Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Auf der Diplomatentribüne hat S. E. der Minister der Justiz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Herr Terebilow, Platz genommen, der auf Einladung des Herrn Bundesministers der Justiz die Bundesrepublik Deutschland besucht. Ich begrüße Sie, Herr Minister, im Deutschen Bundestag und möchte dem Wunsch Ausdruck geben, daß Ihr Besuch der Vertiefung der Beziehungen zwischen Ihrem und unserem Lande dienen möge.
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Ich habe dem Hause einige Mitteilungen zu machen: Die Beschlußempfehlung und der Bericht des
Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland ({1}) - Drucksachen 8/362, 8/918 und 8/940 - sollen nach einer Vereinbarung im Ältestenrat an den Innenausschuß - federführend -, an den Rechtsausschuß - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zurückverwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen - Stand: 16. Januar 1979 - vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen
werden sollen:
Unterrichtung durdi die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. September bis 4. Oktober 1978 in Straßburg ({2})
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit den ergänzenden Maßnahmen nach dem Fünften Strafrechtsreformgesetz ({3}) vom 28. August 1975 ({4})
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({5}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
Rechtsausschuß
Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - über die Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflicht in allen Sozialleistungsbereichen, über den Zugang zu den Sozialleistungen
sowie über die Eigenermittlungen der Leistungsträger ({6})
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({7}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist auch das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität -({8})
- Drucksache 8/2382 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({9}) Innenausschuß
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Generation hat im Laufe der letzten 20 Jahre eine Reihe bedeutsamer Bewußtseinsänderungen erlebt. Eine der nachhaltigsten hat sich in unserer Einstellung zur Umwelt vollzogen. Noch vor nicht allzu langer Zeit galt uns die Natur als unerschöpflich und unzerstörbar; ihre wesentlichen Bestandteile - Wasser, Luft, das Erdreich, die Flüsse und die Meere - erschienen uns als sich stets von selbst erneuernde Güter des Überflusses, die der Menschheit nach Belieben, ja nach Willkür zur Verfügung stehen. Wenn in diesem Zusammenhang von „Schutz" die Rede war, dann in aller Regel vom Schutz des Menschen vor der Natur und gegen die Natur.
Heute wissen wir: Die Natur, die Umwelt, in der wir leben, ist keineswegs unzerstörbar. Sie ist verletzlich, ihre Ressourcen sind begrenzt. Wir dürfen auch hier nicht alles tun, wozu wir technisch und ökonomisch imstande sind. Die Umwelt bedarf ihrerseits des Schutzes vor menschlichem Tun, und zwar um des Menschen und um seiner Wohlfahrt willen.
Diese Erkenntnis beschränkt sich keineswegs auf unser Land. Sie 'ist weltweit im Fortschreiten und
im Vordringen, und zwar ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Systeme. Deshalb ist auch der Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet besonders fruchtbar, und deshalb ist dieses Thema auch Gegenstand der Gespräche zwischen dem sowjetischen Justizminister und mir.
Dieser veränderten Erkenntnis muß ein verändertes Verhalten entsprechen, ein Verhalten, das in erster Linie eigener Einsicht entspringt, das freiwillig und aus eigener Verantwortung Schädliches unterläßt oder möglichen Gefährdungswirkungen des eigenen Tuns vorbeugt. Hier liegt für alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte unseres Volkes eine große und andauernde Aufgabe. Hier muß sich vieles bewähren, was uns sonst leicht über die Lippen geht. Hier zeigt sich auch, welche Rangordnung der Werte wir in der Wirklichkeit praktizieren. Realistisches Engagement ist dabei ebenso nützlich und wichtig, ja, nützlicher als globale Prognose allein oder gar als allgemein gehaltene Schreckensvisionen, die häufig genug eher Resignation als reale Veränderung und Verbesserung bewirken.
Allerdings genügt die Aufklärung und Motivierung unserer Bürger allein nicht. In der Bundesrepublik hat sich deshalb ein System von Umweltschutznormen entwickelt, das sich darum bemüht, die jeweiligen Grenzen zwischen Schädlichem und Unschädlichem zu markieren und Gefahren durch vorbeugende Kontrollen, durch Genehmigungsverfahren und durch eine Vielzahl von Auflagen und nachfolgenden Kontrollen zu begegnen. Diese Vorschriften bedürfen der Durchsetzung und da, wo sie vorsätzlich oder fahrlässig mißachtet werden, auch der strafrechtlichen Sanktion. Wie auf anderen Lebensgebieten gilt auch hier: Zum Schutze wichtiger Güter muß die Gemeinschaft als Ultima ratio auch das Strafrecht einsetzen, und dort, wo neue Formen gemeinschaftsschädlichen Verhaltens es erfordern, muß das Strafrecht auch ergänzt, verschärft werden.
Schon jetzt gibt es im Bereich des Umweltschutzes eine beträchtliche Anzahl von Strafvorschriften. Aber sie sind über eine Vielzahl von Spezialgesetzen verstreut. Sie weisen mehrere Lücken und Widersprüche auf und sie bleiben in Einzelfällen in ihren Maßnahmen hinter dem Schutzbedürfnis des zu schützenden Gutes zurück. Der vorliegende Entwurf will allein drei Mängeln abhelfen. Er faßt zunächst einmal die verstreuten Strafnormen an einer Stelle zusammen. Was zum Schutze der Luft, der Gewässer und des Erdreichs, was zum Schutze bestimmter landschaftlicher Gebiete unter Strafe verboten ist, kann künftig im wesentlichen an dieser einen Stelle ermittelt werden. Der Entwurf schließt zum zweiten Lücken, beseitigt Mängel, beispielsweise hinsichtlich der Verunreinigung der Luft und der Erregung übermäßigen Lärms, hinsichtlich bestimmter Fälle umweltgefährdender Abfallbeseitigung sowie konkreter Gefährdungen durch ionisierende Strahlen. Der Entwurf hebt zum dritten die Höchststrafen für die Gewässerverunreinigung von bisher zwei oder drei Jahren auf fünf Jahre an und sieht für besonders schwere Fälle von Umweltgefährdung sogar eine Strafdrohung bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug vor.
Über das Konzept des Entwurfs besteht zwischen den Parteien, aber auch zwischen Bund und Ländern, die alle Vorarbeiten gemeinsam geleistet haben, eine erfreulich weitgehende Übereinstimmung. Dies hat auch in einer überaus positiven Stellungnahme des Bundesrats seinen Niederschlag gefunden. Einwendungen sind im wesentlichen nur vom Bundesverband der Deutschen Industrie und vom Deutschen Industrie- und Handelstag erhoben worden. Diese, so fürchte ich, werden sich allerdings nicht ausräumen lassen, weil das von beiden Verbänden beklagte deutlichere strafrechtliche Risiko bei Umweltschutzdelikten ja gerade das Ziel des Entwurfes ist.
Anderen Fragen wird im Zuge der Ausschußberatungen noch nachzugehen sein, so der Frage, ob sich die Vorschriften noch einfacher fassen lassen und ob dem Grundtatbestand der Gewässerverunreinigung, der einfach die unbefugte Verunreinigung eines Gewässers unter Strafe stellt, noch weitere ebenso einfache Grundtatbestände an die Seite gestellt werden können. Ich warne hier allerdings vor unrealistischen Erwartungen. Denn das Umweltstrafrecht muß an die Begriffe und Regelungen des sonstigen Umweltschutzrechts anknüpfen. Der Versuch, hier ein eigenes Begriffs- und Definitionssystem schaffen zu wollen, würde nur zur Verwirrung und Unklarheit führen. Auch kann sinnvollerweise nur mit Strafe bedroht werden, was nach allgemeinem Umweltschutzrecht untersagt ist oder einem Gebot zuwider unterlassen wird.
Meine Damen und Herren, die entscheidende Bedeutung des Entwurfs liegt jedoch auf psychologischem Gebiet, nämlich darin, daß das Umweltstrafrecht künftig einen eigenen Abschnitt des Strafgesetzbuches bildet. Mit der Aufnahme dieser Vorschriften in das Strafgesetzbuch macht der Gesetzgeber deutlich, daß die Umwelt als Rechtsgut künftig gleichen Rang zu beanspruchen hat wie andere im Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter, also wie z. B. das Eigentum, das Vermögen, die körperliche Unversehrtheit. Damit soll verstärkt in das Bewußtsein unserer Bürger dringen: Umweltdelikte sind keine Kavaliersdelikte, sie sind strafbares Unrecht. Die Stichworte „Gewässerverunreinigung" oder „Luftverschmutzung" sollen in Zukunft durchaus ähnlich negative Vorstellungen auslösen wie die Begriffe Diebstahl, Körperverletzung, Betrug oder Brandstiftung. Wenn uns dies gelingt, dann sind wir im Kampf um den Schutz unserer Umwelt einen guten Schritt vorangekommen.
Namens der Bundesregierung bitte ich deshalb, den Entwurf so zügig zu beraten, daß er mit der in Aussicht gestellten Zustimmung des Bundesrats noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.
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Das Wort' hat der Herr Abgeordnete Hartmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion dieses Hauses wird dem von der BundesregieHartmann
rung eingebrachten Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität in Gestalt des Entwurfs eines Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes eine sehr differenzierte Betrachtung und Beratung angedeihen lassen.
Der Entwurf gehört weder zu den Gesetzgebungsvorhaben, denen man bereits in der ersten Lesung ein vorbehaltloses Ja auf den Weg durch das Gesetzgebungsverfahren mitgeben kann, noch zu jenen, die von vornherein und insgesamt auf Ablehnung stoßen müssen. Den im Mai 1975 von Ihrem Haus, Herr Minister Dr. Vogel, vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Umweltschutzes hat ein Kritiker einen „Fehlstart im Umweltstrafrecht" genannt. Es ist, so meine ich, des Schweißes der Edlen wert, dafür zu sorgen, daß der heute an die Ausschüsse zu überweisende Entwurf nicht am Ende der gleichen Qualifizierung anheimfällt.
Lassen Sie mich zunächst ausführen, welche Ansätze des Gesetzentwurfs außer Streit gestellt werden können.
Erstens. Der Mensch hat sich zwar die Erde untertan gemacht. Aus der Endlichkeit der elementaren Ressourcen - Luft, Wasser, Boden, Tiere und Pflanzen - folgt aber, daß er verantwortlich und in seinen Verfügungsfreiheiten beschränkt ist nicht nur gegenüber den lebenden Mitmenschen, sondern auch gegenüber den künftigen Generationen und anderen Lebewesen, die zu seiner natürlichen Umwelt gehören. Indem er diese schützt, schützt der Mensch sich selbst. Ich gebe Ihnen zu und bestätige Ihnen, Herr Minister Dr. Vogel, daß sich insoweit sicher ein Bewußtseinswandel bei den Menschen vollzogen hat. Der Idealzustand wäre nun, daß die Menschen freiwillig dieser Einsicht gemäß handeln. Die Fehlbarkeit und Unzulänglichkeit des Menschen stehen dem entgegen.
Zur Durchsetzung des Umweltschutzes muß deshalb das Instrumentarium des Rechts eingesetzt werden. Die ökologisch schützenswerten Güter müssen neben den Individualrechtsgütern wie Leben, Freiheit und Eigentum sowie neben den Universalrechtsgütern wie demokratischer Rechtsstaat und öffentliche Ordnung als biologische Gemeinschaftsgüter - wie sie der Züricher Professor Noll einmal genannt hat - anerkannt und dem Schutz auch der Strafrechtsordnung unterstellt werden. Mißt man der Unversehrtheit der Umwelt Rechtsgutcharakter bei, so muß schwerwiegenden Schädigungen und Gefährdungen ebenso mit präventiven Strafsanktionen vorgebeugt werden wie etwa der Körperverletzung oder der Brandstiftung. Daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf über die bereits bestehenden administrativen Umweltschutzbestimmungen hinaus auch der Lebensraum und die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen als Rechtsgüter anerkannt und dem strafrechtlichen Schutz unterstellt werden sollen, wird daher von uns begrüßt.
Zweitens. Wir haben grundsätzlich auch nichts gegen die Einstellung und Zusammenfassung wichtiger Strafbestimmungen zum Schutz der Umwelt im Strafgesetzbuch. Ich sage: grundsätzlich. Es entspricht zum
einen gerade der von der Union immer wieder erhobenen Forderung, die Vorschriften eines Rechtsgebiets - oder mehrerer verwandter Rechtsgebiete - gesetzestechnisch möglichst zusammenzufassen und zu harmonisieren. Zum andern gibt die Ansiedlung gerade im Strafgesetzbuch - auch hier gebe ich Ihnen recht, Herr Vogel - dem Unwerturteil Ausdruck, das der Staat schwerwiegenden Schädigungen und Gefährdungen der Umwelt beimißt. Es gibt bekanntlich eine Normenhierarchie nicht nur im normativen Bereich. - Verfassung, einfaches Gesetz, Verordnung, Verfügung -, sondern es gibt auch eine Hierarchie unter dem Gesichtspunkt der sozialen Wirksamkeit gesetzlicher Bestimmungen.
Der Standort eines Rechtssatzes kann dessen faktische Wirksamkeit erhöhen oder auch beeinträchtigen, nicht nur weil von ihm die Auffindbarkeit und Erkennbarkeit der Norm abhängen kann, sondern weil der Eingang in das allgemeine Rechtsbewußtsein auch vom systematischen Zusammenhang und vom gesetzlichen Kontext bestimmt wird, in dem sich die betreffende Norm befindet. Verstöße gegen Vorschriften des sogenannten Nebenstrafrechts werden landläufig leider immer noch als „Kavaliersdelikte" - mit entsprechender Abschwächung der generalpräventiven Wirkung der Norm - angesehen. So wird beispielsweise ein Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz - auch wenn er schwerwiegend ist - landläufig als weniger gravierende Angelegenheit angesehen als ein Diebstahl noch so geringwertiger Sachen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Einwände, Gegenvorschläge und Diskussionsbeiträge in den kommenden Ausschußberatungen werden sich hauptsächlich auf folgende Punkte beziehen.
Erstens. Aus der Sorge heraus, die Entwicklung des Strafrechts könnte allzu sehr in Fluß gehalten werden, sind wir der Meinung, daß die Kodifizierung des Umweltstrafrechts durch Einstellung und Zusammenfassung im Strafgesetzbuch das gesamte Umweltstrafrecht, soweit irgend möglich, umfassen sollte. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die die Bundesregierung für eine umfassende Lösung dieser Art sieht - aus der Begründung des vorliegenden Entwurfs ist dies ersichtlich -, halten allerdings die angeführten Argumente nicht für so zwingend, daß wir .auf eine weitere ausführliche Erörterung dieser Frage verzichten könnten. Bei einem Gesetzgebungsvorhaben von so weittragender Bedeutung sollte man möglichst nicht auf halbem Wege stehenbleiben. Dies ist auch die Auffassung des Deutschen Richterbundes in seiner Stellungnahme zu dem vorliegenden Entwurf. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren in Bundesregierung und Koalition, haben uns bei der Beratung der sogenannten Antiterrorgesetze Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes immer dann genüßlich vorgehalten, wenn sie auf Ihrer Linie lagen. Die Tatsache, daß der Deutsche Richterbund in vorliegender Sache mit Ihnen nicht übereinstimmt, sollte Sie nicht daran hindern, seinen Argumenten jetzt das gleiche Gewicht beizumessen wie damals.
Zweitens. Aus Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes folgt das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit eines mit Strafe bedrohten Tatbestandes. Es fällt auf, daß die Vorschriften des Gesetzentwurfs eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten - das liegt bei der Materie gewissermaßen in der Natur der Sache -, z. B. die Begriffe „erheblicher Lärm" -was ist erheblich? -, „geringfügig radioaktiv", „nachhaltig verunreinigen und verändern", „längere Zeit" und ähnliches. Ob dadurch nicht die notwendige Bestimmtheit der inkriminierten Tatbestände inFrage steht und wie sie herbeigeführt, besser dargestellt werden kann, wird eingehend zu prüfen sein.
Überhaupt wirft die enge Verzahnung von straf-und verwaltungsrechtlichen Vorschriften - auch dies ist die Meinung des Deutschen Richterbundes - Schwierigkeiten im Hinblick auf die Rechtsanwendung auf. Der Zusammenhang des Entwurfs mit verwaltungsrechtlichen Regelungen der einzelnen Umweltschutzgesetze ist jedoch andererseits wiederum nicht durchgängig gewahrt. So weicht z. B. die in § 326 Abs. 5 des Entwurfs - dies ist auch aus der Stellungnahme des Bundesrates ersichtlich - verwendete Definition des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen" von der im Bundesimmissionsschutzgesetz gewählten ab. Die von mir damit angesprochene rechtssystematische Problematik des Zusammenhangs mit verwaltungsrechtlichen Regelungen kennen Sie, Herr Minister Dr. Vogel, aus der jahrelangen Vorgeschichte des vorliegenden Entwurfs genau. Diese Problematik hat auch Ihren Amtsvorgänger, Herrn Kollegen Jahn, beschäftigt, wie aus seinem im Februar 1974 in Gießen gehaltenen Vortrag ersichtlich ist.
Drittens. Wir sind auch der Auffassung, daß einer Überprüfung unterzogen werden muß, ob der Entwurf die Grenze der Strafwürdigkeit, der Kriminalisierung umweltgefährdenden oder umweltschädigenden Verhaltens - dem Schutzzweck des Gesetzes. entsprechend - richtig zieht. Wir meinen, daß einerseits mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, wenn z. B. reines Verwaltungsunrecht, nämlich das bloße Betreiben einer genehmigungspflichtigen Anlage - und zwar auch einer an sich unschädlichen Anlage - ohne umweltschutzrechtliche Genehmigung, kriminalisiert wird, während andererseits jeder Ansatz fehlt, ein so prekäres Problem wie die sogenannten kumulierenden Umweltbelastungen strafrechtlich unter Kontrolle zu bringen. Damit sind jene umweltbelastenden Handlungen gemeint, die, für sich allein genommen, noch keine Schädigung hervorrufen, aber durch ein Zusammentreffen mit anderen Handlungen dieser Art, z. B. durch eine sich summierende Intoxikation der Luft, eine schwerwiegende Gefährdung oder Schädigung der Umwelt bewirken. Wir sind uns selbstverständlich darüber im klaren, daß hier die Grenzen der strafrechtlichen Lösungsmöglichkeiten sehr strapaziert werden müßten. Anläßlich der anstehenden Neukodifizierung des Umweltstrafrechts muß dieses Problem - mit welchem Ergebnis auch immer - jedoch ausdiskutiert werden.
Viertens. Es wird auch zu überprüfen sein, ob die in dem Gesetzentwurf für die inkriminierten Verhaltensweisen angedrohten Strafen dem Strafsystem des Strafgesetzbuches entsprechen. Zweifel daran weckt z. B. die in § 330 Abs. 4 für besonders schwere Fälle der Umweltgefährdung - ein solcher Fall liegt u. a. vor, wenn leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht wird - angedrohte Höchstfreiheitsstrafe von zehn Jahren. Das Mißverhältnis dieser Strafhöhe gegenüber der Höchststrafe von fünf Jahren für fahrlässige Tötung nach § 222 des Strafgesetzbuchs ist offenkundig.
Fünftens. Ohne damit bereits in dieser ersten Lesung, die ja mehr Fragen aufzuwerfen pflegt, als sie Antworten bringen kann, eine Wertung oder ein Petitum zu verbinden, möchte ich auch auf die Problematik hinweisen, die sich daraus ergibt, daß sich sämtliche Strafdrohungen des Entwurfs ausschließlich gegen den unmittelbaren Verursacher von Schädigungen oder Gefährdungen der Umwelt, sei es in der privaten oder der wirtschaftlichen Sphäre, richten. Kriminalisiert wird, wer unter Verletzung von verwaltungsrechtlichen Pflichten unbefugt oder ohne die erforderliche Genehmigung Gewässer verunreinigt, Lärm erzeugt, umweltgefährdende Abfallbeseitigung vornimmt oder bestimmte Anlagen betreibt oder mit bestimmten Stoffen in bestimmter Weise umgeht. Auch Fahrlässigkeit soll jeweils mit Strafe bedroht sein. Dies bedeutet vor allem, daß die Verantwortlichen ganzer Wirtschaftszweige auf allen Ebenen - vom Hausmeister über den Betriebsleiter bis zum Vorstandsvorsitzenden - ständig mit einem Fuß im Gefängnis stehen werden, wenn sie nicht genau auf die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften Bedacht nehmen, die damit ja erreicht werden soll.
Was aber - so werden die dergestalt in die Pflicht genommenen, rechtsunterworfenen Bürger fragen - hat demgegenüber jemand zu gewärtigen, der an zuständiger Stelle als Amtsträger fehlerhafte Genehmigungen erteilt, Auflagen vergißt, Hinweisen auf schwere Umweltgefahren nicht nachgeht oder ein durch schädliche Umwelteinwirkungen gefährdetes Gebiet nicht unter Schutz stellt, obwohl durch solche administrativen Fehlleistungen oder Unterlassungen dieselben Schädigungen und Gefährdungen der Umwelt eintreten können wie durch das vorsätzliche oder fahrlässige Handeln eines rechtsbetroffenen Bürgers?
Wie ist es zu rechtfertigen, diejenigen von den Strafsanktionen des Umweltstrafrechts auszunehmen, die solche Folgen unter Mißachtung der ihnen für den Schutz der Umwelt übertragenen Verantwortung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben?
Reicht es aus, daß ein Amtsträger nach geltendem Strafrecht immerhin unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an einer Umweltstraftat oder auch wegen Körperverletzung, begangen durch Unterlassung, belangt werden kann? Geht es - nach der salvatorischen Klausel „nobody is perfect" - zu weit, einen Amtsträger unter zusätzliche strafrechtliche Verantwortung zu stellen angesichts der kaum noch zu überschauenden Gesamtpalette der von ihm zu vollziehenden Vorschriften, welche den unmittelbaren Verursacher nur sektoral betreffen?
Diese Fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir ebenfalls ausdiskutieren.
Sechstens. Ein Einwand noch zur redaktionellen Einordnung des Umweltstrafrechts im Strafgesetzbuch. Daß dies rechtssystematisch im Prinzip richtig ist, habe ich bereits ausgeführt. Aber gibt es denn keine bessere Lösung als diejenige des Entwurfs, nämlich die Einordnung als 28. Abschnitt zwischen den jetzigen §§ 323 c und 331 des Strafgesetzbuchs, was zur Folge hat, daß zahlreiche Vorschriften um-numeriert werden müssen, die der Bevölkerung unter ihrer Paragraphenzahl allgemein bekannt sind, z. B. § 330 a über den Vollrausch und § 330 c, der die unterlassene Hilfeleistung betrifft? Wir streben doch auch danach, daß in das Bewußtsein der Bevölkerung eingegangene Rechtsvorschriften leicht auffindbar sind. Deshalb sollten wir nicht ohne Not bestehende Vorschriften umnumerieren, wenn sie sich einmal eingeprägt haben. Aber das ist sicherlich nicht das Zentralproblem dieses Entwurfs.
Siebtens möchte ich insgesamt auf die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf, wie er aus der vorliegenden Drucksache ersichtlich ist, verweisen.
Im Rahmen meiner kurzen Redezeit konnte ich nur die hauptsächlichsten Punkte ansprechen, die wir in den Ausschußberatungen ausführlich diskutiert sehen wollen.
Ich darf abschließend zusammenfassen: Die CDU/ CSU-Fraktion wird auf seinen Schutzzweck umfassend erfüllendes, jedermann einsichtiges, auch sprachlich verständliches sowie praktikables Umweltstrafrecht hinarbeiten und bekundet der Bundesregierung und der Koalition für die kommenden Ausschußberatungen - wieder einmal - ihre sachliche Kooperationsbereitschaft Für neue Vorschriften, die den Paragraphendschungel für den Bürger sowie für die Behörden und Gerichte nur noch undurchdringlicher machen und dem Bürger ein unverhältnismäßig großes strafrechtliches Risiko auferlegen, ohne daß sie zur wirksamen Abwehr von Schäden an der Umwelt nennenswert beitragen, werden wir allerdings nicht zu haben sein.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Hartmann, ich möchte diesen Gesetzentwurf im Gegensatz zu Ihnen nicht als Fehlstart bezeichnen.
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- Ich will mich gern zu Beginn korrigieren: Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich nicht sagen, daß der Gesetzentwurf hoffentlich kein Fehlstart wird, sondern ich stelle fest: Dieser Start ist so gut im Einvernehmen 'mit allen Landesjustizverwaltungen vorbereitet, daß dem Gesetzentwurf schon _vom Ansatz
her bescheinigt werden kann, daß es ein glatter Start-Ziel-Sieg wird.
Dennoch sind wir für die Anregungen dankbar, die der Kollege Hartmann in erster Lesung zur Sprache gebracht hat. Es führt in der Tat zu Schwierigkeiten, in das Strafgesetzbuch dort ein neues Kapitel einzufügen, wo abzugrenzen ist, wo Vorschriften nicht übernommen werden können, weil sie überwiegend nicht mit dem Umweltschutz, sondern mit anderen Dingen wie z. B. dem Arbeitsrecht zu tun haben. Ich gebe Ihnen zu, Herr Kollege Hartmann, daß man über Begriffsbestimmungen zweifelsohne wird ausführlich zu reden haben.
Was die Frage der kumulierenden Umweltbelastungen angeht, muß darüber geredet werden. Auf der anderen Seite haben wir das Instrument der abstrakten Gefährdung eingeführt; darunter wird einiges zu subsumieren sein.
Ich habe die Vorlage des Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminaiität für die sozialdemokratische Fraktion - ich tue das mit Freude - zu begrüßen.
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- Ich habe gesagt, ich tue das mit Freude. Pflicht ' kann doch auch Freude bereiten - oder?
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Die Umweltmeldungen dieser Woche betreffen den Smogalarm im Ruhrgebiet, eine riesige bayerische Gestankwolke, deren Giftgehalt gerade noch im Rahmen der zulässigen Belastung gelegen hat, und den Verdacht, daß in den Vereinigten Staaten von insgesamt 14 Millionen Tonnen überwiegend hochgiftigen Industriemülls jährlich 12 Millionen Tonnen illegal gelagert werden. Diese Meldungen rufen das Schlagwort von der angehenden Selbstmördergesellschaft wieder in Erinnerung. Es kann nicht übersehen werden, meine Damen und Herren, daß Schutz und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen heute über allgemeine Aufmerksamkeit verfügen und daß diejenigen, die 1961 über die Forderung Willy Brandts nach dem blauen Himmel über der Ruhr gelacht haben, ihre peinliche Fehleinschätzung lange eingesehen haben dürften.
Gefährdung menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit durch schädliche Einwirkungen auf unsere Umwelt müssen - auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen - vermieden werden. Vorkehrungen zum Schutze der Umwelt zu treffen wird daher auf lange Sicht eines der obersten Ziele unserer Gesellschaft sein. Der begrenzte Vorrat natürlicher Lebensgrundlagen und die mit der zunehmenden Technisierung steigenden Belastungen unserer Umwelt verlangen von uns, heute schon mögliche zukünftige Gefahren ins Auge zu fassen und vermeidbare Gefährdungen unserer Umwelt frühzeitig zu unterbinden.
Einen ersten entscheidenden Impuls hat die Umweltschutzpolitik mit dem Beginn der sozialliberalen Koalition erhalten. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt hat in seiner Regierungserklärung vom Oktober 1969 den Umweltschutz zu einem Schwerpunkt soziallibera-
I ler Politik erklärt. Schon im September 1970 wurden die dringlichsten Maßnahmen für den Umweltschutz eingeleitet, und 1971 wurde dann das erste Umweltschutzprogramm für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedet. In diesem Programm wurden Maßnahmen gefordert, um a) dem Menschen eine Umwelt zu sichern, wie er sie für seine Gesundheit und für ein menschenwürdiges Dasein braucht; um b) Boden, Luft sowie Pflanzen- und Tierwelt vor nachhaltigen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um c) Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen.
Eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften zum Schutze der Umwelt wurde aus Anlaß dieses Programmes erlassen. Es gab Erfolge bei der Bekämpfung der Verschmutzung von Luft und Wasser. Wir haben weniger Staub, weniger Schwefel und weniger Blei in der Luft. Der Smog-Alarm dieser Woche wurde bei Verunreinigungswerten ausgelöst, die es vor einem Jahrzehnt wesentlich häufiger gab. Damals wurde die Bevölkerung nicht informiert, nicht alarmiert. Das Müllproblem haben wir nahezu völlig in den Griff bekommen. Bei Glas, Papier, einigen Metallen nimmt das Recycling-Verfahren immer weiter zu. Der Bau von Kläranlagen geht unvermindert weiter.
Die Politik hat also in jenen globalen Prozeß eingegriffen, dessen Bestandteil die Umweltverschmutzung ist, in einen Prozeß, der das System menschlicher Lebensbedingungen nachhaltig erschüttern kann. Daß es auch Rückschläge gegeben hat, daß das Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum, daß die Realisierungsdauer beschlossener Maßnahmen dazu führten, daß nicht alle früheren Erwartungen erfüllt wurden, soll hier nicht verschwiegen werden. Eines ist allerdings eindeutig. Die Arbeit am Umweltschutzprogramm der Bundesregierung aus dem Jahre 1971 ist kontinuierlich
vorangetrieben worden.
Der zur ersten Lesung vorliegende Gesetzentwurf ist in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Schmidt angekündigt und nicht vom Grün des letzten Sommers initiiert worden. Der Gesetz- entwurf entspricht dem tiefgreifenden Bewußtseinswandel der Bevölkerung, auf den Herr Minister Vogel in seinen einleitenden Worten hingewiesen hat. Ich darf auf ein Umfrageergebnis aus dem Oktober 1978 hinweisen, das Emnid im Auftrage der „Wirtschaftswoche" ermittelt hat. Danach ziehen 53 % der Bundesbürger Umweltschutzmaßnahmen heute Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums vor.
Meine ,Damen und Herren, für die Schaffung dieses neuen Abschnittes im Strafgesetzbuch „Straftaten gegen die Umwelt" gibt es eine Vielzahl guter Gründe. Ich möchte die wesentlichsten nennen.
Erstens. Die Umweltstrafvorschriften aus den verschiedenen Bereichen werden harmonisiert. Einheitliche Regelungen werden geschaffen, wo bisher unterschiedliches Landesrecht gilt oder Straftatbestände in einer Vielzahl von Umweltgesetzen des Bundes beinahe versteckt sind.
Zweitens. Die Zusammenfassung ergibt eine Vereinfachung des Tatbestandes. Auslegungsschwierigkeiten werden verringert. Eine Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte wird erleichtert, die Zusammenhänge von verschiedenen strafrechtlichen Regelungen des Umweltrechtes können besser berücksichtigt werden.
Drittens. Lücken, die durch die in einzelnen Umweltschutzgesetzen vorgenommenen Anwendungsbeschränkungen entstanden sind, können geschlossen werden.
Viertens. Es wird dokumentiert, daß die einschlägigen Delikte mit ihrer Sozialschädlchkeit und ihrem Unrechtsgehalt den klassischen Straftaten gleichstehen.
Fünftens und letztens. Mit der Einführung der abstrakten Gefährdungshaftung wird in vielen Fällen der oft schwierige Nachweis einer konkret eingetretenen Schädigung nicht mehr nötig, es wird dann genügen, daß die eingetretene Veränderung in der Lage war, Schaden herbeizuführen.
Die beiden letzten Punkte halte ich für die wichtigsten. Denn wer vermag heute nodi einzusehen, daß der Ladendiebstahl für das Gemeinwohl schädlicher ist als die nachhaltige Verunreinigung eines Gewässers? Bei Umweltstraftaten handelt es sich keineswegs um Bagatellfälle, vielmehr sind das sozial besonders schädliche und strafwürdige Fälle der Kriminalität. Ein sozialstaatlich orientiertes Strafrecht muß deshalb bereit sein, die natürlichen Lebensgrundlagen der Allgemeinheit auch mit strafrechtlichen Sanktionsmitteln zu schützen, und das wollen wir tun. Genau wie andere Kriminaltaten ziehen umweltgefährdende Handlungen nicht nur Gefahren für Gesundheit und Sachwerte nach sich, sondern sie werden nicht selten ebenso von Eigennutz und Gewinnstreben diktiert.
Eine kleine Zahl: Derzeit werden jährlich im Zusammenhang mit der Umweltkriminalität mehr als 3 000 Ermittlungsverfahren durchgeführt, die Verurteilungszahlen der Gerichte liegen jährlich zwischen 600 und 700.
Aufbauend auf den bestehenden verwaltungsrechtlichen Regelungen umschreibt der Entwurf gefährliche Verhaltensweisen, die für die Umweltkriminalität typisch sind. Ich möchte einige kurz erläutern.
Während sich nach bisherigem Recht die Strafvorschriften wegen der Verunreinigung eines Gewässers in fünf Gesetzen fanden, sieht der Entwurf eine allgemeine Vorschrift über die unbefugte Verunreinigung eines Gewässers vor und führt so zu einer Zusammenführung zusammengehöriger Delikte in einer Strafnorm. Dieser Tatbestand verbietet strafrechtlich alle unbefugt vorgenommenen Handlungen oder Unterlassungen, die zu Verunreinigungen führen. Damit erweitert er gegenüber dem bisherigen Recht zugleich den Kreis strafbarer Verhaltensweisen. Nach dem Entwurf macht sich nunmehr auch
derjenige strafbar, der z. B. seinen Oltank überlaufen läßt,' aber auch die Kollision von Öltankern oder anderen Frachtschiffen mit gefährlicher Fracht, selbst auf dem Festlandsockel, wird strafbar. In der Vergangenheit hat sidi gezeigt, daß derartige Unglücksfälle kaum zu reparierende Umweltschäden hervorHeyenn
rufen. Zur Abwehr auf diesem Gebiet ist die strafrechtliche Sanktion von besonderer Bedeutung. Der Strafrahmen wird - darauf ist hinzuweisen - auch aus Gründen der Generalprävention erhöht.
Luftverunreinigung und Lärmbelastung erfordern in besonderen Fällen, in denen unter Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift Luft verunreinigt oder Lärm verursacht wird, strafrechtliche Sanktionen. Hier wird über das bisherige Maß im Bundesimmissionsschutz hinausgegangen, und hier wird ebenfalls die Gefährdungshaftung eingeführt. Der Tatbestand setzt dann allerdings grob pflichtwidriges Verhalten voraus.
Aus aktuellem Anlaß lassen Sie mich kurz darauf hinweisen, daß mir eine Verordnung über die Meldung von Störfällen dringend nötig erscheint. Ich verweise auf die Gestankswolke in Bayern. Wir haben es nämlich vielfach in Umweltunfällen, bei Umweltschäden zu verzeichnen, daß eine verspätete, eine verharmlosende oder gar eine unterlassene Meldung eines Störfalls die Schäden wesentlich vergrößert. Wenn diese Störfälle durch eine Verwaltungsvorschrift meldepflichtig werden, kann ein Verstoß dagegen dann auch geahndet werden.
Die unsachgemäße Beseitigung der wachsenden Menge der häuslichen und der industriell-gewerblichen Abfälle kann zu einer schädlichen Beeinträchtigung von Boden, Wasser und Luft führen. Die umweltgefährdende Abfallbeseitigung muß daher in stärkerem Maße als bisher auch strafrechtlich sanktioniert werden. Es muß auch das Vorfeld von Schäden, nämlich die bloße Gefährdung, die in gefährlichen Abfällen schlummert, unter Strafe gestellt werden.
Es wird mit Strafe bedroht, wenn unter Verletzung von Schutzbestimmungen innerhalb eines Wasser-und Quellenschutzgebietes bestimmte möglicherweise umweltschädigende Handlungen vorgenommen werden. Der Entwurf regelt ferner künftig bundeseinheitlich die Strafbarkeit von rechtswidrigen Eingriffen in die Landschaft und in Naturschutzgebiete.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend dem Entwurf die auch vom Herrn Bundesjustizminister gewünschte zügige Beratung wünschen, mich bedanken für die Zusage des Herrn Kollegen Hartmann für eine konstruktive Zusammenarbeit und möchte drei Sätze an den Schluß stellen: Schwerwiegenden Umweltschädigungen wird durch umfassende strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten wirksamer als bisher entgegengetreten werden können. Was seit langem für den strafrechtlichen Schutz der Rechtsgüter wie Eigentum, Vermögen, Leib und Leben in der Bevölkerung als selbstverständlich erachtet wird, das muß auch für den Bereich der Umweltdelikte als selbstverständlich erachtet werden. Ich glaube, wir sind uns alle in der Aussage einig, daß unsere Gesellschaft über Umweltdelikte nicht mit einem Augenzwinkern hinweggehen kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben zur Zeit den ganz auffälligen Zustand, daß in Bonn durch längere Wochen hindurch Schnee liegt. Im Zusammenhang mit unserem Thema ist dabei eine sehr interessante Feststellung zu treffen. Herr Kollege Liedtke hat in seinem Büro ein Foto an der Wand hängen. Das ist ein Satellitenfoto, das nur die infraroten Strahlen aufgenommen hat. Darauf können Sie Nordeuropa ganz plastisch sehen. Wenn Sie sich etwas auf der Landkarte auskennen, können Sie jede einzelne Großstadt als schwarzen Punkt erkennen, und Sie können das Ruhrgebiet als eine schwarze Masse erkennen. Das alles kommt nur durch die Wärmestrahlung.
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- Ich weiß, das hätten Sie gerne. Aber machen Sie es untereinander aus, ich glaube, wir haben dabei nicht soviel mitzureden.
Jedenfalls möchte ich folgendes sagen: Wer sich einmal zu dem Kollegen Liedtke begibt und sich dieses Foto ansieht und dann zur Kenntnis nimmt, hochüberrascht und erstaunt, daß zur Zeit in Bonn ausnahmsweise - in anderen Städten der Bundesrepublik sowieso - Schnee liegt, der muß sich eigentlich auch fragen, welche extremen Veränderungen der Umwelt wir durch Menschenkraft, wahrscheinlich auch zum großen Teil durch Unfug, in den letzten 50 Jahren zustande gebracht haben.
Nun gehen wir her - ohne daß die meisten das überhaupt realisieren - und versuchen, der Sache allmählich wieder Herr zu werden. Ich meine, am Anfang müßte eigentlich noch viel mehr an Aufklärung über das erfolgen, was in den letzten 50 Jahren einer ungeheuerlichen Sozialisierung
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- also 50 Jahre sind sie noch nicht dabei -, einer ungeheuerlichen Industrialisierung geschehen ist,
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die wahrscheinlich auch die Gefahr in sich hat, die ich gerade durch einen Versprecher angesprochen habe. Gegen diese Gefahr will ich aber auch ankämpfen, bitte schön, möglichst mit Ihnen zusammen.
({3})
aber besonders mit unserem Koalitionspartner, Herr Wehner. Besonders mit dem Koalitionspartner!
({4})
- Herr Wehner, ich glaubte, diese abstrakte Unterhaltung darüber, welche Bestimmungen jetzt in das Strafgesetzbuch deshalb aufgenommen werden sollen, weil das sehr vernünftig ist, der besseren Auffindbarkeit dient und einen Bewußtseinswandel herbeiführen soll, damit etwas auflockern zu sollen, daß ich darauf zu sprechen komme, welche Veränderungen tatsächlich stattgefunden haben, ohne daß die Menschen ernsthaft darüber nachdenken.
({5})
Ich komme zu dem nächsten Punkt. Leider ist es nicht so, daß wir sagen können: Weil sich das Bewußtsein der Bevölkerung so verändert hat, daß jedermann einsieht, daß Straftaten gegen die Umwelt gleichbehandelt werden müssen wie die uns bekannten klassischen Straftaten, stellen wir die jetzt im Strafgesetzbuch gleich - das wollen wir alle so -, und damit ist es gut. Dieser Eindruck konnte bei den Ausführungen der Herren Vorredner entstehen.
Der Eindruck ist aber leider falsch; denn wenn Sie sich die Straftatbestände ansehen, die neu sind - also von den diversen Zusammenfassungen bereits aufgeführter Straftatbestände abgesehen -, dann werden Sie feststellen, daß es nicht heißt: „Wer eine fremde bewegliche Sache" - da kann man ganz leicht feststellen, was fremd ist, was beweglich ist, was Sache ist - „wegnimmt, der wird so und so bestraft", sondern daß es hier leider immer heißt - und das kann auch nicht anders sein -: „Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt ...". Und da haben wir die Problematik dieses Gesetzes. Es heißt darin auch: „Wer beim Betrieb einer Anlage unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten das und das tut, ...". Bei diesem Vergleich erkennt man, daß wir hier nicht annähernd die Tatbestände haben - auch gar nicht haben können -, die wir im klassischen Strafrecht kennen, sondern hier jedesmal eine derartige Klausel dabei ist, die eine Fülle von Möglichkeiten offenläßt.
Das ist das, worauf wir hier, meine ich, rechtspolitisch am meisten achten müssen: Durch die - zugegebenermaßen - notwendigen Hinweise auf das Verwaltungsrecht oder auf Befugnis oder Nichtbefugnis zum Beispiel zur Verunreinigung eines Gewässers - nur auf diese Weise können Tatbestandsmerkmale erfaßt werden, die zunächst nicht objektiv gegeben sind - legen wir die Bewertung in die Hand der Verwaltung und lassen sie von Tag zu Tag neu durchführen.
Mit aller Deutlichkeit: Ich halte überhaupt nichts davon, daß man sagt: „Der schäbige Kapitalist, der, nur um seine Papierfabrik aufrechterhalten zu können, in unbemerkten Augenblicken die Schleuse aufmacht und etwas von seinem übermäßig dreckigen Wasser in die Leine abläßt, muß unbedingt bestraft werden", während eine Fülle von ehrenwerten Oberbürgermeistern, Oberstadtdirektoren und Chefs der Stadtwerke, die ihre Abwässer in die gleichen Gewässer leiten, ungeschoren bleiben, weil sie sich bei den verwaltungsrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung hier Tatbestandsmerkmal ist, selbst bedienen können.
({6})
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt dessen, was wir hier bei der allseits gewollten Einfügung in das Strafgesetzbuch zu beachten haben.
Es ist eben enorm schwierig, hier objektive Maßstäbe zu setzen. Deshalb muß man bei all diesen Tatbeständen eine Anknüpfung an „außerhalb" stehende Meinungsbildungen oder Verwaltungsakte vorsehen. Deshalb muß man diese Dinge eben doch anders betrachten und kann sie nicht einfach, weil
sich das Rechtsbewußtsein Gott sei Dank so entwickelt hat, z. B. zum Diebstahl hinzufügen.
Dies zu sehen, ist, meine ich, eine ganz wesentliche Aufgabe bei den Beratungen, die wir - wie hier so schön zum Ausdruck gekommen ist - in großer Einmütigkeit in den nächsten Monaten vor uns haben.
({7})
Meine Damen und Herren, das Wort wird, soweit ich sehe, nicht weiter gewünscht. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 8/2382 an den Rechtsausschuß federführend - und an den Innenausschuß - mitberatend - vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes
- Drucksache 8/2444
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Rechtsausschuß ({0})
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Zur Einbringung hat der Herr Bundesminister der Justiz das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich um eine ausgesprochene Spezialmaterie. Ich meine, daß wir diese Vorlage im Ausschuß mit großer Sorgfalt beraten sollten. Hier im Plenum möchte ich mich auf drei Feststellungen beschränken.
Erstens. Das Wohnungseigentumsgesetz hat sich im großen und ganzen hervorragend bewährt. Wenn wir an das Jahr 1951 und die Prognosen, die damals gestellt worden sind, zurückdenken, so haben die Optimisten recht behalten. In unserer Wohnungswirtschaft, auch in der Frage der Eigentumsbildung und in der Wohnungsversorgung unserer Bevölkerung hat das Wohnungseigentum eine wichtige, heute nicht mehr fortzudenkende Funktion eingenommen.
Eine' zweite Bemerkung. Es gibt im wesentlichen zwei Probleme, die in der Praxis Schwierigkeiten bereiten und die deswegen vom Bundesrat schon einmal in einer Initiative aufgegriffen worden sind. Die Bundesregierung hat in der Stellungnahme zu dieser Initiative angekündigt, daß sie nach Abschluß der Erörterungen und Prüfungen zu diesen Punkten einen eigenen Gesetzentwurf einbringen wird. Dies ist heute nun geschehen.
Die dritte Bemerkung betrifft die beiden Punkte, die Probleme mit sich bringen. Zum einen geht es um die Gemeinschaftsordnung. Nach dem geltenden Recht wird die Gemeinschaftsordnung, die für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander erhebliche Bedeutung erlangt, in aller Regel
von demjenigen erlassen, der die Teilungserklärung in ihrem Inhalt festlegt. Das ist in aller Regel der Träger des Bauvorhabens. Ist dies einmal geschehen, können die Regeln nur noch durch einstimmigen Beschluß aller Wohnungseigentümer geändert werden. Dies ist zu starr. Insbesondere wenn Anlagen schon seit 20 oder 30 Jahren bestehen - dies ist gelegentlich der Fall -, ist eine derartige Zementierung der Gemeinschaftsregelung nach übereinstimmender Meinung des Bundesrates und der Bundesregierung nicht ohne Bedenken. Wir haben hier einen Vorschlag unterbreitet, wie dieses Problem gelöst werden kann, und zwar in einer vernünftigen Kombination zwischen dem Vertrauensschutz dessen, der Wohnungseigentum unter der Geltung einer bestimmten Gemeinschaftsordnung erworben hat, einerseits und der Notwendigkeit eines gewissen Maßes an Flexibilität andererseits.
Der zweite Punkt, bei dem sich Änderungen als notwendig erweisen, sind die sogenannten Nutzungsbeschränkungen. Es gibt bei einer Vielzahl von Wohnungseigentumsanlagen sogenannte Nutzungsbeschränkungen, die eine Änderung der Nutzung - etwa den Übergang zu einer gewerblichen Nutzung oder auch die Erlaubnis der Vermietung - über Gebühr erschweren. Der Bundesrat hat dazu Vorschläge gemacht. Die Bundesregierung unterbreitet einen Alternativvorschlag, und zwar dahin gehend, daß nicht die Nutzungsbeschränkung als solche aufgehoben wird, sondern daß die Geltendmachung der Nutzungsbeschränkung unter bestimmten Voraussetzungen zu unterbleiben hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich beschränke mich auf diese Darlegungen. Ich meine in der Tat, daß diese Spezialmaterie besser noch als im Plenum des Bundestages in sorgfältigen Beratungen im Ausschuß und auch unter Mitberatung des Wohnungsausschusses erörtert und behandelt werden sollte. Ich bitte um Ihre Mitarbeit und Kooperation.
({0})
Ich eröffne die allgemeine' Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Helmrich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, wir haben vor etwa zwei Jahren an dieser Stelle den von Ihnen schon genannten Bundesratsentwurf beraten. Ich habe bereits damals gefragt, ob es wohl notwendig ist, daß die Bundesregierung, wie sie damals angekündigt hat, hierzu einen eigenen Gesetzentwurf einbringt. Ich habe angeregt, daß die Bundesregierung ihre Weisheit und ihre anders gearteten Vorstellungen in die Beratungen einbringt und eventuell durch Änderungsanträge der Fraktionen zur Geltung bringt. Dies ist leider nicht geschehen.
Lassen Sie mich deshalb zunächst zu dem Verfahren, wie dieser eigene Gesetzentwurf der Bundesregierung zustande gekommen ist, und sodann zum Inhalt der vorliegenden Vorschriften etwas sagen.
Ich unterscheide zu diesem Zweck in dem Vorschlag zwischen drei Kategorien von Vorschriften: nämlich erstens Vorschriften, in denen die Regierung versucht hat, etwas Eigenständiges zu bringen, was noch nicht im Bundesratsentwurf enthalten ist, zweitens Vorschriften, deren Grundgedanke bereits im Bundesratsentwurf enthalten ist und wo die Regierung nur einen geringfügig anderen Lösungsvorschlag macht, sowie drittens solche Vorschriften, die aus dem Bundesratsentwurf schlicht abgeschrieben worden sind.
Bei der ersten Kategorie, wo die Bundesregierung versucht hat, etwas Eigenständiges vorzuschlagen, sind zwei Vorschriften herausgekommen, die juristisch unhaltbar waren und die insgesamt geradezu unleserliche Paragraphenbandwürmer darstellten. Diese Vorschriften sind in der weiteren Beratung aus besserer Einsicht - zum Glück, so kann ich sagen - von der Bundesregierung auch fallengelassen worden. Es handelte sich um die §§ 22 a und 25 a.
Da Sie im ersten Referentenentwurf noch nichts aus dem Bundesratsentwurf abgeschrieben hatten, blieben dann in der Tat nur die beiden von Ihnen als änderungsbedürftig genannten Punkte übrig, nämlich die Vorschrift über die Nutzungbeschränkung und die Vorschrift über die Abänderbarkeit der Gemeinschaftsordnung. Bei beiden Punkten waren die vom Bundesratsentwurf abweichenden Vorstellungen so, daß sie durchaus durch Änderungsanträge hätten geltend gemacht werden können. Die Abweichungen waren jedenfalls nicht ausreichend, um einen eigenständigen Gesetzentwurf zu rechtfertigen.
Aber was machen Sie, als nun Ihr eigenständiger Gesetzentwurf zu kurz geworden ist? Sie schreiben sieben Vorschriften wortwörtlich aus dem Bundesratsentwurf ab. Um das zu bemänteln, schreiben Sie in die Begründung, dies geschehe, weil Sie diese sieben Änderungen auch für gut hielten und weil die Beratungen dadurch erleichtert würden.
({0})
Das letztere ist sicherlich nicht der Fall, denn eine Synopse muß trotzdem angefertigt werden. Wie fadenscheinig diese Begründung ist, zeigt sich auch, wenn man auch einmal in die Begründung zum ersten Referentenentwurf hineinschaut. Da steht nämlich ausdrücklich darin, daß Sie diese Vorschriften nicht in Ihrem Entwurf aufnehmen, weil diese Vorschriften ja bereits im Bundesratsentwurf dem Bundestag vorliegen.
Ich komme deshalb zu meiner Ausgangsfrage zurück, ob der Gesetzentwurf notwendig gewesen ist. Ich kann hier, meine Damen und Herren, nur mit Radio Eriwan antworten: Im Prinzip nein, aber zur Beschäftigung der Ministerialbürokratie und zur Beschäftigung der Bundestagsabgeordneten offensichtlich ja oder aber „offensichtlich ja" - zu Propagandazwecken der Regierung.
Das ist mit Sicherheit ein typischer Fall völlig überflüssiger Beschäftigungstherapie. In diesen Fällen wurde offensichtlich vergessen, daß wir alle, die
Helmrich
wir hier in diesem Raume beraten, von Steuergeldern leben und daß wir dementsprechend unsere mit Steuergeldern abgegoltene Arbeitskraft rationeller einsetzen sollten. Ich habe die Bitte, uns mit derartigen Schreib- und Abschreibübungen künftig nicht mehr zu belästigen. Möglicherweise ist das sogar ein Fall, mit dem sich der Bundesrechnungshof beschäftigen könnte.
({1})
- Papierverschwendung; wir waren ja gerade beim Umweltschutz.
Meine Damen und Herren, aber nun zu den beiden Komplexen, zu denen der Herr Minister gesagt hat, es sei notwendig, eine Änderung vorzunehmen.
Zunächst zu den Nutzungsbeschränkungen: Wir haben bereits im Rechtsausschuß den Verdacht geäußert, daß hier eine Änderung wohl überhaupt nicht nötig sei, und haben deshalb die Bundesregierung gebeten, sie möge Rechtstatsachenforschung betreiben und nachprüfen, ob die Notwendigkeit dafür überhaupt gegeben ist.
Die Bundesregierung hat dankenswerterweise Anfragen an die Landesregierungen und Anfragen an die interessierten Verbände gerichtet. Nur von einer einzigen Landesregierung ist die Notwendigkeit einer Änderung bejaht worden, und zwar von der Landesregierung, die ihrerseits den Bundesratsentwurf verfaßt hat.
({2})
- Nichts anderes war zu erwarten. Das ist der typische Fall, in dem zwei Bürokratien sich gegenseitig begießen, um auf diese Art und Weise zu blühen und zu gedeihen.
Alle anderen Landesregierungen haben wenigstens noch bei Gerichten nachgefragt, um ihre Meinung zu erhärten, aber diese eine Landesregierung schreibt schlicht, bei den Gerichten nachzufragen sei nicht nötig gewesen, denn die Schwierigkeiten mit diesen Vorschriften seien offensichtlich - Schluß, aus. Und der Verfasser verweist dann noch in Literaturangaben auf seine eigenen Aufsätze.
({3})
Dieses Verfahren kennen wir, meine Damen und Herren. Deshalb verstehe ich nicht, daß der Herr Minister sagt, dies sei an diesem Punkte notwendig. Ich muß hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wirklich ganz kurz zitieren: Justizminister Baden-Württemberg: Schwierigkeiten nicht aufgetreten; Justizamt Berlin: Schwierigkeiten kaum ergeben; Bremen: keine Erfahrungen;
({4})
Amtsgericht Hamburg: Schwierigkeiten in diesem Problemkreis nicht erkennbar ; Hamburg-Altona: keine Erfahrungen; hessischer Minister der Justiz: Probleme bisher nicht erkennbar geworden; usw. Sämtliche übrigen Länder und sämtliche befragten Verbände haben eindeutig und in seltener Klarheit
in dem Sinne Stellung genommen, daß eine Änderung in diesem Punkte überflüssig ist.
Ich habe Verständnis dafür, daß der Herr Minister - er ist leider nicht mehr da - nicht alles selber lesen kann, aber an diesem Punkt möchte ich dringend empfehlen, daß er entweder durch den Herrn Staatssekretär oder durch seinen persönlichen Referenten tatsächlich einmal nachlesen läßt. Aber ich gebe zu, wenn man in diesem Gesetzentwurf auch das noch gestrichen hätte, wie es von den Justizministern der Länder praktisch mittelbar empfohlen worden ist, hätte natürlich überhaupt nichts mehr dringestanden.
Ich komme zum letzten Punkt, zu dem ersten, den der Herr Minister als notwendig bezeichnet hat. Hier geben wir zu - das haben wir bereits im Zusammenhang mit der Bundesratsdrucksache eingeräumt -: Die Frage der Abänderbarkeit der Gemeinschaftsordnung ist ein Problem. Die im Gesetz geforderte Einstimmigkeit ist eine zu starre Regelung. Wir werden daher diese Änderung mit Sicherheit mittragen. Nach meiner Auffassung ist wohl auch dem Vorschlag, den die Bundesregierung macht, nämlich die begrenzte Abänderbarkeit ins Gesetz neu aufzunehmen, gegenüber der totalen Abänderbarkeit, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hat, der Vorzug zu geben.
Darüber hinaus allerdings haben wir Bedenken gegen die vorgeschlagenen Stimmenverhältnisse. Sie schlagen vor, daß die Gemeinschaftsordnung bereits mit einer Mehrheit von 76 % der Wohnungseigentümer und von 51 % der Miteigentumsanteile abänderbar sein soll. Meine Damen und Herren, die Vorschrift, die jetzt im Gesetz steht, hat deshalb zu Schwierigkeiten geführt, weil in Wohnungseigentumsgemeinschaften sich meistens zwei, drei oder vier Querulanten einer sinnvollen Änderung entgegengestellt haben. Ich glaube, nur die sollten wir treffen. Denn es handelt sich hier um die Feststellung des Inhalts eines Sachenrechts, um die inhaltliche Feststellung von Eigentum, die auch ins Grundbuch geschrieben werden soll. Da glaube ich, daß man schon eine Minderheit von 25 % noch nicht sollte überstimmen können. Aber das sollten wir abwägen. Wir werden darüber eingehend beraten.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus schlagen Sie abweichend vom Bundesrat zu dieser Abänderung ein Beschlußverfahren vor, das wahrscheinlich als zu umständlich anzusehen ist. Ein aufgeblähtes Beschlußverfahren, einschließlich Kostenvorschriften fünf eigenständige Paragraphen - ich halte das für überflüssig, zumal Sie in diese Vorschriften dann für die Beurkundung des Beschlusses Einzelvorschriften für das Verfahren des Notars hineinschreiben, die sich von selbst verstehen. Auch an diesem Punkt sollte jemand noch einmal deutlich nachlesen, was im ersten Referentenentwurf stand. Haarsträubend, daß solche Dinge aus einem Ministerium kommen! Darin stand doch tatsächlich, daß der Notar bei der Beurkundung in der Niederschrift Ort und Zeit der Niederschrift und seinen Namen angeben müsse. So etwas darf auch in einem ersten Entwurf nicht stehen. Ich
Helmrich
glaube, die Notare hier werden mir recht geben. Meine Damen und Herren, diese überflüssige Aufblähung braucht meines Erachtens nicht zu sein. Aber auch hierüber, über das Verfahren und wie es geändert werden soll, werden wir eingehend beraten.
Ich komme zum Schluß und darf zusammenfassen. Dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung war eindeutig nicht erforderlich. Das alles hätte mit Änderungsanträgen in die Beratung einfließen können. Dieser Entwurf enthält überflüssige Schreib- und Abschreibarbeiten. Die Rechtstatsachenanfrage, die ja immerhin fünf Vierteljahre in Anspruch genommen hat, ist völlig unzureichend ausgewertet worden. Die Regierung hat wider besseren Wissens etwas offensichtlich nicht Regelungsbedürftiges hier zur Regelung vorgeschlagen. Der einzige Punkt, der regelungsbedürftig ist, ist unserer Auffassung nach in überflüssiger Weise umständlich geregelt. Meine Damen und Herren, das ist insgesamt sicherlich kein Ruhmesblatt für unser Justizministerium.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwenk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den flammenden Aufrufen des Herrn Kollegen Helmrich gegen Justizministerium, Bürokratie und was er alles noch angeprangert hat, fällt es ja geradezu schwer, noch ein gutes Wort zu finden, wenn man das alles ernst nähme.
({0})
- Ich sage: Wenn ich das alles ernst nähme, was Sie gesagt haben. Herr Kollege Helmrich, ich hatte nicht den Eindruck, daß Sie die Gelegenheit hier so ungern gesehen haben, einmal kräftig aufzutreten und auf die Pauke zu hauen. Sie haben dabei aber übersehen, daß Sie vor knapp zwei Jahren, als wir hier über den Bundesratsentwurf gesprochen haben, seinerzeit gefeiert haben, daß der Bundesrat einen Vorstoß gemacht hat.
({1})
- Aber ja, aber ja. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, daß Sie sich gegen große Wohnungskomplexe ausgesprochen haben, daß da nun endlich einmal etwas getan würde.
({2})
So wandeln sich die Zeiten. Ich bin im Gegensatz zu Ihnen der Auffassung: Es ist diesem zwar nicht sehr umfangreichen, aber in einigen Einzelpunkten bedeutsamen Gesetz gut bekommen, daß darüber eine längere Zeit, nämlich eine Zeit der Diskussion mit Fachleuten, vergangen ist, die zu der jetzt vorliegenden Regelung geführt hat. Es war ein Vorstoß des Bundesrats. Sie haben bei Ihren flammenden Anklagen gegen das Bundesjustizministerium immer vergessen, daß ja überhaupt erst der Bundesrat mit Fragen, die noch darüber hinausgingen, hervorgetreten ist. Also müßten Sie in Ihre Vorwürfe gegen Bürokratie und ähnliches genauso die Landesministerien einbeziehen. Sie dürfen das nicht einseitig auf die Bundesjustizverwaltung verlegen.
({3})
Aber solche Einseitigkeiten sehe ich Ihnen gern nach. Sie gehören natürlich bei einigen zum Stil.
Das hier sind Änderungen, die für eine lange Zeit reichen sollen. Dementsprechend ist kein bißchen Zeit dadurch versäumt worden, daß man dies behutsam angegangen ist und einen wohlabgewogenen Entwurf vorgelegt hat. Wir haben eine gute Grundlage für unsere Beratungen im Ausschuß gewonnen. Dort können Sie noch einmal Ihre Bedenken aus der Sicht eines Notars vorbringen, was nach Ihrer Auffassung überflüssig ist. Wir werden dazu Stellung nehmen.
Ich bin im Gegensatz zu Ihnen der Ansicht, daß in wichtigen Angelegenheiten bei Änderungsbeschlüssen die Bemühungen eines Notars Klarheit und Rechtssicherheit schafft. Denn hier handelt es sich, wie sie richtig betont haben, um Abänderungen bezüglich eines dinglichen Rechts, eines Eigentumsrechts. Da sollen die Eigentümer beurkundet haben, worum es sich handelt, auch zur Abwehr der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs für einen Neuerwerber, dessen Bevorrechtigung stets zu Lasten der anderen gehen würde.
Ich meine nicht, daß es den Wohnungseigentümern und denen, die es werden wollen, etwas bringt, wenn wir uns lang darüber ergehen, wie es hin und her gegangen ist. Wir sollten uns lieber etwas mehr der Sache zuwenden. Ich sagte schon: Die Bundesregierung hat hier einen eigenen Weg eingeschlagen. Er beinhaltet folgendes: Der Erwerber einer Eigentumswohnung muß übersehen können - ob er die Wohnung aus erster oder aus zweiter Hand erwirbt, ist für ihn dabei nicht bedeutsam -, wie weit die Nutzungsbefugnisse an seiner Wohnung und den zugehörigen Nebenanlagen gehen und wieweit sie Beschränkungen durch das Miteigentum seiner Nachbarn unterliegen. Nun hat sich erwiesen, daß bei der Teilung großer Wohnanlagen der Bauträger die Bedingungen vorgibt. Er zieht sie oft sehr stark an. Das macht ihm natürlich die Verwaltung leichter und vermeidet selbstverständlich mehr Ärger unter Nachbarn. Aber es gibt der gesamten Nutzung des Wohneigentums oft nicht den nötigen Raum, so daß für die Inhaber gewisse Änderungen wünschenswert sein können. Es muß sich nicht immer nur um Querulanten handeln, sondern es ist durchaus denkbar, daß sich auch andere nicht mit einer Änderung einverstanden erklären wollen.
Die Tatsachenforschung, die Sie angeführt haben, hat immerhin ergeben, daß die Anzahl der Großbauvorhaben zurückgegangen ist, daß es also gar nicht nötig war, in diesen Gesetzentwurf eine sachfremde Bestimmung hineinzunehmen und über diesen Gesetzentwurf den weiteren Bau von Großanlagen einzuschränken.
Den schmalen Pfad zwischen Wandel und Beharrung kann man nur mit wohlüberlegten Vorschlägen
Dr. Schwenk ({4})
beschreiten. Die Diskussionen haben eine sachliche Verfeinerung ergeben. Es hätte auch Ihnen auffallen müssen, daß sich dabei eine weitgehende Annäherung zwischen den Vorstellungen der Bundesregierung und des Bundesrats ergeben hat. Ich halte es für gut, wenn hier eine weitgehende inhaltliche Gesamtträgerschaft hervorkommt.
Unsere Beratungen werden in dem Bewußtsein geführt werden, daß der Bau und der Erwerb von Eigentumswohnungen im Gesamtbild unseres Städtebau- und Wohnungswesens auch in Zukunft ihren gesicherten Platz haben und auch aus den Programmen zur Stadterneuerung nicht wegzudenken sind. Damit die Bereitschaft, Kapital zu investieren und damit für kleinräumige wie großräumige Erneuerungsprogramme und Neubauprogramme finanziell einzutreten, weiterhin reizvoll bleibt, bedarf es nicht nur der Förderung dieser Wohn- und Eigentumsform, wie es die Bundesregierung durch Ihre Jahr für Jahr gestiegenen Haushaltsansätze dafür getan hat, sondern auch der rechtlichen Absicherung.
Der Kernpunkt der angestrebten Änderungen - darauf will ich noch einmal besonders eingehen - wird die Bestimmung des Gebrauchs von Wohnungseigentum bleiben. Die Bundesregierung hat sich nun dazu entschlossen, eine inhaltliche Vorgabe zu geben, nämlich Abweichungen nur insoweit zuzulassen, als die bereits in der Bauanlage vorgesehene Nutzungsart nicht beeinträchtigt wird. Das leuchtet auch ein: Wenn ein in Wohnungseigentum aufgeteiltes Gebäude z. B. für die Aufnahme von Altenwohnungen geplant und errichtet ist, dann müssen sich die Erwerber darauf verlassen können, daß dieses Gebäude seinen Charakter mit der Zeit nicht verliert, daß nicht neue Erwerber mit ihren Sondereigentumsanteilen gänzlich andere Zwecke verfolgen und eines Tages mehrheitlich durchsetzen. Gleiches kann z. B. für einen größeren Wohnkomplex gelten, in dem zahlreiche Familien wohnen. Sie dürfen es nun nicht erleben, daß vielleicht einmal ein Gewerbetreibender auf die Idee kommt, Anteile zusammenzukaufen und die Zulassung eines Gewerbebetriebes durchzusetzen. Sollte es aber - um ein anderes Beispiel zu nennen - die ärztliche Versorgung dort gebieten, eine Arztpraxis einzurichten, dann würde nichts dagegen sprechen können, einige Einheiten zusammenzulegen, umzurüsten und eine Arztpraxis daraus zu machen.
Diese inhaltliche Bindung erscheint mir wertvoller als das Beharren auf Formalien. Dadurch, daß der Entwurf einerseits die Möglichkeit schafft, mit qualifizierter Mehrheit Änderungen bisher geltender Vereinbarungen durchzusetzen, andererseits aber auch den Kernbereich der vorgegebenen Nutzungsoder Wohnart schützt, schafft er eine abgesicherte Elastizität sowohl für zu fordernden Vertrauensschutz als auch im Hinblick auf die Gefahr, daß sich wandelnden Wohnbedürfnissen nicht Rechnung getragen werden kann.
Eine der berühmten Fragen ist die der Freiflächengestaltung. Ist es auf Dauer wichtiger, eine gärtnerisch angelegte Freifläche für das Auge zu erhalten oder sie Kindern zum Spielen zu überlassen? Soll dem Ehrgeiz auf unbeschädigte Rasenflächen nachgegeben werden mit der Folge, daß die Jugendlichen zum Ballspielen auf die Straße geschickt werden? Derartige Dinge würden ganz sicher nicht den Kernbereich betreffen; sie müssen mit Mehrheit abänderbar sein. Das Interesse der Eltern für ihre Kinder muß sich gegen das Bedürfnis nach Ruhe und gepflegter Kulisse durchsetzen können. Oder: Was Notwendigkeiten der Modernisierung, die Neuausrüstung mit technischen Hilfsanlagen, die Ausnutzung von Energiesparprogrammen oder allen dienenden Erweiterungsmaßnahmen angeht, so muß den Eigentümern Gelegenheit gegeben werden, mehrheitlich zu entscheiden und damit den Gebrauchs- und den wirtschaftlichen Wert ihres Eigentums auf der Höhe der Zeit zu halten.
Es würde im Rahmen dieser kurzen Darstellung der gesetzgeberischen Absichten zu weit führen, wenn ich auf verschiedene Änderungen des Verfahrens einginge, über die sich Ländervertretung und Bundesregierung bereits einig sind und die voraussichtlich auch unsere Billigung finden werden.
Bemerkenswert ist, daß die Ansammlung und Verwendung der Instandhaltungsrücklage den vertraglichen Vereinbarungen überlassen bleiben sollen, um nicht neue, komplizierte Tatbestände der Immobiliarzwangsvollstreckung zu schaffen.
Auf den Abschnitt über die Änderung bestehender Vereinbarungen durch Beschluß will ich hier nicht weiter eingehen. Nur so viel: Der Verzicht auf Einstimmigkeit schafft Unbeweglichkeit ab. Die Berechnung der Stimmanteile nach Größe der Wohnungseinheiten schützt den, der mehr investiert hat, vor Benachteiligung gegenüber einer Berechnung, die bloß auf Kopfzahlen abstellt. Sondernutzungsrechte, die unantastbar sind, können nur mit seiner Zustimmung geändert werden.
Wie ich eingangs schon sagte, schafft die Hinzuziehung eines Notars für die Verhandlung und Beurkundung wesentlicher Beschlußteile, die in das Eigentumsrecht eingreifen können, zwar - das will ich Ihnen gern zugeben - etwas mehr Bürokratie, aber auch die nötige Rechtssicherheit. Dies ist beim Immobiliarwesen nicht nur wünschenswert, sondern auch nötig.
Meine Damen und Herren, die ernst und wohlabgewogene Beschäftigung mit diesem Gesetzentwurf unterstreicht, daß die aus dem Wiederaufbaubedürfnis der Nachkriegszeit wiederbelebte Idee mittelalterlichen Stockwerkseigentums in Gestalt des Wohnungseigentumsrechts sowohl für die Wohnraumbeschaffung als auch für die Städtebaupolitik ungebrochen Bedeutung hat und ein wichtiges Instrument für die weitere staatliche Wohnungsbauförderung darstellen wird.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Helmrich hat gemeint, der Entwurf der Bundesregierung
sei überflüssig, man hätte das, was die Regierung wolle, auch in Form von Änderungsanträgen einbringen können. Man kann natürlich immer trefflich darüber streiten, ob in einem vorliegenden Entwurf im Wege von Änderungsanträgen alles eingebaut werden kann, was man will, oder ob es sinnvoller ist, einen in sich geschlossen eigenen Gesamtentwurf vorzulegen. Ich meine, die Entscheidung der Bundesregierung, so zu verfahren, wie sie verfahren ist, ist vernünftig gewesen, obwohl man dies retrospektiv, wenn man das Ergebnis sieht, nicht unbedingt noch einmal zu unterstreichen hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu einem anderen Vorwurf Stellung nehmen, den die Opposition in den letzten anderthalb Jahren erhoben hat. Sie hat gesagt, die Verschleppung der Beratungen des Bundesratsentwurfs sei eine verfassungsrechtlich etwas bedenkliche Handhabung, Herr Kollege Dr. Jahn.
({0})
Ich meine, dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Es stimmt, daß seit der ersten Lesung am 24. März 1977 etwa 13/4 Jahre vergangen sind. Es stimmt auch, daß dies eine ganz ungewöhnlich lange Zeit ist. Sie ist nicht typisch und sollte für die Behandlung eines Gesetzentwurfs eines anderen Verfassungsorgans durch dieses Hohe Haus auch nicht typisch werden.
Richtig ist aber auch, daß die Koalitionsfraktionen Lösungsansätze im Bundesratsentwurf für richtig erkannte Probleme für falsch hielten und daß Alternativen für die richtige Lösung nicht sichtbar waren. Wenn man den Bundesratsentwurf in dieser Lage schnell und zügig behandelt hätte, wäre im Zweifel eine Ablehnung herausgekommen. Wir meinen, es bringt den besonderen Respekt gegenüber dem Verfassungsorgan Bundesrat zum Ausdruck, wenn wir gewartet haben, bis die Alternativvorstellungen der Bundesregierung vorlagen, um beide Entwürfe beraten zu können, damit am Ende ein hoffentlich besseres Wohnungseigentumsgesetz das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen beider Verfassungsorgane ist.
Die Zeitverzögerung konnte in diesem Zusammenhang in Kauf genommen werden, weil sich alle darüber einig sind, daß sich dieses nun 27 Jahre alte Gesetz im Grundsatz bewährt hat und daß die aufgetretenen Probleme zwar gewichtig sind, aber durchaus nicht unbedingt besonders schnell gelöst werden müssen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich gestatte sie, wenn ich diesen Gedanken zu Ende geführt habe. - Dem Gesetzgeber steht es gerade dann gut an, sich ausreichend Zeit zu Beratungen zu lassen, wenn es darum geht, ein Kernstück unserer Grundeigentumsordnung zu reparieren.
Bitte schön, jetzt können Sie die Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Gattermann, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Vorstellungen der Bundesregierung auch bei der Beratung der Gesetzesinitiative des Bundesrates hätten zum Ausdruck gebracht werden können?
Herr Kollege Dr. Jahn, wenn Sie zugehört haben, wissen Sie, daß ich eben gesagt habe: Wenn die Frage ansteht, ob ich meine Vorstellungen durch Änderungsanträge oder in Form eines eigenen Entwurfs einbringe, kann man darüber streiten, welches der richtige Weg ist. Bei einem so komplexen Thema wie diesem ist es sicherlich richtig, das, was man will, mit einem eigenen, in sich geschlossenen Entwurf und nicht partiell durch Änderungsanträge zu verwirklichen zu suchen.
({0})
- Nein, Herr Kollege, dann nicht.
({1})
Da ich in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes des Bundesrates die grundsätzliche Position meiner Fraktion zur Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes bereits aufgezeigt habe, darf ich- mich heute auf einen Punkt beschränken, den ich für das Kernstück - auch des Regierungsentwurfes - halte, nämlich die Änderung -der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsentscheidung. Ich sage ganz offen, daß meine Fraktion auch dem Regierungsentwurf insoweit außerordentlich kritisch gegenübersteht. Lassen Sie mich einige Kritikpunkte nennen.
Erstens. Es gibt nicht nur Gemeinschaftsordnungen, die einseitig ohne Beteiligung der späteren Wohnungseigentümer vom Bauträger praktisch erlassen worden sind, es gibt auch - wenn auch in geringerem Umfang - Gemeinschaftsordnungen, die zwischen mehreren Grundeigentümern im einzelnen ausgehandelt worden sind. Es fragt sich, ob man die Änderbarkeit durch Mehrheitsentscheidungen hier undifferenziert einführen kann.
Zweitens. Unzuträglichkeiten der Gemeinschaftsordnung für Wohnanlagen mit weniger als fünf Wohneinheiten sind durch den vorliegenden Entwurf überhaupt nicht zu lösen, weil es rein mathematisch keine Mehrheit von mehr als drei Viertel gibt. Gerade aber in diesen etwas kleineren Anlagen von drei und vier Wohnungen gibt es den heftigsten und vehementesten Streit über solche Probleme. Das wird durch den vorliegenden Entwurf überhaupt nicht gelöst.
Drittens. Der an sich notwendige Versuch der materiellen Eingrenzung von Änderungsmöglichkeiten bedingt die Gefahr zahlreicher schwieriger Rechtsstreitigkeiten auf Grund der notwendigerweise verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, wobei dann während der Dauer der Rechtsstreite verhältnismäßig unklare Grundbuchinhalte die Mobilität des Immobiliengeschäfts gefährden.
Viertens. Das Problem der Zustimmungspflicht von Grundpfandgläubigern - ja oder nein - bleibt ungelöst und wird der Rechtsprechung überantwortet. Der Bundesrat meinte, das könne man grundsätz10060
lieh für entbehrlich erklären, was ganz massiven Bedenken begegnet. Die Bundesregierung stellt richtigerweise fest, daß nur im Einzelfall entschieden werden kann, ob die Inhaltsänderung relevante Auswirkungen für den Grundpfandgläubiger hat oder nicht, so daß das letztendlich in der Tat die Rechtsprechung tun muß. Das aber produziert unter Umständen auch wieder über längere Zeiträume streitige Auseinandersetzungen, die wiederum unklare Rechtsverhältnisse im Grundbuchbereich schaffen und zu einer weiteren gewissen Immobilität beitragen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Helmrich?
Bitte, gern.
Herr Kollege Gattermann, an der Stelle möchte ich doch die Frage stellen, die ich vorhin nicht mehr stellen konnte. Können Sie mir eine Antwort darauf geben - mir ist das unbegreiflich geblieben -, warum im Regierungsentwurf zur Beurkundung übergegangen wird, obwohl bei den bisherigen Gemeinschaftsordnungen der Notar in Form der Unterschriftsbeglaubigung ja auch immer gebraucht wurde?
Ich glaube den Grund schon zu verstehen, obwohl ich gleich noch einige kritische Bemerkungen zur Beurkundung machen werde. Hier werden in der Tat Gemeinschaftsordnungen mit quasi sachenrechtlichem Inhalt verändert - teilweise zu Lasten von nicht Anwesenden -, so daß es schon sinnvoll erscheint, in einem ordentlichen Beurkundungsverfahren diese Vorgänge insgesamt festzuhalten, um so zu gewährleisten, daß solche Eingriffe in Eigentum - darum handelt es sich letztlich - in einem geordneten Verfahren erfolgen. Aber ich habe ohnehin Kritik am Beurkundungsverfahren vorzubringen.
({0})
- Bitte, gern.
Herr Kollege Gattermann, bisher sieht das Wohnungseigentumsgesetz vor, daß frei vereinbart wird und daß nur eine Unterschriftsbeglaubigung durch den Notar erfolgt.
Herr Abgeordneter, wollen Sie bitte eine Frage stellen.
Halten Sie das nicht für ausreichend?
Die reine Unterschriftsbeglaubigung würde ich nicht für ausreichend halten, wenn durch Mehrheitsentscheidungen so weitgehende Änderungen möglich sind, wie sie auch der Regierungsentwurf noch vorsieht. Soweit es sich nur um die normalen Regularien aus § 21 handelt, die nicht in der Gemeinschaftsordnung festgeschrieben sind, reicht die Unterschriftsbeglaubigung durchaus. Aber darüber würde ich nicht hinausgehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich fortfahren. Sonst komme ich mit meiner Redezeit ins Gedränge.
Das Problem der Zustimmungspflicht der Grundpfandgläubiger - ja oder nein - bedingt ebenfalls gewisse Zeitverzögerungen bei streitigen Auseinandersetzungen mit Auswirkungen auf die Mobilität dieses Immobilienbereiches.
Fünftens. Die Generalklauseln, die unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe materielle Einschränkungen abänderungsfähiger Tatbestände ausdrücken, schaffen Verunsicherungen, bei denen wir befürchten, daß sie der Attraktivität der Rechtsform Wohnungseigentum entgegenwirken könnten.
Sechstens. Das Beurkundungs- und Grundbuchverfahren zur Feststellung und Verlautbarung der Änderungsbeschlüsse ist auch nicht gerade das, was man ein einfaches Verfahren nennt. Ich stelle mir das bei einer Versammlung für eine Wohnanlage von nur 50 Wohneinheiten vor, wo 30 Leute erscheinen und der Notar erst einmal 30 Identifizierungen vorzunehmen hat; wo er im Anschluß daran dann 20 Leute mit beglaubigten Abschriften der beurkundeten Versammlung zu beglücken hat. Die Zustimmung der Grundpfandgläubiger ist nach wie vor notwendig. Formell wird der Rechtspfleger des Grundbuchamtes natürlich immer die Zustimmung verlangen. Ich unterstelle, daß im Durchschnitt jeder Wohnungseigentümer etwa drei verschiedene Grundschulden und Hypotheken auf seinem Wohnungseigentum hat. Das bedeutet für diese Anlage die Einholung von 150 Zustimmungserklärungen von Grundpfandgläubigern. Das heißt dann weiter nach Prüfung all dieser Unterlagen die Änderung von 50 Wohnungsgrundbüchern wegen einer möglicherweise ganz geringfügigen Änderung des Umlageschlüssels für Wassergeld.
Meine Damen und Herren, dies alles sind Kritikpunkte. Nun der letzte und gewichtigste: Die Möglichkeit des Eingriffs in Individualeigentum durch Mehrheitsentscheidung privater Dritter ist für sich allein vom Prinzip her bedenklich. Wir appelieren deshalb an die Bundesregierung, da das Problem besteht und wir es alle gemeinsam lösen müssen, im Gesetzgebungsverfahren mit uns gemeinsam noch weiter nachzudenken. Die Bundesregierung hat ihre Position zu dieser Frage als mittlere Position zwischen jener des Bundesrates und Vorschlägen dargestellt, die in der Fachdiskussion vorgetragen worden sind. Das ist in der Begründung der Regierungsvorlage ausgeführt.
Wir fragen uns, ob der rechtssystematische Ansatzpunkt für die Lösung der richtige ist. Woraus entsteht das ganze Dilemma? Es entsteht daraus, daß simple schuldrechtliche Regelungen, die nach unserem sonstigen Rechtssystem nicht sachenrechtsfähig sind, zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werGattermann
den können und dadurch quasi dingliche Wirkung erhalten. Nur daraus ergibt sich die ganze Problematik.
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Wir fragen uns also - dies wäre allerdings zunächst nur eine Lösung, die in die Zukunft wirkt; aber man könnte auch darüber einmal im Ausschuß und im Ministerium nachdenken -, ob eine Rückwirkung möglich ist. Wir fragen uns, ob der systematisch richtige Ansatzpunkt nicht jener ist, daß alles, was so rund um die Hausordnung geschieht, nicht mehr sondereigentumsfähig gemacht werden sollte, hier also das Sondereigentum auszuschließen wäre. Dann wird es nie Inhalt des Grundbuchs, unterliegt der ganz normalen Regelung nach § 21 durch Mehrheitsentscheidung. Man könnte im Rahmen dieser Regelung noch darüber nachdenken, ob man qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Regelungen setzt und unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse für die Abänderbarkeit postuliert. Daneben könnte man für die gewichtigeren, essentiellen Eingriffe in das Sondereigentum und sonstige Regelungen der Gemeinschaftsordnung den in der Praxis entwickelten Vorschlag einer Mißbrauchsregelung aufgreifen, wonach die Zustimmung der widersprechenden Wohnungseigentümer durch Gerichtsentscheidung ersetzt werden kann, wenn rechtsmißbräuchlich oder ohne plausible sachliche Begründung vernünftige Maßnahmen blockiert werden. Wir meinen also, daß auch der Entwurf der Bundesregierung noch nicht der Weisheit letzter Schluß ist, und wir hoffen, daß in den gemeinsamen Bemühungen im Ausschuß am Ende dieser einzige wirkliche Streitpunkt der Änderung der Gemeinschaftsordnung rechtssystematisch sauber gelöst werden kann.
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Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 8/2444 an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - mitberatend - vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht
- Drucksache 8/2451 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0})
Ausschuß für Wirtschaft
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf leistet die Bundesregierung im Rahmen ihrer gesetzgeberischen Kompetenzen für das Baurecht einen Beitrag zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren im Bauwesen. Der Entwurf der Beschleunigungsnovelle ist in das allgemeine Anliegen einer Entbürokratisierung im Bauwesen einzuordnen. Er steht in engem Zusammenhang mit Bemühungen, umfassend alle Genehmigungsverfahren im Bauwesen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zu diesem Zweck ist beim Bundesbauministerium im Herbst 1977 eine Studiengruppe gebildet worden, der Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien - für die Mitarbeit möchte ich bei dieser Gelegenheit danken -, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände sowie der Bauwirtschaft und der Gewerkschaft Bau angehören. Diese Studiengruppe erarbeitete unabhängig von der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Baurechts Vorschläge zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren im Baubereich. Sie hat mit dazu beigetragen, die politische Diskussion anzuregen. Die Bemühungen der Länder um eine Vereinfachung des Baugenehmigungsverfahrens sind dabei besonders wichtig. Auch der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt Vorschläge aus dieser Studiengruppe.
Unmittelbarer Anlaß der Diskussion zum Thema „Beschleunigung im Baubereich" war 1977 die damals noch ungünstige Baukonjunktur. Die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse haben das öffentliche Interesse verstärkt auf Investitionshemmnisse und Investitionsschwierigkeiten im Baubereich gelenkt. Die Bundesregierung ist frühzeitig im Zusammenwirken mit allen Beteiligten der Frage nachgegangen, in welchen Bereichen und worin im einzelnen die Ursachen für diese Hemmnisse und Schwierigkeiten bestehen können. Es ging aber von Anfang an nicht allein um konjukturelle Fragen in diesem Zusammenhang des Abbaus investitionshemmender Vorschriften, sondern darüber hinaus um grundsätzliche Probleme der Entbürokratisierung. Diese Frage ist heute genauso aktuell wie vor einem Jahr, ihre Bedeutung ist unabhängig von der aktuellen konjunkturellen Lage. Fragen des Verhältnisses zwischen dem einzelnen Bürger und seinem Staat, Fragen der Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit staatlichen Handelns berühren letztlich Grundsatzprobleme unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung.
Wir versuchen mit der Beschleunigungsnovelle, hier einen kleinen Beitrag in einem begrenzten Bereich zu leisten. Für den Bürger ist es z. B. von Bedeutung - jetzt komme ich zum Inhalt des Gesetzentwurfs -, ob die Voraussetzungen von Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes erweitert werden, ob die nach dem Bundesbaugesetz erforderliche Mitwirkung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde bei Genehmigung von Vorhaben an Fristen gebunden werden und dadurch Baugenehmigungen schneller als bisher erteilt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält
Änderungen des Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes, die zur Entbürokratisierung und Vereinfachung von Verfahren im Städtebaurecht erforderlich sind. Im Rahmen dieser Zielsetzung des Gesetzentwurfs soll im Bundesbaugesetz u. a. das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen vereinfacht werden, um Bauinvestitionen beschleunigt durchführen zu können. Im Verhältnis von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan wird das Parallelverfahren entsprechend den Bedürfnissen der Praxis geregelt. Die Voraussetzungen für die Auffstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans sollen erleichtert werden. Zur Erleichterung des Bodenverkehrs soll die Genehmigungspflicht für Auflassungen von Grundstücken entfallen.
Beim Verfahren zur Genehmigung von Vorhaben sieht der Gesetzentwurf vor, daß die nach dem Bundesbaugesetz erforderliche Mitwirkung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde an Fristen gebunden wird. Bei Verschweigen der Gemeinde innerhalb der Frist soll das Einvernehmen als erteilt gelten. Diese Regelung gilt auch für die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde. Den Trägern öffentlicher Belange wird für ihre Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung am Bauleitverfahren ebenfalls eine Frist gesetzt. Die Möglichkeiten der Erteilung einer Befreiung von Festsetzungen im Bebauungsplan sollen unter Wahrung der Belange der von diesen Befreiungen Betroffenen erweitert werden.
Die Baulandumlegungen, durch die oft erst baureife Grundstücke geschaffen und Bauinvestitionen ermöglicht werden, sollen beschleunigt und von vermeidbaren Verzögerungen befreit werden. Das bewährte Instrument der Grenzregelung soll im Interesse einer sachgerechten Wohnordnung erleichtert und fortentwickelt werden.
Die bereits in der ersten Novelle zum Bundesbaugesetz aufgenommenen Regelungen über . die Heilung von Verfahrens- und Formmängeln bei der Aufstellung von Satzungen nach dem Bundesbaugesetz und dem Städtebauförderungsgesetz werden weiterentwickelt. Damit wird die Bestandskraft von Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und anderen Satzungen erweitert und so eine verbesserte Grundlage für stadtentwicklungspolitische Maßnahmen getroffen.
Im Städtebauförderungsgesetz sollen insbesondere die Vorschriften, die sich auf die Durchführung der Sanierung verzögernd auswirken können, geändert werden. So soll nach dem Gesetzentwurf z. B. in den Fällen auf vorbereitetende Untersuchungen verzichtet werden können, in denen dies durchaus auf Grund der konkreten Situation vertretbar ist.
Sanierungs- und zukünftig auch Entwicklungsmaßnahmen für Einzelgrundstücke sollen früher als bisher abgeschlossen werden können, so daß die nach dem Städtebauförderungsgesetz bestehenden Beschränkungen für den Grundstückseigentümer entfallen. Des weiteren sind Regelungen vorgesehen, die es den Investoren ermöglichen, frühzeitig Gewißheit über die auf sie zukommenden Belastungen zu erlangen.
Der vorliegende Gesetzentwurf - um dies auch ganz deutlich zu sagen - enthält nur solche Regelungen, die zur Beschleunigung, Vereinfachung und Entbürokratisierung von Verfahren im Städtebaurecht erforderlich sind. Weitere Änderungen anderer Teile des Bundesbaugesetzes werden zur Zeit im Bundesbauministerium eingehend geprüft und vorbereitet. Dabei geht es z. B. um das Recht des Bodenverkehrs und der Erschließung.
Der Bundesrat hat dem Ziel des Gesetzentwurfes zugestimmt. Wir haben die Länder bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfes auch rechtzeitig eingeschaltet und darüber hinaus eine Reihe von Anregungen und Empfehlungen gegeben. Wie Sie der Vorlage entnehmen können, ist die Bundesregierung überall dort, wo sie glaubte, es mit der Zielrichtung des Gesetzentwurfes vereinbaren zu können, diesen Vorschlägen gefolgt oder hat zumindest eine weitere Prüfung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zugesagt.
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Herr Bundesminister, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. - Ich kann keine Frage zulassen. Das ist eine Rede zur Einbringung.
Einige Punkte sind natürlich noch offengeblieben. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Entschließung des Bundesrates ansprechen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob das Städtebauförderungsgesetz um Bestimmungen für vereinfachte Erneuerungsmaßnahmen ergänzt werden kann. Ich darf in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP zur Städtebaupolitik im Herbst des vergangenen Jahres auf diese Problematik und die Notwendigkeit von Maßnahmen mittlerer Intensität, wie es im Fachjargon heißt, im Bereich der städtebaulichen Erneuerung und Modernisierung hingewiesen hat. Dort wurde unter anderem betont, daß ein neues ergänzendes Instrument im Bereich zwischen Modernisierung und Sanierung kommen und zwei wichtige Elemente enthalten muß, nämlich die Förderung von umfassenden und zusammenhängenden Aus-und Umbaumaßnahmen im älteren Althausbestand, eng verknüpft. damit städtebauliche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes.
In der Debatte über die Große Anfrage im November 1978 habe ich noch einmal versucht, deutlich zu machen, daß die Wohnumfeldverbesserung ein zentraler Aufgabenbereich der Städtebaupolitik der Zukunft ist. Wir brauchen also ein Instrumentarium, das ohne den bei der klassischen Sanierung notwendigen formalen Aufwand die gezielte Erneuerung einzelner Gebäude und einzelner Quartiere ermöglicht, zu Aus- und Umbaumaßnahmen geeignet ist, dem Ersatzwohnungsbau in Sanierungsgebieten hilft und vor allem auch der Verkehrsberuhigung in Wohnquartieren dient. An diesem Instrument wird gearbeitet.
Der Bundesrat hat schließlich in seiner Stellungnahme auch eine Änderung der §§ 34, 35 des Bundesbaugesetzes vorgeschlagen. Damit gibt es zwei Vorschläge zur Änderung dieser Vorschriften; denn auch die Fraktion der CDU/CSU hat einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Diese Vorschläge unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten wesentlich.
Ich habe zur Problematik der §§ 34, 35 des Bundesbaugesetzes in der ersten Beratung dieses von der CDU/CSU eingebrachten Gesetzentwurfs im Oktober 1978 hier deutlich gemacht, daß noch nicht abschließend geklärt ist, inwieweit sich die in der Praxis aufgetretenen Schwierigkeiten bei den §§ 34, 35 des Bundesbaugesetzes aus dem Gesetzesvollzug und inwieweit sie sich aus einer unzureichenden Gesetzesfassung ergeben haben.
Bei der ersten Beratung der Beschleunigungsnovelle - also des Gesetzentwurfs, den wir heute einbringen - im Bundesrat im November 1978 habe ich auf eine Untersuchung unseres Ministeriums zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden hingewiesen, die diesen Problemen nachgehen sollen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollten abgewartet werden, bevor über gesetzliche Änderungen sinnvoll entschieden werden kann.
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Ich habe eingangs betont, daß die Ihnen vorliegende Beschleunigungsnovelle im Zusammenhang mit dem Ziel einer Entbürokratisierung im Bauwesen zu sehen ist. Bürokratisierung ist natürlich kein auf den Baubereich beschränktes Problem. Hier wie in anderen Bereichen zeigen sich - darauf wollte ich abschließend noch hinweisen - natürlich auch Konflikte.
So sind z. B. die Maßnahmen der Bundesländer zur Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens von seiten der Ingenieure und Architekten vor allem aus bautechnischen Gründen nicht ohne Kritik geblieben. Wir erfahren auch, daß manche Maßnahmen zur Entbürokratisierung in der Konsequenz dazu führen, daß wir bei bestimmten verteilungspolitischen Zielsetzungen zurückstecken müssen.
Ebenso ergibt sich der Konflikt zwischen Entbürokratisierung, Verwaltungsvereinfachung und Bürgerfreundlichkeit auf der einen Seite und dem berechtigten Wunsch, für die politische Entscheidung einen möglichst großen Umfang an Informationen zu haben, auf der anderen Seite. Informationen setzt aber in der Regel ein Befragen des einzelnen Bürgers voraus. Dies wird zunehmend vom Bürger, aber auch von denjenigen; die diese Informationen dann in den Verwaltungen zu sammeln haben, als Last empfunden. Ein typisches Beispiel dafür ist das Zweite Baustatistikgesetz, das wir erst vor kurzem verabschiedet haben. Ich bekenne ganz offen, daß wir unter dem Anspruch einer möglichst umfassenden wohnungs- und baupolitischen Information hier möglicherweise des Guten zuviel getan haben.
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In diesem Konflikt werden wir uns aber immer wieder befinden.
Auf jeden Fall - das möchte ich abschließend betonen - hat es wenig Sinn, bei solchen - auch unvermeidbaren - Konfliktsituationen die Verantwortung zwischen Bürger und Verwaltung oder auch zwischen Kommunen, Ländern und Bund hin-und herzuschieben. Ich meine, daß vielmehr jeder versuchen sollte, in seinem Verantwortungsbereich zu beginnen und mit dazu beizutragen, daß wir in diesem Zusammenhang zu Erleichterungen kommen.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll ein solcher Beitrag der Bundesregierung und, wie ich hoffe, nach der Beratung und Beschlußfassung hier dann ein Beitrag des Parlaments zu einer Beschleunigung und Entbürokratisierung sein.
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Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben von der Notwendigkeit der Entbürokratisierung gerade im Baubereich gesprochen. Hoffen wir, daß dieses Gesetz dazu beitragen kann; denn der Bau eines Hauses ist für viele Bürger in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Alptraum geworden. Die Resignation vor Bürokratismus und Gesetzesflut insbesondere im Baubereich wächst ständig.
Während Ende der 60er Jahre lediglich 80 bis 90 Vorschriften- und Richtlinienwerke zu beachten waren, müssen jetzt weit über 200 unterschiedliche Gesetze und Verordnungen bei der Erteilung einer Baugenehmigung zugrunde gelegt werden, in Nordrhein-Westfalen sind es nach Auskunft des zuständigen Innenministers sogar 289 Gesetzes und Verordnungen.
Sie, Herr Bundesminister, haben auf eine Frage meines Kollegen Niegel die Zahl der gesetzlichen Regelungen auf 250 beziffert, wovon - man höre - 90 Rechtsvorschriften des Bundes seien. Diese 90 bundesgesetzlichen Regelungen stammen vornehmlich aus der Zeit der sozialliberalen Regierung; denn nach Ihren Auskünften sind diese Bestimmungen des Bundes in 89 Fällen seit Oktober 1969 neu erlassen oder geändert worden. Neben diesen gesetzlichen Regelungen ist auch noch eine Unzahl von Erlassen und sind vornehmlich noch über 200 DIN-Vorschriften bei einer Baugenehmigung zu berücksichtigen.
Man ist geneigt, an dieser Stelle das bekannte Wort „Mehr Demokratie wagen" anzuführen. Ich will mir diesen Hinweis über verkneifen, denn der Satz „Mehr Demokratie wagen" ist bereits zu einem geflügelten Wort der Ironie geworden, und Ironie liegt mir nicht.
Was aber dem deutschen Bürger an Lebensqualität - dies ist auch so ein geflügeltes Wort - im Bereich des Wohnungsbaus zugemutet wird, lassen Sie mich an Hand eines Beispieles belegen. Als der
Maurermeister Kumpel am 9. März 1903 beim Bürgermeister Kleev in Troisdorf ein Baugesuch für ein zweigeschossiges unterkellertes Wohngebäude eingereicht hatte, besaß er binnen vier Tagen seinen Bauschein. Der Bürgermeister hatte an Hand eines 20 Fragen umfassenden Katalogs, den man heute Checkliste nennen würde, alle erforderlichen Voraussetzungen und Gesetze geprüft und außerdem noch konkrete Auflagen für die Errichtung der sanitären Anlagen handschriftlich hinzugefügt.
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Heute muß ein Bürger, der einen Bauantrag einreicht, nicht vier Tage, sondern im Durchschnitt mindestens vier Monate warten. Die Genehmigungsbehörden müssen die vielen Gesetze, Verordnungen, Erlasse, DIN-Regeln prüfen und anwenden. Die Folge ist, daß der Bauwillige verdrossen, ärgerlich und empört über diesen Staat ist.
({1})
Er stöhnt bei so viel staatlich verordneter Bürokratie unter Verzögerungen, die nicht nur Geld und Nerven, sondern auch das Vertrauen in den Staat kosten.
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Aber auch die vielgeschmähten Staatsdiener, die Beamten und Angestellten in den Bauämtern, stöhnen unter dieser Last, die ihnen Gesetzgeber. und Ministerialbürokratie eingebracht und auferlegt haben. Allein im Jahre 1976 kamen 125 neue Rechtsvorschriften im Bauwesen auf die Verwaltung zu, die weniger Freiheit und Gerechtigkeit, sondern immer mehr Bürokratie und Wirrwarr gebracht haben.
Noch nie ist der Satz von Ludwig Börne aus dem Jahre 1827 so aktuell und richtig - insbesondere im Bereich des Bauwesens - gewesen wie heute - ich zitiere -:
Hätte die Natur soviel Gesetze als der Staat, Gott selbst könnte sie nicht regieren.
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Dieses Wort, vor 150 Jahren gesprochen, sollte uns auch bei der Beratung dieser Novelle Mahnung und Richtschnur sein.
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Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt unter diesem Gesichtspunkt die Vorlage der Bundesregierung. Herr Minister, versprechen wir uns aber nicht zu viel!
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Der Entwurf ist ein Versuch - mehr nicht -, die Dauer von Bauvorhaben zu verkürzen. In erster Linie - darauf haben Sie, Herr Minister, schon hingewiesen - liegt es in der Hand der Länder, das
Genehmigungsverfahren zu erleichtern und zu beschleunigen. Wir stimmen der Zielsetzung dieses Gesetzentwurfes zu; in der Studienkommission haben wir unsere Zustimmung ja auch schon angekündigt. Wir begrüßen alle Maßnahmen, die bei Wahrung der Solidität und auch der unbedingt notwendigen Gründlichkeit im Baugenehmigungsverfahren möglich und vertretbar sind.
Das sich aus der Verfassung ergebende Prinzip der Baufreiheit muß wieder einen höheren Rang bekommen, denn dieses Prinzip ist mehr und mehr in das Gegenteil verkehrt und zum Prinzip des Bauverbots geworden. Es gilt offensichtlich nicht mehr der Grundsatz: Es ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist, sondern es gilt: Es ist alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Die Baugenehmigungsbehörden sind dadurch immer mehr zu Bauverhinderungsbehörden geworden, weil es offensichtlich leichter und einfacher ist, einen Bauantrag abzulehnen, als ihn - vielleicht mit Auflagen versehen, wie es der Bürgermeister 1903 getan hat - zu genehmigen.
Leider können wir aus der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nur einen kleinen Schritt und nicht soviel tun, wie wir es uns vielleicht wünschen, weil das Bauordnungsrecht Angelegenheit der Länder ist. Die ersten Anregungen zur Durchforstung des Irrwaldes im Bauordnungsrecht hat der Architektentag 1976 bereits gegeben. Seitdem bemühen sich die Länder, das Dickicht zu lichten. Nordrhein-Westfalen hat z. B. trotz erheblicher Bedenken von fachkundiger Seite in Teilbereichen die Genehmigungspflicht durch die Bauanzeige ersetzt. Meine Damen und Herren, hoffentlich erweist sich dieser Schnellschuß von Herrn Hirsch nicht als Rohrkrepierer für Bauwillige, denn Fachleute haben die Befürchtung, daß das Verfahren keineswegs beschleunigt, in vielen Fällen sogar verlängert, möglicherweise auch verteuert wird. Ob das Sinn dieser Neuregelung sein kann, muß man wirklich bezweifeln.
Sinn des jetzigen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs ist es, die Aufstellung von Bebauungsplänen und Bauleitplänen so zu erleichtern und zu beschleunigen, daß die Gemeinden eher in der Lage sind, Baugebiete auszuweisen und damit dem Wunsch vieler Bürger zu entsprechen, Hauseigentum schneller und problemloser zu erwerben.
Bei diesem Entwurf handelt es sich deshalb vornehmlich um Verfahrensbestimmungen, die den behördeninternen Arbeitsgang straffen und auch beschleunigen sollen. Diese Vorstellungen der Novelle zur Vereinfachung der Aufstellung von Bauleitplänen unterstützen wir. Wir begrüßen es insbesondere, daß Bebauungspläne und Bauleitpläne gleichzeitig aufgestellt und in Kraft gesetzt werden können. Diese sogenannten Parallelverfahren tragen sicherlich zur Beschleunigung bei. Auch die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplanes dient diesem Ziel.
Aber, meine Damen und Herren, wie perfektioniert unsere Gesetzesmaschinerie schon jetzt ist, zeigt sich darin, daß wir in § 8 des Bundesbaugesetzes von „zwingend" zu „dringend" kommen.
Zwingende Gründe sind nach der Rechtsprechung offensichtlich nicht dringende Gründe und umgekehrt. Deshalb sieht der Entwurf vor, diese beiden Begriffe auszutauschen. Statt „zwingende Gründe" werden es in Zukunft „dringende Gründe" sein, einen Bebauungsplan vor dem Flächennutzungsplan aufzustellen. Dieser Perfektionismus wird uns durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aufgezwungen, die sich restriktiver denn je bei der Auslegung des Bundesbaugesetzes verhalten.
Besonders begrüßt wird, daß die sogenannte Bodenverkehrsgenehmigung entfällt und durch eine Teilungsgenehmigung ersetzt werden soll. Hier wird eine seit vielen Jahren von der CDU/CSU vergeblich und wiederholt gestellte Forderung endlich erfüllt.
Wir unterstützen auch die Vorschläge der Bundesregierung, die sich mit der Heilung unwirksamer Satzungen nach dem Bundesbaugesetz befassen. Ebenso unterstützen wir die Änderungen des Städtebauförderungsgesetzes, die das Instrumentarium für städtebauliche Maßnahmen verbessern sollen.
Aber, sehr geehrter Herr Minister, wir bedauern sehr, daß sich die Bundesregierung nicht dem Vorschlag des Bundesrates angeschlossen hat, eine Änderung der §§ 34 und 35 des Bundesbaugesetzes in diese Novelle aufzunehmen. Die dafür von der Bundesregierung gegebene Begründung, man solle nicht gleich mit dem Ruf nach dem Gesetzgeber reagieren, ist allzu fadenscheinig und widersprüchlich, denn, wie in der Debatte über die von uns eingebrachte Novelle schon dargelegt, haben sich die negativen Erkenntnisse mit den 1976 neu formulierten Paragraphen so konkretisiert, daß eine gesetzliche Änderung dringend vonnöten ist. Der Bundesrat hat darauf hingewiesen, daß eine gesetzliche Änderung zu diesen Bestimmungen ebenfalls erforderlich sei, weil der Gesetzesvollzug durch rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte genau bestimmt sei.
Um es hier noch einmal ganz deutlich zu sagen: Durch eine Änderung der §§ 34 und 35 soll das Ziel erreicht werden, das Bauen im Innen- und im Außenbereich dort zu erleichtern, wo es sich mit einer städtebaulichen Entwicklung vereinbaren läßt. Wir wollen keine weitere Zersiedelung, sondern eine geordnete Entwicklung auch des ländlichen Raumes. Wir wollen für kinderreiche Familien, für Familienangehörige, aber auch für den gewerblichen Bereich auf dem Lande sinnvolle, vertretbare und notwendige Erleichterungen schaffen.
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Leider geht der Entwurf der Bundesregierung auch nicht auf die Probleme ein, die im ersten Referentenentwurf des Bundesbauministeriums schon angesprochen waren und die auf eine Ergänzung des § 34 um einen Absatz 4 hinausliefen.
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Es geht hier um die Frage, ob das geltende Recht den besonderen Erfordernissen gewerblicher Investitionsvorhaben in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Das Problem liegt darin, daß gewerbliche Bauvorhaben anders als Wohnungsbauten nicht mit einer einmaligen Baugenehmigung bei ihrer Errichtung auskommen, sondern in meist kürzeren Abständen ergänzender und zusätzlicher Baugenehmigungen bedürfen. Die Erteilung dieser Genehmigungen stößt gerade in sogenannten Gemengelagen und in den Grenzbereichen zwischen Großindustrie und Wohnbebauung auf besondere Schwierigkeiten. Betroffen sind insbesondere Gewerbebetriebe, die sich in einer im Laufe einer langfristigen Entwicklung ohne Bauleitplanung der Gemeinde entstandenen Gemengelage von gewerblicher Nutzung einerseits und Wohnbebauung andererseits befinden. Dies gilt z. B. für die Stahl-und Bergwerke des Ruhrgebietes; aber auch bei kleineren Gewerbebetrieben ist Unsicherheit entstanden, die sich negativ auf die Investitionsbereitschaft auswirkt. Auch hier handelt es sich meiner Meinung nach nicht um eine Frage des Gesetzes-v o l l z u g es, sondern um ein Problem der unzureichenden Gesetzes f a s s u n g. Hier muß eine Klarstellung erfolgen, weil Unklarheiten der Vorschriften für gewerbliche Investitionen äußerst hemmend, ja verhindernd sein können. Der vorliegende Gesetzentwurf hat ja gerade die Erleichterung von Investitionsvorhaben zum Ziel. Deshalb sollten die Erleichterungen für gewerbliche Investitionen sofort mitgeregelt werden.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich auf Grund der seit 1976 gemachten Erfahrungen zu dieser Novelle veranlaßt gesehen. Ähnliche bzw. gleiche Gründe sprechen für eine Ergänzung der Regelungen über das Bauen im nicht verplanten Innenbereich und im Außenbereich. Die CDU/CSU-Fraktion betrachtet deshalb - wie der Bundesrat - unsere Novelle vom 4. Juli 1978 und diese Beschleunigungsnovelle als eine Einheit.
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Geschäftsgrundlage für uns ist die gemeinsame Beratung und Verabschiedung dieser beiden Novellen. Wir können uns das nicht dauernd hinausschieben lassen.
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Um die Zahl der Gesetze nicht unnötig zu erhöhen, müssen alle Probleme zusammengefaßt beraten und ein umfassendes Gesetz verabschiedet werden, um nicht nach der einen Novelle in kurzem Abstand eine weitere Novelle folgen zu lassen; dies würde unseren Vorstellungen, die Flut der Gesetze zu reduzieren, genau widersprechen. Machen wir jetzt ein Gesetz aus einem Guß, das nicht nur dem Bauwilligen wieder Mut macht, sondern auch den Baubehörden wieder klare Richtlinien an die Hand gibt! Dazu sollten wir uns nicht unter unziemlichen Druck setzen lassen, sondern lieber ein wenig länger beraten und all die Punkte mitregeln, die regelungsbedürftig sind, auch wenn es etwas länger dauert. Nur so können wir unserer Pflicht nachkommen und wenigstens in diesem Bereich der Staatsverdrossenheit ein wenig entgegenwirken.
({10})
Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Waltemathe.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Möller, ich habe noch damit zu tun, mich zu fragen, welche Meinung Sie nun eigentlich zur Einbringung des Regierungsentwurfs, der sogenannten Beschleunigungsnovelle, vertreten. Zuerst haben Sie gesagt, der Bau eines Hauses sei für die Bürger ein Alptraum; Ende der 60er Jahre war es noch vergleichsweise paradiesisch, da gab es nur 90 Gesetze oder Verordnungen oder sonstige Vorschriften, die beachtet werden mußten;
({0})
jetzt seien es 200; im Jahre 1903 sei es gar so schön gewesen, daß man auf Grund einer Checkliste mit 21 Punkten in vier Tagen eine Baugenehmigung bekommen habe.
Dann aber, als Sie zu dem Gesetzentwurf selbst übergingen, haben Sie zum Ausdruck gebracht, daß auch Sie nicht davon ausgehen, daß wir nun alle Baugesetze über Bord schmeißen und sagen könnten, jeder soll bauen, wie er lustig ist. Sie haben vielmehr von Sorgfalt gesprochen.
Ich glaube, daß wir uns grade beim ganzen Baurecht und Bauplanungsrecht durchaus in diesem Widerspruch bewegen müssen, daß wir einerseits natürlich dem bauwilligen Bürger dazu verhelfen wollen, daß er seinen Bauwunsch erfüllen kann, andererseits aber ihn als Bauherrn davor zu schützen haben, daß er vielleicht etwas voreilig tut und nachher den Schaden hat oder die Umwelt bzw. die städtebauliche Entwicklung schädigt.
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- Ja, sehen Sie, es gibt viele Beispiele dafür, daß es sehr schön ist, nach Entbürokratisierung zu suchen. Auf der anderen Seite sind wir selbst es ja
- wir alle, ob Regierungskoalition oder Opposition -, die natürlich gerade dann, wenn etwas schiefgegangen ist, Gesetze verlangen.
({2})
Vorweg will ich auch sagen, daß Gesetze, gerade Baugesetze, eine Schutzfunktion haben und daß wir diese Schutzfunktion nicht aufheben wollen.
Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben hat die Bundesregierung nun einen Katalog von Maßnahmen vorgelegt, die zum Abbau von Investitionshemmnissen im Bau- und Planungsbereich führen, allgemein der Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren dienen, soweit der Bund in diesem Bereich überhaupt zuständig ist, und im Verfahrensverlauf dort beschleunigende Möglichkeiten eröffnen sollen, wo sich bestehende Vorschriften in der Vergangenheit verzögernd ausgewirkt haben.
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt und unterstützt alle Schritte, die zu einem zügigeren Vollzug des Bauplanungsrechts beitragen können, ohne daß
dabei die Qualität der, Planung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung beeinträchtigt wird. Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren und Abbau von Investitionshemmnissen im Städtebaurecht sind dann gute Stichworte, wenn sie bedeuten, daß Überflüssiges aus dem Gesetz herausgestrichen wird und daß die Wege zwischen Dienststellen zeitlich verkürzt werden.
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Meine Damen und Herren, ich will aber auch darauf hinweisen, daß der Titel des hier zur Beratung anstehenden Gesetzes, wenn ich mal das „Stichwort „Beschleunigung" nehme, auch gewisse Mißverständnisse hervorrufen könnte.
Erstens. Gemeinsam sind wir bei der Novellierung des Bundesbaugesetzes vor einigen Jahren davon ausgegangen, daß eine geordnete städtebauliche Entwicklung sorgfältig geplant, daß Interessen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. Planung im Baubereich und ausgewogene Bauordnungsmaßnahmen stellen notwendige Lenkungsinstrumente in einem Bereich dar, der zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen und Lebensbereichen von Menschen gehört. Deshalb ist die vorliegende Novelle nicht in der Weise mißzuverstehen, als stelle das geänderte Gesetz entgegen dieser eben geschilderten Intention nun ein handliches Konjunkturinstrument dar, das man je nach Lage zur Konjunkturbelebung oder zur Dämpfung eines Booms verwenden könnte.
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Zweitens. Wir waren uns damals darüber einig, daß der Bürger nicht Objekt, sondern Subjekt der städtebaulichen Planung sein müsse. Deshalb haben wir die Bürgerbeteiligung ins Gesetz hineingeschrieben und auch gefordert, Sozialplanung zu betreiben, wenn neue Bebauungspläne nicht nur in gewachsene Bausubstanz, sondern in gewachsene soziale, menschliche Bindungen hineinwirken. Wer nun meint, daß durch Bürgerbeteiligung alles nur schwieriger, komplizierter und alle Planung langwieriger werde, der sollte sich von dem Begriff „Beschleunigungsnovelle" nicht täuschen lassen. „Beschleunigung" heißt in diesem Zusammenhang nicht, daß wir von der Vorstellung ausgingen, der Bürger stelle bei in die Krise geratenen Bauvorhaben in. Städten und Gemeinden durch sein demokratisches Mitsprache- und Mitwirkungsrecht gewissermaßen ein Investitionshemmnis dar. „Beschleunigung" heißt hier nicht, daß der Bürger bzw. bürgerliche Mitbestimmung beschleunigt aus dem Planungsverfahren hinauszukatapultieren wären.
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Drittens. Beschleunigung im Bau- und Planungsrecht heißt auf der einen Seite sicherlich, daß unnötig komplizierte Prüfungen und überflüssige Genehmigungsverfahren verschwinden werden. Entbürokratisierung, Verfahrensvereinfachung sind in diesem Zusammenhang wichtige und richtige Stichworte. Auf der anderen Seite heißt das aber nicht, daß das Bauen in unserem Land von nun ab für jeden, der nur will, gänzlich ohne Prüfungen mögWaltemathe
lich sein wird. Bedenken wir alle zusammen: Fehlentwicklungen in Städten und Dörfern sind ja nicht durch zuviel, sondern oft durch zuwenig oder gar keine Planungssorgfalt verursacht worden.
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Nach wie vor muß deshalb die Baufreiheit ihre Grenze dort finden, wo unser aller Lebensqualität, also Umwelt- und Sozialstruktur, beeinträchtigt werden könnte. Die diesbezügliche Schutzfunktion des Gesetzes hat eindeutig Vorrang vor der Baulust und den Investitionsbedürfnissen derjenigen, die den Schutz des Bürgers vor den Folgen ungeordneter Bautätigkeit möglicherweise, aber jedenfalls zu Unrecht, als schikanös empfinden. Die Gemeinden haben das Recht und unter Umständen auch die Pflicht, detailliert Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken auszuweisen. Daraus folgt: Wer Beschleunigung mit Verzicht auf Sorgfalt in der Stadtplanung oder mit Verzicht auf Bürgerbeteiligung übersetzt, der wird sich allerdings täuschen.
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Meine Damen und Herren, das Planungsrecht ist ein Instrument für die Gemeinden, für ihre Bürger und für ihre Volksvertreter, die städtebauliche Entwicklung zum Wohle aller zu ordnen. Es ist -das habe ich schon ausgeführt - kein Konjunkturinstrument in dem Sinne, daß schnell geplant werden könnte, wenn an Bauinvestitionen großes Interesse besteht, und .langsam, wenn es gilt, einen Bauboom zu bekämpfen. Investitionshemmnisse liegen allerdings dann vor, wenn die Entscheidungen derer, die mitwirken sollen, nicht innerhalb angemessener Fristen, sondern verzögerlich oder gar nicht getroffen werden. Hier begrüßen wir natürlich, daß die Fristbestimmungen im Gesetz klarer gefaßt werden. Es geht somit um Entrümpelung und um Abbau zeitlicher Verzögerungsmöglichkeiten, die der Sache nicht dienlich sind. Insoweit geht es hier auch um einen Beitrag zu weniger Bürokratie und zur Vereinfachung von Planverfahren, so daß die Beschleunigung dort greifen kann, wo es nottut.
Als Bundesgesetzgeber haben wir nur beschränkte Kompetenzen. Aber wir sind bereit, das Unsere dort, wo wir kompetent sind, zu tun. Das bedeutet auch, daß wir unter dem Stichwort „Beschleunigung" im Ausschuß beschleunigt an die Arbeit gehen sollten.
({8})
- Jetzt lassen Sie mich zum Abschluß gerade den Punkt der §§ 34, 35 aufgreifen. Erstens hat längeres Nachdenken noch niemandem geschadet.
({9})
Zum Beispiel sollten Sie vielleicht mal Ihren Parteifreund Rommel als den Präsidenten des Städtetages fragen,
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wieso der Städtetag inzwischen ganz eindeutig eine
Stellungnahme abgegeben hat, die nicht darauf hinweist, daß wir die Fragen der §§ 34, 35 in diesem Verfahren zu regeln haben. Sie können nicht beschleunigen, wenn Sie dieses Gesetz mit schwerwiegenden Problemen befrachten, die gründlich diskutiert werden müssen. Die Bundesregierung hat schon in ihrer Antwort auf die Stellungnahme des Bundesrats - Sie wissen das ja - geäußert, daß eine Umfrage unter Gemeinden aller Größenklassen läuft.
({11})
Wir werden sicher prüfen, ob das' tatsächliche Verwaltungshandeln in Übereinstimmung mit dem ist, _ was wir als Gesetzgeber gewollt haben. Wir werden weiter prüfen, ob hier ein Gesetz notwendig ist oder ob man das nicht auch auf dem Erlaßweg anders regeln könnte. Das werden wir prüfen.
({12})
Wir geben Ihnen ausdrücklich die Zusage, daß wir die Beschleunigungsnovelle im Ausschuß beschleunigt beraten werden. Dazu aber gehören die §§ 34 und 35 nicht.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht wird von meiner Fraktion in vollem Umfang begrüßt und unterstützt.
({0})
Lassen Sie mich aus der Gesetzesüberschrift das Wort „Beschleunigung" aufgreifen und zwei Dinge versprechen: Erstens. Ich will mich jetzt ganz kurz fassen, um der Beschleunigung der Debatte hilfreiche Dienste angedeihen zu lassen.
({1})
Zweitens. Ich verspreche, daß wir bei den Ausschußberatungen alles in unserer Kraft Stehende tun wollen, um die Beratung dieser „Beschleunigungsnovelle" - um das Wort von Herrn Waltemathe aufzugreifen - so zu beschleunigen, daß sie am 1. Juli 1979 in Kraft treten kann.
({2})
Mit dieser letzten Absichtserklärung wird es sich, Herr Dr. Jahn und Herr Dr. Möller, nach unserer Einschätzung nicht vereinbaren lassen, daß wir Ihre Initiative zu den §§ 34 und 35 des Bundesbaugesetzes schon in diese Beratungen einbeziehen.
({3})
Es ist in der Tat nicht zu leugnen, daß hier nicht nur
dasselbe Gesetz betroffen ist, sondern daß auch von
der Zielsetzung her mindestens partielle Übereinstimmung insofern besteht, als auch dies natürlich der Erleichterung von Investitionsvorhaben dient. Allerdings wird hier doch in so weitem Umfang
({4}) materielles Bauplanungsrecht betroffen,
({5}) daß dies sehr sorgfältig ausgelotet werden muß.
({6})
Es ist nun einmal so, daß diese Bestimmungen erst seit zwei Jahren in Kraft sind, daß das Erfahrungswissen begrenzt ist und daß die Rechtsprechung zu diesem Problemkreis noch nicht als eine gesicherte angesehen werden kann.
({7})
Aus diesen Gründen wird die Beratung dieser Ihrer Initiative wesentlich zeitaufwendiger sein müssen, als es bei dem unstrittigen Teil der Fall ist, der jetzt in der Beschleunigungsnovelle der Bundesregierung niedergelegt ist. Wir meinen also, es ist erforderlich, daß dieser unstrittige Teil vorweg verabschiedet wird.
Herr Kollege Dr. Möller, ich habe sehr aufmerksam zugehört und bemerkt, daß Sie dies als „Geschäftsgrundlage" bezeichnet haben.
({8})
Als Jurist gibt es für mich hinsichtlich dieses Begriffs natürlich keine Interpretationsschwierigkeiten. Und sollte auch der Bundesrat auch das werden wir sorgfältig beobachten, wobei wir uns allerdings noch nicht im klaren sind, ob das tatsächlich so sein wird - dies zur Geschäftsgrundlage machen, dann werden wir natürlich versuchen, uns darauf vorzubereiten, um es einmal so zu formulieren.
({9})
Meine Damen und Herren, ich habe etwas versprochen, und daran will ich mich halten. Lassen Sie mich deshalb jetzt nur noch einen einzigen Satz sagen, nämlich das Leitziel darlegen, an dem wir die Einzelvorschriften der Regierungsvorlage gemessen haben und in den Ausschußberatungen auch weiterhin messen werden. Wir sehen keinen Zielkonflikt zwischen vernünftigen Planungsverfahren zur Erreichung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung mit rechtzeitiger und intensiver Bürgerbeteiligung auf der einen Seite und der Beschleunigung des Verfahrens und der Erleichterung von Investitionsvorhaben auf der anderen Seite, bei denen wir uns nun politisch entscheiden müßten, welches von diesen Zielen Vorrang hat. Wie gesagt, wir sehen hier keinen Zielkonflikt. Wir werden also alle Vorschläge ausschließlich daran messen, ob sie der Beschleunigung dienen, praktikabel, wirksam sind, nicht dem Wesensgehalt eines vernünftigen Planungsverfahrens für die geordnete städtebauliche Entwicklung widersprechen und auch nicht
das Recht des Bürgers auf Beteiligung an diesem Planungsprozeß unvertretbar beeinträchtigen.
({10})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend -. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jahn ({0}), Dr. Schneider, Eymer ({1}), Francke ({2}), Kolb, Lintner, Dr. Möller, Niegel, Luster, Sauer ({3}), Schmidt ({4}) und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes
- Drucksache 8/2386 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({5})
Finanzausschuß
Das Wort hierzu hat der Herr Abgeordnete Kolb.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Als durch die Bekantmachung vom 1. September 1965 das Wohnungsbau- und Familiehheimgesetz - Zweites Wohnungsbaugesetz genannt - durch die Bundesregierung zum ersten Mal geändert wurde, um beim Einfamilienhausbau staatliche Förderung - einschließlich der Befreiung von der 7%igen Grunderwerbsteuer und der zehnjährigen Befreiung von der Grundsteuer - zu gewähren, wenn die Wohnfläche 130 qm bzw. 156 qm nicht übersteigt, war dies ein Angebot an Eigenheimbauer, wie ein Krösus wohnen zu können.
Doch was hat sich in dieser Zeit nicht alles geändert! Allein der Wohnflächenkonsum stieg ständig an. Das drückt sich vor allem in der Vergrößerung der durchschnittlichen Wohnfläche von 79,2 qm im Jahre 1965 auf 95,5 qm im Jahre 1976 sehr deutlich aus. Nimmt man noch die Zahlen der in den letzten sechs Jahren fertiggestellten Wohnungen mit fünf und mehr Zimmern, so ist auch hier die Entwicklung in Richtung größerer Wohnungen eindeutig erkennbar. Bei den Neubauten im Jahre 1977 hatten schon 50% der Wohnungen fünf und mehr Zimmer. Diese Entwicklung scheint ihren Höhepunkt im Augenblick noch nicht erreicht zu haben.
Umgekehrt setzte eine Entwicklung ein, an die zu jener Zeit niemand dachte: Die Zahl der Familien mit drei und mehr Kindern ging sehr stark zurück, die Zahl der Haushaltungen aber stieg. Während 1965 noch 10,49 % der Haushaltungen drei und mehr Kinder hatten, waren es 1976 nur noch 6,77 %. Es ist vermessen, zu sagen, daß nur dies der Grund sei,
der die derzeitige demographische Entwicklung verursacht habe, aber er ist sicher mit einer der Gründe, die dazu beigetragen haben. Zur Zeit erleiden Familien mit mehr Kindern steuerliche Nachteile, wenn sie - ihrem Familienwunsch entsprechend - größer bauen, als es das derzeitige Zweite Wohnungsbaugesetz und ihre augenblickliche Personenzahl zulassen. Herr Minister, ich habe heute früh in den Nachrichten mit Erstaunen vernommen, daß Sie - zu Recht - kritisiert haben, daß heute noch Zimmer mit 10,49 qm als Kinderzimmer gebaut werden. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie gesagt hätten, die Union habe hier heute einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach vom dritten Kind an je Kind 20 qm mehr steuerlich zu berücksichtigen seien. Das wäre eine bessere Zusammenarbeit. Vielleicht kommen wir dorthin noch.
({0})
- Das glaube ich auch.
Wenn aber heute der Wohnflächenbedarf je Person immer größer wird und ein Zwei-Personen-Haushalt im Durchschnitt schon zwischen 70 und 80 qm benötigt, so ist es nur folgerichtig, Familien mit mehr Kindern die Deckung ihres Bedarfs zu ermöglichen. Es kann nicht angehen, daß Familien mit mehreren Kindern auf diesem Gebiet bestraft werden. Es gibt schon genügend andere zusätzliche Belastungen, die heute der Haushaltsvorstand einer größeren Familie als selbstverständlich schlucken muß.
Wenn meine Fraktion die Änderung des § 82 fordert und eine zusätzliche Fläche schon ab dem dritten Kind für richtig hält, so wird damit ein sehr nützlicher Beitrag zum Jahr des Kindes geleistet.
({1})
Zu Hause ein eigenes Zimmer für jedes Kind zu haben, ist nicht nur der Wunsch der Familie selber, sondern auch die Forderung vieler Gruppen, die sich mit den heranwachsenden jungen Mitbürgern beschäftigen. Ich darf hier meinen Kollegen Jahn zitieren, der neulich sehr richtig sagte: Ein Vogel baut erst sein Nest und legt dann die Eier; bei uns muß man die Eier schon gelegt haben, um das Nest bauen zu dürfen. Das ist manchmal eine sehr schwierige Sache. Es wäre zweckmäßiger, den steuerlichen Tatbestand dann eben in vielleicht vier oder fünf Jahren anzuerkennen, wenn er gegeben ist.
({2})
- Ich weiß nicht, Herr Kollege Conradi, was Sie da meinen. Ich kann mir nur vorstellen, daß die Leute diesbezüglich bisher benachteiligt worden sind.
({3})
- Wir können jetzt natürlich in die Biologie und die Botanik gehen und finden sicher jede Art von Vögeln. Aber ich glaube, so war das nicht gemeint.
({4})
- Sie bleiben es.
Meine Damen und Herren, die Begrenzung der Wohnflächen in der Vergangenheit war sicher richtig; denn es galt zuerst der Grundsatz, jeden Haushalt mit einer eigenen Wohnung zu versorgen, bevor man sich an bessere Qualitäten wagte. Wenn man aber berücksichtigt, daß seit der Verabschiedung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes 1956 bis heute wesentliche Verbesserungen in der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum erzielt wurden, so daß heute nur noch 2,6 Personen gegenüber 4,2 Personen im Jahre 1956 in einer Wohnung wohnen, so erweist sich auch die Erweiterung der Flächen von 120 auf 130 qm im Jahre 1965 bzw. von 144 auf 156 qm als gerechtfertigt; denn zu jenem Zeitpunkt belegten im Durchschnitt 3,2 Personen eine Wohnung.
. ({5})
Wir handeln aber nur folgerichtig, wenn wir jetzt wieder eine Verbesserung durchführen, die, wie schon gesagt, ein hervorragender Beitrag zum Jahr des Kindes ist. Da dies mit unseren Bemühungen, der Familie wieder einen besseren Status zu geben, voll im Einklang steht, sind die eventuellen Mindereinnahmen bei der Grundsteuer für die Gemeinden ein unwesentlicher Faktor; haben diese doch nach zehn Jahren den Vorteil, höhere Grundsteuern zu erheben! Außerdem ist es nur gerecht, einen nachträglich eingetretenen steuerlichen Tatbestand zu würdigen, ganz abgesehen von dem Anreiz, der damit geboten wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier einmal die augenblicklichen Kunstgriffe und Retuschiermöglichkeiten ansprechen, von denen Gebrauch gemacht wird, um dem bisherigen § 82 Genüge zu tun. Die Qualität des Architekten entschied sich für viele Bauherren von Einfamilienhäusern doch nur an der Frage: Wie wird das Kamel durch ein Nadelöhr gezogen, um nachher doch noch als Kamel gebraucht werden zu können? Man kann im übertragenen Sinn sagen, Herr Minister: Bauplan, kommst du zum Bauamt, so sieh aus, wie es das Gesetz befiehlt! Der ganze Sinn ist, den Abnahmeschein zu haben, damit feststeht, daß bis zu diesem Zeitpunkt alles legitim war.
Was aber dann gezaubert wird, kann in manchen Fällen nur Bewunderung erwecken. Denn wo nichts war, wird plötzlich etwas. Fenster erscheinen, als wären sie gemalt. Die meisten sehen dies nicht als Betrug oder Steuerhinterziehung an. Die Gefahr, erwischt zu werden, ist relativ gering; denn nur ein nicht wohlgesonnener Nachbar kann die Baubehörde eventuell darauf hinweisen.
Wir müssen uns hier die Frage stellen, wie weit wir mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz an das subjektive Rechtsempfinden der Betroffenen, daß ihre Rechte beschnitten werden, herangegangen sind. Nach der jetzigen Regelung sind Zubehör- und Wirtschaftsräume in Keller und Dachgeschoß Räume, die namentlich nicht heizbar und ausreichend zu belüften sind. So war dem deutschen Erfindergeist hier keine Grenze gesetzt. Er war nicht zu bremsen. Mit dem Leitfaden „Do it yourself" in der Hand und einer kleinen Heimwerkereinrichtung verwandelte
man manche triste Kellerräume in gemütliche Bars und Hockstuben. Wen interessierte schon die Lüftung bei Korn und Pils oder einem Viertele? Einmal Hand aufs Herz, meine sehr verehrten Herren: Wer von uns hat nicht schon einmal in einer schlecht gelüfteten Kneipe gesessen? Was soll da die Heizung? Geheizt wird von innen. Und wenn es wirklich kalt wird, gibt es auch noch einen Elektroofen. Aber es ist legitim, die Wohnung so zu verändern.
Wie aber schaut es mit der Waschküche aus, weshalb darf sie keine gemütliche Bügelstube sein? Wir sprechen soviel von der Humanisierung der Arbeitswelt. Weshalb soll die Hausfrau oder der Hausmann daran nicht teilhaben?
({6})
Stellen Sie sich einmal vor, wir würden einen freundlichen Arbeitsplatz im Betrieb mit einer Lustbarkeitsteuer belasten. Die Gewerkschaften würden uns zu Recht die Hölle heiß machen. Macht ein Familienvater für Mutti aus einer ungemütlichen Waschküche im Keller ein nettes, beheizbares Arbeitszimmer, dann ist es aus mit der Grundsteuerbefreiung. Wer hat eigentlich einen Schaden davon, wenn so etwas geschieht? Am bisherigen Haus hat sich von außen nichts geändert. Das Zusammenleben der Familie im Haus ist aber besser geworden: Die Mutti kann die Wäsche im Bügelraum liegen lassen, und der Vater kann, wenn es sein muß, im Keller Skat kloppen und eine vernünftige Kneipenatmosphäre schaffen.
({7})
Legitim ist das jedoch nur, liebe Kollege Conradi, wenn die Räume schlecht gelüftet und 'nicht mit einem stationären Ofen oder einem installierten Radiator verbunden sind. Wo ist denn hier der Sinn? Ich glaube, den haben wir für diese Wirklichkeit verloren.
Wie viele Hausbesitzer, Wohnungseigentümer und auch Mieter haben gegen die so strengen Buchstaben des Gesetzes verstoßen? Sehr viele unwissentlich, manche aber auch mit voller Absicht. So manches schlummernde Maler- und Schreiner-genie hat das Licht der Welt erblickt und ist als Hobbyspezialist voll zur Geltung gekommen. Manche Freizeitstunde wurde sinnvoll genutzt. Es wäre an der Zeit, daß wir im Rahmen der EG von unseren Freunden in Frankreich und Italien etwas mehr Lässigkeit annähmen: Denn eines steht fest: Die meisten, die ein Häuschen bauten und ihre Nebenwohnflächen vergrößern wollten, fanden Mittel und Wege dazu.
Wenn ich ein Dachgeschoß ausbaue, es aber nicht heizen oder nicht ordentlich lüften kann, kann die Schwiegermutter drin schlafen, bloß sie darf nicht. Wenn ich es aber heize und die Fenster zum Lüften habe, falle ich aus der Grundsteuerbefreiung heraus. Ich frage Sie: Welcher Sinn liegt darin, wer hat dann noch den Wunsch, die Schwiegermutter zu Besuch zu bekommen?
({8})
- Mein lieber Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie in einer besseren Familie zusammenleben und diesen Wunsch ab und zu haben; bei mir ist das jedenfalls ab und zu der Fall.
Aber wie ist es, wenn die Tochter oder der Sohn heiße Rhythmen mit Dezibel-Werten hören, die für manchen Verkehrslärmexperten das Ende seines Daseins bedeuten würden? Würden diese nicht viel besser im ungenutzten Kartoffelkeller dargeboten, den sie sich mit jugendlicher Phantasie ausbauen? Das alles ist zur Zeit nicht möglich.
Ich verstehe die Akribie der Verfasser der Berechnungsverordnung; eine bewundernswerte Sache. Aber bei vielen Mitbürgern stieß sie auf Unverständis. Warum ein alter Anzug zum Smoking werden soll, nur weil man ihn aufbügelt und eine Blume daransteckt, ist zu Recht nicht zu verstehen. Wir wollen daher auch § 94 Abs. 4, der besagt, daß eine durch bauliche Veränderung herbeigeführte Überschreitung der Wohnfläche den Verlust der Grundsteuervergünstigung nach sich zieht, nicht aber eine Vorschrift, die es erschwert, etwas zu verändern, obwohl ich niemandem einen Schaden zufüge.
Ich möchte noch einmal betonen, daß wir dieses Gesetz für notwendig halten. Andererseits müssen wir uns aber auch mit der Frage befassen, weshalb diese Rechtsbrüche bei den Betroffenen nur als Kavaliersdelikt gelten. Vielleicht sollten wir uns im Auschuß einmal damit beschäftigen, ob es aus raumordnerischen Gesichtspunkten nicht zweckmäßiger wäre - Kollege Waltemathe hat das vorhin schon angeschnitten -, uns lediglich um das Äußere zu kümmern, das Innere des Baus jedoch dem Bauherrn zu überlassen. Wir hätten dann sehr viel mit den Briten gemeinsam, die sagen: My home is my castle.
In letzter Zeit wird bei uns häufig von mehr Liberalität gesprochen, eigenartigerweise aber immer nur dort, wo der Spielraum nicht zu erweitern ist. Hier aber besteht die Möglichkeit, gemeinsam etwas besser zu machen und weniger Bürokratie zu praktizieren. Der Bürger wünscht Freiräume dort, wo die Rechte anderer nicht verletzt werden. Er hat kein Verständnis, daß es sofort zu neuen Zahlungsverpflichtungen führt, wenn er dem Korsett des Reglements entweicht. Es war sicher im alten Rom möglich, mit dem Spruch „non olet" die bewußte Häuschensteuer einzuführen. Aber das sollte nicht für uns der Grund sein, das Zweite Wohnungsbaugesetz in seiner jetzigen Fassung nicht ändern zu wollen. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zügig beraten werden sollte, weil er allen, die ein Eigenheim gebaut haben, hilft und denen, die noch bauen möchten, sehr zum Nutzen wäre. Vielleicht schaffen wir es auch, mit etwas weniger Gesetzen und Verordnungen Eigentumsverhältnisse wie in Finnland und Norwegen von fast 70% zu schaffen. Diese Gesetzesänderung könnte dazu helfen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf das Jahr des Kindes zu sprechen kommen. Wenn die Änderung des § 82 einen Anstoß gibt, daß wir wieder mehr Familien mit drei und
mehr Kindern haben, so tun wir uns insgesamt einen Gefallen. Während 1961 noch 54,2 % der Haushalte Kinder hatten, waren es 1977 nur noch 38,5 °/o, wobei der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Kindern ebenfalls von 10,8 °/o im Jahre 1961 auf 6,8 °/o zurückging.
Hier ist ein Ansatz, der, gemessen an den kurzfristigen Ausfällen der Grundsteuer, wesentlich höhere Erträge bringt. Geburtenzahlen wie in den letzten fünf Jahren sollten alle Politiker, die nicht nur die nächste Wahl im Auge haben, zum Handeln bewegen. Dieser Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion kann seinen Teil dazu beitragen. Er hat eine wichtige familienpolitische Komponente. Bei seiner Annahme käme die so oft geforderte Kinderfreundlichkeit nicht nur qua Wort zum Ausdruck.
({9})
Das Wort hat der Ab geordnete Müntefering.
Frau Präsident! Verehrte Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will mit dem Erfreulichen beginnen. Die CDU/CSU-Fraktion hat mit Punkt 3 dieses Gesetzentwurfes deutlich gemacht, daß sie die seit längerem laufenden Bemühungen von Bundesbauminister Haack unterstützen will, Hobbyräume und Spielräume
({0})
- in Gesetzesdeutsch: „bauordnungswidrig als Aufenthaltsräume genutzte Kellerräume" - nicht als Wohnfläche anzurechnen. Minister Haacks Haus hat im November 1978 mit den Ländern darüber Einvernehmen erzielt.
({1})
Ich nehme an, Sie wissen das von den Ländern auch. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß diese Änderung in der Zweiten Berechnungsverordnung positiv geregelt werden sollte. Ich gebe Herrn Kolb recht - da sind wir uns wohl alle einig -, es ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb Kellerräume, die statt als Rumpelkammer als Hobbyräume, als Freizeiträume genutzt werden, als Wohnräume angerechnet werden müssen und dann die Steuerbegünstigung gefährden. Darüber ist Einvernehmen zu erzielen.
Ich verstehe auch, daß Sie diese Zustimmung in diese Gesetzesinitiative verpacken. Die beiden anderen Punkte der Initiative, denke ich, verdienen zunächst noch einige Fragezeichen
({2})
und nicht nur Zustimmung. Nach Ihren einschlägigen Äußerungen im Ausschuß und nach dem großen Problemanriß zu Beginn dieser Gesetzesinitiative und auch nach dem, was Herr Kolb eben wieder zum Jahr des Kindes gesagt hat, durften wir sehr gespannt sein, was denn unter der Überschrift „Familienfreundlichkeit und Kinderfreundlichkeit" nun eigentlich kommen würde. Sie, Herr Dr. Jahn Herr Kolb hat es schon zitiert -, haben am 8. Dezember, als Sie das Ganze der Presse vorstellten, sogar Naturgesetze bemüht. Das war der Tag, an dem Sie das mit dem Vogel und den Eiern gesagt haben; mit dem Vogel, der erst das Nest baut und dann die Eier hineinlegt. Wir konnten also sehr gespannt sein, welche große familienpolitische Tat nun eigentlich herauskommt.
Sie schlagen jetzt vor, daß statt bisher fünf jetzt 'vier Personen bis zu 156 qm Wohnfläche sollen anspruchsberechtigt bewohnen können und daß für die fünfte und jede weitere Person 20 qm hinzukommen sollen. Der Anspruch, der so erwirkt werden kann, soll rückwirkend für zehn Jahre - ich darf es einmal so sagen - ,,erkindert" werden können.
({3})
- „Rückwirkend" heißt nach meiner Interpretation, daß dann, wenn die Familie nach fünf Jahren oder zehn Jahren oder 15 Jahren auf fünf Personen anwächst, die Zehnjahresfrist von vorn zu laufen beginnt. Das heißt aber auch, daß Sie völlig von der Objektbezogenheit, von der Bezugsfertigkeit der Wohnung Abstand nehmen, sondern daß irgendwann, wenn diese Familie auf fünf Personen anwächst, die Steuerbegünstigung für die Dauer von zehn Jahren zu laufen beginnt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie einen anderen steuerlichen Tatbestand kennen, der nicht gewürdigt wird, wenn er eintritt. Mir persönlich ist keiner bekannt. Hier wäre eine gewisse Gerechtigkeit anzustreben.
Ich wollte hier nur deutlich machen, welches Ihr Anliegen ist und daß wir darüber im Ausschuß zu sprechen haben, ob es nämlich nicht richtiger wäre, die Objektbezogenheit insofern aufrechtzuerhalten, als man auf die Bezugsfertigkeit abhebt und von da an die Zehnjahresfrist laufen läßt. Das würde bedeuten, daß die Steuerbegünstigung in Kraft tritt, wenn die Familie innerhalb dieser zehn Jahre entsprechend anwächst. Ich möchte das hier nur als Denkposten anführen, weil wir uns überlegen müssen, welche Konsequenzen sich aus dem Gesetz ergeben.
Mit diesen beiden kleinen Vorschlägen, Herr Dr. Jahn, ist nach Ihrer Interpretation das Naturgesetz wohl wieder in Kraft, und damit kann der berühmte Vogel seine Eier wieder ins gemachte Nest legen.
Wir meinen, daß noch einige Dinge zu bedenken sind, ehe wir in bezug auf Ihre Vorschläge zu Entscheidungen kommen. Mit Ihrem Vorschlag wird ausschließlich der steuerbegünstigte Wohnungsbau angesprochen. Ganz zweifellos liegt aber im sozialen Wohnungsbau, im Miet- und Eigenheimbau, der anerkannte Flächenbedarf noch unter dem
im steuerbegünstigten Wohnungsbau. Es ist die Frage, ob nicht gerade die Familien im sozialen Wohnungsbau unsere Hilfe brauchen könnten.
1976 bewohnten Familien mit drei Kindern, die ein Eigenheim haben, Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 110 qm. Solche in Mietwohnungen bewohnten rund 85 qm. Das spricht nicht dagegen zu sagen: Wohnungen sollten 176 qm groß sein dürfen. Aber es ist die Frage, ob nicht in diesem Bereich - wir haben z. B. das Wohngeld auch an diesen Größenordnungen von 100 qm bei einer fünfköpfigen Familie orientiert - Familien eher als mit Ihrem punktuellen Vorschlag geholfen werden kann.
Wir werden zu prüfen haben, ob nicht stärker als bei dem von der Opposition angesprochenen Punkt das Problem junger und kinderreicher Familien bei den derzeitigen Einkommensgrenzen des Bundesbaugesetzes zu finden ist. Ein Ansatz zur Verbesserung in bezug auf die jungen Familien ist im Wohnungsbauänderungsgesetz vorgesehen, das von Nordrhein-Westfalen vorgelegt worden ist.
Es ist auch zu fragen, ob es nicht trotz veränderter Flächenzahl im Bundesbaugesetz Lebenspraxis für die allermeisten Familien bleiben wird, je nach Bedarf anzubauen, umzubauen, zu erweitern und zu modernisieren. Wir müssen uns als Politiker fragen, wie wir in solchen Situationen helfen können.
Da Sie so extrem auf das Jahr des Kindes abstellen und dies wohl als die Großtat zu Beginn des Jahres darstellen wollen, stelle ich auch die Frage: Sind nicht vielleicht die 20 qm mehr Kinderspielplatz und die verbesserte Wohnumwelt für die Kinder genauso wichtig wie die 20 qm von 156 auf 176 qm? Wenn wir gemeinsam etwas tun wollen, wird sich dann nicht die Notwendigkeit ergeben, noch einmal zu überlegen, ob hier für uns nicht Ansatzpunkte sind, im Laufe des Jahres einige Dinge zu verändern.
Verehrte Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, ich will hier auch noch etwas ansprechen, das uns an dieser Stelle ein bißchen bewegt. Der ordnungspolitische Sprecher Ihrer Fraktion, der sich für größere Aufgaben bereit hält, hat neben seinem Memorandum auch längere Ausführungen zum Wohnungsbau geschrieben und darin gefordert, mit den Begünstigungen im Wohnungsbau Schluß zu machen.
({0})
Professor Biedenkopf schlägt konkret vor, die zehnjährige Ermäßigung der Grundsteuer zu beseitigen und durch andere Abschreibungsmodalitäten zu ersetzen.
({1})
Er schlägt außerdem vor, daß der soziale Wohnungsbau auf ein Rudiment zurückgeführt wird, das wohl bedeutet, daß die Förderungsprogramme für den Zielgruppenwohnungsbau, d. h. für die Kinderreichen, für die Alten, für die Behinderten, auf ein Minimum reduziert werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?
Ich möchte das zunächst zu Ende führen. Dann kann Herr Dr. Jahn gerne fragen. Ich glaube, es ist an der Zeit, Herr Dr. Jahn, daß endlich einer von Ihnen, von den verantwortlichen Wohnungsbaupolitikern Ihrer Fraktion, deutlich macht, daß der Professor vielleicht etwas von Personalpolitik, aber ganz sicher nichts von Wohnungsbaupolitik versteht.
({0})
Denn wir wissen langsam nicht, wohin die Reise bei Ihnen geht und ob nicht in einigen Wochen oder Monaten, in denen Herr Biedenkopf vielleicht noch Einfluß auf diese Dinge nehmen kann, diese Gesetzesinitiative, die Sie jetzt vorlegen, Schnee vom letzten Winter ist und ganz andere Konzeptionen deutlich werden.
Herr Kollege Müntefering, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Professor Biedenkopf den Gesetzentwurf, den wir hier eingebracht haben und den wir heute in erster Beratung erörtern, voll mitgetragen hat?
Ja, so ist das bei Professor Biedenkopf: Zustimmen tut er immer, aber was er hinterher richtig will, weiß man nicht so.
({0})
Jedenfalls steht das ausdrücklich in seinen Erklärungen, die er dazu abgegeben hat, übrigens auch heute wieder in einem Artikel einer Wochenzeitung. Sie müssen das einmal nachlesen. Er hat sich auch an verschiedenen anderen Stellen dazu geäußert. Das ist bei ihm keine Eintagsfliege, das ist vielmehr ernst gemeint. Weil wir wissen, daß er durchaus Aussichten hat, in Zukunft bei Ihnen stärker Einfluß zu nehmen, sind wir natürlich gespannt darauf, wie Ihre Konzeption aussehen wird. Sie müssen einmal sagen, was Sie eigentlich wollen.
({1})
Verehrte Kollegen, es gibt noch einen Punkt, den ich hier ansprechen will. Sie sagen: Der Vorschlag kostet nichts.
({2})
Wir glauben nicht, daß der Vorschlag nichts kostet - lesen Sie einmal nach, was im Gesetzentwurf steht-, wir wollen genau geprüft haben, was dieses wohl kosten kann; denn das Geld, das wir hier im Zweifelsfall verteilen, ist das Geld der Gemeinden. Wir möchten als Bundesgesetzgeber nicht wieder einmal Geld verteilen, das den Gemeinden nachher fehlt. Auch diesen Punkt wollen wir in den Ausschußberatungen konkretisieren.
({3})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind herzlich gern bereit, im Ausschuß diese Materie mit Ihnen eingehend zu beraten. Ich hoffe aber, es ist jetzt schon deutlich geworden, daß dies von unserer Seite aus nicht simple Zustimmung bedeuten kann, sondern daß da noch einige Probleme zu klären sind.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Dr. Jahn, ich hätte mich nie getraut, wenn meine Schwiegermutter nicht leider verstorben wäre.
({0})
Meine Damen und Herren, wenn in der Parlamentarismusdebatte gelegentlich der Vorwurf gehört wird, unser parlamentarisches System sei dadurch denaturiert, daß nur noch in Blöcken abgestimmt werde, die Regierungskoalitionen nur noch die Aufgabe hätten, die Regierung zu stützen, alles, was die Regierung tue, für gut und richtig zu halten, während die Opposition schlicht undifferenziert alles ablehne und umgekehrt alle Initiativen der Opposition schlecht seien und von der anderen Seite des Hauses weggebügelt würden, dann wissen Sie, wie ich hoffe, meine Damen und Herren, daß dieser Vorwurf so nicht richtig ist.
({1})
Die Aufgaben und die Funktionen der die Regierung tragenden Fraktionen wie die Aufgaben der Opposition sind sehr viel vielschichtiger, sehr viel differenzierter und werden auch wahrgenommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns aber auch fragen, ob wir selbst immer alles tun, um das Entstehen solch undifferenzierter Pauschalkritik zu verhindern. Wenn, von welcher Seite auch immer, ein Problem thematisiert wird und Lösungsvorschläge auf den Tisch gebracht werden und dieses Anliegen vom Grundsatz her sehr schnell ein allgemeines Anliegen ist, dann ist es nicht immer notwendig, sich trotz allem Konkurrenzdenken gegenseitig zu übertrumpfen, über Erstgeburtsrechte zu polemisieren, mit Verfahrenstricks zu manövrieren usw. Ich bin sicher - und ich will das mit allem Ernst sagen -, daß der viel zitierte Bürger draußen im Lande, wobei die Verwendung des Wortes „draußen" schon ein fundamentales Mißverständnis von repräsentativer Demokratie offenbart, dafür sehr, sehr wenig Verständnis hat und daß er dadurch in aller Regel auch in seinem Wahlverhalten nicht beeinflußt wird, was ja wohl Sinn und Zweck dieser ganzen Veranstaltung ist.
Meine Damen und Herren, ich werde es mir deshalb zur Regel machen, eine Initiative der Opposition ausdrücklich zu begrüßen, wenn ich die Problemthematisierung für richtig halte und wenn ich die Grundzüge des Lösungsvorschlages für diskussionswert erachte, selbst wenn dasjenige, was meine Fraktion im Zuge der Beratungen an Kritik und 'Verbesserungs- und Erweiterungsvorschlägen zu unterbreiten gedenkt, vermuten läßt, daß am Ende etwas Besseres dabei herauskommt, als zur Zeit konkret im Detail auf dem Tisch liegt.
Mit dieser Einleitung begrüße ich also Ihre Initiative für meine Fraktion ausdrücklich,
({2})
die Wohnflächenbegrenzungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu überprüfen, zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern, nicht, wie hier gesagt worden ist, weil dies das Jahr des Kindes ist,
({3})
denn es wäre sicherlich sehr traurig, wenn man sich nur an Gedenktagen oder in Gedenkjahren des Wertes und der Bedeutung von Kindern und der Familie für ein Kulturvolk erinnerte, nein, weil sich nämlich das familienpolitische Wollen besonders dar-' an ablesen läßt, welche Bemühungen unternommen werden, den Familien, insbesondere den kinderreichen Familien angemessenen Wohnraum in einer angemessenen Wohnumwelt anzubieten. Die angemessene Wohnung ermöglicht erst die Entfaltung eines harmonischen Familienlebens, und die angemessene Wohnung ist auch die Voraussetzung für Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder.
({4})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum wiederholten Male erklären, daß staatliche Wohnungspolitik längst nicht mehr vorrangig dem Ziel der Schaffung des berühmten Daches über dem Kopf für jedermann zu dienen hat,
({5})
vielmehr zunehmend spezielle Akzente in der Wohnungspolitik gesetzt werden und gesetzt werden müssen.
Meine Damen und Herren, in der Debatte über die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zur Städtebaupolitik habe ich für meine Fraktion einen solchen Akzent genannt, der, wie ich sehe, ziemlich umstreitig ist, daß nämlich Wohnungsbaupolitik vorrangig Instrument der Städtebaupolitik zu sein habe.
Ich will heute einen weiteren, nicht minder gewichtigen Akzent nennen. Dies ist die familienpolitische Komponente im Wohnungsbau.
({6})
Unter dieser Prämisse ist die von Ihnen aufgeworfene Frage völlig berechtigt, ob die geltenden Wohnflächenbegrenzungen im öffentlich geförderten und steuerbegünstigten Wohnungsbau mit 156 qm für Eigenheime und mit 144 qm für Eigentumswohnun10074
gen undifferenziert vom Einpersonenhaushalt bis zum Fünfpersonenhaushalt richtig sind,
({7})
oder ob Wohnflächenüberschreitungen nicht schon bei geringerer Personenzahl förderungsunschädlich sein sollten.
Wir halten auch die Fragestellung für höchst interessant und richtig, ob man mit einem größeren Eigenheim oder einer größeren Eigentumswohnung sozusagen mit wachsendem Kindersegen nicht in die Förderungsfähigkeit hineinwachsen könne.
Das Ganze muß man dann um das ergänzen, was Herr Kollege Müntefering sagte, ob man nicht Überlegungen anstellen müsse - denn nicht jeder kann von vornherein groß bauen, da er ja nicht weiß, ob er nun wirklich fünf Kinder bekommt -, ob man bei zusätzlichen baulichen Erweiterungen bei zunehmendem Kindersegen weiterhin förderungsfähig bleibt oder zusätzlich förderungsfähig wird.
Meine Damen und Herren, wir sind uns doch alle in dem Wunsch einig, daß unsere Bürger möglichst in jüngeren Jahren, als dies zur Zeit geschieht, Wohneigentum erwerben können.
Ob nun die von Ihnen vorgeschlagene Detailregelung so richtig ist - wir können dabei die Hobbyräume abhaken; das ist selbstverständlich -, bedarf natürlich noch einer sorgfältigen Prüfung in der Gesetzesberatung. Man wird hier den Zusammenhang mit den vom Bundesrat vorgeschlagenen veränderten Einkommensgrenzen für junge Familien sehen müssen. Man wird sich auch wohl nicht der Behandlung der Frage entziehen können, ob angesichts der Herstellungskosten für Wohneinheiten mit über 156 qm nicht ohnehin nur ein begrenzter, einkommensstarker Teil der Bevölkerung in Frage kommt und ob bei diesem dann völlig undifferenziert gefördert werden sollte. Auch diese Frage wird man sich stellen müssen, egal, wie man sie beantwortet.
Wir werden uns auch die weitere Frage stellen müssen, ob bei der Gelegenheit nicht die Wohnflächenhöchstgrenzen im öffentlich geförderten Wohnungsbau überprüft werden sollten.
In diesem Zusammenhang bedarf es dann einer Lösung des heute morgen angesprochenen vielzitierten Kinderzimmerproblems. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, was die Kinderzimmergrößen betrifft, eines ganz klar anmerken: Wir setzen uns scharf gegen Vergleiche zur Wehr, wie sie immer wieder in der Öffentlichkeit erhoben werden, bei denen die Größen von Kinderzimmern und Spielflächen mit Auslaufflächen in Hundezwingern verglichen werden. Solche Äpfel-Birnen-Vergleiche sind übelste Polemik, die unser berechtigtes Bemühen um Tierschutz diffamieren, ohne auch nur im geringsten dem Ziel einer weiteren Verbesserung der Situation des Kindes zu dienen.
Meine Damen und Herren, insbesondere werden wir aber - und Herr Kollege Müntefering hat es angesprochen - prüfen müssen, ob Ihre Feststellung in Ihrer Gesetzesbegründung richtig ist, daß dies so gut wie keine finanziellen Auswirkungen habe. Denn die Ausfälle bei der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer treffen wieder einmal die Gemeinden. Wir sind auf Grund der Erfahrungen mit der Lohnsummensteuer - selbst wenn es sich hier sicherlich nur um ein winziges Teilchen daraus handelt - ein gebranntes Kind. Wir werden dies sehr sorgfältig durchrechnen lassen und sehr sorgfältig prüfen, und unsere Fraktion wird das Vorhaben ganz sicher nicht mit tragen, wenn zu diesem Zeitpunkt nicht klargestellt ist, daß dann, wenn sich relevante Ausfälle ergeben, dafür auch ein Ausgleich gefunden wird.
Die FDP-Fraktion wird also bei den Beratungen über diesen Gesetzentwurf der Opposition ein kooperationsbereiter, konstruktiver, wenn auch kritischer Partner sein.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Haack.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Bemerkungen aus der Sicht der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf machen. Ich stimme diesem Gesetzentwurf in der Tendenz zu - ich habe das gleich in einer ersten Stellungnahme gesagt -, weil er ganz auf der Linie der wohnungspolitischen Grundsätze, wie sie am Schluß auch Herr Gattermann dargestellt hat, liegt, die ich zu vertreten mich bemühe. Es sind dies nicht nur abstrakte Bemühungen; sie haben vielmehr auch bereits vorbereitend auf die Beratungen mit den Ländern Einfluß genommen. Das Problem der Hobbyräume, das in dem Gesetzentwurf angesprochen wird, haben wir mit den Ländern im Rahmen unseres Änderungsvorschlages zur Zweiten Berechnungsverordnung vor-besprochen. Insofern besteht völlige Deckungsgleichheit.
Das zweite Problem, das Problem der Wohnflächenbegrenzung im steuerbegünstigten Wohnungsbau - ich knüpfe hier an das an, was Herr Müntefering gesagt hat, als er sich auf die Wohnflächenbegrenzung auch im sozialen Wohnungsbau bezog -hat in einen Gesetzentwurf meines Ministeriums zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes Eingang gefunden, und zwar im Zusammenhang mit Überlegungen, die öffentliche Förderung im sozialen Wohnungsbau auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. In diesem Zusammenhang müssen wir einige Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ändern, und bei dieser Gelegenheit haben wir in den Vorerörterungen mit den Ländern bereits seit Monaten auch die Fragen der Wohnflächenbegrenzung mit der hier dargestellten Zielrichtung angesprochen. Insofern besteht Übereinstimmung. Über Einzelheiten muß noch beraten werden.
Herr Kolb, Sie haben einleitend gesagt, Sie seien _eigentlich davon ausgegangen, daß ich bei öffentlichen Äußerungen zu diesem Bereich immer wieder auf die CDU/CSU hinweise. Nun sind mir zwar Ihre Probleme, die Sie im Moment haben, durchaus bekannt; daß es aber so weit geht, daß Sie jetzt schon von der Bundesregierung verlangen, sie solle
auch noch Ihre Öffentlichkeitsarbeit übernehmen, habe ich bisher nicht gewußt.
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Herr Möller hat dann ja auch in einem Zwischenruf gesagt, so weit könne die Liebe natürlich nicht gehen. Ich vertrete meine Auffassung, die der Bundesregierung oder meiner Partei.
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Sie können natürlich Ihre Auffassungen vertreten. Darüber sind wir uns, wie ich glaube, einig.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch zwei weitere Bemerkungen. Wir dürfen nicht in die Gefahr verfallen - es ist mehrmals vom Jahr des Kindes und der familienpolitischen Akzentuierung die Rede gewesen; ich stimme diesbezüglich Herrn Gattermann voll zu -, die Problematik einseitig zu sehen.
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Unter „einseitig" verstehe ich: Nur unter dem Gesichtspunkt der Wohnflächenbegrenzung im Zusammenhang mit dem steuerbegünstigten oder sozialen Wohnungsbau. Herr Kolb, Sie haben sich in Ihren Ausführungen wahrscheinlich auf das bezogen, was ich gestern bei der Möbelmesse in Köln in einer Diskussionsveranstaltung zu dieser Frage gesagt habe. Ich will hier wiederholen, was ich gesagt habe.
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- Das bezieht sich aber darauf. Wir dürfen jetzt natürlich nicht nur mehr fordern, sondern hier geht es - abgesehen von gesetzlichen Änderungen, von steuerlichen Ermäßigungen und anderem - auch darum, daß die Erwachsenen und auch die Architekten bei der Planung die Bedürfnisse der Kinder wesentlich mehr als bisher berücksichtigen. Es geht darum, daß die Familie bei der Entscheidung darüber, wie sie ein neues Haus plant, nicht zunächst sagt, das Wohnzimmer müsse mindestens 40 qm groß sein; was dann an Wohnraum übrigbleibe, werde auf die Kinderzimmer verteilt. Die Planung muß vielmehr so vorgenommen werden, daß die Belange der Kinder vorrangig berücksichtigt werden. Dies ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt, der in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist der Bereich der Hausordnungen, d. h. der Bereich des Wohnumfeldes. Wir dürfen die ganze Frage der Familienorientierung nicht nur auf die Größe der Kinderzimmer konzentrieren, sondern wir müssen auch das Wohnumfeld einbeziehen. Ich will hier jetzt nicht auf die Diskussion über das Wohnumfeld eingehen. Das haben wir bei anderen Gelegenheiten schon getan. Als' Detailbeispiel möchte ich nur dies anführen: Es geht hier
um die Hausordnungen, etwa um die Frage, wie Grünflächen um die Häuser herum genutzt werden. Auch darüber ist schon diskutiert worden.
Ich habe z. B. jetzt die Angehörigen meines Ministeriums, die Mitglieder von Aufsichtsräten wohnungswirtschaftlicher Unternehmen sind, ersucht, dafür einzutreten, daß bei der Nutzung größerer Freiflächen in Wohnsiedlungen auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Kinder stärker Rücksicht genommen wird. Ich werde heute noch einen Brief - er ist schon vorbereitet -San meine Länderkollegen schreiben, in dem ich auch darum bitte.
Ich wollte hiermit folgendes zum Ausdruck bringen. Wichtige Anliegen des Gesetzentwurfs decken sich mit Bestrebungen auf der Regierungsebene. Selbstverständlich müssen die finanziellen Konsequenzen im einzelnen noch durchgerechnet werden. Darum kann der Finanzminister nicht sofort sagen: „Ich bin mit allem hier einverstanden." Der muß noch viel rechnen. Aber wir dürfen nicht in die Gefahr geraten, diese Problematik auf einige Detailprobleme zu isolieren, sondern wir müssen sie in dem größeren Zusammenhang einer besseren, familienfreundlicheren Wohnungsbaupolitik oder überhaupt in einer neuen Prioritätensetzung im Wohnungsbau, im Städtebau in Richtung auf junge Familien mit Kindern sehen.
In diesem größeren Zusammenhang begrüße ich auch, daß Sie diesen Bestrebungen zustimmen. Ich bin überzeugt, daß wir zu einem vernünftigen, auch finanziell tragbaren Ergebnis gerade im Interesse von Familien mit Kindern kommen werden.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - federführend - und an den Finanzausschuß zur Mitberatung. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich überschreite meine Befugnisse nicht, wenn ich mit Befriedigung feststelle, daß gerade zu der Zeit, wo von der Größe des Kinderzimmers die Rede ist, der Bielefelder Kinderchor zu uns gekommen ist, um zuzuhören.
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Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 23. Januar 1979, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.