Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/15/1978

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Ich darf zunächst eine Mitteilung und einen Vorschlag machen. Das Haus hat in seiner 109. Sitzung am 5. Oktober 1978 beschlossen, für die Dauer von drei Monaten versuchsweise eine neue Regelung über die Führung der Aussprachen einzuführen. Die Geltungsdauer dieser Regelung läuft am 4. Januar 1979 ab. Der Ältestenrat schlägt deshalb vor, die Geltung der neuen Regelung und damit insbesondere die Geltungsdauer der Bestimmungen über die Aussprache mit Kurzbeiträgen für weitere drei Monate zu verlängern. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich stelle das fest; dann ist das so beschlossen. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 6. his 12. Dezember 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2395 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 6. Dezember 1978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Richtlinie des Rates über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe ({0}) Vorschlag einer Richtlinie des Rates betreffend den zulässigen Schallemissionspegel von Motorkompressoren ({1}) Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 6. Dezember 1978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschläge zur gemeinschaftlichen Unterstützung von Beihilfen zur Arbeitsförderung von Jugendlichen ({2}) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den - Abschlepphaken - Rückwärtsgang von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern ({3}) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsturzvorrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern - Statische Prüfungen - ({4}) Der Vorsitzende des Ausschusses' für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom il. Dezember 1978 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Gesamtzulässigkeitsgrenze für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen ({5}) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur ersten Änderung der Richtlinie 75/726/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Fruchtsäfte und einige gleichartige Erzeugnisse ({6}) Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines zweiten F & E Programms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Bereich Forschung in Medizin und Gesundheitswesen bestehend aus fünf mehrjährigen konzertierten Aktionen ({7}) Bericht der Kommission an den Rat betreffend bestimmtes frisches Fleisch von Schweinen Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 64/433/EWG zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch ({8}) Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur 14. Änderung der Richtlinie 64/54/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen ({9}) Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes - Drucksache 8/2154 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({10}) - Drucksache 8/2389 Berichterstatter: Abgeordneter Kühbacher Abgeordneter Dr. von Wartenberg ({11}) Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes, werden die Höchstgrenzen des Verteilungsschlüssels neu festgesetzt. Was bedeutet dies? Bis zu welcher Höhe das Einkommen des Bürgers in seiner Gemeinde bei der Festsetzung des Einkommensteueranteils seiner Gemeinde berücksichtigt wird. Dabei werden als drei wesentliche Ziele des Gemeindefinanzreformgesetzes genannt: Einmal die Beteiligung der einzelnen Gemeinden an der Einkommensteuer auf der Grundlage der Einkommen9856 steuerleistungen ihrer Einwohner. Dies würde bedeuten, daß die Höchstbeträge nicht sehr hoch angesetzt werden. Das zweite Ziel: Die Steuerkraftunterschiede zwischen steuerstarken und steuerschwachen Gemeinden sollen verringert werden. Dies würde auch bedeuten, daß die Höchstbeträge nicht sehr hoch angesetzt werden. Schließlich ein drittes Ziel: Das Steuerkraftgefälle zwischen großen und kleinen Gemeinden soll gewahrt bleiben. Dies aber würde bedeuten, daß die Höchstbeträge höher anzusetzen sind. Unterstellt man einmal, daß diese Zielsetzungen so formuliert werden können, dann bleibt immer noch die Schwierigkeit, den Verteilungsschlüssel mit diesen unterschiedlichen Zielsetzungen in Einklang zu bringen, zumal beispielsweise entsprechende finanzwirtschaftliche Bedarfsuntersuchungen nicht vorliegen, die den wachsenden Finanzbedarf wachsender Gemeinden genauer untersuchen. Selbst wenn man einmal unterstellt, daß wachsender Finanzbedarf mit wachsender Gemeinde gegeben ist, so sind die von der Raumordnung vorgetragenen Bedenken zumindest in die Überlegungen bei der Festsetzung der Höchstbeträge einzubeziehen. Daher hat der Bundesrat mit seiner Zustimmung zur turnusmäßigen Umstellung in einer Entschließung am 30. Mai 1975 zum Ausdruck gebracht, Modellrechnungen im Hinblick auf die ständigen Einkommensveränderungen für eine sachgerechte Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer aufzustellen. Die Höchstbeträge für das zu berücksichtigende Einkommen liegen seit 1972 bei 16 000 DM für Alleinstehende und bei 32 000. DM für Verheiratete. Diese Höchstbeträge waren auf der Grundlage von Sonderuntersuchungen des Jahres 1968 festgesetzt worden. Der vorliegende Gesetzentwurf stützt sich auf Modellrechnungen auf der Basis der Einkommensteuerstatistik 1974. Für das Jahr 1977 wird eine solche Einkommensteuerstatistik nochmals erstellt. Bei den Beratungen im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hat eine Tabelle über die Auswirkungen der Aktualisierung des Verteilungsschlüssels bei unterschiedlichen Höchstbeträgen im Finanzbericht 1979 vorgelegen. Sie war aber für die Entscheidungsfindung über die Höhe der Höchstbeträge insoweit wenig hilfreich, als diese Tabelle Durchschnittswerte ausweist, die die Veränderungen gegenüber dem Ist 1976 berechnet. Die Darstellung der Berechnung des tatsächlichen Anteils der Gemeinde auf Grund statistischer Berechnungen aus den einzelnen Ländern für die einzelnen Gemeinden der elf Bundesländer waren bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht zur Verfügung. Daher haben wir zum einen die unterschiedlichen Interessenlagen je nach Größe der Gemeinden abwägen müssen - das war die eine Seite des Beurteilungskriteriums des Verteiligungsschlüssels -, zum anderen die strukturellen Aussagen, die übrigens wesentlich vielschichtiger sind, als sie aus den vorgelegten Modellrechnungen des Finanzberichtes 1979 ersichtlich sind. Dies ist die andere Seite der Beurteilung des Verteilungsschlüssels. Dies sind einige der Gründe, warum sich die CDU/CSU-Fraktion dafür entschieden hat, meine Damen und Herren, erstens zunächst die Höchstbeträge beim Verteilungsschlüssel ab dem Jahre 1979 auf 25 000 DM für Alleinstehende und 50 000 DM für Verheiratete anzuheben und zweitens in der Ihnen vorliegenden Entschließung die Bundesregierung zu bitten, wegen der Einkommensveränderungen der Bürger bei der nächsten Umstellung auf der Basis der Einkommensstatistik von 1977 in Zusammenarbeit mit den Bundesländern Modellberechnungen für eine auf die Ziele der Gemeindefinanzreform ausgerichtete Verteilung vorzulegen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Kühbacher.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen der Frau Kollegin Will-Feld brauch ich, glaube ich, nur ganz kurze Ergänzungen hinzuzufügen. Daß wir uns im Finanzausschuß des Bundestages auf den Kompromiß 25 000/50 000 DM Höchstbeträge geeinigt haben, hat auch wesentlich etwas damit zu tun, daß die Verschiebung der Beträge von den steuerstarken zu den steuerschwachen Gemeinden nach den uns vorliegenden Berechnungsunterlagen - Basis: 1976 - wie folgt ausgesehen hätte: Die steuerstarken Gemeinden hätten pro Einwohner umgerechnet etwa 14 DM verloren, die steuerschwachen Gemeinden hätten 14 DM dazubekommen. Ich glaube, wenn man die Summen, die dahinterstehen, gemessen an den Einwohnerzahlen betrachtet, kann man es wohl nicht verantworten, einen derartig abrupten Einnahmeausfall bei den steuerstarken Gemeinden in Kauf zu nehmen. Bei aller Absicht, die Steuerkraft zwischen den Gemeinden auszugleichen, muß dieses Argument hier im Interesse auch der gesicherten Gemeindefinanzen aus der Sicht des Bundestages dagegengehalten werden. Wir haben uns wohl zusammen mit dem Bundesrat auf den Kompromiß geeinigt, der diesen Schmerz, aber auch die Freude halbiert. Bei dem jetzt gefundenen Kompromiß werden in der Summe die steuerstarken Städte pro Kopf etwa 7 DM abzugeben haben und die steuerschwachen 7 DM dazubekommen. Ich glaube, daß dieser Kompromiß geeignet ist, zu einem Finanzausgleich beizutragen, damit die im Grundgesetz geforderte Möglichkeit gleicher Lebens- und Einkommensverhältnisse innerhalb des Bundesgebietes gegeben ist. Die Entschließung, die der Finanzausschuß Sie zu fassen bittet, geht davon aus, daß dieser Kompromiß zunächst für zwei Jahre gelten soll. Ich glaube aber, aus unserem Sachverstand heraus müssen wir sagen, daß diese Regelung zumindest für drei Jahre Geltung haben wird; denn die Ergebnisse der Steuerstatistik werden wohl nicht vor Ende 1980 vorliegen können. Dies bedeutet, daß wir Modellberechnungen, wie sie Frau Kolllegin Will-Feld hier bereits bezeichnet hat, wohl erst im Jahre 1981 zur Begutachtung und möglicherweise zur Beschlußfassung vorliegen haben werden. Ich wollte das hinzufügen, damit in den Kommunen Klarheit darüber ist, daß diese Regelung für die mittelfristige Finanzplanung, die die Kommunen anzustellen haben, für die nächsten drei Jahre Sicherheit bietet.. Ob wir als Gesetzgeber dann verändern werden - die Veränderungen aus der Statistik ergeben sich automatisch -, machen wir im wesentlichen von den Modellberechnungen abhängig. Dies bedeutet, daß wir dann für 1981 in neue Überlegungen eintreten werden, und nach der guten Übung auch in diesem Jahr werden wir dazu Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Städtetag und dem Städte- und Gemeindebund führen, um hier zusammen mit den Gemeinden eine gute Lösung für die Gemeinden zu schaffen. Ich darf mich bei den Kollegen von der CDU/ CSU recht herzlich bedanken, weil wir einen guten Kompromiß gemeinsam geschaffen haben. Er zeigt, daß man, wenn man einen Konsens hat, diesen auch hier im Bundestag gemeisam verabschieden kann. Dies ist quasi ein kleines Weihnachtsgeschenk für uns und auch für die Gemeinden. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den beiden Reden kann ich es noch kürzer machen. Die Vorlage des Finanzausschusses stellt einen Kompromiß zwischen ziemlich weit auseinanderklaffenden Vorstellungen dar, einerseits des Landkreistages und andererseits des Städte- und Gemeindebundes. Ich glaube, der Anteil, um den es hier finanziell geht, ist größer, als sich mancher Bürger draußen klarmacht. Immerhin geht es hier darum, an die rund 8 000 Gemeinden im Bundesgebiet für das Jahr 1979 rund 18,4 Milliarden DM zu verteilen. Dieser Anteil stellt immerhin einen Prozentsatz von 41 % der gesamten Steuereinnahmen der Gemeinden dar, und dieser Anteil hat sich durch unser letztes Steuerpaket von 14 auf 15 % erhöht. Die FDP hatte und hat Bedenken wegen der Anhebung der Einkommensgrenze auf nur 25 000 bzw. 50 000 DM. Wir meinen, daß es besser gewesen wäre, unter dem Gesichtspunkt der Forderung des Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes diese Höchstbeträge weiter anzuheben, halten aber, da Steuergesetze einvernehmlich beschlossen werden müssen, den jetzigen Kompromiß für tragbar. Wir haben ihm insbesondere deswegen zugestimmt, weil wir einerseits gemeinsam eine Entschließung hier in diesem Hause verabschieden werden, wonach bis zum Jahre 1982 neue Modellrechnungen vorgelegt werden müssen, auf Grund deren neue Anhebungen der Höchstgrenzen erfolgen. Außerdem müssen wir sehen, daß, obwohl es sich um ein Bundesgesetz handelt, die primäre Verantwortung für die interkommunale Finanzausstattung bei den Ländern liegt. Schließlich sind wir der Ansicht, daß wichtiger als die Frage der Erhöhung um einige tausend DM mehr oder weniger die Klarheit ist, die für die Gemeinden vom nächsten Jahr an eintritt. Aus diesem Grunde stimmen wir diesem Kompromiß zu. Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu einer Frage sagen, die in der Regel unter einem anderen Stichwort diskutiert wird, nämlich unter dem Stichwort der steuerlichen Subventionen für Landwirte. Ich meine, es ist interessant, hier auf die Auswirkungen hinzuweisen, die die gegenwärtige Besteuerung der Landwirtschaft auf die Gemeindefinanzen hat. Nach den neuesten Schätzungen auf der Grundlage der Ergebnisse der Kommission für die Reform der Besteuerung der Landwirte, die im Februar 1978 ihr Gutachten vorgelegt hat ({0}) - nein, Herr Langner, § 6 b machen wir ein anderes Mal; Sie haben sich jetzt getäuscht, wie ich glaube, denn hier geht es um die Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft -, entsteht bei der Landwirtschaft ein Subventionsvorteil von mindestens 1,3 Milliarden DM. Abgesehen davon, daß dadurch der Grundsatz der Steuergerechtigkeit innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft verletzt wird, bedeutet dies, daß insbesondere den kleinen ländlichen Gemeinden ein Steuerausfall an originären Einnahmen von zirka 180 Millionen DM entsteht, nämlich 14 % von 1,3 Milliarden DM. Die Steuerkraftschwäche der kleinen ländlichen Gemeinden findet zum Teil hierin eine Erklärung. Neben den vielen anderen Gründen, die für eine Reform des § 13 a sprechen und die ich schon öfter für meine Fraktion vorgebracht habe, liegt hier ein weiterer Grund vor. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. - Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann. kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2389 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen ist die Entschließung angenommen. Präsident Carstens Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes. - Drucksachen 8/2146, 8/2164 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/2392 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 8/2390 Berichterstatter: Abgeordneter Kühbacher Abgeordneter Dr. von Wartenberg ({2}) Wünscht einer der Herren Berichterstatter als Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. von Wartenberg.

Dr. Ludolf Georg Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für eine Opposition ist es immer ein erhebendes Gefühl, wenn ein von ihr initiierter Gesetzentwurf von der Regierungskoalition für gut befunden und mit Mehrheit - heute vielleicht sogar einstimmig - verabschiedet. wird. Das gilt erst recht, wenn es sich um den letzten Plenarsitzungstag eines Jahres handelt. Für die Regierungsfraktionen kann es natürlich so etwas nicht geben. Sie dürfen sich aus Selbstachtung den Meinungen der Opposition nicht anschließen - und wenn schon, dann muß die Meinung der Opposition auf eigenem Papier unter eigenem Kopf wiederholt werden. ({0}) Meine Damen und Herren, für die Öffentlichkeit bedarf es schon eines Galgenhumors, um noch belustigt festzustellen, daß eine Parlamentsmaschinerie mit Parlamentssitzung, Ausschußsitzungen, Parlamentssitzungen, Vermittlungsausschußsitzung, Gesetzestextveröffentlichungen mehrmals innerhalb weniger Monate in Bewegung gesetzt wird, um am Ende das zu verabschieden, was von Anfang an beantragt wurde. Wie das Gebirg auch kreißt, es kommt nur raus ne schnurrige Maus. Worum geht es? Die dem Bundestag vorliegenden inhaltsgleichen Vorlagen der CDU/CSU-Fraktion und der Fraktionen der SPD und der FDP, die in der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zusammengefaßt wurden, sehen für alle Investitionen im Sinne des § 1 des Investitionszulagengesetzes, die im Zonenrandgebiet vorgenommen werden, rückwirkend ab 1. Januar 1978 die Erhöhung der Investitionszulage von 8,75 %, einem Prozentsatz, den wir erst in diesem Jahr neu ausgehandelt haben, auf 10 % vor. Mit der auf das Zonenrandgebiet beschränkten Erhöhung der Investitionszulage auf 10 % sollen die Standortnachteile aus der peripheren Lage, des Zonenrandgebietes ausgeglichen werden, damit die Strukturschwäche dieses Raumes am Rande des Bundesgebiets und der Europäischen Gemeinschaft kompensiert und so seine Wirtschafts- und Leistungskraft verbessert wird; denn die Standortnachteile des Zonenrandgebietes werden allein durch die allgemeine Anhebung der Investitionszulage von 7,5 auf 8,75 %, die wir in diesem Jahre beschlossen haben, nicht voll ausgeglichen, weil es eines Präferenzvorsprunges bedarf. So, meine Damen und Herren, steht es in dem Bericht, den Herr Kühbacher und ich dem Hohen Hause heute vorgelegt haben. Jedem Kollegen, der nicht aus dem Zonenrandgebiet kommt und der deshalb nicht in den Verdacht geraten kann, für seinen Wahlkreis etwas herausholen zu wollen, möchte ich jedoch empfehlen, einmal mit offenen Augen durch das Zonenrandgebiet zu fahren, Gespräche zu führen und Informationen einzuholen. Wer das tut, weiß, daß die heute zu beschließende Anhebung der Investitionszulage für das Zonenrandgebiet um 11/4 % keine strukturpolitische Großtat ist. Diese Anhebung hat natürlich symbolische, psychologische Wirkung. Sie ist der erste Versuch, in der Strukturpolitik wieder eine vernünftige Präferenzstruktur einzubauen, auch wenn es zunächst eher eine optische Angelegenheit ist. Ich habe völliges Verständnis für all die Regionen, die generell darüber enttäuscht sind, daß wir den Schritt zu einer allgemeinen Erhöhung im Gebiet der Gemeinschaftsaufgabe auf 10 % nicht gefunden haben. Wer die Frage stellt, ob nicht mehr getan werden kann, oder gar die Forderung erhebt, mehr zu tun, ist immer dann nicht ein blinder Regionalpolitiker, wenn er gleichzeitig fragt, wo in der Strukturpolitik - hier also im Zonenrandgebiet - gespart werden kann. Wenn ich die Präferenzstruktur Berlin, Zonenrandgebiet, übrige Fördergebiete nicht nur verbal akzeptiere, dann muß es meine Aufgabe sein, auch wirkliche Unterschiede zu setzen. Über Berlin werden wir uns in den nächsten Wochen unterhalten, da gerade jetzt interfraktionelle Vorschläge eingebracht wurden, die aus Zeitgründen heute noch nicht verabschiedet werden können. Für das Zonenrandgebiet bedeutet dies für uns, nicht zufrieden zu sein mit der heute zu verabschiedenden Erhöhung der Investitionszulage auf einen alten Stand. ({1}) Dies ist ein erster Schritt, ein richtiger Schritt - meine Damen und Herren, seien wir doch ganz nüchtern -, der ohne das Engagement, ohne die Leidenschaft eines Politikers, unseres Kollegen Warnke, nicht möglich gewesen wäre. ({2}) Wir sollten uns aber auch fragen, ob die einst dem Zonenrandgebiet eingeräumten Abschreibungsprioritäten ausreichen. Wir sollten uns fragen, ob z. B. die Frachthilferegelung für Betriebe im Zonenrandgebiet in der jetzigen Form nicht ein uralter Hut ist. Denn die Frachthilfe wird merkwürdigerweise nur auf solche Produkte gewährt, die auch schon vor 1945 in den Betrieben hergestellt wurden. Daß daDr. von Wartenberg bei technischer Fortschritt und die Produktionsausweitung und die Sortimentsveränderung der standortbenachteiligten Zonenrandbetriebe völlig außer acht bleiben, ist doch jedem verständlich. All denjenigen, die nun anklagen und sagen, wir sind doch nie zufrieden, darf ich versichern, daß wir auch zu prüfen haben, wo wir im Zonenrandgebiet hochindustrialisierte Gebiete haben, wo Erfolge eingetreten sind und wo deshalb das ganze strukturpolitische Instrumentarium nicht mehr Anwendung finden muß. Zur Präferenzstruktur noch eine Bemerkung. Durch ein schwieriges Verfahren wurden in der Bundesrepublik die Regionen ausgewählt, die zum Zonenrandgebiet, zum Gebiet der Gemeinschaftsaufgabe gehören bzw. nicht gehören. Wird in Berlin oder im Zonenrandgebiet oder sonstwo irgendeine Bedingung verbessert, so erhebt sich sofort das Wehklagen der Nichtbetroffenen oder Habenichtse. Dies ist verständlich. Aber muß das sein? Regionale Strukturpolitik ist doch nur dann für die gesamte Volkswirschaft wirksam, wenn sie Unterschiede zu setzen bereit ist. Jede nachfolgende Nivellierung auf einem höheren Niveau macht die Strukturpolitik für uns alle wesentlich teurer, aber auch unwirksamer. Sosehr ich z. B. die strukturpolitischen Schwierigkeiten des Landes Nordrhein-Westfalen verstehe, so sehr beklage ich, daß dieses Land mit seiner Bundesratsinitiative, eine zehnprozentige Investitionszulage zusätzlich für die Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit zu schaffen, der Zonenrandregion, ja sogar der gesamten Region der Gemeinschaftsaufgabe, jegliche Präferenz verweigert. Was nämlich hier in diesem Fall regionale Präferenz ist und voller Mißtrauen nicht akzeptiert wird, ist dort doch sektorale Präferenz, um deren Unterstützung uns die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen mit Recht bitten. Wir bedanken uns bei den Fraktionen der SPD und FDP dafür, daß sie die Initiative zur Erhöhung der Investitionszulage im Zonenrandgebiet mit getragen haben. ({3}) Damit entsteht keine Diskussion über das Erstgeburtsrecht. Wir bedanken uns aber auch bei den Wählern, daß sie vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern der SPD und FDP eben den Weg dorthin gewiesen haben. Ich bitte um Ihre Unterstützung. ({4})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß hier zunächst einmal Herrn von Wartenberg ein Kompliment machen. Ich meine, das, was Sie hier heute eingangs formuliert haben, war sehr wohltuend und strukturpolitisch ausgewogen, wenigstens wohltuender als das, was wir ansonsten von Ihrer Seite in den letzten Monaten zu diesem Thema gehört haben. Wenn Sie sich aber, Herr von Wartenberg, damit aufhalten, zu ergründen, wer welche Anträge zuerst gestellt hat, so ist den Menschen im Zonenrandgebiet damit nicht gedient; das bringt strukturpolitisch überhaupt nichts. ({0}) Ich will gleich zur Sache sprechen. Mit Blick auf die Begründung der beiden Anträge möchte ich feststellen, daß es uns vor allen Dingen darum geht, daß der Strukturschwäche dieses Raums am Rande des Bundesgebietes und der Europäischen Gemeinschaft aus deutschlandpolitischer Verantwortung heraus wirkungsvoller als bisher entgegengetreten wird. Genauso wie die Opposition, Herr von Wartenberg, diese Zielsetzung sicherlich teilt, unterstützen wir die Forderung im Unions-Entwurf, daß die ökonomischen Standortnachteile des Zonenrandgebiets stärker abgebaut werden als bisher. Wie leisten wir aber - das ist hier die entscheidende ökonomische, die strukturpolitische Frage - wirklich einen sinnvollen, zielgerechten und effizienten strukturpolitischen Beitrag zur Beseitigung dieser Standortnachteile? Da reicht es nicht aus, daß wir hier heute alle einmütig - das ist ja erfreulich, das haben Sie ja auch schon festgestellt - die Erhöhung der Investitionszulage speziell für das Zonenrandgebiet beschließen, wenn anschließend im Bundesrat eine allgemeine Erhöhung der Präferenzen für alle Fördergebiete der Bundesrepublik gefordert ({1}) und dann eventuell über den Vermittlungsweg auch hier wiederum zur Hälfte oder zu Dreivierteln hier durchgesetzt wird. Es wäre strukturpolitisch völlig widersinnig und ineffizient, wenn etwa zwei Drittel der Bundesrepublik mittels dieser Initiative, die speziell auf das Zonenrandgebiet ausgerichtet ist, mit der gleichen prozentualen Distanz bei der Investitionszulage wie das Zonenrandgebiet wieder „nach oben marschieren". Mit einer solchen Strukturpolitik ist den Menschen im Zonenrandgebiet überhaupt nicht gedient. ({2}) Stoßrichtung effektiver, regionaler Strukturpolitik für den Zonenrand muß sein, daß wir mit der heutigen Initiative wirklich einen zusätzlichen finanziellen Anreiz speziell für dieses Gebiet geben, damit es dort zu zusätzlichen Investitionen kommt und damit auch ein zusätzlicher Anreiz gegenüber anderen Fördergebieten in anderen Bereichen der Bundesrepublik geschaffen wird, denen es bessergeht, die größere Entwicklungsvorteile haben. Es wäre sinnlos, wenn am Ende des parlamentarischen Weges ein Kompromiß stünde, mit dem zwei Drittel der Bundesrepublik investitionszulagenmäßig im Gleichschritt „nach oben marschieren". Meine Damen und Herren, unsere regionalpolitische Zielsetzung für das Zonenrandgebiet ist dann erheblich gefährdet, wenn mit dem Zonenrandgebiet gleichzeitig auch andere Fördergebiete - ich muß dies auch als Baden-Württemberger noch einmal betonen -, eventuell in Baden-Württemberg, um die gleiche prozentuale Präferenzendistanz wieder „nach oben marschieren" und voll in den Genuß dieser speziell auf das Zonenrandgebiet aus9860 gerichteten Initiative kommen. Man kann hier aus gesamtstaatlicher Verantwortung heraus nicht kirchturmspolitisch argumentieren. Wir müssen uns darüber im klaren sein, meine Damen und Herren, daß alle Fördergebiete der Bundesrepublik - auch im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe - in einer Art gewerblicher Investitionskonkurrenz stehen und daß wir hinsichtlich des Erfolgs unserer Maßnahmen regionalpolitisch langfristig auf den Null-Effekt zusteuern, wenn es nicht gelingt - entsprechend unserer strukturpolitischen Aufgabenstellung, die wir hier wahrzunehmen haben -, eindeutigere regionale Schwerpunkte und deutlichere räumliche Prioritäten zu setzen. ({3}) Ich unterstütze Sie hier voll, Herr von Wartenberg. Wer in der Strukturpolitik - das ist ein zentrales Anliegen, das man aus Anlaß dieses Antrags bewußtmachen sollte - alle oder zu viele Gebiete gleichzeitig und immer gleich stark bedienen will, wird letzten. Endes diejenigen Gebiete, die es am nötigsten haben, überhaupt nicht bedienen, wenigstens nicht wirkungsvoll. ({4}) Dieses strukturpolitische Problem der fehlenden wirklich eindeutigen Prioritätensetzung, das ich hiermit anreiße, tangiert nicht nur das Zonenrandgebiet. Dieses strukturpolitische Problem ist heute von der generellen Problematik der Strukturpolitik in der Bundesrepublik nicht mehr zu trennen, nämlich dem Grundproblem, daß die unterschiedliche Gradstärke der wirtschaftlichen Probleme in den Teilregionen der Bundesrepublik und die unterschiedliche Ausprägung der regionalen Arbeitsmarktgefahren in der Bundesrepublik ganz anders aussehen als heute die Förderkulisse in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". ({5}) Diese Diskrepanz zwischen der strukturpolitischen Aufgaben- und Problemstellung auf der einen Seite und der Förderkulisse in der Gemeinschaftsaufgabe auf der anderen Seite führt z. B. dazu, daß heute ärgerlicherweise in einzelnen Bundesländern Teilarbeitsmärkte anzutreffen sind, die auf Grund struktureller Anpassungsprobleme - ich nenne hier z. B. den Werftbereich und den Montansektor - letzten Endes größere Arbeitsmarktprobleme, größere Arbeitsmarktdefizite und schlechtere Arbeitsmarktperspektiven als andere Gebiete haben, die schon längst in dieser Gemeinschaftsaufgabe sind. Ich frage mich, warum wir nicht intensiver dafür eintreten können, daß hier ein schnellerer Austausch der in dieser Gemeinschaftsaufgabe geförderten Gebiete eintritt. ({6}) Wenig Trost spendet mir die Einsicht mancher Gutachter, die diese Gebiete mit abgegrenzt haben, daß inzwischen auch sie sagen: Die regionalpolitische Abgrenzung der Förderkulisse ist veraltet. Diese Einsicht und diese Feststellung reichen ja nicht aus, wenn wir bei dieser Gebietsabgrenzung kurzfristig keine große Änderungschance haben. Nach den Erfahrungen, die wir mit dem Planungsausschuß in der Gemeinschaftsaufgabe gemacht haben - darüber soll man nicht einen Zuckerguß ziehen -, kann niemand im Ernst erwarten, daß bei den langwierigen Anpassungsprozeduren in der Gemeinschaftsaufgabe kurzfristig eine problemgerechtere Veränderung der regionalen Förderkulisse und damit eine problemadäquate Prioritätensetzung räumlicher Art in dieser Gemeinschaftsaufgabe möglich sind. Da läuft wahrscheinlich nichts vor 1981, und das ist uns im Hinblick auf die drängenden Strukturprobleme in vielen Branchen zu lang. ({7}) Dies ist ein strukturpolitisches Handikap für die gefährdetsten und die schwächsten Regionen in der Bundesrepublik, daß wir hier bei der Umgruppierung der Fördergebiete nicht schneller vorankommen, und zwar für all jene Gebiete, die die größten Abwanderungssorgen und die größten Arbeitsmarktprobleme haben, denen es also schlechter als anderen Fördergebieten geht, somit ein Problem des Zonenrands genauso wie - und deswegen spreche ich auch die anderen Gebiete an - z. B. Nordrhein-Westfalens oder des Saarlands. Alle diese Gebiete leiden unter dem Fehlen einer gezielten Prioritätensetzung. Wir werden daher dort, wo die Gemeinschaftsaufgabe kurzfristig überhaupt nicht greift, z. B. in manchen Gebieten Nordrhein-Westfalens - das fällt mir immer ein, wenn ich hier Erich Meinecke sehe -, ({8}) also z. B. dort, wo der Montanbereich Probleme auslöst, aber auch im Saarland, kurzfristig neue Impulse außerhalb dieser zu schwerfälligen Einrichtung Gemeinschaftsaufgabe zu setzen haben. ({9}) Eines aber darf aus unserer heutigen speziellen Initiative für das Zonenrandgebiet nicht werden - da müssen wir in diesem Haus alle zusammenhalten und bei unseren Freunden im Bundesrat eine knochenharte Überzeugungsarbeit leisten -: Daraus darf nicht eine generelle, globale, undifferenzierte Förderspirale nach oben werden. Meine Damen und Herren, ich möchte damit zum Schluß kommen. Es ist strukturpolitisch völlig wirkungslos, wenn wir dasselbe regionale Präferenzgefälle immer wieder nach oben eskalieren. Auch wenn der Fördertopf für die regionale Strukturpolitik dabei immer größer wird, effizienter wird er auf jeden Fall nicht. Wir müssen uns hier wirklich allen Ernstes überlegen, ob wir dieses Spiel langfristig weitertreiben können. Wir helfen damit nicht den Menschen und der Wirtschaft des Zonenrands. Wir würden letzten Endes sogar gegen unsere eigenen Anträge agieren, die wir heute von beiden Seiten vorgelegt haben. Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, aber mit dem eindringlichen Appell, daß Sie alle mit festem Willen darangehen, so zu argumentieren, daß diese Initiative speziell für das Zonenrandgebiet am Ende des parlamentarischen Wegs genauso aussieht wie heute. ({10})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ludewig.

Walther Ludewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001383, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Koalitionsfraktionen und die Oppositionsfraktion haben Ihnen zwei inhaltsgleiche Gesetzentwürfe zur Entscheidung vorgelegt, durch die die Förderungsmöglichkeiten für gewerbliche Institutionen im Zonenrandgebiet verbessert werden sollen. Für die Errichtung oder die Erweiterung einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet soll, soweit die übrigen Bedingungen des Investitionszulagengesetzes erfüllt sind, die dafür zu gewährende regionale Investitionszulage in Höhe von jetzt 8,75 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf 10 % erhöht werden. Lohnen diese 1,25 % den Aufwand? Ganz sicher beantworten wir alle diese Frage zunächst einmal mit Ja, obwohl es nicht wenige Leute im Zonenrandgebiet gibt, die sich auch noch eine stärkere Erhöhung vorstellen könnten. Der Zulagensatz für die Förderung solcher Investitionen in den übrigen förderungsbedürftigen Gebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" soll bei 8,75 % bleiben. Für diese Vorschläge gibt es sowohl regionale und wirtschaftspolitische als auch deutschlandpolitische Grande. Das Zonenrandgebiet ist infolge der Teilung Deutschlands - das ist kein historischer, sondern ein erst 33 Jahre währender Zustand - nach wie vor in vielfältiger Hinsicht benachteiligt. Tiefgreifende Strukturveränderungen, Arbeitslosigkeit und der wirtschaftliche Sog der Verdichtungsräume wirken sich oft und ganz besonders nachteilig auf das Zonenrandgebiet aus. Darüber hinaus ist es aus deutschlandpolitischer Verantwortung geboten, der Strukturschwäche des Zonenrandgebiets, das räumlich am Rande des Bundesgebiets und am Rande der Europäischen Gemeinschaft liegt, entgegenzuwirken. Wer schon einmal in Schnackenburg an der Elbe gestanden und gesehen hat, daß nichts mehr elbaufwärts geht, wer Brome kennt, eine Gemeinde im Zonenrandgebiet, an drei Seiten ganz eng von der Grenze umschlossen und von jeglichem Hinterland abgeschlossen, wer sich erinnert, daß in Helmstedt am Autobahnkontrollpunkt Rasthäuser gebaut und inzwischen schon wieder abgerissen worden sind, wer die verträumte Stadt Homburg, das Rothenburg Niedersachsens, kennt, wer die vielen Bemühungen des Landkreises Wolfenbüttel kennt, aus dieser Stadt wieder Attraktionen herauszuholen, und sieht, daß diese Stadt nach wie vor verträumt, abgeschlossen und still vor sich hindämmert, der wird dies alles überhaupt nicht anzweifeln. Daher setzt sich die FDP-Fraktion dafür ein, daß dem Zonenrandgebiet Hilfen gewährt werden, die geeignet sind, seine Wirtschaft und Leistungskraft bevorzugt zu fördern, so wie es auch § 1 des Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebiets verlangt. Diesem Ziel trägt die in den beiden Gesetzentwürfen vorgesehene, auf das Zonenrandgebiet beschränkte Erhöhung der regionalen Investitionszulage Rechnung. Bei der Erörterung dieses Themas sollte man der Ehrlichkeit halber wohl auch darauf hinweisen, daß sich angesichts der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozesse und der tiefgreifenden Strukturveränderungen auch in anderen Regionen Deutschlands, in Gebieten außerhalb des Zonenrandgebietes erhebliche wirtschaftliche Anpassungs-, Entwicklungs- und Wachstumsschwierigkeiten ergeben haben. Als Beispiele werden Ostfriesland, das Saarland, die Westküste Schleswig-Holsteins und neuerdings auch das Ruhrgebiet genannt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

Walther Ludewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001383, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr, Herr Kühbacher.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ludewig, würden Sie mir darin zustimmen, daß bei den regionalen Schwächen des Zonenrandgebietes ein großer Industriebetrieb wie das VW-Werk mit seinen Milliardengewinnen ein Partner wäre, der aus eigener Kraft einiges für dieses Gebiet tun könnte, um der regionalen Schwäche entgegenzuwirken?

Walther Ludewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001383, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kühbacher, auf Grund der eigenen Anschauung, die wir beide in Braunschweig und Umgebung täglich gewinnen können, stimme ich Ihnen zu. Es wird - vielleicht sind wir uns auch darin einig - immer viel zu sehr von den Schwächen gesprochen. Wir in Braunschweig haben uns schon angewöhnt, von den Stärken, von den Vorzügen, von der Schönheit unserer Stadt und ihrer Umgebung zu sprechen und auch - ich stehe nicht an, das zu sagen - von der Stärke der Industriebetriebe z. B. in Wolfsburg oder in Salzgitter oder in Wolfenbüttel und selbstverständlich vom prosperierenden Harzrand zu sprechen. Wenn wir diese Betriebe nicht hätten, wäre das Zonenrandgebiet längst total verödet. ({0}) Ich mache aber darauf aufmerksam, daß das Volkswagenwerk natürlich nicht nach Ziehung der Zonengrenze, sondern zehn Jahre vorher an einer Stelle gegründet worden ist, an der sich nach vielerlei Gesichtspunkten die Verkehrs- und Wirtschaftsströme, die Energieversorgungslinien und andere Verbindungen im damaligen Deutschen Reich kreuzten. Es war eine absolut zentrale Lage, aus der jetzt eine absolute Randlage geworden ist. Ich habe von Schleswig-Holstein, von Ostfriesland, vom Saarland und vom neuerdings in diese Betrachtung einbezogenen Ruhrgebiet gesprochen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das nach wie vor relevante und sich gewiß nicht verringernde Problem z. B. des Stadtstaates Hamburg und seines Umlandes hinweisen, des Umlands dieser Stadt, die natürlich stark ist, well sie wirtschaftlich prosperiert und nicht nur mit Westeuropa, sondern auch mit Osteuropa verbunden ist - die tschechischen Elbeschiffer haben in ihren Pässen auch heute noch stehen: „Er kann fahren von Prag bis ins offene Meer" -, eines Umlands, das Zonenrandgebiet ist und von der Zonenrandförderung profitieren kann. Dagegen liegt Lübeck ganz hart an der Zonengrenze und profitiert weniger davon. Kiel ist seit langer Zeit ebenfalls sogenannter Zonengrenzort, ebenso wie Passau, obwohl es da nicht um die Zonengrenze geht, sondern um die Ostgrenze der westlichen Verteidigungsgemeinschaft und der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten meint also, wie es mein Kollege Wolfgramm auch schon bei der ersten und der zweiten Beratung dieses Gesetzentwurfes zum Ausdruck gebracht hat: Die Präferenzstruktur und die Fördergebietsfläche der regionalen Wirtschaftsförderung müßten grundsätzlich überprüft werden. Die Ausweisung von 60 O/. der Fläche des Bundesgebietes als Fördergebiet bedeutet doch eigentlich nichts anderes, als daß man in der Regionalförderung die Ausnahme zur Regel macht. Das ist sicher keine Basis, auf der künftig weiterhin eine Regionalpolitik, die effizient sein will, betrieben werden kann. Wir müssen zu einer wirklichen Schwerpunktförderung kommen, und deshalb kann ich zusammenfassend feststellen: Wir von der FDP-Bundestagsfraktion appellieren an die beiden anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages und an die Bundesregierung, gemeinsam darüber nachzudenken, ob und wie eine Konzentration auf eine kleinere Fördergebietsfläche den Zielen der regionalen Wirtschaftspolitik und damit dem Gedanken der Schwerpunktförderung mehr entspricht und gleichzeitig effizienter ist als die gegenwärtige Förderungspolitik in Bund und Ländern. Dies würde möglicherweise - wir hoffen es - auch der wirtschaftlichen Kräftigung des Zonenrandgebietes zugute kommen. Die FDP-Fraktion stimmt der Erhöhung der Investitionszulage auf 10 % für das Zonenrandgebiet zu. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beratung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Der Ausschuß empfiehlt ferner auf Drucksache 8/2390 unter Ziffer 2, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus auch damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 17 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hasinger, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Burger, Dr. Becker ({0}), Frau Dr. Neumeister, Frau Karwatzki, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Hebammengesetzes - Drucksache 8/2276 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({1}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Interfraktionell ist ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Hasinger zur Begründung.

Albrecht Hasinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000823, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU legt Ihnen den Entwurf eines neuen Hebammengesetzes vor, um die seit langem überfällige Reform des Hebammenrechts zu verwirklichen. Das noch geltende Hebammengesetz stammt aus dem Jahr 1938. ({0}) Seitdem hat sich dieser nach wie vor wichtige Beruf des Gesundheitswesens erheblich gewandelt. ({1}) Dies gilt etwa für den stark gestiegenen Anteil der Klinikentbindungen, aber es gibt auch erhebliche medizinische Fortschritte, etwa im Bereich der perinatalen Medizin oder auch bei der Geburtshilfe selbst. Sie müssen bei der Ausbildung und Fortbildung der Hebammen berücksichtigt werden. ({2}) Noch immer ist die Mütter- und Säuglingssterblichkeit in unserem Land zu hoch. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um sie zu senken. Das gleiche gilt für die Verringerung der Zahl vorgeburtlicher Schädigungen. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU, der eine vertiefte und verlängerte Ausbildung vorsieht, will hierzu einen Beitrag leisten. Die wichtigsten Punkte sind folgende. Erstens. Die Dauer der Ausbildung wird von bisher zwei auf drei Jahre verlängert. Wenn wir uns auch generell Tendenzen zu immer längeren Ausbildungszeiten entgegenstellen sollten, so ist hier die Verlängerung ausnahmsweise, und zwar aus gesundheitspolitischen Gründen, geboten. ({3}) Zweitens. Die Ausbildung soll weiterhin in staatlich anerkannten Hebammen-Lehranstalten stattfinHasinger den, die mit einem Krankenhaus verbunden sind. Gerade die Kombination von Unterricht und praktischer Ausbildung macht den traditionellen Vorzug der deutschen Hebammenausbildung aus. Wir wollen keine Verschulung, weil die Schülerinnen nur dadurch richtig lernen, daß sie von Anfang an in der geburtshilflichen Praxis mit dabei sind und auch richtig mitarbeiten. ({4}) Wir wollen aber auch nicht 'die Anwendung des Berufsbildungsgesetzes. Denn die Einheit des Lernortes Krankenhaus, die Einheit der Ausbildungsverantwortung und die Einheit der Trägerschaft von Lehranstalt und Krankenhaus sind unverzichtbar. Das vor allem auf die private Wirtschaft zugeschnittene Berufsbildungsgesetz mit seiner zweigleisigen Ausbildung in Berufsschule und Betrieb hätte eine schwerwiegende Verschlechterung der Hebammenausbildung zur Folge. Wir können nicht hinnehmen, daß sich Theorie und Praxis in der Ausbildung getrennt gegenüberstehen. Mutter und Neugeborenes sind nun einmal nicht mit einem Werkstück an der Drehbank zu vergleichen. ({5}) Drittens. Wir sprechen uns dafür aus, daß es auch künftig Ärzten und Hebammen vorbehaltene Tätigkeiten geben soll. Der Tätigkeitsvorbehalt ist gesundheitspolitisch nötig, weil die Geburtshilfe durch fachlich nicht ausgebildete Personen zu Schäden bei Mutter und Kind führen kann. Zu den vorbehaltenen Tätigkeiten sollen nach unserer Vorstellung Geburtshilfe, Schwangerschaftsbetreuung und -beratung und die sogenannte nachgehende Wochenbettüberwachung gehören. Dabei könnte bei der Schwangerschaftsbetreuung und -beratung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch eine genauere Präzisierung erfolgen, um klarzustellen, daß damit die Schwangerenberatung von kirchlichen und anderen Beratungsstellen nicht berührt sein soll. Besonders wichtig erscheint für die Zukunft die nachgehende Überwachung des Wochenbettverlaufs, weil sie durch kürzere Verweildauer im Krankenhaus einen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen leisten kann. Viertens. Der Entwurf enthält eine Verpflichtung zur regelmäßigen Fortbildung der Hebammen innerhalb eines Zeitraums von jeweils drei Jahren. Die nähere Regelung dieser Fortbildung muß Ländersache bleiben. Fünftens. Jeder Hebamme steht es in Zukunft frei, angestellt im Krankenhaus oder freiberuflich tätig zu sein. Bisher erteilte Niederlassungserlaubnisse sollen mit Vollendung des 65. Lebensjahres erlöschen. Der freiberuflich tätigen Hebamme wird der Zugang zur gesetzlichen Rentenversicherung eröffnet. Sechstens. Der Gesetzentwurf sieht als Eintrittsalter für die Ausbildung das 17. Lebensjahr vor. Angesichts einer notwendigen psychischen Reife, die einfach vorhanden sein muß, wenn mit der Praxis von Anfang der Ausbildung an begonnen werden soll, ist das die unterste Grenze. Vorbildung sollen grundsätzlich Realschulabschluß oder ein gleichwertiger Abschluß sein. Ich möchte aber hinzufügen, daß besonders begabten anderen Berufsbewerberinnen der Zugang eröffnet bleiben soll. Siebtens. Lange haben wir uns überlegt, ob die im Gesetz von 1938 enthaltene Zuziehungspflicht in ein neues Bundesgesetz aufgenommen werden kann. Nach der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes ist das nicht möglich. Unser Entwurf hebt jedoch diese Bestimmung des Hebammengesetzes von 1938 nicht auf, so daß sie als Landesrecht bestehen bleiben kann. Achtens. Eine übertrieben starke Beachtung in der Offentlichkeit - das möchte ich einmal sagen - hat die Frage gefunden, ob es künftig auch männliche Berufsangehörige geben soll. ({6}) Schließlich gibt es bei der Neuregelung des Hebammenrechts wirklich wichtigere Fragen als diese. Der Entwurf der CDU/CSU eröffnet männlichen Bewerbern den Zugang zum Hebammenberuf, ({7}) und das ist nach dem Grundgesetz auch gar nicht anders möglich. Eine eigene Berufsbezeichnung damit komme ich gleich zur Beantwortung dieser Frage, Herr Kollege Burger - hält der Entwurf jedoch für entbehrlich. Schließlich muten wir Frauen auch zu, etwa als Bundesminister und nicht als Bundesministerin angeredet zu werden. Bei diesen acht Punkten wird es zwischen der CDU/CSU und den Koalitionsfraktionen voraussichtlich vor allem hinsichtlich der Anwendung des Berufsbildungsgesetzes gravierende Meinungsverschiedenheiten geben. Wir haben, um die Reibungsflächen möglichst gering zu halten, bei einigen gesetzestechnischen Detailfragen, etwa der Öffnung der Rentenversicherung und den Übergangsvorschriften, sogar bewußt den Wortlaut des Regierungsentwurfs zum Pflegerecht übernommen und hoffen, daß dadurch das Gespräch zwischen den Parteien erleichtert wird. Aber es kommt ein entscheidender Punkt hinzu: Die Bundesregierung hat den Entwurf 'eines kombinierten Krankenpflege- und Hebammengesetzes verabschiedet, über den der Deutsche Bundestag demnächst zu beraten hat. Wir sind der Auffassung, daß ein gemeinsames Krankenpflege- und Hebammengesetz eine schwerwiegende, irreparable Fehlentwicklung für die Zukunft des Hebammenberufs bedeuten würde. ({8}) Eine gemeinsame Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern einerseits und Hebammen andererseits wird den spezifischen Anforderungen der einzelnen Berufe nicht gerecht. Das gilt auch, wenn die gemeinsame Ausbildung auf das einjährige Grundausbildungsjahr beschränkt bleibt, wie es der Regierungsentwurf vorsieht. Hier ist ein ideologisch motiviertes Streben nach Gleichmacherei und Einebnung der verschiedenen Berufe des Gesund9864 heitswesens am Werk, wie wir es auch auf anderen Gebieten sozialdemokratischer Gesundheitspolitik kennen. ({9}) Sachlich ist dieses Streben nicht begründet. ({10}). - Ich freue mich über den zustimmenden Beifall, Herr Kollege Hauck. Auch im ersten Ausbildungsjahr müssen die künftigen Hebammen in Theorie und Praxis in den spezifischen Anforderungen ihres Berufs ausgebildet werden. Eine genaue Prüfung zeigt, daß es nur ganz wenige gemeinsame Ausbildungsinhalte gibt, und diese wenigen möglichen gemeinsamen Unterrichtsstunden rechtfertigen in keiner Weise ein gemeinsames Grundbildungsjahr. Ein Grundbildungsjahr würde im Gegenteil dazu führen, daß die spezifische Hebammenausbildung erst im zweiten Ausbildungsjahr beginnen könnte und damit die notwendige Verlängerung der Ausbildung auf drei Jahre praktisch ein Schlag ins Wasser wäre. Eine einheitliche Grundausbildung hätte ferner zur Folge, daß für das erste Ausbildungsjahr neue, zentrale Ausbildungsstätten geschaffen werden müßten. Die Ausbildung könnte dann in diesem Anfangsjahr nicht mehr in Hebammenlehranstalten einerseits und Krankenpflegeschulen andererseits stattfinden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt in der Tendenz von Meinungen, die künftig die Geburtshilfe ausschließlich Ärzten unter Assistenz besonders fortgebildeter Krankenschwestern vorbehalten wollen. Diese Auffassungen würden letztlich zum Aussterben des Hebammenberufs zugunsten einer Fachkrankenschwester für Geburtshilfe führen. Sie sind abzulehnen. Die Koalitionsfraktionen sollten es ernst nehmen, wenn ein Kreis von Hebammen und Hebammenschülerinnen, der sich in Berlin spontan gebildet hat, feststellt, daß „der Beruf der Hebamme durch den Regierungsentwurf elementar bedroht ist". Aber selbst wenn auf die gemeinsame Ausbildung verzichtet würde, wäre auch eine nur formale Zusammenfassung der Krankenpflegeberufe und Hebammen in einem Gesetz abzulehnen; denn die zu regelnde Materie weist bedeutsame Unterschiede auf. Die Hebammen haben es verdient, daß ihr Ausbildungs- und Berufsrecht weiterhin in einem eigenen Gesetz geregelt wird und sie nicht als fünftes Rad am Wagen der Krankenpflegeberufe nebenherlaufen. ({11}) Die Bundesregierung will die unbestrittene Notwendigkeit eines neuen Hebammengesetzes als Motor für ihre fast überall abgelehnten Vorstellungen einer Änderung der Krankenpflegeausbildung benutzen. Auch um dieser Absicht entgegenzutreten, hat die CDU/CSU durch einen eigenen Gesetzentwurf die Eigenständigkeit dieser beiden wichtigen Berufe des Gesundheitswesens deutlich gemacht.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, wollen Sie bitte zum Ende kommen.

Albrecht Hasinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000823, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir wollen, daß noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages ein neues Hebammengesetz verabschiedet wird. Der Entwurf der CDU/CSU bietet dazu die Grundlage. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln hier heute morgen ein Paradoxon, nämlich eine Frühgeburt, die dennoch drei Monate zu spät kommt. ({0}) - Wollen Sie die Freundlichkeit haben, mich anzuhören; ich will Ihnen das ja gern erklären. Es ist ein Schnellschuß aus der Hüfte. ({1}) Der Herr Kollege Hasinger hat ja eben den Beweggrund für die Einbringung dieses Gesetzes und damit für die Abtrennung dieses Teiles aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Krankenpflege- und des Hebammenberufs, der am 8. September 1978 an den Bundesrat gegangen ist, bestätigt. In der Tat ist das Hebammenrecht erneuerungsbedürftig, insbesondere schon von der Dauer der Ausbildung her. Sozialdemokraten haben in diesem Hause immer für eine dreijährige Ausbildung in den Gesundheitsberufen votiert. Eigentlich waren wir uns mit den übrigen Fraktionen in dieser Frage ziemlich einig. Nur hat uns in der Vergangenheit bei einer Reihe von Berufen der Bundesrat einen Strich durch unsere Rechnung gemacht und aus Gesetzen, die auf eine dreijährige Ausbildung angelegt waren, ein Jahr herausgestrichen, so daß dann nur noch zwei Jahre übrigblieben. Wir werden auf diesem Felde noch etwas aufzuarbeiten haben. Wir werden miteinander, so meine ich, die Beratungen über diese Berufe noch einmal aufnehmen müssen, weil sich, so hoffe ich, beim Bundesrat zwischenzeitlich andere Einsichten verbreitet haben. ({2}) Ihr Entwurf, meine Damen und Herren von der Opposition, versteht sich als eine Alternative, und zwar insbesondere deshalb - Sie haben das eben in aller Deutlichkeit gesagt, Herr Hasinger -, weil nach der Fassung des Regierungsentwurfs in diesem Beruf eine einheitliche Grundausbildung stattfinden soll. Die Bundesregierung konnte sich doch eigentlich auf einen Grundkonsensus verlassen, den es unJaunich ter den Gesundheitspolitikern aller Fraktionen zu dieser Frage in der Vergangenheit gegeben hat. Den haben Sie nun ganz plötzlich aufgekündigt. Ich weiß mich noch an Debatten in diesem Hause zu erinnern, in denen Sie beklagt haben, daß bei einzelnen Berufsgesetzen nicht endlich der Einstieg in eine gemeinsame Grundausbildung gefunden worden sei. Nur, so wie Sie hier die Dinge darlegen, Herr Kollege Hasinger, so sind sie nach dem Regierungsentwurf gar nicht. Der Regierungsentwurf geht von einer einheitlichen Grundausbildung und nicht von einer gemeinsamen Grundausbildung aus. Damit will ich gleich etwas an die Adresse jener Hebammenlehranstalten sagen die da meinen, daß dieser Entwurf ihre Schule in Frage stellen könnte. Dies ist nicht beabsichtigt, dies ist nicht der Fall. Ihre Argumentation, die sehr umfänglich auf diesen Punkt gerichtet war, ist von daher falsch, sie geht in die Irre. ({3}) Einheitlich heißt, daß die ersten Monate der Ausbildung in all diesen Berufen gleich angelegt werden soll, soweit das möglich ist. ({4}) Das heißt aber nicht, daß das an gemeinsamen Institutionen, gemeinsamen Schulen gemacht werden muß. Von daher sind also Ihre Befürchtungen, die Sie hier zu einer sogenannten Alternative gebracht haben, von den Tatsachen her nicht begründet. ({5}) - Sie müssen nur den Gesetzestext richtig lesen, Herr Kollege Hasinger. Im zweiten Punkt Ihrer sogenannten Alternative geht es für viele um ein rotes Tuch, nämlich im Rahmen der Gesamtdebatte über die Neuregelung der Krankenpflege um die Verbindung zum Berufsbildungsgesetz. Ich will Ihnen hierzu sagen, daß ich nicht sonderlich glücklich über die Tatsache bin, wie die Bundesregierung dies in den Entwurf hineingeschrieben hat, nämlich in der Form, daß darin steht: „Die Paragraphen XYZ des Berufsbildungsgesetzes sind anzuwenden." Meine Freunde und ich, die wir darüber haben reden können, sind der Auffassung: Wir werden bei der Beratung des Krankenpflegegesetzes diejenigen Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes, die im Interesse einer geordneten und vernünftigen Ausbildung nötig sind, diejenigen Bestimmungen, die im Interesse der Auszubildenden unerläßlich sind, expressis verbis in das neue Krankenpflegegesetz hineinschreiben, nicht eine Verweisung. ({6}) Ich weiß, welche emotionalen Gründe da eine Rolle spielen: Machtergreifung der Gewerkschaften in den Krankenhäusern und ähnliches. Dies ist eine Unterstellung, die ich zurückweisen möchte. Dies wird von den Gewerkschaften nicht angestrebt, nicht gefordert. Daß sie aber die entsprechende Interessenvertretung für die im Krankenhaus Beschäftigten wahrzunehmen haben, wird doch wohl niemand bestreiten wollen. Herr Kollege Hasinger, ich möchte auch zurückweisen, was Sie mit einem Schlenker gesagt haben, als wenn es uns, die wir der Regierungskoalition angehören, als wenn es der Bundesregierung darum ginge, Dreher und Hebammen und Krankenpfleger in einen Topf zu mischen. Woher nehmen Sie eigentlich die Kühnheit, so mit uns umgehen zu wollen? ({7}) Dies gibt weder dieser Entwurf noch geben das unsere sonstigen Beschlüsse und Artikulierungen an dieser oder an anderer Stelle her. Ich will Ihnen zu Ihrem Entwurf noch ein paar Fragen stellen. Erster Punkt: Wenn Sie diese gemeinsame Grundausbildung ablehnen, wie vereinbaren Sie damit eigentlich die von Ihnen vorgesehene Bestimmung in § 5 Abs. 4., wonach zwölf Monate einer Krankenpflegeausbildung auf die Ausbildung als Hebamme angerechnet werden können? Das haben Sie aus dem Regierungsentwurf abgeschrieben. Dort ist es auch logisch. Wenn die beiden Berufe aber nichts miteinander gemein haben, wie Sie ja behaupten - das ist ja der Grund für Ihre Alternative -, dann weiß ich nicht, wie man zwölf Monate dieser Ausbildung anrechnen kann. Zweiter Punkt: Sie erweitern den Katalog der vorbehaltenen Tätigkeiten. Sie haben hier eben angekündigt, daß Sie das noch verdeutlichen wollen. Nun gut, wir werden das sehen, wenn wir darüber miteinander beraten. Da muß von Ihnen noch etwas zur Klärung beigetragen werden. Dritter Punkt: Sie haben dann eine Passage eingeführt, daß die Erlaubnis widerrufen werden kann, wenn eine Hebamme oder ein „Hebammel" oder „Hebammer" oder was weiß ich, wie der bei Ihnen heißen soll ({8}) - er soll ja Hebamme heißen, wie ich eben gehört habe -, nicht alle drei Jahre an einer Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hat. Das ist ja eine feine Geschichte. Das wünschte ich mir für eine Reihe anderer Gesundheitsberufe auch. Aber da wollen wir doch einmal ganz genau gucken - wir wollen ja die Verfassung peinlich genau beachten -, ob Art. 74 Nr. 19 dies hergibt. Ich sage Ihnen, er gibt es nicht her. ({9}) - Nein, ich bin nicht dagegen, um Gottes willen. Das wäre ja wunderbar. Aber die Verfassung spricht dagegen, daß wir das bundesgesetzlich regeln. Wir haben nur die Möglichkeit, die Regelung zum Zugang zu diesem Beruf bundesgesetzlich festzulegen. Das sollte man doch beachten, wenn man einen Gesetzentwurf einbringt. ({10}) Mit den Ländern immer wieder darüber zu reden, daß insbesondere bei den Gesundheitsberufen Fort- und Weiterbildung wichtig ist, das ist ein anderer Komplex. Aber was für uns nicht regelungsfähig ist, können wir auch nicht in Gesetze hineinschreiben. Ich sagte einleitend, daß das hier eine Frühgeburt sei. Sie wissen ja, daß Sie eigentlich nur das Ziel verfolgen, diesen Teil aus dem Regierungsentwurf für ein Krankenpflegegesetz abzutrennen. ({11}) - Ich sage Ihnen: Wir werden beides gemeinsam im Ausschuß miteinander beraten, denn dieser Entwurf wird ja, wenn wir im neuen Jahr wieder zusammentreten, unverzüglich eingebracht. Ich will mich der Versuchung enthalten, bereits jetzt hier im Parlament zu dem Entwurf der Bundesregierung Stellung zu nehmen, der ja draußen bereits diskutiert wird, aber unter der Verkürzung der Diskussion leidet. Im Rahmen einer Kurzdebatte mit Beiträgen von zehn Minuten wäre es überhaupt nicht möglich, in ausreichender und vernünftiger Form zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen. Kurzum, wir werden Ihre Vorstellungen zum Hebammengesetz mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zusammen beraten.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Minute Redezeit. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hasinger?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön.

Albrecht Hasinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000823, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jaunich, ich habe Ihre Meinungsbildung zur Abtrennung der Hebammenausbildung nicht richtig verstehen können. Sind Sie dafür oder dagegen?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin dagegen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das amtliche Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe, Ausgabe 1977, führt von A - Achatschleifer - bis Z - Zytologieassistent - nicht weniger als 455 verschiedene Ausbildungsberufe auf, Spezialisierungen durch Weiterbildung nicht einmal mit eingerechnet. Da finden Sie eine kurios anmutende Vielfalt der Spezialberufe, etwa den Fischwerker und den Pelzwerker oder den Fischwirt und den Pferdewirt, den Revolverdreher und den Walzendreher oder gar den Wachszieher und jemanden, der mit dem Parlament gar nichts zu tun hat, der aber der Drahtzieher heißt. ({0}) Bei den bundes- und landesgesetzlich geregelten Gesundheitsberufen sind es immerhin noch über 30 verschiedene Berufsbilder, nicht weniger spezielle und fast exotisch anmutende Berufe, wie den des Orthoptisten oder Logopäden - mit dem sich das Parlament demnächst auch beschäftigen wird - oder den Weiterbildungsberuf des Exfoliativzytologen als hanseatisch-hamburgische Spezialität.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Jaunich?

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Spitzmüller, darf ich Sie fragen, ob darin auch der Büchsenspanner steht? ({0})

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der steht nicht darin. Aber der Büchsenmacher steht darin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dieser verwirrenden Vielfalt einer immer feineren .Spezialisierung auch im Gesundheitswesen haben wir Freien Demokraten in unserem gesundheitspolitischen Programm von 1976 eine gewisse Vereinheitlichung und größere Durchlässigkeit der Ausbildungsgänge gefordert. ({0}) Dabei soll eine praxisorientierte Stufenausbildung von einem einheitlichen Grundbildungsjahr ausgehen, um auf diese Weise auch mehr berufliche Mobilität zu ermöglichen. ({1}) Aus diesem Grunde haben wir im September den Regierungsentwurf eines Krankenpflege- und Hebammengesetzes insofern begrüßt, als er in einem ersten Schritt die verwandten Berufe der Krankenschwester, der Kinderkrankenschwester und der Hebamme in einem Rahmengesetz mit einheitlicher Grundbildung zusammenfaßt. Mit dem Kollegen Jaunich sind wir der Meinung, daß die Verweisungen in vielfältigen Paragraphen auf das Berufsbildungsgesetz unglücklich sind und daß wir daran sicherlich etwas ändern werden. Ich glaube, insofern hat der heutige Morgen auch bereits deutlich gemacht, daß hier Verständigungsmöglichkeiten zwischen Opposition und Koalition denkbar und im Bereich des Möglichen sind. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ausgerechnet diesen fortschrittlichen Ansatz einer einheitlichen Grundausbildung, der im Regierungsentwurf angesprochen ist, will die Opposition mit ihrem separaten Hebammengesetz wieder verlassen. ({2}) Der Bundesrat hat dasselbe bereits im ersten Durchgang des Krankenpflegegesetzes gefordert. Die vom Bundesrat und der Opposition angeführten Gründe für eine getrennte gesetzliche Regelung überzeugen uns wenig. Da wird als Grund angeführt, daß das Hebammenrecht noch nicht dem EG-Recht unterliege, daß es vorbehaltene Tätigkeiten nur bei den Hebammen gebe, daß die Hebamme, die übrigens in 95 % der Fälle eine angestellte Hebamme ist, viel selbständiger als die Krankenschwester arbeite. Selbst wenn dies alles zuträfe, würden solche Besonderheiten der Berufsausübung nicht gegen eine zum Teil einheitliche Berufsausbildung sprechen können. Daß es selbst. im ersten von drei Ausbildungsjahren nur ganz wenige gemeinsame Ausbildungsinhalte gebe, ist eine Behauptung, die sich nicht halten läßt; aber wir werden im Ausschuß darüber diskutieren und dies aufmerksam zu prüfen haben. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten des Entwurfs eingehen, dies soll . und muß den Ausschußberatungen vorbehalten bleiben. Ich möchte nur noch einige wenige Worte zur Chance der Hebammen anfügen, auch freiberuflich zu arbeiten. Wir halten es für richtig, daß sowohl der Regierungsals auch der Oppositionsentwurf von der zusätzlichen Niederlassungserlaubnis, die seit 1938 geltendes Recht ist, absehen. Das heißt, künftig soll sich jede geprüfte Hebamme nicht nur als Angestellte, sondern ohne weiteres auch freiberuflich betätigen dürfen. Wir als Parlament sollten dafür sorgen, daß Hebammen nicht nur ausnahmsweise und mit großen Schwierigkeiten, sondern so selbstverständlich, wie dies bei vielen Krankenhausärzten üblich ist, eine stationäre Tätigkeit für die Klinik mit ambulanter Tätigkeit in eigener Verantwortung verbinden können. Für eine gewisse Rückkehr zur Hausentbindung können wir uns u. a. auf das Beispiel der Niederlande stützen. Dort ist trotz - vielleicht sogar wegen - eines hohen Prozentsatzes an Hausentbindungen die Säuglingssterblichkeit geringer als bei uns. Wir sollten im Ausschuß die verfügbaren Ergebnisse der Niederländer auswerten, da wir erleben, daß die Bereitschaft zur Hausentbindung bei schwangeren Frauen wieder zunimmt. Eine Förderung der leider fast ausgestorbenen Freiberuflichkeit bei den Hebammen ist freilich nur möglich, wenn als flankierende Maßnahme zum Berufszulassungsgesetz die seit vielen Jahren immer mehr verkümmernde Gebührenordnung für Hebammen nachhaltig leistungsgerecht ausgestaltet wird. Nur dann wird wieder der Entschluß zur Selbständigkeit gewagt werden können. Ob wir darüber hinaus an der Garantie eines Mindesteinkommens festhalten sollten, werden wir sorgfältig zu prüfen haben. Prinzipiell halten wir sehr viel von leistungsgerechten Entgelten. Gestatten Sie mir zum Schluß noch einige kritische und leicht ironische Bemerkungen zur Modernität und Fortschrittlichkeit des CDU/CSU-Entwurfs, auf die Herr Kollege Hasinger ausdrücklich hingewiesen hat. Die Nostalgie-Welle ist modern, und so haben Sie halt auch für die männlichen Adepten dieses Berufs, die nach Ihrem Entwurf sogar zugelassen sein sollten, an der Bezeichnung Hebamme aus der guten alten Zeit festgehalten. Hut ab, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vor so viel Mut, daß Sie bei allem Konservatismus immerhin Mannsbildern den Zugang zu diesem Beruf eröffnen wollen! ({3}) Herr Kollege Hasinger hat hier ausdrücklich dazu ausgeführt, daß es nach dem Grundgesetz gar nicht anders möglich sei, als daß auch Männern dieser Beruf offenstehe. Alles was recht ist, aber bei der CDU/CSU geht es nach dem Motto: Wenn ein junger Mann schon motiviert ist, Hebamme werden zu wollen, dann soll er sich gefälligst auch mit der Berufsbezeichnung Hebamme abfinden. Also weg mit dem sozialliberalen Teufelswort des „Entbindungspflegers"! Ich hoffe, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß wir uns über dieses Wort im Ausschuß noch verständigen können und nicht Männer als „Hebammen" herumlaufen lassen, sondern als „Entbindungspfleger". ({4}) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, manchmal liefern Sie bösen Kritikern, die behaupten, konservativ und reaktionär seien dasselbe, selbst die Munition, hier vielleicht nur aus Versehen und im Übereifer. Trotzdem hoffe ich, nicht nur wegen der weihnachtlichen Stimmung, meine Damen und Herren, daß wir wie meistens so auch diesmal im Ausschuß gemeinsam zu vernünftigen und sachgerechten Regelungen kommen werden, zumal dieser Gesetzentwurf gemeinsam mit dem Regierungsentwurf zu beraten sein wird. Ich hoffe, daß wir diese Probleme dann in einem gemeinsamen Gesetz lösen können nach sicherlich nicht leichten, aber gründlichen Beratungen im Ausschuß. ({5})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 8/2276 an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend -, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. Außerdem ist interfraktionell vereinbart worden, den Gesetzentwurf auch an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - mitberatend - zu überweisen. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Meine Damen und Herren, bevor ich die Sitzung schließe, möchte ich Ihnen allen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr wünschen. Ich berufe den Deutschen Bundestag zu seiner nächsten Sitzung auf Mittwoch, den 17. Januar 1979, um 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.