eine Wiederholug sowjetischer Beurteilungs- und Führungsfehler in anderen Zusammenhängen als möglich erscheinen lassen. Ich glaube, das sollte man zur Kenntnis nehmen, was Sie in diesem Zusammenhang gesagt haben, denn durch diese Zitate, die ich gebracht habe, wird in eindrucksvoller Weise nachgezeichnet, daß Sie auf einem Überzeugungsboden standen, der .durchaus auch der unsere ist. Die Frage ist nur: Ist er heute noch der Ihrige? Ihre Durchsetzungskraft in Ihren eigenen Reihen läßt eben zu wünschen übrig.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich bitte Sie, jetzt zum Ende zu kommen, verehrter Herr Kollege. ({0})

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen sagen, es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang, wenn hier der Vorsitzende der Opposition in einer so zentralen Frage -

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Wenn Sie hier in dieser Weise den Präsidenten, der dies sehr großzügig handhabt, kritisieren, werde ich Ihnen in diesem Moment das Wort entziehen. Bitte, nehmen Sie - ({0}) - Meine Damen und Herren, machen Sie es doch dem Präsidenten nicht schwer. Die, Geschäftsordnung gibt dem Präsidenten die Möglichkeit. Keiner von Ihnen kann sich beschweren, daß ich hier nicht entsprechend der Geschäftsordnung verfahre. ({1}) Verehrter Herr Kollege, machen Sie es mir nicht schwer. Kommen Sie jetzt mit einem letzten Satz zum Abschluß.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich lege Wert auf die Feststellung, daß ich Sie hier nicht kritisiert habe. Ich habe hier zum zweiten festzustellen, daß ich darauf hingewiesen habe, daß es im Rahmen des parlamentarisch Zumutbaren ist, wenn der Oppositionsführer in einer guten Stunde hier zu einem wichtigen Thema seine Gedanken vorträgt. ({0}) Darf ich jetzt den Schlußsatz sprechen?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, sprechen Sie den Schlußsatz.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, noch ist es Zeit, die Balance in Europa wieder herzustellen. Die Zeit, die dafür zur Verfügung steht, läuft aus, in der Sowjetunion und für uns. Wir sind gerade auch in diesem Augenblick weltpolitischer Veränderungen zur Gemeinsamkeit bereit, zur gemeinsamen Verantwortung für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Wir werden aber keine Auseinandersetzung scheuen, wenn Sie in SPD und FDP sich aufmachen, den bislang gemeinsam vertretenen Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland zu verändern. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Um 14 Uhr beginnt die Fragestunde. ({0}) Viezepräsident Stücklen: Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 8/2608 Zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wrede zur Verfügung. Die Fragen 62 und 63 des Abgeordneten Dr. von Wartenberg und die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Kittelmann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Frage 68 ist zurückgezogen. Ich rufe die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Reichold auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Holtz: Beabsichtigt die Bundesregierung, mit der Einrichtung des neuen Nahverkehrssystems im Telefonverkehr auch ein akustisches Warnsignal einzuführen, das rechtzeitig das Ende einer Gebühreneinheit ankündigt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, die Deutsche Bundespost beabsichtigt nicht, ein akustisches Warnsignal einzuführen, das den Teilnehmern den jeweils folgenden Gebürenimpuls vorher ankündigt. Die vorhandenen technischen Einrichtungen sind nicht für -das Einblenden eines derartigen Signals ausgerüstet. Außerdem würde ein solches Signal den Fernmeldeverkehr stören.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Uwe Holtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000948, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da in anderen Ländern solche akustischen Signale im Telefonverkehr möglich sind und ich es zu schätzen weiß, daß die Bundesregierung, besonders im Fernmeldewesen, modernste Technologien zum Einsatz zu bringen gedenkt, möchte ich Sie fragen: Könnten Sie bitte noch einmal überprüfen, ob es nicht doch möglich wäre, zu solch einem Signal gerade beim Zeittakt zu kommen.

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich will Ihnen das gern zusagen. Allerdings betreten wir bei den Nahbereichen Neuland, und die hierfür entwickelten Geräte sind auf dem neuesten Stand der Technik. Bei dieser technischen Einrichtung aber wird die Verwirklichung Ihres Anliegens nicht möglich sein, weil die Impulse, die für das gewünschte Zeichen gegeben werden müssen, nicht auf die hier in Rede stehenden Zeittakte begrenzt werden könnten, sondern auch die kürzeren Takte im Inlandsfernverkehr und die noch kürzeren Takte im Auslandsverkehr berücksichtigen müßten. Solche Gespräche würden dann dauernd durch diese Impulse unterbrochen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 66 des Abgeordneten Dr. Linde auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 67. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 70. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Conradi auf: Trifft es zu, daß der Bundespostminister, obwohl im Bezirk der Oberpostdirektion Stuttgart 140 genehmigte Arbeitsposten im Fernmeldebereich nicht besetzt sind, nur die Beschäftigung von 64 bei der Deutschen Bundespost ausgebildeten und im Februar/März 1979 geprüften Fernmeldehandwerkern zuläßt, während 43 weitere qualifizierte Fernmeldehandwerker im Postdienst auf Stellen beschäftigt werden müssen, die möglicherweise mit Arbeitslosen besetzt werden könnten?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, der Vorschlag der Deutschen Bundespost für den Haushalt 1979 sah 452 000 Arbeitskräfte vor. Das Einvernehmen des Finanzministers dazu_ war jedoch wegen der Einwendungen des Bundesrechnungshofes nur für eine Größenordnung von 450 000 zu errei11160 chen. Der Bundesrechnungshof hatte beanstandet, daß in bestimmten Bereichen, vornehmlich des Fernmeldewesens, ein Personalüberhang vorhanden ist. Diese Beanstandungen waren - wenn auch nicht in der vom Bundesrechnungshof angegebenen Art und Höhe - im Prinzip anzuerkennen. Die Anordnung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 19. Februar 1979 war erforderlich, um die Einhaltung der genannten Haushaltsvorgabe sicherzustellen. Sie ist eine vorübergehende Maßnahme. Es wäre unvertretbar gewesen, die Einwendungen des Bundesrechnungshofes bei der Neubesetzung von Arbeitsplätzen unberücksichtigt zu lassen. Es würden jetzt unter Umständen Arbeitsplätze besetzt, die künftig wegfallen würden. Dies trifft auch für den Bezirk der Oberpostdirektion Stuttgart zu. Die Bundespost hat seit Jahren über den Bedarf hinaus ausgebildet und daher allen Auszubildenden, die jetzt zur Prüfung anstehen, bereits vor Beginn der Ausbildung im Jahre 1976 mitgeteilt, daß sie nach Abschluß ihrer Ausbildung nicht mit einer Beschäftigung im erlernten .Beruf rechnen können und auch eine generelle Beschäftigung im Bereich der Deutschen Bundespost nicht zugesagt werden kann. Erfreulicherweise konnte den jetzt zur Prüfung anstehenden Kräften dennoch eine Unterbringung - teils im nichtausbildungsgerechten, teils sogar im ausbildungsgerechten Bereich - zugesagt werden. Es besteht aber die Zusage, daß alle Fernmeldehandwerker, die ihre Ausbildungszeit auf Grund ihrer guten Leistungen verkürzen konnten, ab 30. April 1979 ausbildungsgerecht im Fernmeldewesen eingesetzt werden. Vizeprädient Stücklen: Zusatzfrage, bitte.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, wieso sich die Beschäftigung eines ausgebildeten Fernmeldehandwerkers im Postdienst nicht auf die Personalhöchstzahl von 450 000 auswirkt, wärend sich seine Beschäftigung in seinem Fach auf einem genehmigten Dienstposten nach Ihren Aussagen auf die Höchstzahl von Arbeitskräften, eben diesen 450 000, auswirkt?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, Sie müssen den Zusammenhang zwischen der Höchstzahl von 450 000 und den Beanstandungen des Bundesrechnungshofes sehen, der gesagt hat, daß die Post überbesetzt sei, und zwar vornehmlich im Bereich des Fernmeldehandwerks. Auf Grund dieser Tatsache mußte der Postminister die Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofs natürlich in Rechnung stellen und in diesem Bereich Untersuchungen anstellen. Deswegen meine Bemerkung: Es wäre - auch für die Betroffenen selbst - wohl ungut gewesen, sie jetzt auf angeblich oder anscheinend freien Arbeitsplätzen zu beschäftigen, bei deren Überprüfung sich nachher herausstellt, daß sie genau zu denen gehören, von denen der Bundesrechnungshof gesagt hat, sie seien überzählig. Deswegen hat der Bundespostminister den Weg gewählt, bis zum Abschluß dieser Prüfungen Ende April eine übergangsweise Beschäftigung im Postwesen anzubieten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind die von Ihnen soeben bezeichneten Arbeitsplätze nicht von den Oberpostdirektionen festgestellt und genehmigt worden, und verstehen Sie den Unmut der Beschäftigten angesichts der Tatsache, daß auf der einen Seite von der Oberpostdirektion als notwendig bezeichnete Arbeitsplätze vorhanden sind, auf der anden Seite aber die für diese Arbeitsplätze zur Verfügung stehenden Fachkräfte fachfremd im ,,normalen" Postdienst beschäftigt werden?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Selbstverständlich verstehe ich den Unmut, Herr Kollege. Den Widerspruch zwischen den von den Oberpostdirektionen angemeldeten und auch für den Bedarf vorhergesehenen Arbeitskräften und den Prüfungsbemerkungen des Rechnungshofes müssen wir nun ausräumen. Wir hatten gehofft, dies rechtzeitig tun zu können. Wir werden bis Ende April mit der Überprüfung dieser Maßnahmen fertig sein. Dann werden, wie ich sagte, alle im Fernmeldewesen Ausgebildeten auch einen Arbeitsplatz im Fernmeldewesen bekommen. Im übrigen halte ich eine übergangsweise Beschäftigung von acht oder zehn Wochen in einem anderen Bereich des gleichen Unternehmens, der Bundespost, nicht für unzumutbar.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie stellt sich die Bundespost angesichts der Festschreibung der Personalobergrenzen die Entlastung der Mitarbeiter der Bundespost vor, die im Zusammenhang mit den 1978 angefallenen 13 Millionen Überstunden und den noch ausstehenden mehr als eine Million Stunden wegen Urlaub und auch durch den Nachtschichtdienst besonders belastet sind und nur durch zusätzliche Freischichten eine Wiedergutmachung für ihren die Gesundheit gefährdenden Einsatz erhalten können?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Die Deutsche Bundespost geht davon aus, daß es ihr gelingen wird, dem Bundesrechnungshof nachzuweisen, daß die von ihm angegebene Größenordnung von angeblich überzähligen Dienstposten bei der Post nicht zutrifft. Sie geht weiter davon aus, daß es nach Abschluß dieser Prüfung gelingen wird, das Einvernehmen des Bundesfinanzministers für eine größere Zahl als die von mir genannte zu erreichen, um in den Bereichen, die Sie angesprochen haben, die Unzumutbarkeit in Form von Überstunden nicht noch stärker anwachsen zu lassen. Dennoch erlaube ich mir den Hinweis - denn das Problem Überstunden bei der Bundespost wird immer wieder angesprochen -, daß es sich - auf das Jahr und je Beschäftigten bei der Bundespost bezogen - nach den letzten Rechnungen um 30,5 Überstunden handelt und daß darüber hinaus ein großer Teil - weit mehr als die Hälfte - der Überstunden auch bei noch so guter vorheriger Personalplanung nicht auszuschließen sein wird. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welches sind die Gründe, die es auf der einen Seite nicht möglich machen, die Auszubildenden im Fernmeldehandwerk jetzt sofort weiter zu beschäftigen, die es Ihnen aber auf der anderen Seite möglich machen, in Aussicht zu stellen, daß das zum 30. April dieses Jahres in bezug auf alle Fernmeldelehrlinge erfolgen kann? Auf welcher Basis können Sie diese Aussage heute machen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, das kann ich auf der Basis in Aussicht stellen, daß die Zahl der vom Bundesrechnungshof beanstandeten, nach seiner Meinung überzähligen Kräfte um ein Vielfaches höher ist als die Zahl derjenigen, die jetzt ihre Lehre beendet haben und zur Einstellung anstehen. Die Differenz ist auf Grund des Überblicks, den die Deutsche Bundespost hat, so groß, daß man davon ausgehen kann, daß sie alle eingestellt werden. Nur im Moment kann man noch nicht sagen, wo Bedarf ist und wo überzählige Kräfte vorhanden sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, waren die von Ihnen zitierten Bemerkungen des Bundesrechnungshofs bereits Gegenstand der Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuß oder reagiert das Ministerium bei Bemerkungen des Bundesrechnungshofs immer gleich so vorsichtig, d. h. schöpft es seine Stellenpläne dann sozusagen von vornherein in einer Höhe von 40 Prozent nicht aus bzw. gibt es die bewilligten Mittel hierfür nicht aus?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Frau Kollegin, die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes sind im Prüfbericht über das Jahr 1976 enthalten. Dieser ist in der Bundestagsdrucksache 8/2124 enthalten. Ich nehme an, daß dem Rechnungsprüfungsausschuß des Bundestages das bekannt ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Klein ({0}) auf: Trifft es zu, daß im Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt über 400 Arbeitsplätze für Fernmeldehandwerker derzeit unbesetzt sind, die Deutsche Bundespost sich aber gleichwohl weigert, rund 100 Fernmeldelehrlinge, die gegenwärtig im Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt ihre Gesellenprüfung ablegen, nach bestandener Prüfung auf ausbildungsgemäße Arbeitsplätze zu übernehmen, und wenn ja, warum weigert sie sich?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Präsident, ich möchte mich in meiner Antwort auf die soeben gegebene Antwort an den Kollegen Conradi beziehen, weil der Sachverhalt genau der gleiche ist. Ich könnte lediglich hinzufügen, daß die von mir genannten Sachverhalte auch für den Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt am Main zutreffen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Heinrich Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001116, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für angebracht und für vertretbar, wenn den jungen Prüflingen, wie das im Bereich der OPD Frankfurt geschehen ist, drei Tage vor dem Prüfungstermin mitgeteilt wird, daß sie keine Übernahme zu erwarten haben. Sehen Sie in diesem Verhalten der Bundespost einen besonderen Beitrag zu der Zielsetzung der Regierung, die Arbeitswelt zu humanisieren?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich muß noch einmal auf den Passus in meiner Antwort an den Kollegen Conradi verweisen, wo ich darauf hingewiesen habe, daß diesen Ausgebildeten nicht, wie Sie unterstellen, drei Tage vor Übernahme mitgeteilt wurde, daß sie keinen Anspruch auf Übernahme in den erlernten Beruf haben - eine gene- relle Zusage auf Übernahme in den Bereich der Deutschen Bundespost ist ihnen auch nicht gemacht worden -, sondern daß das schon bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses im Jahre 1976 allen Auszubildenden mitgeteilt worden ist. Wenn auf Grund der Praxis früherer Jahre dieser Eindruck bei den Ausgebildeten dennoch entstanden ist und sie durch die Mitteilung der Oberpostdirektion überrascht wurden, so ist das für die Betroffenen sicherlich bedauerlich, ändert aber nichts an dem dargestellten Sachverhalt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Heinrich Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001116, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Oberpostdirektion Frankfurt nach Überprüfung durch den „Berater des BPM" am 4. Januar 1979 festgestellt hat, daß im Bereich der Oberpostdirektion insgesamt 409,6 - ich lege Wert auf das Komma, d. h. auf die Zahl nach dem Komma - Fernmeldehandwerker benötigt werden, und halten Sie die Praxis, die nach dieser Feststellung erkennbar geworden ist, nämlich die Leute nicht einzustellen, für vertretbar mit dem erkannten Bedarf?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich will die von Ihnen genannten Zahlen nicht in Zweifel ziehen. Ich könnte Ihnen jetzt jede andere Oberpostdirektion nennen, die ihre Bedarfszahlen in ähnlichen Relationen angemeldet hat. Diese Zahlen stehen aber eben in einem kritischen Mißverhältnis zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs. Ich bitte um Verständnis, daß der Bundespostminister auf Grund solcher Prüfungsbemerkungen natürlich gehalten ist, die Personalsituation zu überprüfen. Dazu benötigt er die Zeit bis Ende April. Ich betone noch einmal: Ich halte es nicht für eine Zumutung - obwohl der Ärger bei dem einen oder anderen verständlich ist -, für einige Wo11162 chen in demselben Betrieb in einem anderen Bereich beschäftigt zu werden, einem Bereich, in dem viele Hunderttausende Tag für Tag ihre Arbeit tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß die Auskünfte, die Sie jetzt gegeben haben, wonach die Einwände des Bundesrechnungshofs bis zum 30. April ausgeräumt werden können, bei den Betroffenen den Eindruck erwecken, daß sich unter dem Gesichtspunkt, daß eben jetzt die Ausbildungszeit zu Ende geht, das Bundespostministerium eventuell auch in der Lage sehen würde, diese Bedenken so rechtzeitig auszuräumen, daß die Übernahme in den Dienst nicht erst nach dem 30. April, sondern jetzt nach Ende der Lehrzeit erfolgen kann?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Es war durchaus die Absicht der Deutschen Bundespost, Herr Kollege, diese Überprüfung so rechtzeitig zum Abschluß zu bringen. Aber in diese Überprüfung fließen natürlich auch die nach den gesetzlichen Bestimmungen notwendigen Abstimmungen mit der Personalvertretung ein. Und die gestalten sich bisweilen recht schwierig und vor allem langwierig. Deswegen war es nicht möglich, diese Überprüfungen rechtzeitig zum Termin des Lehrabschlusses der Betroffenen abzuschließen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf: Trifft es zu, daß in diesen Tagen den von vor dem Abschluß ihrer Berufsausbildung stehenden Fernmeldehandwerkern kurzfristig mitgeteilt wurde, daß sie künftig nicht im Fernmeldewesen beschäftigt werden können, und für wie viele von ihnen gibt es welche Gründe dafür?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Ich möchte mich, Herr Präsident, im Kern auch hier auf meine Antwort auf die Frage 71 des Herrn Kollegen Conradi beziehen. Der Sachverhalt ist der soeben behandelte. Ich füge auch hier hinzu: Das von mir Gesagte trifft auch für den Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt zu.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage. Bitte.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für einen sehr ungewöhnlichen Vorgang, daß nach öffentlichen Protestmaßnahmen der Gewerkschaften Sie heute im Bundestag erklären können und in der Zwischenzeit verbindlich erklärt haben, daß Sie alle Auszubildenden nach dem 30. April einstellen können, daß es Ihnen aber offensichtlich nicht möglich war, vor den Protesten den Betroffenen eine hinreichende Auskunft zu geben?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, daß ich das heute hier erklären konnte, halte ich nicht für ungewöhnlich. Ich habe auf die Sachzusammenhänge hingewiesen. Ich halte die von Ihnen hier dargestellten Zusammenhänge nicht für maßgebend, nämlich daß das auf Proteste der Gewerkschaft zUrückzuführen ist. Im übrigen verweise ich nochmals darauf, daß den Betroffenen bekannt war, daß sie ab dem 30. April eine ausbildungsgerechte Beschäftigung bei der Post finden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich dieser Ihrer Antwort entnehmen, daß in jedem Einzelfall in dem Bescheid an den betroffenen Auszubildenden der Hinweis enthalten war, daß die Übernahme in den postfernmeldetechnischen Dienst zwar nicht sofort erfolgen könne, aber bei jedem einzelnen nach dem 30. April erfolgen werde?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Nein, Herr Kollege, das können Sie nicht unterstellen. Ich müßte nachprüfen, ob jedem einzelnen dies in schriftlicher Form mitgeteilt worden ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind die Prüfungsfeststellungen des Bundesrechnungshofs der einzige Anlaß für den Einstellungsstopp, den Sie offensichtlich verfügt haben, oder gibt es darüber hinaus einen generellen Einstellungsstopp?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Nein, die Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofs sind der Anlaß.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein ({0}).

Heinrich Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001116, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie mir den Widerspruch erklären, Herr Staatssekretär, daß beispielsweise Fernmeldehandwerker, die im vorigen Jahr ihre Prüfung mit der Note 3 bestanden haben, heute in einem ausbildungsgerechten Beruf tätig sind, während junge Fernmeldehandwerker, die in diesen Tagen ihre Prüfung mit der Note 1 bestanden, heute als Paketverlader in Frankfurt eingesetzt sind?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Ich weiß nicht, Herr Kollege, wo Sie da einen Widerspruch sehen. Die einen waren die Auszubildenden, die ein Jahr vorher ihre Lehrzeit beendet hatten, als wir eine andere Personalsituation hatten und insbesondere noch nicht diese Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofs zu diesem kurzfristigen Einstellungsstopp veranlaßt hatten. Ich betone noch einmal: Ich würde es für die große Zahl der Beschäftigten im Bereich der Post für diskriminierend halten, es als unzumutbar darzustellen, wenn junge Leute, die gerade ihre Lehre beendet haben, für ein paar WoPari. Staatssekretär Wrede chen in einen anderen Bereich ihres großen Unternehmens hineinriechen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Klein, die nächste Frage, die ich aufrufen werde, behandelt das gleiche Thema. Dann haben Sie selbstverständlich wieder die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir die Gründe dafür nennen, warum in den letzten Jahren die Personalplanung und die Personalpolitik eine so mangelhafte Kontinuität aufwiesen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich weiß nicht, wieso Sie unterstellen, daß es eine mangelhafte Kontinuität gibt. Die Bundespost hat eine langfristige Personalplanung, die in einem engen Zusammenhang mit den Rationalisierungsbemühungen in den verschiedensten Bereichen zu sehen ist. Danach muß sich die Personalplanung ausrichten. Natürlich wird dann von Jahr zu Jahr in den Verhandlungen über den Haushalt der Deutschen Bundespost mit dem Finanzminister um die Größenordnungen gerungen. Bei einem Unternehmen einer solchen Größenordnung mit rund 450 000 Beschäftigten kann es natürlich unterschiedliche Auffassungen über den Umfang des Bedarfs geben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Milz.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es nicht in der Tat mangelnde Kontinuität, wenn die Bundesregierung oder die Deutsche Bundespost vor einigen Jahren die Anzahl der Auszubildenden zunächst einmal erheblich reduzierte, dann auf Druck nicht zuletzt auch der ausbildenden Wirtschaft die Zahl der Ausbildungsplätze wieder erhöhte und sie jetzt offensichtlich für eine Zeitlang wieder reduziert hat? Nennen Sie dies anders als mangelnde Kontinuität?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege Milz, diese Frage verstehe ich überhaupt nicht, weil sie den Sachverhalt in keiner Weise trifft. Die Deutsche Bundespost hat die Zahl der Ausbildungsplätze nicht reduziert. Sie hat vielmehr vor einigen Jahren - entsprechend den Forderungen dieses Deutschen Bundestages an die Wirtschaft - auch im eigenen Bereich die Kapazität der Ausbildung bis auf das letzte erhöht ({0}) und - ich habe das vorhin in meiner Antwort betont - seit Jahren enorm über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. Die Bundespost bildet nun seit Jahren über den eigenen Bedarf hinaus aus. Sie kommt jetzt an einen Punkt, an dem sie sagen muß: Wir haben euch die Chance der Ausbildung gegeben, euch aber gleichzeitig bei Beginn der Ausbildung sagen müssen, daß wir euch nicht auf Dauer beschäftigen können. Man kann es der Bundespost nun nicht zum Vorwurf machen, wenn sie der Wirtschaft ein Beispiel geben will und die Zahl ihrer Ausbildungsplätze vergrößert. Ich sehe hier überhaupt keinen Widerspruch.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf: Gibt es für die vor ihrem Berufsabschluß stehenden, auf Grund ihres Ausbildungsstands besonders geeigneten Fachkräfte nicht doch eine Möglichkeit der Verwendung im Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Präsident, ich hatte vergessen, darum zu bitten, die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen. Die Fragen beziehen sich ja auch auf den gleichen Sachverhalt. Meine vorhin gegebene Antwort beinhaltete schon die Antwort auf Frage 74.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, dem Hause bekanntzugeben, wenn schon nicht jedem einzelnen Bewerber die Mitteilung gemacht wurde, 'daß er nach dem 30. April in den gewünschten Dienst übernommen werden kann, wann Sie z. B. den Personalabteilungen der Oberpostdirektionen seitens des Ministeriums dies kundgetan haben, und wären Sie darüber hinaus bereit, uns diesen Vorgang gegebenenfalls dadurch zugänglich zu machen, daß Sie uns einen Erlaß des Ministeriums durch die Post übermitteln lassen?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, daß ich Ihnen das jetzt an dieser Stelle nicht sagen kann. Ich bin gern bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meine Frage betrifft die Kontinuität: Ist es zutreffend, daß die Deutsche Bundespost 1973 noch 24 400 Auszubildende eingestellt hat, die Zahl 1977 dann auf 11 424 reduziert hat und diese Zahl überhaupt nur deshalb erreicht werden konnte, weil es erhebliche Proteste dagegen gab, noch weitere Ausbildungskapazität stillzulegen'?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich kann die von Ihnen genannten Zahlen im Augenblick nicht in Zweifel ziehen, weil ich sie nicht vorliegen habe. Sollte es aber so sein, wie Sie es dargestellt haben, so bedeutet dies dennoch nicht, daß keine Kontinuität da ist, sondern vielmehr, daß Ausbildungsgänge bei der Bundespost geändert wurden, die Strukturen in der Ausbildung verändert wurden und natürlich in bestimmten Bereichen, auch im Bereich der Ausbildung - dies habe ich gesagt -, die Zahlen an den Bedarf angepaßt werden mußten, und zwar in den Bereichen, in denen derjenige, der dort ausgebildet wird, wie man weiß, später nur bei der Post und nirgendwo anders beschäftigt werden kann.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

_Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält der Bundespostminister die von den Oberpostdirektionen als notwendig festgestellten Arbeitsplätze im Fernmeldebereich für notwendig, und wird der Bundespostminister beim Bundesfinanzminister und beim Bundesrechnungshof dafür einsetzen, daß diese Arbeitsplätze dann auch bewilligt werden?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich hatte dies schon ausgeführt. Der Bundespostminister kann die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zwar nicht im Prinzip, aber auf jeden ,Fall hinsichtlich der Größenordnung bestreiten. Er wird sich sehr darum bemühen, mit seinen Zahlen nachzuweisen, daß er einen größeren Bedarf hat, um dann auch das notwendige Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister herbeizuführen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es gegenwärtig einen Einstellungsstopp bei der Bundespost im Bereich des Fernmeldewesens, und kann ich davon ausgehen, daß über diese Frage grundsätzlich marktwirtschaftliche Gesichtspunkte entscheiden?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich habe darauf verwiesen: Dieser Einstellungsstopp stammt vom 18. Februar und ist auf den 30. April befristet.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein ({0}).

Heinrich Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001116, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß Amtsvorsteher von Fernmeldeämtern im Bereich der Oberpostdirektion Frankfurt bereits vor einigen Wochen Arbeitsvertäge für künftige Fernmeldehandwerker, die zum damaligen Zeitpunkt noch Auszubildende gewesen sind, ausgefertigt haben und das diese Amtsvorsteher mittlerweile bei ihren Gewerkschaften oder Berufsverbänden um Rechtsschutz nachsuchen müssen, weil sie eben „voreilig" gehandelt haben?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, der im ersten Teil Ihrer Frage angesprochene Sachverhalt ist mir nicht bekannt. Das zweite möchte ich so, wie Sie . es dargestellt haben, nicht ungeprüft entgegennehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Drohungen, wie Sie sie hier andeuten, geben kann.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Milz.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben davon, die Änderung von Ausbildungsgängen sei die Ursache für eine zeitweilige Reduzierung der Zahl der Ausbildungsplätze gewesen. Können Sie dem Hohen Hause sagen, wo im einzelnen Ausbildungsgänge bei den Fernmeldetechnikern geändert worden sind?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Herr Kollege, ich habe nicht von den Fernmeldetechnikern gesprochen, und Sie haben ja Ihre Zahlen auch nicht auf die Ausbildung von Fernmeldehandwerkern bezogen, sondern haben Globalzahlen genannt. Meine Bemerkungen bezogen sich auf das ganze Ausbildungswesen bei der Post, nicht speziell auf den Fernmeldebereich.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Reaktionen, die die Bundespost auf Grund der Prüfungsfeststellungen des Bundesrechnungshofs an den Tag gelegt hat, zumindest als übervorsichtig bezeichnet werden müssen und daß dadurch eine unnötige Unruhe im Bereich der Betroffenen entstanden ist?

Lothar Wrede (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002566

Nein, Herr Kollege, ich teile diese Auffassung nicht, denn der Postminister ist natürlich erstens und insbesondere wegen der Prüfungsbemerkungen, zweitens aber auch ohne Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofes - verpflichtet, angesichts der Kosten, die ja durch die Benutzer der Deutschen Bundespost aufzubringen sind, in seiner Verwaltung auf Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu achten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Die Fragen 80 des Abgeordneten Waltemathe sowie 84 und 85 des Abgeordneten Meinike ({0}) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 86 und 87 des Abgeordneten Dr. Jenninger werden vom Fragesteller zurückgezogen. Die Fragen 77 und 78 werden von Herrn Staatsminister Wischnewski beantwortet, die weiteren Fragen von Herrn Staatssekretär Schüler. Ich rufe Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf: Trifft es zu, daß die DDR bemüht ist, den ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, Gaus, zum Doyen des diplomatischen Corps aufsteigen zu lassen, um damit ihre Bemühungen zu unterstützen, die Ständige Vertretung zu einer echten Botschaft aufzuwerten?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Antwort auf Frage 77 heißt: Nein.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihre Antwort dahin gehend zu deuten, daß Sie von diesem Vorgang nichts wissen, oder wollen Sie damit sagen, daß es einen derartigen Vorgang nicht gibt?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung sieht ihre Aufgabe nicht darin, Spekulationen über die personelle Besetzung von Missionen anderer Staaten anzustellen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, vermögen Sie mir denn zu bestätigen, daß die beiden diplomatischen Vertreter, die nach dem Grundsatz der Anciennität unserem Ständigen Vertreter vorgehen, in Kürze abberufen werden und daß dann diese Frage aktuell wird?

Not found (Gast)

Ich habe keinerlei Kenntnis darüber, wann die Staaten ihre Missionschefs abrufen werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr .Staatsminister, bedeutet diese Ihre Antwort, daß die Bundesregierung in keinem Fall den besonderen, von den üblichen diplomatischen Vertretungen abgehobenen Status der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR durch eine solche oder eine andere Maßnahme aufwerten oder sich an einer Aufwertung beteiligen wird?

Not found (Gast)

Alles, was hier jetzt von Ihnen angesprochen wird, sind Spekulationen. An solchen Spekulationen beteiligt sich die Bundesregierung nicht. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf: Welche sonstigen Anstrengungen hat die DDR in letzter Zeit unternommen, um die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin in eine echte Botschaft umzuwandeln?

Not found (Gast)

Der Status der Ständigen Vertretung ist in Übereinstimmung mit den im Grundlagenvertrag vereinbarten Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten im Protokoll zwischen .der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Errichtung der Ständigen Vertretung vom 14. März 1974 festgelegt worden. Beide Seiten halten sich an diese Vereinbarung.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 79 der Abgeordneten Frau Simonis auf: Entsprechen die angeordneten Kontrollen des Post- und Telefonverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und den Ostblockländern durch den Bundesnachrichtendienst den Bestimmungen des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968? Nun sind Sie dran, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Im übrigen weise ich darauf hin, daß die Maßnahmen der im Gesetz vorgeschriebenen Kontrolle, auch der parlamentarischen Kontrolle, unterliegen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das zu erkennen gäben. Bitte sehr, jawohl. ({0}) - Sie haben mich angeguckt. Das ist, Frau Simonis, natürlich ganz besonders reizvoll. ({1}) - Und noch angelächelt. Bitte schön, eine Zusatzfrage. ({2})

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die massenhafte Pffnung von Post in die sogenannten Ostblockstaaten und die Abhörung von Telefongesprächen den Intentionen entsprechen, die die Bundesregierung bei Verabschiedung des Gesetzes zu Art. 10 GG gehabt haben mag?

Not found (Staatssekretär:in)

Nach meiner Erinnerung, Frau Abgeordnete, äußert sich die Begründung der Bundesregierung zum damaligen Gesetzentwurf nicht ausdrücklich zum Umfang dieser Kontrolle. Es ist aber offensichtlich; daß sich dieser Umfang an der Zielsetzung des Gesetzes orientieren und dabei auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel Rechnung tragen muß.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns bitte sagen, welche Dienststellen wann und unter Umständen auch wie oft und auf welche Dauer den Antrag auf diese Öffnung von Briefen gestellt haben und ob dabei auch im Auge behalten wurde, daß Einzelpersonen, deren Briefe geöffnet wurden, daraus kein Schaden entsteht?

Not found (Staatssekretär:in)

Das, Frau Abgeordnete, waren eine Reihe von Fragen; es waren mindestens zwei Fragen. Ich will sie der Reihe nach beantworten. Zu Ihrer ersten Frage möchte ich sagen, daß ich mich nicht in der Lage sehe, zu Einzelheiten öffentlich Stellung zu nehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die besondere Verantwortlichkeit von Gremien, die das Gesetzgeschaffen hat. Ihre zweite Frage, Frau Abgeordnete, richtete sich auf die Verwendung von Daten zu Lasten von Personen. Ich darf darauf hinweisen, daß diese Frage im Gesetz ausdrücklich geregelt ist. Die strategische Kontrolle richtet sich primär nicht auf die Gewinnung personenbezogener Daten. Soweit derartige Daten anfallen, ist ihre Verwendung im einzelnen im Gesetz geregelt. Die Bundesregierung und die damit befaßten Dienststellen halten sich strikt an diese gesetzlichen Regelungen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da aus den Verhandlungen im Deutschen Bundestag bei der Verabschiedung des G-10-Gesetzes die Intention des Gesetzgebers sehr deutlich geworden ist, daß es zu flächendeckenden Maßnahmen dieser Art nicht kommen sollte, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung tatsächlich überzeugt ist, daß die jetzige Praxis dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel entspricht und damit nicht gegen das Gebot der Einhaltung der Wesensgehaltschranke nach Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes verstößt.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung geht davon aus, Herr Abgeordneter, und befindet sich damit, soweit ich das sehe, auch in Übereinstimmung mit den Gremien des Gesetzes. Aber richtig ist, daß jedes Gesetz zu jeder Zeit auf seine Rechtmäßigkeit und auf die Zweckmäßigkeit der Handhabung geprüft werden muß. Dies wird immer wieder zu geschehen. haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie können Sie Ihre Erklärung für diese flächendeckenden Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis mit der Begründung des zuständigen Berichterstatters zu dem Gesetz in Einklang bringen - abgedruckt in der Drucksache V/2930, die ich mit Genehmigung des Präsidenten kurz zitieren darf -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Gansel, die Genehmigung brauchen Sie nicht, aber die Frage soll kurz sein.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie kann nicht kürzer als das Zitat sein, Herr Präsident. Wie deckt sich diese Erklärung, Herr Staatssekretär, mit der Berichterstattung aus dem zuständigen Ausschuß in Drucksache V/2930, in der es heißt: „Objekt der Überwachung sind nicht bestimmte Bereiche des Post- und Fernmeldeverkehrs, sondern nur mehr bestimmte Post- und Fernmeldeverkehrsbeziehungen. Damit ist klargestellt, daß globale Kontrollen ganzer Gebiete ausgeschlossen sind" ?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin nicht sicher, welchen Inhalt Sie dem Begriff „Flächendeckung" oder „flächendeckend" unterlegen. Ich bin nicht der Meinung, daß es sich hier um eine flächendeckende Kontrolle handelt. Im übrigen - das habe ich ausgeführt - bin ich der Meinung, daß die Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem Gesetz stehen. Ich kann, soweit ich dies auf Grund des mündlichen Vortrags der Begründung erkennen kann, auch keinen Widerspruch zu dem sehen, was ich ausgeführt habe.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, steht die Anwendung des Gesetzes über die Beschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses in einem Zusammanhang mit der gerade in letzter Zeit vermehrten und sehr häufigen Tätigkeit spionage- und geheimnisaufdeckender Informantenkreise ?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, in diesem Zusammenhang stehen diese Maßnahmen, die heute hier debattiert werden, nicht; denn hier wird nach § 3 des G-10-Gesetzes gefragt, und diese Kontrolle ist die sogenannte strategische, aber nicht die Individualkontrolle.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist aber nicht doch das nahezu flächendekkende massenhafte Auftreten von Agenten der östlichen Nachrichtendienste für die Bundesregierung ein Grund, alle gesetzlichen Maßnahmen auszuschöpfen, um derartige Tätigkeiten hintanzuhalten und allzu kritischen Maßnahmen mit dem Argument entgegenzutreten, daß es vielfach nicht um den Schutz der Freiheit der Verfassung, sondern um den Schutz von Kräften geht, die die Freiheit der Verfassung unterwühlen wollen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wendet alle Gesetze an, um dieser Gefahr zu begegnen. Ich denke, daß sie das mit erheblichem Erfolg tut. Dafür gibt es eine Reihe von gesetzlichen Instrumenten. Ich erkläre noch einmal ausdrücklich, daß § 3 des G-10-Gesetzes auch nach der Absicht des Gesetzgebers dazu nicht zählt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann man Ihre Antworten auf die letzten beiden Fragen auch so interpretieren, daß die flächendeckende Postkontrolle aus osteuropäischen Ländern nicht verhindert hat, daß es dennoch zu einer Reihe von spektakulären Spionagefällen kam?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich glaube nie, daß es Absicht gewesen sein könnte, derartige Gefahren mit dieser Bestimmung des Gesetzes zu verhindern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Gansel auf: Welche tatsächlichen Sachverhalte rechtfertigen die massenhafte Kontrolle von Briefen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und den Ostblockländern durch den Bundesnachrichtendienst?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die bilateralen und multilateralen Bemühungen um den Abbau der Konfrontation und den Ausbau der politischen Zusammenarbeit haben in Europa zur politischen Entspannung geführt. Ost und West bemühen sich auch um den Abbau der militärischen Konfrontation durch Rüstungsbegrenzung und Abrüstung. Bisher haben diese Bemühungen jedoch noch nicht zu einem Abbau der militärischen Potentiale geführt. Daher muß die Bundesregierung in der gegenwärtigen Lage im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung für die Sicherheit die Maßnahmen ergreifen können, die zur rechtzeitigen Aufklärung der Gefahr bewaffneter Angriffe auf das Bundesgebiet unumgänglich sind. Hierzu gehört auch die Möglichkeit zur Überwachung bestimmter Post- und Fernmeldeverbindungen, soweit dies das G-10-Gesetz zuläßt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß es bei der Verabschiedung dieses Gesetzes in den Debatten des Deutschen Bundestages die Intention war, hier eine Regelung zu schaffen, die nur in Spannungszuständen, nicht aber in Zeiträumen relativer Entspannung eingreifen sollte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das würde voraussetzen, daß man den Text jener Begründung genau vor sich hat. Ich möchte darauf antworten, daß man, wenn man Gefahren rechtzeitig erkennen will - das ist die Voraussetzung des Gesetzes -, diese Maßnahme nicht einsetzen kann, wenn die Gefahr bereits eingetreten ist oder droht. Dann wäre dies zu spät, und das Gesetz hätte dann wohl auch keinen Sinn mehr.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, obwohl ich mit Ihnen darin übereinstimme, daß es zu spät ist, wenn aus der Gefahr schon Ernstfall geworden ist, aber nicht die Auffassung teile, daß deshalb immer eine drohende Gefahr angenommen werden muß, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, Ihre Auffassung noch einmal auf der Grundlage der Begründung zu überprüfen, die der damalige Innenminister Lücke im Deutschen Bundestag zu den strategischen Überwachungsmaßnahmen gegeben hat, in der der Kollege Lücke damals als Mitglied der CDU in der Großen Koalition in der 117. Sitzung des Deutschen Bundestages darauf hingewiesen hat, daß Überwachungsmaßnahmen strategischer Art nur „in solchen Situationen" notwendig seien und „in Kauf genommen" werden müßten und daß „die jüngste Geschichte bestätigt" habe, daß in solchen Lagen im Interesse größtmöglicher Sicherheit usw. usf. Der Kollege Lücke hat also die Anwendung der strategischen Überwachungsmaßnahmen im Hinblick auf einen Gefahren- oder Spannungszustand begründet.

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin gern bereit, die Prüfung auch unter diesem Gesichtspunkt zu ergänzen, Herr Abgeordneter.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihre soeben dem Kollegen Gansel gegebene Antwort dahin gehend interpretieren, daß die 'Bundesregierung davon überzeugt ist, daß sich bei flächendeckender Öffnung von Briefen eine bewaffnete Auseinandersetzung in Privatbriefen ankündigt?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, eine befriedigende Antwort auf diese Frage würde voraussetzen, daß man auf Charakter und Einzelheiten nachrichtendienstlicher Arbeit und auf den Stellenwert möglicher Instrumente eingeht. Darauf muß ich hier verzichten, möchte aber doch hervorheben, daß dieses Instrument im Sinne des Gesetzes durchaus von Bedeutung ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie tatsächliche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit dieser sogenannten strategischen Maßnahmen nicht genannt haben - danach war gefragt -, möchte ich Sie fragen, ob Sie in diesem Zusammenhang die Anschaffung des fliegenden Überwachungssystems für notwendig halten, die die Vorwarnzeiten immerhin um zehn Minuten verkürzt.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Sie führen hiermit zwei völlig unterschiedliche Kategorien in diese Debatte ein. Diese Dinge haben zwar in einem sehr weiten Zusammenhang etwas, aber unmittelbar nichts miteinander zu tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir trotz aller Geheimhaltungsvorschriften darin zu, daß die hier angesprochene massenhafte Kontrolle von Brief- und Fernmeldeverbindungen zunächst einmal eine durch nichts bewiesene Unterstellung ist? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist richtig, Herr Abgeordneter. Ich wollte diesen Sachverhalt hier mit der Feststellung aufführen, daß sich diese Maßnahmen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel richten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}).

Gerhard Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie insbesondere bereit, zu bestätigen, daß von sogenannten flächendeckenden Maßnahmen in keiner Weise die Rede sein kann und daß diese Begriffserfindung offensichtlich nur dazu dienen soll, rechtsstaatliche Maßnahmen in die Diffamierungszohe zu bringen? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe zu dieser Frage bereits Stellung genommen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Dazu noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, warum haben Sie, wenn Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Becker so lautete, bisher noch nicht zu der Behauptung des „Stern" Stellung genommen oder sie dementiert? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Weil ich nicht der Meinung bin, daß es in Übereinstimmung mit dem Gesetz wäre, wenn ich hier Angaben über Zahlen bestätigen oder dementieren würde. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe auf die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Hansen: Welche Tatsachen begründen die Notwendigkeit einer massenhaften Post- und Telefonkontrolle, um ,,die Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen" ({0}) ?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich könnte auf Ihre Frage nur die gleiche Antwort geben, wie ich sie bereits auf die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Gansel gegeben habe, und bitte deshalb um Nachsicht, daß ich keine weiteren Ausführungen mache. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gilt das auch für die eventuell anstehenden Zusatzfragen?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie offensichtlich eben das überfällige Dementi der Darstellung im „Stern" nachgeholt haben, möchte ich Sie genauer fragen, wie groß „die massenhafte, flächendeckende Kontrolle" ist.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin nicht bereit, weitere Einzelangaben über das hinaus zu machen, was ich hier vorgetragen habe. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, dann darf ich weiter davon ausgehen, daß die Darstellungen im „Stern" richtig sind, und Sie fragen, ({0}) ob das faktische Handeln der Bundesrepublik heute, da keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Spannungszustand vorliegen, nicht doch schon dem eines Spannungszustandes entspricht, den Sie damit vorwegnehmen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Sie dürfen nicht davon ausgehen, daß die Angaben des „Stern" zutreffen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage verweise ich auf das, was ich hier ausgeführt habe.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie auf Grund Ihres Hinweises auf die Vertraulichkeit dieser Angelegenheiten daran erinnern, daß in diesem Hause vor zehn Jahren von den Vertretern sowohl der CDU/CSU als auch der SPD der Ausschluß des Rechtsweges bei diesen strategischen Überwachungen damit begründet wurde, daß durch das Kontrollgremium und das Parlament gesichert sei, daß etwaige Mißbräuche in aller Öffentlichkeit - ich zitiere den Abgeordneten Busse - vor der Tribüne dieses Hauses diskutiert werden können?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Gesetz - darauf bin ich bereits eingegangen - hat zwei Gremien geschaffen, die ihre Funktionen wahrnehmen. Es ist nicht Sache der BundesregieStaatssekretär Dr Schüler rung, zur Arbeit dieser Gremien Stellung zu nehmen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der ausgedehnten Post- und Telefonkontrollen auf die menschlichen Kontakte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ostblockländern?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich möchte die Frage wie folgt beantworten. Alle, die mit diesem Komplex befaßt sind, sind sich bewußt, daß es sich bei diesen Maßnahmen, unabhängig von der rechtlichen Beurteilung im konkreten Fall, um eine schwierige. Materie handelt und daß deshalb der Gebrauch gesetzlicher Möglichkeiten auf das notwendige Maß beschränkt werden muß. Das geschieht, wie ich hier ausgeführt habe. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, daß die Bevölkerung hier wie in den Ostblockländern ein sicheres Gefühl dafür hat, wie unterschiedlich derartige Maßnahmen in der Bundesrepublik und in anderen Ländern sind. Es ist aber nicht auszuschließen, daß hier und da auch etwas Unsicherheit, was unseren Staat betrifft, zurückbleiben kann. Deshalb müssen wir deutlich machen, daß solche Maßnahmen im Rahmen der Gesetze auf ein Maß beschränkt bleiben, das notwendig ist, um unsere Sicherheit auf Dauer zu garantieren. Deshalb ist es auch gut, daß eine solche Fragestunde Gelegenheit gibt, dies hier öffentlich zu tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Frage entnehmen, daß die Bundesregierung in Zukunft sehr sorgfältig die Notwendigkeit, wie Sie betont haben, solcher Maßnahmen prüfen wird - wobei ich frage, wer denn festsetzt, was im wahrsten Sinne notwendig ist - und daß man in Zukunft mit einer Beschränkung solcher Maßnahmen rechnen kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich kann nur wiederholen, daß sich die Bundesregierung auch in diesem Bereich an die Gesetze hält, aber davon ausgeht, daß auch die Anwendung von Gesetzen von Zeit zu Zeit der Überprüfung unter allen Gesichtspunkten bedarf, die in der Zwischenzeit aufgekommen sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird die Bundesregierung, sollte sie in Zukunft einen weiteren Schwund an Vertrauen oder auch eine weitere Verunsicherung durch derartige Maßnahmen feststellen, das zum Anlaß nehmen, den ganzen Komplex noch einmal zu überdenken?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird alle Gesichtspunkte einbeziehen, die entscheidungsrelevant sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, durch welche konkreten Maßnahmen haben Sie sichergestellt, daß die Intention des Gesetzes, daß nämlich Einzelpersonen aus einer solchen flächendeckenden Untersuchung kein Schaden erwächst, auch aufrechterhalten oder garantiert werden kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, dies ist einerseits durch die Kontrollmechanismen sichergestellt, die das Gesetz im parlamentarischen und auch außerparlamentarischen Bereich vorsieht, zweitens aber auch durch administrative Vorkehrungen, die im Rahmen der Dienstaufsicht über den Dienst liegen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becher.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Auskünften entnehmen, daß sich die Bundesregierung in keiner Weise durch den Tenor der hier gestellten Fragen davon abhalten lassen wird, Ihre Pflicht zum Schutze der Verfassung zu tun?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Frage beantworte ich mit ja, Herr Abgeordneter.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da es sich hier auch um die Überwachung bestimmter Fernmeldebeziehungen handelt, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Frage des Abgeordneten Genscher noch für entscheidungsrelevant hält, die er am 29. Mai 1968 an dieser Stelle gestellt hat und die, Herr Präsident, folgendermaßen lautet: Was heißt das, bestimmte Fernmeldebeziehungen? Heißt das etwa: der Fernmeldeverkehr eines bestimmten Bürgers mit einem bestimmten anderen, mit einem bestimmten Land, oder heißt das: der gesamte Post- und Fernmeldeverkehr einer bestimmten Region der Bundesrepublik mit einem bestimmten Land? Hier fehlt einfach die hinreichende Bestimmtheit eines so einschneidenden Gesetzes.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Gansel, das Zitieren von Ausführungen im Bundestag kann nicht zur Gewohnheit und zum Bestandteil der Fragestunde werden. Sie können davon ausgehen, daß die Vertreter der Bundesregierung über die Ausführungen, die im Bundestag gemacht worden sind, voll Kenntnis haben.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Fragestellung Ist natürlich relevant. Sie ist in hohem Maße relevant, läßt sich aber aus dem Gesetz und insbesondere mit den im Gesetz geschaffenen Kontrollmechanismen voll beantworten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, prüft die G-10-Kommission wirklich im Einzelfall, ob die Kenntnisse, die bei der Öffnung von Briefen und beim Abhören von Telefongesprächen über Einzelpersonen erlangt worden sind, nicht zum Nachteil von einzelnen verwendet werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann mich hier nicht zu Einzelfragen der parlamentarischen Kontrolle äußern, Herr Abgeordneter.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere und letzte Zusatzfrage zu diesem Komplex, Herr Abgeordneter Linde.

Dr. Jürgen Linde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001343, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Haus mitteilen, ob seit der Veröffentlichung des „Stern" in dieser Sache das Verfahren der Nachrichtendienste bei der Kontrolle von Briefen in wesentlichen Teilen geändert worden ist oder ob es seitdem so weiter praktiziert worden ist wie bisher?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich möchte auch bei dieser Frage dabei bleiben, daß ich auf Einzelheiten dieser Maßnahmen nicht eingehe.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher zur Verfügung. Die Frage 88 der Frau Abgeordneten Krone-Appuhn und die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes ({0}) werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde für unzulässig erklärt. Ich rufe die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes ({1}) auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die sogenannte gespaltene Berlin-Klausel seit 1963 gerade auch bei den bisherigen Verträgen und Übereinkommen zum Themenbereich .Abrüstung/Rüstungskontrolle und -begrenzung/Nichtverbreitung von Kernwaffen" die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin nicht nur rechtlich, sondern auch berlin- und deutschlandpolitisch angemessen berücksichtigt hat?

Not found (Gast)

In der Tat, Herr Kollege, ist durch die sogenannte gespaltene Berlin-Klausel bei den bisherigen Verträgen und Übereinkommen im Bereich der Abrüstung, Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Nichtverbreitung von Kernwaffen den Rechten und Verantwortlichkeiten der Drei Mächte, die in Berlin die oberste Gewalt ausüben und die auf dieser Grundlage die ganze bzw. teilweise Erstreckung von Abkommen der Bundesrepublik Deutschland auf Berlin-West prüfen und im Einzelfall gestatten, sowie den Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West Rechnung getragen worden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, kann die deutsche Öffentlichkeit davon ausgehen, daß Regelungen der Einbeziehung Berlins bei Verträgen der Bundesrepublik Deutschland über den Komplex Abrüstung, die vor dem Viermächteabkommen über Berlin möglich waren und als erforderlich angesehen wurden, erst recht auch nach dem Viermächteabkommen als erforderlich und vertretbar angesehen werden?

Not found (Gast)

Davon kann die Öffentlichkeit ausgehen, Herr Kollege. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 91 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß Familienmitgliedern von Deutschen, die mit einem Besuchervisum der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und nicht mehr zurückkehren, durch polnische Dienststellen Arbeitsplatz und Wohnung gekündigt werden, und was gedenkt sie gegen diese Schikanen zu unternehmen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich mit Nein. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Familienmitgliedern von Deutschen, die mit einem Besuchervisum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und nicht mehr zurückkehren, durch polnische Dienststellen Arbeitsplatz und Wohnung gekündigt werden. Sollten Ihnen derartige Fälle bekannt sein, so bitte ich Sie, diese dem Auswärtigen Amt zur Prüfung mitzuteilen. Gegebenenfalls wird es dann diese Fälle mit der polnischen Seite erörtern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie mir darin zustimmen können, Frau Staatsminister, daß, wenn die Unterlagen über die Fälle, die mir vorliegen und die ich Ihnen unterbreite, zutreffen, dies nicht mit den deutsch-polnischen Vereinbarungen in Übereinstimmung zu bringen wäre?

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege; ich habe ja gesagt, daß wir dann gern bereit sind, solchen-Fällen nachzugehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich Ihre Formulierung, Frau Staatsminister, solchen Fällen nachzugeDr. Hupka hen, so interpretieren, daß Sie das als einen Verstoß gegen die KSZE-Schlußakte und die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen betrachten?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe Ihnen eine befriedigende Antwort gegeben und möchte sie nicht weiter interpretieren.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, sind denn der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen von der polnischen Administration Schikanen gegenüber den im Lande zurückgebliebenen Familienangehörigen ausgeübt worden sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege Sauer, in Vorbereitung dieser Fragestunde haben wir ausdrücklich noch einmal bei der Deutschen Botschaft in Warschau nachgefragt und haben die Auskunft erhalten, die ich vorhin Herrn Kollegen Hupka gegeben habe: Uns sind solche Fälle bisher nicht bekannt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Hat Staatsminister Dr. von Dohnanyi im Durchgangswohnheim Osthofen bei Worms die Deutschlandkarte, die Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigt, abhängen und durch eine neue Karte, die keinen Platz mehr für Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße hat, ersetzen lassen, und wenn ja, mit welcher Begründung?

Not found (Gast)

Die Antwort auf Ihre Frage, Herr Kollege Hupka, lautet: nein.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, kann sich dann Herr Staatsminister von Dohnanyi mit dem Leiter des Durchgangswohnheims in Osthofen in Verbindung setzen, der mir die Auskunft erteilt hat, daß auf Wunsch des Herrn Staatsministers durch den Landrat plötzlich eine andere Deutschlandkarte in dem Durchgangswohnheim in Osthofen aufgehängt werden mußte? ({0})

Not found (Gast)

Ja, Herr Kollege, das kann sicherlich geschehen. Aber den von Ihnen behaupteten Sachverhalt, daß Herr Kollege von Dohnanyi die Landkarte habe abhängen und durch eine neue ersetzen lassen, kann ich - das wiederhole ich - nicht bestätigen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie dann vielleicht insoweit informiert, Frau Staatsminister, daß Ihr Kollege, Herr Staatsminister von Dohnanyi, an einer Karte, die ganz Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigte und die bis dahin in dem Durchgangswohnheim hing, Anstoß genommen hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, soweit mir der Sachverhalt bekanntgeworden ist, hat Herr von Dohnanyi beim Besuch dieses Lagers lediglich darauf hingewiesen, daß die Schraffierung auf dieser Landkarte nicht mehr der tatsächlichen politischen Situation nach Abschluß des Warschauer Vertrages vom 7. Dezember 1970 entspricht. In Art. 1 dieses Vertrages hat die Bundesrepublik Deutschland festgestellt, daß die Oder/ Neiße-Linie die Westgrenze der Volksrepublik Polen bildet. Deshalb können die Gebiete östlich dieser Linie auf Landkarten nicht mehr als „deutsche Gebiete unter polnischer Verwaltung" bezeichnet werden. Dieser Sachverhalt ist ja hier schon sehr häufig diskutiert worden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, können Sie denn nach dem jetzigen Kenntnisstand der Bundesregierung zu diesem Vorfall ausschließen, daß örtliche Behörden auf Grund der Beanstandungen von Herrn Staatsminister von Dohnanyi veranlaßt haben, daß diese Karte durch eine neue ersetzt worden ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich sehe mich leider außerstande, hierauf eine verbindliche Antwort zu geben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, können Sie bestätigen, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1973 keine Behörde berechtigt ist, die Rechtspositionen Deutschlands zu mindern, und daß Sie hier selbst vor wenigen Wochen erklärt haben, daß Polen nicht die Auffassung vertreten kann, die Bundesrepublik Deutschland habe über Teile Deutschlands verfügt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich kann nur wiederholen, daß eine Landkarte, die die Gebiete östlich der Oder/Neiße-Linie als unter polnischer Verwaltung stehende Gebiete bezeichnet, heute, nach dem Abschluß der deutschpolnischen Verträge, der tatsächlichen politischen Situation nicht mehr entspricht. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von der Heydt. von der Heydt Freiherr von Massenbach ({0}) : Frau Staatsminister, hat sich der Herr Staatsminister von Dohnanyi darauf beschränkt, die Be11172 von der Heydt Freiherr von Massenbach lehrungen abzugeben, die Sie soeben wiedergegeben haben, oder hat er darüber hinaus die Anregung ausgesprochen, die Karte, die dort hing, abzuhängen und statt dessen eine andere Karte aufzuhängen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, da ich nicht dabei war, kann ich Ihnen nur das sagen, was ich festgestellt habe: Herr von Dohnanyi hat die Karte nicht abhängen lassen und hat auch keine entsprechenden Aufträge erteilt. Er hat lediglich - völlig korrekt - auf den Sachverhalt hingewiesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister. haben Sie denn vor Ihrer Beantwortung dieses Fragenkomplexes in diesem Hohen Hause Gelegenheit genommen, selber mit Herrn Staatsminister von Dohnanyi über den Sachverhalt zu reden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Voss, persönlich konnte ich das nicht tun, aber das ist selbstverständlich bei der Vorbereitung der Fragestunde mit der notwendigen Sorgfalt geschehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Coppik wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Ey auf: Verfügt die Bundesregierung über Informationen, wonach die Ausbildung schwarzer Untergrundkämpfer in Angola durch Fachpersonal aus der DDR erfolgen soll?

Not found (Gast)

Herr Kollege Ey, die Bundesregierung ist ständig um genaue Informationen über das Engagement der DDR in Angola bemüht. Das Auswärtige Amt hat zuletzt am 7. Februar dieses Jahres vor dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen des Deutschen Bundestages über die Afrika-Politik der DDR berichtet und ist dabei auch auf die Präsenz der DDR in Angola ausführlich eingegangen. Das Auswärtige Amt wird außerdem demnächst vor dem Auswärtigen Ausschuß auf dessen Ersuchen zu diesen Fragen erneut vortragen. Ich darf Sie daher um Verständnis bitten, daß die Bundesregierung in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis aus Gründen der notwendigen Vertraulichkeit die von Ihnen erbetenen Angaben nur in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages machen kann.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zusatzfrage, bitte.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, beabsichtigt die Bundesregierung, sich gegenüber der Regierung der DDR zu diesem Fragenkomplex in entsprechender Weise zu äußern?

Not found (Gast)

Herr Kollege, dazu kann ich Ihnen im Augenblick keine verbindliche Antwort geben. Diese Frage weicht auch - wenn ich mir das zu sagen erlauben darf - von Ihrer ursprünglichen Frage weitgehend ab.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 95. des Herrn Abgeordneten Czaja auf: Unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der verbündeten USA, in angemessenem sachlichen Zusammenhang die Beendigung des chinesisch-vietnamesischen Konflikts und der vietnamesischen Invasion in Kambodscha gleichzeitig zu erreichen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, die Bundesregierung hat aus Anlaß der vietnamesisch-kambodschanischen Auseinandersetzung bereits am 18. Januar 1979 ihre Beunruhigung über die Entwicklung in Indochina zum Ausdruck gebracht. Sie hat die seitdem durch den chinesischvietnamesischen Konflikt eingetretene Eskalation mit der Gefahr unkontrollierter Ausweitung der Spannungen in der Region mit Besorgnis beobachtet. Stabilität und Gleichgewicht in Südostasien setzen die Achtung der Unabhängigkeit, der Souveränität und der territorialen Integrität jedes einzelnen Staates in dieser Region voraus. Als der chinesischvietnamesische Grenzkonflikt ausbrach, haben die neun Staaten der Europäischen Gemeinschaft am 19. Februar eine gemeinsame Erklärung in diesem Sinne veröffentlicht. Die Bundesregierung hat diesen Standpunkt auch den Konfliktparteien gegenüber klar zum Ausdruck gebracht. Sie befindet sich also mit ihrer Politik im Einklang mit ihren amerikanischen Verbündeten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich, Frau Staatsminister, Ihre einleitende Bemerkung hinsichtlich der Beunruhigung über die Vorgänge in Kambodscha so verstehen, daß die Bundesregierung wegen der Sicherung des Gewaltverbots der UNO-Charta und auf Grund des universalen Völkerrechts einen fremden Einmarsch in Kambodscha, soweit er nicht Selbstverteidigung oder zulässige Retorsion ist, ebenfalls ablehnt, mißbilligt und nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel für die Wiederherstellung des Rechtszustandes auch in diesen Gebieten, wie der Bundeskanzler am 25. Februar 1979 in einem Interview gesagt hat, eintritt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort vorhin ja sehr deutlich gemacht, daß die Bundesregierung diese Zusammenhänge durchaus sieht und daß die Lösung beider Konflikte und die Befriedung der Krisenherde in dieser Region von einer Beilegung der kriegerischen Auseinandersetzung in beiden Konfliktherden abhängen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird die Bundesregierung dabei auch auf die schrecklichen Leiden des kambodschanischen Volkes hinweisen, nachdem doch bei ähnlichen - tatsächlichen oder angeblichen - Leiden in vielen Teilen Lateinamerikas und im südlichen Afrika immer wieder solche Hinweise erfolgen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Sie dürfen sicher sein, daß die schrecklichen Leiden, die die Bevölkerung Indochinas nun schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder heimsuchen, auch von der Bundesregierung immer wieder entsprechend zur Sprache gebracht werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Werden auf der 35. Tagung der Menschenrechtskommission in Genf die Bundesrepublik Deutschland bzw. EC-Staaten auch das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen ({0}), die kulturelle und nationale Diskriminierung der Deutschen in den Gebieten östlich von Oder und Neiße und in den Ostblockstaaten ({1}) sowie die Gewährleistung der individuellen und der Gruppenrechte im nationalen, ethnischen und sprachlichen Bereich für die dort lebenden Deutschen ({2}) zur Sprache bringen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Czaja, Sie haben anläßlich der 35. Tagung der Menschenrechtskommission in Genf zu drei Komplexen Fragen gestellt. Ich teile sie jetzt in meiner Antwort auf. Zunächst zur Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, Tagesordnungspunkt 9: Der Praxis in anderen VN-Gremien entsprechend hat der Leiter der deutschen Delegation auf dieser Tagung in einer Erklärung am 15. Februar bereits deutlich gemacht, daß das Recht auf Selbstbestimmung auch für die deutsche Nation gelten muß. Unsere Erklärung veranlaßte den Beobachter der DDR, von seinem Antwortrecht Gebrauch zu machen. Ihre zweite Frage bezieht sich auf Punkt 20 der Tagesordnung der Genfer Menschenrechtskommission, der wie folgt lautet: „Studie in Zusammenarbeit mit der Unterkommission für Diskriminierungsverhütung und Minderheitenschutz über Wege und Möglichkeiten, VN-Resolutionen über Apartheid, Rassissmus und Rassendiskriminierung zu verwirklichen" und „Implementierung des Programms für die Dekade zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung". Aus dieser Bezeichnung des Tagesordnungspunktes, Herr Kollege, mögen sie ersehen, daß dieser Tagesordnungspunkt ausschließlich auf die Probleme im südlichen Afrika ausgerichtet ist. Andere Fragen werden unter diesem Tagesordnungspunkt nicht behandelt. Der dritte Teil Ihrer Frage bezieht sich auf Punkt 23 der Tagesordnung, mit dem sich in dieser Woche eine Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission befassen soll. Er sieht die Behandlung eines im vorigen Jahr von Jugoslawien eingebrachten Erklärungsentwurfs über die Rechte nationaler, ethnischer, sprachlicher oder religiöser Minderheiten vor. Die Bundesregierung mißt dem Minderheitenschutz große Bedeutung bei. Die deutsche Delegation wird sich deshalb an den Beratungen in der Menschenrechtskommission beteiligen und auch weiterhin internationale Bemühungen um einen wirksamen Minderheitenschutz aktiv unterstützen. In der Menschenrechtskommission wird geprüft werden, ob und wie eine Deklaration über die bestehenden völkerrechtlichen Instrumente hinaus einen effektiveren Minderheitenschutz gewähren kann.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wieso ergibt sich aus Tagesordnungspunkt 20 nicht, daß auch die Verhütung von Diskriminierungen an volklichen Minderheiten angesprochen ist, wo doch die Konvention zur Verhinderung von Rassismus und rassischer Diskriminierung - und dieser Tagesordnungspunkt kann sich doch nur auf diese Konvention beziehen - in Art. 1 und in Art. 4 ausdrücklich auch auf die Verhinderung der Diskriminierung von volklichen Minderheiten Bezug nimmt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich bedaure, Ihnen nur sagen zu können, daß dieses Thema bei der Festsetzung der Tagesordnung und ihrer inhaltlichen Gestaltung so festgelegt und eingegrenzt worden ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird sich die Bundesregierung dann darum bemühen, daß die Verhinderung von Diskriminierungen aus rassischen oder volklichen Gründen für alle Völker, auch für das deutsche, gleichmäßig vertreten wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich kann Ihnen das nur abermals versichern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, dem Auswärtigen Ausschuß oder dem Innerdeutschen Ausschuß rechtzeitig über die Beratungen in der Menschenrechtskommission und über die Probleme zu berichten, die der Kollege Dr. Czaja in seiner Frage angesprochen hat?

Not found (Gast)

Selbstverständlich, Herr Kollege. Sie haben ja auch jederzeit die Möglichkeit, das im Ausschuß zu verlangen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Niegel auf: Ist eine Institution der deutschen Botschaft in Den Haag bei der Vorbereitung zur Fernsehsendung des ZDF, .Bürger fragen, Vizepräsident Stücklen Politiker antworten", gesendet am 22. Februar 1979, bei der Auswahl der Gesprächspartner des Bundesvorsitzenden der CDU, Dr. Kohl, beteiligt gewesen oder zu Rate gezogen worden, und falls ja, um welchen Personenkreis handelt es sich, und welche Auswahlkriterien wurden angelegt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Beteiligung der Botschaft Den Haag an der Fernsehsendung des ZDF hat sich auf, wie ich vorhin schon sagte, die technische Vorbereitung der Sendung beschränkt. An der Auswahl der Fragesteller war die Botschaft nicht beteiligt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, welche Rolle hat der Pressereferent Feeke Meents von der deutschen Botschaft in Den Haag dienstlich oder privat bei der Vorbereitung der Sendung gespielt, und ist auszuschließen, daß er auf Grund seiner politischen Grundhaltung, die der Leitung des Bundespresseamts durch politische Aktivitäten im Amt in der Frage der Abschaffung des § 218 und durch Bemerkungen, ihm sei die SPD zuwenig links, bekannt ist und seinerzeit zu Differenzen mit der Amtsleitung geführt hat, den Gesprächsteilnehmern mit einschlägigen Informationen über die innenpolitische Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland Hilfestellung und Stichworte gab?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wie ich vorhin schon sagte, hat sich die Beteiligung der deutschen Botschaft Den Haag lediglich auf technische Hilfe bei der Vorbereitung der Sendung beschränkt. Der Pressereferent, den Sie eben nannten, war im übrigen bei der Auswahl von Teilnehmern nicht beteiligt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, aus welchen Gründen und in welcher Eigenschaft war dann der Pressereferent der deutschen Botschaft in Den Haag wenige Tage nach der Sendung bei der Leitung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung - er hat dort vorgesprochen -, und kann man daraus, daß er Herrn Appel auf dessen Frage vorher sogar darauf aufmerksam gemacht hat, die Sendung in Holland könne vehementer und auch mit weniger Respekt vor dem Gast verlaufen, schließen, daß er Kontakt zu den Teilnehmern hatte?

Not found (Gast)

Herr Kollege, das Bundespresseamt ist eine selbständige Dienststelle, die dem Auswärtigen Amt, wie Sie wissen, nicht untersteht. Ich kann Ihnen darum auch nicht sagen, ob er dorthin gerufen wurde und, wenn ja, in welchem Zusammenhang mit der Sendung dieser Besuch gestanden haben mag. Ich kann über das bisher Gesagte hinaus keine weiteren Auskünfte geben, weil die deutsche Botschaft an der Auswahl der Teilnehmer eben nicht beteiligt war.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, glauben Sie nicht, daß es notwendig ist, daß die Presseabteilungen, aber auch die Botschaften insgesamt besonders dann aktiv werden sollten, wenn international unerfahrene Persönlichkeiten im Ausland öffentliche Diskussionen zu führen haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Roth, das ist in besonderer Weise geschehen. Herr Dr. Kohl ist von der deutschen Botschaft vor der Diskussion ausführlich über die politische Situation und die allgemeine Stimmung in den Niederlanden informiert worden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wie vermögen Sie denn die Diskrepanz zwischen der Antwort, die Sie dem Herrn Kollegen Niegel, und der Antwort, die Sie soeben dem Kollegen Roth gegeben haben, zu erklären? Demnach müßte, wie der deutschen Öffentlichkeit insgesamt bekannt - wohl nur der Bundesregierung nicht -, die Tätigkeit von Herrn Meents sich doch in den Maß abgespielt haben, wie es inzwischen publik geworden ist.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich sehe hier keine Diskrepanz. Es ist zweierlei, ob die Botschaft bei der Vorbereitung der Sendung technische Unterstützung und Hilfe geleistet hat und ob der Diskussionsteilnehmer vorher informiert wurde. Ich sehe da keinerlei Diskrepanz. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, 'Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß Politiker so wie z. B. Sie hier - jederzeit in der Lage sein müssen, auch Fragen zu beantworten, die ihnen nicht vorher schriftlich unterbreitet worden sind?

Not found (Gast)

Davon geht wohl jedermann aus. ({0}) Dazu braucht man nicht die Bundesregierung zu fragen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, was hat Sie veranlaßt, auf den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Zusammenhang mit einer der letzten Zusatzfragen zu sprechen zu kommen, die sich doch offensichtlich auf den PresPfeffermann seattache der Deutschen Botschaft in Den Haag bezog?

Not found (Gast)

Das ist ein Irrtum. Da müssen Sie mal im Protokoll nachsehen. Der Herr Kollege Roth- er war es, glaube ich - hat mich gefragt, ob die Botschaft auch dazu da sei, Besucher aus der Bundesrepublik anläßlich von Besuchen ausführlich über die politische Situation und bestimmte deutsch-niederländische Probleme zu informieren. Und dies habe ich bejaht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}) auf. Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die jüngste Interpretation des mit der Republik Südafrika ausgehandelten Namibia-Plans durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit dem ursprünglichen Plan vereinbar ist, und wenn nein, welche Folgerungen zieht sie daraus?

Not found (Gast)

Herr Kollege Kunz, ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf den Bericht des VN-Generalsekretärs vom 26. Februar 1979 zur Durchführung der Resolution 435 und 439 des VN-Sicherheitrats in der Namibia-Frage bezieht. Dieser Bericht enthält unter anderem die Vorschläge des VN-Generalsekretärs zur Lösung derjenigen praktischen Fragen zur Durchführung des westlichen Namibia-Plans, die durch unterschiedliche Auslegung zwischen SWAPO und der südafrikanischen Regierung umstritten sind. Die Bundesregierung hält diese Vorschläge für fair und ausgewogen. Sie beruhen auf einer Interpretation des westlichen Namibia-Plans, die den von diesem gesetzten Rahmen respektiert und mit dessen Geist und Buchstaben durchaus vereinbar ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.

Gerhard Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nicht ohne noch einmal festzustellen, daß die nachgeschobene Interpretation sich nicht mit dem ursprünglichen Plan deckt, frage ich Sie, Frau Staatsminister: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen in seiner Antwort an den südafrikanischen Außenminister vom 1. Januar 1979 in keiner Weise die Bedeutung der Überwachung von SWAPO-Stützpunkten in Nachbarstaaten bestritten hat und deren Überwachung als vereinbar mit § 12 des Plans ich meine die Sicherheitsrats-Entschließung 12/636 - angesehen hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege, das ist auch heute noch unbestritten. Deshalb hat der Generalsekretär in seinen Vermittlungsvorschlägen ausdrücklich festgestellt, daß die Vereinten Nationen in den sogenannten Frontstaaten Verbindungsbüros errichten sollen, um die dort vorhandenen SWAPO-Lager durch diese Verbindungsbüros unter Kontrolle zu halten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die zweite Zusatzfrage, bitte.

Gerhard Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wie beurteilt vor dem Hintergrung Ihrer Antwort die Bundesregierung die Weigerung der SWAPO ihre Stützpunkte in Nachbarstaaten durch UN-Friedenstruppen im Zeitraum der Wahlvorbereitung und der Wahl überwachen zu lassen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Vorschläge des Generalsekretärs stoßen bei beiden Seiten im Augenblick zunächst noch auf Ablehnung. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, daß die Vorschläge des Generalsekretärs seht wohl abgewogen sind - wie ich vorhin schon gesagt habe - und daß sich die fünf westlichen Mitglieder der Namibia-Initiative jetzt im Sicherheitsrat neuerlich bemühen werden, zu einer Übereinstimmung zu kommen, so daß für beide Seiten der Ablauf der vorgesehenen Wahlen möglich sein wird.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hammans.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, können Sie sich vorstellen, daß es auf dem Territorium Namibias Stützpunkte der SWAPO gibt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, die nächste Frage bezieht sich auch auf diesen Punkt. Es ist ja vorgeschlagen worden, daß solche Stützpunkte genauso wie die Stützpunkte der südafrikanischen Truppen für die Zeit der Wahlen von Truppen der Vereinten Nationen kontrolliert oder - so heißt wohl der Fachausdruck - zerniert werden sollen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}) auf: Welche Haltung nimmt die Bundesregierung insbesondere zu der Bereitschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ein, den Guerillakämpfern der SWAPO in der Übergangsphase bis zu den Wahlen Militärstützpunkte im Gebiet SWA/Namibias einzuräumen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die von Ihnen behauptete Einräumung von Militärstützpunkten an SWAPO-Kämpfer während der Übergangszeit läßt sich in dem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 26. Februar, über den wir gerade gesprochen haben, durch nichts belegen. Im Gegenteil: Ziffer 11 des Berichts sieht vor, daß alle im Zeitpunkt des Waffenstillstandes im Territorium befindlichen bewaffneten SWAPO-Kämpfer - ebenso wie die bis zum Ende der Übergangszeit dort verbleibenden südafrikanischen Resttruppen - auf bestimmte Orte beschränkt und dort von den Vereinten Nationen überwacht werden. Ich kann Ihnen dies auch gern zur Verfügung stellen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Gerhard Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wie erklären Sie sich dann den Umstand, daß in zahlreichen Briefen und Erklärungen aus Teilen der Bevölkerung Namibias immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die SWAPO dort über Stützpunkte verfügt und diese Stützpunkte militant zu nutzen gewillt ist?

Not found (Gast)

Vielleicht heben Sie darauf ab, daß die SWAPO Anfang dieses Jahres eine solche Forderung auf Ausbau dieser Stützpunkte erhoben hat. Diese Forderung hat aber - das wiederhole ich noch einmal - in den Vorschlägen des Generalsekretärs keine Berücksichtigung gefunden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine zweite Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001256, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wie stark werden nach den Informationen der Bundesregierung zur Zeit die SWAPO-Truppen geschätzt, die sich in Namibia aufhalten - ich bitte diesbezüglich noch einmal um Überprüfung -, wie hoch ist deren Zahl in Angola bzw. Sambia, und können Sie mir die Zahlen gegebenenfalls schriftlich zugänglich machen, wenn Sie sie jetzt nicht parat haben sollten?

Not found (Gast)

Herr Kollege, auch wenn ich sie parat hätte, würde ich sie hier nicht öffentlich verkünden. Wir müssen dies in dem dafür vorgesehenen Gremium, dem Auswärtigen Ausschuß, tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hammans.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, teilen Sie die Auffassung, daß die SWAPO mit allen Mitteln Wege sucht, um sich nicht an den unter UNO-Kontrolle stattfindenden freien Wahlen im September beteiligen zu müssen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, leider liegen die Schwierigkeiten wirklich auf beiden Seiten, und die Bundesregierung bemüht sich ausdrücklich, diese Schwierigkeiten auf beiden Seiten zu überwinden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Dr. Erkel zur Verfügung. Die Fragen 106 und 107 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Eymer ({0}), zurückgezogen. Ich rufe die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher ({1}) auf: Warum hält es die Bundesregierung gemäß der auf meine Frage vom 15. Februar 1979 ({2}) erteilten Antwort „nicht für sinnvoll', an betroffene Staaten wegen Verfolgung der im Zusammenhang mit der Vertreibung begangenen Straftaten heranzutreten?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Entscheidung, ob an eine ausländische Regierung wegen einer Strafverfolgung herangetreten wird, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab. Hierbei spielen namentlich außenpolitische Bewertungen eine Rolle, aber auch die Frage, ob eine Erfolgsaussicht für das Vorhaben zu erkennen ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung den Vorgang der totalen Vertreibung und die im Zusammenhang mit diesem Vorgang begangenen Mordtaten für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die der Qualität und dem Umfang nach dem Tatbestand des Völkermordes nahekommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist nicht Sache der Bundesregierung, darüber zu entscheiden, wie diese Dinge in ausländischen Staaten bewertet werden. Wir haben auch, Herr Abgeordneter, ausländischen Staaten keine Lektionen darüber zu erteilen, wie wir diese Dinge sehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kommt es nicht einer Verletzung des Verfassungsauftrages und der in ihm verankerten Schutzpflicht gleich, wenn sich die Bundesregierung weigert, den an Millionen Deutschen im Zusammenhang mit der Vertreibung begangenen Verbrechen genauso nachzugehen, wie sie, dem rechtsstaatlichen Auftrag entsprechend, jene Verbrechen verfolgen hilft, die von Deutschen begangen wurden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, darauf ist folgendes zu erwidern: Zum einen nimmt die Bundesregierung ihre Schutzpflicht gegenüber den Deutschen ganz außerordentlich ernst und nimmt sie überall dort wahr, wo sie sie wahrnehmen kann. Zum anderen verfolgen die Bundesregierung und die Justizorgane, die hierfür zuständig sind, alle Verbrechen, die in unserem Hoheitsgebiet verfolgt werden können. Dies gilt, Herr Abgeordneter, auch für Verbrechen, die im Ausland begangen worden sind, sofern unser Strafgesetzbuch - das dazu Möglichkeiten gibt - die Strafverfolgung hier zuläßt. Beispiele dafür sind umfangreiche. Ermittlungsverfahren, die von den Staatsanwaltschaften geführt worden sind. Beispiele sind auch Verurteilungen, die erfolgt sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben dem Kollegen Becher geantwortet, hier spiele die außenpolitische Bewertung eine Rolle. Ist das so auszulegen, daß Sie darunter eine besondere außenpolitische Rücksichtnahme - etwa gegenüber einigen Staaten in Osteuropa - verstehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, ich habe es nicht so gemeint. Es war ganz allgemein so, wie ich es gesagt habe, zu verstehen: daß bei einem solchen Vorstelligwerden selbstverständlich auch außenpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden und selbstverständlich auch die Frage berücksichtigt wird, ob ein solches Vorgehen erfolgversprechend und damit sinnvoll ist. Denn eine nicht sinnvolle Politik will ja die Regierung nicht machen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Reziprozitätsprinzips berechtigt ist, Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen dem Land zuzuleiten, in dem sich die Täter befinden, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß auf Grund der Legalitätspflicht bei der Verfolgung von Mordtaten, die ja die weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften bindet, auch die Regierung von diesem Reziprozitätsprinzip Gebrauch machen oder dies versuchen müßte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Legalitätsprinzip gilt, wie hier schon - ich glaube, wiederholt - dargelegt worden ist, für die Staatsanwaltschaften und die Strafverfolgungsbehörden, nicht für die Bundesregierung. Das Reziprozitätsprinzip zwingt niemanden, eine Politik zu betreiben, die nicht für sinnvoll gehalten wird.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß nicht die Glaubwürdigkeit der Rechtspolitik einer Bundesregierung, deren Kanzler sich erst kürzlich für die Aufhebung der Verjährung bei Mordtaten in der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen hat, Schäden nehmen, wenn die Bundesregierung nicht alles in ihren Möglichkeiten Stehende unternimmt, um durch Zuleitung von Material und durch andere Maßnahmen ausländische Nachbarstaaten in den Stand zu setzen, Täter, die im Zeitpunkt der Vertreibung Verbrechen an Deutschen begangen haben, ebenfalls ihrer gerechten Strafe zuzuführen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird alles Sinnvolle tun, was möglich ist, um die Täter einer Strafe zuzuführen. Ihre Politik leidet in ihrer Glaubwürdigkeit in keiner Weiss Schaden, wenn sie in Fällen, in denen sie Aktivitäten nicht für sinnvoll hält, von der Zuleitung solchen Materials, das nach ihrer Bewertung nicht zu einem Strafverfahren bzw. zu einer Verurteilung führen würde, absieht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß Vertreter deutscher Justizdienststellen berichten können, daß sie, wenn sie in Ostblockstaaten ihre Gesprächspartner auf die Vertreibung der Deutschen ansprechen, von tschechischer wie auch von sowjetischer Seite wenigstens hinter der vorgehaltenen Hand ein Bedauern erfahren, dies jedoch niemals in Polen geschieht, insbesondere nicht bei dem zuständigen Leiter des Ihnen bekannten Instituts, Herr Professor Pilichowski?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin nicht kompetent, die Frage nach Gesprächen hinter vorgehaltener Hand zu beantworten. Ich kenne die Gespräche nicht. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich rufe jetzt nur noch eine Frage auf und erbitte eine kurze Antwort. Dann müssen wir die Debatte fortsetzen. Frage 105, Herr Abgeordneter Becher ({0}): Ist die Bundesregierung angesichts der Innerdeutschen Diskussion über das Problem der Verjährung nunmehr bereit, der Regierung der Volksrepublik Polen die vom Oberlandesgericht Hamm erstellten Akten über Mordtaten an Tausenden Deutschen im Lager Lamsdorf zu überstellen, obwohl sie bisher erklärte, das sei nicht sinnvoll, weil diese Straftaten nach polnischem Recht bereits verjährt seien?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die deutsche Diskussion über das Problem der Verjährung für Mord hat nach Auffassung der Bundesregierung keine Bedeutung für die Frage, ob Material an ausländische Regierungen zugeleitet werden soll oder nicht. Es verbleibt demnach bei dem Standpunkt der Bundesregierung, wie ich ihn dargestellt habe.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im Dr. Becher ({0}) klaren, daß die Weigerung, das von der Staatsanwaltschaft Hagen erarbeitete Material über die Verbrechen im Lager Lamsdorf an Polen weiterzugeben, den Zusammenbruch ihrer rechtspolitischen Logik und damit der Glaubwürdigkeit ihrer Stellungnahme zum Problem der Verjährung bedeutet?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist hier überhaupt nicht Ihrer Meinung. Die Nichtweiterleitung dieses Materials beruht eben darauf, daß die Bundesregierung eine sinnvolle Politik machen will. Das Material, das Sie hier angesprochen haben, kann zu einer Verurteilung nicht führen. Im Bundestag ist wiederholt erörtert worden, daß die Vorgänge, zu denen dieses Material gesammelt worden ist, nach Auffassung der polnischen Seite der Verjährung unterliegen, die bereits eingetreten und nicht mehr zu beseitigen ist.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kannÖffentlichkeit zumuten; daß der von ihr vertretene Wunsch nach Aufhebung der Verjährung bei von Deutschen begangenen Verbrechen vertretbar ist, während die Verfolgung von Verbrechen, die an Deutschen in Polen begangen wurden, angeblich deshalb nicht sinnvoll ist, weil sie nach polnischen Verhältnissen bereits verjährt seien?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich habe nicht gesagt, daß die Verfolgung nicht sinnvoll sei, sondern ich habe gesagt, daß ein Ersuchen der Bundesregierung mit der Übersendung des von der Staatsanwaltschaft in Hagen gesammelten Materials schon deshalb nicht zu einem Erfolg führen kann, weil nach polnischer Rechtsauffassung ein Strafverfahren aus diesem 'Material nicht hergeleitet werden kann. Herr Abgeordneter, Sie werden mir doch zugeben: es ist keine sinnvolle Politik, einem ausländischen Staat Material mit dem Ersuchen zu geben, etwas zu tun, wenn man schon vorher weiß, er kann es nicht. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich gebe noch bekannt, daß die Fragen 126 bis 129, 136, 137, 139 bis 144 von den Fragestellern zurückgezogen worden sind. Die übrigen nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir setzen die unterbrochene Aussprache über die Großen Anfragen der SPD/FDP und CDU/CSU fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehmke. ({0}) - Darf ich bitten, daß die Abgeordneten Platz nehmen. - Danke schön. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute vormittag eine Rede vom Herrn Kollegen Kohl gehört, die aus drei Teilen bestand. Der längere Teil war eine Vorlesung von etwas, was man ihm über Verteidigungsfragen aufgeschrieben hatte. ({0}) Herr Kollege Kohl, ich will probieren, auf das einzugehen, ({1}) was die eigentlichen Probleme der Großen Anfragen sind. Denn leider sind Sie in 40 Minuten auf die Anfragen gar nicht eingegangen; die kamen in der Rede gar nicht vor. ({2}) Der zweite Teil waren 10 Minuten, in denen Sie das versucht haben, was ein amerikanischer Journalist mir gegenüber während der Mittagspause so bezeichnet hat: „He tried to show Washington that he is a good boy." Dies war eigentlich überflüssig. Denn daß Sie ein guter Junge sind, weiß man in Washington. ({3}) Der dritte Teil war der Show-Teil Ihrer Rede. Herr Kollege Kohl, ich finde es immer ergreifend, wenn Sie, der Sie den Wahlkampf 1976 mit der Hetzparole „Freiheit statt Sozialismus" geführt haben, sich hier hinstellen und die Polarisierung in der deutschen Innenpolitik beklagen. ({4}) Darauf einzugehen lohnt sich nicht recht. Aber ich bitte doch die Kollegen Zimmermann und Kohl, noch einmal zu überlegen, ob es wirklich ein den Tatsachen gerecht werdendes Urteil ist, wenn beide sagen, die Politik der Entspannung sei erfolglos gewesen. Es ist erstaunlich, daß Sie mit einer solchen Largesse sagen „Die Entspannungspolitik hat gar nichts gebracht", wenn man sich überlegt, daß wir heute in Europa in einem Zustand leben, der sich wohltuend von anderen Teilen der Welt - vom Nahen Osten, von Afrika, von Südostasien - abhebt. . Sagen Sie doch einmal den Leuten in Berlin, die noch in Erinnerung haben, wie die Lage war zu Zeiten der Blockade, der Blockade der Zufahrtswege, zur Zeit der Luftbrücke, in der Zeit, als sie nicht nach Ost-Berlin mid nicht in die DDR konnten, ({5}) nach Meinung der CDU habe sich in den letzten zehn Jahren für sie gar nichts geändert! Die Menschen wissen das doch besser, Herr Kohl. ({6}) Herr Kollege Kohl, wenn ich dann nach höre, was aus Ihren Reihen über die Lage in Südostasien gesagt wird, etwa was Herr Marx heute zu den dortigen kriegerischen Auseinandersetzungen gesagt hat, dann frage ich mich: Ziehen Sie das eigentlich vor? Was ziehen Sie eigentlich vor: ein Gebiet, in dem der Gewaltverzicht bis jetzt durchgesetzt wurde - womit noch nicht alle Probleme gelöst wurden -, oder ein Gebiet, wo der eine meint, er kann machen, was er will, der andere veranstaltet dagegen Strafexpeditionen? In der Tat muß unser Volk, müssen die Wähler eine Antwort auf die Frage bekommen: Was wollen wir? Wollen wir weiter den schwierigen Versuch unternehmen, eine Politik des Gewaltverzichts durchzusetzen, oder sind wir der Meinung, wir sollten uns lieber in eine Politik von Abenteuern stürzen oder diese bewundern?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ehmke, halten Sie es nicht für ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit, die auch das Gespräch in diesem Hause erleichtern würde, anzuerkennen, daß es heute im Westen eine breite Diskussion über die sehr verschiedenen, ja gegensätzlichen Inhaltsangaben von Entspannung gibt und daß wir ungeachtet einzelner Erfolge, die bestimmte Bemühungen der jetzigen und der früheren Bundesregierungen gezeitigt haben, immer gesagt haben: Unser entscheidender Entspannungspartner, der sowjetische Ostblock, versteht unter „Entspannung" etwas völlig anderes in der Zielrichtung als wir?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mertes, ich komme gleich noch auf die Probleme, die es zweifellos gibt. Ich sage nur: Ich halte es nicht für gut, den Eindruck zu erwecken, als sei gar nichts erreicht worden, im nächsten Atemzug aber zu sagen: Wir wollen doch Entspannung. Ich halte auch nichts davon, gleichzeitig solche erstaunlichen Kommentare zu den Vorgängen in Südostasien abzugeben. Das Problem ist doch folgendes - da stimme ich mit Herrn Kollegen Kohl überein -: Wenn wir regional in Europa eine gewisse Entspannung erreicht haben, sehen .wir weltweit eher eine Zuspitzung der Konflikte. Darüber gibt es keinen Streit. Das war ja auch der Grund dafür, weshalb der Bundeskanzler bei den Gesprächen mit Generalsekretär Breschnew die Frage der weltweiten Entspannung mit in das Kommuniqué geschrieben hat. Dieser Unterschied ergibt sich aber u. a. gerade daraus, daß in Europa wirklich Fortschritte erzielt worden sind. Man muß allerdings folgendes sehen - Herr Kollege Mertes, damit komme ich auf Ihre Einschränkung -: Natürlich hat Entspannung nie bedeutet, daß damit die Konflikte wegfallen. Entspannungspolitik ist eine Politik, die die Natur eines Konflikts, aber nicht die Substanz eines Konflikts ändert. ({0}) Natürlich bleiben die Interessengegensätze, aber durch die Entspannung und durch den Gewaltverzicht wird der Versuch gemacht, sie ohne Gewaltanwendung zu lösen. Und es wird der Versuch gemacht, auf den Gebieten, auf denen man zur Kooperation kommen kann, zur Kooperation zu kommen. Kein Mensch hat behauptet, daß die Entspannung die Konflikte in ihrer Substanz auflöst, etwa die Interessenkonflikte der Großmächte oder die Konflikte zwischen den sich widersprechenden Ideologien und Gesellschaftsordnungen. ({1}) Wir haben immer gesagt - ich bleibe dabei -, daß die Entspannungspolitik sogar die ideologische Auseinandersetzung noch verschärft hat und weiter verschärfen wird. ({2}) - Sie sagen „Aha!" ; das könnten Sie lange wissen. ({3}) Herr Dr. Mertes, wenn Sie es jetzt zur Kenntnis genommen haben, sind wir uns zunächst einmal darüber einig, daß Entspannung nicht der Alleslöser der Probleme ist. ({4}) - Nein, Herr Kollege Kohl. Ich will, anders als Sie, Probleme behandeln. Interessant an Ihrer Rede war doch: Während dieses Bündnis vor sehr komplizierten Problemen steht, auf die noch keiner eine Antwort hat - in der NATO sind wir erst in der Studienphase -, werden hier wunderbare Fensterreden gehalten, als ob wir schon wüßten, was eigentlich die Antwort sein soll. Ich möchte doch zumindest unser gemeinsames Problembewußtsein etwas erhöhen. Es ist gesagt worden, daß es eigenartig sei, daß die sowjetische Rüstung seit dem Signal von Reykjavik, also dem Beginn der Entspannungspolitik, zugenommen hätte. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Ich bitte nur darum, einmal zu sagen, was daran eigentlich erstaunlich ist. Herr Kollege Mertes, ich wäre dankbar, wenn Sie dazu vielleicht Stellung nehmen. Die Politik der Entspannung beruht auf der Überlegung, daß ein militärisches Gleichgewicht erreicht sein muß, daß keiner den anderen herumschieben kann, um zu einer Entspannungspolitik und einer partiellen Kooperation zu kommen. ({5}) Man darf nicht darüber erstaunt sein, Herr Kollege Kohl, daß wir seit dem Beginn der Entspannungspolitik eine Rüstungspolitik der Sowjetunion haben, die nicht allein steht, da auch der Westen weiter gerüstet hat; die aber den Versuch macht, gleichzuziehen. ({6}) Es ist sehr wichtig zu überlegen, wo man die Kritik ansetzt. - Herr Damm, Kritik kann nicht daran geübt werden, daß die anfangs ganz unterlegene Sowjetunion, die am Anfang nicht einmal Atomwaffen hatte - das Monopol war bei den Vereinigten Staaten -, den Versuch gemacht hat gleichzuziehen. Das war mit in dem Kissinger-Angebot der Entspannung enthalten. Vielmehr kann unsere Kritik erst an dem Punkt ansetzen, an dem wir sagen: Ihr tut jetzt mehr, als es für das Gleichgewicht erforderlich ist. Wir sind der Meinung, ihr versucht, ein Übergewicht zu bekommen. Das ist der entscheidende Punkt. ({7}) Das ist schon einmal ein erheblicher Unterschied. - Herr Damm, ich komme gleich darauf zu sprechen. - Aber allein die Tatsache, daß die Russen versucht haben, aufzuholen und global eine gleichberechtigte militärische Macht wie die Vereinigten Staaten zu sein, muß nicht schon der Punkt unserer Kritik sein. Das gehört mit zum Gleichgewicht der militärischen Macht als Basis der Entspannung. Diesen Versuch, im Hinblick auf die Rüstung gleichzuziehen und, wie wir meinen, heute zu überziehen, muß man im gesamten politischen Rahmen sehen. ({8}) - Herr Kollege Mertes, wir haben eine Sowjetunion vor uns, die den wirtschaftlichen Abstand zum Westen nicht verkleinert hat, wir haben eine Sowjetunion vor uns, die den technologischen Abstand zum Westen nicht verkleinert hat ({9}) - die. Rüstungslasten für die Wirtschaft spielen für die Sowjetunion eine große Rolle; darauf komme ich gleich noch zurück -, und wir haben eine Sowjetunion, die in der Zeit ihrer Existenz ideologisch noch nie so in der Defensive war, wie das heute der Fall ist. Das heißt: wir haben den Versuch, bei Unterlegenheit auf fast allen anderen Gebieten wenigstens in der Rüstung mit den Amerikanern global gleichgewichtig zu sein. ({10}) Herr Kohl, ich glaube, es hat keinen Zweck, diese Vorstellung und diese Sorgen um die sowjetische Rüstung mit der generellen Behauptung zu verbinden, die heute morgen aufgestellt worden ist, die Sowjetunion sei in der Außenpolitik generell expansionistisch. Das ist gar nicht wahr. ({11}) - Nein, das ist überhaupt nicht wahr. Ich verstehe, daß Sie keine Tatsachen zur Kenntnis nehmen wollen, ({12}) aber ich bin der Meinung, die Sicherheit der eigenen Nation ist so wichtig, daß man sie nur auf Tatsachen und nicht auf Vorurteile stützen kann. ({13}) Was etwa die Volksrepublik China betrifft, so haben wir gerade in den letzten Wochen erlebt, daß die Sowjetunion mit ganz großer Zurückhaltung reagiert hat. Sie haben heute gesagt, daß dabei nach den Verträgen Pekings mit Tokio und Washington auch die Angst der Einkreisung eine Rolle gespielt hat. Wir können vielleicht sagen, daß das eine unbegründete Furcht sei, aber von Expansionismus ist auf diesem Gebiet wohl nicht zu sprechen. ({14}) - Wir haben selbst historische Erfahrungen mit Einkreisungsangst; man muß diese Angst ernst nehmen, auch wenn man selbst ihre Berechtigung bezweifelt. Auch in Afrika ist es nicht so, wie es hier dargestellt wurde. Zunächst hat die Sowjetunion in Afrika, in Ägypten eine der größten Niederlagen ihrer diplomatischen Geschichte erlitten. In Angola ist sie nicht aus Bosheit, sondern wegen der Fehler der westlichen Afrikapolitik oder richtiger wegen des Fehlens einer westlichen Afrikapolitik in jenen Zeiten hineingekommen. Ich halte es übrigens auch für falsch zu glauben - alle politischen, wissenschaftlichen Studien darüber widerlegen diese These -, Kuba etwa nur als Stellvertreter der Sowjetunion in Afrika anzusehen. Das ist sehr viel komplizierter. ({15}) - Herr Marx, ich möchte den Gedankengang zuerst abschließen. Schließlich komme ich zu den Vorgängen im Iran, die für den Westen sicher bedrückend sind. Dabei habe ich allerdings Ihre Frage an den Bundeskanzler nicht verstanden, Herr Kohl, was er da gemacht habe; denn wir sind bekanntlich keine Großmacht, das müssen die Amerikaner schon selbst machen. Wenn man sieht, was im Iran vor sich geht, dann wäre es unsinnig - da sind wir uns sicher einig -, die Revitalisierung des Islams als einen Ausdruck sowjetischer Machenschaften hinzustellen. Es kann schon sein, daß da große Gefahrenmomente kommen. Langfristig mögen die Gefahrenelemente aber für die Sowjetunion größer sein als für den Westen. ({16}) - Gleich, Herr Marx, noch eine Sache.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte gerade noch den Gedankengang zu Ende führen. Schließlich gibt es ein weiteres Gebiet, das uns ganz große Sorge macht, das mir von der NATO aus gesehen mehr Sorgen macht, Herr Kollege Kohl, als Mitteleuropa: das ist das östliche Mittelmeer mit der wirtschaftlich-militärischen Situation in der Türkei, mit dem Streit um Zypern, mit dem Streit zwischen Griechenland und der Türkei. Alles dies hat mit sowjetischer Expansion und sowjetischen Machenschaften nichts zu tun, wohl aber mit Fehlern der amerikanischen Politik. Herr Kohl, da müssen wir uns doch einmal einig sein: Die Treue zum Bündnispartner kann nicht dazu führen, jeden Fehler, der drüben gemacht worden ist, zu decken; sondern zum Bündnis und zur Stärke des Westens gehört auch, daß. man sich unter Freunden sagt, wenn etwas falsch gemacht worden ist. Wir machen auch nicht alles richtig. Vor allen Dingen ist auch die Aufgabe Amerikas als der Führungsmacht des Westens sehr viel schwieriger als unsere Rolle. Aber es kann nicht so sein, als ob jede Kritik an der amerikanischen Politik - ({0}) - Schön, dann sind wir uns einig. Ich habe dies alles aufgeführt, Herr Kollege Marx, von Südostasien, China, über Afrika, Iran bis zur Türkei, um klar zu machen: Es wäre ein ganz versimpeltes und verdummendes Weltbild, wenn wir so täten, als wenn alles, was sich in der Welt bewegt, nur ein Ausdruck sowjetischer Machenschaften und sowjetischen Expansionismus wäre. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Dr. Marx, eine Zwischenfrage.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ehmke, ich hatte mich wegen Ihrer Bemerkung hinsichtlich des Zusammenhangs der kubanischen Aktivität in Afrika und der sowjetischen Politik dort gemeldet. Würden Sie mir zumindest in der Feststellung zustimmen, daß die kubanischen Soldaten - etwa zwischen 48 000 und 50 000 gegenwärtig in 16 afrikanischen Ländern - nur dort sind, weil alle ihre Waffen, ihre gesamte Ausrüstung bis zur Unterwäsche und den Schuhen aus sowjetischen Beständen stammen .und dabei die gesamte Lufttransportkapazität der Sowjetunion ihnen geholfen hat und daß sie den sowjetischen Überlegungen, der sowjetischen Taktik und Strategie überall, wo sie in Afrika sind, folgen? ({0})

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Antwort auf die erste Frage: ja. Antwort auf die zweite Frage: nein. Ich finde das eines der interessantesten Gebiete, die wir studieren sollten: wo in der Afrikapolitik die Interessen und die Politik Kubas und der Sowjetunion auseinandergehen. ({0}) - Studieren Sie bitte, statt hier dumm zu lachen, überhaupt erst mal die Sache, bevor Sie mitreden, Herr Jäger. ({1}) Ich empfehle Ihnen, wenigstens aus der Stiftung Ebenhausen, die bekanntlich keine sozialdemokratische Institution ist, die Arbeiten über Kuba zu lesen und dann wieder herzukommen und mitzureden. ({2}) : Erzählen Sie doch hier keine Märchen! Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen!)

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Dr. Ehmke, gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ehmke, können wir dann die Debatte zumindest dazu nutzen, daß Sie uns sagen, wie Ihre eigene Meinung ist, nicht nur die Meinung einiger interessanter Studien, die ich annehme zu kennen? Es gab ja eine Kontroverse auch zwischen der sowjetischen und der kubanischen Führung, deren Opfer, wenn ich recht sehe, der Staatspräsident Podgorny war. Er war ein Opfer, er ist nicht mehr da. Es gibt Verabredungen eindeutigen Inhalts zwischen der sowjetischen und der kubanischen Führung. Wie soll ich das jetzt alles gewichten? Können Sie mir darauf antworten?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Marx, ich bin gern bereit, ({0}) mit Ihnen eine Kuba-Debatte zu machen. Aber ich sage Ihnen noch einmal - man sieht es z. B. auch bei der Haltung der beiden bei dem Versuch des Staatsstreichs gegen Neto. Man sieht es jetzt bei dem Versuch der Kontaktaufnahme Netos zu den Vereinigten Staaten und der Rolle Kubas dabei -, daß es einfach falsch ist - ich wiederhole das -, davon auszugehen, daß Kuba nur eine Stellvertreterrolle für die Sowjetunion in Afrika spielt. Damit würde man es sich allzu einfach machen. Ich habe die herzliche Bitte, Herr Kollege Marx, hier doch nicht ein düsteres Weltbild aufzuzeigen, an allem seien die Russen schuld. Ich sage Ihnen, auch psychologisch halte ich das für falsch. Wir haben doch kein Interesse, die Sowjetunion zu Supermännern zu machen, die sie nicht sind. Die Debatte,. die Sie hier im Lande führen, ist zum Teil eine Art Selbsthypnotisierung vor der Macht der Sowjetunion, während wir einen klaren Kopf gebrauchen. ({1}) Nun kommen wir zu der Frage - jetzt einmal unabhängig von der außenpolitischen Lage, die ich sehr viel differenzierter beurteile - der Rüstung. Natürlich, Herr Kollege Marx und Herr Kollege Kohl, ist das eine Frage, die uns Sorge macht. Wir gehen davon aus, es soll ein Gleichgewicht geben, so wie es auch Breschnew mit unterschrieben hat; keine Seite soll eine Überlegenheit haben. Darum wird man natürlich darüber diskutieren müssen: Hat eine Seite eine Überlegenheit oder nicht? Darin besteht völliges Einverständnis. Ich muß übrigens dazu sagen: Ich halte nichts davon, dann jeweils davon zu reden, ob die Rüstungspotentiale defensiv oder offensiv sind. Ich glaube, das war auch in der Äußerung des Kollegen Wehner nicht gemeint. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel geben: Herr Kollege Richard Jaeger hat neulich zu der Frage defensiv oder offensiv gesagt: „Wenn die Sowjetunion defensiv wäre, brauchte sie z. B. gar keine Flotte. Dann würde es ausreichen, wenn sie einen Küstenschutz machte." Wissen Sie, solche Kriterien soll man nicht aufstellen. Wenn man die an die Vereinigten Staaten anlegt, stehen die plötzlich als Offensivmacht da. Das ist Unsinn. Natürlich kann auch die Strategic Force der Vereinigten Staaten offensiv eingesetzt werden. Worum es geht, ist doch vielmehr dies: die Motive einzuschätzen, mit denen die andere Macht handelt. Da. ist es doch so - ich habe neulich schon Staatspräsident Giscard und den amerikanischen Präsidenten Carter zitiert -: Ich nehme 'es der Sowjetunion ab, daß sie aus historischen Erfahrungen, aus historischen Sorgen der Meinung ist, sie brauche vielleicht sogar mehr als wir, um Gleichgewicht zu haben. ({2}) - Herr Jäger, wenn Sie erst denken würden, bevor Sie den Mund aufmachten, wäre es hier viel interessanter. ({3}) Das eigentliche Problem ist doch, daß wir der Sowjetunion sagen müssen: Das mögen wohl ihre subjektiven Meinungen sein, aber wir müssen, wie es der Bundesverteidigungsminister Apel neulich in der Aktuellen Stunde gesagt hat, Potentiale beurteilen. Die Sowjetunion muß ihrerseits zur Kenntnis nehmen, was unsere subjektiven Sicherheitsgefühle sind. Das ist das eigentliche Problem. - Bitte schön!

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte schön, Herr Dr. Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ehmke, da die Sowjetunion der einzige Staat der Welt ist, der von ihr feindselig gesinnten kommunistischen Staaten umgeben ist, möchte ich Sie fragen, ob bei der Diskussion über „defensiv" und „offensiv" letzten Endes für unser politisches Urteil die Frage nach den Motiven irrelevant ist und ob es nicht darauf ankommt, zu prüfen, wie stark ihre Potentiale sind und welches ihre politischen Zielvorstellungen sind, denen diese Potentiale dienen? Schließlich sind aus defensiven Motiven schon Angriffskriege geführt worden. ({0})

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist eine zweite Frage. Sie können auch sagen, es kann jemand aus Einkreisungsangst Krieg führen. Darum sollen wir uns gar nicht freuen, wenn es die gibt. Ich bin aber jetzt bei einer anderen Frage, und das ist auch der Vergleich, den Herbert Wehner gezogen hat. Wir stimmen ja wohl alle überein, daß wir gegenüber der Sowjetunion nicht in einer Situation sind, wie es die westliche Welt und die Sowjetunion 1939 gegenüber Nazi-Deutschland waren. Darin sind wir uns doch wohl einig. Wir haben Sorgen, daß politischer Druck aus militärischem Obergewicht ausgeübt werden könnte, aber wir haben keine Angst vor einem unmittelbaren sowjetischen Angriff. Dazu besteht bisher kein Grund. Übrigens, Herr Kollege Marx, muß ich Ihnen einiges sagen: Wenn wir auf der einen Seite sagen, die Sowjetunion habe gar keinen Grund, Angst vor einer Einkreisung zu haben, dann finde ich es denkbar unglücklich, daß Sie heute in einer Stellungnahme zum chinesisch-vietnamesischen Krieg die Meinung kundgetan haben, die Chinesen hätten sich nur gegen die Einkreisung durch die Sowjetunion und Vietnam gewehrt. Wenn das der Maßstab der Einkreisung wird, dann geben wir, glaube ich, den Russen die falschen Vorlagen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne, Herr Präsident.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Dr. Marx, bitte schön.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ehmke, dürfte ich dann bitten, daß Sie nicht in einer so verkürzten und. daher ganz unzulässigen Weise zitieren, was ich zu dem Thema Einkreisung und zur Begründung gesagt habe, wobei ich den chinesischen Angriff auf Vietnam analysiert habe, daß Sie dann bitte den gesamten Gedanken vortragen? Das entspricht nicht dem, was ich gesagt und bedacht habe.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kollege Marx, es tut mir leid. Wenn ich das mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf: Sie sagen da zunächst, Ihre Analyse der Absichten Chinas komme nicht zu dem Schluß, daß China imperialistisch oder hegemonistisch handle. Dann heißt der Satz: Aber die Volksrepublik China hat gezeigt, daß sie nicht bereit ist, sich einkreisen zu lassen. Ich halte das für eine sehr unglückliche Bemerkung. ({0}) In' Peking sieht man mit Sorge, daß der Westen zu viele Provokationen von sowjetischen Verbündeten in Kuba usw. hinnimmt. ({1}) - Der Satz bleibt doch, daß Sie der Meinung sind, die Angst vor einer Einkreisung rechtfertige eine Anwendung militärischer Mittel. ({2}) - Ich lese das im Text so. Ich kann das nicht anders verstehen. ({3}) - Herr Marx, Sie können es gerne zurechtrücken. Ich sage: Es ist eine sehr unglückliche Bemerkung in der „Einkreisungsdebatte", die heute geführt wird. Herr Kollege Mertes, ich bin folgender Meinung: Die Motive der Sowjetunion sind interessant, auch wenn man sagt: Ich weiß ja nicht, was die nächste Führung tut, ({4}) weil man nämlich, fragen muß, Herr Kollege Mertes, ob die Motivationen, die die Sowjetunion überhaupt zur Entspannungspolitik geführt haben, weiterbestehen - ich bin der Meinung, daß sie weiterbestehen; das ist ein wesentlicher Faktor - ({5}) - Ich habe doch bereits geschildert, was wir mit der Entspannungspolitik alles erreicht haben. Naturlich machen die ihre Entspannungspolitik und wir machen unsere. Wie

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Die Sowjetunion wie auch der Westen wollen sich schützen, ihre Sicherheit wahrnehmen und ihre Einflußzonen möglichst vergrößern. So ist die Welt; es hat keinen Zweck, darüber zu jammern. Die Situation muß man nüchtern sehen, um in ihr die eigenen Interessen zu wahren. Nun wissen wir alle, daß dies nicht nur ein militärisches Problem, sondern ein militärisch-politisches Problem ist. Das hat auch Kollege Kohl gesagt. Ich möchte aber zunächst einmal mit dem militärischen Problem anfangen, Herr Kollege Wörner. Wir haben heute ein Stärkeverhältnis, das im Großen noch ein Gleichgewicht darstellt. Das ist die übereinstimmende Beurteilung des amerikanischen Präsidenten und der amerikanischen Außen- und Verteidigungsminister. Die Frage bei den strategischen Waffen ist: Wird das bis in die Mitte der 80er Jahre anhalten oder erleiden die Amerikaner dort einen Nachteil? Bei noch bestehendem globalen Gleichgewicht haben wir in Europa eine Lage des Ungleichgewichts. Wir haben zunächst eine starke konventionelle Überlegenheit der Sowjetunion gegenüber den NATO-Streitkräften. Die Bundesrepublik hat durch ihre Maßnahmen - daß die Bundeswehr volle Mannschaftsstärke erreicht hat, ist heute morgen schon gesagt worden -, durch die starke Verbesserung von Panzerabwehr und Flugabwehr in diesen Jahren versucht, unsere konventionelle Abwehrkraft zu stärken. Ich glaube, ich höre keinen Widerspruch von Ihnen, wenn ich sage: Die Abwehrkraft der Bundeswehr war noch nie so hoch wie im augenblichlichen Zeitpunkt, und die laufenden Rüstungsprogramme werden sie weiter erhöhen. Es ist also auch nicht so, daß wir etwa nur auf der einen Seite einen Fortgang der Rüstungspolitik haben, im Osten allerdings seit gewisser Zeit mehr in qualitativer Hinsicht als in quantitativer Hinsicht, nachdem der Osten ein bestimmtes quantitatives Niveau erreicht hatte. Auf dem Gebiet der taktischen Nuklearwaffen ist der Westen noch überlegen, qualitativ und vor allen Dingen auch quantitativ, aber die Sowjetunion holt in beider Hinsicht auf. Der Westen hat diese Veränderung auf dem Gebiet der atomaren Gefechtsfeldwaffen mit dem Washingtoner Programm zur Modernisierung der atomaren Gefechtsfeldwaffen beantwortet, mit dem politischen Vorbehalt hinsichtlich der sogenannten Neutronenwaffen, die der amerikanische Präsident aus dieser Frage ausgeklammert hat und die in die rüstungspolitischen Gespräche mit der Sowjetunion einbezogen werden sollen. ({0}) Wir haben dann den Bereich des Mittelstreckenpotentials. Es ist völlig unbestritten - wir wollen hier nicht unnötig streiten -, daß die Sowjetunion in dem Bereich des Mittelstredcenpotentials eine erhebliche Überlegenheit in Europa hat, wobei man allerdings gleich sagen muß: Dieses Mittelstreckenpotential der Sowjetunion ist nicht allein eine Frage für Europa. Wenn Sie etwa einmal die wieder beginnende japanische Verteidigungsdiskussion verfolgen, dann sehen Sie, daß dort Backfire-Bomber und SS 20-Raketen ({1}) als Mittel zur Abdeckung der pazifischen Flotte der Sowjetunion' auch dort eine Bedeutung haben. - Darüber sind wir einverstanden, gut! Jetzt beschränke ich mich einmal. auf Mitteleuropa. Da die verehrten Kollegen von der CDU das noch gar nicht vollständig gemacht haben, muß ich sagen: Es gibt eine ganze Reihe von Elementen, die diese Überlegenheit begründen. Da ist erst einmal die Überlegenheit an alten SS 4- und SS 5-Raketen. ({2}) - Darauf, komme ich ja gleich noch. - Die werden nun durch die SS 20 verbessert, die mobil ist, „gemirvt" und treffsicher ist. Wir haben eine sowjetische Überlegenheit an Mittelstreckenbombern, denen jetzt der neue Backfire-Bomber zugeführt wird, und wir haben - das haben Sie in der Aufzählung noch vergessen - Raketen-U-Boote in der Ostsee, die nicht in SALT inbegriffen sind. ({3}) - Doch, der Verteidigungsminister sagt das ganz genauso. Von dem weiß ich das. Von ihm bin ich auf der Hardthöhe darüber belehrt worden, wie das ist. ({4}) Über diese Tatsachen besteht gar kein Streit. Ich glaube bei dem, was ich jetzt gesagt habe, sind wir nicht im Streit. Jetzt sage ich nur eins und verweise dabei auf das, was der Kollege Sommer heute in der „Zeit" geschrieben hat: Diese Überlegenheit der So11184 wjetunion beim Mittelstreckenpotential ist in der Substanz überhaupt nichts Neues. Die hat es immer gegeben. ({5}) Die hat es immer gegeben. Es waren immer mehr sowjetische Raketen und Bomben da. Jedenfalls hat es diese Überlegenheit gegeben - Herr Wörner, wenn Sie diese Einschränkung hören wollen -, nachdem sich Kennedy ein Jahr nach der Kuba-Krise entschlossen hat, die veralteten Thor- und Jupiter-Raketen, die in England, Italien und in der Türkei stationiert waren, nicht zu ersetzen. ({6}) Ich will jetzt nicht darauf eingehen, ob das ein Deal war oder nicht. Sie wissen, der amerikanische Präsident hat .gesagt, es war kein Geschäft. Aber tatsächlich sind sie abgezogen worden. Nun, Herr Kollege Wörner, bestätigen Sie mir hoffentlich auch folgendes: Sie sind abgezogen worden, weil die Amerikaner der Meinung waren, das Hauptgewicht gebühre den interkontinentalen ballistischen Raketen; auf die müsse man sich konzentrieren. Herr Kollege Kohl, um der Wahrheit willen muß man hier noch eines sagen: Daß bis jetzt die Mittelstreckenwaffen nicht zum Gegenstand der Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West gemacht worden sind, hat nicht die Sowjetunion zu vertreten. Die Sowjetunion hat in allen Abrüstungsgesprächen - bis zu Wladiwostok - die Meinung vertreten, daß alle Systeme einbezogen werden sollten, mit denen die eine Großmacht das Territorium der anderen erreichen kann, also auch die ForwardBased-Systems, ({7}) und es war der Westen, - ({8}) - Das ist keine Irreführung, sondern Tatsache ist: Der Westen hat auf diesem Gebiet weder nachgerüstet noch gemeint, es sei wichtig, diese Waffen zum Verhandlungsgegenstand zu machen - ich muß das festhalten -, weil er der Meinung war, das Entscheidende seien die strategischen atomaren Kräfte, die in Amerika stehen. ({9}) - Doch, Herr Kollege Marx. Ich bitte, mir das zu widerlegen. Ich sage es, wie es ist. Das gehört mit zu den Tatsachen und Überlegungen. ({10}) - Ich komme ja darauf, Herr Kollege Marx, nur Geduld! Ich stelle hier den historischen Ablauf dar. Ich sage also: Diese sowjetische Überlegenheit im Mittelstreckenbereich hatten wir immer. Ich gebe aber sofort zu: Sie ist größer geworden wegen der SS 20 und des Backfire und auf der anderen Seite deshalb, weil der Westen auf diesem Gebiet nicht nachgerüstet hat, weil auch die in England stationierten F 111 geringere Penetrationschancen haben als früher, usf. Es war also immer ein Übergewicht vorhanden, das jetzt aber noch größer wird. Die eigentliche Problematik - da gebe ich Herrn Kollegen Kohl recht; das ist gemeinsame Überzeugung - kommt nicht aus dem Mittelstreckenbereich an sich, die eigentliche Problematik kommt aus den SALT-Verhandlungen. Das ist ja auch der Ansatz der Diskussion, die der Bundeskanzler begonnen hat. Ich darf noch einmal sagen: Die Fragen der Grauzonen, des Mittelstreckenbereichs, sind vom Bundeskanzler in die NATO-Diskussion eingeführt worden, in seinem Vortrag im Oktober 1977. im Institute for Strategic Studies in London. Die Argumentation geht dahin: Bis jetzt war abschreckungsmäßig das Übergewicht der Sowjetunion im Mittelstreckenbereich abgedeckt durch das Übergewicht der Amerikaner im strategischen Bereich; wenn aber dort Parität erreicht wird, würde dieses Mittelstreckenpotential nicht mehr abgedeckt sein. Dazu muß man zunächst einmal sagen: Die USA und die Sowjetunion haben inzwischen eine Parität auf dem Gebiet der Raketenträger erreicht. Aber sie haben noch keine Parität erreicht bei den Atomsprengköpfen. Da gibt es noch eine numerische Überlegenheit der Amerikaner. Aber ich würde den Analytikern zustimmen, die sagen, daß die SALTII-Verhandlungen, in denen man u. a. die Mehrfachsprengköpfe auf die Zahlen einfrieren will, die jetzt existieren, in die Richtung der Parität auch der Sprengköpfe gehen. Damit ist die Frage der strategischen Parität allerdings noch nicht entschieden. Denn neben der Zahl der Sprengköpfe sind ganz entscheidend die Flexibilität und die Leistungsfähigkeit der elektronischen Führungssysteme, und da sind die Amerikaner weit voraus. Wenn ich diese Einschränkungen einmal weglasse - die man machen muß -, wird das sogenannte eurostrategische Problem klar: Die Europäer haben Sorge - und diese Sorge haben sie ins Bündnis eingebracht -, daß bei Parität auf dem strategischen Gebiet im europäischen Bereich das Ungleichgewicht im Mittelstreckenbereich in größerem Maße zum Tragen kommt, weil dieses sowjetische Potential nicht mehr abgedeckt ist. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß es gewichtige amerikanische Stimmen gibt, die dieses Problem anders sehen. Ich erinnere nur an den Vortrag, den der frühere amerikanische Botschafter in Bonn, Hillenbrandt, vor kurzem in Zürich gehalten hat. Ich habe ihn neulich hier schon einmal zitiert. Ich glaube, wir müssen hier ehrlicherweise sagen, Herr Kollege Kohl - ich halte das für wichtig -, daß in diesen Fragen ja nicht nur eine Diskussion zwischen dem Westen und der Sowjetunion, sondern zu 50 O/o auch eine Diskussion zwischen den Vereinigten Staaten und Europa stattfindet. Denn für die Amerikaner steht das Mittelstreckenpotential nicht im Vordergrund - für die Sowjetunion auch nicht -, sondern sie haben ein anderes Problem: Amerika ist beunruhigt über die Möglichkeit, daß es der Sowjetunion angesichts der Art, in der die Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode --- : strategischen Streitkräfte beider Seiten im Augenblick zusammengesetzt sind, Mitte der 80er Jahre möglich sein könnte, die verbunkerten amerikanischen Interkontinentalraketen auszuschalten. Dann hätte die amerikanische Führung zwar immer noch die Möglichkeit, mit U-Booten und mit dem, was nach einem ersten Angriff von den Interkontinentalraketen und Bombern übriggeblieben ist, einen Vergeltungsschlag gegen die Städte und die Menschen der Sowjetunion zu führen. Aber Henry Kissinger etwa - in dem Interview, das Sie, Herr Kohl, zitiert haben - hat die Frage gestellt, ob das eine realistische Alternative sei, auf der man Politik und Diplomatie der USA aufbauen könne: in einem solchen Fall als Möglichkeit praktisch nur die Androhung der Auslöschung des anderen zu haben. Sie wissen, daß Senator Kennedy dieser These von Kissinger scharf widersprochen und gesagt hat, es sei irreal, anzunehmen, daß es einen amerikanischen Präsidenten geben könne, der nach einem ersten Schlag der Sowjetunion gegen Amerika nicht alles in seiner Verfügung Stehende tun würde, um einen Vergeltungsschlag zu führen. Aber ich lasse das Thema hier einmal beiseite. Die Sowjetunion hat in diesem strategischen Bereich zweierlei Sorgen: erstens die Aufrüstung Chinas als atomarer Macht, zweitens die technologische Entwicklung der amerikanischen Waffen, die auch nach SALT II möglich bleibt. Wir in Europa überlassen das den Großmächten und konzentrieren unsere Sorge auf das sowjetische Mittelstreckenpotential hier in Europa, wobei ich noch einmal sage: zwar nicht aus der Angst vor einer Kriegsgefahr, aber aus der Sorge, daß politisch Druck auf uns ausgeübt werden könnte. Auch insofern kein Streit. Ich bitte aber, jetzt einmal folgendes zu überlegen - ich glaube, das ist eines der Kerndinge, über die wir diskutieren müssen; ich gebe hier keine fertigen Antworten; ich glaube nicht, daß der Westen, daß Sie oder wir schon fertige Antworten haben -: Wenn in Europa die Angst besteht, daß die amerikanische Führung die Existenz der amerikanischen Nation im Ernstfall nicht in die Waagschale werfen würde, dann ist das ein Problem, das nicht militärtechnisch zu lösen ist. Das Argument, die könnten doch nicht bei jedem nur mit ein paar Mittelstreckenraketen in Europa vorgetragenen Angriff interkontinental zurückschlagen, die müßten ihr Mutterland schonen, geht an die Wurzel des Bündnisses. Nehmen wir einmal an, die östliche Seite würde mit ihrem Mittelstreckenpotential zuschlagen. Die amerikanische Antwort wäre dann vermutlich ein Angriff von ihren U-Booten aus, wenn sie nicht vom Mutterland aus zurückschlagen wollen. Sie laufen dann Gefahr, daß sowjetische U-Boote, die vor der nordamerikanischen Küste stationiert sind, antworten. Die Frage ist doch die - Herr Wörner, Herr Mertes, Herr Marx, Herr Kohl -: Würden denn amerikanische Mittelstreckenraketen in Westeuropa an diesen grundsätzlichen Überlegungen etwas ändern? ({11}) Könnten denn die Amerikaner annehmen, daß ein Angriff mit in Westeuropa stationierten amerikanischen Atomraketen auf sowjetisches Territorium ({12}) - Leider ist die „Abschreckungsphilosophie" eine „Philosophie". Man muß das durchrechnen. - Die Frage, die wir beantworten müssen, lautet: Würden denn, verglichen mit einem Gegenschlag von Atom-U-Booten aus, Mittelstreckenraketen in Europa dazu führen, daß die Sowjets einen amerikanischen Angriff auf sowjetisches Territorium nicht mit einem Angriff sowjetischer Waffen auf amerikanisches Territorium beantworten? Ich halte das für höchst unwahrscheinlich. Wenn das aber so wäre, dann sollten wir eher Grund zur Sorge haben, weil dann tatsächlich ein Abkoppelungseffekt in dem Sinne eintreten könnte, daß man in Amerika sagt: Laßt uns das in Europa mit Mittelstreckenraketen ausschießen. Meine Meinung ist die: Dies ist eine politische, keine militärtechnische Frage - warum auch die Franzosen auf ihrer eigenen Abschreckungsmacht, so klein sie ist, und auf ihrer eigenen Entscheidungsfreiheit bestehen -, was unser verteidigungspolitisches Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ist. Wir dürfen dieses politische Grundproblem nicht mit militärtechnischen Zahlen und Entwicklungen zu umgehen suchen. Ich gebe da Carl Friedrich von Weizsäcker recht, der gesagt hat: Mehr Stabilität in der Welt kann nur durch politische, nicht durch militärtechnische Mittel erreicht werden. Das heißt, die Notwendigkeit des Gleichgewichts - der Erhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts - führt noch keineswegs automatisch zur Bejahung der Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Europa; vielleicht könnten wir uns zunächst auch darüber einigen. Das kann eine Möglichkeit sein, ist aber nicht „die" Antwort auf unsere Frage. Ganz sicher sind wir uns darin einig, daß wir mit noch so vielen Mittelstreckenraketen in Westeuropa die politische Grundsatzfrage nicht beantworten können, ob die Amerikaner bereit sind, bei einem sowjetischen Angriff auf ihre Truppen in Berlin und in Westeuropa, bei einem Angriff auf ihre westlichen Verbündeten mit Mittelstreckenraketen ihre eigene Existenz in die Waagschale zu werfen. Das kann man nicht mit einer Anzahl von Raketen beantworten, sondern man muß davon ausgehen, daß die amerikanische Führung weiß - so wie es Präsident Carter und Außenminister Vance gerade wieder gesagt haben -, daß für sie die Sicherheit Amerikas insofern untrennbar mit der Sicherheit Europas verbunden ist.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Ehmke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich möchte jetzt weitermachen; ich bin durch die bisherigen Zwischenfragen schon etwas in Zeitdruck geraten. Nun gibt es allerdings einen Gesichtspunkt, der über diese Überlegung der Abschreckungsparität hinausgeht. Er lautet ungefähr so: Da es unwahrscheinlich ist, daß man in einer Strategie der flexib11186 len Antwort von taktischen Nuklearwaffen gleich auf interkontinentale Atom-Waffen springt, müßten wir ein Kontinuum der Abschreckung herstellen, indem wir sagen, wir werden konventionelle Angriffe mit überlegenen Kräften mit taktischen Nuklearwaffen beantworten, Angriffe mit atomaren Mittelstrekkenraketen mit Mittelstreckenraketen und Angriffe mit interkontinentalen Waffen mit interkontinentalen Waffen. Ich habe aber schon gesagt, daß es meines Erachtens sehr die Frage ist, ob Mittelstreckenraketen insofern viel mehr bringen als atomare U-Boote. Ich werde Ihnen auch sagen, warum. Der Vorteil von Mittelstreckenraketen, die landgestützt sind, ist ja der, daß sie zielgenauer sind als Raketen, die auf U-Booten stationiert sind. Auf der anderen Seite muß man wissen: die SS 20, die mobil ist, trifft man sowieso nicht, so oder so. Und andererseits: die Verwundbarkeit von Mittelstreckenraketen gegenüber einem ersten Schlag ist sehr viel größer als die von U-Booten. ({0}) - Nein, sie sind vermutlich verwundbarer und bringen nicht mehr. ({1}) - Herr Kollege Wörner, ich stelle dies doch als Frage hin. Noch liegt nicht einmal die NATO-Studie vor, und sie tun so, als hätten wir schon die Antworten. ({2}) Es muß Sie doch nachdenklich machen, daß Experten wie Theo Sommer oder auch wie Christoph Bertram die Frage aufgeworfen haben, ob es nicht viel vernünftiger ist, dieser Gefahr mit weiteren seegestützten Raketen zu begegnen. Ich will hier nicht auf die Detailfragen eingehen; aber ich darf Ihnen empfehlen - die Fachleute von Ihnen werden es ohnedies kennen -, die Veröffentlichung 78/3 des Aspen-Instituts in Berlin zu lesen. Da hat eine Diskussion zwischen deutschen, französischen, englischen und amerikanischen Fachleuten über diese Fragen stattgefunden. Sie werden darin erkennen, daß die Frage schon rein militärisch ungeheuer kompliziert ist: Vor- und Nachteile möglicher Mittelstreckenwaffen hinsichtlich der Stationierungsprobleme, der Ausschaltbarkeit durch einen Überraschungsangriff, der Penetrationschancen, der Flugzeiten, der voraussichtlichen Reaktionen des Warschauer Pakts. Sie werden in diesem Papier so viele Argumente gegen die Cruise Missiles, gegen die Flugmarsdikörper finden wie gegen die Mittelstrekkenraketen und sogar eine gewisse Vorliebe für die Frage, ob man nicht einfach den Bomberpark der NATO-Streitkräfte verstärken sollte. Ich warne also davor, uns politisch festzulegen, noch bevor die Expertenstudien vorliegen, als ob das eine Mutprobe wäre: Nun müssen Mittelstreckenraketen her! Es muß vielmehr sorgfältig geprüft werden, wie denn das sowjetische Übergewicht im Mittelstreckenbereich ausgeglichen werden kann. Ich sage es noch einmal: das heißt keineswegs, daß der Mittelstreckendrohung im Mittelstreckenbereich begegnet werden muß. Das war bisher nicht der Fall. Es kann sein, daß es der Fall werden muß; aber ich bitte, das Gleichgewichtsproblem nicht auf diese Frage zu verengen. Es könnte ja auch Rückwirkungen auf SALT III haben, und zwar in dem Sinne, daß die USA sagen, wir gehen nicht auf eine Parität der Sprengköpfe ein oder sichern uns weiter eine Überlegenheit der Führungssysteme. Ich bitte, das nicht zu entscheiden, bevor auch nur die Expertenstudien da sind. Ohne daß irgendwie die Gefahr verkleinert werden kann, daß uns ein Übergewicht der anderen Seite in politische Drucksituation bringen könnte so wie die Welt ist, muß man das mit einkalkulieren und nüchtern sehen -, dürfen wir auf der anderen Seite und da bin ich für das sehr dankbar, was der Kollege Möllemann heute morgen gesagt hat -doch nicht übersehen, daß auch im Atomzeitalter - Herr Strauß hat neulich das Gegenteil gesagt, aber ich glaube, auch im Atomzeitalter - im weiteren Rüstungswettlauf die Gefahr liegt, daß es schließlich doch zur Explosion kommt. Wir können nicht so tun, als sei hinsichtlich der Explosionsgefahr das Ausmaß der Rüstung auf beiden Seiten irrelevant. Darüber sind wir uns doch sicher einig. Wir dürfen auch nicht meinen, man könne die anderen bis zur ökonomischen Erschöpfung an die Wand rüsten. Das sowjetische System wird alles tun, um sich wenigstens auf diesem Gebiet nicht in die Defensive drängen lassen. ({3}) - Das ist die Frage, ob sie uns dazu bringt. ({4}) Ich habe bisher nur den militärischen Bereich behandelt. Es gibt sehr komplexe militärische Überlegungen, wie dieses nicht neue, aber verschärfte Mittelstreckenproblem gelöst werden kann. Wir werden jetzt warten, bis die Study Group in der NATO uns ihre Vorschläge vorlegt. Dann werden wir das politisch bewerten müssen. Jetzt komme ich zum politischen Teil der Sache. Ich möchte nochmlas die politischen Implikationen darstellen. Die Amerikaner würden mit Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden zum erstenmal in der Nachkriegsgeschichte auf dem Boden der Bundesrepublik Waffensysteme hinstellen, mit denen man sowjetisches Territorium erreichen kann. Das ist keine quantitative Frage der Reichweite. Das ist eine qualitative Frage - genauso wie es eine qualitative Frage ist, daß wir nach unserer Geschichte nun einmal keine Nuklearmacht sind, sein können und sein wollen. Sollte man sich militärisch-technisch für Cruise Missiles entscheiden, so ist politisch zu überlegen, daß sie uns bei den Abrüstungsdebatten in ungeheure Schwierigkeiten führen würden. Denn bei den Flugmarschkörpern ist weder die Reichweite noch die Art des Trägerkopfs - atomar oder konventionell - verifizierbar. Nicht verifizierbare Waffen einzuführen, könnte aber heißen, der Abrüstungsdiskussion überhaupt ein Ende zu setzen. Der dritte politische Punkt, Herr Kollege Wörner, ist, daß zwar die Option III des Westens - das Angebot, gegen einen Rückzug sowjetischer Panzer Teile von amerikanischen nuklearen Gefechtsfeldwaffen zurückzuziehen - zu der Einführung von Mittelstreckenraketen nicht in Widerspruch stände, es aber psychologisch die Verhandlungen in Wien natürlich ungeheurer belasten würde, wenn wir sagen würden: 20 % der Pershing nehmen wir weg; aber den restlichen 80 % geben wir eine Reichweite, die mindestens bis kurz vor Moskau geht. Schließlich viertens: Wenn ich es recht verstanden habe, scheint jedenfalls zwischen Ihnen, Herr Wörner, und uns Übereinstimmung darüber zu bestehen - bei Herrn Zimmermann sieht es etwas anders aus -: Wir wollen keinen deutsch-amerikanischen Alleingang. ({5}) Wir wollen keine Entscheidung, durch die die Deutschen und die Amerikaner ohne die Zustimmung der anderen NATO-Partner und ohne Bereitschaft eines anderen europäischen Verbündeten, solche Waffen zu dislozieren, hier amerikanische Waffen hinstellen. Der Grund ist einfach: Wir sind der Meinung, daß das politisch-psychologisch das Bündnis gefährden würde. Wir müssen immer wieder auch die deutsche Rolle gegenüber den europäischen Verbündeten sehen. Wir haben bei der militärischen Stärke, die wir bereits erreicht haben, allen Grund, das mit Vorsicht zu behandeln. ({6}) Ich komme insgesamt zu dem Ergebnis: Bei dem jetzigen Stand der militärischen Debatte besteht Grund zur Sorge für die Mitte der achtziger Jahre. Es besteht keinerlei Grund zur Hysterie. Militärischtechnisch muß die Antwort noch gefunden werden. Wir dürfen uns das nicht zu einfach machen. Vor allem müssen wir uns aber über die politischen Implikationen einer militärisch-technischen Antwort klar werden. In dieser Situation spricht unseres Erachtens alles dafür, statt jetzt Mutproben zu veranstalten oder Wahlkampf zu machen - wir machen hier keinen Wahlkampf -, - ({7}) Herr Kohl, ich finde das, was Sie gesagt haben, wirklich schlecht - ich gebe es Ihnen nicht zurück zu meinen, daß die Frage von Frieden und Existenz unseres Volkes für uns gewissermaßen eine Nebenerscheinung des Wahlkampfs ist. Machen Sie uns doch nicht billiger, als wir sind! ({8})- Natürlich! Sie haben gesagt, - ({9}) - Wir machen es nicht zu einem Wahlkampfthema. ({10}) Aber Sie haben heute versucht, es so herunterzuspielen. Die Fragen sind zu ernst, um sie in solch kleiner parteipolitischen Münze hier behandeln zu können. ({11}) Wir sagen daher: Wir müssen zunächst einmal den Versuch machen, in den Rüstungsverhandlungen, die über SALT I zu SALT II gehen und in Wien bald zu einem ersten MBFR-Abkommen führen sollten, vorwärtszukommen. Das heißt: Wir unterstützen - wie der Kanzler, der britische Premierminister und der französische Staatspräsident es in Guadeloupe getan haben - den SALT-II-Vertrag. Wir von der Koalition werden alles tun, um in Amerika klarzumachen, daß diejenigen, die SALT II ablehnen, sich jedenfalls nicht auf die Europäer berufen können. Dann ist die Frage, ob wir in SALT III auf der einen Seite weitere Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion über die strategischen Waffen haben und dort gleichzeitig die Fragen der Grauzone anhängen. Das heißt, daß man ein SALT III b mit europäischer Beteiligung ansteuert, in dem diese Fragen mit behandelt werden. Ich werde Ihnen auch sagen, warum ich SALT dafür den Vorrang gebe. Ich tue es deshalb, weil ich der Meinung bin, wir dürfen auf keinen Fall - weder verhandlungsmäßig noch waffenmäßig, weder rüstungsmäßig noch abrüstungsmäßig - die Fragen der Mittelstreckenwaffen von den Fragen der strategischen Waffen abtrennen lassen. Es muß der jetzt bestehende Zusammenhang bestehen bleiben. Europa hat alles Interesse daran, daß nicht isoliert eine Lösung auf der Ebene allein der Mittelstreckenwaffen gefunden wird. Das sollte sich dann auch in dem Verfahren der Verhandlungen niederschlagen. ({12}) Nun muß ich Ihnen folgendes sagen. ({13}) Es wird nicht leicht sein, eine gemeinsame westliche Position zu finden, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Franzosen eigene Vorstellungen haben, weil die Engländer eigene Vorstellungen haben - ({14}) - Augenblick, Herr Marx, Sie werden mir doch eines zugeben. Es hat doch gar keinen Zweck, die Dinge zu verniedlichen. Es hat doch gar keinen Zweck, angesichts der Probleme, vor denen wir stehen, so zu tun, als müßten wir nur ungeheuer schneidig sein. ({15}) Ich sage nur: Nach allem, was wir in den letzten Jahrzehnten als Bündnis sicherheitspolitisch und entspannungspolitisch geleistet haben, wären wir ja den Namen „Bündnis" nicht wert, wenn wir uns nicht politisch einigen könnten und dann als Ersatz eine militärtechnische Lösung vorschieben würden, von der wir nicht überzeugt sind, daß sie mehr Vor- als Nachteile hat, und deren politische Implikationen nicht überlegt sind. Deshalb sind wir der Meinung, daß der Westen im Bündnis ein Konzept entwickeln muß, in dem dargelegt wird, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise wir die Frage der Mittelstreckenwaffen in die nächsten Abrüstungsrunden einbeziehen wollen. Wir müssen uns gleichzeitig militärtechnisch überlegen, was die Antwort ist, wenn in Rüstungskontrollverhandlungen keine Ergebnisse zu erreichen sein sollten. Ich bin der Meinung, dies ist eine Linie, auf die man sich sollte verständigen können.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Ehmke, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt zum Ende kämen.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigung, Herr Präsident, ich habe das Glockenzeichen mißverstanden. Ich komme zum Schluß. Wir müssen ein politisches Konzept entwickeln, in dem für den Fall, daß durch Rüstungsbegrenzung nichts zu erreichen ist, eine Alternative, was dann militärtechnisch gemacht wird, enthalten ist. Wir ,dürfen dieses politische Problem nicht durch vorschnelle militärtechnische Antworten erschlagen. Es wäre auch gut, wenn wir dafür den Zeitplan - April/Ende 1979 - einhalten könnten. Ich selbst halte es allerdings für wichtiger, daß ein richtiges Paket zustande kommt, als daß ein schlechtes oder nicht ausreichendes Paket in dem vorgesehenen Zeitraum zustande kommt. Die Gefahr der Zeitvergeudung liegt nicht auf dem Gebiet der Rüstung, sondern vielmehr darin, daß wir, wenn wir jetzt nicht über Abrüstung auf diesem Gebiet verhandeln, für diese schwierige Frage vier bis fünf Jahre verlieren würden. Denn vorher würden, selbst wenn wir uns schon heute entscheiden könnten, gar keine Mittelstreckenwaffen in Europa stehen können. Deshalb bitte ich noch einmal herzlich - nachdem ich versucht habe, die Probleme hier unpolemisch darzustellen - , über diese zentralen Fragen zu einer wirklichen Debatte zu kommen, um am Ende der Debatte unter uns und mit unseren Verbündeten eine gute Lösung zu finden, statt uns hier gegenseitig -Scheinlösungen an den Kopf zu werfen, von denen wir heute schon alle wissen, daß sie gar keine Lösungen wären. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort Herr Bundesminister Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedaure den Anlaß, der mich zwingt, für die Bundesregierung in dieser Debatte das Wort zu nehmen. Ich bin sicher, daß Sie alle - wie auch ich - an meiner Stelle jetzt lieber den Bundesminister des Auswärtigen am Rednerpult dieses Hauses gesehen hätten. ({0}) Ich will aber, auch nicht verhehlen, daß viele der Gedanken, die ich hier vorzutragen habe,. mit Hans-Dietrich Genscher besprochen und verabredet worden sind, und zwar keineswegs nur aus diesem aktuellen Anlaß. Unter den gegebenen Umständen ist es vielleicht doch nicht ganz ohne Sinn, daß der Bundeswirtschaftsminister den Außenminister zu vertreten versucht. Sie alle kennen die engen Bezüge und Zusammenhänge, die heute zwischen Wirtschaftspolitik und Außenpolitik bestehen. Die außenpolitische Stellung der Bundesrepublik Deutschland hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Kraft unseres Landes ab, und unsere außenwirtschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten der Welt sind von unseren außenpolitischen Verbindungen nicht mehr zu trennen. Beide bedingen einander, beide ergänzen einander, und es ist wohl zutreffend, wenn ich behaupte, daß die wirtschaftliche Kraft unseres Landes einen guten Teil jenes Unterbaus geliefert hat, auf dem unsere außenpolitischen Möglichkeiten erst gedeihen können. ({1}) Ich will das an einigen Beispielen kurz erläutern. Es ist kein Zufall, daß die jährlichen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs - im letzten Jahr in Bonn, 1979 in Tokio - vor allem anderen wirtschaftspolitischen Fragen und wirtschaftspolitischer Zusammenarbeit gewidmet sind. Die dort behandelten Probleme haben eine Dimension erreicht, in der sie, obwohl wirtschaftlicher Natur, nur noch in internationaler . politischer Zusammenarbeit gelöst werden können. Es ist daher nur allzu begreiflich, wenn bei diesen Treffen neben den Außenministern auch die Finanz- und Wirtschaftsminister der beteiligten Länder anwesend sind. Die Europäische Gemeinschaft, die politische Zusammenarbeit innerhalb Westeuropas, ist in ihrer heutigen Form ohne engste wirtschaftliche Kooperation, ohne Wirtschaftsgemeinschaft also, überhaupt nicht denkbar. All das, was wir in dieser Gemeinschaft politisch erreicht haben und weiter erreichen wollen, ist ohne unsere ständigen, oft schwierigen Bemühungen um ökonomischen Gleichklang nicht vorstellbar. Was für die Europäische Gemeinschaft gilt, gilt auch - sicher noch nicht in diesem Ausmaß, aber doch prinzipiell ähnlich - für politische Zusammenschlüsse in anderen Teilen der Welt,. Ich erinnere nur an den ASEAN-Pakt, der gerade in der jüngsten China-Vietnam-Krise eine so verantwortungsbewußte Haltung gezeigt hat und dessen zuBundesminister Dr. Graf Lambsdorff nehmende politische Bedeutung ebenfalls ohne enge wirtschaftliche Kooperation nicht denkbar ist. Alle diese Zusammenschlüsse und Staatengemeinschaften können ihre Funktion freilich nur dann erfüllen, wenn in dieser Welt Frieden herrscht. Die Politik der Friedenssicherung steht daher im Mittelpunkt aller Anstrengungen; ihr dienen die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik und auch die Wirtschaftspolitik. Ohne die Sicherung dauerhafter friedlicher Verhältnisse in der Welt sind alle arideren Anstrengungen nutzlos und vertan. Es kommt daher nicht von ungefähr, daß diese Regierung und diese Koalition von Beginn an alle ihre Bemühungen darauf gerichtet hat, den Frieden in der Welt, den Frieden in Europa und in beiden Teilen unseres Vaterlandes sicherer zu machen. ({2}) - Ich bestreite dies nicht, Herr Mertes, aber ich spreche hier für die Regierung. Ich möchte hier ganz deutlich machen: Diese deutsche Politik der Friedenssicherung ist ,nur möglich auf der festen und gesicherten Basis des westlichen Bündnisses, das unsere Freiheit bewahrt, das uns Spielraum für Entspannung gibt, das unverwechselbar und unaustauschbar ist. Nun, meine Damen und Herren, möchte ich aus dem Aufsatz des Bundesaußenministers vom 16. Februar zitieren. Aber zuvor muß ich mich dann doch mit dem auseinandersetzen, was der Kollege Zimmermann zur Würdigung dieses Aufsatzes heute morgen gesagt hat. Ich zitiere Sie, Herr Dr. Zimmermann: Seine Pressemitteilung vom 16. Februar war doch ein Lavieren zwischen dem als richtig Erkannten und der regierungsamtlichen Linie, auf keinen Fall etwas zu sagen, was die linken Ideologen in der Koalition verprellen könnte. ({3}) Meine Damen und Herren, ich habe mir nur drei Pressestimmen herausgesucht, die die Ausführungen von Hans-Dietrich Genscher in diesem Aufsatz gewürdigt haben. Das „Handelsblatt" schrieb: Genschers Antwort ist klar, keine Entspannung ohne Sicherheit und ungefähre Parität der militärischen Potentiale. Die „Rheinische Post" formulierte: In diplomatisch zurückhaltender Form und ohne Namensnennung, aber in der Sache überaus deutlich hat Außenminister Genscher den Auffassungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden über die deutsche Sicherheits- und Abrüstungspolitik in nahezu allen Punkten widersprochen. Die „Stuttgarter Zeitung" meinte unter der Überschrift „Deutlicher Genscher": Genschers soeben veröffentlichter Artikel über Sicherheit und Entspannung zeigt einen Außenminister, der seine Politik unerwartet offensiv verteidigt. ({4}) Herr Kollege Zimmermann, das Wort „Lavieren" ist in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platz; es ist erst recht fehl am Platz angesichts der Tatsache, daß der Außenminister an dieser Debatte nicht teilnehmen kann. ({5}) Ich zitiere Herrn Genscher: Grundlage unserer Sicherheit ist das Nordatlantische Bündnis. Es ist ein Zusammenschluß freiheitlicher Demokratien. Es wird nicht nur durch das gemeinsame Sicherheitsinteresse zusammengehalten, sondern es wird bestimmt von gemeinsamen Wertvorstellungen, durch das gemeinsame Streben nach Verwirklichung der großen Idee von der Freiheit und Würde des Menschen. Das wird nicht nur in der Bundesrepublik, nicht nur auf dieser Seite des Atlantik so gesehen. Es ist erst ein paar Tage her, daß ich in der Deutschen Botschaft in Washington der Ansprache des amerikanischen Senators Javits zuhören konnte, als er in ganz ähnlichen Worten an die gemeinsamen Grundwerte erinnerte, die für sein Land wie für unser Land verbindlich sind - Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde - und die für ihn wie für uns die Basis unserer engen und nicht aufzulösenden Zusammenarbeit bilden. Die Amerikaner wissen, daß wir zu ihnen stehen. Gerade nach meinem jüngsten Besuch in den Vereinigten Staaten, nach meinen Gesprächen mit vielen Regierungsmitgliedern, Abgeordneten und Senatoren bin ich in meiner Überzeugung bestärkt worden, daß auch sie un-' verrückbar auf unserer Seite sind. Das allerdings verpflichtet uns auch. Wir dürfen in den Beziehungen zu unseren wichtigsten Verbündeten keine Irritationen aufkommen lassen. Wir sollten uns nicht leichtfertigen Kritiken anschließen, die im nachhinein an dieser oder jener Maßnahme der amerikanischen Politik geübt werden. ({6}) Wir müssen die vorhandene Vertauensbasis weiter zu stärken versuchen. Wir müssen den Gedankenaustausch mit diesem großen Land, sei es in Gesprächen zwischen den Regierungen, zwischen Abgeordneten, zwischen Geschäftsleuten oder Intellektuellen beider Länder ständig vertiefen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die kommende Sitzung der „Atlantik-Brücke" in der nächsten Woche in Hamburg. Die Vielzahl bedeutender amerikanischer Politiker, die zu diesem Ereignis kommen wird, ist in meinen Augen ein eindrucksvoller Beweis für das Vertrauen, das man in unser Land setzt und das wir zu erwidern haben. Alle politische Bewegungsfreiheit, die wir auch gegenüber unseren östlichen Nachbarn errungen haben, alle Entspannungspolitik gründet auf dem festen Boden dieser Atlantischen Allianz. Dieses Bündnis zwischen dem westlichen Europa und Nordamerika ist eben mehr, viel mehr als eine Zweckgemeinschaft von Staaten, die gemeine Interessen verfolgen. Zusammen mit der Europäischen Gemeinschaft ist es die Grundlage unserer politischen, unserer nationalen und unserer individuellen Existenz. Nichts annähernd Gleiches kann an die Stelle dieser unserer Zusammenarbeit und Gemeinschaft treten. Das gilt für das deutsche Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika, und es gilt ebenso. für die Beziehungen unserer Nachbarn zu den USA. Das trifft natürlich auch für die Beziehungen zu unseren Bündnispartnern in Europa zu. 'Gerade weil diese Gemeinschaft mehr als eine Militärallianz ist, hat sie auch kritische Phasen überstanden und ist nach gar nicht zu bestreitenden Schwächeanfällen auch aus solchen Phasen gekräftigt hervorgegangen. Die transatlantische Zusammenarbeit hat die Entwicklung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt und hier die Erfolge ermöglicht, die wir heute - auch wenn es aus innenpolitischen Gründen manchmal bestritten werden mag - alle miteinander erleben. In den Krisenherden unserer Zeit hat sich Europa, hat sich auch die Bundesrepublik Deutschland trotz ihrer besonderen politischen Bedingungen als ein Stabilitätsfaktor erster Ordnung erwiesen. Wir haben in unserem Teil der Welt über 30 Jahre lang den Frieden sichern können. Wir haben ökonomische Fortschritte erzielt, von denen frühere Generationen nicht einmal träumen konnten. Wir haben soziale Sicherheiten gewonnen, die in der übrigen Welt als beispielhaft gelten. Das alles wäre ohne die Europäische Gemeinschaft und ohne den festen Rückhalt mit unseren Partnern jenseits des Atlantik nicht zu schaffen gewesen. Gestützt auf diese Basis ist es uns auch möglich gewesen - und das wird sich in Zukunft noch stärker erweisen müssen -, unseren Verpflichtungen gegenüber der Dritten Welt, vielleicht noch nicht voll ausreichend, aber in einem immer größeren Umfang nachzukommen. Ich glaube, wir sind uns alle in diesem Hause darin einig, daß dieser Beistand für die Dritte Welt weit mehr als wirtschaftliche Hilfe und soziale Unterstützung ist. Dies ist Friedenspolitik - hier zitiere ich Willy Brandt - über den Tag hinaus. Gerade für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist ein besserer Ausgleich der Interessen zwischen den armen und den reichen Ländern dieser Welt von existentieller Bedeutung. Deshalb gehen wir zu UNCTAD-Konferenzen und bemühen uns darum, eine gerechtere Verteilung des Wohlstands herbeizuführen. Deshalb geben wir Entwicklungshilfe, deshalb geben wir in der Zoll- und Handlungspolitik Präferenzen und Vorteile für die Länder, die sich jetzt im politischen und wirtschaftlichen Aufbau befinden. Aber auch hier können und wollen wir als Deutsche nicht allein handeln. Auch hier sind wir um engste Abstimmung mit unseren westlichen Partnern bemüht, und ich bestreite nicht, daß dies manchmal schwer ist. Deshalb müssen wir zu Kompromissen nicht nur gegenüber den Entwicklungsländern, sondern auch gegenüber unseren Freunden bereit sein, die mit uns das gleiche Ziel verfolgen, auch wenn sie dorthin zuweilen andere Wege gehen möchten als wir. Über diese Wege können wir vertrauensvoll mit unseren Partnern diesseits und jenseits des Atlantik sprechen, und das ist das tägliche Brot der Außen- und der Außenwirtschaftspolitik. Ich habe mich gerade in den beiden vergangenen Wochen darum in Kanada und in den Vereinigten Staaten bemüht. Ich sehe auf Grund dieser Gespräche einen breiten und guten politischen und weltwirtschaftspolitischen Konsensus 'zwischen unseren Ländern. Das trifft sowohl für die multinationalen Handelsverhandlungen im: GATT als auch für die Probleme einer künftigen Weltwirtschaftsordnung zu. Ein Fehlschlag der GATT-Runde, meine Damen und Herren, hätte weit härtere als nur ökonomische Folgen. Er könnte unsere politische, auch unsere militärische Zusammenarbeit mit den USA beeinträchtigen. Wir brauchen den Konsens selbstverständlich auch in den Fragen der Sicherheits- und Abrüstungspolitik. Gerade dieses letzte Thema habe ich mit kanadischen und amerikanischen Politikern erörtert. Sie fragen intensiv nach unserer Haltung dazu, nach einzelnen politischen Äußerungen zu diesem Thema. Ich habe sie auf die vom Bundeskabinett beschlossenen Antworten auf die Größen Anfragen aller drei Fraktionen dieses Hauses verweisen können und auf die Tatsache, meine Damen und Herren, daß diese Antworten von den Vorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen gebilligt und vom verteidigungspolitischen Sprecher der Opposition gutgeheißen worden sind. ({7}) Herr Kohl, ich möchte mich in der Tat insoweit Herrn Ehmke anschließen, als wir in dieser Debatte und insbesondere in Ihrem Debattenbeitrag von den 127 Antworten, die wir in sechs- bis siebenstündigen Beratungen im Kabinett zusammengestellt und Satz für Satz und Wort für Wort geprüft haben, leider herzlich wenig gehört haben. Warum führen wir eine Diskussion um Interviews, Hintergrundgespräche, Buchzitate? Wozu denn dann eine Große Anfrage, wenn von den Antworten, die gegeben werden, in dieser Debatte nichts erwähnt wird, mit Ausnahme von Herrn Zimmermann, der sie in einem Teil kritisiert hat. Das ist selbstverständlich auch Ihr gutes Recht. ({8}) - Das Lob nehme ich auch ernst und gern entgegen, aber die Aufmerksamkeit wende ich lieber der Kritik zu. Aber warum denn solche Anfragen und solche Antworten, wenn sie in einer Debatte, die dieser Diskussion dienen soll, so gut wie nicht angesprochen werden? Ich will mich hier über die Frage, ob das wirklich Wahlkampfthemen sind, nicht auch noch unterhalten. Ich habe es bedauert, daß Sie das hier eingeführt haben, Herr Kohl. Gleichwohl muß ich sagen: Richtig behandelt, mit der angemessenen Ernsthaftigkeit und Seriosität, kann man auch dieses Thema nicht aus Wahlentscheidungen heraushalten. Das kann natürlich - das muß es nicht, und hoffentlich wird es nicht - ein sehr ernsthafter Gegenstand politischer Auseinandersetzung auch in Wahlen sein. ({9}) - Natürlich, wenn es strittig ist. Ich hoffe nicht, daß es so wird. Im Mittelpunkt unserer heutigen Debatte steht doch die Sicherung des Friedens und der Freiheit durch eine Politik, die drei Elemente miteinander verbindet: Gewährleistung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses, Förderung der Entspannung nach Osten, Bemühung um Rüstungskontrolle. Für den Erfolg dieser Politik ist es von entscheidender Bedeutung, daß mit aller Präzision gesehen wird, wie sich diese drei Elemente miteinander verbinden, wie sie sich ergänzen und gegenseitig bedingen. Zentral für dieses präzise Verständnis ist eine richtige Sicht der Entspannungspolitik. Da ist einerseits die Tendenz, zu glauben, Entspannungspolitik mache nur einen Sinn, wenn von allem Anfang an die Spannungsursachen abgebaut werden. Von einem solchen Verständnis kommt man notwendigerweise zu einer skeptischen Haltung gegenüber der Entspannungspolitik; denn es ist ja offensichtlich, daß die fundamentale Spannungsursache, der Gegensatz der Wertvorstellungen und der politischen und wirtschaftlichen Systeme, noch lange bestehen wird. ({10}) Da ist auf der anderen Seite die umgekehrte Tendenz, den Gegensatz der Systeme nicht in seiner vollen Schwere zu sehen und den Prozeß der Entspannung als einen Zustand bereits weitgehend erreichter Spannungslosigkeit und Normalität mißzuverstehen. Diese Sicht kann dann natürlich nur dazu verführen, der Sicherung der Verteidigungsfähigkeit nicht das Gewicht zu geben, das ihr zukommt. Dieser von übertriebenem Pessimismus oder übertriebenem Optimismus geprägten Sicht der Entspannung setzt die Bundesregierung die nüchterne, realistische Erkenntnis dessen gegenüber, was Entspannungspolitik leisten und was sie nicht leisten kann. Die Bundesregierung ist sich des fundamentalen Gegensatzes bewußt, der zwischen freiheitlicher Demokratie und sogenannter Diktatur des Proletariats besteht. Wir sind uns des Gegensatzes der politischen Ziele bewußt, der sich aus der Verschiedenheit der Wertvorstellungen ergibt. Wir wissen aber ebenso, daß Ost und West auch und in zunehmendem Maße gemeinsame Interessen haben. ({11}) Das Grundlegende dieser gemeinsamen Interessen ist das Interesse, einen Krieg zu verhüten, und zu diesem Interesse kommen andere hinzu: das Interesse, die Vergeudung eines Rüstungswettlaufs zu vermeiden, das Interesse am wirtschaftlichen Austausch. Die Entspannungspolitik hat gerade auch für uns Deutsche wesentliche Fortschritte gebracht. Wer unser heutiges Verhältnis zur Sowjetunion, zu Polen und zu den anderen osteuropäischen Staaten mit der Situation. in den fünfziger und sechziger Jahren vergleicht, wer die heutige Lage in Berlin, wer did heutigen Beziehungen zwischen den beidendeutschen Staaten mit dem Zustand vor Beginn der Entspannungspolitik vergleicht, der greift diese Fortschritte mit Händen. Mir ist es daher unverständlich, wie Sie, Herr Zimmermann - Herr Ehmke ist schon darauf eingegangen -, heute morgen behaupten konnten, die Entspannungspolitik sei ein Fehlschlag, da sie nur einseitige Vorteile gebracht. habe. Fragen Sie doch die Hunderttausende von Deutschen, die im Zuge der Entspannungspolitik vom Osten zu uns übersiedeln konnten! Ist das Viermächteabkommen über Berlin ein Beweis für den Fehlschlag der Entspannungspolitik? Wir wollen diese realistische Entspannungspolitik fortsetzen. ({12}) „Kein Volk hat mehr Anlaß" - ich zitiere den Bundesaußenminister -, „sich um Entspannung und Frieden zu bemühen als das deutsche, das in zwei Staaten leben muß. Kein Volk würde von einem Rückfall in den Kalten Krieg mehr betroffen als wir." Entspannungspolitik ist für uns keine Episode, sie ist auf lange Frist angelegt. Nicht anders sieht auch der Osten die Entspannungspolitik als eine Politik, die Dauer haben soll. Dies ist bei dem Besuch von Generalsekretär Breschnew in Bonn deutlich geworden. Ich verweise auf die gemeinsame Prinzipiendeklaration und auf das langfristige Wirtschaftsabkommen. Dies ist auch in der jüngsten Erklärung Breschnews am 2. März in Moskau deutlich geworden. Namens der Bundesregierung begrüße ich ausdrücklich den diesbezüglichen Teil dieser Erklärung: das klare Bekenntnis zur Kontinuität der Entspannungspolitik. ({13}) Voraussetzung für eine dauerhafte, erfolgreiche Entspannungspolitik ist die Gewährleistung der militärischen Sicherheit. Entspannungspolitik und Verteidigungspolitik sind deshalb keine Gegensätze, sondern ergänzen sich. Ja, mehr noch: Entspannungspolitik ist überhaupt nur auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit möglich. ({14}) „Entspannungspolitik” - auch hier zitiere ich wieder Bundesaußenminister Genscher - „lebt vom 11192 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 141. Sitzung: Bonn, Donnerstag, den 8. März 1979 Ausgleich der Interessen auf der Grundlage der Gleichberechtigung." Ich glaube, alle Seiten dieses Hauses sollten davon ausgehen, daß jeder von uns eine Bundesrepublik Deutschland will, die nicht auf Wohlverhalten gegenüber dem Osten angewiesen ist, sondern die die Freiheit und die Fähigkeit hat, eine Politik zu führen, die sich an unseren eigenen Idealen und Interessen orientiert. ({15}) Militärisches Ungleichgewicht - ich betone dies nochmals - würde der Entspannungspolitik des Fundament entziehen. Es würde Unsicherheit und Instabilität erzeugen, es würde Angst und Mißtrauen schüren. In einem solchen Klima würde eine Fortsetzung der Entspannungspolitik unmöglich. So wie die Bundesregierung eine Politik der Entspannung nach Osten verfolgt, so führt sie deshalb zusammen mit den Verbündeten gleichzeitig eine Politik, die zu jeder Zeit die Fähigkeit zur Abschreckung und Verteidigung gewährleistet. Die Sicherung dieser Fähigkeit fordert von den Bürgern Opfer. Demokratische Regierungen, die ihre . Wähler von der Notwendigkeit solcher Opfer überzeugen müssen, haben es naturgemäß sehr viel schwerer als Herrschaftssysteme, die diese Opfer einfach befehlen können. Dazu kommt ein Zweites. Unsere offene Gesellschaft gibt anderen die Möglichkeit, durch Propaganda auf unsere Verteidigungsdiskussion Einfluß zu nehmen. Diese Möglichkeit wird in massiver und geschickter Weise genutzt. Mit vielen Mitteln wird versucht, die notwendige Aufrechterhaltung unserer Verteidigungsfähigkeit als entspannungsfeindlich hinzustellen. Der Propagandacharakter dieses Arguments liegt aber zutage. Verteidigungsanstrengungen, die sich an dem für die Verteidigung Notwendigen orientierten und keine Überlegenheit anstreben, sind niemals entspannungsfeindlich. Die Abschreckungs- und Verteidigungspolitik des Bündnisses gründet sich auf das Zusammenwirken dreier Komponenten: der interkontinentalen Nuklearwaffensysteme der Vereinigten Staaten, der konventionellen Streitkräfte des Bündnisses und der nuklearen Waffen in Europa. Die Sowjetunion hat bei den interkontinentalen Nuklearwaffen mit den Vereinigten Staaten in etwa gleichgezogen. Sie hat bei den konventionellen Streitkräften und der nuklearen Rüstung in Europa eine überlegene Position aufgebaut. Dies zeigt die Herausforderung für die Sicherheitspolitik des Bündnisses. Ich bin mir durchaus des Arguments bewußt, die Sowjetunion verfolge mit ihrer Rüstung nichts anderes als die NATO, rein defensive Zwecke. Ich möchte dem, was Herr Ehmke über die psychologische Haltung der Sowjetunion uns gegenüber gesagt hat, ausdrücklich zustimmen. Aber ich möchte zu diesem Argument bemerken: Die Bundesregierung unterstellt der Sowjetunion keineswegs die Absicht, Westeuropa anzugreifen. Wir sind überzeugt: die Sowjetunion will ebenso wie wir einen Krieg vermeiden. Aber von den Absichten sind die Fähigkeiten zu unterscheiden. Die Streitkräfte des Warschauer Pakts sind zur Offensive ausgerüstet. Sie haben eine offensive Militärdoktrin. Dies hat die Bundesregierung im letzten Verteidigungsweißbuch 1976/77 sehr ausführlich dargestellt. Die Stärke dieser Streitkräfte geht deutlich über das hinaus, was zur eigenen Verteidigung notwendig ist. Dies sind die Fakten. Auch in dieser Einschätzung, meine Damen und Herren, befinde ich mich in voller Übereinstimmung mit dem Bundesaußenminister, der diese Fakten übrigens entgegen Ihrer Auffassung, Herr Kollege Zimmermann, in seinem Artikel vom 16. Februar mit aller Klarheit dargelegt hat. Die Sicherheitspolitik des Nordatlantischen Bündnisses muß von diesen Fakten ausgehen. Wir müssen ganz klar auch die politischen Auswirkungen erkennen, die sich für uns ergäben, wenn die militärische Überlegenheit des Warschauer Pakts in Europa ständig weiter zunähme. Das militärische Gleichgewicht ist eine Notwendigkeit nicht nur, um uns Sicherheit vor Krieg zu geben. Es ist nicht minder notwendig, um uns Sicherheit vor politischem Druck zu geben und unsere Handlungsfreiheit zu gewährleisten. Das Bündnis gewährleistet Sicherheit durch eine doppelte Politik. Es hält einerseits einen angemessenen Stand der Bewaffnung aufrecht. Das Bündnis sucht auf der anderen Seite durch Rüstungskontrollverhandlungen mit dem Osten vereinbarte Sicherheit zu: erreichen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im folgenden die Verbindung zwischen Verteidigungsanstrengung und Rüstungskontrollbemühung über die drei Bereiche der Abschreckungs- und Verteidigungskonzeption der NATO hin darstellen. Der erste Bereich sind die interkontinentalen nuklearen Waffensysteme der Vereinigten Staaten. Die Vereinigten Staaten stärken diese Systeme durch die notwendige Modernisierung. Sie verhandeln andererseits in SALT II mit der Sowjetunion über die Begrenzung dieser Systeme. Das SALT-II-Abkommen wird die Parität der interkontinentalen Systeme der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion kodifizieren. Es wird zu einem stabileren nuklearstrategischen Gleichgewicht beitragen. Es wird darüber hinaus von wesentlicher Bedeutung für die Stabilität der Ost-West-Beziehungen im ganzen sein. bie amerikanische Regierung hat während der SALT-Verhandlungen die europäischen Bündnispartner stets konsultiert und ihre Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Wir hoffen auf einen baldigen Abschluß des Abkommens und unterstützen es. Es gibt im übrigen neben den rein militärstrategischen Gründen einen, wie mir scheint, einleuchtenden wirtschaftlichen Grund. Eine volle Finanzierung eines Raketenverteidigungssystems der Vereinigten Staaten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der finanziellen Verpflichtungen innerhalb der NATO wäre kaum noch möglich. Auch dies sollte ein Grund für uns sein, uns für einen erfolgreichen Abschluß von SALT II auszusprechen. Die Kodifizierung der Parität ändert nichts an dem Willen und der Fähigkeit der Vereinigten Staaten, mit ihren interkontinentalen nuklearen Waffen auch Europa zu schützen. Präsident Carter hat dies beim letzten NATO-Gipfeltreffen und bei seinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland mit aller Klarheit bestätigt. Herr Ehmke hat recht, wenn er hier formuliert: Zweifel an dieser Zusage gehen an die Wurzel des Bündnisses. ({16}) Der zweite Bereich der Abschreckungs- und Verteidigungskonzeption der NATO sind die konventionellen Streitkräfte. Der Warschauer Pakt ist in Mitteleuropa bei den Landstreitkräften deutlich überlegen. Das Bündnis reagiert auch auf diese Herausforderung durch eine doppelte Politik: durch Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und durch Verhandlungen zur Rüstungskontrolle. Das Bündnis hat so auf der einen Seite eine Reihe von Verteidigungsmaßnahmen beschlossen. Dazu gehört das erwähnte langfristige Verteidigungsprogramm, das die Verteidigungskapazität an die Verhältnisse der 80er Jahre anpassen wird. Die Bündnispartner werden ihre Verteidigungsausgaben pro Jahr um real 3 % erhöhen. Das Bündnis hat andererseits die Initiative ergriffen, um durch Verhandlungen eine ungefähre Parität bei den Landstreitkräften in Mitteleuropa herzustellen, indem erstens das Personal der Streitkräfte unter Festlegung übereinstimmenden kollektiver Gesamthöchststärken auf einen Gleichstand von je 700 000 Mann auf beiden Seiten reduziert wird, und indem zweitens die Disparität bei den Kampfpanzern durch den Abzug sowjetischer Panzer vermindert wird. Um die östliche Zustimmung zur datenmäßig gesicherten Parität, zu sowjetischen und amerikanischen Reduzierungen und zum Abbau der Panzerdisparität zu erreichen, hat der Westen 1975 angeboten, zusätzlich eine bestimmte Zahl amerikanischer nuklearer Waffen abzuziehen. Die östliche Antwort auf dieses Angebot ist unzureichend geblieben. Meine Damen und Herren, ich bestreite nicht, daß ein MBFR-Ergebnis nur begrenzte militärische Wirkung haben kann - der Bundesverteidigungsminister hat das heute morgen dargestellt -, solange der Raum der vorgesehenen Reduzierung auf Mitteleuropa begrenzt bleibt. Die Bundesregierung unterstützt deshalb auch alle realistischen Vorschläge, die darauf abzielen, die militärische Konfrontation in ganz Europa abzubauen. Wir haben deshalb insbesondere auch den französischen Vorschlag für eine europäische Abrüstungskonferenz begrüßt, die Maßnahmen der Vertrauensbildung und der Rüstungsbegrenzung für ein sogenanntes Europa vom Atlantik bis zum Ural erreichen sollte. Die Verwirklichung dieses Vorschlags könnte MBFR sinnvoll ergänzen. Sosehr ich jedoch die Begrenztheit dessen betone, was wir in den MBFR-Verhandlungen erreichen können, sosehr möchte ich andererseits davor warnen, das, was hier erreicht werden kann, zu unterschätzen. Es macht militärisch und politisch sehr wohl einen Unterschied aus, ob eine östliche Überlegenheit in Mitteleuropa von über 150 000 Mann abgebaut oder aufrechterhalten wird. ({17}) Ein solcher Abbau würde vor allem auch die Fähigkeit des Warschauer Pakts zu einem Angriff ohne Vorbereitung vermindern. ({18}) Rüstungskontrollverhandlungen sind von Natur aus langwierig. Die SALT-Verhandlungen dauern inzwischen zehn Jahre, und hier verhandeln nur zwei Mächte miteinander, während bei MBFR zum erstenmal in der Geschichte zwei Bündnisgruppen miteinander verhandeln. Meine Damen und Herren, ich verstehe sehr wohl, daß manche Ungeduld darüber äußern, daß in Wien nach über fünf Jahren Verhandlungen noch keine konkreten Ergebnisse vorweisbar sind. Aber es kommt für ein fruchtbares Ergebnis der Verhandlungen darauf an, daß wir die unbeirrbare Zähigkeit haben, bei diesen Verhandlungen unsere vitalen Interessen zu wahren, und es kommt darauf an, daß wir die öffentliche Diskussion über diese Verhandlungen im Westen so führen, daß wir die Verhandlungsposition des Bündnisses in Wien nicht schwächen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier betonen: Es gibt kein Land, das an einem Erfolg der Wiener Verhandlungen ein größeres Interesse hat als die Bundesrepublik Deutschland. ({19}) Aber es gibt auch kein Land, das von einem Ergebnis in Wien stärker betroffen werden wird; denn die Linie, die die Streitkräfte der beiden Bündnisse voneinander trennt, läuft doch durch Deutschland. Es gibt deshalb auch keine Regierung, die stärker und gewissenhafter darauf hinarbeitet, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen, als dies die Bundesregierung tut. Es gibt auch keinen Außenminister, der sich dieser Aufgabe engagierter widmet als der deutsche Außenminister. ({20}) Meine Damen und Herren, es hat in den Wiener Verhandlungen Fortschritte gegeben. Dazu haben Vorschläge der Bundesregierung, die dann zu Initiativen des Bündnisses führten, erheblich beigetragen. Ich verweise hier auf die westliche Initiative vom April 1978, auf die der Warschauer Pakt im Juni 1978 antwortete. Der bedeutendste Fortschritt liegt im Konzeptionellen. ({21}) Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, ging der Osten 1973 mit dem Ziel in die MBFR-Verhandlungen, das sogenannte historisch gewachsene Kräfteverhältnis in Mitteleuropa festzuschreiben - und das heißt, die Disparität in Mitteleuropa festzuschreiben. Jetzt hat der Osten unsere Konzeption der ungefähren Parität auf niedrigerem, Niveau anerkannt. ({22}) Die deutsch-sowjetische Deklaration anläßlich des Besuches von Generalsekretär Breschnew in Bonn stellt fest: Beide Seiten betrachten es als wichtig, daß niemand militärische Überlegenheit anstrebt. Dies ist der erste Satz, Herr Zimmermann. Sie hätten korrekterweise den zweiten mitzitieren müssen, als Sie vom triumphalen Vor-sich-her-Tragen die-, ses Satzes gesprochen haben. Der zweite Satz heißt: Sie gehen davon aus, daß annähernde Gleichheit und Parität zur Gewährleistung der Verteidigung ausreichen. Und dies gehört zusammen. ({23}) - Ich unterstreiche: Gewährleistung. Beide Sätze gehören zusammen, und es darf nicht nur der erste zitiert werden, wie das Herr Zimmermann hier getan hat, weil daraus natürlich der Eindruck entstehen müßte, als wäre das die Festschreibung von Disparitäten, die in Bonn besprochen und vereinbart worden sei. Dies aber war genau nicht der Fall. Es gilt nun, in den MBFR-Verhandlungen dieses von beiden Seiten anerkannte Ziel der Parität in der Praxis zu verwirklichen. Meine Damen und Herren, es gibt für die Bundesregierung und für das Bündnis - hier' gibt es keinerlei Unterschied - unverzichtbare Forderungen. Der Bundesaußenminister hat die zwei zentralen Forderungen unlängst mit aller Klarheit wiederholt und begründet. Die erste Forderung ist die Forderung nach Parität. ({24}) - Herr Kollege Mertes, Sie pflegen sonst so sorgfältig zuzuhören, daß Fragen dieser Art doch eigentlich nicht notwendig sind. ({25}) - Das habe ich verstanden, Herr Marx; stellen Sie sich das einmal vor. Die erste Forderung ist die Forderung nach Parität. Wir haben, wie gesagt, bei dieser Forderung einen Durchbruch im Konzeptionellen erreicht, aber wir haben noch keinen entsprechenden Durchbruch für die praktische Verwirklichung; denn hier gehen Warschauer Pakt und Atlantisches Bündnis von verschiedenen Zahlen im Zusammenhang mit den Streitkräften auf östlicher Seite aus. Die Zahlen, die der Warschauer Pakt für seine Landstreitkräfte nennt, liegen um über 150 000 Mann unter den Zahlen, die nach Überzeugung der NATO der Realität entsprechen. ({26}) Dem Ziel, die Parität in der Praxis zu verwirklichen, dient die Datendiskussion. Es geht bei dieser Diskussion über die Streitkräftezahlen nicht um eine „Erbsenzählerei" von Experten, ({27}) sondern es geht hier vielmehr um eine zentrale Frage der Verhandlungen. Wer die Datendiskussion als Streit um Kleinigkeiten abtun will, verkennt das Verhandlungsziel der MBFR. ({28}) Die Klärung der Datenbasis entscheidet über den Umfang der östlichen Reduzierung, und es würde kein guter Ratschlag sein, sich in dieser Frage mit Unklarheit abzufinden und etwa augenzwinkernd über die Diskrepanz von 150 000 Mann hinwegzusehen. Es würde kein guter Ratschlag auch und gerade für diejenigen sein, denen die Entspannung wie uns allen am Herzen liegt. Ich zitiere noch einmal den Bundesaußenminister: Ein Ergebnis, bei dem unklar bleibt, ob es Parität herstellt oder Disparität festschreibt, würde Unsicherheit schaffen und Mißtrauen säen. Die zweite unverzichtbare Forderung ist die Forderung nach Kollektivität. Gemeint ist damit? Mit Ausnahme der amerikanischen und der sowjetischen Truppen in Mitteleuropa sollen nicht nationale Höchststärken für die Truppenkontingente der beiden Bündnisse hergestellt werden, sondern kollektive Höchststärken. Es muß Sache der Bündnisse sein, zu entscheiden, welcher Bündnispartner welche Reduzierung vornimmt. Ein anderes Verfahren würde der Sowjetunion ein Einspruchsrecht in Angelegenheiten zugestehen, die allein die NATO zu bestimmen hat. Ich glaube, ich brauche kaum zu betonen, wie entscheidend wichtig das Prinzip der Kollektivität gerade auch für die Bundesrepublik Deutschland ist. Meine Damen und Herren, ich erwähne zum Schluß des MBFR-Themas noch den westlichen Vorschlag, in den Wiener Verhandlungen begleitende Maßnahmen zur Vertrauensbildung und Stabilisierung sowie zur Verifikation zu vereinbaren. Es sind dies .Maßnahmen des Austausches militärischer Informationen, Anmeldung und Beobachtung militärischer Aktivitäten. Der Westen hat dieses Thema wiederholt in Wien vorgebracht und es zuletzt in seiner Initiative im April 1978 angesprochen. Das Bündnis prüft derzeit unter aktiver Beteiligung der Bundesrepublik zusätzlich Vorschläge, die es in Wien in die Verhandlungen einführen will. Ich will meine Ausführungen zum Thema MBFR nicht abschließen, ohne zu wiederholen, daß die Bundesregierung diesen Verhandlungen hohe politische . Bedeutung beimißt. Sie hält es deshalb auch für ' richtig, daß die NATO bereit ist, bei MBFR die Einberufung einer Sitzung auf Außenminister-Ebene vorzuschlagen, falls die erzielten Fortschritte dies rechtfertigen. Darüber hinaus hat der Bundesaußenminister nicht zuletzt wegen der Bedeutung vertrauensbildender Maßnahmen der NATO-Tagung im Dezember 1978 vorgeschlagen, die nächste KSZE-Überprüfungskonferenz in Madrid auf politischer Ebene abzuhalten. Die dritte Komponente in der Abschreckungs- und Verteidigungskonzeption der NATO sind die nuklearen Waffen in Europa. Wir können diese Waffen in drei Kategorien einteilen: Waffen mit einer Reichweite bis zu 100 km - die nuklearen Gefechtsfeldwaffen -, Waffen mit einer Reichweite zwischen 100 und 1 000 km - Nuklearwaffen also, die in den gegnerischen Aufmarschraum reichen - und schließlich Waffen mit einer Reichweite von 1 000 bis 5 500 km - dies sind die nuklearen Mittelstreckensysteme, die Waffen mit kontinentaler Reichweite -. In den ersten beiden Kategorien besteht zwischen Ost und West insgesamt gesehen eine ungefähre Parität, obwohl auch hier die Sowjetunion stark modernisiert hat und auch weiter modernisiert. Bei den Mittelstreckensystemen andererseits - Herr Ehmke hat dies hervorgehoben - besteht seit langem ein östliches Übergewicht. Die Sowjetunion hat jedoch begonnen, dieses Übergewicht durch die Einführung zweier neuer Waffen quantitativ und qualitativ dramatisch zu verstärken. Diese beiden Waffen sind die SS 20, eine neue Mittelstreckenrakete, und der Mittelstreckenbomber Backfire. Beide Waffensysteme können von sowjetischem Boden aus Ziele in Westeuropa und ebenso Ziele im nahen und mittleren . Osten, in Südostasien, in Japan und China erreichen. Dies ist die Bedrohung. Das Bündnis muß auf sie ebenfalls mit einer Kombination von Verteidigungsanstrengungen und Rüstungskontrollbemühungen antworten. Das Bündnis modernisiert bereits die nuklearen Waffen mit einer Reichweite bis zu 1 000 km, um die Parität mit dem Warschauer Pakt zu halten. Die politisch wie militärisch zentrale Frage ist jedoch die Modernisierung und Stärkung des nuklearen Mittelstreckenpotentials des Bündnisses, denn hier droht angesichts einer schnell zunehmenden sowjetischen Überlegenheit im Mittelteil des Abschrekkungs- und Verteidigungsverbundes der NATO eine Lücke zu entstehen. Das heißt mit anderen Worten: Bei dieser Frage geht es um nichts weniger als um die Sicherung der Glaubwürdigkeit der Abschreckung. ({29}) Die friedenssichernde Abschreckungsstrategie der NATO beruht auf der Fähigkeit zur flexiblen Erwiderung. Diese setzt voraus, daß das Bündnis zu einer kontinuierlichen Steigerung bis hin zu den amerikanischen Interkontinentalwaffen in der Lage ist. Wird dieser Verbund an einer Stelle unterbrochen, so leidet die Glaubwürdigkeit der Abschrekkung insgesamt. Das Bündnis muß, um seine Fähigkeit zur Abschreckung und Verteidigung aufrechtzuerhalten, das Notwendige tun; aber das Notwendige zu tun, bedeutet nicht, daß das Bündnis gegenwärtig versuchen müßte, die sowjetische Überlegenheit bei den Mittelstreckensystemen numerisch auszugleichen. Notwendig ist, das Mittelstreckenpotential in dem begrenzten Umfang zu stärken, der erforderlich ist, um den Verteidigungsverbund des Bündnisses auf Dauer zu gewährleisten. Worauf es jetzt ankommt, ist, daß unter Führung der Vereinigten Staaten das Bündnis in seiner Gesamtheit entscheidet, was für die Stärkung des Mittelstreckenbereichs der NATO getan werden muß. Nur eine rechtzeitige Entscheidung dieser Fragen sichert die Option, die ausgewählten Systeme ab etwa 1983 einführen zu können. Die notwendige begrenzte Modernisierung und Stärkung des nuklearen Mittelstreckenpotentials der NATO sichert die Abschreckungs- und- Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses. Sie macht es zugleich zu Rüstungskontrollverhandlungen auch in der bisherigen Grauzbne des nuklearen Mittelstreckenbereichs fähig. Ich zitiere noch einmal Hans-Dietrich Genscher: Modernisierungen und rüstungskontrollpolitische Bemühungen schließen sich nicht aus, sondern müssen parallel laufen. Hier liegt eine Aufgabe, die dem Bündnis insgesamt gestellt ist und nur von ihm gemeinsam bewältigt werden kann. In diesem Zusammenhang ist das Grauzonenproblem von besonderer Bedeutung. Die sowjetische Überlegenheit beim Mittelstreckenpotential, dem Kernstück des sogenannten Grauzonenproblems, wurde in Rüstungskontrollverhandlungen bisher nicht einbezogen. Es geht um die Sorge, daß die bei SALT II vereinbarte interkontinentale Parität und Stabilität durch die bestehende und wachsende Disparität im Mittelstreckenbereich unterlaufen werden könnte. Der Abbau dieser Disparität ist daher für das Bündnis eine sicherheitspolitische Aufgabe ersten Ranges. Die Bundesregierung hat seit langem darauf hingewiesen; daß diese sowjetischen Systeme in den verteidigungs- und rüstungspolitischen Bemühungen des Bündnisses nicht außer Betracht bleiben dürfen. Die Bundesregierung begrüßt es, daß Generalsekretär Breschnew in seiner jüngsten Rede sich für die Begrenzung der Raketen- und Kernwaffen und auch ausdrücklich für eine Begrenzung der Waffen mittlerer Reichweite in Europa ausgesprochen hat. Diese sowjetische Bereitschaft, die das erste Mal beim Besuch des Generalsekretärs Breschnew im vergangenen Jahr in Bonn erklärt wurde, ist ein wichtiger Fortschritt in der Ost-West-Diskussion. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Sowjetunion zwar die Einbeziehung der amerikanischen Mittelstreckensysteme in Europa, die sogenannten forward-base-systems, in die SALT-Verhandlungen gefordert, nicht aber erklärt, daß sie auch ihre eigenen Mittelstreckenwaffen zur Diskussion stellt. ({30}) Allerdings sind wir der Meinung, daß die Frage der Modernisierung und Stärkung der nuklearen Waffen in Europa eine Frage des Bündnisses und nicht eine deutsch-amerikanische Frage ist. Wir werden es auch nicht zulassen, daß die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten gegeneinander ausgespielt werden. Zu Ihrem Zwischenruf, Herr Mertes: Ich ziehe es vor, Herrn Sommer korrigiert zu haben. ({31}) Die Entscheidungen müssen vom Bündnis in seiner Gesamtheit getroffen werden. Hiermit reagiert das Bündnis auf ein Problem, das die östliche Seite geschaffen hat. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß das, Bündnis die vor ihm liegenden Aufgaben meistern wird. Im verteidigungspolitischen Bereich werden die Entscheidungen zur Implementierung der Modernisierungsbeschlüsse des Bündnisses vorbereitet. Im Bereich der Rüstungskontrolle haben schon im Zusammenhang mit SALT II intensive Konsultationen im Bündnis stattgefunden. Sie werden im Blick auf das Grauzonenproblem von SALT II weiter intensiviert werden. Dabei gilt: Die Bundesrepublik Deutschland ist keine Nuklearwaffenmacht und will keine werden. Die Vereinigten Staaten sind sich ihrer Führungsrolle im Bündnis bewußt und sie handeln in diesem Bewußtsein. Alle Entscheidungen müssen vom Bündnis insgesamt getragen werden. In diesem Rahmen wird die Bundesrepublik Deutschland auch in Zukunft ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Der Bundesminister des Auswärtigen stellte fest: Die Vereinigten Staaten haben Anspruch darauf, daß sich alle Verbündeten dieser Verantwortung stellen, die von den Regierungen die Entscheidungskraft verlangt, das als richtig Erkannte auch zu tun. Das Bündnis steht vor der doppelten Aufgabe, das für die Verteidigung Notwendige zu tun und das rüstungskontrollpolitisch Mögliche zu versuchen. Grundlage dieser doppelten Strategie ist die Solidarität der Bündnispartner und die Einheit des Bündnisses. Dies ist die solide Grundlage einer aktiven Friedenspolitik. Meine Damen und Herren, die gegenwärtige Weltlage, die Krisen und Konflikte, die uns umgeben, machen bewußt, was wir in Europa erreicht haben. Die Weltlage wäre nicht auszudenken, wenn es anders wäre, wenn auch in Europa Konfrontation und Konflikt herrschten. Es gilt, diese Stabilität des Friedens in Europa zu sichern - zu sichern durch eine Politik des Bündnisses, die das Gleichgewicht gewährleistet und die auf der Basis der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses nach Entspannung und Rüstungskontrolle strebt. Die Bundesregierung wird zur Erfüllung dieser Aufgaben das ihre beitragen. Unsere Politik ist eine konsequente Politik der Friedenssicherung, ist eine klare, berechenbare Friedenspolitik. ({32})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wörner.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir mit Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, die Abwesenheit des Bundesaußenministers bedauern, . so hat doch Ihr Auftritt mindestens einen interessanten zusätzlichen Aspekt in die Debatte gebracht, den ich hier gerne aufgreifen möchte, nämlich den Zusammenhang zwischen militärischer und wirtschaftlicher - und ich füge hinzu: auch sozialer - Sicherheit, auf den Sie völlig zu Recht hingewiesen haben. Lassen Sie mich das gerade auch als ein Verteidigungspolitiker sagen: Natürlich gibt es keine militärische Sicherheit ohne wirtschaftliche Sicherheit. Allerdings muß man auch das Gegenteil sagen: ({0}) Es gibt auch keine wirtschaftliche Sicherheit ohne die militärische Absicherung und keine Freiheit ohne die militärische Absicherung eben dieser Freiheit. ({1}) Ganz sicher - wenn ich das jetzt gleich aktualisieren darf - ist es mit der Stabilisierung des militärischen Gleichgewichts in Mitteleuropa - darum geht unsere Debatte an sich - nicht getan. Denn es drohen diesem Bündnis eine ganze Reihe von politischen Gefahren. Nachdem Sie das angesprochen haben, Graf Lambsdorff, darf ich eine politische Gefahr herausgreifen, die uns im Augenblick besonders zu schaffen macht, nämlich die politische Gefahr an der Südflanke. Hier denke ich besonders an die schwierige Lage der Türkei. Nach unserer Auffassung - ich hoffe, daß das allgemeine Meinung ist - muß dringend etwas geschehen, ({2}) schnell etwas geschehen, denn was würde diesem Bündnis widerfahren, wenn sich die Lage in der Türkei etwa noch weiter zuspitzen würde? Hier muß die NATO zeigen, ob sie wirklich noch zur rechtzeitigen Krisenvorsorge in der Lage ist. ({3}) Daher - das ist eine Frage auch an Sie als Wirtschaftsminister - ist das ganze Bündnis, aber auch die Bundesrepublik Deutschland gefordert, so schnell als möglich - ich sage: erhebliche - wirtschaftliche und finanzielle Anstrengungen zu unternehmen, um der Türkei zu helfen. Bereits ein Bruchteil der Kredite, die wir nach Osten geben, würde ausreichen, um die Türkei hinreichend zu stabilisieren. ({4}) Ich glaube, daß die Debatte bisher deutlich gemacht hat, daß es in diesem Hause keine Frontstellung für und gegen Abrüstung gibt. Wir alle, gleichgültig, auf welcher Seite des Hauses wir sind, sind für den Frieden und sind für die Abrüstung. Das Für und Wider geht in dieser Debatte um die Frage, ob das für unsere Sicherheit hier in Mitteleuropa und weltweit Erforderliche geschieht, noch geschieht. Ich sage für uns: Wenn Herr WehDr. Wörner ner und die, für die er spricht, sich in der SPD durchsetzen, dann ist es sowohl mit der Sicherheit wie mit der Abrüstung nach unserer Auffassung aus! ({5}) Herr Apel, hier sind Sie uns eine eindeutige Antwort schuldig geblieben. Auch Graf Lambsdorff hat um diese entscheidende Frage - genau wie Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage - einen Bogen geschlagen. Daher ist eben bei uns der sichere Eindruck zurückgeblieben, daß letztlich sich doch die Linie von Herrn Wehner durchsetzen wird und nicht eine andere Linie. Das macht unsere Besorgnis aus. ({6}) - Wer, Herr Ehmke, den Zusammenhang von Abrüstung und Sicherheit bedenkt, kommt an zwei unbequemen Feststellungen eben' nicht vorbei. Die erste: Nach einem Jahrzehnt der Verhandlungen über Abrüstung steht die Sowjetunion dem Westen weit stärker gegenüber, und zwar absolut wie relativ als zu Beginn dieser Abrüstungsverhandlungen. Sie hat also fortlaufend aufgerüstet, während wir uns zurückgehalten haben. Und sie tut das heute noch mit der gleichen Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit. Das sind die Fakten. Diese darf man eben nicht verschweigen. Denn wer sie verschweigt, weckt Illusionen in der deutschen Bevölkerung und mindert die Bereitschaft unserer Bürger, für die Verteidigung notwendige Opfer zu bringen. ({7}) Ich sage ein anderes. Wer daher als Antwort auf die sowjetische Aufrüstung nichts anderes als neue Verhandlungen fordert, der wird weder Rüstungsstopp noch Abrüstung, noch eine Verbesserung unserer Sicherheit erreichen, sondern er wird sich am Ende einer sehr viel stärkeren Sowjetunion gegenübersehen, die ihm dann die Bedingungen diktieren kann. Daher kann die einzige Konsequenz aus dieser Erfahrung nur lauten, daß das zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Erforderliche unabhängig von solchen Verhandlungen geschehen muß. ({8}) Natürlich sind wir hier in einer Gefahr, Herr Ehmke. Ich will das ganz offen ansprechen. Die einen zeichnen die sowjetischen Anstrengungen und sind in der Versuchung, nur diese Anstrengungen zu zeichnen. Und die anderen sind in der Versuchung, die Anstrengungen des Westens zu schildern. Aber selbst wenn man das in Betracht zieht und sich die Entwicklung des letzten Jahrzehnts, dieses Jahrzehnts der Entspannung, vor Augen führt, dann kommt man eben an der zweiten Feststellung nicht vorbei, daß sich im letzten Jahrzehnt die militärischen Kräfteverhältnisse stetig und eindeutig zugunsten der Sowjetunion verschoben haben, und zwar auf allen Ebenen. Ich halte es, Herr Bundesverteidigungsminister, einfach für unverantwortlich, daß Sie in Ihrer ganzen Rede keinen einzigen Ton über dieses entscheidende Faktum verloren haben. ({9}) Hier sind Sie Ihrer Verantwortung als Bundesverteidigungsminister nicht gerecht geworden. ({10}) Natürlich, noch - „noch" sage ich - reichen die Kräfte des Westens zur Abschreckung und wohl auch zur Verteidigung aus. Gerade noch! Aber wenn sich dieser Trend des letzten Jahrzehnts fortsetzt, wird eben Anfang der achtziger Jahre ein strategischer Umbruch, ein Umschlag der Kräfteverhältnisse eintreten. Und das ist die Gefahr, die uns drückt - und nicht nur uns. ({11}) Hören Sie Kissinger, hören Sie Haig, hören Sie auch den amerikanischen Verteidigungsminister Brown. Die Sorge, daß sich dieser Trend nicht durchsetzen darf, durchzieht die gesamten sicherheitspolitischen Debatten. Daher geht es nicht an, daß Herr Bahr oder Herr Pawelczyk oder wer auch immer feststellt: Die Sicherheit ist nicht bedroht. Das ist eine glatte Irreführung unserer Bevölkerung. ({12}) Sehen Sie: Es gibt etwas, was mich einfach enttäuscht und was ich nicht verstehe, was ich auch bei Herrn Wehner nicht verstehe, wenn er die Sorge - die ich ihm abnehme - äußert, die Bundesrepublik Deutschland könne zum Trägerschiff für neue Waffen werden. Herr Wehner, wir sind es doch nicht, die voranrüsten und aufrüsten. Gegen uns sind doch diese Mittelstreckenraketen gerichtet. Wir sind doch das Ziel dieser sowjetischen neuen Raketen: Wir, die Bundesrepublik Deutschland; wenn auch nicht allein, so doch in erster Linie. Daher erwarte ich von Ihnen - und ich erwarte es auch von Herrn Bundeskanzler Schmidt morgen, und ich habe es auch vom Bundesverteidigungsminister erwartet -, daß Sie endlich einmal die Sowjetunion auffordern, mit dieser fortlaufenden Ausdehnung ihres Übergewichts aufzuhören und diese Raketen einzustellen und zu stoppen. ({13}) Warum tun Sie das nicht? ({14}) Warum zerbrechen Sie sich immer nur den Kopf Moskaus? Warum denken Sie nicht daran, daß auch wir Sicherheitsbedürfnisse haben? ({15}) Ich kann es mir erklären. Sie versuchen - aus Ihrer Situation heraus verständlich -, die festge11198 fahren Entspannungspolitik durch immer neue Konzessionen in Fahrt zu bringen. Herr Wehner, ich sage Ihnen aber jetzt schon voraus: Das wird Ihnen von der Sowjetunion genausowenig honoriert werden wie in den vergangenen Jahren; denn die Sowjetunion wird Ihren - von mir nicht bestrittenen - guten Willen als das nehmen, was er natürlich im Grunde genommen ist: als das Eingeständnis westlicher Schwäche und den Ausdruck einer Appeasement-Haltung. ({16}) Deswegen werden Sie am Schluß ohne Abrüstung und ohne Sicherheit dastehen. Herr Ehmke, nun zu Ihnen. Ich muß übrigens sagen, Herr Bundesverteidigungsminister, es ist selten, daß ich Herrn Ehmke ein Kompliment gemacht habe; in diesem Hause habe ich es, glaube ich, noch nie getan. Herr Ehmke, wenn ich von Ihrem demagogischen Eröffnungsschlag absehe, haben Sie mit Ihrer Betrachtung 'der Kräfteverhältnisse in der Tat einen seriösen und differenzierten Beitrag geleistet, den ich in dieser Debatte an sich vom Bundesverteidigungsminister erwartet hätte. Statt dessen haben Sie, Herr Minister, hier ein Wischiwaschi dahergeredet, das dem Ernst ,der Lage, in der wir uns befinden, überhaupt nicht gerecht wird. ({17}) Herr Ehmke, ich will Ihre Frage beantworten. Sie haben hier die Frage gestellt: Was ist denn neu an dieser Bedrohung? ({18}) Wir haben doch schon seithersowjetische Mittelstreckenraketen. Wir haben diese Mittelstreckenraketen, so sagen Sie, schon lange. Andere sagen das auch. Ich sage Ihnen: Zwei Dinge haben sich fundamental verändert. ({19}) - Herr Kollege Friedrich, ich bin lange genug in diesem Hause, um Ihr Ablenkungsmanöver zu durchschauen. Sie wollen das nur nicht hören, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe. Das ist das einzige. ({20}) Mich bringen Sie aber nicht aus dem Konzept, Herr Friedrich. ({21}) - Würden Sie mir jetzt freundlicherweise die Möglichkeit geben, mich mit Herrn Ehmke auseinanderzusetzen, der zu dieser Debatte etwas beigesteuert hat, was ich bei Ihnen bis jetzt vermißt habe. ({22}) Ich sage Ihnen also: Neu an der Lage ist zum einen, daß die SS 20 beweglich ist. Neu ist, daß sie - pro Träger drei Stück - nachgeladen ,werden kann. Neu ist, daß sie Mehrfachsprengköpfe - drei Stück pro Rakete - hat. Dazu ergibt im übrigen bei hundert Trägern schon 900 Gefechtsköpfe. Jeder einzelne dieser 900 Gefechtsköpfe hat mit 300 Kilotonnen die 200fache Wirkung der Hiroshima-Bombe, Herr Wehner. Das ist die Bedrohung, die die Sowjetunion uns gegenüber aufbaut, ohne daß Sie dies der Sowjetunion gegenüber massiv anprangern. Jetzt kommt der entscheidende Punkt, Herr Ehmke. Die Lage wird dadurch verändert, daß diese Gefechtsköpfe - im Unterschied zu dem seitherigen Mittelstreckenpotential - punktzielgenau sind. Das heißt, daß sie sich für einen präventiven nuklearen Entwaffnungsschlag eignen. Das verändert die Abschreckungssituation in Mitteleuropa, und zwar vom Grunde auf. ({23}) Um es konkret auszudrücken: Die Sowjetunion verfügt mit dieser SS-20-Rakete zum erstenmal über eine Rakete kontinentaler Reichweite, mit der sie die gesamte eurasische Landmasse abdecken und, so sage ich, beherrschen kann. Was noch wichtiger ist, ist dies. Die sowjetische Kontinentalstrategie kann nun - dies konnte sie seither nicht - zwischen einem allgemeinen nuklearen Angriff und selektiven Einsatzmöglichkeiten gegen die westlichen Nuklearkräfte in Europa wählen. Das heißt, sie könnte im Krisenfall, im Kriegsfall die NATO vom Gebrauch ihrer nuklearen Gefechtsfeldwaffen abschrecken und damit eben die Abschrekkung am kritischen Scharnier zu den zentralen strategischen Systemen durchbrechen. Damit haben Sie die Antwort auf Ihre andere Frage, Herr Ehmke, warum wir Mittelstreckenwaffen des Westens in Europa brauchen. Wir brauchen sie, weil genau die Stationierung solcher Mittelstrekkenwaffen des Westens in Europa der Sowjetunion eben diese Fähigkeit eines nuklearen Entwaffnungsschlages nähme. In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Noch - d. h. im Augenblick, während dieser Debatte - ist nicht die Zeit, zu sagen, welche der Waffen das ist. Da kommen viele in Frage; da kommt die Pershing 2, da kommen die „cruise missiles" in Frage, da kann man auch an Flugzeuge denken. Vielleicht kommt sogar auch ein Waffenmix in Frage. Das muß im Bündnis entschieden werden, und zwar schnell; hier im Moment ist das nicht unsere Aufgabe. Dann, wenn Sie - wie der Herr Sommer - fragen, ob es nicht auch seegestützte Waffen tun, kann ich darauf antworten: Der entscheidende Unterschied zwischen seegestützten und landgestützten Waffen - und das haben wir ja bei den taktisch-nuklearen Waffen, die wir seither haben, immerfort auch vertreten - ist eben, meine Damen und Herren, der der Glaubwürdigkeit und damit der Abschreckungskraft dieser Waffen. Denn wenn die Sowjetunion weiß, daß sie bei einem Angriff auf Europa über solche Waffen laufen müßte, ist es eben wahrscheinlicher - und das heißt: glaubwürdiger -, daß sie eingesetzt werden, und das bedeutet: ihr Abschreckungswert ist höher. Das ist dabei der entscheidende Punkt! ({24}) Im übrigen, Graf Lambsdorff oder auch Herr Ehmke oder wer sonst noch gesprochen hat, sehen Sie, es ist sehr schön, daß der Herr Breschnew bei seinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland diese Formel, die nun schon verschiedentlich angesprochen wurde, zusammen mit dem Bundeskanzler niedergelegt hat, nämlich daß man sich bemühen wolle, Parität herzustellen. Ich übertrage es jetzt einmal in meine Worte und nehme den zweiten Satz, den Graf Lambsdorff angesprochen hat. Aber, meine Damen und Herren, was nützt denn diese verbale Beteuerung, wenn die Sowjetunion zum gleichen Zeitpunkt Tag um Tag ihre Überlegenheit im nuklearen Bereich systematisch ausbaut? Dann ist das, was sie hier ins Papier schreibt, doch nichts wert, meine Damen und Herren! ({25}) Deswegen wäre der Bundeskanzler gut beraten, wenn er, statt in die Antwort der Regierung auf unsere Große Anfrage zu schreiben, man begrüße diese konzeptionelle Einigung, die Sowjetunion beim Wort nähme und sagte: Hört auf damit! Noch ein zweites, Herr Ehmke: Diese Veränderung der Mittelstreckenraketen gewinnt ihren entscheidenden, ja, geradezu dramatischen Charakter - und das wissen Sie alle genauso gut wie ich - vor dem Hintergrund der Kräfteverschiebung zwischen den Supermächten im strategischen Bereich. Herr Ehmke, wir haben seither - das ist auch einer der Unterschiede, und ich sage: der wesentliche - mit dieser erdrückenden Überlegenheit des Warschauer Pakts in Europa gelebt und leben können, weil wir sie mit dem strategischen Übergewicht der Amerikaner ausgeglichen haben. Aber damit ist es spätestens Anfang der 80er Jahre eben vorbei, und das hat gar nichts mit dem guten oder schlechten Willen der Amerikaner zu tun, sondern ist einfach eine objektive Realität. ({26}) Dann ist aus der Überlegenheit der Amerikaner auch in der Zahl der Gefechtsköpfe Parität geworden; ja, Anfang der, 80er Jahre wird die Sowjetunion sogar eine gewisse begrenzte Überlegenheit im strategischen Bereich haben, und das ist ja das, was den Amerikanern - allen Amerikanern - Sorge macht. Wenn Sie das nicht glauben, lesen Sie es im Bericht des amerikanischen Verteidigungsministers für das Jahr 1980 noch! Das heißt doch, daß dann das Übergewicht des Ostens im Mittelstreckenbereich, daß dann das inzwischen auch im taktisch-nuklearen, also im Gefechtsfeldwaffenbereich vorhandene Übergewicht, daß dann das Übergewicht im konventionellen Bereich voll zum Tragen kommt. Hier liegt die eigentliche - ich sage dazu ohne Übertreibung: die tödliche - Gefahr für die Sicherheit Europas, wenn nichts dagegen unternommen wird. ({27}) Dann, wenn nichts dagegen unternommen wird, wird die Verknüpfung der konventionellen, der kontinentalstrategischen und der interkontinentalstrategischen Waffen durchschnitten. Dann, bricht unsere Abschreckungslandschaft zusammen, und dann ist die Abkoppelung vom strategischen. Schutz der Amerikaner vollzogen. Auch da gibt es die Antwort: Abkoppelung oder nicht Abkoppelung, das ist sicher auch eine Frage des Willens, aber nicht nur; es ist, Herr Ehmke, eine Frage der Optionen, der Möglichkeiten. Das war ja auch der Grund dafür, daß der amerikanische Verteidigungsminister Schlesinger versucht hat, im strategischen Bereich Flexibilität zurückzugewinnen. Das ist der Grund, warum wir im Mittelstreckenwaffenbereich Flexibilität zurückgewinnen müssen: nicht um einen Krieg zu führen, sondern um einen Krieg unmöglich zu machen, um ihn zu verhindern, um die Sowjets von einem Angriff auf Europa abzuschrecken. ({28}) Wenn wir diese Verschiebung der Machtverhältnisse akzeptieren, dann sind die Folgen: erhöhte Krisenanfälligkeit, Erpreßbarkeit des Westens und, ich füge hinzu, erhöhte Kriegs- und Konfliktgefahr. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß der sowjetische Regierungschef Breschnew kein Abenteurer ist. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß er wahrscheinlich eher dazu neigt, einen Krieg nicht zu führen, Europa nicht anzugreifen. Allerdings, Herr Ehmke, wir sollten keine Sekunde übersehen, daß wir erstens nicht wissen, wie seine Nachfolger reagieren werden, und zweitens sollten wir auch nicht übersehen, warum das so ist. Wenn die Sowjetunion bis heute keinen Angriff auf Europa geführt hat, dann eben weil der Westen, weil die NATO, weil die Bundeswehr, weil die amerikanische Armee das Risiko für einen sowjetischen Angriff hoch genug gehalten haben. Das hat die Sowjets davon abgeschreckt. ({29}) Das ist der Punkt: Wenn diese Landschaft zusammenbricht, wenn die Kette zerschnitten wird, wenn die Abschreckung durchlöchert - wird, dann haben Sie keine Gewähr mehr, ob nicht dann auch die Versuchung für sowjetische militärische Führer übermächtig wird, im Krisenfall zu den Waffen zu greifen. Deswegen würde ich auch die Kriegsgefahr nicht herunterspielen wollen, wenngleich ich sie im Augenblick nicht sehe, wie Sie. Aber ich sage Ihnen: Etwas anderes ist doch viel wichtiger, die Fähigkeit, mit überlegenen militärischen Mitteln politische Ziele zu erreichen. Das ist doch der eigentliche Grund der sowjetischen Aufrüstung: die Ummünzung militärischer Macht in politischen Einfluß. ({30}) Ein sehr kluger Betrachter der Rüstungsszene, der globalen Szene hat einmal gesagt - ich finde das hervorragend -, der Unterschied sei der: Der Westen will den Frieden ohne Sieg, die Sowjetunion will den Sieg im Frieden. Ich glaube, das trifft den Kern der Sache. ({31}) Herr Ehmke, ohne hier polemisieren zu wollen: wie weit die Sowjetunion schon in der Lage ist, gestützt auf diese militärische Macht den Versuch der Einschüchterung zu unternehmen, das zeigt doch ihre fortlaufende Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Das zeigt sich daran, wie massiv sie versucht, uns an der Herstellung des Gleichgewichts zu hindern, uns zu drohen. ({32}) Ich bin fast versucht zu sagen: Die Tatsache, daß die Bundesregierung und der Bundesverteidigungsminister und der Bundeskanzler bis heute nicht gewagt haben, diese sowjetische Einmischung als das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich als eine schlichte Unverfrorenheit, zeigt auch, daß die Einschüchterung schon wirkt. ({33}) Das Entscheidende, Herr Ehmke, ist - und daran liegt mir, daß das verstanden wird - die Krisenstabilität. Wenn wir keine Gegenmaßnahmen ergreifen, und zwar rechtzeitig, dann haben die Staatsmänner des Westens, dann haben die europäischen Staatsmänner, dann hat der deutsche Regierungschef in einer Krisenlage keine Standfestigkeit mehr. Stellen Sie sich doch einmal vor, wenn es der Sowjetunion gelänge, dieses Kräfteverhältnis immer mehr zu ihren Gunsten zu verändern - und in den letzten zehn Jahren hat sie ja damit Erfolg gehabt -, stellen Sie sich dann den Ausbruch einer Krise um Jugoslawien, um die Türkei, um Berlin oder irgendwo vor! Stellen Sie sich vor, wie sich die Krise zuspitzt, wie die Spannungen zunehmen, möglicherweise die ersten militärischen Maßnahmen hüben wie drüben getroffen werden! In welcher Situation wäre dann ein Staatsmann des Westens, wenn er nicht mit Sicherheit wüßte, daß er sich mit Aussicht auf Erfolg verteidigen kann? Das ist der. entscheidende Grund, warum wir darauf drängen, daß hier etwas geschieht, weil wir nicht wollen, daß in einer Krisensituation der Westen nachgeben muß, weil er keine Wahl hat. Diese Bedrohung wird auch nicht deswegen verringert, weil die Sowjetunion, was wir alle wissen,. auf anderen Feldern riesige Probleme hat: wirtschaftliche Probleme, soziale Probleme, Probleme mit den Satellitenländern, Probleme mit den Nationalitäten, Probleme mit China. Deswegen gibt es ganz sicher keinen Grund, die Sowjetunion zu überschätzen. ({34}) - Aber, Herr Ehmke, gerade weil die einzige wirkliche Stärke der Sowjetunion ihre militärische Kraft ist, wächst doch die Gefahr, wächst die Versuchung, daß sie zu ihr Zuflucht nimmt, und zwar in dem Maße, in dem der Westen ihr auf diesem Sektor Spielraum bietet. ({35}) Es muß also etwas geschehen; es muß schnell geschehen, es muß im Bildnis geschehen, und es muß parallel zu Verhandlungen geschehen. Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Aber lassen Sie mich noch in Argument aufgreifen. Manche - vielleicht auch Herr Wehner; auf Grund Ihrer Interviews, Herr Wehner, kann ich schon sagen: mit Sicherheit - fürchten, die Stationierung westlicher Verteidigungswaffen in Abwehr der sowjetischen Überlegenheit gefährde die Entspannung. Meine Damen und Herren, wer so argumentiert, stellt, so glaube ich, die Fakten auf den Kopf. Nicht wir sind es, die die Rüstungsspirale drehen, meine Damen und Herren; die Sowjetunion ist es, die ihr Waffenarsenal ständig, Tag um Tag, ausweitet, obwohl sie von uns dazu nicht provoziert wird. ({36}) Daher, meine Damen und Herren, sind wir von der CDU/CSU nicht bereit, einen Entspannungsbegriff zu akzeptieren, bei dem Entspannung letztlich zur Waffe sowjetischer Politik und Wohlverhalten der Sowjetunion gegenüber zum Ersatz für Sicherheit wird. ({37}) Ich sage noch mehr: Bei der Frage, die wir jetzt im Bündnis zu entscheiden haben, geht es nicht nur um die Frage neuer Waffen; es geht schlicht und einfach um den Selbstbehauptungswillen des Westens. Es war schon ein Triumph der Sowjetunion - ich sage: ein Triumph ohnegleichen -, mit Hilfe einer weltweiten Propagandakampagne, übrigens nicht zuletzt auch mit Unterstützung durch einige sehr schädliche Bemerkungen des Herrn Bahr und des linken Flügels der SPD, die Neutronenwaffe zu verhindern und damit in einem Moment. zu verhindern, in dem sie selbst massiv Nuklearwaffen installiert. Wenn es Moskau jetzt gelänge - ich sage das völlig klar und eindeutig -, die NATO auch noch am Ausgleich im Bereich der Mittelstreckenwaffen zu hindern, dann hätte Moskau sein Ziel erreicht, d. h. die Verewigung eines dauernden fundamentalen Ungleichgewichts zu Lasten des Westens, denn dann wäre es undenkbar, daß wir in Zukunft noch irgendein wirksames Waffensystem in Mitteleuropa stationieren. Das, meine Damen und Herren, bedeutet das faktische Mitbestimmungsrecht der Sowjetunion in der Frage, wie wir uns zur Wehr setzen können, und das ist urtragbar! ({38}) Der Skandal dabei ist - das habe ich schon einmal gesagt, Herr Wehner; das ist meine Überzeugung -, daß Sie, wahrscheinlich ohne es zu wollen, ihr dabei die Argumente liefern, auf die sie sich berufen kann. Ich sage zu dem Vorschlag von Herrn Breschnew, einen Nichtangriffspakt mit uns abzuschlieDr. Wörner ßen: Ich glaube, daß dieser Vorschlag in die gleiche Richtung weist. Er soll die NATO von der dringend erforderlichen Auffüllung der Lücke abhalten. Aber man muß Herrn Breschnew die Frage stellen, welchen Wert er eigentlich dem Gewaltverbot der Vereinten Nationen beimißt, ({39}) welchen Wert er dem Gewaltverzicht der Bonner Ostverträge zumißt und welchen Wert für ihn die KSZE-Schlußakte und der darin enthaltene Gewaltverzicht haben, wenn dieselben Staaten ihren Friedenswillen dauernd erneut feierlich bekräftigen wollen. Wir brauchen das nicht. Wir Deutschen wollen niemanden angreifen. Wir haben schon längst auf Gewalt und Krieg als Mittel der Politik verzichtet. Nun zu der Frage der Entscheidung im Bündnis. Der Herr Bundeskanzler weicht einer Entscheidung aus, er drückt sich vor seiner Verantwortung, er versteckt sich hinter dem amerikanischen Präsidenten. Dabei muß jedem von uns klar sein: Ohne eine klare Willensäußerung der europäischen NATO-Staaten, insbesondere auch der Bundesrepublik Deutschland, wird es keine Entscheidung des amerikanischen Präsidenten zur Produktion und Stationierung entsprechender amerikanischer Waffensysteme auf europäischem Boden geben. Natürlich ist es richtig, daß wir nicht den Vorreiter spielen sollten. Natürlich ist es richtig, was Herr Schmidt immer wieder sagt, daß wir nicht den Anschein erwecken sollten, als ob der Nichtnuklearwaffenstaat Bundesrepublik Deutschland am liebsten die Entscheidung für andere treffen möchte. Aber es ist falsch, die Last der Entscheidung, insbesondere die moralische Last dieser Entscheidung, allein dem amerikanischen Präsidenten aufzubürden. ({40}) Wir sind diejenigen - darauf hat der Kollege Fritz Zimmermann zu Recht hingewiesen -, die in erster Linie von diesen Raketen bedroht sind. Warum sollte der amerikanische Präsident europäischer als die Europäer und deutscher als die Deutschen sein? Er wird sich davor hüten. In Wahrheit hat der Herr Bundeskanzler nicht den Mut, die Auseinandersetzung in der eigenen Partei und vor der deutschen Öffentlichkeit auszutragen. Es ist unerträglich, wenn die Existenzinteressen unserer Nation in dieser Weise innerparteilichen Schwierigkeiten der SPD geopfert werden. ({41}) Obwohl ich das anfangs nicht angenommen hatte, drängt sich mir der Verdacht auf, daß der Herr Bundeskanzler nur mit etwas anderen und behutsameren Methoden und etwas später letztlich das gleiche wie Herr Wehner will. ({42}) Sollte vielleicht auch er die Kräfteverschiebung zugunsten der UdSSR als unabänderlich betrachten? Sollte auch er sich schon mit ihr abgefunden haben? Sollte auch er insgeheim an der Verläßlichkeit des Bündnisses zweifeln und daher rechtzeitig das Arrangement mit Moskau suchen? Diese Frage drängt sich mir auf. Einige der Bewegungen und einige der Äußerungen des Bundeskanzlers lassen mich, wie ich meine, erkennen, daß er letztlich in der gleichen Lage und von der gleichen Anschauung wie Herr Wehner beherrscht ist. Das ist die vorweggenommene Anpassung an Moskau, die von der CDU/CSU nicht mitgemacht werden wird. ({43}) Herr Ehmke, im übrigen gibt es auch noch die Selbstabkopplung durch eine unzumutbare Politik gegenüber den Amerikanern, auch da sind sie in Versuchung. ({44}) Gefordert ist eine Entscheidung des Bündnisses, und darin sind wir uns einig. ({45}) - Nein, ich sage Ihnen auch, worin wir nicht einig sind, Herr Wehner. Die Entscheidung richtet sich nach dem Grundsatz gemeinsamer Risiken und gemeinsamer Lasten. Ich wiederhole das, was Herr Zimmermann gesagt hat. ({46}) Daher ist es klar, daß wir von der Bundesrepublik Deutschland aus natürlich ein Interesse daran haben, daß das Bündnis insgesamt und noch andere Staaten eine solche Entscheidung mitvollziehen und auch auf ihrem Gebiet Stationierung zulassen. Wir werden sie dabei sogar unterstützen. Wir halten das für wünschenswert. Nur muß dazu auch noch gesagt werden, daß es unerträglich wäre, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland allein an ein Votum des holländischen, des luxemburgischen oder des belgischen Parlaments zu binden. ({47}) Im übrigen verschweigen Sie bewußt, daß es schon zwei unserer wichtigsten Bündnispartner gibt, nämlich Großbritannien und Frankreich, ({48}) die eine solche Entscheidung über die Stationierung von Mittelstreckenraketen schon getroffen haben, denen gegenüber wir gar nicht in eine singuläre Position kommen können. ({49}) Warum sagen Sie das nicht, Herr Apel, und warum handeln Sie nicht entsprechend? Lassen Sie mich noch ein Weiteres hinzufügen. Friede ist sicher mehr als militärisches Gleichgewicht. Zu einer aktiven Friedenssicherung und aktiven Friedenspolitik gehören auch intensive politische Bemühungen um den Abbau von Spannungen und Rüstung. Daher sind auch wir für die Fortsetzung der Rüstungskontrollverhandlungen. Ich will mich hier nur mit SALT beschäftigen. Wir verstehen allerdings nicht - ich sage das ganz offen -, warum sich der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, noch ehe das Ver11202 tragsergebnis vorliegt, zu einer solchen hymnischen, positiven Würdigung von SALT II bereitgefunden hat. Es kann nach unserer Auffassung nicht unsere Aufgabe sein, pro oder kontra in die amerikanische Ratifizierungsdebatte einzugreifen. ({50}) Es hätte dem Bundeskanzler und es hätte Ihnen, Herr Apel, wesentlich besser angestanden - wesentlich besser! -, die europäischen Interessen im Zusammenhang mit diesen SALT-II-Verhandlungen noch einmal, und zwar deutlich zur Sprache zu bringen. Ich will diese europäischen Interessen, da Sie es ja nicht tun, ausformulieren. 1. Das Protokoll, das eine Begrenzung der Cruise Missiles vorsieht, darf nicht über seine vorgesehene Geltungsdauer hinaus verlängert werden. 2. Die Nichtumgehungsklausel muß in ihrem Inhalt und ihrer Interpretation eindeutig sein. Sie darf die Möglichkeiten des Bündnisses zum Ausgleich sowjetischer Bedrohungskapazitäten nicht behindern und darf keine zusätzlichen Sperren für die europäische Waffentechnologie im nuklearen oder konventionellen Bereich nach sich ziehen. 3. Bei der Formulierung der Rahmenrichtlinien für die weiterführenden SALT-Verhandlungen muß darauf geachtet werden, daß der unerträgliche Zustand beseitigt wird, kontinentalstrategische Waffen der UdSSR auf der einen Seite auszusparen, den westlichen Abwehrwaffen andererseits aber Beschränkungen aufzuerlegen. 4. Es liegt auch im europäischen Interesse, daß die Unverwundbarkeit der amerikanischen landgestützten Interkontinentalraketen aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt wird. Denn sie stellen nach wie vor und auf Dauer das Rückgrat der westlichen Abschreckungskraft, d. h. das Rückgrat der westlichen Kriegsverhinderungspolitik, dar. Abrüstungsverhandlungen, um das zum Schluß zu sagen, setzen guten Willen auf beiden Seiten, setzen Entgegenkommen auf beiden Seiten voraus. Darum kann man übrigens Abrüstungsverhandlungen nicht herausschälen und vom globalen politischen und strategischen Umfeld loslösen. ({51}) Meine Damen und Herren, 1972 hat die Sowjetunion einer Reihe von Grundsätzen zur Verhinderung des Atomkriegs zugestimmt. Das wird immer wieder vergessen. Sie hat sich zur politischen Zurückhaltung verpflichtet. Sie hat sich dazu verpflichtet, Konflikte nicht zu schüren. Was ist allein seit 1975 geschehen? In kaum mehr als vier Jahren gab es kubanische Truppen in Angola, Kubaner in Äthiopien, zwei Invasionen in Zaire, einen kommunistischen Umsturz in Afghanistan, einen kommunistischen Umsturz, eine kommunistische Machtergreifung in Südjemen. Es gab die Besetzung Kambodschas durch Vietnam. ({52}) All dies geschah mit sowjetischen Waffen und mit sowjetischer Unterstützung und in einigen Fällen mit der Hilfe des sowjetischen Vetos in den Vereinten Nationen. Ich sage hier - ich sage es in Übereinstimmung mit Kissinger, der das in seinem „Economist"-Interview ganz deutlich gemacht hat -: Der Westen kann und darf diese dauernden Verletzungen der internationalen Ordnung nicht einfach hinnehmen, wenn er glaubwürdig bleiben will. ({53}) Ob es uns gefällt oder nicht, solange die Sowjetunion an ihrem weltweiten Expansionsstreben festhält und solange sie jeden Konflikt weltweit, wo immer er ausbricht, zu ihren Gunsten auszunutzen versucht, mit Hilfe ihrer Stellvertreter auszunutzen sucht, mit Gewalt auszunutzen sucht, mit direkter oder indirekter Gewalt, so lange wird es zu unserem Bedauern letztlich keine erfolgreiche Rüstungskontrollpolitik geben können. ({54}) Ich fasse zusammen: Nach einem Jahrzehnt der Entspannung und der Abrüstungsverhandlungen ist die Sowjetunion militärisch stärker als je zuvor, hat unsere Sicherheit in Europa und weltweit abgenommen, haben die Spannungen nicht abgenommen, sondern zugenommen, hat die Sowjetunion jede Chance genützt, ihren Einflußbereich auszudehnen. Und ich sage: An dieser Entwicklung ist die westliche Welt und sind auch wir und insbesondere die Bundesregierung mitschuldig. Der Westen hat über Jahre hinweg einseitig Zurückhaltung gezeigt; .wir haben Vorleistungen über Vorleistungen erbracht, wir haben die Verschiebung des militärischen Kräfteverhältnisses hingenommen, und wir haben der gewaltsamen Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs tatenlos oder nur mit papierenen Protesten zugesehen. Die Folge war, die UdSSR hat ihre Aufrüstung immer weiter fortgesetzt. Es ist konsequent - wenn Sie nur endlich verstehen wollten -, daß Sie mit einer Politik, die so geartet ist, wie sie uns heute wieder vorgeführt wurde, genau den sowjetischen Machthabern Tag für Tag bestätigen, daß sie mit einer solchen Politik auf dem richtigen Wege sind. Warum sollten sie dann mit einer solchen Politik der Aufrüstung aufhören? ({55}) Daher, sage ich Ihnen; steht der Westen jetzt vor einer historischen Weichenstellung; entweder er setzt diese Politik einseitiger Zurückhaltung, laufender Vorleistungen fort und steht dann bald an einem Punkt, wo ihm nur noch die Anpassung oder gar die Unterwerfung bleibt, oder er nimmt die sowjetische Herausforderung an, er trifft entschlossen die nötigen Entscheidungen zur Sicherung des Gleichgewichts, und er stellt endlich einmal die Sowjetunion wirklich vor die Alternative Kooperation oder Konfrontation, und das heißt, er muß ihr endlich einmal klarmachen, daß sie nicht gegen den Westen aufrüsten und vom Westen zur gleichen Zeit Geld, Waren und Technologie beziehen kann. ({56}) Wir müssen der Sowjetunion deutlich machen, daß wir natürlich viel lieber die Zusammenarbeit, viel lieber die Kooperation haben. ({57}) - Herr Wehner, die Reaktion der Sowjetunion auf Sie zeigt nur eines: daß die Sowjetunion Sie als Zeugen benützt, um mit ihrer gegen uns gerichteten Politik fortzufahren. Das ist das einzige, was Ihre Intervention bewirkt hat. ({58}) - Jetzt sind wir genau an dem Punkt, auf den es ankommt: Genau weil die Sowjetunion weiß, daß Sie nicht den Mut und die Entschlossenheit haben, das Gleichgewicht wieder herzustellen, ({59}) sondern immer wieder nach Entspannung und gegen Rüstung rufen, genau deswegen wird die Sowjetunion ihre Politik nicht ändern, solange Sie mit dieser Art von Intervention fortfahren. ({60}) Ich sage Ihnen, unser Angebot zur Zusammenarbeit ist mindestens so aufrichtig wie das Ihre. Unser Angebot, das übrigens schon von Adenauer gemacht wurde - darauf berufen Sie sich ja immer wieder -, gilt; ({61}) es galt früher und es gilt heute. Die Sowjetunion weiß, daß sie mit uns kooperieren kann, weiß, daß sie zusammenarbeiten kann. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht nur darin: Bei uns weiß sie, daß sie nicht gleichzeitig massiv das Gleichgewicht durchbrechen und dann auch noch auf die Hilfe des Westens hoffen kann. Das ist der Unterschied. Ich sage noch eines dazu, weil Sie mich dazu verleitet haben: Eine solche Politik setzt natürlich Entschlossenheit und Solidarität auf seiten des Westens voraus. ({62}) Daher möchte ich das, was Kissinger in seinem Interview gesagt hat, auf Sie anwenden. Für Sie gilt das Wort Kissingers: Furchtsamkeit verstärkt die uns drohenden Gefahren und verwirrt unsere Bürger. Und ich füge hinzu: Nachgiebigkeit, Schwäche und Anpassung besiegeln das Schicksal der freien Welt und einer friedlichen internationalen Ordnung. ({63})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister. ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Wörner hat eben eine Rede gehalten, ({0}) die jenseits dessen liegt, was ich in diesem Hause für denkbar und für möglich gehalten habe. ({1}) Der Abgeordnete Wörner hat der Bundesregierung der sozialliberalen Koalition Vorleistungen über Vorleistungen vorgeworfen. Der Abgeordnete Wörner ist augenscheinlich nicht mehr in der Lage, ({2}) Realitäten zu sehen, sich selber zu zügeln und eine sachbezogene verteidigungs- und sicherheitspolitische Debatte hier zu führen; ({3}) denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch in der Tat so - und ich habe dies heute morgen mit aller Ruhe und mit aller Deutlichkeit sichtbar gemacht -, daß zehn Jahre Entspannungspolitik nicht nur ein Mehr an Sicherheit, ({4}) ein Mehr an Zusammenwirken der beiden deutschen Staaten, ({5}) ein Mehr an Sicherheit für Berlin, ({6}) sondern auch ({7}) ein Mehr an Solidität des. Bündnisses, ein Mehr an Solidarität des Bündnisses, ({8}) ein Mehr an Zusammenarbeit der Nordamerikaner mit Westeuropa gebracht haben. Was Sie hier tun, ist Brunnenvergiftung. Und Sie wissen, daß Sie das tun. ({9}) Von Vorleistungen kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Rede kann davon sein, daß wir eine intelBundesminister Dr. Apel ligente Politik machen, die Europa nutzt und der NATO nutzt, während Sie scharfmachen wollen. ({10}) Sie wollen scharfmachen, Sie wollen Wahlkampf machen. ({11}) Sie wollen die schlimmsten Argumente, die es gibt, hier auf den Tisch des Hauses bringen; ohne Rücksicht auf Verluste, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({12}) Augenscheinlich ist es so, daß Sie bei diesem Versuch, ein sehr merkwürdiges Profil für sich zu gewinnen, nicht einmal mehr in der Lage sind, Zeitpläne, Perspektiven internationaler Willensbildung zu sehen. ({13}) Wir werden erst im April dieses Jahres in der nuklearen Planungsgruppe das erstemal mit militärisch-technologischen Alternativen im Bereich der Mittelstrecken-Problematik, der Modernisierung der theater nuclear forces konfrontiert sein. Es gibt derzeit überhaupt keine Entscheidungsgründe, es gibt derzeit überhaupt keine Möglichkeit, zu debattieren, es gibt derzeit überhaupt keine Notwendigkeit, Position zu beziehen, es sei denn eine Position, wie Sie sie beziehen wollen, in der Sie einseitig - ob Sie es wollen oder nicht - den Eindruck erwecken, als wollten Sie mutwillig den Entspannungsprozeß beenden, als wollten Sie doch nuklear den Finger an den Abzughebel bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({14}) Wie können Sie hier so reden, wie können Sie dem Bundeskanzler Handlungsunfähigkeit unterstellen, wie können Sie es wagen, hier von Unterwerfung zu reden, ({15}) in der die Europäische Gemeinschaft auf dem Wege zu einer echten Integration ist, in der das Bündnis beschlossen hat, sich ein langfristiges Verteidigungsprogramm für zehn Jahre und mehr zu geben und die Kräfte zusammenzulegen, um die Voraussetzungen für Rüstungskontrollpolitik zu schaffen, wie können Sie in diesem Moment wider besseres Wissen von Unterwerfung, von nicht vorhandener Handlungsfähigkeit reden?! ({16}) Ich weise diese unglaublichen Unterstellungen zurück, und ich fordere Sie, Herr Abgeordneter Dr. Wörner, auf, zurückzukehren auf die Basis gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ({17}) - im Interesse des Wohls unseres Landes. ({18}) Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung anschließen. ({19}) Als ich heute morgen gesagt habe, ich müsse befürchten, daß es auch aus Europa Stimmen gibt, die uns in die Gefahr bringen könnten, daß wir Europäer den Eindruck erwecken, als wollten wir die Abkommen zu SALT II nicht, wurde von Ihnen gefragt, wer denn und wo denn. Wie Sie zu diesem Thema hier geredet haben, das kann nur den Eindruck erwecken, als wollten weite Teile dieses Parlaments lieber kein SALT-II-Abkommen als dieses. ({20}) Ich füge hinzu: Natürlich bleiben bei SALT II Fragen offen. Deswegen wollen wir ja auch die Verhandlungen über die Mittelstreckenproblematik, die Grauzonenproblematik, die Rüstungskontrollpolitik in SALT III fortsetzen. Aber auf dieser Basis gibt es weder mit den Amerikanern noch im Bündnis noch in diesem Hause die Möglichkeit, gemeinsam Politik zu machen. Sie haben sich hier und heute zu verantworten hinsichtlich eines Verhaltens, das ich skandalös finde. ({21}) Sie wollen das Tischtuch zerreißen. Sie wollen keine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. ({22}) Ihnen ist die brutale Auseinandersetzung um die Macht lieber als eine sachbezogene Debatte, wie sie heute von uns hier versucht worden ist. ({23}) So können wir Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht betreiben. Ich weise deswegen Ihre Unterstellungen mit allem Nachdruck zurück. ({24})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, nach der Intervention des Herrn Ministers erteile ich dem Abgeordneten Wörner für sechs Minuten Redezeit das Wort.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bedanke mich, aber ich habe nicht die Absicht, diese sechs Minuten auszuschöpfen. Ich habe auch nicht die Absicht, auf diesen unqualifizierten Ausbruch des Bundesverteidigungsministers mit gleichen Waffen zu reagieren. ({0}) Herr Apel, ich habe in meinem Leben manche Schulmeister gehabt - sehr gute, gute, manche auch weniger gute. Aber einen würde ich ganz sicher niemals als meinen Schulmeister akzeptieren, schon gar nicht in diesem Parlament, und das sind Sie. Denn Sie haben hier Beispiele für hervorragenden Stil noch nie geliefert, um das einmal klar zu sagen. ({1}) Ich habe eine Frage an Sie: Wie schwach muß Ihre Position, wie schwach muß das sein, was Sie zu vertreten haben, wenn Sie, statt mich zu widerlegen und Argumente gegen mich zu setzen, nur in Beschimpfungen ausbrechen! ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kohl, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt, Sinn dieser Debatte sei eine nüchterne, sachliche Bestandsaufnahme. Ich war auch sofort bereit, Ihnen darin voll zuzustimmen. Aber durch eigenes Fehlverhalten haben Sie diese richtige Erkenntnis sofort in ihr Gegenteil verkehrt und mit den bekannten „Wiener G'schichten" Emotionen geschürt. Sie sprachen von rüpelhaftem Benehmen des SPD-Fraktionsvorsitzenden, von Wehners Ohrfeige für Bundesaußenminister Genscher ({0}) und von dem Dissens in der Koalition. ({1}) - Herr Kollege Kohl, ist es denn notwendig, daß ein Oppositionsführer immer so olle Kamellen, die ja längst widerlegt und längst geklärt sind, aufwärmt? Können Sie es wirklich nicht besser, können Sie es wirklich nicht anders, können Sie es wirklich nicht seriöser? Dann wäre es nämlich sehr viel leichter, in diesem Hause über ein so schwerwiegendes Thema auch miteinander zu diskutieren. ({2}) - Herr Kollege Lemmrich, Sie sagen: der Bundeskanzler. Der Bundeskanzler hat Erklärungen abgegeben, Herr Wehner selbst hat Erklärungen abgegeben. Das Bundesverteidigungsministerium, die Außenminister der Vereinigten Staaten und Großbritanniens haben das ebenfalls getan. Und da stellt sich Herr Kohl hier hin und wärmt Dinge auf, die nun wirklich längst passé, widerlegt und geklärt sind. Schließlich verteidigt er auch noch Horrorzahlen, die in der Zwischenzeit selbst von dem, der sie in die Diskussion eingeführt hat, widerlegt worden sind, nämlich von Herrn Zimmermann. Aber das ist wahrscheinlich deswegen notwendig, weil es in der CDU/CSU immer noch Parteifreunde gibt, die diese verwenden. Ich denke hier z. B. an Herrn Dregger. Er hat ja sicher auch auf diesem Feld keine allzu große Ahnung, und deswegen verwendet er falsche Zahlen. Herr Kohl hat hier gesagt, daß nun für den Wahlkampf 1980 Gräben vorbereitet und Fäden gezogen würden. Ich frage: von wem? Wir, die Freien Demokraten, haben erklärt - ich besonders -, daß wir es ablehnen, dieses für unser Volk so überlebenswichtige Thema aus vordergründiger Parteipolitik in die Niederungen des Wahlkampfes herabzuziehen. Wir werden dagegen angehen! Jeder, der dies will, muß hier mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen. Denn, meine Damen und Herren, entsinnen Sie sich bitte, wie der Wahlkampf im Jahre 1957 nach dem Ungarn-Aufstand geführt worden ist. Ich meine, man sollte deswegen daran erinnern, weil hier ganz offensichtlich Ängste geschürt werden, mit Furcht Politik gemacht wird. Da werden Schauergemälde entworfen, ({3}) da wird vorsätzlich ein schmutziges Geschäft, und zwar in beiden Richtungen, mit Gefühlen zum Zwecke der absoluten Polarisation betrieben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mertes zulassen?

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön, Herr Kollege Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jung, zum Thema „olle Kamellen" und „Wahlkampf" : Finden Sie es nicht auch selbst problematisch, daß nach der Zustimmung des SPD-Fraktionsvorsitzenden zur Antwort der Bundesregierung auf unsere Großen Anfragen derselbe SPD-Fraktionsvorsitzende wenige Tage später in Ungarn wiederum das genaue Gegenteil von dem gesagt hat, was in dieser Regierungsantwort auf unsere Großen Anfragen steht, und ist es nicht die Pflicht der Opposition, darauf hinzuweisen?

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn dem so wäre, wie Sie es hier behaupten, Herr Kollege Mertes, ({0}) dann könnte man nicht widersprechen. Aber es ist doch nachweislich nicht so, ({1}) daß vom Fraktionsvorsitzenden der SPD in Ungarn das genaue Gegenteil dessen gesagt worden wäre, was er mit seiner Zustimmung zu der Antwort der Bundesregierung hier bekundet hat. Insofern trifft das,. was Sie in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben, nicht zu, Herr Kollege Mertes. Ihre Frage ist - wie so oft eine Frage, um etwas in den Raum zu stellen, an dem man dann später ein schönes Schattenboxen veranstalten kann. Ich meine also, daß hier ein Geschäft mit Gefühlen - ich betone noch einmal: das kann natürlich in beiden Richtungen sein - zum Zwecke der absoluten Polarisation betrieben wird, in der Absicht vielleicht, die Stimmen der Vernunft zu übertönen und die einzig überzeugende, saubere Mittlerposition der FDP seit den 50er Jahren zu verdrängen. Ich darf hier, wie ich das schon in der Aktuellen Stunde getan habe, noch einmal betonen, daß wir nicht erst, Herr Kollege Kohl, in den letzten zehn Jahren, wie Sie hier gesagt haben, sondern vielmehr schon seit den 50er Jahren und insbesondere in der Zeit von 1966 bis 1969, in der Zeit der Großen Koalition stets ein klares sicherheitspolitisches Konzept mit Arbeitsteilung im Bündnis - ohne atomare Teilhabe für uns - vertreten und durchgestanden haben. Deshalb sind wir als Freie Demokraten auch daran interessiert, diese Politik konsequent weiterzuführen. Herr Kollege Wörner, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede einen Aspekt erwähnt, den ich gerne noch einmal aufgreifen möchte, allerdings ohne den Hintergedanken, den Sie damit vermutlich verbunden haben. Wenn ich Ihnen etwas Falsches unterstelle, entschuldigen Sie das bitte; ich würde das sofort zurücknehmen. Sie haben im Zusammenhang mit dem Grauzonenbereich die Forderung nach Stärkung der Südflanke - und hier insbesondere der Türkei - erhoben. Ich bin auch Ihrer Meinung, daß man sich in diesem Zusammenhang einiges einfallen lassen muß. Aber das darf natürlich nicht nur auf einen Staat bezogen sein, sondern dann muß man - um nur ein Beispiel zu nennen.- selbstverständlich auch Griechenland einbeziehen. Auf diesem Gebiet sind Anstrengungen nicht nur der Bundesrepublik, sondern der gesamten Gemeinschaft notwendig. Ohne emotionale Untertöne hat mein Kollege Möllemann heute vormittag zu den Grundsätzen und Zielen der Entspannungspolitik und damit auch der Rüstungskontrollpolitik gesprochen. Ich möchte mich dieser Form der Debatte anschließen; denn ich halte sie nicht nur zur Aufklärung des politisch interessierten Bürgers für dringend notwendig, sondern ich meine auch, daß es dieser Debatte nützlich sein kann, wenn man sich immer wieder das Prinzipielle vor Augen führt. Das bewahrt uns vor Fehl- und Vorurteilen, vor Hektik und vor schädlichem Lärm, vor allem aber vor der Versuchung, dieses für uns so vital wichtige Thema zum Gegenstand parteipolitischer Profilierungsbestrebungen zu machen. Ich möchte mich deshalb vor dem Hintergrund der aufgezeigten Grundsätze zu den laufenden Rüstungskontrollverhandlungen auf drei Schwerpunkte - SALT, Grauzonen und MBFR - konzentrieren. Der Beurteilung von SALT, wie sie aus der Antwort der Bundesregierung deutlich wird, schließe ich mich, auch im Namen meiner Fraktion, voll an. SALT ist in der Tat für eine auf Friedenssicherung und stabiles Gleichgewicht gerichtete Politik von hervorragender Bedeutung, ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung zwischen Ost und West und eine wichtige Voraussetzung für weiterreichende Stabilisierungsbemühungen. Wir haben ja deshalb in diesen Tagen und Wochen auch befürchtet, daß eine der negativen Auswirkungen des kriegerischen Konflikts in Südostasien eine Verzögerung des Abschlusses von SALT II sein könnte. Ich halte es daher für außerordentlich wichtig, daß Generalsekretär Breschnew in seiner letzten Rede vor den Wahlen zum Obersten Sowjet am vergangenen Sonntag die Bereitschaft der Sowjetunion bekundet hat, die. Politik der Rüstungskontrolle und der Entspannung zwischen Ost und West gerade auch angesichts der Ereignisse in Asien fortzusetzen. Das gibt Hoffnung, Hoffnung darauf, daß SALT II in absehbarer Zeit nun doch zu einem guten Ende geführt werden kann und damit auch die Voraussetzungen für ein weiteres Vorankommen bei MBFR, aber auch in anderen Bereichen der Rüstungskontrollpolitik geschaffen werden. Denn das ist mir bei meinen Besuchen in Wien klargeworden: Ohne SALT II - ich glaube, das können wir in diesem Hause übereinstimmend feststellen - wird es in Wien keinen Zentimeter Fortschritt geben. Das ist also eine wichtige Voraussetzung für schnellere Erfolge, für Verabredungen, für Verträge in Wien, deren Ausbleiben bis heute wir gemeinsam beklagen. ({2}) Allgemein wird man zur Breschnew-Rede aber vor allem sagen müssen, daß sich die Entspannungspolitik in einer außerordentlich schwierigen, ja gefährlichen Situation ganz offensichtlich bewährt hat. SALT hat aber gleichzeitig auch eine außerordentliche Bedeutung für die Sicherheit aller Mitglieder des Nordatlantischen Bündnisses; denn die nuklearstrategischen Potentiale der Vereinigten Staaten sind das Rückgrat der friedenssichernden Abschreckungsstrategie des Bündnisses. Es kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, daß Präsident Carter während seines Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland im vorigen Jahr eindeutig festgestellt hat, daß die amerikanische Sicherheit heute genauso eng mit der westeuropäischen Sicherheit verknüpft ist wie in den letzten drei Jahrzehnten und daß die Vereinigten Staaten zur Abschreckung vor einem Krieg in Europa und zur Verteidigung des gesamten Bündnisses bereit sind. Wir sind daher sicher, daß ein SALT-II-Vertrag die notwendige enge Zusammenarbeit im westlichen Bündnis für die Zukunft nicht erschweren und waffentechnologische Optionen, die für die Sicherheit Westeuropas vor allem gegenüber den modernisierten nuklearen Mittelstreckenraketen der Sowjetunion notwendig sind, nach Ablauf des SALT-II-Protokolls offenhalten wird. Wir meinen auch, daß noch vor Abschluß von SALT II sichergestellt werden wird, daß eben diese sowjetischen Mittelstreckenraketen, die nicht in die SALT-Verhandlungen eingebunden sind, mit dem Ziel der Parität abgebaut oder durch sicherJung heitspolitische Maßnahmen anderer Art ausgeglichen werden. Nur muß man auch hier den richtigen Zeitpunkt abwarten können, Herr Kollege Wörner. Für uns steht ebenso fest, daß die Vereinigten Staaten hier ihrer Führungsrolle gerecht werden, wie es für uns selbstverständlich ist, daß jeder Bündnispartner bereit sein sollte, die notwendige Verantwortung zu übernehmen. Zur notwendigen Verantwortung gehört es aber auch, daß man nicht zur Unzeit eine Debatte darüber führt, wie man den Grauzonenproblemen begegnen kann. Zur Verantwortung gehört vor allem, daß man hierüber keine polarisierende Debatte führt, die den auch in dieser Frage notwendigen nationalen Konsens, die Bündnissolidarität und damit die Sicherheit bedroht, um die es uns allen ja geht. Ich stimme Herrn Pawelczyk zu, wenn er sagt, daß wir hier keine Vorreiterrolle spielen sollten. Allerdings gibt es zwei Möglichkeiten einer Vorreiterrolle. Es kommt ganz darauf an, von welcher Seite man diese Probleme sieht. Wie immer liegt auch hier die Wahrheit in der Mitte. Wir, die Freien Demokraten, werden deshalb unsere Alternativen, welche die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit genau so berücksichtigen wie die entspannungspolitischen Notwendigkeiten, zur richtigen Zeit in die Debatte einführen. Ich möchte - um das letzte Zwischenspiel zwischen Herrn Wörner und Herrn Apel noch einmal aufzugreifen - doch dem Verteidigungsminister sehr recht geben, wenn er sagt, daß man eben nicht zur Unzeit mit ungelegten Eiern operieren sollte. Denn es gibt in der Tat überhaupt keinen Grund, hier vorzupreschen. Wir werden uns mit allem Ernst diesem uns sehr bedrängenden Problem stellen und dann zur rechten Zeit mit unseren Alternativen kommen. Das wesentliche Ziel der Verhandlungen bei MBFR ist die Herstellung eines ungefähren Gleichstandes der Landstreitkräfte in der Form einer übereinstimmenden kollektiven Gesamthöchststärke im Personalbestand beider Seiten und die Verminderung der Disparität bei Kampfpanzern. Gleichzeitig strebt der Westen an, vertrauensbildende und begleitende Maßnahmen zu bekräftigen bzw. vertraglich zu fixieren. Diese in offiziellen Papieren häufig gebrauchte sehr spröde Formel verschleiert eher die erhebliche politische Bedeutung von MBFR, als daß sie diese deutlich macht. In der Tat bietet MBFR den Teilnehmern die große Chance, ihren Willen zur Entspannung und zum Frieden über bloße Erklärungen hinaus zu beweisen, indem sie in konkreten Verhandlungen zu Beschlüssen und Maßnahmen gelangen, die zunächst datenmäßig gesicherte Parität beim Personal der Landstreitkräfte herzustellen und somit transparent zu machen, daß sich ihre sicherheitspolitischen und militärischen Aktivitäten ausschließlich an ihren Sicherheitsinteressen orientieren, damit Furcht und Mißtrauen abgebaut und eine größere politische Stabilität erreicht wird, Darüber hinaus haben die MBFR-Verhandlungen aber auch Bedeutung für die Rüstungskontrolle allgemein. Denn der Erfolg der Rüstungskontrolle, ob im Rahmen von MBFR-Verhandlungen, in SALT oder der Rüstungskontrollbemühungen in den Vereinten Nationen, ist wesentlich auch davon abhängig, ob es gelingt, die Rüstungskontrolle durch Transparenz der Daten glaubwürdig zu machen. Gelingt dies bei MBFR, ist in der Rüstungskontrolle ein entscheidender Schritt getan. Aber auch militärpolitisch ist MBFR von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Zwar wird das angestrebte MBFR-Ergebnis strategisch nur begrenzte Wirkungen haben, insbesondere solange der Raum der Reduzierungen auf den derzeitigen Bereich begrenzt ist. Deshalb ist uns im übrigen auch der französische Vorschlag einer neuen Initiative außerordentlich interessant, weil er doch diesen Reduktionsraum ausweitet vom Atlantik bis zum Ural ({3}) : Das sagen wir auch!) und nur Personal, nicht aber Waffen oder geschlossene Verbände in größerer Zahl und damit Angriffsoptionen Gegenstand der Verhandlungen sind. Dennoch ist es sehr wohl ein Unterschied, ob im Raum der Reduzierungen eine östliche Überlegenheit von etwa 150 000 Soldaten bei den Landstreitkräften abgebaut oder aufrechterhalten wird. Ich habe neulich schon gesagt: das ist ja immerhin fast die Hälfte der Landstreitkräfte der Bundeswehr. Wenn aber die eben genannten politischen und militärpolitischen Chancen von MBFR genutzt werden sollen, dann ist es notwendig, die Verhandlungen wie bisher auf der Grundlage sachlich fundierter Analyse und abgewogener Bewertung weiterzuführen; dann ist Sauberkeit, dann ist Realitätsbezogenheit, dann ist Verantwortungsbewußtsein weiterhin notwendig. Das heißt, zunächst das Kräfteverhältnis zu berücksichtigen. Auf einer Veranstaltung vor dem Institut für strategische Studien in London im Oktober 1977 hat Bundeskanzler Schmidt hierzu gesagt, durch SALT neutralisieren sich die strategischen Nuklearpotentiale der USA und Sowjetunion. Damit wächst in Europa die Bedeutung der Disparitäten auf nukleartaktischem und konventionellem Gebiet zwischen Ost und West. Im Raum der Reduzierung konkretisieren sich diese Disparitäten wie folgt. Der Warschauer Pakt hat in der DDR, in der Tschechoslowakei und in Polen insgesamt 58 Divisionen zur Verfügung. Ihnen stehen auf westlicher Seite in der Bundesrepublik Deutschland und in den Benelux-Ländern 28 Divisionen gegenüber. ({4}) - Herr Kollege. Mertes, ich bemühe mich immer, korrekte und exakte Zahlen vorzubringen, weil ich nämlich meine, daß weder das Überziehen noch das Untertreiben von Wert ist; beides taugt nicht. ({5}) Insofern bedanke ich mich für Ihre Zustimmung zu meinen exakten Recherchen. Den Unterschied von ungefähr 150 000 Mann in den Mannschaftstärken habe ich bereits erwähnt. Bei den Kampfpanzern ist das Verhältnis etwa drei zu eins zugunsten des Warschauer Pakts. Oder in absoluten Zahlen - die weichen jetzt ein bißchen von denen ab, die Ihre Kollegen hier genannt haben. -: 19 000 Panzern des Warschauer Pakts stehen 6 500 der NATO gegenüber. Nun kommt es ja nicht darauf an, daß heute ein Kollege 1 000 mehr genannt hat als ich. Ich meine, es ist ganz einfach festzustellen: Die Verbände des Warschauer Pakts sind nach Struktur und Dislozierung zur Offensive geeignet. Hinzu kommen erhebliche geographische Vorteile des Warschauer Paktes, die durch den Reduzierungsraum noch verstärkt werden. ({6}) - Aber, Herr Kollege Mertes, kommen wir noch einmal auf das rein militärische Kräfteverhältnis zurück! Wie ist die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Pakts zu bewerten? Nach liberaler Beurteilung ist es falsch, wegen dieser konventionellen Überlegenheit des Warschauer Paktes, die - das wissen Sie ja - übrigens auch vom Osten zugegeben wird, der gegenwärtigen Führung der Sowjetunion die Absicht eines militärischen Angriffs auf Westeuropa unterstellen zu wollen. Das ist nach unserer Ansicht absolut falsch. ({7}) Es muß aber festgestellt werden, daß die konventionellen militärischen Fähigkeiten des Warschauer Pakts weit über das seinen Sicherheitsinteressen Angemessene hinausgehen, selbst wenn man berücksichtigt, daß man hier Sicherheit nicht nur mit militärischer Verteidigungsfähigkeit gleichsetzen kann. Politische Wirkungen ergeben sich nicht nur aus möglichen Absichten, sondern auch aus tatsächlichen Fähigkeiten. Auch wenn nicht die Absicht besteht, militärische Überlegenheit als Mittel der Politik anzuwenden, löst sie beim Gegenüber ein Gefühl der Bedrohtheit aus und wirkt politisch destabilisierend. ({8}) - Gut, dann stimmen wir in diesem Punkt einmal überein. Denn es bleibt auch nach einem Erreichen des MBFR-Verhandlungsziels ein Verhältnis bei den Panzern von 17 300 zu 6 500 zugunsten des Warschauer Paktes. Es bleibt die Tatsache, daß die Sowjetunion zur Erfüllung ihrer Reduzierungsverpflichtungen ihre Streitkräfte nur hinter die polnische Ostgrenze zurückzuführen braucht, also etwa 650 km, von wo sie infolge der Lufttransportkapazitäten in kürzester Zeit in den Reduzierungsraum zurückgeführt werden können. Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten hingegen müssen um 6 000 km zurückverlegt, die zu reduzierenden Verbände der Bundeswehr müßten sogar demobilisiert werden. ({9}) Wegen dieser Tatsachen ist es nach Auffassung der FDP-Fraktion verantwortungsbewußt, wenn das Bündnis und damit die Bundesregierung unverzichtbare Forderungen für die laufenden MBFR-Verhandlungen aufgestellt haben. Hierzu zählen die Forderung nach Parität auf der Grundlage gesicherter Daten. Ein Ergebnis, das die bestehenden Paritäten festschreibt oder bei dem unklar bleibt, ob tatsächlich Disparität hergestellt ist, würde die Unsicherheit und das Mißtrauen aufrechterhalten und möglicherweise weiter verstärken, das gerade bei MBFR abgebaut werden soll. ({10}) MBFR würde so ad absurdum geführt werden! ({11}) Ein solches Ergebnis hätte auch innenpolitische Folgen, die eine Weiterführung der Entspannungspolitik und damit der Rüstungskontrollpolitik mindestens erschweren, meines Erachtens sogar beenden könnten. „Liberale Sicherheitspolitik hat es immer als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet, ausgewogene konventionelle Kräfteverhältnisse in Mitteleuropa sicherzustellen. Sie sind für uns von vitalem Sicherheitsinteresse, denn die konventionellen Stärkeverhältnisse entscheiden auch über die Höhe der atomaren Schwelle, die gerade für unser Volk von so vitaler Bedeutung ist." Ich habe eben HansDietrich Genscher zitiert. Wir fühlen uns auch deshalb besonders verpflichtet, für ausreichende konventionelle Kampfkraft einzutreten, weil wir, die Freien Demokraten, es waren, die ihr Sicherheitskonzept nach dem Prinzip der Arbeitsteilung im Bündnis erstellt und die Übernahme des konventionellen Parts durch die Bundeswehr bei Verzicht auf nukleare Teilhabe gefordert haben. ({12}) - Herr Kollege Damm, wäre man in der Zeit dieser langfristigen Weichenstellung - das war die Zeit, die ich in der Aktuellen Stunde erwähnt habe, die Zeit zwischen 1966 und 1969, die Zeit der Großen Koalition also - unseren Vorstellungen gefolgt, dann würden Sie jetzt nicht dazwischenzurufen brauchen: Das wurde ja nicht durchgesetzt! Dann wäre nämlich heute manche Besorgnis darüber geringer, daß diese oder jene Rüstungsmaßnahme entspannungspolitisch unerwünschte Wirkungen haben könnte. Heute freilich hat sich die Welt infolge der damaligen Weichenstellung so geändert, daß jeder Schritt aus der inzwischen übernommenen Verantwortung heraus höchst problematisch werden würde. Ich muß das einräumen. ({13}) Die deutsch-sowjetische Deklaration, herausgegeben anläßlich des Besuchs von Generalsekretär Breschnew in Bonn im Jahre 1978, stellt fest: Beide Seiten betrachten es als wichtig, daß niemand militärische Überlegenheit anstrebt. ({14}) - Ich zitiere ja! Das ist die Deklaration, Herr Kollege Mertes! ({15}) Sie gehen davon aus, daß annähernde Gleichheit und Parität zur Gewährleistung der Verteidigung ausreichen. Nach Auffassung der FDP wird es nun darauf ankommen, dieses Ziel bei MBFR tatsächlich zu erreichen. Aus den genannten Gründen ist die Datendiskussion hierfür unabdingbare Voraussetzung. ({16}) Die Lösung der Datenfrage allein ist jedoch nicht Vorbedingung für die weitere Erörterung der allgemeinen Verhandlungsthemen. Dies gilt auch für die Verhandlungen über die Konkretisierung des zweiten unverzichtbaren Prinzips der Kollektivität. Das Prinzip der Kollektivität will sicherstellen, daß einzig das Nordatlantische Bündnis, nicht aber der östliche Verhandlungspartner über die Höhe der vorzunehmenden Reduzierung' der Bündnispartner bestimmt. Kollektivität ist infolge der Arbeitsteilung, die ich eben als Kernpunkt unserer sicherheitspolitischen Überlegungen angeführt habe, im Bündnis auch eine ganz logische Forderung. Denn würde man durch gezielte Maßnahmen, auf einen Bündnispartner allein gerichtet, ein Glied der Kette entscheidend schwächen, würde die ganze Kette zerreißen. Die effektive Anwendung des Kollektivitätsprinzips ist somit eine wesentliche Garantie dafür, daß der Westen zur autonomen Organisation seiner Verteidigung in der Lage bleibt. Das heißt auch: die Bundeswehr darf nicht einem Sonderstatus unterworfen werden. ({17}) Andernfalls könnte dies ein erster Schritt sein, die Bundeswehr aus der Integration des Bündnisses herauszulösen. Dies wäre mit unseren westeuropäischen Sicherheitsinteressen, ja mit denen des gesamten Bündnisses unvereinbar. Das berechtigte Sicherheitsinteresse des Ostens an einer substantiellen Reduzierung durch alle Bündnispartner hat die NATO berücksichtigt. Sie hat zugesichert: erstens würden im Zusammenhang mit einem befriedigenden Abkommen über Phase 1 alle nichtamerikanischen westlichen direkten Teilnehmer ihre Bereitschaft erklären, einen substantiellen Anteil der in Phase 2 vorzunehmenden Landstreitkräftereduzierung zu übernehmen, soweit sie im Raum der Reduzierung überhaupt Großverbände unterhalten; zweitens würde der Westen allianzintern bereits vor Unterzeichnung eines Phase-1-Abkommens über die Aufteilung der Gesamtquote der nichtamerikanischen Reduzierung in Phase 2 entscheiden. Dieses Angebot trägt voll dem östlichen Bedenken Rechnung, einzelne nichtamerikanische westliche direkte Teilnehmer könnten nur nominell reduzieren. Das macht über jeden Zweifel klar, daß jeder dieser Teilnehmer mit Großverbänden im Raum der Reduzierungen bereit ist, einen signifikanten Anteil an diesen Reduzierungen zu übernehmen. Die FDP-Fraktion begrüßt, daß die Außenpolitik der Bundesregierung gemeinsam mit der der Bündnispartner mit dem gleichen Nachdruck auf die Vereinbarung vertrauensbildender, stabilisierender und der Verifizierung dienender Maßnahmen hinwirkt, wie sie dies in entscheidender Weise bei der Entwicklung vertrauensbildender Maßnahmen bei der KSZE getan hat. Diese Maßnahmen sollen bei MBFR bekräftigt werden. Die Begünstigung der Sowjetunion durch die geographische Lage des Reduzierungsraumes macht auch Maßnahmen nötig, die der Verifizierung der vertraglichen Abmachungen dienen. Unabhängig hiervon sollten weitere begleitende Maßnahmen vereinbart werden, welche die militärischen Aktivitäten der anderen Seite transparenter machen und dadurch Vertrauen zu schaffen vermögen. Wir Liberalen messen dem größte Bedeutung zu. Die Initiative des Außenministers beweist das. Dabei liegt uns besonders daran, wo immer möglich, den größeren Geltungsbereich der KSZE-Maßnahmen auch im Rahmen von MBFR zu erhalten. Ich verweise noch einmal auf die französische Initiative. Wir halten es für begrüßenswert, wenn im einzelnen folgende Maßnahmen vereinbart werden könnten, auf die im übrigen auch schon Graf Lambsdorff zum Teil hingewiesen hat. Erstens. Bezogen auf den Bereich der KSZE-Schlußakte sollten Aktivitäten angekündigt werden, an denen Kräfte von Divisionsstärke an beteiligt sind. Hierzu sollten auch Beobachter eingeladen werden. ({18}) Zweitens. Auf den Raum der Reduzierung bezogen, sollten größere Bewegungen von Landstreitkräften in diesen Raum hinein vorangekündigt werden. Die Bewegungen in diesen und aus diesem Raum durch stationierte Land- und Luftstreitkräfte sollten durch Beobachter an festgelegten Durchlaufpunkten festgestellt werden können. Drittens. Es sollten Informationen ausgetauscht werden, welche .Aufschluß darüber geben, ob die vereinbarten Reduzierungen durchgeführt und ob die vereinbarten Höchststärken eingehalten werden. Die zur Herstellung der Transparenz notwendigen Aufklärungsmittel sollten nicht beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang begrüßen wir nachhaltig die Erklärung Breschnews, die er in seiner schon erwähnten Rede zum Problem der begleitenden und vertrauensbildenden Maßnahmen abgegeben hat. Breschnew hat hier zum erstenmal nicht in defensiver, sondern in positiv-konstruktiver Weise über die begleitenden Maßnahmen gesprochen. Der Osten sollte nun beim Wort genommen werden. Wir erwarten von ihm nun konstruktive Vorschläge für begleitende Maßnahmen, die auch die Transparenz von Bewegungen verbessern können. Gerade hierauf hat ja Breschnew abgehoben. Er hat sich hierzu zwar im KSZE-Rahmen geäußert, aber es sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, an Breschnews Vorschlag auch bei MBFR zu erinnern und so über die größere Transparenz von Bewegungen die Gefahr eines Überraschungsangriffs zu redu11210 Deutscher Bundestag.- 8. Wahlperiode Jung zieren und Mißtrauen in einem Bereich abzubauen, wo es besonders gut ist. ({19}) MBFR gibt auch Gelegenheit, Breschnews Vorschlag über einen Nichtangriffspakt durch entsprechende Vereinbarungen zu konkretisieren. Die Bundesregierung wird hier sicher entsprechende Vorschläge unterbreiten. Wenn Breschnew sich einerseits positiv über die Notwendigkeit vertrauensbildender Maßnahmen äußert, andererseits jedoch die Bedeutung der Datendiskuission geringschätzt, sollte er nicht vergessen, daß die wirksamste vertrauensbildende Maßnahme eine datenmäßig abgesicherte Parität ist. Über die vorhin genannten Maßnahmen hinaus sollte geprüft werden, ob zur Verbesserung der Rüstungskontrolle in Europa die Einrichtung eines Gremiums zweckmäßig ist, in dem die Bündnisse ebenso wie Neutrale und Blockfreie ihre Streitkräfteplanung unter dem Kriterium sicherheitspolitisch stabilisierender bzw. destabilisierender Wirkung diskutieren, abwägen und aufeinander abstimmen. Voraussetzung wäre die Einrichtung entsprechender Gremien auf nationaler und auf Bündnisebene. Das von der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag in anderem Zusammenhang vorgeschlagene Gremium zur Analyse der sicherheitspolitischen Lage und der sich daraus ergebenden Notwendigkeiten könnte diese Aufgabe im nationalen Bereich übernehmen. Wie Herr Möllemann schon sagte, begrüßt die FDP-Fraktion auch die im Vorjahr eingebrachten und im Schlußkommuniqué der NATO-Außenministerkonferenz vom 7./8. Dezember 1978 niedergelegten Vorschläge des deutschen Außenministers, die darauf abzielen, die nächste KSZE-Uberprüfungskonferenz in Madrid auf hoher politischer Ebene abzuhalten und - das möchte ich ergänzen - bei MBFR die Einberufung einer Verhandlungssitzung auf Außenministerebene vorzuschlagen, wenn die erzielten Ergebnisse dies rechtfertigen. ({20}) Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag begrüßt die konstruktiven Initiativen und Vorschläge des Bündnisses, die wesentlich auch auf Beiträgen der, Bundesregierung beruhen. Aber auch die OstVorschläge enthalten Substanz. So hat u. a. die Datendiskussion durch die erklärte Bereitschaft des Ostens an substantieller Bedeutung gewonnen, auf die Herstellung der Parität bei 700 000 Mann einzugehen. Der Westen sollte nun konkret auf der Grundlage dessen vorgehen, was die letzten Vorschläge von Ost und West an Substanz erbracht haben. Konkretisiert werden müssen vor allem die Prinzipien von ungefährer Parität und Kollektivität. An der Datendiskussion geht kein Weg vorbei, wenn gleich auch andere entscheidende Fragen parallel hierzu behandelt werden können. Das ist bei MBFR ja auch der Fall. Ich sage hier ganz bewußt noch einmal: Nur wenn die Daten sauber ausgehandelt werden, nur wenn in der Diskussion über die Frage der Kollektivität sichergestellt wird, daß das Bündnis autonom in seinen Entscheidungen bleibt, nur wenn begleitende und vertrauensbildende Maßnahmen bekräftigt bzw. vereinbart werden, welche unsere geographischen Nachteile ausgleichen - nur dann wird MBFR sein Ziel erreichen, über mehr militärische Sicherheit größere politische Stabilität herzustellen. Wird hier - verzeihen Sie mir den Ausdruck - gepfuscht, wird hier ein Weg eingeschlagen, auf dem anstelle sachlich fundierter Analyse und Bewertung nebulöse Vorstellungen über „politische Durchbrüche" stehen, dann wird das Gegenteil des Angestrebten eintreten, dann wird MBFR mehr Unsicherheit und damit mehr Mißtrauen zwischen den Staaten erbringen, entgegen ihren Interessen. Der Rüstungskontrollpolitik würde der Rückhalt entzogen, mit allen Konsequenzen einer starken Gefährdung unserer Sicherheit. Dies wird aber nicht geschehen; denn die Bundesrepublik und das Bündnis werden ihre auf sachlich fundierter Analyse und abgewogener Bewertung beruhende konstruktive Rüstungspolitik des schrittweisen Vorgehens, des langen Atems fortsetzen. ({21}) Diese Politik verträgt weder Lärm noch Hektik, weder Zeitdruck noch Ungeduld. Niemand würde für eine von diesen Elementen geprägte Rüstungskontrollpolitik weniger Verständnis haben als der östliche Verhandlungspartner. ({22}) - Ich verhehle nicht, daß auch ich dies erst lernen mußte, Herr Kollege Mertes. Auch ich habe früher an positivere Ergebnisse in Wien geglaubt, ({23}) und ich habe nicht nur daran geglaubt, sondern ich habe sie natürlich gewünscht. ({24}) Mich hat dabei die Tatsache überzeugt, daß die Zeit, von der man ganz allgemein immer sagt, sie arbeite für den Osten, bei MBFR, soweit es unsere westlichen Zielsetzungen angeht, auch für den Westen gearbeitet hat. Die FDP-Fraktion will die Bundesregierung in ihrer erfolgreichen Entspannungs- und Rüstungskontrollpolitik weiterhin in diesem Sinne unterstützen. Die Liberalen werden weiterhin dafür eintreten, daß unsere Entspannungspolitik nicht durch Vernachlässigung ihrer verteidigungspolitischen Voraussetzungen oder durch über das Notwendige hinausgehende Rüstungsmaßnahmen gefährdet wird. Die Liberalen werden all denen entgegentreten, die Furcht als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele in die Debatte einführen, indem sie die Folgen der einen oder der anderen Rüstungsanstrengungen übertrieJung ben darstellen. Die Liberalen werden weiterhin dafür sorgen, daß die Vernunft in dieser so wichtigen Debatte die Oberhand behält. ({25})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Buchstaller.

Werner Buchstaller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Kollegen Dr. Zimmermann, den Oppositionsführer Dr. Kohl und den Verteidigungs- und Friedenspolitiker Dr. Wörner gehört hat, konnte man - so war es wenigstens bei mir - eine Gänsehaut nicht vermeiden. Jedenfalls waren Ihre Reden keine vertrauensbildenden Maßnahmen: diese . Überheblichkeit, diese Arroganz, dieses kernig Deutsche. Was wäre wohl aus den deutsch-deutschen Beziehungen, was wäre aus Berlin und den Berlinern, was wäre aus den Menschen in der DDR geworden, so hat sich mir die Frage aufgedrängt, ({0}) wenn Franz Josef Strauß Bundeskanzler und Dr. Wörner Verteidigungsminister geworden wären? ({1}) Ich weiß, daß Sie auch in der ernstesten Situation zu ungeheurer Spaßhaftigkeit aufgelegt sind. Hier geht es aber um eine ernste Sache, und zwar nicht nur um die Sache der Freiheit, nicht nur um die Sache des Friedens, sondern auch um die Sache des Überlebens. ({2}) Wenn Sie das nicht begriffen haben, dann tun Sie mir leid. Sie werfen dem Herrn Verteidigungsminister vor, er hätte geschulmeistert. ({3}) Ich habe Herrn Dr. Kohl, Herrn Dr. Wörner und Herrn Dr. Zimmermann gehört, die nicht nur die Bundesregierung, sondern auch das Bündnis, den amerikanischen Partner und die europäischen Länder geschulmeistert haben. Was Herr Dr. Wörner darüber gesagt hat, inwieweit man die kleinen Länder in diesem Bündnis überhaupt braucht, widerspricht der Tatsache eines echten Bekenntnisses zur Solidarität im. Bündnis. ({4}) Der Dramatiker Hebbel stellte einmal fest: Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben. ({5}) Weil Sie diesen Mut nicht aufbringen, verrennen Sie sich immer mehr in die Sackgasse eines unverrückbaren Freund-Feind-Verhältnisses, in Mißtrauen, in Angstpsychose und in die Illusion, daß man den Frieden nur mit Kriegsmaterial erhalten könne. ({6}) Ich will auf einige Ihrer Punkte eingehen. Herr Dr. Mertes, ich weiß ja, daß Sie viel klüger sind, alles besser wissen. Aber ich weiß genauso, daß Ihre Politik weiter nichts tut, als in der Sackgasse zu enden, wo es keine Bewegungsmöglichkeit mehr für Verständigung, für Übereinkünfte, für Verträge gibt. Sie haben hier dargestellt, daß die Bundesregierung zuwenig für die Verteidigungskraft und die Verteidigungsfähigkeit tue. Sie haben dargetan, die Politik der Bundesregierung und vor allem der SPD führe zur Abkoppelung vom Westen und zur Aufweichung der Position des Bündnisses. Sie haben weiter versucht, darzustellen, die Politik der Bundesregierung und vor allem der SPD negiere die Gefahr der sowjetischen Rüstungspolitik. ({7}) Verteidigungsminister Dr. Apel hat mit großem Nachdruck und mit großer Überzeugungskraft dargestellt - was Sie auch wissen und was Sie im Verteidigungsausschuß nie bestreiten -, daß es kein Bündnisland gibt, das seine Verteidigungsanstrengungen, die Ausbildung und Ausrüstung seiner Streitkräfte und die Leistungen für das Bündnis im allgemeinen und im besonderen ernster nimmt als die Bundesrepublik. Wie genau Sie, Herr Dr. Wörner, dies wissen, zeigt sich u. a. darin, daß nicht Sie bereit waren, die Ablehnung des Verteidigungshaushaltes zu begründen, sondern dafür den Kollegen Weiskirch ans Rednerpult geschickt haben. Mit Verteidigungsminister Dr. Apel kann ich nur feststellen und unterstreichen: Wir können stolz sein auf die Leistungen und Anstrengungen der Bundeswehr. Wir brauchen für unseren Beitrag zum Bündnis keinen Vergleich zu scheuen. Wir lassen uns nicht davon abhalten, daß nur Verteidigungsbereitschaft und Entspannungsbemühungen gemeinsam den Frieden sicherer machen. Die CDU/CSU und. ihre Sprecher bleiben bei der Methode, ein außenpolitisches, bündnispolitisches und sicherheitspolitisches Vorstellungsbild 'aufzubauen und es als Position des Westens und des Bündnisses zu deklarieren, obwohl nicht eine einzige Regierung des Westens auch nur eine einzige Position der CDU/CSU mitträgt. Da nutzen auch, Herr Dr. Kohl, die Ausflüchte in Politikerpersonen nicht, die nicht in der politischen Verantwortung stehen. Zu Dutzenden berufen Sie sich auf Politiker Amerikas und anderer europäischer Länder, anerkennenswerte Personen. Sie waren einmal große Männer auch in Regierungen. Aber sie sind nicht mehr in der Regierung. Sie sind groß, weil sie versuchen, in die Regierung zu kommen. Aber sie sind nicht drin. Sie tragen nicht die Verantwortung. Sie können deshalb auch Ihnen und dem deutschen Volk gegenüber nicht die Verantwortung übernehmen. ({8}) Die sicherheitspolitische Verzahnung zwischen Europa und Nordamerika ist unentbehrlich. Und weiter: Die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland geht von den objektiven Gegebenheiten der Sicherheitslage in Europa aus und kann deshalb nur Politik im Bündnis - und mit dem Bündnis - sein. Dies steht in der Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Fraktionen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, unser Kollege Herbert Wehner, sagt dazu: Eine friedensfähige Außenpolitik hat Verteidigungsfähigkeit zur Voraussetzung. Das heißt für uns nach dem, was Lage und Situation ist, im Bündnis und für das Bündnis unsere Aufgabe zu erfüllen. Was sagen denn Dr. Zimmermann, Dr. Kohl und Dr. Wörner? Die sprechen schon kaum mehr vom Bündnis. Ihre Hauptbetonung lag darauf: Wenn andere Partner die Waffen, die wir für notwendig halten, nicht stationieren lassen wollen, dann müssen sie eben bei uns allein stationiert werden. „Warum sollen wir die immer noch fragen müssen?" fragen die Drei. ({9}) - Ach lassen Sie doch. Wissen Sie, dies hört sich alles so wunderschön an. Aber wenn man dann die Sätze richtig durchliest, wenn man die Erklärungen, die zurückliegen, noch einmal ganz genau studiert, dann hört man die Zwischentöne. Seien Sie doch einmal ehrlich, Herr Dr. Mertes! Ich erinnere mich an den sich damals auch auf das Verteidigungsgebiet einspielenden CDU-Kollegen Dr. Dregger, als er deutlich machte, wenn es so weitergehe, müsse sowieso unbedingt eine europäische Atommacht gebildet werden. Er konnte sich gar nicht laut genug äußern: Wenn die Amerikaner nicht so wollen, wie wir wollen, dann müssen wir uns eben auf Europas eigenwillige und eigensüchtige Position zurückziehen. Ausgerechnet Sie wollen uns dartun, daß Ihnen nichts mehr am Herzen liege als die Achse zwischen Amerika und Europa. Ich bin der Meinung, daß wir über vieles gemeinsam sachlich diskutieren könnten. Ich bewundere den Mut und das Vertrauen meines stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, des Kollegen Professor Dr. Ehmke, der hier schon in der Aktuellen Stunde gesagt hat, er gehe davon aus, daß bei der großen Debatte über die Sache sachlich diskutiert werden könnte. Er hat diesen Versuch auch heute noch nicht aufgegeben. Ich weiß nicht, ob er sich zutraut, ihn zu wiederholen; denn das war ja von seiten der Opposition bei Gott kein sachlicher Debattenbeitrag. ({10}) Am allerbittersten war das bei den Bemerkungen des Oppositionsführers zu vermerken. Wir müssen uns dareinfügen, daß wir nicht nur in einer unbequemen Welt leben, daß wir nicht nur unbequeme Feinde haben,' sondern daß wir auch unbequeme Freunde haben. Trotzdem ist es eine unserer Hauptaufgaben, mit ihnen gemeinsam die Position zu erarbeiten. Wir haben ganz einfach das Gefühl, und ich habe es zutiefst, daß Sie immer wieder versuchen, die Positionen, die Sorgen und Vorstellungen, die Sie für die Bundesrepublik Deutschland haben, anderen Bündnispartnern aufoktroyieren zu wollen. Es ist keinesfalls so, daß die Bundesregierung oder die SPD die Belastung, die durch die stungspolitik der Sowjetunion gegeben ist, nicht sehen, daß wir sie verkennen. Die Bundesregierung hat in ihren Bemerkungen im Bericht darauf hingewiesen: Die Bundesregierung ist mit den Bündnispartnern besorgt über die Entwicklung von sowjetischen nuklearen Mittelstreckenpotentialen, und sie ist der Auffassung, daß diese Entwicklung bei der Fortsetzung des SALT-Prozesses und bei der Herstellung eines stabileren Gleichgewichts zwischen Ost und West nicht außer Betracht bleiben kann. ({11}) Zu Ihren ewigen Reden, die Regierung möge das ganz vernünftig gesagt haben, aber die SPD sage das viel unvernünftiger, zitiere ich den Sprecher in unserer Sache, den Bundestagskollegen Alfons Pawelczyk, der dazu sagt: Zur Zeit sind die USA in der Lage, auch das Europa bedrohende Nuklearpotential der Sowjetunion ohne zusätzliche Maßnahmen auszugleichen. Wenn sich jedoch die Sowjetunion auf diesem Gebiet zukünftig nicht zurückhält, wird die Stationierung zusätzlichen Nuklearwaffenpotentials der USA in Westeuropa nötig sein. Der große Unterschied liegt doch ganz einfach darin, daß wir eben glauben, daß alles getan werden muß, um in Verhandlungen und durch Vertragsvereinbarungen diese letzte Konsequenz nicht nötig zu machen. Das sagt aber auch die amerikanische Politik. Der Vorsitzende des Unterausschusses Abrüstung des amerikanischen Senats sagt z. B.: Bei der Erörterung der Frage der künftigen Auffassung nach keinesfalls zulassen, daß diese taktischen Nuklearwaffen dürfen wir meiner unabhängig vom strategisch-nuklearen Gesamtgleichgewicht behandelt werden. Würden wir dies zulassen, könnte abermals die Befürchtung einer Herauslösung der amerikanischen strategischen Streitkräfte aus der Verteidigung Europas im Sinne der Theorie aufkommen, ein Gleichgewicht bei taktischen Nuklearwaffen würde ausreichen, die Sowjets von einem Angriff tauf Europa abzuhalten. Genau das zeigt die totale Übereinstimmung mit der Politik der Bundesregierung, mit der Politik der Koalitionsparteien, mit der Politik der Sozialdemokratischen Partei. Herr Kollege Dr. Wörner fragt dann - und damit möchte ich schon zum Schluß kommen ({12}) den Kollegen Wehner, warum er sich denn eigentlich ständig den Kopf der Russen zerbreche. Es sei doch überhaupt nicht unsere Aufgabe, uns deren Kopf zu zerbrechen. ({13}) - Sie wiederholen es aber dauernd. Darauf muß man doch eingehen. - Es ist natürlich eine sehr entscheidende Frage, warum das der Herr Kollege Wehner tut. Einen Grund dafür können Sie jedenfalls in der Rede des amerikanischen Verteidigungsministers nachlesen. Da finden Sie bestätigt, daß nicht nur der Kollege Wehner, sondern auch die amerikanische Administration und der amerikanische Verteidigungsminister darüber nachdenken, welches die Positionen sein könnten. ({14}) Herr Kollege Dr. Wörner, nun komme ich zu dem entscheidenden Punkt. Wenn so etwas die Sozialdemokraten sagen - die Regierung sagt es gar nicht so -, dann ist das links oder jungsozialistisch oder irgend so etwas. Niemand anderer als der Verteidigungsminister der größten mit uns befreuendeten Macht, der größten militärischen Macht des Westens sagt in der Untersuchung über die Motivation für die Aufrüstung der Sowjetunion, indem er eine dritte Überlegung zum Ausdruck bringt - unmöglich, daß dieser Mensch im Gegensatz zu den Ratschlägen von Wörner überhaupt so etwas denken kann -: ({15}) Eine dritte Motivation könnte, so unnötig sie auch sein mag,' die Furcht der Sowjets vor ihren Nachbarn sein, vor allem vor der NATO und der Volksrepublik China. Das hat kein Herbert Wehner gesagt, sondern das hat der Verteidigungsminister der USA gesagt, weil der sich nämlich ebenfalls Gedanken darüber macht. ({16}) Herr Kollege Dr. Wörner, lassen Sie mich am Schluß sagen, warum der sich Gedanken macht. Er sagt auch, warum er sie sich macht. In seiner zusammenfassenden Analyse führt er aus: Wenn es zur großen militärischen Konfrontation kommen könnte, dann würde sie wahrscheinlich ebenso aus Instabilität im Osten wie im Westen entstehen können. Eine verzweifelte Sowjetunion könnte ein noch größeres Problem sein als eine, die sich vertrauensvoll aggressiv gibt. Lesen Sie das alles nicht? Wie können Sie, wenn Sie das gelesen hätten, durch die Lande ziehen und der deutschen Politik raten, die chinesische Karte zu spielen? Unter welchen Vorstellungen leiden Sie denn überhaupt? Wenn es darum geht, ob ein kommunistisch angehauchter Mensch in eine Behörde kommen soll, setzen Sie den ganzen Staatsapparat in Bewegung, und wenn es Ihnen paßt, erklären Sie 800 Millionen chinesischer Kommunisten zu Ihren Freunden. Ich meine, hier muß man doch ganz einfach die große Gefahr sehen - ({17}) - Ach ja, das muß man sehr simpel machen, denn Ihre Gedankengänge sind ja auch nicht weit von dem entfernt, was man als simpel bezeichnen muß. Herr Kollege Dr. Wörner, warum sind Sie eigentlich ein so verschiedenartiger Mensch, ({18}) so vernünftig, wenn wir im Verteidigungsausschuß diskutieren - verbindlich, nett, ein echter Baden-Württemberger -, aber warum sehen Sie sich verpflichtet, hier im Plenum, an diesem Rednerpult, Platitüden vorzutragen, die doch weder vom Bürger noch von uns und erst recht nicht vom Ausland ernst genommen werden können? Darf ich Sie genauso wie Herr Kollege Jung bitten: Tun Sie der Sache und uns allen einen Gefallen, kehren Sie zur sachlichen Diskussion schwieriger Probleme zurück! ({19})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Damm.

Carl Damm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschäftsführer haben mir gesagt, ich sei der letzte Redner dieses Abends. Vielleicht ist es ganz gut, daß ich mir von vornherein kein Manuskript gemacht habe, sondern lediglich Notizen aus der Debatte, und das eine oder andere aufgreife, was ja eigentlich der Sinn dieses Unternehmens ist, nämlich uns darüber schlüssig zu werden, wie wir uns als Deutscher Bundestag verhalten wollen in einer - wie von Herbert Wehner mit Recht gesagt worden ist - Existenzfrage unserer Politik. Morgen wird die Debatte weitergehen. Ich begrüße das sehr. Es ist ganz selten, daß sich der Bundestag zwei Tage lang einem Thema widmet. Daß er das bei diesem Thema tut, begrüßt die Union, denn dies ist eines der wichtigsten Themen, über die wir uns überhaupt unterhalten können. Meine Damen und Herren, ich will, nachdem der Verteidigungsminister wieder im Saal ist, sagen, warum er sich nach meiner Ansicht in seiner zweiten Einlassung heute so fürchterlich aufgeregt hat: Er hat es nicht ertragen können, daß sich Manfred Wörner mit Ehmke und nicht mit Apel auseinandergesetzt hat. Aber das hat sich der Verteidigungsminister selber zuzuschreiben, denn er hat überhaupt nicht zur Sache geredet, als er dazu hier das Wort hatte. ({0}) Herr Apel, ich bin in Sorge, wie Sie sich wohl in einer wirklich ernsten Situation nervlich verhalten werden - in einer Situation, in der Sie Befehle zu geben haben -, wenn Sie hier schon auf Grund einer solchen Intervention so aus den Pantinen kippen. ({1}) Herr Dr. Apel, ich will einen Punkt aufgreifen, den Sie dem Kollegen Wörner kritisch entgegengehalten haben. Sie haben gesagt: Wie ist es überhaupt denkbar, daß der Wörner das, was er hier gesagt hat, zu SALT erklärt, daß sich nämlich die deutsche Regierung nicht in den Ratifizierungsprozeß in Amerika einmischen sollte, sondern die europäischen Notwendigkeiten gegenüber den Amerikanern noch einmal hätte zum Ausdruck bringen müssen? Sie haben so getan, als gäbe es zu SALT überhaupt keine Fragezeichen. ({2}) Sie haben die Erwartung ausgesprochen - nicht nur Sie allein, sondern die ganze Regierung -, daß sich dieses Parlament gewissermaßen einstimmig positiv zu dem - übrigens noch gar nicht endgültig vorliegenden - SALT-Vertrag äußern sollte. Ich möchte Ihnen - als eine Information, wie ich vermute - folgendes sagen. Der amerikanische Verteidigungsausschuß im Repräsentantenhaus, das Armed Services Committee, hat sich in mehrmonatigen Sitzungen mit Hilfe der amerikanischen Regierungsfachleute über SALT ein Bild gemacht und ist mit ganz überwiegender Mehrheit zu einer Ablehnung des vorliegenden SALT-Vertrages gekommen. Das ist typisch für die Situation in den Vereinigten Staaten selbst. Wieso eigentlich sollen wir unkritischer sein gegenüber einem ja auch uns zutiefst angehenden Vertragsentwurf als die Amerikaner selbst, die das Ding zu ratifizieren haben? ({3}) Meine Damen und Herren, das SIPRI-Institut in Schweden, das sich ebenfalls mit der Thematik beschäftigt, die uns hier heute und morgen so in Anspruch nimmt, hat vor einiger Zeit mitgeteilt, daß seit Kriegsende, seit Ende des Zweiten Weltkriegs, über 100 Kriege in der. Welt stattgefunden hätten und dabei mehr als 20 Millionen Menschen ums Leben gekommen seien. Das ist eine so erschrekkende Statistik, daß, wenn es sonst keine anderen Gründe gäbe, allein das uns bewegen müßte, wirklich alles Erdenkliche zu tun, um Kriegsgefahr zu vermeiden, zu beseitigen, um Frieden zu stabilisieren, um Abrüstung und Rüstungskontrolle herbeizuführen. ({4}) Daß die Union, die ich hier vertrete, eine solche Politik, seitdem wir eine Bundesrepublik Deutschland haben, immer zu verfolgen, zu erreichen, zu stärken versucht hat, hat nun interessanterweise vor drei Wochen gerade der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Kollege Wehner, hier unter Beweis gestellt, indem er sich hinsichtlich seiner Einlassungen auf Adenauer berufen hat. ({5}) Das Zitat, das Wehner hier von Adenauer gebracht hat, lautete: Es wird auf der Welt keinen Frieden geben, wenn man nicht mit der kontrollierten Abrüstung sowohl der nuklearen Waffen wie der konventionellen Waffen einen wirklichen und ernsthaften Anfang macht. ({6}) Meine Damen und Herren, das ist eine Politik, zu der sich die Union seit Adenauer bis heute bekennt. Es ist überhaupt unstreitig - jedenfalls wenn es nach uns ginge -, daß die Regierung die Politik, die sie bisher in der Abrüstungs- und Rüstungskontrollfrage verfolgt hat, mit unserer Unterstützung fortsetzen kann, darf und soll. Das Problem, das sich seit vier, fünf Öder sechs Wochen auftut, ist der Herr Wehner, der der Regierung nämlich einen anderen Weg in der Frage der Abrüstung und Rüstungskontrollpolitik vorschreiben will. ({7}) Bevor ich darauf komme, meine Damen und Herren, möchte ich Herrn Ehmke jedenfalls in einem Punkte antworten. Ich finde nämlich wirklich, daß das, was Sie zu dem ganzen Komplex differenziert gesagt haben, bemerkenswert war. Deswegen macht .es einen Sinn, aufeinander einzugehen. Sie haben gesagt, man könne doch nicht bestreiten wollen - das haben auch alle anderen Redner der Koalition, der Regierung gesagt -, daß die Entspannung Erfolg gehabt habe. Im übrigen sei das mit den sowjetischen Erfolgen, die die Sowjetunion gewissermaßen so neben der Entspannung eingeheimst habe, gar nicht so; eigentlich habe sie in Afrika und anderswo mehr Mißerfolge als Erfolge erzielt. Nun will ich nicht klüger sein als Sie; denn Sie sind ein Professor, und ich bin nur ein Volksschullehrer. Aber es gibt ja andere Professoren, die vielleicht noch ein bißchen klüger sind als der Professor Ehmke. Einer von denen ist in meinen Augen - wenn Sie gestatten - Kissinger. Ich halte ihn für noch sachverständiger als Sie. Kissinger hat in seinem „Economist"-Interview - das ist ja noch nicht lange her; Sie haben das mit Sicherheit gelesen - ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich die Sowjetunion nicht an die Prinzipienerklärung von SALT I gehalten habe, eine Prinzipienerklärung, die ja ausdrücklich darauf abzielt, daß man sich - neben der Einhaltung der direkt abgesprochenen Rüstungsbegrenzung - eben auch auf den übrigen wesentlichen Feldern der Politik einer Provokation und der Einheimsung von Vorteilen aus einer bestimmten Situation heraus enthalten möge. Er, Kissinger, sagt wörtlich: Diese Prinzipien sind allgemein nicht ernst genommen worden, weil die Sowjetunion viele Prinzipien mit vielen Ländern unterzeichnet hat. Nach unserer Auffassung jedoch haben wir diese Prinzipien immer als wesentlich betrachtet. Er fährt dann fort: Wenn ein Land ständig jegliches Gleichgewicht bedroht und das gesamte Kräfteverhältnis umzustürzen versucht, - das bezieht sich auf die Sowjetunion indem es marginale Vorteile für sich ansammelt, wird in der Tat entweder die Machtbalance früher oder später umgestülpt oder die Opfer leisten Widerstand, wodurch ein Krieg - ohne Rücksicht auf SALT - entstehen könnte. Kissinger nennt dann als Beispiele Angola, Athiopien, Zaire, Afghanistan, Süd-Jemen, Kambodscha. Und er fügt wörtlich hinzu: „die alle durch sowjetische Waffen, mit sowjetischer Ermutigung und manchmal durch das sowjetische Veto in den Vereinten Nationen erreicht wurden". Ich finde, wir sollten eine so wesentliche Aussage bei der Beurteilung dessen, was die Entspannungspolitik denn für Erfolge für uns oder für die Sowjetunion gebracht hat, nicht außer acht lassen. Daß sich Kissinger sehr differenziert eingelassen hat, ergibt ja sein gesamtes Interview. Hier ist ein Widerspruch, und vielleicht nimmt morgen ja einer Ihrer Redner Gelegenheit, diesen Widerspruch zwischen Kissinger und Ihnen aufzuklären. Nach der öffentlichen Debatte der letzten vier, fünf Wochen könnte der Eindruck entstehen, daß die Debatte, die wir heute führen, überhaupt nicht zustande gekommen wäre, wenn Herbert Wehner im Januar nicht, wie er gesagt hat, Dampf gemacht hätte. Das ist eine irrige Meinung. Diese Debatte ist eine Folge zweier Großer Anfragen, die im Herbst eingebracht worden sind. Diese Großen Anfragen dienten dem Ziel, die Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik im allgemeinen und die Grauzonenproblematik im besonderen im Deutschen Bundestag zu erörtern. Es hätte also des Dampfes von Herbert Wehner nicht bedurft. Ich muß sagen, es wäre sehr viel sinnvoller gewesen, wenn sich der SPD-Fraktionsvorsitzende nicht draußen - sowohl in Magazinen als auch in Interviews und in Ungarn, also im Ausland - zu all diesen Fragen geäußert hätte, sondern heute im Laufe dieses Tages, während dieser Debatte hier im einzelnen dargelegt hätte, warum es denn eigentlich der falsche Weg ist, den diese Regierung zu gehen beabsichtigt. ({8}) Es ist ja gar keine Frage, daß diese Regierung den guten Willen hat, den richtigen Weg zu gehen. Ich verzichte darauf, das vielfältig zu zitieren. Herr Genscher hat das dargelegt. Herr Genscher zitiert Herrn Schmidt, und Herr Schmidt hat schon 197.7 davon geredet, daß hier eine große Gefahr bestehe und daß man für den Ausgleich sorgen müsse, und zwar nicht nur durch Rüstungskontrolle, sondern natürlich auch durch die entsprechende Rüstung selbst. Herr Wehner hat nun dem Ganzen eine ganz andere Richtung gegeben. Ein Kollege, der, wie ich jedenfalls meine, heute während des Tages wohl nicht anwesend sein konnte, Conrad Ahlers, hat sich vor wenigen Tagen in einem Artikel bemüht, Verständnis für Herbert Wehner aufzubringen, jedenfalls psychologisch. Er sagt: Gewiß, es ist oft mühsam, die wirklichen Motive seines - Wehners Handelns zu begreifen, - Da kann ich Herrn Ahlers nur zustimmen. - Doch ist inzwischen klargeworden, daß es ihm - Wehner nicht um eine Umorientierung der deutschen Außenpolitik, um eine Beschwichtigung der Sowjetunion oder um ein aus Mißtrauen geborenes Abkoppeln von den Amerikanern geht. Immerhin geht aus dieser Formulierung von Herrn Ahlers hervor, daß auch er eine Zeitlang gedacht hat ({9}) denn er sagt, inzwischen sei es klargeworden -, daß Herr Wehner seine Einlassungen aus Mißtrauen gegenüber den Amerikanern und mit dem Ziel einer Umorientierung der deutschen Politik gemacht hat. Kein Wunder, daß wir ähnlich denken wie Herr Ahlers und diese Meinung noch immer haben. ({10}) Nun sagt Herr Ahlers allerdings auch noch - und das möchte ich den Anwesenden mit Genehmigung des Präsidenten gern noch vorlesen -: Doch es ist fraglich, ob das Ziel von Herbert Wehner erreicht werden kann, solange das in Europa zugunsten des Warschauer Paktes bestehende militärische Ungleichgewicht vorhanden ist. Das ist eben der Punkt, um den es geht. Es macht mir Mut und Hoffnung, daß es in der SPD-Fraktion neben Ahlers andere gibt - ich weiß es doch -, die wie er die Dinge betrachten, so daß dieser Teil der SPD-Fraktion die Regierung und die Opposition gemeinsam vielleicht in der Lage sein wird, das richtig zu entscheiden, was als eigentlicher Kern der Fragen notwendig entschieden werden muß, um unsere Sicherheit für die nächsten, zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre zu gewährleisten. Wie wesentlich eine Übereinstimmung zwischen der Regierung und einer Mehrheit im Parlament ist, möchte ich zusätzlich durch den gestrigen Bericht eines deutschen Korrespondenten in Moskau unter Beweis stellen, wonach der SPD-Fraktionsvorsitzende Wehner sowohl von der „Prawda" als auch von der „Neuen Zeit" - also der Zeitschrift des Außenministeriums der Sowjetunion - als Kronzeuge für die sowjetische Position mit dem Zitat ins Feld geführt wird, die sowjetische Rüstung sei defensiv und nicht aggressiv. Der deutsche Korrespondent fährt in seinem Bericht an dieser Stelle fort: „ein Wort, wie es auch in jeder sowjetischen Publikation stehen könnte". Ich muß sagen: Ich finde es nicht gut, daß ein Mitglied des deutschen Parlaments überhaupt als Kronzeuge für die sowjetische Politik und die sowjetische Propaganda verwendet werden kann. ({11}) Aber ganz schlecht ist es, wenn es der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, der größten Regierungsfraktion, ist. ({12}) Tatsächlich sehen wir uns ja in der Frage, um die es hier geht, jüngst einer neuerlichen Drohung Breschnews gegenüber. Breschnew hat in seiner Rede, in der er ja auch diesen komischen Vorschlag mit dem Nichtangriffspakt gemacht hat, gesagt, eine Entscheidung in der Mittelstreckenraketenfrage, wie sie - nach seiner Behauptung - von uns anvisiert werde, würde zu einem weiteren - ich zitiere wörtlich - „Anheizen des Wettrüstens und zu einer weiteren Erhöhung der Gefahr für die Bundesrepublik selbst" führen. Das ist eine massive Drohung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Das bedeutet gar nichts anderes als dies: Wir würden es schon zu spüren bekommen, wenn wir uns in dieser Frage so entscheiden, wie Regierung und Sachverständige es seit langem für richtig halten. Diese Drohung ist, wenn ich richtig zähle, das dritte Unternehmen Breschnews, auf die deutsche Politik Einfluß zu nehmen. Das erste war der Brief an den Bundeskanzler zur Neutronenwaffe. Das zweite war der Brief an den Bundeskanzler mit der Aufforderung, keine Waffen nach China zu liefern. Das dritte ist diese öffentlich ausgesprochene Drohung. Wenn das nicht Einflußnahme in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates ist, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was das denn sein soll. ({13}) Wenn das nicht Finnlandisierungsversuche seitens der Sowjetunion gegenüber uns sind, dann gibt es für dieses Wort „Finnlandisierung" überhaupt keine Erklärung. Das ist eine Einmischung, die wir ein für allemal zurückzuweisen haben. ({14}) Ich will jetzt zu der Frage der Mittelstreckenraketen und zu der Frage, wie wir ihnen zu begegnen haben, ein paar Worte sagen. Dem Herrn Professor Ehmke möchte ich auf seine Frage, ob solche Raketen nicht auch großen ,Schaden anrichten könnten, gern sagen, daß in der „Zeit", einem Blatt, das er heute mehrmals zitiert hat, ja nicht nur Theo Sommer schreibt - wogegen ich gar nichts habe; ich finde seine Artikel immer sehr lesenswert -, sondern auch ein Mann wie Lothar Ruehl. Er ist genauso lesenswert und in dieser Frage für mich noch überzeugender, weil ich den Eindruck habe, daß er noch mehr in die Einzelheiten geht, auf die es hier ankommt. Ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einem Artikel, den Ruehl am 2. März 1979 in der „Zeit" veröffentlicht hat, diesen Absatz vorlesen: Welchen Nutzen hat also ein nukleares Mittelstreckenangriffspotential der NATO in Westeuropa gegenüber der Sowjetunion? Diese Frage zielt einmal auf die militärischen Optionen zur Ausführung einer Strategie der flexiblen Erwiderung durch selektiven Einsatz solcher Waffen auch gegen sowjetisches Staatsgebiet. Zum anderen zielt sie auf die Rüstungskontrolle, also auf den Wert zusätzlicher westlicher Mittelstrekkenwaffen für Verhandlungen mit dem Zweck, Produktion und Stationierung der SS 20 und Backfire zumindest gegenüber Westeuropa zu begrenzen, wenn nicht ganz zu eliminieren. Weder die amerikanischen noch die deutschen Verteidigungsplaner halten es für wahrscheinlich, daß diese sowjetischen Waffensysteme auf dem Verhandlungsweg aus Europa entfernt werden können. Ich finde, daß das eine sehr überzeugende Begründung dafür ist, daß wir Mittelstreckenwaffen für den selektiven Einsatz - also nicht zum absoluten numerischen Ausgleich der SS 20 und der Backfire - bei uns haben sollten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voigt?

Carl Damm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Damm, Sie haben eingangs Theo Sommer zitiert. Ist es nicht gerade so, daß er auf Grund einer ganzen Reihe von Alternativen zwar nicht endgültig in Frage stellt, aber doch sehr kritisch fragt, ob man hier in Westeuropa zu einem Mittelstreckenpotential kommen sollte? Ich halte es für nicht ganz richtig, daß Sie dann, wenn Sie hier nur Ruehl zitieren, Sommer gewissermaßen fallenlassen, denn die Argumentation von Theo Sommer ist viel differenzierter als die, die Sie hier vortragen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Frage haben Sie vergessen.

Carl Damm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist völlig okay, Herr Kollege Voigt. Ich habe Sommer nicht zitiert, weil er schon von Ehmke zitiert worden ist. Ich habe Ruehl deswegen zitiert, weil beide Artikel in der „Zeit" gestanden haben. Wir können hier ohnehin nicht sämtliche Aufsätze, die zu diesem Komplex geschrieben werden, vorlesen. Aber wenn man schon den Eindruck erweckt, man wolle hier differenziert argumentieren, wie Herr Ehmke dies getan hat - und ich habe ja gesagt, daß ich és ihm so auch abgenommen habe -, finde ich es korrekt, zu sagen, daß just in demselben Publikationsorgan auch durchStaatssekretär Dr. Fröhlich aus überzeugende Gründe für. die Einführung solcher Mittelstreckenwaffen angeführt worden sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege, möchten Sie noch eine Zwischenfrage stellen? - Bitte schön.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Damm, Sie geben also zu, daß in dem gleichen, von Ihnen so gelobten Blatt nicht nur der Artikel von Ruehl, sondern auch der Artikel von Theo Sommer erschienen ist und daß gerade in. letzterem die Gegenargumente gegen Ruehl angeführt werden?

Carl Damm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege Voigt, ich gebe ohne weiteres zu, daß die Entscheidung über die Produktion und die spätere Stationierung solcher Mittelstreckenwaffen einen sehr differenzierten politischen Entscheidungsvorgang in der Folge des militärischen Vorschlagsvorgangs verlangt. Niemand von uns hat dafür plädiert - Wörner hat das ausdrücklich gesagt -, etwa hier und heute mittels einer simplen Entschließung zu sagen: Wir wollen diese Waffen - und damit basta! Was wir erwarten, ist doch, daß die Regierung nicht nur in den entsprechenden Papieren, von denen sie vielleicht hofft, daß sie keiner richtig liest, zum Ausdruck bringt oder der Kanzler in Vorträgen - wie schon vor anderthalb Jahren in London geschehen - sagt, daß es nötig sei, solche Entwicklungen nicht nur durch Rüstungskontrolle, sondern auch durch Rüstung auszugleichen. Wir erwarten vielmehr, daß die Regierung am Anfang dieses Jahres, da die Entscheidung gefällt werden muß, deutlich macht, daß sie dann, wenn die Sowjets nicht bereit sind, die Bedrohung auf dem Wege über die Rüstungskontrolle zu beseitigen, auch den Willen hat, im Bündnis zur Produktion und zur Stationierung dieser Waffen auf unserem Gebiet ja zu sagen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß noch einmal darauf hinweisen, daß wir dank der Akribie des Vorsitzenden der SPD-Fraktion seit drei Wochen ein hervorragendes Zitat von Adenauer kennen. Es besagt, daß Abrüstung eine ganz wichtige Sache sei und daß wir sie betreiben müßten. Dies wird Herrn Wehner dann ja wohl auch daran hindern, der Union im Wahlkampf im nächsten Jahr vorzuhalten, sie wolle gar keine Abrüstung. Die Politik des Gewaltverzichts, die Adenauer vor allen anderen Kanzlern - er war ja auch der erste Kanzler; und das 14 Jahre lang - betrieben hat - dies ist das erste Wort zur Außenpolitik, das Adenauer, wenn man so will, überhaupt gesprochen hat -, ist auch unsere Politik heute. ({1}) - Herr Mattick, gemeint ist ein Gewaltverzicht auf der Grundlage von wirklicher Sicherheit, und diese wirkliche Sicherheit haben wir nur, wenn wir das Minimum an Gleichgewicht gegenüber der militärischen Bedrohung der Sowjets aufrechterhalten, wie das bisher geschehen ist. Ich finde, zum Schluß sollte ich auch etwas Nettes zum Verteidigungsminister sagen. ({2}) - Ja, er hat es wirklich nötig, denn es hat ihn ja fix gebeutelt. Er hat heute keine gute Rede gehalten - die erste war nicht gut, und die zweite war nicht gut -, und er hat auf der Wehrkundetagung auch nicht das Notwendige konkret gesagt. Aber er hat seiner Rede auf der Wehrkundetagung ein Motto vorangestellt, also etwas, was nicht von ihm selbst stammt, sondern von jemand anderem, und dem kann ich sehr zustimmen, so traurig im Grunde die Aussage dieses Mottos auch ist, weil wir ja alle wünschten, es wäre anders. Aber da die Welt nicht anders ist, als Winston Churchill sie beschrieben hat, bin ich mit Ihnen, Herr Minister Apel, der Meinung - und das ist jetzt Churchill -: „Solange unsere Sicherheit kein Kind der Vernunft sein kann, muß sie eine Tochter des Schreckens sein." ({3}) '

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Aussprache über die Großen Anfragen der Fraktionen der SPD und FDP und der Fraktion der CDU/CSU jetzt unterbrochen und morgen um 9 Uhr fortgesetzt. Ich rufe daher den Zusatzpunkt 1 zur Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Siebenten Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern ({1}) - Drucksache 8/2626 Berichterstatter: Abgeordneter Vogel ({2}) Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Vogel.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident!. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates hat in seinen Sitzungen vom 9. Februar und 3. März 1979 über das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum 7. Bundesbesoldungserhöhungsgesetz beraten. Der die Beratungen abschließende Vorschlag des Vermittlungsausschusses bezieht sich ausschließlich auf Art. VI und auf eine Folgeänderung in Art. VIII des Gesetzesbeschlusses des Bundestages, und zwar in der Numerierung der Bundesratsdrucksache 563/78. Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung der Bezüge der Beamten, Richter und Soldaten sowie der Versorgungsempfänger u. a. um die Einführung einer besonderen Ruhestandsregelung für schwerbehinderte Beamte und Richter ergänzt. Die Mehrheit des Bundestages hielt es für sachgerecht, die vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Rentenrechts auch in das Beamtenrecht zu übernehmen. Vogel ({0}) Es bedarf in diesem Zusammenhang der Erwähnung, daß das Plenum des Bundestages zusätzlich zu der Empfehlung des Innenausschusses, Schwerbehinderten die Möglichkeit einzuräumen, ab 1. Januar 1979 mit Vollendung des 61. Lebensjahres und ab 1. Januar 1980 mit Vollendung des 60. Lebensjahres auf Antrag in den Ruhestand zu treten, eine Regelung beschlossen hat, um die allein in der Folgezeit die Auseinandersetzung ging. Diese Regelung - § 26 Abs. 4 des Beamtenrechtsrahmengesetzes - lautet: Bezieht der nach Absatz 3 Nr. 2 in den Ruhestand versetzte Beamte aus einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit ein Einkommen, das durchschnittlich im Monat 425,00 Deutsche Mark übersteigt, so ist er, solange er das zweiundsechzigste Lebensjahr nicht vollendet hat, erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen; § 29 Abs. 2 gilt entsprechend. Der Ruhestandsbeamte ist verpflichtet, die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit, die die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt, unverzüglich anzuzeigen. Soweit die Beschlußfassung des Bundestages in diesem Punkt. In seiner Anrufung des Vermittlungsausschusses hat der Bundesrat lediglich die Wiederherstellung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses und demgemäß die Streichung der vom Bundestag zusätzlich beschlossenen sogenannten Reaktivierungsklausel begehrt. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses beruht im wesentlichen darauf, daß für das Rentenrecht einerseits und das Beamtenrecht und das Beamtenversorgungsrecht andererseits unterschiedliche Grundsätze gelten, die es verbieten, Regelungen aus dem einen Bereich ohne weiteres in den anderen Bereich zu übernehmen. Im Vermittlungsausschuß ist deshalb abweichend von dem Gesetzesbeschluß des Bundestages, wonach bei einem Hinzuverdienst von mehr als 425 DM monatlich automatisch eine Reaktivierung die Folge sein sollte, eine Regelung erwogen worden, wonach der vorzeitig in den Ruhestand getretene Beamte verpflichtet sein sollte, das monatlich 425 DM übersteigende Einkommen aus einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit abzuliefern. Ein entsprechender Antrag hat aber im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit gefunden. Gegen den Antrag ist geltend gemacht worden, daß er den gleichen grundsätzlichen Bedenken begegne, wie der Beschluß des Bundestages. Da sich auch für die Wiederherstellung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses des Bundestages keine Mehrheit hat finden lassen, hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, zu empfehlen, die Sonderregelung für Schwerbehinderte aus Art. VI des 7. Bundesbesoldungserhöhungsgesetzes zu streichen. In diesem Zusammenhang ist auf den Beschluß des Bundestages vom 20. Oktober 1978 zum 5. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz verwiesen worden, wonach die Bundesregierung bis zum 30. Juni 1981 über das Problem der flexiblen Altersgrenze zu berichten und dabei die Ergebnisse der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, der sogenannten 1984erKommission, zu berücksichtigen hat. Eine Annahme der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses gibt die Möglichkeit, gründlicher, als das jetzt möglich gewesen ist, über die mit der Einführung der besonderen Ruhestandsregelung für schwerbehinderte Beamte und Richter sich stellenden Fragen nachzudenken. Ich möchte betonen, daß alle Seiten des Vermittlungsausschusses dem Anliegen, schwerbehinderten Beamten und Richtern eine frühere Versetzung in den Ruhestand zu ermöglichen und eine entsprechende Regelung einzuführen, aufgeschlossen gegenüberstanden. In diesem Zusammenhang möchte ich die einmütige Bitte des Vermittlungsausschusses vorbringen - hier darf ich vielleicht besonders die Kollegen aus dem Innenausschuß ansprechen -, in Zukunft die Besoldungserhöhungsgesetze nicht mit strukturellen Rechtsänderungen zu belasten, die ihre Verabschiedung zwangsläufig über Gebühr verzögern müssen. Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich um Zustimmung zu der vorgelegten Beschlußempfehlung. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wird das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf der Drucksache 8/2626 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Änderung des Ehenamens ({1}) - Drucksache 8/2627 Berichterstatterin: Frau Minister Dr. Rüdiger Wünscht die Frau Berichterstatterin das Wort? - Bitte schön. Staatsminister Frau Dr. Rüdiger ({2}) : Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Ich habe Ihnen zu der vorliegenden Beschlußempfehlung auf der Drucksache 8/2627 für den Vermittlungsausschuß folgenden Vorschlag zu unterbreiten. Der Bundesrat hat am 16. Februar dieses Jahres beschlossen, zu dem am 13. Dezember 1978 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz über die Änderung des Ehenamens den Vermittlungsausschuß anzurufen, und zwar mit zwei Änderungswünschen. Zum einen sollte die Möglichkeit der Namensänderung bei den sogenannten Altehen auf die Zeit ab dem 1. April 1953 beschränkt werden. In dem Gesetzesbeschluß des Bundestages ist eine derartige Staatsminister Frau Dr. Rüdiger ({3}) Zeitgrenze nicht enthalten. Der Vermittlungsausschuß hat dieses Anrufungsbegehren nicht aufgegriffen. Insofern ist dem Beschluß des Bundestages nichts hinzuzufügen; er ist bestätigt worden. Der Vermittlungsausschuß ist dem Bundesrat bei seinem zweiten Antrag entgegengekommen. Bei diesem zweiten Begehren handelt es sich darum, das Gesetz, vorbehaltlich des § 4 Abs. 4 - dort geht es um den Erlaß von Verwaltungsvorschriften durch den Bundesminister des Innern -, erst drei Monate nach der Verkündung in Kraft treten zu lassen. Diese Frist wurde mit der Notwendigkeit begründet, die mit der Ausführung des Gesetzes befaßten Stellen hinreichend über seine Regelungen zu informieren. Der Vermittlungsausschuß hat empfohlen, statt des bisher vorgesehenen Zeitpunktes - 1. April 1979 - den 1. Juli 1979 als Zeitpunkt für das Inkrafttreten vorzusehen. Ich habe Sie im Namen des Vermittlungsausschusses zu bitten, den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses zu folgen. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wird das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/2627 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Eine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses ist damit angenommen. Ich rufe Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berlin-Förderungsgesetzes - Drucksache 8/2380 - a) Bericht des, Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/2631 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dübber b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 8/2630 Berichterstatter: Abgeordneter Wohlrabe Abgeordneter Dr. Diederich ({2}) ({3}) Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Bitte schön, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit keine Unklarheiten auftauchen: Bei der Novelle zum Berlinförderungsgesetz wird die Union zustimmen. Erlauben Sie mir, trotzdem einige Bemerkungen zu machen, vor allem grundsätzlicher Art; denn es ist in dieser Legislaturperiode immerhin die einzige Novelle, die man mit Recht so bezeichnen kann. Wir haben die Beratungen über die Änderung des Berlinförderungsgesetzes im Finanzausschuß zusammen geführt und haben klargestellt - dazu dient ja aúch die heutige Aussprache -, daß das Ergebnis für die CDU/CSU zu mager ist. Wir hätten uns gewünscht, daß das Volumen mit rund 50 Millionen DM bei den eigentlichen Strukturmaßnahmen und 125 Millionen DM Steuerausfall beim Kindergeld größer wird. Die Gesetzesvorlage - es ist die einzige wirkliche Novellierung in dieser Legislaturperiode - ist nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei waren sich alle Beteiligten, alle Mitglieder der Berlin-Kommission beim Bundespräsidenten im klaren, daß die psychologische Wirkung des damals beschlossenen 900-Millionen-Programms für Berlin ganz entscheidend auf der massiven Bündelung einer Palette von vielerlei Einzelmaßnahmen beruht. Statt dessen wurden - wie sich auch gerade in der Ausschußberatung in den letzten Tagen wieder zeigte - von der SPD/FDP viele wichtige Anträge, die wir auch in der Berlin-Kommission stellten und die durch die Antragstellung der CDU/ CSU erneuert wurden, im Finanzausschuß abgelehnt. Ich denke dabei - um nur die vier wichtigsten Punkte zu nennen - an die steuerliche Vergünstigung des Erwerbs von Althausbesitz, um so die Modernisierung in Berlin wirklich tiefgreifend zu reformieren. Ich denke an eine Verbesserung der Wertschöpfungsschwellen, insbesondere, um den technologischen Fortschritt zu halten. Ich denke an die Schaffung einer steuerfreien Ansparrücklage, damit Handwerkerbetriebe und kleinere Unternehmungen in Berlin stärker als bisher Platz greifen können,. und ich denke auch an die Vergünstigung für die Sanierung und die Modernisierung von Gewerbehöfen. Vier für uns essentielle, wichtige Punkte, die schon mehrfach den Finanzausschuß befaßten, die aber leider erneut von der SPD/FDP-Mehrheit im Ausschuß abgelehnt wurden. Im Finanzausschuß wurde somit den wichtigsten Anträgen, wie wir meinen, nicht stattgegeben. Es sind Anträge, die wir auch in der Scheel-Kommission vorgetragen haben. Leitgedanke beim Berlinförderungsgesetz - dies lassen Sie mich allgemein sagen - war und ist jedoch für die CDU/CSU, daß dieses Gesetz in erster Linie für die Berliner Arbeitnehmer und für die Berliner Wirtschaft da ist. Das Berlinförderungsgesetz ist neben der Bundeshilfe für Berlin die zweite tragende Säule. Sie ist eine der entscheidenden materiellen Hilfen für Berlin. So hängt von diesem Gesetz, auch weil es sich um eine einzige wirkliche zur Zeit - zumindest bis 1981 - kaum wiederkommende Möglichkeit der Novellierung handelt, Entscheidendes ab. Die Anfänge der Berlin-Präferenzen - daran darf hier heute erinnert werden - gehen auf das Jahr 1950 zurück. Sie stammen aus der Verantwortung der CDU/CSU, die damals und auch in der Folgezeit zügig und großzügig für Berlin die Berlin-Förderung ausgebaut hat. Das, was beim Regierungswechsel 1969 übernommen worden ist, ist beim Aufbau und in der Prägung, in den Zielen der Berlin-Präferenz, bis zum heutigen Tag keineswegs in jenem Schritt vorangegangen, wie wir es uns in den letzten zehn Jahren vorgestellt haben. Insofern sind SPD und FDP damals in ein gemachtes Bett gestiegen. Sie müssen sich heute fragen lassen - diese Frage stelle ich, nachdem ich zum drittenmal hier als Berichterstatter für das Berlinförderungsgesetz tätig bin -: Was haben Sie aus diesem soliden Fundament gemacht? Haben Sie weiter darauf aufgebaut? Was ist für Berlin in den letzten zehn Jahren dabei herausgekommen? Der erste Akt der SPD/FDP-Regierung war im Juni 1970 die Umbenennung des „Berlinhilfegesetzes" in „Berlinförderungsgesetz". Mit dieser Umbenennung sollte -- man lese die damaligen Protokolle nach; es war ja noch Claus-Dieter Arndt, der dazu sprach - auf dem Gebiet der Berlin-Präferenzen eine völlig neue Ära eingeleitet werden. Überhaupt ist ja für Sie in der Politik das Jahr 1969 ein Stück Null. Es war das Jahr „Null" in Ihrer Absicht, wie wir uns alle erinnern. Heute ist die Verabschiedung des vorliegenden Änderungsgesetzes Anlaß für eine Bilanz auch in monetärer Hinsicht über knapp zehn Jahre Regierungsverantwortung Ihrerseits. Ich stelle dazu in drei Punkten folgendes fest. Erstens. Das Berlinförderungsgesetz ist seit 1970 insgesamt elfmal geändert worden. Heute beschließen wir die zwölfte Änderung. Keine dieser Änderungen hat den großen originären Wurf gebracht, der den wandelnden Bedürfnissen der Stadt entspricht und der insbesondere Berlins Forderungen gerecht würde. Bei den meisten Änderungen handelt es sich um Reaktionen auf Steuerrechtsänderungen im übrigen Bundesgebiet. Dies ist auch diesmal nur der Fall, von ganz wenigen kleinen Ausnahmen abgesehen. Der an sich wichtige Grundsatz: „Das Präferenzgefälle zwischen Berlin und dem übrigen Bundesgebiet darf nicht geschmälert werden", wurde von der SPD/FDP formal und ohne jede Phantasie gehandhabt. So entstand ein gigantisches Flickwerkgesetz, durch das sich nur noch Ministerialbeamte und Experten durchfinden können. Wir haben in den Einzeldiskussionen im Finanzausschuß gerade darüber selbst immer wieder Klage geführt. Dies schadet nach unserer Auffassung dem Renommee nicht nur der Berlin-Präferenzen, sondern ganz Berlins. Auf diese Weise entstand auch die Gefahr der Subventionsmentalität. Hier liegen die Gründe für die da und dort immer wieder genannte Berlinmüdigkeit. Zweitens. Wo und wann immer bessere und umfassendere Lösungen und Vorschläge auf den Tisch gelegt wurden, sind sie bestenfalls im Ansatz stekkengeblieben. SPD und FDP waren in all den zehn Jahren an keiner Stelle bereit, den großen Sprung nach vorn zu machen. ({0}) - Ich nehme nur einen Punkt, Herr Kollege Löffler, Sie kennen ihn. Die Modernisierung, der steuerbegünstigte Erwerb von Althausbaubesitz ist und bleibt z. B. ein essentieller Punkt. Der von Ihnen angekündigte Zwischenruf kennt die Antwort. Wo ist 'die Weiterentwicklung dieses Systems, das damals als der große Druchbruch zu einer besseren Strukturierung der Berliner Wirtschaft gepriesen wurde? Er fehlt. Die Koalition hat sich nicht einmal dazu verstehen können - dies war leider auch diesmal der Fall, an unserem aktuellen Antrag nachgewiesen -, die Konsequenzen aus der technologischen Entwicklung zu ziehen und der von uns beantragten Herabsetzung der Wertschöpfungsschwelle zuzustimmen. Ein noch markanteres Beispiel ist die Haltung bei der Modernisierung des Althausbaubesitzes. Ich habe es Ihnen soeben gesagt. Dies wäre ein Punkt gewesen, der tiefgreifende Veränderungen gebracht hätte. Sie haben dies aus ideologischen Gründen - weil Sie sich trotz Zustimmung des- Bundesfinanzministeriums beim eigenen SPD-Bausenator in Berlin nicht haben durchsetzen können -, nicht aus praktischen Gründen bis heute immer wieder abgelehnt. Drittens: Das finanzielle Volumen der Berlin-Präferenzen. Es ist wichtig das zu sehen, weil wir damit immer wieder zu tun haben und weil insbesondere der Bundesfinanzminister Matthöfer bei seinen Erörterungen darauf stets Bezug nahm. Das finanzielle Volumen der Berlin-Präferenzen betrug im Jahre 1969 3,2 Milliarden DM. Es erhöhte sich bis 1978 auf etwa 5 Milliarden DM, nominal muß ich hinzufügen. Die realen Werte nehmen sich bescheidener aus. Unter Berücksichtigung der inflationären Geldentwertung beträgt der reale Wert der Berlin-Präferenzen heute rund 3,4 Milliarden DM. Das sind unter dem Strich also nur rund 900 Millionen DM mehr - genau der Ausgleich, der insgesamt das Paket der Scheel-Runde bringt -, rund 37 % mehr als 1969. Vergleicht man dies mit Leistungen, die in andere Förderungsgebiete fließen - hier ist Erhebliches in den letzten zehn Jahren geschehen -, so entspricht dies nicht dem Umfang, die die Sonderstellung Berlins nach Auffassung der CDU/CSU verdient. Deuten Sie meine Ausführungen trotzdem nicht falsch. Was für Berlin getan wird, muß solide sein. Das haben wir immer anerkannt. Wir alle müssen uns aber fragen, ob wir auch diesmal guten Gewissens sagen können, daß die nach Berlin fließenden Steuergelder richtig eingesetzt worden sind. Angesichts der verschiedenen negativen Entwicklungen, die wir feststellen müssen, sind durchaus Zweifel darüber erlaubt. Hier täte eine Kosten-Nutzen-Analyse eventuell auch gute Dienste. Ich warne allerdings davor, alleine mit solchem Kosten-NutzenDenken, wie es der Finanzminister ständig tut, einherzugehen und zu operieren. Die Leistungen für Berlin auf Heller und Pfenning aufzurechnen, ist falsch. Jeder, der Berlin als normale Stadt behandelt, der Berlin rein rechnerisch mit Fördergebieten im Bundesgebiet vergleicht - dies tun innerhalb der SPD-Fraktion zu viele für mich -, wird der politischen und wirtschaftlichen Insellage Berlins einfach nicht gerecht. Berlin trägt - dies ist und bleibt unsere Auffassung - stellvertretend Lasten für ganz Deutschland, die mehr verdienen als nur die Angleichung an Steuerrechtsänderungsgesetze. ({1}) In diesem Lichte bewerte ich auch die vom Berliner Wirtschaftssenator beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegebene Untersuchung über Berlin-Präferenzen. Das Ergebnis zeugt von einer ganz gehörigen Portion Naivität und Weltfremdheit. Es ist geeignet, Berlin größten Schaden zuzufügen. Kein Geringerer als der renommierte Wirtschaftsjournalist des Berliner „Tagesspiegels", Mettner, hat dies unter dem schönen Schlagwort „An der Praxis vorbei" eindeutig auseinandergenommen und dargestellt. Ich betone, die Berlin-Förderung kann man überhaupt nicht rein zahlenmäßig mit der regionalen Wirtschaftsförderung vergleichen, geht es doch in Berlin nicht nur um Ziele der regionalen Wirtschaftspolitik, sondern um politische Grundfragen für Deutschland. Es geht vor allem um den Ausgleich politisch bedingter Standortnachteile und nicht nur um Angleichungsmaßnahmen. Diese, glaube ich, sind so nicht meßbar. Das beweist übrigens auch die Praxis. Wenn das Ergebnis des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung stimmen würde, müßten wir in den letzten Jahren geradezu einen Ansturm westdeutscher Investoren in Berlin gehabt haben, müßte die Stadt gegenüber dem gesamten Bundesgebiet überdurchschnittliche Wachstumsraten vorweisen. Dies jedoch - und das wissen wir alle - ist nicht der Fall. Insofern ist auch zehn Jahre Berlin-Förderungsgesetz kein Sprung nach vorn. Die Zahlen, sei es bei den Industriearbeitern, sei es bei den Industriebetrieben, weisen dies durch den Rückgang eindeutig aus. In Fragen Berlins und der Berlin-Förderung galt in diesem Hause immer der Grundsatz der Einmütigkeit. Wir haben ihn immer mitgetragen, auch dann, wenn es nur eine Mininovelle war und wir uns mit unseren Intentionen nicht durchsetzen konnten. In diesem Zusammenhang war die Berlin-Konferenz aller Parteien beim Bundespräsidenten gemeint. Sie war ein wichtiger Markstein. Wenn dies jedoch in Zukunft so bleiben soll, meine Damen und Herren, wofür wir als CDU/CSU eintreten, müssen Sie von der Koalition, muß sich die Bundesregierung, muß sich der Berliner Senat endlich durchringen, in der Berlin-Förderung den Stillstand zu überwinden und verbalen Floskeln mutige Taten folgen zu lassen, und dies nicht nur vor Wahlen, sondern auch dazwischen, so wie wir es immer wieder beantragt haben. Gerade heute bei der zwölften Änderung des Berlin-Förderungsgesetzes möchte ich Ihnen freimütig sagen - und es wird ja wohl das letztemal sein, daß ich die Ehre habe, zu diesem Gesetz hier im Deutschen Bundestag zu sprechen -: Wir brauchen eine gezielte umfassende Neuorientierung der Berlin-Präferenzen, die von allen als Zeichen der Ermutigung für Berlin, als Bekenntnis zur geteilten alten deutschen Hauptstadt verstanden wird. Berlin muß die Stadt der nationalen Hoffnung sein und bleiben. Dazu gehört mehr als nur die Angleichung von Steuerrechtsänderungsgesetzen. In Berlin verdeutlicht sich für mich und für viele meiner Freunde der unabdingbare Wille zu dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. In Berlin zeigt sich aber auch die Freiheit unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Diese Stadt liegt an der Systemgrenze zum Kollektivismus. Berlin und seine Menschen sollten dafür auch in den 80er Jahren weiter leuchtendes Beispiel sein. Dazu gehört mehr als das, was wir heute beschließen. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Diederich.

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wohlrabe, ich bin für eine scharfe Analyse der ökonomischen Situation, auch wenn es Berlin betrifft. Man muß das aber doch im Zusammenhang dessen sehen, was insgesamt geleistet worden ist. Sie können nicht einfach, wenn Sie hier über die Hilfe für Berlin sprechen, nur das Steueränderungsgesetz herausnehmen und die anderen Dinge vergessen machen wollen. ({0}) Ich unterstelle zwar, daß Sie täglich die Zeitungen lesen, darf aber doch noch einmal zitieren, was in der letzten Zeit alles für Berlin getan worden ist. Die Bundesregierung hat just die Subvention für die Berlin-Flüge verdoppelt. ({1}) - Gut, ich nehme den einen Satz zurück und sage: was Bundestag und Bundesregierung, Regierung und Opposition gemeinsam getan haben. Ich komme Ihnen da gerne entgegen, Herr Wohlrabe. Es ist aber um so schlimmer, wenn Sie das unterschlagen. Wir haben gemeinsam die Subvention für die Berlin-Flüge verdoppelt. ({2}) Wir haben in Berlin die Forschungsförderung vorangebracht. Wir haben im Bundestag gerade eine Übergangsregelung für die Mietpreisbindung in Berlin in Beratung, die auch auf eine Einigung aller Kräfte in Berlin zurückgeht, und wir haben die Änderung des Berlin-Förderungsgesetzes; es ist nicht die erste in dieser Legislaturperiode. Ich glaube, alle Kräfte in diesem Hause sind sich einig, daß Berlin eindeutig einen Präferenzvorsprung gegenüber anderen Förderungsgebieten haben soll und daß die Standortnachteile der Berliner Wirtschaft durch eine dauerhaft angelegte Berlin-Förderung ausgeglichen werden müssen. Ich glaube, daß man feststellen kann: Mit der Vorlage, die wir heute beraten, wird der Vorsprung, soweit er überhaupt verlorengegangen sein sollte, wieder hergestellt. Dr, Diederich ({3}) Wir haben gerade aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ein Gutachten erhalten, das uns sehr detailliert nachweist, daß der Präferenzvorsprung seit Beginn der 70er Jahre - wenn man vielleicht die Situation auf dem Berliner Grundstücksmarkt einmal beiseite läßt - nicht geringer geworden, vielmehr ausgebaut worden ist. Natürlich wird man darüber diskutieren müssen, ob dieses Institut alle Gesichtspunkte richtig berücksichtigt hat. Insgesamt kann man aber doch sagen, daß sich der Status Berlins, soweit darauf über die Förderung Einfluß genommen werden kann, nicht verschlechtert, sondern in den letzten Jahren laufend verbessert hat. Schätzen Sie doch nicht gering, was hier heute beschlossen werden wird. Immerhin geht es um ein Förderungsvolumen von 190 Millionen DM ab 1980, davon allein 125 Millionen DM Kindergeld. Da kann man doch nicht sagen, daß hier nichts getan werde, daß das zuwenig sei, ({4}) - Natürlich, Herr Wohlrabe, kann man - das haben wir im Ausschuß diskutiert und immer und immer wie eine Gebetsmühle wiederholt ({5}) endlose Wunschkataloge formulieren. ({6}) Sie haben das auch in hinreichendem Maße getan. Aber ein Katalog wird nicht dadurch besser, daß man ihn immer wieder vorträgt, sondern es kommt darauf an, in sachlicher Argumentation die Wirkung jedes einzelnen Instruments abzuschätzen und festzustellen, was in der ganzen Sache drin ist. ({7}) Fatal bei Ihrer Argumentation, Herr Wohlrabe, ist, daß Sie sich hier als Vertreter einer Partei darstellen, die sich die Erfindung der freien Marktwirtschaft zugute hält, und zum anderen vor der deutschen Öffentlichkeit geradezu als ein Subventionsjäger auftreten. Das muß man doch einmal in aller Deutlichkeit sagen. Man hat den Eindruck, daß Sie versuchen, mit dem Schmetterlingsnetz immer noch mehr einzufangen, als machbar und vielleicht auch sinnvoll ist, ohne daß die Probleme wirklich ausdiskutiert werden. ({8}) - Ich komme gleich noch auf einzelne der Punkte, um Ihnen nachzuweisen, wie windig all das ist, was Sie hier fordern. Ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Was wir in Berlin verlangen - und das ist ein zentraler Punkt, glaube ich -, ist, daß freie Unternehmer in Berlin wirtschaftlich vertretbare und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen treffen können, d. h., daß Unternehmer Investitionen vornehmen und mit diesen Investitionen angemessene Erträge erwirtschaften können. Dies ist nach allen Unterlagen, die uns vorliegen, ganz eindeutig der Fall. Nehmen Sie den Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 1. März. ({9}) - Herr Wohlrabe, wir können uns in ein Privatissimum begeben und dann- dazu bin ich gern bereit - ein ganzes Wochenende die Statistiken prüfen. Sie werden dann sehen: Die innerstädtische Nachfrage wächst insgesamt langsamer als der überregionale Absatz. Es ist immer ein Ziel Berlins gewesen, den überregionalen Absatz zu fördern. Es wird für 1979 verstärktes Wachstum des Sozialprodukts - in der Vergangenheit - vorausgesagt. Ferner wird eine anhaltende Veränderung der Verwendungsstruktur prognostiziert, eine Verlagerung vom öffentlichen zum privaten Sektor. Daneben wird eine verlangsamte Abnahme der Zahl der Arbeitskräfte vorausgesagt. Dies ist immer ein großes Ziel gewesen, wie Sie wissen. ({10}) - Aber Sie wissen doch, daß in unserer gesamten Wirtschaft die Zahl der Arbeitskräfte im industriellen Sektor abnimmt. Das ist jedoch keine ökonomische Klippschule, Herr Wohlrabe. Das müssen Sie doch wissen. ({11}) Schließlich wird eine günstigere Entwicklung der Wanderungsbilanz und des Bevölkerungsbestandes prognostiziert. Natürlich haben wir keine Zunahme der Bevölkerungszahl zu verzeichnen. Aber zeigen Sie mir einmal eine Großstadt in der westlichen Welt - von wenigen Ausnahmen abgesehen -, die heute eine Bevölkerungszunahme aufzuweisen hat. ({12}) - Wir wollen doch, daß Berlin so normal wie möglich ist. Also nehmen wir auch an den normalen konjunkturellen oder langfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen der westlichen Welt teil, Herr Wohlrabe. Das kann man doch nicht wegdiskutieren. Herr Wohlrabe, wenn Sie sagen, das, was das DIW sagt, sei ein Polemik-Bericht, dann sollten Sie sich Herrn Elfe, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer in Berlin, anhören, der sagte: „Die langfristige Bilanz kann sich sehen lassen." Das ist doch sicherlich auch nicht geschönt oder der Regierungspartei nach dem Munde geredet. ({13}) Natürlich, Herr Wohlrabe, das, was Sie über die Bevölkerungsentwicklung sagen, ist nicht ohne Probleme. Wo in. der Bundesrepublik ist sie das schon? Man kann doch nicht so tun, als entscheide allein Dr. Diederich ({14}) die absolute Bevölkerungszahl über die Lebensfähigkeit einer Stadt, auch einer Stadt wie Berlin. Insofern sind alle Ihre schönen Ziele und Träume hinfällig, daß man hier bei einer Entwicklung eine Trendwende erreichen könne, die das Ergebnis eines sekularen Trends ist. Das kann man in einer einzelnen Stadt gar nicht schaffen. ({15}) Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Oder nehmen Sie den Rückgang der Arbeitsplätze in Berlin. Diesen Rückgang haben Sie doch selbst mit angelegt, indem Sie das Berlin-Förderungsgesetz verabschiedet haben. Die absolute Zahl sagt doch nur wenig. Sie müssen das im Zusammenhang mit der Produktivität der gesamten Volkswirtschaft sehen und im Zusammenhang mit der Produktivität des einzelnen Arbeitsplatzes. Gerade in Berlin haben wir mit Hilfe des Berlin-Förderungsgesetzes den Prozeß der Schaffung rationellerer und produktiverer Arbeitsplätze eingeleitet. Das ist doch alles Grundlagenwissen, das man hier nicht alles wiederholen muß. Das ist doch ein Problem, das wir in der gesamten westlichen Welt haben - vor allen Dingen in der Bundesrepublik -, daß die Zahl der. industriellen Arbeitsplätze mit zunehmender Produktivität zurückgeht. Herr Wohlrabe, ich möchte noch einen Punkt zitieren, den ich gerade gestern in der Presse gefunden habe und der mich doch etwas entsetzt. Denn die Subventionsmentalität, von der Sie gesprochen haben ({16}) - Die mögen wir nicht. Aber Sie haben sie auf das Berlin-Förderungsgesetz zurückgeführt, und Sie wissen ganz genau; daß das nicht zutrifft. Diese Mentalität wird auf einem ganz anderen Wege erzeugt, zu dem Sie ein ganz gehöriges Maß beitragen. Einer Ihrer politischen Repräsentanten im Berliner Abgeordnetenhaus, der Herr Obermeister der Berliner Hotel- und Gaststätteninnung, Herr Zellermeyer, hat vorgestern gesagt, er werde künftig von Berlin-Besuchern verlangen, daß langfristig reservierte Hotelzimmer im voraus bezahlt werden müssen, damit das Hotelgewerbe keine Ausfälle hat. So sehen Sie die Lösung der Hotelprobleme in .Berlin. Wo gibt es denn so etwas? Das ist doch provinziell. ({17}) - Damit haben Sie nichts zu tun? Es ist gut, daß Sie sich davon distanzieren. Sagen Sie das auch einmal Ihren ökonomischen Protagonisten und Interessenvertretern in Berlin! ({18}) Oder nehmen Sie die Abschreibungsmöglichkeiten für den Erwerb von Althäusern, die Sie hier propagieren. ({19}) Es ist ja unbestritten, daß eine Erwerbsbegünstigung in jedem Falle neben den jetzt vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen in bezug auf den Modernisierungsaufwand zusätzliche steuerliche Anreize schaffen würde. Natürlich, das ist ganz klar. Aber Sie müssen doch die Folgen .sehen. Diese Folgen aber diskutieren Sie immer weg. Sie fordern hier große Summen, ohne zu sagen, was die Folgen sind. ({20}) Ist denn die Baliwirtschaft Berlins im Moment überhaupt in der Lage, diese Leistung zu vollbringen? Ich stelle diese Frage einmal so hin; ich bin gerne bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Die zweite Gefahr: Erhöhte steuerliche Abschreibungen beim Erwerb von Althäusern sind in erster Linie für Abschreibungsgesellschaften in der Form der GmbH & Co. KG interessant. Natürlich, klar! Verlustzuweisung, das ist doch der wesentliche Punkt. Je höher die steuerlichen Abschreibungsverluste, um so niedriger die abzuführenden Steuerbeträge. Das ist doch ganz klar. ({21}) Daraus ergeben sich eine ganze Reihe Nachteile, die ich Ihnen hier kurz aufzeigen darf: Erstens. Konzentrierung des Altbaubestandes auf wenige Abschreibungsgesellschaften. Diese Gesellschaften erwerben die Gebäude aus rein abschreibungspolitischen Gründen, aber nicht, um Wohnungen zu schaffen. Zweitens. Preissteigerungen bei Umsätzen mit bebauten Grundstücken. Drittens. Infolge der Verkehrswerte bebauter Grundstücke wird auch allgemein der Bodenwert steigen. ({22}) - Das sind alles Fragen, die ich Ihnen zur Prüfung anheimstelle, bevor ich bereit bin, dieser Sache näherzutreten. Viertens. Preissteigerungen beim Baunebengewerbe durch Überhitzung der Nachfrage nach Modernisierungsbedarf. -Das hatte ich schon gesagt. Fünftens. Schon' total abgeschriebene Objekte werden beim Erwerb noch einmal begünstigt. Sechstens. Wegen der Begünstigung des Erwerbs können unerwünschte oder mißbräuchliche Vorgänge ausgelöst werden, z. B. Zirkelverkäufe, Ausgründung von Gesellschaften. Siebentens. Hauseigentümer, die modernisieren, aber nicht veräußern wollen, werden benachteiligt. Achtens. Modernisierungen finden wegen der steuerlichen Begünstigung statt, aber nicht wegen des Bedarfs, und die Mieter sind die Dummen.. Dr, Diederich ({23}) Ich habe Ihnen hier nur einmal so einen Katalog aufgezählt, um zu zeigen, was alles geprüft werden müßte, um diese Sache zu realisieren. ({24}) - Sie werden sehen, daß die Modernisierung in Berlin auch ohne die Begünstigung, die Sie hier einführen wollen, voranschreitet. Ich glaube schon, daß wir mit dem Berlinförderungsgesetz eine Reihe ganz guter Instrumente im Kasten haben, ({25}) daß es aber darauf ankommt, daß die Instrumente nicht nur geschaffen werden, sondern daß die Wirtschaft von ihnen auch den richtigen Gebrauch macht. Sie wissen hinsichtlich der Flugsubventionen ganz genau, wie schwierig es gewesen ist, die sich ja sehr monopolistisch gerierenden Fluggesellschaften dazu zu veranlassen, etwas zu tun. ({26}) - Ich bin sehr froh, daß Sie mir zugeben, daß das immer eine Frage des Gib und Nimm und des wechselseitigen Handelns ist, ({27}) daß man hier nicht kommen und sagen kann: Noch einmal einige 100 Millionen DM drauf, dann wird es schon laufen. Vielmehr ist das ein langwieriger Prozeß. ({28}) - Sehr gut, Herr Wohlrabe, wir sind uns einig. - Darum sollten wir da sehr behutsam und schrittweise vorgehen und vor der Einführung neuer Instrumente prüfen, ob wir sie und wie wir sie brauchen. Ich möchte zum jetzigen Beratungsstand noch folgendes sagen: Wenn wir dieses Gesetz heute verabschieden, so sollten wir uns darüber einig sein, daß Wirtschaftsförderung auch eine Sache ist, die sich in Ruhe entwickeln muß; darauf sind wir nämlich soeben gekommen. Ich darf hier ganz klar sagen, daß auch wir der Meinung sind, daß wir hier eine ruhige Entwicklung eingeleitet haben. Wie ich lese, ist auch Dr. Günter Braun, Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer, der Meinung, daß in der Berlin-Förderung jetzt Ruhe eintreten muß. ({29}) Ich finde, daß sie auch politisch eintreten muß. ({30}) Lassen Sie mich kurz das zusammenfassen, was die Prinzipien sind, von denen wir ausgehen - Herr Wohlrabe, ich sage das auch in Ihre Richtung -, damit wir hier ein bißchen systematisch vorgehen und nicht nur immer sagen: Hier haben wir noch 100 Millionen oder 200 Millionen DM, die hinübergereicht werden sollen. Erstens. Der Vorsprung, der Präferenzvorsprung gegenüber anderen Förderungsgebieten muß erhalten bleiben oder, wenn er verlorengeht, wiederhergestellt werden. ({31}) Wir werden also bei jedem wirtschaftspolitisch bedeutsamen Gesetzgebungsakt zu prüfen haben, ob und inwieweit der Präferenzvorsprung Berlins davon berührt wird. Zweitens. Veränderungen bestehender Instrumente sollen und dürfen erst nach gründlicher Prüfung aller Auswirkungen in wirtschaftspolitischer und steuerrechtlicher Hinsicht vorgenommen werden, damit eben eine ruhige Entwicklung gewährleistet wird. Die von Ihnen im Ausschuß vorgeschlagene Ansparrücklage, die Sie hier Gott sei Dank nicht mehr angesprochen haben, ist eine ganz problematische Sache, über die wir uns noch unterhalten müssen. Drittens. Neue Instrumente sollen dann - aber auch erst dann! - eingeführt werden, wenn deren Wirksamkeit im Hinblick auf die Ziele der Berlin-Politik klar überschaut werden kann. ({32}) Das gilt für den Althausbestand, deren Erwerb Sie steuerlich begünstigen wollen. Viertens. Es muß darauf geachtet werden, daß in Berlin keine Subventionsmentalität entsteht und daß im Bundesgebiet keine Berlinverdrossenheit aufkommt. Mein Appell als Berliner ist es, die Debatte hier in Zukunft in Ruhe zu führen, ({33}) die Berlinverdrossenheit, die allenthalben keimt, nicht aufleben zu lassen, sondern abzubauen, indem wir zeigen, daß wir in Berlin aus eigener Kraft in der Lage sind, Leistungen zu vollbringen, ({34}) wozu das, was wir hier bekommen, eine gute Hilfe ist. Ich bitte, die Vorlage anzunehmen. ({35})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der Opposition, ({0}) dem seine Partei die Zuständigkeit für Wirtschaftsfragen betreffend Berlin zugeordnet hat, steht noch auf der Rednerliste. ({1}) Der Kollege Wohlrabe - wieselflink wie immer - ist sich treu geblieben und hat den Kollegen Narjes auch hier wieder auszustechen versucht. ({2}) Meine Damen und Herren, trotz dieser Einlage bleibt ja wohl richtig: Gestern ({3}) war ein guter Tag für Berlin. Das Bundeskabinett hat die neuen Subventionen für die Flugtarife beschlossen. ({4}) - Verehrter Herr Kollege Wohlrabe, Ihnen hilft das Krakelen auch nicht mehr. Sie haben mit Ihrer Art mehr Neid und Rivalität kultiviert, als es der gemeinsamen Sache Berlins und auch der Interessenlage der Opposition dienlich ist. Nun bleiben Sie ein bißchen bedeckt. Der Finanzausschuß hat uns zum Berlinförderungsgesetz jene Änderungen vorgelegt, mit denen alle Punkte der gemeinsamen Erklärung der Parteivorsitzenden zur Berlin-Politik, soweit sie in unserer Zuständigkeit liegen, nunmehr aufgearbeitet sind. Was die Flugsubventionen angeht, müssen wir folgendes feststellen: Wir haben in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg sehr viel zur Verbesserung der Verkehrswege auf der Straße getan. Die kräftig gestiegenen Zahlen des Transitverkehrs sprechen eine deutliche Sprache. Deshalb war es notwendig, sich jetzt der Förderung des Luftverkehrs zuzuwenden; denn dieser Verkehrsweg darf politisch und finanziell unter gar keinen Umständen vernachlässigt werden. Gerade für Berlin, das mit seinem vielfältigen kulturellen Angebot und als Messe- und Ausstellungsplatz ein Ort für nationale und internationale Begegnungen sein kann, sind schnelle und preisgünstige Verkehrsverbindungen eminent wichtig. Die geforderte Erhöhung der Flugpreissubventionen ({5}) sollte nach der Meinung der Parteien - auch nach der Meinung Ihrer Partei, verehrter Herr Kollege Wohlrabe - von einer Verbesserung des Flugangebots begleitet werden. Damit ist die technische Ausstattung und die Zahl des Fluggeräts gemeint. Der Berlin-Verkehr hat es nämlich dringend nötig, daß er nicht länger in einem Atemzug mit Verzögerungsverkehr genannt wird. ({6}) Gerade der Flugverkehr - das ist ein entscheidendes Element des freien Zugangs - darf nicht unansehnlich werden. Deshalb sollten sich die Gesellschaften endlich bereit finden, mehr Maschinen auf die Piste zu bringen, und zwar modernes und umweltfreundliches Fluggerät. Der Einsatz des Airbusses im Berlin-Verkehr könnte dabei mehr bedeuten als nur eine Geste der alliierten Fluggesellschaften gegenüber dem politischen und finanziellen Engagement der Bundesregierung und des Bundestages.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe?

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Immer, Frau Präsidentin.

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hoppe, wir haben uns in Fragen der Berlin-Förderung, insbesondere der heute anliegenden Novelle, eigentlich immer gut verstanden. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie zum Beratungsgegenstand, der heute auf der Tagesordnung steht - denn die Flugsubventionen behandeln wir erst in der nächsten Woche im Haushaltsausschuß - für die FDP eine Stellungnahme abgeben könnten, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, daß sich der Wirtschaftssenator in Berlin dazu äußert. Für uns wäre es sicher wichtig, von seiten der FDP-Fraktion dazu einiges zu hören.

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, die Zwischenfrage hilft Ihnen heute auch nicht mehr; ,denn daß das Thema Flugsubventionen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem zur Beratung vorliegenden Entwurf steht - beides hat seinen gemeinsamen Ursprung in der Erklärung der Parteivorsitzenden -, werden Sie ja wohl nicht leugnen wollen. Sie können das auch nicht übersehen haben. Das wäre sonst ein zusätzliches Versäumnis, das Ihnen heute noch unterlaufen wäre. ({0}) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Anziehungskraft Berlins erhalten bleiben und weiter gestärkt werden. Damit werden zwei wichtige Punkte aus dem Berlin-Programm der Parteien vom 19. Juni 1978 verwirklicht. Angesichts der Berliner Bevölkerungsstruktur kommt dabei nicht zuletzt der Erhöhung des Kinderzuschlags eine besondere Bedeutung zu. Das ist eine Förderungsmaßnahme, die sich an der ganz spezifischen Berliner Situation orientiert. Sie behält auch dann ihren guten Sinn, wenn Türkenkinder davon profitieren. Bei den vom Finanzausschuß darüber hinaus vorgesehenen Ergänzungen handelt es sich um regelungsbedürftige und im gegenwärtigen Zeitpunkt regelungsunfähige Einzeltatbestände. Der Maßnahmenkatalog entspricht dabei inhaltlich im we11226 sentlichen genau den Vorschlägen, die die Fraktion der Freien Demokratischen Partei während des Beratungsgangs über den mitberatenden Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen unterbreitet hat. Dabei sichert die Erhöhung der Investitionszulage für unbewegliche Wirtschaftsgüter die Erhaltung des Präferenzgefüges zwischen Berlin und anderen Förderungsgebieten. Die Parteien haben sich nämlich verpflichtet, an dem für Berlin gewollten deutlichen Präferenzvorsprung nicht rütteln zu lassen. Diese Zusage wird hier eingelöst. Bei den übrigen Punkten geht es um die Verbesserungen, die inhaltlich zwischen dem Senat von Berlin und der Berliner Industrie- und Handelskammer abgestimmt wurden und zu denen der Bundesfinanzminister schließlich seine Zustimmung geben konnte. Die weitergehenden Vorschläge der Opposition konnten nicht aufgegriffen werden. Dies war in einigen Fällen deshalb ausgeschlossen, weil die von den Parteien eingeleiteten Prüfungsvorgänge überhaupt noch nicht abgeschlossen sind. Zum anderen waren siie dort abzulehnen, wo sie isteuerpoliti'sch fragwürdig sind, etwa bei der Einführung der steuerfreien Ansparrücklage. ({1}) Insgesamt kann das Ergebnis ({2}) aber doch wohl als Kompromiß der Vernunft und des guten Willens angesehen werden. ({3}) Es ist verständlich, daß die Fraktionen heute noch einmal ihre unterschiedlichen Positionen darlegen. Es ist auch durchaus einzusehen, daß insbesondere die Opposition die Gelegenheit wahrnimmt, heller zu strahlen. Sie will zeigen, was Berlin mit der CDU gewinnt ({4}) oder vielleicht auch sich mit der CDU einhandelt. ({5}) Es bleibt im Interesse Berlins zu wünschen, daß die Diskussion nicht zu einem ausgelagerten Berliner Wahlkampf wird. ({6}) Es ist schön, 'daß es vielleicht nicht nötig ist, den oppositionellen Wahlkämpfern hier im Bundestag die rote Karte zu zeigen. Der Bundespräsident hatte mit seiner Initiative Berlin im Auge. Er wollte die Parteien wahrscheinlich nicht zu neuen Hahnenkämpfen auffordern. Er wollte sie vielmehr an jene Solidarität der Deutschen erinnern, die zusammen mit der Verantwortung der drei Westmächte und der Verpflichtung der Bundesregierung für Berlin sowie dem Willen zu einer friedlichen Zusammenarbeit zwischen Ost und West zum Grundpfeiler für die Zukunft der Stadt und ihrer Bevölkerung geworden ist. Die Parteien haben sich beim Wort nehmen lassen und versprochen, die Bindung zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland aufrechtzuerhalten und zu entwickeln, um die Lebensfähigkeit dieser Stadt dauerhaft zu sichern. Sie sehen darin eine nationale Aufgabe. Sie werden die wirtschaftliche, geistige und kulturelle Anziehungskraft von Berlin erhalten unid stärken. Sie haben an alle staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und Verbände den Appell gerichtet, 'diese Bemühungen durch eigene Anstrengungen wirksam zu unterstützen. Dieses eindrucksvolle Bekenntnis zur Gemeinsamkeit in Sachen Berlin sollten wir nicht zerreden. Die Gemeinsamkeit 'schafft Vertrauen für und in Berlin. Das Vertrauen der Berliner selbst in die Sicherheit und Zukunft der Stadt ist die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer jeden Maßnahme. Man kann sich natürlich jede Fürsorge noch wohltätiger vorstellen. Aber für Berlin ist die Wahrung der wiedergewonnenen Gemeinsamkeiten über die Parteigrenzen hinweg wichtiger als ein zweifelhafter Wettlauf um immer neue Förderungsmaßnahmen. Man muß vielmehr aufpassen, daß die Akteure in Sachen Berlin-Förderung nicht immer häufiger an den Start gerufen werden, denn wir dürfen weder eine Subventionsmentalität in Berlin noch einen Notopfereffekt im Bundesgebiet erzeugen. Der Bundespräsident hat mit seiner Initiative den richtigen Weg gewiesen. Lassen wir uns auch im Wahlkampf nicht davon abbringen. Die Fraktion der FDP stimmt der Gesetzesvorlage in der Erwartung zu, daß damit die für die wirtschaftlichen Entscheidungen doch so schädliche Präferenzdiskussion ihren Abschluß findet. Für die Freien Demokraten sind die finanziellen Förderungsmaßnahmen dabei mehr als ein wirtschaftlicher Ausgleich für eine vom natürlichen Umfeld abgeschnittene Teilregion. Sie sind für uns vielmehr Aufwendungen, die wir leisten, um unserer Nation einen das Ganze repräsentierenden Mittelpunkt zu geben. ({7})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Narjes.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Bundestag kommt mit dem interfraktionell eingebrachten Gesetzentwurf, über den wir heute zu entscheiden haben, einer Empfehlung der Arbeitsgruppe „Berlin" nach, die auf Vereinbarung der vier Parteivorsitzenden bei dem Herrn Bundespräsident gebildet wurde und deren Arbeiten zu der bekannten gemeinsamen Entschließung vom 19. Juni des letzten Jahres geführt haben. Dieses außergewöhnliche Verfahren war Ausdruck des gemeinsamen Willens, die nationale Aufgabe „Berlin" gemeinsam und sachgerecht voranzutreiben. In dem Bewußtsein, daß Berlin Ausdruck und Sinnbild - ich zitiere die Erklärung - der als Folge des Zweiten Weltkrieges entstandenen Trennung der Deutschen und eine Aufforderung an alle politischen Kräfte bleibt, die Teilung Deutschlands auf friedlichem Wege zu überwinden, hat sich die Fraktion der CDU/CSU unter Hintanstellung sachlicher Bedenken an dieser gemeinsamen Arbeit beteiligt. Soweit die Ergebnisse der gemeinsamen Bemühungen sachlich vertretbar sind, haben wir auch nicht die Absicht, die Gemeinsamkeit .aufzukündigen, Herr Kollege Hoppe. Gemessen an diesem Ziel ist indessen die Verwirklichung der einzelnen Beschlüsse, die ihrerseits schon auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner des Verantwortbaren lagen, aber nicht sonderlich überzeugend. Die Koalitionsparteien haben durch die zögerliche und zuweilen kleinmütige Prozedurdiskussion um die hier zu verabschiedenden neuen Tatbestände der Berlin-Förderung eine Chance verpaßt, zusätzliche Impulse nach Berlin zu geben und einen besonderen politischen Elan zu vermitteln. ({0}) Wenn es richtig ist, daß doppelt gibt, wer schnell gibt, so hat der Bundestag durch sein achtmonatiges Werkeln an der Verwirklichung der. gemeinsamen Beschlüsse heute nur die Hälfte von dem gegeben, was möglich war. ({1}) Wenn das der Stil sein sollte, in dem dieser Staat nationale Aufgaben anpackt, dann darf er sich nicht über die Skepsis wundern, die ihm zuweilen entgegenschlägt. ({2}) Wir bedauern insoweit auch, daß der Senat von Berlin bei der Erfüllung der ihm geltenden Verpflichtungen ebenfalls nur mit halber Kraft fährt ({3}) und damit Führungschancen in Berlin aus der Hand gibt. Ich denke dabei an die schleppende Verwirklichung z. B. des Baus von 500 Wohnungen als einem Demonstrationsprojekt für kinderfreundliche Wohnungen, die in das Eigentum von Fachkräften übergehen sollen. Von der Verwirklichung dieses Projekts ist heute noch nichts zu sehen. ({4}) Ich denke auch an das Ausbleiben eines Entwurfs über die Herabsetzung der Gewerbesteuer zum 1. Januar 1980. Gerade dieses von allen Parteien befürwortete Signal könnte schon heute für Investitionsentscheidungen des nächsten Jahres zusätzliche Anreize vermitteln. ({5}) Weit jenseits unserer Terminvorstellungen liegt auch - um auf das Thema „Flugpreise" einzugehen, Herr Kollege Hoppe - die Entscheidung über ihre Herabsetzung durch Erhöhung der Subventionen. Ich stimme dem, was Sie zu den qualitativen Anforderungen des Flugverkehrs gesagt haben, durchaus zu. Wir werden nunmehr im einzelnen die Beschlüsse prüfen und vor allen Dingen ihren Vollzug im Detail kontrollieren müssen. Die vorliegende Novelle des Berlinförderungsgesetzes betrifft ein Gesetz, das infolge seiner Rücksichtnahme auf die Besonderheiten der wirtschaftlichen und sozialen Situation Berlins zwangsläufig von Einzelfallentscheidungen beherrscht sein muß und das deshalb einer besonderen politischen Obhut bedarf. Ohne den Mut zu einem begrenzten gesetzgeberischen Risiko wird der Zweck dieses Gesetzes nicht erreicht werden können, nämlich einmal der Ausgleich der besonderen wirtschaftlichen und sozialen Nachteile Berlins und zum anderen die Sicherung des Berliner Präferenzvorsprungs. ({6}) Selbstverständlich, Herr Kollege Diederich, gibt es keinen Vorschlag, der nicht von allen Seiten mit größter Sorgfalt geprüft werden müßte. Nur eines geht nicht: daß die Dinge, die Sie ablehnen, „Subventionsjägerei" sind und das, was Sie fordern, auf das Wohl der Stadt Berlin gerichtet ist. ({7}) Das ist, eine untragbare Basis für gemeinsame Überlegungen, und von diesem Geiste haben wir uns in der Gruppe beim Bundespräsidenten auch nicht beeinflussen lassen. Bei dem Werkeln am Berlinförderungsgesetz sollte ein hektisches Hantieren mit Änderungsvorschlägen in der Tat vermieden werden. Bei allem, was zu seiner periodischen Anpassung gesagt und dabei verhandelt werden muß, ist darauf zu achten, daß die Wirksamkeit, die Stetigkeit und die Verläßlichkeit dieses Instruments niemals in Zweifel gezogen werden dürfen und daß seine Adressaten aus allen Bemühungen um die Entwicklung dieses Gesetzes nur zusätzliches Vertrauen in Berlin schöpfen und nicht Gründe für weiteres Mißtrauen oder zusätzliche politische Risiken aus der Art der Debattenführung entnehmen können. Selbstverständlich darf keine Änderung der Berlinförderung Anreize zu ihrem Mißbrauch geben oder ungesundes Anspruchsdenken fördern oder gar den Willen zur Selbsthilfe oder unternehmerischen Initiative ersticken. Das ist vor zehn Jahren so selbstverständlich gewesen, wie es hoffentlich auch in den nächsten zehn Jahren bleiben wird. Aber ich wiederhole: Nicht alles, was Sie nicht billigen können, ist Subventionsjägerei. Mit dem Einführen dieses grobschlächtigen Kriteriums vernichten Sie die Chance einer sachgerechten Entwicklung der Berlinförderung. ({8}) Ich schicke diese Bemerkungen nicht zuletzt auch deshalb voran, ({9}) weil die Verhandlungen über die heute vorliegenden Ergänzungen wegen der späteren Behandlung der sogenannten Prüfliste und der in ihr enthaltenen Empfehlungen voraussichtlich dazu führen werden, daß dies nicht das letzte Mal ist, daß wir in dieser Legislaturperiode über die Anpassung der Berlinförderung sprechen müssen. Ich will hoffen, Herr Kollege Diederich, daß Sie sich bei Ihren Aus11228 führungen nicht überlegt haben, daß sie so verstanden werden könnten, daß Sie es generell ablehnen, irgendeine Empfehlung der Prüfliste noch in dieser Legislaturperiode zu verwirklichen. Sollte das der Fall sein, bitte ich Sie, dies doch einmal sehr deutlich zu erklären, damit man in Berlin im Wahlkampf weiß, woran man ist. ({10})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Narjes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Diederich?

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Narjes, darf ich Sie fragen, ob Ihnen entgangen ist, daß ich ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß die Instrumente geprüft werden müssen?

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Zusammenhang mit Ihrem Hinweis auf die Stetigkeit der Berlinförderung haben Sie Wendungen gebraucht, die so interpretiert werden konnten, als wollten Sie in dieser Legislaturperiode nicht mehr an dieses Gesetz herangehen. ({0}) Ich nehme gern zur Kenntnis, daß Sie dies damit einschränken. Wir sind uns insbesondere im Zusammenhang mit der Prüfliste darüber klar, daß alle Anreize zur Verlegung von Unternehmensleitungen nach Berlin besondere Aufmerksamkeit verdienen, aber nur dann erfolgreich sein können, wenn die öffentliche Hand in ihrem Unternehmensbereich ein Zeichen setzt und in der. Umkehr einer bedauerlichen Entwicklung einen Anfang macht. ({1}) Wir haben dies besonders jetzt hervorzuheben, weil der zuständige Bundesfinanzminister es kürzlich in Berlin bei der Tagung mit den Vorständen der bundeseigenen Unternehmen versäumt hat, gerade dieses Ziel besonders herauszustellen und die Vorstände dafür in die Pflicht zu nehmen. ({2}) Selbst wenn die Sitzverlegung nach Berlin nur bei Tochtergesellschaften oder kleineren Unternehmungen begonnen würde: Was not tut, ist, daß überhaupt ein Anfang gesetzt wird. ({3}) Eine besondere Genugtuung würde es uns auch bedeuten, wenn sich das Lager der Gewerkschaften und ihrer großen Unternehmungen diesem Appell anschließen könnte. Hier sollte nicht der Eindruck entstehen, als ob die vorhandene Berlin-Förderung keiner weiteren Ergänzung mehr bedürfte, weil auch ein wissenschaftliches Gutachten, das kürzlich eine gewisse Aufmerksamkeit gefunden hat, einen interessanten Präferenzvorsprung ausrechnet. Wir meinen, daß dieses Gutachten gerade daran leidet, daß das für seine Verfasser zugängliche Material über die tatsächlichen Förderverhältnisse in den Ausbaugebieten des Bundes unvollständig ist, schon weil es statistisch gar nicht ausgewiesen ist. ({4}) Herr Kollege Diederich, ich habe mit Bestürzung gehört, daß Sie es ablehnen, für Berlin ehrgeizige Ziele zu setzen. Wenn Sie das für Berlin nicht tun wollen, dann räumen Sie bitte so schnell wie möglich die Stühle im Schöneberger Rathaus! ({5}) Wir begrüßen insbesondere, daß es möglich war, mit dem Berliner Kinderzuschlag von nunmehr knapp 50 DM einen neuen Anfang in der Entwicklung der Familienförderung in Berlin zu machen. Ich füge hinzu: Das ist nicht unser letztes Wort. Wir werden unablässig in diese Richtung drängen, insbesondere für das zweite und das dritte Kind. ({6}) Wir bedauern indessen, daß Sie nicht den Einstieg gefunden haben in eine weitere Verbesserung der Umsatzsteuerpräferenzen.und insbesondere auch der Präferenzen für Gewerbehöfe. In der Tat, die Veränderung der Fertigungstechniken hätte eine Herabsetzung der Wertschöpfungsgrenze um 5 % nahegelegt, und zwar im Interesse der gesunden Struktur der Berliner Wirtschaft. Auch meinen wir, daß es möglich gewesen wäre, die innerbetrieblichen Dienstleistungen ohne Präjudizierung und ohne Mißbrauchsmöglichkeiten so zu fördern, daß es der Berliner Wirtschaft zugute gekommen wäre. ({7}) Ein anderes Charakteristikum der Berliner Lage ist, daß die Gewerbefläche knapp ist, nur begrenzt verfügbar ist. Aber gerade weil es ein Engpaß ist, wäre es doch angebracht gewesen, daß Sie sich mit uns den Kopf darüber zerbrechen, wie man die vorhandene Fläche am besten nutzt, und es nicht a limine ablehnen, durch Fördermaßnahmen Anreize zu intensiverer Nutzung zu geben. ({8}) Was schließlich die Erleichterung der Modernisierung der Altbausubstanz anlangt, Herr Kollege Diederich, so habe ich Ihre Liste, die Sie hier aufgezählt haben, Herr Kollege Wohlrabe, schon vor einem Jahr gehört und davor auch schon einmal. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht, um auf Grund dieser Liste Erkundigungen einzuziehen, ({9}) und was haben Sie getan - wir haben Sie dazu aufgefordert -, um eventuell die Texte Wohlrabes so anzupassen, daß sie mißbrauchsicher das Ziel der Verbesserung der Bausubstanz erreichen, ohne ihre Gefahren weiter zu pflegen, sondern um sie auszuschalten? Es wäre im Interesse der Gemeinsamkeit Berlins durchaus nützlich gewesen, nicht nur eine Bedenkenliste zu wiederholen, sondern auch an der Lösung der Probleme zu arbeiten. Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß wir bei den Bemühungen um die Verbesserung der Berlin-Förderung auch nicht die nachhaltige UnterstütDr. Narjes zung des Berliner Senats gespürt haben, die wir uns im Interesse der Lage Berlins gewünscht hätten. Sofern der Senat gemeint haben sollte, sich mit Rücksicht auf Stimmungen einer zögernden Bundesregierung wohlverhalten zu müssen, richtet sich unsere Kritik an diese Bundesregierung selbst, ({10}) daß sie überhaupt diesen Anspruch und Eindruck hat entstehen lassen. Nicht passiver Widerstand, sondern konstruktive Hilfe sollte die Grundhaltung des Bundesfinanzministeriums in Richtung Berlin sein. ({11}) Mit der vorliegenden Novellierung des BerlinFörderungsgesetzes, der wir zustimmen, hat die Lebensfähigkeit Berlins eine gewisse Stärkung erfahren. Sie hätte schneller beschlossen werden und wirkungsvoller ausfallen können. Haushaltspolitisch jedenfalls sind die Belastungen nicht so gravierend, daß an ihnen die Zustimmung der Bundesregierung zu einer weiteren Fassung hätte scheitern müssen. ({12})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung in der zweiten Lesung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, die Einleitung und die Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Wer in der dritten Beratung dem Gesetz seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir haben nun noch über die Empfehlung des Ausschusses zu beschließen, die Eingaben für erledigt zu erklären. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Durchführung des Abkommens vom 7. Januar 1976 über Soziale Sicherheit - Drucksache 8/2435.Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0}) - Drucksache 8/2569 Berichterstatter: Abgeordneter Sieler ({1}) Hierzu hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Sieler, um das Wort gebeten.

Wolfgang Sieler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002173, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Infolge eines Versehens sind mehrere, sich zum Teil wiederholende Daten auf Seite 4 des Berichts unrichtig und müssen daher korrigiert werden. So muß es in der linken Spalte auf Seite 4 der Drucksache 8/2435 statt „1. Januar 1976" heißen „1. Januar 1956" und statt „30. September 1975" vielmehr „31. Dezember 1975". In der rechten Spalte muß es statt „30. September 1955" heißen „31. Dezember 1955". ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir nehmen diese Änderungen in unser Bewußtsein auf und werden entsprechend beschließen. Meine Damen und Herren, wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber verbinden wir mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollübereinkommen vom 14. November 1975 über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR ({0}) - Drucksache 8/2233 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 8/2580 Berichterstatter: Abgeordneter Rapp ({2}) ({3}) Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber verbinden wir mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. September 1977 zwischen der Regierung Vizepräsident Frau Funcke der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Hellenischen Republik über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr - Drucksache 8/2231 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({4}) - Drucksache 8/2574 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Spöri ({5}) Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort; zur Aussprache wird das Wort ebenfalls nicht gewünscht.. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber verbinden wir mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Juli 1977 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Schweden über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr - Drucksache 8/2235 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({6}) - Drucksache 8/2575 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Spöri ({7}) Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt. Ich rufe in zweiter Beratung auf die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift. Wir verbinden mit der Abstimmung hierüber die Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 7 der Tagesordnung auf: . Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ungarischen Volksrepublik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen - Drucksache 8/2234 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({8}) - Drucksache 8/2576 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({9}) Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Aussprache wird nicht begehrt. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung hierüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Mai 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kenia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Drucksache 8/2237 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({10}) - Drucksache 8/2577 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({11}) Bevor ich die Beratung eröffne, teile ich dem Hause mit, daß im Vertragstext eine Berichtigung vorzunehmen ist, und zwar müssen in Ziffer 6 des Protokolls auf Seite 24 der Drucksache 8/2237 in den ersten beiden Zeilen die Worte „Absatzes 2" bzw. „Absatz 2" jeweils lauten: „Absatzes 1" bzw. „Absatz 1". Im englischen Text müssen die Ziffern „2" durch „1" ersetzt werden. Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht. In der zweiten Beratung rufe ich die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. März 1978 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Venezuela zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Unternehmen der Luftfahrt und der Seeschiffahrt - Drucksache 8/2288 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({12}) - Drucksache 8/2578 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({13}) Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 141.. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. März 1979 11231 Vizepräsident Frau Funcke Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall. Auch das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht. Ich rufe in der Einzelberatung die Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber verbinden wir mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Juli 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Drucksache 8/2434 - Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({14}) - Drucksache 8/2579 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({15}) Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht, und auch in der Aussprache wünscht niemand das Wort. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung darüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte -ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig so beschlossen. Damit sind wir am Ende unserer heutigen Beratungen. Ich berufe das Haus zur nächsten Sitzung auf morgen, Freitag, den 9. März 1979, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.