Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich darf dem Hause einige amtliche Mitteilungen bekanntgeben. Der Abgeordnete Strauß hat mit Wirkung vom 29. November 1978 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
Für den Abgeordneten Strauß hat die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Dr. Zimmermann als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Dr. Zimmermann zum Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission gewählt.
Der Dritte Bericht der Bundesregierung nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 BAföG - Drucksache 8/2269 - soll gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend - sowie dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist.
Amtliche Mittellungen ohne Verlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 29. November 1978 die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP betr. Erfahrungen mit dem am 12. Mai 1976 in Kraft getretenen Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2333 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 30. November 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sick, Dreyer, Dr. Schulte ({1}), Dr. Narjes, Dr. von Geldern, Metz, Rühe und Genossen betr. Seeverkehr mit Argentinien ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/2338 verteilt.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 15. bis 28. November 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/2337 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Die in Drucksache 8/2272 unter Nr. 4 und 13 aufgeführten EG-Vorlagen
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anwendung der Verordnung ({3}) Nr. 1302/78 über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Vorhaben zur Nutzung alternativer Energiequellen auf dem Gebiet der Sonnenenergie
Vorschlag einer Verordnung ({4}) des Rates zur Eröffnung, und Verwaltung eines. präferentiellen Gemeinschaftsplafonds für bestimmte in der Türkei raffinierte Erdölerzeugnisse und zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren dieser Erzeugnisse ({5})
werden als Drucksachen 8/2331 und 8/2332 verteilt.
Ich rufe nunmehr die Punkte 5 und 6 unserer Tagesordnung auf:
5. Beratung des Rahmenplans für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen - Auslandsschulen, Sprachförderung und internationale Zusammenarbeit
- Drucksache 8/2103 Überweisungsvorsdilag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({6}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß
6. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU - Neue Schulstruktur an den deutschen Schulen im Ausland, insbesondere in Spanien
- Drucksache 8/2082 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({7}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Hierzu ist eine verbundene Debatte beantragt. Wünscht die Bundesregierung das Wort? - Das Wort hat Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es sehr, im Deutschen Bundestag schon heute die wesentlichen Grundzüge des Rahmenplans für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen erörtern zu können. Mit diesem Plan, einem Teil der auswärtigen Kulturpolitik - es ist übrigens der älteste, denn vor genau hundert Jahren wurde der Reichsschulfonds mit insgesamt 75 000 Goldmark gegründet;
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es ist aber auch der teuerste, denn er verschlingt rund 40 °/o aller Kulturausgaben des Auswärtigen Amtes, und es ist eines der wichtigsten Instrumente der auswärtigen Kulturpolitik -, wurde dieser ganze Bereich aus der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik" des Deutschen Bundestages herausgenommen und sozusagen unter einem Vergrößerungsglas dargestellt.
Damit wird zum erstenmal in der nun hundertjährigen wechselvollen, aber auch traditionsreichen
Geschichte unseres Auslandsschulwesens ein offizielles, umfassendes und auch verbindliches Konzept für seine Weiterentwicklung vorgelegt, ein Konzept, das wohlüberlegt zu einem Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen erweitert wurde. Das heißt, die Bundesregierung wird neben der Förderung der Auslandsschulen zwei weitere uns wichtig erscheinende Bereiche der internationalen Zusammenarbeit in ihre Auslandsschulpolitik einbeziehen. Das ist zum einen die Förderung der deutschen Sprache im Schulwesen des Auslands und zum anderen die internationale Zusammenarbeit im Schulwesen, zu der neben dem immer wichtiger werdenden Erfahrungsaustausch in internationalen Organisationen auch Lehrer- und Schüleraustausch, Zusammenarbeit im Bereich der Schulbücher und anderes gehören.
Im folgenden möchte ich zunächst diese drei Hauptbereiche kurz erläutern und dann etwas zu den Bedingungen sagen, die erfüllt sein müssen, um eine erfolgreiche Durchführung des Rahmenplans zu gewährleisten. Im übrigen empfehle ich im Hinblick darauf, daß wir eine möglichst ausführliche Debatte führen können, die Lektüre der Bundestagsdrucksache 8/2103 vom 15. September 1978.
Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Enquete-Bericht des Deutschen Bundestages, die ja bereits vor 14 Monaten dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurde, und der im September dieses Jahres gefolgte Rahmenplan enthalten ja sozusagen das Fazit aus einer fast zehnjährigen Diskussion über die Grundsätze und Ziele der auswärtigen Kulturpolitik. Es wurde hierbei von allen Fraktionen eine für die Sache zuträgliche grundsätzliche Übereinstimmung erzielt. Beide Dokumente - ich schließe hier den Enquete-Bericht ausdrücklich ein - können also als eine Art Magna Charta unserer auswärtigen Kulturpolitik bezeichnet werden. Sie sind aber auch das Fundament für die weitere Entwicklung jener dritten Dimension' unserer Außenpolitik, die nach übereinstimmender Meinung neben den politischen und den wirtschaftlichen Beziehungen zu einem von Tagesbedürfnissen abgekoppelten Bereich der interkulturellen Begegnung, des Austauschs und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit oder, wie Theodor Heuss es einmal nannte, des freudigen Lebens und Nehmens gestaltet und entwickelt werden soll.
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Diese in der Stellungnahme der ' Bundesregierung allgemein formulierten Grundsätze und Prinzipien sollen nun künftig auch im besonderen für den Bereich der Zusammenarbeit im Schulwesen gelten. Ich verrate den Eingeweihten wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die konsequente Anwendung gerade dieser Grundsätze und der Abkehr vom einseitigen Prinzip des Kulturexports gerade im Schulbereich leichter gesagt als getan ist. Gerade hier, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wird es des Umdenkens und konsequenter Maßnahmen bedürfen, die ich später noch kurz beschreiben werde.
Zunächst ein kleiner Wegweiser durch den Rahmenplan: Sein erster Teil enthält eine Bestandsaufnahme. Im zweiten Teil werden künftige Zielsetzungen und Maßnahmen dargelegt. Der dritte Teil beschreibt Planungs-, Haushalts-, Personal- und Organisationsfragen. Ein ausführlicher Anlagenteil vermittelt recht aufschlußreiche statistische Angaben und Übersichten, die lohnenderweise in die Diskussion einbezogen werden sollten.
In der Bestandsaufnahme wird ein Überblick über die bisherige Entwicklung der derzeitigen Situation in den vorher genannten drei Bereichen gegeben. In finanzieller Hinsicht sieht diese Bestandsaufnahme folgendermaßen aus. Die Ausgaben im Schulfonds des Auswärtigen Amts sind von rund 5 Millionen DM im Jahre 1955 über rund 61 Millionen DM 1965 auf rund 158 Millionen DM 1975 und auf etwa 203 Millionen DM 1978 gestiegen. Dabei sind die Baumaßnahmen noch gar nicht berücksichtigt.
Heute ist es so, daß etwa 40 % der dem Auswärtigen Amt zur Verfügung stehenden Mittel für die auswärtige Kulturpolitik im Bereich der Schulen ausgegeben werden. Anfangs waren es nur rund 20 %. Trotz dieser enorm gestiegenen finanziellen Leistungen - in 20 Jahren, meine Damen und Herren, sind es rund das Zehnfache oder 1 000 % -hat sich die Zahl der entsandten Lehrer zunächst nur langsam gesteigert. In den letzten Jahren ist sie sogar leicht rückläufig geworden.
Allein diese Zahlen fordern gebieterisch, daß wir uns gemeinsam Gedanken darüber machen, für welche Maßnahmen künftig welche Mittel verwendet werden sollten, welche Schwerpunkte gesetzt werden und welche Ziele wir erreichen wollen. Da Art und Umfang der Förderungsmaßnahmen im Auslandsschulwesen bisher sehr unterschiedlich waren, war auch ihre Erfassung und Katalogisierung schwierig. Aus der Tabelle auf Seite 4 der Vorlage ist abzulesen, daß insgesamt 115 Schulen in unterschiedlicher, aber sehr intensiver Weise gefördert werden. Das sind die Begegnungsschulen, die Europäischen Schulen, die deutschsprachigen Auslandsschulen, die man bisher „Expertenschulen" genannt hat, die Schulen mit verstärktem Deutschunterricht sowie die acht größeren Sprachgruppenschulen. Meine Damen und Herren, 47 dieser größten Schulen verschlingen fast die Hälfte aller Mittel.
Maßnahmen geringeren Umfangs kommen den 108 kleinen Siedlerschulen in Lateinamerika und den 284 Sprachkursen vor allem in Nord- und Südamerika zugute. Schließlich werden weitere rund 960 Schulen mit kleineren Beträgen gefördert oder im Rahmen der Programme zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache an öffentlichen Schulen anderer Länder durch Fachberater betreut.
Wie stellen wir uns nun die zwar behutsame, aber doch zielorientierte Weiterentwicklung dieser eher zufällig als planvoll entstandenen höchst unterschiedlichen Ansammlung unterschiedlicher Schularten und Fördermaßnahmen vor? In der Grobeinteilung wird es künftig zwei Arten von geförderten Auslandsschulen geben: einmal die Begegnungsschulen, die bisher teilweise auch „bikulturelle Schulen" genannt wurden, und zum anderen die deutschspraStaatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher
chigen Auslandsschulen, die wir bisher „Expertenschulen" genannt haben. Zu den Begegnungsschulen wollen wir auch die Europäischen Schulen zählen, denen künftig eine zunehmende Bedeutung beigemessen wird. Zu den deutschsprachigen Auslandsschulen sollen künftig auch die bisher so genannten firmeneigenen Schulen zählen, die in geeigneter Weise gefördert werden sollen. Ihre Zahl und Größe versuchen wir derzeit zu ermitteln.
Nun zu den Schularten im einzelnen. Erstens. Die Begegnungsschulen dienen der Begegnung junger Menschen unterschiedlicher Sprache und Kultur. Hier liegt ihre besondere Aufgabe, und darin besteht auch eine große Chance für alle diejenigen, die solche Schulen besuchen können. Mit zwei Sprachen und zwei Kulturen vertraut zu werden, eröffnet jungen Menschen für ihr ganzes Leben große Möglichkeiten.
Eine solche Ausbildung stellt aber natürlich auch erhöhte Ansprüche. Begegnungsschulen vereinen also deutsche Schüler und Schüler des Gastlandes und führen in der Regel in einem zweisprachigen Unterricht sowohl zu einem Abschluß mit nationaler Hochschulberechtigung als auch - wo immer möglich - zur Hochschulreife in der Bundesrepublik Deutschland.
Nun ist in einer Reihe von Orten, z. B. auch in Madrid und Barcelona, in den letzten Jahren ein Modell der Begegnungsschule eingeführt worden, das sich im wesentlichen auf die Oberstufe beschränkt. Hierüber ist eine, wie ich persönlich meine, notwendige Diskussion entbrannt, die in dem heute auch zu beratenden Antrag der CDU/CSU ihren Niederschlag findet. Ich möchte zu diesem Antrag nur ein paar allgemeine Feststellungen machen und Einzelheiten, falls das gewünscht wird, später nachtragen.
Die Bundesregierung ist dabei, dieses seit Anfang der 70er Jahre favorisierte Modell der Konzentration der Begegnungsschule auf die Oberstufe zu überprüfen. Dabei sollen insbesondere folgende Fragen geklärt werden: der Zeitpunkt und das Verfahren der Aufnahme fremdsprachiger ,Kinder, die Bedeutung von Kindergarten und Grundschule für die Förderung von Zweisprachigkeit und Begegnung, der Rhythmus und der Umfang der Integration des Unterrichts für die deutschen und für die fremdsprachigen Kinder und schließlich die Bildungsinhalte, z. B. auch verstärkte musische, berufliche und andere Angebote.
Heute schon möchte ich für die Bundesregierung feststellen, daß grundsätzlich erstens gerade Begegnungsschulen für Kinder aus zweisprachigen Elternhäusern geöffnet werden müssen,
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und zwar vom Kindergarten an durchgängig, daß sich zweitens Zweisprachigkeit in der Regel in der frühen Kindheit eher fördern läßt als nach der Pubertät und daß es drittens bei Begegnungsschulen - das ist wichtig für unsere Diskussion - letztlich nicht nur auf die Zahlenbilanz zweisprachiger Abiturienten ankommen kann, sondern auch auf ein breites Bildungsangebot für Schüler ankommt, deren
Eltern Zweisprachigkeit und die Begegnung zweier Kulturen für ihre Kinder wünschen - selbst ohne das doppelte Abitur.
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Mit anderen Worten: Wo immer möglich, soll der eminent außenkulturpolitische Wert des Begegnungskonzepts Vorrang vor ausschließlich an der Sprachleistung orientierten Gesichtspunkten haben. Deshalb wird es auch notwendig sein, an Begegnungsschulen, wo immer das möglich, finanzierbar und erwünscht ist - auch hier gilt das Prinzip der Partnerschaft -, neben der Hochschulreife andere Bildungsabschlüsse und Bildungsinhalte anzubieten.
Eine besonders wichtige Form der Begegnungsschule sind die - derzeit acht Europäischen Schulen. Sie sind übrigens unsere teuersten, wie Sie aus der Tabelle ersehen können; ein Schüler in einer Europäischen Schule kostet uns derzeit über 10 000 DM im Jahr. Die Bundesregierung hat ihren EG-Partnern im obersten Rat der Europäischen Schulen in diesem Frühjahr vorgeschlagen, erstens auf eine verstärkte Öffnung dieser Schulen für die Bevölkerung der Sitzregion hinzuarbeiten, zweitens mehr als bisher gemeinsame europäische Themen in die Lehrpläne einzubeziehen - daran mangelt es bisher und drittens gemeinsame pädagogische Modelle der interkulturellen Zusammenarbeit zu entwickeln, die auch als Anregung für die nationalen Bildungssysteme dienen können.
Ich glaube, am Beispiel dieser Schulen und ihrer in 25 Jahren nur sehr langsam voranschreitenden Europäisierung wird besonders deutlich, welch stimulierenden Faktor gerade Schulen im weiteren europäischen Einigungsprozeß als Ort konkreter Zusammenarbeit und Begegnung darstellen könnten. Diese Chance müssen wir behutsam nutzen; wir müssen zu weiteren Schritten ermutigen. Die Bundesregierung würde deshalb auch weitere Gründungen dieses Typs von Begegnungsschulen, eventuell sogar als Einrichtung unserer nationalen Bildungssysteme, begrüßen. Sie ist bereit, Initiativen in dieser Richtung zu unterstützen, eventuell in Form von Schulversuchen im Rahmen des Art. 91 b des Grundgesetzes.
Zweitens. Neben dem Ausbau und der konzeptionellen Weiterentwicklung der Begegnungsschulen legt der Rahmenplan gleichrangig die schulische Versorgung von Kindern fest, deren Eltern im Ausland tätig sind. Hierzu sollen neben den derzeit 28 deutschsprachigen Auslandsschulen mit 5 562 Schülern - jährlich kommen rund 2 000 dazu - künftig, soweit möglich, firmeneigene Schulen gefördert werden.
Die Bedeutung deutschsprachiger Auslandsschulen ist in dem Maße gestiegen, in dem sich die deutsche Wirtschaft im Ausland zunehmend engagiert und in dem deutsche Fachleute an Projekten oder in internationalen Organisationen tätig sind und damit die Interessen der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Sicher gibt es keinen verbrieften Anspruch auf schulische Versorgung Deutscher im Ausland, doch bemüht sich die Bundesregierung in Erkenntnis der Bedeutung, die die Tä9390
tigkeit vieler Deutscher im Ausland für unser Land hat, soweit wie möglich dazu beizutragen, daß sich Fachleute zu einer Tätigkeit im Ausland entschließen können.
Drittens. Hierzu gehören auch zwei sehr neuartige Maßnahmen, die wir in den Rahmenplan aufgenommen haben: Einmal nannte ich bereits die sogenannten Firmenschulen, die in geeigneter Weise in die Förderung des Bundes mit einbezogen werden sollen. Für 1979 haben wir hierfür 1 Million DM im Haushaltsansatz. Außerdem haben wir die Initiative ergriffen, um ein Fernlehrwerk, wie es übrigens in anderen Ländern schon lange vorhanden ist, zunächst bis zur Klassenstufe 10 erarbeiten zu lassen. Es ist als ein Bildungsangebot für diejenigen Schüler gedacht, denen im Ausland keine unmittelbare Schulmöglichkeit geboten werden kann. Vielleicht ist ein solches Fernlehrwerk schließlich auch für Schüler im Inland nützlich, die, aus welchen Gründen auch immer, eine Schule ganz oder vorübergehend nicht besuchen können.
Viertens. Für alle Formen der vom Bund geförderten Schulen im Ausland, für ihre Lehrer, Schüler und vielleicht und hoffentlich auch Eltern gilt das Gebot der sozialen Offenheit, der Partnerschaft und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Gastland. Unsere Schulen, ihre Lehrer und Schüler sollen sich nicht zu Inseln abschließen, sondern sie sollen möglichst Kontakt zu den Menschen, Bedingungen und Lebensformen ihrer Umwelt suchen. Hierfür gibt es unterschiedliche und vielfältige Möglichkeiten zu entdecken. Ich glaube, wir müssen unsere Auslandsschulen ausdrücklich dazu ermutigen. Ganz sicher können sie nämlich auf diese Weise zusätzlich zur Vermittlung eines lebendigen und wirklichkeitsnahen Deutschlandbildes beitragen.
Zur Unterstützung bei diesen über den Unterricht hinausgehenden Aufgaben werden künftig alle entsandten und am Auslandsschuldienst interessierten Lehrer in einem persönlichen Anschreiben mit der gleichzeitigen Übersendung des Rahmenplans gebeten werden. Die Bundesregierung wird sich auch auf andere Weise bemühen, bei Eltern und Schülern, vor allem aber bei den von ihr ins Ausland vermittelten Lehrern, Verständnis dafür zu wecken, daß sie nicht nur einen innerdeutschen Schulalltag ins Ausland übertragen, sondern daß sie sich darüber hinaus als persönliche Botschafter unseres Landes, seiner Kultur, seines Friedens- und Verständigungswillens verstehen sollen.
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Schließlich ist ein bescheidenes Informationsblatt geplant, das dem Erfahrungsaustausch der derzeit ziemlich isoliert dastehenden Auslandsschulen untereinander dienen, vielleicht sogar - das wäre zu begrüßen - zu Kontakten zwischen Auslands- und Inlandsschulen führen kann. Auf diesem Feld kann noch viel getan werden.
Ich komme nun zu dem im Rahmenplan festgelegten zweiten Hauptbereich unserer auswärtigen Kulturpolitik im Schulwesen, der Förderung der deutschen Sprache in den Schulsystemen des Auslandes. Dieser Bereich wird künftig verstärkt zu beachten sein und ist sehr ausbaufähig. Derzeit wird in rund 60 Staaten Deutsch als Fremdsprache im Schulwesen - wir haben dazu der Bundestagsdrucksache eine Karte beigefügt - von 1 000 nichtdeutschen Lehrern an Hunderttausende von jungen Menschen in aller Welt vermittelt. Hier eröffnet sich, soweit das vom betreffenden Land gewünscht wird, ein noch nicht voll zu übersehendes Feld der Sprachförderung, als da sind: Entsendung von Fachberatern in die internationalen Schulverwaltungen, die Unterstützung der Aus- und Fortbildung von Deutschlehrern, Studienaufenthalte und Informations- und Unterrichtsmaterialien.
Im Hinblick auf das zunehmende Interesse an Deutsch ,als Fremdsprache, das wir übrigens nicht voll befriedigen können, und im Hinblick auf das zunehmende Bewußtsein in unserem Land, daß Kulturverständnis nach wie vor vor allem über die Sprache vermittelt, geweckt und auch erhalten werden kann, ist es die Absicht der Bundesregierung, gerade ihre Bemühungen zur Förderung der deutschen Sprache an den Schulen im Ausland nachdrücklich fortzusetzen und - soweit Interesse vorhanden - auch weitere Länder darin einzubeziehen. Dies wird dann allerdings - abgesehen von dem notwendigen planvollen Durchdringen der oft recht unübersichtlichen Situation - auch steigende finanzielle Mittel erfordern.
Schließlich wird die internationale Zusammenarbeit im Schulbereich - bilateral oder multilateral - als ein dritter Aufgabenbereich im Rahmenplan beschrieben. Den hieraus erwachsenden Aspekten und Möglichkeiten mißt die Bundesregierung große Bedeutung bei. Erfreulicherweise gibt es hier zahlreiche Initiativen, die ohne oder neben den staatlichen Bemühungen zwischen einzelnen Personenorganisationen und Institutionen durchgeführt werden, so daß nur der kleinere Teil der Aktivitäten auf offiziellem Wege abgewickelt wird.
Die Bundesregierung begrüßt, unterstützt und fördert - soweit möglich - solche Begegnungen von Bildungsexperten, von Lehrern, Wissenschaftlern etc. auf internationalen Veranstaltungen, Tagungen und bei Austauschprogrammen. Sie wünscht diesen Bemühungen aber auch noch mehr multiplikatorische Wirkungen in unser eigenes Kultur- und Bildungsgeschehen hinein.
Das immer wieder postulierte Prinzip der Gegenseitigkeit, des Gebens und Nehmens, meine Damen und Herren, könnte gerade im Schulbereich - und darüber haben wir ja gestern ausführlich debattiert - besonders fruchtbar werden, wenn wir uns der internationalen Zusammenarbeit und Entwicklung mehr als bisher öffnen würden. Wir sind hier auf das Verständnis, auf die Initiativen und die Zusammenarbeit aller Beteiligten und Verantwortlichen - hier vor allem der Bundesländer - angewiesen. Unser föderalistischer Staatsaufbau und unsere pluralistische Gesellschaftsordnung begrenzen hier zu Recht die unmittelbaren Gestaltungsmöglichkeiten des Bundes als Gesamtstaat. Aber es liegt uns daran, alles zu tun, um Impulse aufzunehmen, zu verstärken, zu ermutigen und im Rahmen des Haushalts
auch finanziell zu. fördern. Das schafft vertrauensbildende Maßnahmen in aller Welt.
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Unsere internationalen kulturellen Beziehungen im Schulbereich sollten also unter Beachtung der nationalen Vielfalt enger, vor allem unbefangener und selbstverständlicher werden. Das gilt vor allem auch im Bereich der Zusammenarbeit in Europa. Wir haben deshalb auch ausdrücklich und bewußt den Schüler- und Lehreraustausch wegen seiner multiplikatorischen Wirkung mit in die Rahmenplanung einbezogen. Die bisher von den Kultusministerien und vom Pädagogischen Austauschdienst geförderten Programme sollen weiterentwickelt und für den westeuropäischen und nordamerikanischen Bereich ausgedehnt und - soweit gewünscht - auch für andere Länder eröffnet werden.
Eine ganz besonders wichtige Aufgabe sieht die Bundesregierung in der Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten unserer ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Es muß weiter und verstärkt intensiv versucht werden, die gelegentlich schwer miteinander zu vereinbarenden, aber doch gleich wichtigen Ziele der sozialen und schulischen Integration der Kinder dieser Arbeitnehmer in die Bundesrepublik Deutschland u n d einer Vorbereitung auf eine mögliche Reintegration in ihre Herkunftsländer zu erreichen. Die Lösung dieses Problems bereitet uns viel Kopfzerbrechen; sie ist aber auch für unsere Partnerstaaten von besonderer Bedeutung. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit diesen Staaten in gemischten Sachverständigenkommissionen soll daher intensiviert werden.
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- Das liegt nicht am Bund allein, mein sehr geehrter Herr Zwischenrufer - ich weiß nicht, wer es war -; wir tun das und stoßen an die Grenzen unserer Zuständigkeiten.
Schließlich betrachtet es die Bundesregierung als ein wichtiges außenkulturpolitisches Ziel, eine vorurteilsfreie und das gegenseitige Verständnis fördernde Darstellung der historischen und gegenwärtigen Wirklichkeit in den Schulbüchern, soweit das im Rahmen ihrer Zuständigkeit möglich ist, zu fördern. Mit Zustimmung der Länderregierungen hat sie sich in internationalen Verträgen zu einer entsprechenden Zusammenarbeit verpflichtet. Sie wird deshalb Vorhaben der Schulbuchforschung und des Schulbuchvergleichs weiter unterstützen. Das Georg-Eckert-Institut in Braunschweig, in dessen Kuratorium Bund und Länder vertreten sind, hat sich hierum seit vielen Jahren intensiv und erfolgreich bemüht. Im Sinne einer auf Frieden gerichteten Politk sind auch die Revision und der Vergleich der Schulbücher ein wesentlicher Faktor in den kulturellen Beziehungen mit dem Ausland.
Gestatten Sie mir zum Abschluß noch einige wenige übergreifende Bemerkungen:
Erstens. Die föderalistische Struktur unseres Staatswesens, in dem vor allem Kultur und Bildung in der Zuständigkeit der Länder liegen, machen für
jede Art auswärtiger Kulturpolitik eine enge Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern erforderlich. Gerade im Schulwesen findet dieses Zusammenwirken seit Jahrzehnten zufriedenstellend im Auslandsschulausschuß der Kultusministerkonferenz statt, in dem Bund und Länder Sitz und Stimme haben. Doch keine Zusammenarbeit kann so gut sein, daß sie nicht noch verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig wäre.
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Die Bundesregierung wird sich deshalb weiter intensiv um diese Zusammenarbeit bemühen. Sie unterstreicht immer wieder den wichtigen Beitrag, den die Länder für das Gelingen der schulpolitischen Maßnahmen im Ausland leisten. Die Bundesregierung wird nach der Erörterung des Rahmenplans im Bundestag und seinen Gremien so rasch wie möglich ins einzelne gehende Gespräche mit den Ländern aufnehmen, um die Ziele des Rahmenplans gemeinsam mit ihnen zu verwirklichen. Es wird zu prüfen sein, ob die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung hierfür ein geeignetes Gremium ist.
Zweitens. Die für die Durchführung des Rahmenplans erforderlichen Finanzmittel werden in jedem Fall steigen müssen. Die Höhe der Mittel und der Rahmen der Steigerungsraten werden von der jeweiligen Haushaltslage bestimmt. Sie hängen aber erfahrungsgemäß, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, auch von dem Stellenwert ab, den Parlament und Öffentlichkeit den vor uns liegenden Aufgaben beimessen. Der Rahmenplan kann und soll deshalb auch dazu dienen, über diese Aufgaben und ihre Bedeutung zu informieren und in der interessierten Öffentlichkeit um Verständnis und Unterstützung zu werben. Letztlich beginnt und endet auswärtige Kulturpolitik nämlich zu Hause bei unserem eigenen kulturellen Selbstverständnis und unserer geistigen und kulturellen Offenheit für inter-kulturelle Entwicklungen und Möglichkeiten.
Drittens. Die Verwirklichung der hier geschilderten und der Bundesregierung wesentlich erscheinenden Ziele der auswärtigen Kulturpolitik im Schulbereich erfordert neben der vermehrten Entsendung von Lehrern, ihrer sehr sorgfältigen Auswahl und Vorbereitung, allerdings auch eine sehr bescheidene personelle Verstärkung der mit diesen Aufgaben betrauten Stellen. Wenn der Deutsche Bundestag, wie ich hoffe, seine Zustimmung zu den im Rahmenplan dargelegten kulturpolitischen Zielsetzungen und Maßnahmen gibt, dann muß ich Sie, meine Damen und Herren, auch um Ihre Zustimmung zu einigen wenigen personellen Konsequenzen bitten.
Viertens. Ich möchte für die Bundesregierung allen danken, die für die Konzeption und Gestaltung der auswärtigen Kulturpolitik unvergeßliche Beiträge geleistet haben. Ich nenne in dankbarer Erinnerung stellvertretend Dieter Sattler, Ralf Dahrendorf und Berthold Martin sowie alle Mitglieder und alle Berater der Enquete-Kommission, ohne deren langjährige Vorarbeit auch der heute zu beratende Rahmenplan kaum zustande gekommen wäre. Mit meinem Dank verbinde ich die Bitte der Bundesregierung an Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen, daß Sie uns auch bei der Verwirklichung des Rahmenplans tatkräftig und sachkundig unterstützen.
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Das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung zu Tagesordnungspunkt 5 gehört. Zu Tagesordnungspunkt 6 wird das Wort zur Begründung nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache zu beiden Tagesordnungspunkten. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer Vorbemerkung beginnen. Dies ist, wenn wir von den Haushaltsberatungen absehen, in dieser Legislaturperiode die erste Aussprache, die wir im Plenum zur auswärtigen Kulturpolitik führen. Der Gegenstand dieser Aussprache sind die deutschen Schulen im Ausland. Die Setzung des Schwerpunktes „deutsche Schulen im Ausland", wie sie in dieser Debatte zum Ausdruck kommt, entspricht unserer Zielsetzung, weil damit deutlich wird, daß für uns innerhalb der deutscheri auswärtigen Kulturpolitik die deutschen Schulen im Ausland eine hervorragende Bedeutung haben. Nach unseren Vorstellungen müssen sie auch wieder eine größere Bedeutung erhalten, Frau Hamm-Brücher, als dies in manchen Phasen der auswärtigen Kulturpolitik dieser Bundesregierung in den zurückliegenden Jahren der Fall gewesen ist.
Meine Damen und Herren, es ist schon eigenartig: Jahr für Jahr betont die Bundesregierung ihr Ziel, die auswärtigen Kulturbeziehungen zu einem mit den wissenschaftlichen und politischen Beziehungen gleichrangigen Bestandteil ihrer Außenpolitik zu machen. Aber ganz im Gegensatz dazu hat, wenn ich einmal das Jahr 1978 und den Haushaltsplan von 1979 ausnehme, die Kultur nie zu den besonders geförderten Bereichen der Bundesregierung gehört. Das gilt übrigens nicht nur für die auswärtige Kulturpolitik. Wenn irgendwo gespart werden mußte, wenn irgendwo finanzielle Abstriche erfolgen mußten, dann ist dies immer zuerst bei der Kultur geschehen. Ich glaube, das hängt eben auch mit der an sich bedauerlichen Tatsache zusammen, daß die Kultur zu den Bereichen gehört, die keine starke Lobby haben. Wer ohne starke Lobby ist, der hat es bei dieser Bundesregierung eben entgegen allen ihren Bekundungen immer besonders schwer gehabt.
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Meine Damen und Herren, dies gilt auch für den Stellenwert der auswärtigen Kulturpolitik, die es bei dieser Bundesregierung schwer gehabt hat, viel schwerer als beispielsweise zu Zeiten von Dieter Sattler. Nicht zuletzt deshalb hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den beiden zurückliegenden Perioden -des Bundestages die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Neubestimmung des gesamten Bereichs der auswärtigen Kulturpolitik initiiert.
Ich meine, um so wichtiger ist es jetzt, wo der Bericht dieser Kommission und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu vorliegen, daß die Chancen zu einem positiven Neubeginn und zur Stärkung der politischen Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik genutzt werden; denn - darüber, glaube ich, sollte in diesem Haus keine Diskussion entstehen - Stellung und Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Welt hängen eben nicht allein von ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft und ihrem politischen Gewicht ab, sondern ebenso von ihrer Ausstrahlung als Kulturstaat. Ohne diese Ausstrahlung eines auf Partnerschaft, auf Begegnung und auf Austausch Wert legenden Kulturstaats 'werden wir mit unserer ganzen wirtschaftlichen Leistungskraft kaum Sympathie und dauernde Freundschaft gewinnen. Gerade deshalb müssen das politische, das wirtschaftliche und das geistig-kulturelle Deutschland gleichwertige, vielfach miteinander verflochtene Aspekte der deutschen Wirklichkeit sein, die wir in der Welt als das Bild unseres Landes vermitteln wollen.
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- Vielen Dank.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hinzufügen, daß dabei die deutsche auswärtige Kulturpolitik trotz der staatlichen Trennung der Deutschen von der Tatsache einer gemeinsamen deutschen Kultur auch in der Zukunft auszugehen hat.
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Meine Damen und Herren, zu den ältesten und wirkungsvollsten Elementen der deutschen Kultur im Ausland zählen die deutschen Schulen, über die wir heute sprechen - wirkungsvoll in zweifacher Hinsicht.
Erstens. Ohne eine Begegnung mit der deutschen Sprache ist eine vertiefte Begegnung mit der deutschen Kultur nicht möglich. Deshalb ist es hohe Zeit, daß wir - ganz im Gegensatz zu den Überlegungen, die es innerhalb der Bundesregierung an Beginn der 70er Jahre gegeben hat - in Zukunft wieder mehr zur Verbreitung und Pflege der deutschen Sprache im Ausland tun. Aber darum geht es bei den deutschen Schulen nicht allein. Entscheidend ist, daß diese Schulen durch die Vermittlung 'der deutschen Sprachkenntnisse und eines zeitgemäßen Bildes von Deutschland zu Stätten der Begegnung zweier Kulturen und Sprächen werden, in welchen diese Begegnung zu einem prägenden Bestandteil der Erziehung gehört.
Zweitens. Gerade deshalb besteht die kulturpolitische Bedeutung der deutschen Schulen im Ausland in ihrer pädagogischen Ausstrahlung, in ihrem Charakter als Bildungs- und Kulturzentrum, das jungen Menschen die Chance gibt, sich im vertieften Verständnis zweier Kulturen zu entfalten und in diesem Verständnis aufzuwachsen.
Aus beiden Erwägungen möchte ich im Interesse einer meines Erachtens nach den Diskussionen der letzten Jahre dringend notwendig gewordenen klaren Begriffsbestimmung folgendes sagen: Deutsche Auslandsschulen müssen zunächst einmal in erster
Linie deutsche Schulen bleiben, nicht Schulen mit Deutsch als Fremdsprache, sondern Schulen, in denen Deutsch neben der Sprache des Gastlandes die zweite Sprache ist.
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Lassen Sie mich nach diesen grundlegenden Gedanken nun einige Feststellungen zu dem Rahmenplan treffen. Dieser Rahmenplan enthält in seiner Grundtendenz sicher viele Überlegungen und Vorschläge, denen auch wir zustimmen können. Insbesondere habe ich es als wohltuend empfunden, daß dieser Rahmenplan die Reihe der ideologisch gefärbten Bildungspapiere dieser Bundesregierung nicht fortsetzt und auch von der Sprache her wieder lesbar ist. Manchmal hat man, wenn man die bildungspolitisch-ideologisch gefärbten Diskussionen verfolgt, ja den Eindruck, daß sie auch in einer Sprache geführt werden, die draußen nicht mehr verstanden wird. Ich begrüße es, daß das hier nicht der Fall ist, sondern daß dieser Rahmenplan eine andere Tendenz sichtbar werden läßt.
Aber dessen ungeachtet denke ich, daß dieser Rahmenplan einiger Ergänzungen und auch in manchen Tendenzen einiger Korrekturen bedarf. Dazu möchte ich fünf Feststellungen treffen.
Erstens. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die für die Industrieländer entwickelten pädagogischen Konzepte nicht ohne weiteres z. B. auch auf die Entwicklungsländer übertragen werden können. Regionale Differenzierung ist auch hier notwendig. Aber dennoch sollte bei aller Unterschiedlichkeit ein Ziel bleiben: Die deutschen Schulen im Ausland dürfen nicht von der Entwicklung des Schulwesens in der Bundesrepublik grundsätzlich abgekoppelt werden.
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Meine Damen und Herren, mein Eindruck ist, daß vor allem in der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen eine Tendenz vorhanden ist - ich will mich mal etwas vorsichtig ausdrücken -, die darauf abzielt, das Auslandsschulsystem mehr oder weniger losgelöst von den Erfahrungen und Entwicklungen unseres inländischen Schulwesens zu planen und zu konzipieren. Ich habe Hinweise dafür, daß eine wirkliche Kooperation dieser Zentralstelle z. B. mit dem Ausschuß für das Auslandsschulwesen der Kultusministerkonferenz im konzeptionellen Bereich immer weniger funktioniert.
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Und das ist nicht gut. Dem sollte die Bundesregierung auch nicht länger tatenlos zusehen.
Die Entwicklung des deutschen Bildungswesens muß vor allem in ihren unbestritten guten und nachahmenswerten Bereichen - ich erinnere nur an die Bereiche der beruflichen Bildung oder der sozialen Ausbildung - auf die deutschen Schulen im Ausland ausstrahlen. Vor allem bedaure ich, daß nahezu nichts von den doch im Grunde überaus reichen und vielfältigen pädagogischen Erfahrungen der deutschen Privatschulen in die Auslandsschulen eingeht. Viele unserer Privatschulen haben vor allem in den letzten Jahren pädagogisch Hervorragendes geleistet. Ich finde, es wäre an der Zeit, diese Erfahrungen auch in unseren Auslandsschulen fruchtbar werden zu lassen.
Zweitens. Ich bekomme zunehmend Zweifel, ob eine stringente Teilung der deutschen Auslandsschulen in Begegnungs- und Expertenschulen richtig und sinnvoll ist. Ich meine die Teilung in Schulen, die der Begegnung von deutschen Schülern und Schülern des Gastlandes dienen, einerseits und in Schulen, die in ihrem Wesen für die Kinder deutscher Staatsangehöriger im Ausland bestimmt sind, andererseits. Die Enquete-Kommission hat mit vollem Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Bereitstellung schulischer Einrichtungen häufig eine wichtige Voraussetzung dafür ist, deutsche Experten für die Erfüllung der unterschiedlichsten, aber notwendigen Aufgaben im Ausland zu gewinnen. Solche Schulen haben zweifellos eine immense außenpolitische, entwicklungspolitische und außenwirtschaftspolitische Funktion. An Zentren starken Personalaustausches sind solche Schulen für die dort lebenden Deutschen nahezu unentbehrlich. Der Bedarf an solchen Schulen ist ständig im Wachsen begriffen.
Nun kündigt die Bundesregierung in ihrem Rahmenplan an - und hier unterstützen wir sie ausdrücklich -, daß sie den Ausbau und die Neugründung dieser Schulen aus Bundesmitteln fördern will. Wenn dies allerdings bei dem derzeitigen bzw. bei dem in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Finanzrahmen in einem auch nur einigermaßen bedarfsgerechten Rahmen geschehen soll, dann muß sich die Bundesregierung darüber im klaren sein, daß ein immer größerer Anteil des Etats für die Auslandsschulen in diese Expertenschulen geht und es mit der noch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquete-Kommission verkündeten Priorität der sogenannten Begegnungsschulen nichts wird.
Dies aber beinhaltet doch die Gefahr, daß die deutschen Schulen im Ausland immer mehr zu Schulen für deutsche Staatsangehörige im Ausland werden und ihr eigentlicher kulturpolitischer Auftrag im Ausland verkümmert. Schon allein aus diesem Grund halte ich eine stringente Einhaltung des Grundsatzes, daß nur die sogenannte Begegnungsschule, nicht aber auch die Expertenschule Kindern aus dem Gastland offenstehen soll, für falsch. Es wäre dies in meinen Augen übrigens auch aus der Sicht der deutschen Schüler in diesen Schulen falsch, die im Ausland aus der Begegnung mit einer anderen Sprache und Kultur zusätzliche Erfahrungen gewinnen sollen.
Ich meine, daß deshalb die stringente Unterscheidung zwischen diesen beiden Schultypen zugunsten einer flexibleren Betrachtungsweise aufgegeben und das Prinzip der Begegnung, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, zu einem generellen Grundgedanken der deutschen Auslandsschulen werden sollte. Das heißt, auch die sogenannte Expertenschule darf nicht prinzipiell, nicht grundsätzlich den ausländischen Kindern verschlossen sein.
Das kann man am deutlichsten an dem nachweisen, was wir heute in unserem Antrag zur Entwicklung der Schulstruktur an den deutschen Schulen in Spanien vorzutragen haben. Unser Ziel war es, mit diesem Antrag einmal am konkreten Beispiel deutlich zu machen, zu welchen grotesken Ergebnissen die stringente Unterteilung des neuen Schulsystems in Begegnungs- und Expertenschulen führen muß. Das für Spanien geplante neue Schulsystem sah vor, daß Kindergatten und Grundschule grundsätzlich nur noch für Kinder mit Deutsch als Muttersprache zugänglich sein sollten. Kinder mit Spanisch als Muttersprache sollten nach einer Vorklasse im vierten Schuljahr erst in der Sekundarstufe diese deutschen Schulen besuchen können, wobei auch in der Sekundarstufe zunächst weithin eine Trennung beibehalten und erst in der Oberstufe der Sekundarstufe die Begegnung von Schülern mit deutscher und spanischer Muttersprache im gesamten Unterricht die Regel werden sollte.
Wenn man sich vor Augen führt, was das zur Folge gehabt hätte, dann muß man zunächst einmal folgendes sagen. Kinder aus deutsch-spanischen Ehen hätten weiterhin Kindergarten und Grundschule der deutschen Schule besuchen können, wenn diese Kinder von ihrer deutschen Mutter Deutsch als Muttersprache gelernt haben. War in einer solchen deutschspanischen Ehe die Mutter Spanierin und sind die Kinder vor allem in der spanischen Sprache aufgewachsen, dann sollten nach diesem Schulsystem diesen Kindern der Kindergarten und die Grundschule der deutschen Schule versperrt bleiben, obwohl der Vater deutscher Staatsangehöriger ist, obwohl die Kinder deutsche Staatsangehörige sind und möglicherweise der deutsche Vater mit seiner Familie nach einigen Jahren nach Deutschland zurückkehren wollte. Das ist doch ein völlig unmögliches Ergebnis von Schulpolitik im Ausland.
({6})
Hinzu kommt, daß spanischen Familien, die seit langem, und zwar aus allen Schichten, häufig seit vielen Generationen, ihre Kinder in die deutschen Schulen schicken, plötzlich gesagt werden sollte, der Kindergarten und die Grundschule seien ihnen künftig verschlossen, ja selbst dann verschlossen, wenn sich Geschwister dieser Kinder bereits auf der deutschen Schule befunden haben. So entsteht doch kein attraktives Bild einer deutschen Schule im Ausland.
Das Ergebnis ist entsprechend. Das Ergebnis wäre gewesen, daß die neue Schulstruktur in Spanien im Kindergarten zu einer Reduzierung der Schülerzahl um 180 Schüler, in der Grundschule zu einer Reduzierung um zirka 380 Schüler, in der Realschule zu einer Reduzierung der Schülerzahl um zirka 40 Schüler, insgesamt also zu einer Reduzierung der Schülerzahl um zirka 600 Schüler geführt hätte.
Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie allein durch das Festhalten an einem bestimmten Schulkonzept nicht attraktivere deutsche Schulen im Ausland entstehen, sondern in Wahrheit der Abbau von deutschen Schulen im Ausland erfolgt. Das kann doch nicht das Ziel schulpolitischer Konzeption der Bundesregierung oder der Zentralstelle sein. Ich meine, daß es deswegen notwendig ist, daß die Bundesregierung das Denken in abstrakten Schultypen und Schulsystemen überwindet und statt dessen die deutschen Schulen pragmatisch und behutsam auf die besonderen und häufig sehr unterschiedlichen Gegebenheiten und schulischen Erfordernissen des einzelnen Gastlandes einstellt.
Drittens. Mir liegen Berichte vor, wonach ein Vertreter der Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen in einem Gespräch mit dem Elternbeirat der deutschen Schule in Barcelona am 9. März 1977 zum Ausdruck gebracht hat, die Bundesrepublik wolle diese deutsche Schule zwar keineswegs dazu verpflichten, die neue Schulstruktur, die ich eben genannt habe, zu übernehmen, jedoch würden bei einer anderen Entscheidung, also bei einer Nichtübernahme dieses Konzepts, mindestens die Hälfte der geplanten Zuschüsse in der Zukunft entfallen. Meine Damen und Herren, sollte dies zutreffen - dies muß in den Ausschüssen geklärt werden -, dann wäre dies in meinen Augen ein empörender Vorgang. Kein Kultusminister in der Bundesrepublik könnte sich ein solches Vorgehen gegenüber einer Schule in der Bundesrepublik erlauben.
({7})
Dies, meine Damen und Herren, veranlaßt mich ganz generell zu folgender Bemerkung: Wir haben nicht den Eindruck, daß in dem Verhältnis zwischen der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen alles in Ordnung ist. Ich möchte an die Adresse des Auswärtigen Amtes - wiederum. sehr zurückhaltend - sagen: Sie können nicht länger zulassen, daß letztlich die Zentralstelle und nicht mehr das Auswärtige Amt regiert! Meine Damen und Herren, mit aller Vorsicht möchte ich andeuten, daß wir in den Ausschußberatungen vielleicht die Frage nochmals durchdenken sollten, ob diese Zentralstelle nicht geherell aus ihrer Unterstellung unter das Innenministerium herausgelöst und nur noch dem Auswärtigen Amt unterstellt werden sollte.
Viertens. Ich möchte das Auswärtige Amt auffordern, den Rahmenplan regional stärker zu differenzieren. Dazu wird in dieser Debatte noch einiges zu sagen sein. Von meiner Seite aus nur zwei Bemerkungen: Wenn der Grundgedanke der Partnerschaft und der Begegnung ein generelles Prinzip unserer Auslandsschulen sein soll, so kann es für die deutschen Schulen im Ausland keine für jede Schule verbindlichen Einheitsmodelle geben. Die Abhängigkeit vom jeweiligen Standort verlangt vielfache Unterschiede. Dies sollte der Rahmenplan konkretisieren.
Eine zweite Bemerkung: Im Rahmenplan heißt es an einer Stelle - ich zitiere -:
In Lateinamerika wird das seit einigen Jahren laufende Programm zur Konzentration auf leistungsfähige Schulen fortgeführt.
Meine Damen und Herren, „Konzentration auf leistungsfähige Schulen" klingt immer gut. Aber wenn man die Ziffer 78 der Stellungnahme der Bundesregierung zum Enquete-Bericht nimmt, dann heißt es dort sehr viel klarer, daß mit dem Begriff „KonPfeifer
zentration" eigentlich der Abbau- des traditionell hochstehenden deutschen Auslandsschulwesens -zumindest in Teilbereichen von Lateinamerika - gemeint ist. Das ist dort ausdrücklich gesagt. Wir haben Hinweise dafür, daß ähnliches auch für andere Regionen erwogen wird.
Die Enquete-Kommission hat demgegenüber in der Ziffer 315 ihres Berichts mit Recht auf die Probleme hingewiesen, die aus solchen Maßnahmen erwachsen können. Meine Damen und Herren, wir wollen nicht, daß sozusagen unter dem Begriff „Konzentration" Abbau erfolgt. Wir möchten deswegen, daß die Bundesregierung diesen Plan dahin ergänzt, daß sie auch ein Konzept vorlegt, wie sich die Entwicklung der deutschen Schulen in den einzelnen Regionen der Welt konkret vollziehen soll.
({8})
Fünftens. Eine Bemerkung, meine Damen und Herren, zu den Lehrern an den deutschen Auslandsschulen. Entscheidend für die Qualität jeder Schule ist immer und zuerst die Qualität ihrer Lehrer. Wir unterstützen deshalb weitgehend das, was die Enquete-Kommission zur Vorbereitung, zur Weiterbildung, zum Rechtsstatus dieser Lehrer und zur Notwendigkeit einer ständigen Personalreserve gesagt hat. Wir sind auch der Meinung, daß diese Lehrer ausreichend gut bezahlt werden sollen. Dennoch hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Enquete-Bericht zu Recht darüber geklagt, daß sich die Ausgaben pro Lehrer innerhalb eines Jahrzehnts von zirka 32 000 DM im Jahre 1967 auf mehr als 110 000 DM im Jahre 1977 erhöht und damit mehr als verdreifacht haben und daß als Folge davon die übrigen Mittelzuwendungen im Schulbereich deutlich reduziert werden mußten. Das ist in der Tat ein' beklagenswerter Vorgang.
Aber, meine Damen und Herren, die Regierung hat nicht die Aufgabe, zu klagen, wo sie handeln kann. Was ich vermisse, ist, daß die Regierung dem Parlament mitteilt, welche Schlußfolgerungen sie aus dieser Entwicklung ziehen möchte. Warum handelt sie nicht? Warum nennt sie die Probleme nicht beim Namen? Warum sagt sie z. B. nicht, daß wir Regelungen haben, nach denen die Lehrer an deutschen Schulen - und nicht nur die Lehrer! - in manchen Ländern über Einkommen verfügen, die sich fernab jeder Relation zur Einkommensstruktur des Gastlandes bewegen.
({9})
Meine Frage ist: Wollen Sie das aufrechterhalten? Ich bin der Meinung, hier ist der Rahmenplan nicht befriedigend. Die Bundesregierung kann um dieses Problem nun nicht auch noch in der Zukunft sozusagen wie die Katze um den heißen Brei herumsteuern.
({10})
Natürlich weiß ich: Wenn Sie das aufgreifen, erfordert das Mut. Aber Sie reden doch auch immer von der Erziehung zum Mut. Dann zeigen Sie doch hier einmal den erforderlichen Mut, um etwas zu tun, was in meinen Augen auf diesem Gebiet in der
Konsequenz in der Tat ein Beitrag zum Ausbau der deutschen Schulen im Ausland sein könnte.
({11})
Meine Damen und Herren, eine weitere Bemerkung: Ich bin dieser Tage gefragt worden, warum die Erfahrungen, welche deutsche Lehrer im Ausland erworben haben, nach ihrer Rückkehr nicht gezielter im deutschen Schulsystem eingesetzt werden. Fast 200 solcher Lehrer kehren jährlich zurück. Viele haben z. B. ausländische Kinder in Deutsch unterrichtet. Viele haben Erfahrungen mit Kindern, die einem anderen Kulturbereich entstammen, gewonnen. Und viele dieser Lehrer sind zur Weitergabe dieser Erfahrungen bereit, z. B. an Lehrer, die in deutschen Schulen Kinder von Gastarbeitern unterrichten und für die solche Erfahrungen von unschätzbarem Wert wären.
({12})
Gewiß, dies richtet sich in erster Linie nicht an die Adresse der Bundesregierung, sondern an die der Länder. Aber nachdem die Kultusministerkonferenz ausdrücklich um mehr Kooperation und Koordination gebeten hat, was wir unterstützen, und weil Kooperation und Koordination ja keine Einbahnstraßen sind, sollte die Bundesregierung die Kultusministerkonferenz in ihren nächsten Gesprächen - Sie sind ja ab und zu in die Kultusministerkonferenz eingeladen, Frau Staatsminister - auf diesen Komplex einmal ausdrücklich ansprechen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu dem sagen, was Frau Hamm-Brücher zum Schluß sehr kurz angesprochen hat - verständlicherweise sehr kurz, wenn man den Rahmenplan liest -, nämlich zur Frage der Finanzierung des Rahmenplans. Diesen Komplex finde ich wirklich am unbefriedigendsten. Außer Absichtserklärungen lesen wir nämlich zur Finanzierung nichts, und bei diesen Absichtserklärungen spürt man in jeder Zeile das peinliche Bemühen, sich ja nicht festzulegen.
({13})
Dies führt beispielsweise zu so schönen Sätzen wie - ich zitiere aus dem Rahmenplan -:
Im Hinblick auf die geplante Umgestaltung und Neugründung von Schulen wird es voraussichtlich unvermeidbar sein, die Zahl der entsandten oder vermittelten Fachkräfte nicht zu senken ...
Ja, meine Damen und Herren, wenn man neue Schulen gründen und gleichzeitig Schulen ausbauen will, ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, daß man die Zahl der entsandten Fachkräfte nicht senken kann. Aber nicht einmal dies kommt in dem Finanzierungsteil klar zum Ausdruck, sondern es heißt: Es wird wohl nicht vermeidbar sein ...
Ich nenne eine zweite Stelle: Es
wird davon ausgegangen werden müssen, daß die Gesamtaufwendungen des Bundes ... auch weiterhin eine steigende Tendenz aufweisen werden.
Herr Abgeordneter,. gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Holtz?
Ja, bitte schön.
Danke schön. - .Herr Kollege, meinen Sie nicht, daß es besser wäre und auch dem Verständnis dienen würde, wenn Sie hier den gesamten Passus aus der Darstellung der Regierung vorläsen? Da heißt es nämlich nicht nur, es sei im Hinblick auf die geplante Umgestaltung und Neugründung unvermeidbar, die Zahl der entsandten oder vermittelten Fachkräfte nicht zu senken, sondern es heißt, sie weiter zu steigern.
({0}) Das ist das Ziel der Bundesregierung.
Das habe ich ja gerade vorgelesen.
({0})
Entschuldigen Sie bitte, Sie sind mit Ihrer Zwischenfrage einen Moment zu früh gekommen. Ich habe nämlich eben einen zweiten Satz nachgeschoben, nämlich den Satz - und der beinhaltet dies zweifellos -: Es
wird davon ausgegangen werden müssen, daß die Gesamtaufwendungen des Bundes ...
- erlauben Sie mir, daß ich die folgenden Worte der Klarheit wegen weglasse auch weiterhin eine steigende Tendenz aufweisen werden.
Damit bin ich sehr einverstanden.
({1})
Nur,. das ist doch im Grunde genommen eine bare Selbstverständlichkeit, wenn man den Katalog der angekündigten Maßnahmen auf seine finanziellen Auswirkungen abklopft.
Was ich vermisse, ist, daß die Bundesregierung dem Parlament mit diesem Plan eine mittelfristige Finanzplanung präsentiert, aus der sich im einzelnen ergibt, welche Personalstellen, welche Sachmittel, welche Investitionsmittel in den nächsten Jahren zur Verwirklichung dieses Konzepts konkret zur Verfügung gestellt werden. Ich halte es deswegen für notwendig, daß die Bundesregierung diesem Plan ein mittelfristiges Budget beifügt, aus dem sich die Konsequenzen, die ich soeben erwähnt habe, ergeben.
Ich meine das um so mehr, als die Bestandsaufnahme aus der Vergangenheit ja nun nicht gerade von selbst ergibt, daß in der Zukunft mehr geschehen wird. Die Bestandsaufnahme weist beispielsweise auf, daß die Enquete-Kommission im Jahr 1974 noch 321 von der Bundesregierung im Ausland geförderte Schulen aufgeführt hat, während im Jahr 1976 die Bundesregierung nur noch 305 solcher Schulen aufzählt. Das sind in zwei Jahren 16 Schulen weniger, obwohl die Schülerzahl und die Nachfrage nach Schulplätzen wachsen und an manchen Auslandsschulen - was ich sehr bedaure - bereits eine Art Numerus clausus eingeführt werden mußte. Obwohl diese Entwicklung an vielen Qrten festzustellen ist, hat die Bundesregierung von 1974 bis 1977 die Personalstellen für die entsandten Lehrer um mehr als 100 reduziert. Das entspricht einer Absenkungsquote von 8 %.
Nun wird gesagt: Jetzt wird alles besser; jetzt werden Expertenschulen ausgebaut und neu gegründet, jetzt werden Begegnungsschulen ausgebaut und neu gegründet; jetzt werden die Ausbildung und die Fortbildung der Lehrer verbessert; jetzt werden die Stipendien erhöht. Das ist alles ganz richtig und gut. Nur bleibt die Frage unbeantwortet: Mit welchen und wieviel Mitteln soll das geschehen? Und warum nennen Sie nicht eine einzige konkrete Zahl über die finanzielle Ausstattung der deutschen Schulen im Ausland für die nächsten Jahre?
Wir werden in den Ausschüssen ein solches Budget als Grundlage für diesen Rahmenplan beantragen. Wir werden beantragen, daß die Bundesregierung ihren Rahmenplan um ein mittelfristiges Budget ergänzt, weil wir fürchten, daß dieser Plan sonst ein Papier bleibt, das ohne den Wirt, nämlich ohne den Finanzminister, gemacht ist. Solche Papiere bringen uns, wenn sie keine seriöse finanzielle Grundlage haben, nicht weiter. Sie verstellen eher den Blick für das Machbare, wecken Hoffnungen und enden in Enttäuschungen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wenn es uns gelingt, in den jetzt folgenden Beratungen im Ausschuß diese Ergänzungen und in der Konzeption teilweise auch Korrekturen anzubringen, dann kann, glaube ich, die Bundesregierung mit dem rechnen, was Frau Staatsminister Hamm-Brücher hier erbeten hat, nämlich eine möglichst breite Zustimmung. Aber wenn die Bundesregierung im Ausschuß nur auf ein Konzept zielt, das im Grund genommen auf eine Bestätigung des hier Vorgelegten hinausläuft, und wenn sie vor allem nicht die von uns gestellten finanziellen mittelfristigen Planungsfragen beantwortet, dann wird es, fürchte ich, mit dem an sich im Interesse der Sache notwendigen Einvernehmen auf die Dauer vorbei sein.
Frau Staatsminister Hamm-Brücher, wir sind zur Kooperation und zur Unterstützung bereit. Aber das Verhältnis von Regierung und Opposition kann hier nicht so sein, daß sozusagen die Opposition Anregungen gibt und die Regierung auf diese Anregungen nicht eingeht. Deswegen werden Sie Kooperation und Unterstützung nur erhalten können, wenn Sie sich zu Korrekturen in der hier aufgeführten Weise bereit finden. In diesem Sinn möchten wir die Beratungen im Ausschuß gestaltet wissen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt ganz besonders die Vorlage des Rahmenplans für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen. Wir sind uns darüber im klaren, daß er eine Fülle von Vorarbeiten
kostete und es eine besonders schwierige Arbeit war, ihn zusammenzustellen.
Dabei konnte die Bundesregierung allerdings auf den Enquete-Bericht des Bundestags über die auswärtige Kulturpolitik zurückgreifen. Es dürfte zwischen Fachleuten wohl unbestritten sein, daß er eine sehr gute Grundlage im Rahmen einer gemeinsamen Arbeit aller Fraktionen des Bundestags ist und die Bundesregierung insoweit doch ein - das darf ich wohl sagen - sehr wertvolles Hilfsmittel zur Verfügung hatte.
Frau Staatsminister Hamm-Brücher hat im Rahmen ihrer Ausführungen schon deutlich gemacht, daß dieser Rahmenplan fraglos nicht das Nonplusultra ist, sondern im Zuge der Beratungen in den zuständigen Ausschüssen selbstverständlich da und dort noch verbessert werden muß. Insoweit greife ich durchaus aufgeschlossen das auf, was Herr Kollege Pfeifer auf der Grundlage ,von sachlichen Vorschlägen vorgetragen hat. Ich darf allerdings ganz am Rande sagen, daß Selbstverständlichkeiten nicht dadurch zu Sensationen werden, daß man sie ganz besonders dramatisch vorträgt.
({0})
Wenn hier sachliche Gesichtspunkte und sachliche Kritik vorgetragen werden, ist es für unser Haus ganz selbstverständlich, daß jeder von uns diese sachlichen Vorschläge entgegennimmt und kritisch prüft. Es ist auch richtig, was Herr Kollege Pfeifer, wenn auch nur am Rande, so aber doch deutlich gesagt hat, daß nämlich auswärtige Kulturpolitik keine Polemik und keine Konfrontation verträgt, sondern darauf ausgerichtet sein muß, auf einer breiten gemeinsamen Grundlage für die Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu wirken.
Unter diesen Gesichtspunkten begrüßen wir von der SPD-Bundestagsfraktion die Grundsätze, die dieser Rahmenplan enthält. Die beiden wichtigsten Zielsetzungen dürften wohl sein, daß zum ersten das deutsche Schulwesen im Ausland verstärkt gefördert und fortentwickelt werden muß, und zum zweiten, daß die Begegnungsmöglichkeiten zwischen jungen Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen ebenfalls erheblich gefördert werden müssen. Das, was bezüglich der Begegnungsschulen und der deutschen Auslandsschulen vorgetragen wurde - insbesondere von seiten von Frau Staatsminister Hamm-Brücher -, wird von unserer Seite aus voll akzeptiert.
Es ist kurz auf die Frage. einzugehen, die Herr Kollege Pfeifer angeschnitten und in die Worte gekleidet hat, daß eine stringente Unterscheidung zwischen der Begegnungsschule und der deutschen Auslandsschule nicht so ohne weiteres möglich sei. Es mag sein, daß in manchen Ländern aus pragmatischen Gründen eine andere Entwicklung Platz greifen kann. Man soll an Prinzipien nicht so sehr in der Weise kleben, daß man sie zu Tode reitet. Das ist selbstverständlich.
({1})
Aber ich habe in Ihren Ausführungen, Herr Kollege Pfeifer, insofern einen Widerspruch empfunden, als Sie auf der einen Seite durchweg, überall für Deutsch als Unterrichtssprache plädiert haben,
({2})
aber auf der anderen Seite den Unterschied zwischen Begegnungsschule und Auslandsschule völlig verwischen wollen. Wie ist es möglich, frage ich, bei einer Auslandsschule oder bei einer Begegnungsschule den Grundsatz voll durchzuhalten, daß Deutsch grundsätzlich die Unterrichtssprache sein soll? Allein daraus schon ergibt sich, daß Sie - das ist jedenfalls meine Meinung - Ihren Gedanken nicht konsequent zu Ende gedacht haben.
Bezüglich der Schulen im Ausland sind noch einige kleine Gesichtspunkte ergänzend zu dem vorzutragen, was Frau Staatsminister Hamm-Brücher bereits gesagt hat. Es geht insbesondere um die Problematik der Firmenschulen, der, wie sie bisher noch heißen, firmeneigenen Schulen. Wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß wir der Entwicklung der firmeneigenen .Schulen in der Zukunft unsere ganz besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Ich muß Frau Staatsminister Hamm-Brücher insoweit sehr vorsichtig, aber deutlich darauf hinweisen, daß ich persönlich es lieber gesehen hätte, wenn das Auswärtige Amt in diesem Bereich schon eine volle Ubersicht hätte und die Zahl aller firmeneigenen Schulen im Ausland bereits kennen würde.
({3})
- Ich bin ein höflicher Mensch, Herr Kollege.
({4})
- Wenn Sie mit der Axt im Walde marschieren wollen, ist das Ihre Sache.
Wir 'müssen feststellen, daß. unsere wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik immer mehr dahin geht, daß deutsche Firmen im Ausland Dienstleistungsaufträge erhalten, bei denen es um ganz erhebliche Summen geht, die auch für unsere deutsche Volkswirtschaft von ganz wesentlicher Bedeutung sind. Solche Dienstleistungsaufträge können im Ausland nur dadurch korrekt zu Ende geführt werden, daß auch deutsche Arbeitnehmer in vermehrtem Maße bei diesen deutschen Firmen im Ausland arbeiten. Da sich diese Aufträge über mehrere Jahre hinwegziehen, ist es zwangsläufig, daß deutsche Firmen deutsche Arbeitnehmer für die 'Tätigkeit im Ausland nur dadurch finden, daß diese deutschen Arbeitnehmer auch mit ihren Familien für einige Jahre ins Ausland ziehen können. Damit stellt sich automatisch die Problematik des Schulunterrichts in Bereichen, die bislang - zwangsläufig; das sieht man ein - vom Auswärtigen Amt nicht erfaßt werden konnten, nämlich in irgendwelchen Entwicklungsgebieten des jeweiligen ausländischen Staates, in denen vorher vielleicht noch nicht einmal Menschen wohnten.
Es ist selbstverständlich, daß die deutschen Firmen bei dieser Sachlage in erhebliche Schwierigkeiten geraten, für ihre Arbeitnehmer ein gutes Schulsystem zu entwickeln. Wenn ein gutes Schulsystem in diesen entlegenen Bereichen der Welt nicht gegeben ist, dann ist es genauso verständlich, daß die deutschen Firmen nicht hinreichend deutsche Arbeitnehmer finden, die bereit sind, ins Ausland zu gehen. Ich glaube, die Wechselwirkung, die ich hier aufgezeigt habe, ist deutlich und verständlich. Daraus folgt, daß die Bundesregierung für die Zukunft gerade dem Bereich der firmeneigenen Schulen eine ganz besondere Bedeutung widmen muß. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es ganz besonders,. daß der Rahmenplan erstmalig für 1979 auch eine finanzielle Unterstützung dieser firmeneigenen Schulen im Ausland vorsieht.
Ich möchte noch ein kurzes Wort zu dem sogenannten Fernlehrwerk sagen. Hierzu ist auszuführen, daß wir unter diesem neuen Begriff Fernlehrwerk Einrichtungen verstehen, die für diejenigen deutschen Schüler im Ausland gedacht sind, die eine deutsche Schule, entweder in Form der Begegnungsschule oder in Form der Auslandsschule nicht besuchen können, die also zwangsläufig auf Grund der gegebenen Tatsachen verpflichtet sind, in eine ausländische Schule zu gehen. Dieses Fernlehrwerk ist im Grundsatz sicher etwas Ausgezeichnetes. Wie es in der Praxis funktionieren wird, wird sich erst noch erweisen müssen. Wir können aber das Auswärtige Amt nur dahin ermuntern, diese Möglichkeit weiter auszubauen. Jede Unterstützung ist in diesem Fall dringend notwendig. Wir hoffen, daß sich dieses Fernlehrwerk aus einer theoretischen Erwägung heraus so durchsetzen wird, daß wir in der Praxis gute Erfahrungen mit ihm machen können.
In diesem Zusammenhang darf ich noch ganz kurz aus meiner Sicht auf die Problematik der Lehrer im Ausland eingehen. Der Bericht der Enquete-Kommission sieht als Zielsetzung vor, daß möglichst weitgehend heimische Lehrkräfte eingesetzt werden. Herr Kollege Pfeifer, Sie stimmen mit mir sicher in dieser Zielsetzung, wie sie festgelegt worden ist, überein. 'Damit dürften sehr viele Schwierigkeiten sowohl organisatorischer als auch finanzieller Art für die Zukunft bereinigt werden können, wenn ich auch zugebe, Herr Kollege Pfeifer, daß diese Probleme fraglos sehr schwer zu lösen sind.
Andererseits ist es aber meines Erachtens besonders erstaunlich - das sollte hier einmal gesagt werden -, daß die Versuche des Auswärtigen Amtes, deutsche Lehrer für das Ausland zu finden, leider - nicht infolge Verschuldens des Auswärtigen Amtes - wenig erfolgreich waren. Sie werden alle vor wenigen Tagen die erstaunliche Feststellung in den Zeitungen gelesen haben, daß das Auswärtige Amt darum bemüht war, eine größere Zahl der arbeitslosen Lehrer in der Bundesrepublik, die zur Zeit 13 000 zählen
({5})
- zählen; streiten wir nicht um diese Begriffe! -, herauszufinden, um sie für den Dienst im Ausland zu gewinnen. Es haben sich sage und schreibe nur 25 von 13 000 arbeitslosen deutschen Lehrern gemeldet
({6})
- gemeldet! -, die bereit waren, den Dienst im Ausland anzutreten. Ich muß in der gebührenden Offenheit sagen, daß ich mich sehr darüber wundere, daß viele deutsche arbeitslose Lehrer zunächst an ihre todsichere Zukunft und weniger daran denken, daß es für ihre Entwicklung auch sehr hilfreich wäre, wenn sie einmal einige Jahre im Ausland Dienst täten.
({7})
Ich darf zum Schluß, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch auf das Problem der Durchsetzung der einzelnen Maßnahmen und Zielsetzungen des Rahmenplans zu sprechen kommen. Herr Kollege Pfeifer, ich spreche Sie direkt an. Ich habe insoweit viel Verständnis für Ihre Kritik. Ein Rahmenplan ist dann nicht besonders wirksam, wenn ihm nicht auch ein mittelfristiges finanzielles Konzept beigegeben ist. Dies weiß auch die Bundesregierung, dies weiß auch besonders Frau Staatsminister Hamm-Brücher, die in ihrer charmanten Offenheit in unserem zuständigen Ausschuß darüber auch schon einiges gesagt hat. Gerade in diesem Punkt ist es Aufgabe von uns allen, dafür zu sorgen, daß dieser Rahmenplan nicht auf dem Papier steht, sondern daß gemeinsam auch die organisatorischen, die finanziellen und die personellen Voraussetzungen geschaffen werden.
({8}) : Dann hätte sie ein-
mal ein charmantes Gespräch mit dem
Finanzminister führen müssen!)
Das Haus wird sich in dieser Zielsetzung einig sein. Wir werden in den Ausschüssen über die einzelnen offenen Fragen noch sehr viel zu reden haben. Ich bin auch der Überzeugung, daß vieles von dem, was im Rahmenplan steht, noch der Anreicherung und Verbesserung bedarf. Ich glaube, wenn der Rahmenplan die Ausschüsse verlassen wird, wird er das gemeinsame Werk aller Fraktionen dieses Hauses sein.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen hat die Bundesregierung Konsequenzen aus den Forderungen der Enquete-Kommission gezogen und ein vernünftiges und zukunftweisendes Konzept vorgelegt, das sich an den Grundsätzen der von dieser Regierung betriebenen Außenpolitik orientiert.
Kulturelle Außenpolitik oder auswärtige Kulturpolitik, wie immer man es nennen will, hat es nicht immer leicht gehabt. Sie stand viel zu lange im Schatten einer Außenwirtschafts-, einer Außenhandelspolitik, wie es überhaupt in unserer Zeit sehr
Schäfer ({0})
schwerfällt, gegen die Übermacht wirtschaftlicher Interessen überhaupt noch politische oder gar kulturelle Prioritäten zu setzen. Nichts wäre aber törichter, als einen Primat der Wirtschaft vor der Politik oder aber vor der Kultur anzustreben. Gerade unsere westlichen Nachbarstaaten mit ihren jahrhundertelangen weltpolitischen Erfahrungen, die allerdings zum Teil auch aus ihrer nicht immer rühmlichen Kolonialpolitik herrühren, haben uns deutlich gemacht, wie kulturelle Leistungen geradezu Grundvoraussetzung und auch geistige Infrastruktur für das geworden sind, was später Handel und Wirtschaft mit den Ländern z. B. der Dritten Welt erreichen konnten. Insofern sollte man den Begriff „dritte Säule" oder „dritter Pfeiler" für den kulturellen Teil der Außenpolitik nicht als Rangfolge mißverstehen. Ich würde eher sagen: Fehlt dieser Pfeiler, dann ist es um das Gebäude der gesamten Außenpolitik schlecht bestellt.
Wenn man draußen immer wieder hört und erlebt, wie sehr die Bundesrepublik vor allem - oft sogar ausschließlich - als Wirtschaftsmacht angesehen und verstanden wird, wie wenig dagegen die kulturellen Leistungen Deutschlands bekannt sind, dann beweist das, daß wir auf dem Sektor kulturelle Außenpolitik noch sehr vieles nachzuholen haben, was frühere Generationen versäumten. Es wäre aber sicher nichts falscher, als sich darauf zu beschränken, unsere kulturelle Außenpolitik auf einen einseitigen Kulturexport zu beschränken. Das wird ja in diesem Rahmenplan sehr deutlich ausgesprochen. Ich bin der Meinung, daß gerade hier mit Begriffen wie internationale Zusammenarbeit, Begegnung, Öffnung und Partnerschaft deutlich Prinzipien angesprochen werden, die klarmachen, wo deutsche kulturelle Außenpolitik in Zukunft ihre Akzente setzen will.
Die FDP allerdings ist der Meinung, daß wir auch in solchen Ländern tätig sein sollten, die nicht aus traditionellen Gründen kulturell mit uns verbunden waren oder heute als Verbündete anzusehen sind,. in Ländern also, die möglicherweise auch ideologisch in einem anderen Lager angesiedelt sind. Hier sollten wir unter Umständen unsere Bemühungen verstärken, kulturelle Bindungen herzustellen. Ich hatte die Ehre, als erster deutscher Politiker vor wenigen Tagen in einem solchen Land zu sein, und war sehr überrascht, daß man dort bislang von der Bundesrepublik weder etwas gehört noch etwas gesehen hat. Es ist einer der frankophonen Staaten Afrikas, die sich offensichtlich auf Grund ihrer Kleinheit und möglicherweise ihres französischen Duktus nicht so sehr unseres Interesses erfreuen. Ich meine, wir sollten solche Länder nicht ausnehmen.
Meine Damen und Herren, die Frage, wie in Zukunft unsere kulturelle Außenpolitik betrieben wird, wird in diesem Rahmenplan sehr deutlich durch die verstärkte Förderung der deutschen Sprache als Fremdsprache beantwortet. Ich glaube, Herr Pfeifer hat heute morgen deutlich gemacht, daß es hier keine Gegensätze zwischen der Opposition und den Regierungsparteien gibt. Es ist notwendig, Sprachbarrieren auch und insbesondere in Europa abzubauen. Einrichtungen, wie sie beispielsweise in
Saarbrücken oder in Freiburg geschaffen und wie sie im Rahmenplan angesprochen worden sind, sind hervorragend dazu geeignet, solche Barrieren auch in Europa zu beseitigen und dazu beizutragen, daß das, was im Ausland, was in der Dritten Welt Begegnungsschule genannt wird, auch in Europa eine Selbstverständlichkeit werden sollte. Allerdings sollten solche Schulen nicht Eliteschulen bleiben. Begegnungsschulen sollten nicht unbedingt nur im gymnasialen Bereich angesiedelt sein. Ich könnte mir sie beispielsweise bereits für den Realschulbereich vorstellen. Hierüber müßte allerdings sicher noch intensiver nachgedacht werden.
Es bedarf allerdings auch dringend gemeinsamer Bemühungen in der Europäischen Gemeinschaft, dem Europarat und anderen Gremien, daß dafür gesorgt wird, daß es zu einer Harmonisierung unseres Schulwesens kommt - was nicht heißt: Gleichmacherei, um hier einen in der Kulturdiskussion sehr häufig verwendeten Begriff zu gebrauchen -, Harmonisierung vor allem in der Gleichwertigkeit der Schulabschlüsse und der Abschlüsse im Ausbildungsbereich. Es muß uns gelingen, die gegenseitige Anerkennung insbesondere in Europa durchzusetzen.
Was die Förderung unserer Schulen im Ausland betrifft, so setzt der Rahmenplan erfreuliche Schwerpunkte. Wir stimmen voll und ganz der Auffassung zu, daß die sogenannte Begegnungsschule besondere Förderung verdient. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit junger ausländischer und deutscher Schüler und ihre Einführung in zwei verschiedene Sprachen und Kulturen ist ein faszinierendes und zukunftweisendes Modell. Wir begrüßen auch die im Rahmenplan vorgesehene Einrichtung berufsbildender Zweige und Fächer an diesen Schultypen. Hier meine ich, ist ein Schritt vorwärts, weg von diesem nur elitären Kulturverständnis, getan.
Die in Zukunft in „deutschsprachige Auslandsschule" umzubenennende sogenannte Expertenschule, die bisher als entscheidend für die schulische Versorgung im Ausland lebender deutscher Kinder betrachtet wurde, erhält auch in Zukunft die ihr zukommende Unterstützung. Ich meine allerdings mit Herrn Pfeifer, daß es uns notwendig erscheint, daß sich auch solche Schulen, insbesondere auch Sprachgruppenschulen, soweit das fachlich möglich ist, mehr und mehr dein Kindern der Gastländer öffnen, insbesondere auch Kindern mit anderer Hautfarbe. Ich denke hier z. B. an die deutsche Sprachgruppenschule in Windhuk, wo man entgegen der Politik der südafrikanischen Regierung zum erstenmal drei farbige Kinder aufgenommen hat. Ich meine, es müssen mehr werden. Es wird zwar behauptet, es fehlten die sprachlichen Voraussetzungen, aber hier liegt, wie ich meine, eine Möglichkeit, diese Öffnung durch zusätzliche Sprachkurse zu betreiben. Jedenfalls sollten deutsche Sprachgruppenschulen im Ausland und auch gerade in Südamerika nicht zu Denkmälern zum Teil überholter deutscher Lebensart erstarren.
({1})
Schäfer ({2})
Insofern erscheint uns eine bessere Regelung der Beziehungen zwischen den privaten Schulträgern und den fördernden deutschen Stellen durch eine Änderung der 30 Jahre alten Mustersatzung zwingend geboten.
Dies soll und muß im Einvernehmen mit der Kultusministerkonferenz der Länder geschehen, da auch deren Zuständigkeit berührt wird. Bedauerlicherweise ist auf der linken Bank heute niemand aus diesem Bereich zu sehen.
({3})
-Entschuldigung. Ich hätte gern den einen oder anderen Kultusminister hier anwesend gesehen. Gleichzeitig müssen wir die Länder in diesem Zusammenhang nämlich dringend bitten - ich meine, hier rühre ich an einem der kritischen Punkte des Herrn Pfeifer -, endlich auch einen angemessenen Anteil an der Finanzierung dieser Schulen aufzubringen. Herr Pfeifer, wenn Sie sagen, es liege alles an der Finanzierung, so stimmen wir Ihnen zu. Aber wenn Sie die Bundesregierung bitten, im Ausschuß doch einmal Vorstellungen vorzulegen, wie denn all diese Vorhaben finanziert werden müssen, dann sage ich Ihnen: Es ist vornehme Aufgabe der Opposition, auch auf die von ihr regierten Länder hinzuwirken, endlich einmal der Finanzierung des deutschen Auslandsschulwesens etwas positiver gegenüberzustehen. Es reicht nicht aus, daß hohe deutsche Ministerialbeamte aus den verschiedensten Bundesländern die Abiturprüfungen in Kairo und Teheran, in Windhuk und Tokio abnehmen, daß aber die Förderung dieser Schulen ausschließlich dem Bund oder den Trägervereinen zukommt.
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Hier, meine ich, ist es an der Zeit, den Ländern sehr deutlich zu sagen: So geht es nicht, insbesondere nicht, wenn man seitens der Länder gleichzeitig immer wieder den Kulturhoheitsanspruch herausstellt.
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- Herr Daweke, wenn das wunderbar dazu paßt, dann ist es ja um so besser.
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Schließlich verschlingt die Unterhaltung dieser Schulen enorme Summen. Es ist innerhalb von 23 Jahren immerhin eine Kostensteigerung von 5 auf 203 Millionen DM ohne die Kosten für Neubauten zu verzeichnen, und die Kosten für einen Lehrer pro Jahr sind von 47 430 DM 1970 auf sage und schreibe 101 050 DM 1977 geklettert. Die Zahl der Lehrer, die ins Ausland vermittelt werden konnten, nahm dagegen, wie heute schon mehrfach festgestellt, ab.
Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß diese Steigerung der Förderung der deutschen Auslandsschulen auch im Hinblick auf die im Rahmenplan angestrebte und dringend notwendige bessere Vorbereitung für die ins Ausland zu entsendenden Lehrer berechtigt war und daß ein systematischer Ausbau des deutschen Auslandsschulwesens notwendig ist, begrüßen aber auch die angedeutete Tendenz zur Konzentration der- Standorte und zur Überprüfung des Verhältnisses der Besoldung von Lehrern in der Bundesrepublik und solchen an Auslandsschulen, auf die Herr Kollege Pfeifer heute vormittag auch schon aufmerksam gemacht hat.
Ich bin der Meinung, daß die Kostenbeteiligung der Länder kaum mehr aufschiebbar sein wird, und ich glaube, daß wir in den gemeinsamen Bemühungen, unsere Investitionen im Auslandsschulbereich, aber überhaupt in der auswärtigen Kulturpolitik zu verstärken, im Rahmen der Kultusministerkonferenz Wege aufzeigen müssen, die im Sinne des Rahmenplans sind, der auch von der Opposition heute durchaus positiv beurteilt worden ist.
Einige Forderungen, die im Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im' Schulwesen genannt werden, möchte ich für meine Fraktion zum Schluß noch als besonders wichtig herausstellen und auf ihre zügige Verwirklichung drängen. Einmal muß die pädagogische Beratung der geförderten Auslandsschulen verstärkt werden, d. h., die Zahl 'der zu entsendenden Fachberater ist zu erhöhen. Zweitens ist eine Verbesserung der Vorbereitung und der Fortbildung unserer Lehrkräfte im Auslandsschuldienst zwingend geboten. Auch hier geht es natürlich um die Mitverantwortung der Länder, die hier eine entscheidende Rolle spielen. Auch hier, meine ich, müßte sich in der Kultusministerkonferenz ein gangbarer Weg finden lassen. Drittens muß der fachlichen Betreuung von Ortskräften stärkere Beachtung geschenkt werden.
({7})
- Vielen Dank, Herr Klein. Viertens muß die Zahl der Lektoren für die Ausbildung von Deutschlehrern an den ausländischen Hochschulen entschieden verstärkt werden. Fünftens sind die Verwendung audiovisueller Medien und die Schaffung eines modernen Fernlehrwerks für Deutsche dringend erforderlich. Hier sollten wir z. B. einmal daran denken, daß der Deutschunterricht in sehr befreundeten Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika noch sehr notleidet unter zum Teil geradezu hoffnungslos veraltetem Material. Ich wäre sehr dankbar, wenn da, wo es Sprachlabors gibt, auch unsererseits etwas getan würde, diese Sprachlabors mit den richtigen audiovisuellen Medien zu füllen, um den Unterricht gerade in- den Ländern wirklich zu erleichtern, in denen Deutsch auf Grund seiner Schwierigkeit nicht gern als Fremdsprache genommen wird.
Schließlich darf ich in diesem Zusammenhang auch noch auf die Frage des bi- und multilateralen Erfahrungsaustauschs in den verschiedenen internationalen Gremien hinweisen und hervorheben, daß hier sicher auch pädagogisch viele Erkenntnisse zu gewinnen sind. Dabei denke ich insbesondere an die Erfahrungen der Franzosen und Engländer in der Dritten Welt und an ihre jahrelange Tätigkeit im kulturellen Bereich. Manches aus diesen Erfahrungen scheint mir doch für unsere Diskussion wichtig.
Schäfer ({8})
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein besonders heikles Thema ansprechen, das allerdings im Rahmenplan nur am Rande erwähnt wird.
({9})
- Das habe ich bereits angesprochen, Herr Daweke;
Sie haben das offensichtlich überhört: Ich habe an
die Länder appelliert und darf das noch einmal tun.
({10})
- Sie freuen sich, wunderschön! Ich bin der Meinung, eine Beteiligung der Länder würde bereits zu einer Milderung des Problems führen. Das werden Sie kaum bestreiten können. - Nein, ich wollte auf die Betreuung ausländischer Kinder eingehen - sicher auch ein Geldproblem. Diese Betreuung wird in dem Rahmenplan nur am Rande angesprochen, ist dort kein zentrales Thema. Wir wissen, daß es seitens einiger Länder durchaus begrüßenswerte Ansätze zu einer Lösung dieser ungemein schwierigen Frage gibt. Trotzdem bleibt unsere Bitte an die Bundesregierung, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten - etwa in den gemischten Expertenkommissionen - energisch auf ein für die gesamte Bundesrepublik brauchbares Konzept zu dringen, das einerseits die Integration von Gastarbeiterkindern in unser Bildungs- und Gesellschaftssystem ermöglicht, andererseits aber auch deren mögliche Reintegration in das Schulsystem ihrer Heimatländer nicht verbaut. Ich meine, wir müssen in dieser Frage energischer, als das bisher der Fall gewesen ist, gemeinsam eine Konzeption finden, die ausschließt, daß uns Illustrierte von Woche zu Woche berichten, daß die Hoffnungslosigkeit des beruflichen Schicksals von Gastarbeiterkindern in der Bundesrepublik offensichtlich kaum mehr zu überbieten ist. Für meine Fraktion darf ich die Bundesregierung bitten, die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages laufend über den Fortgang ihrer Bemühungen in dieser Richtung zu informieren.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Sie haben heute morgen mehrere Namen genannt und diejenigen, die in besonderem. Maße zur Entwicklung der auswärtigen Kulturpolitik beigetragen haben, besonders herausgestellt und belobigt. Für die FDP darf ich Ihnen besonders herzlich für Ihre entschiedenen Bemühungen um einen Fortschritt in der auswärtigen Kulturpolitik danken.
{Beifall bei der FDP und der SPD)
Meine Damen und Herren, die Konzeption, die im Rahmenplan für das auswärtige Schulwesen vorgelegt ist, ist ein wesentlicher Ansatz, die traditionell gewachsenen Strukturen des deutschen Auslandsschulwesens den Anforderungen einer zukunftsorientierten Bildungs- und Außenpolitik anzupassen. Die deutschen Auslandsschulen, seien es Expertenschulen, mehrsprachige Begegnungsschulen oder auch Firmenschulen, müssen sich aber mehr und mehr als bedeutende und verantwortliche Träger deutscher kultureller Außenpolitik verstehen. Insofern dürfen sie niemals Hort überholten elitären oder gar nationalistischen Denkens sein. So dürfen Rasse, Religion und soziale Zugehörigkeit bei der Öffnung dieser Schulen in den jeweiligen Gastländern keine Schranken bedeuten. Und diese Schulen haben - das zum Schluß - allen Formen von Rassismus und Menschenrechtsverletzungen gegenüber eine entschiedene moralische und praktische Gegenposition einzunehmen.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klein ({0}).
Herr Präsident! Ich hoffe, die Geschäftsordnung gestattet mir die Anrede: Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Plenarsaal und an den Lautsprechern der Abgeordnetenbüros!
({0})
Deutsch als Fremdsprache hat sich in den vergangenen Jahren nach Englisch und Französisch an die dritte Stelle geschoben. Jahr für Jahr lernen gegenwärtig 20 bis 25 Millionen Menschen außerhalb des deutschen Sprachraums Deutsch, davon allein etwa 13 Millionen in den kommunistischen Staaten Osteuropas.
({1})
Der Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen befaßt sich, genau genommen, dagegen nur mit Form und Umfang der Förderung von zwei Gruppen deutscher Auslandsschulen. 107 davon erhielten im Haushaltsjahr 1977 - so geht es aus den statistischen Angaben der Drucksache hervor - 167,7 Millionen DM und weitere 116 rund 9,8 Millionen DM.
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- Manche lernen es nie.
Über den Rahmen, in dem sich die Arbeit dieser Schulen bewegt, sagt der Rahmenplan nichts aus: über die Universitäten, Sekundar-, Berufs- und Grundschulen im Ausland, in denen Deutschunterricht erteilt wird, über die Deutschkurse von „Deutschlandfunk", „Deutscher Welle" sowie von ausländischen Rundfunk- und .Fernsehstationen, über Deutschunterricht bzw. die Aus- und Weiterbildung von Deutschlehrern durch die Mittlerorganisationen, also über all die Einrichtungen, in denen jene 20 bis 25 Millionen Menschen Deutsch lernen. Eine solche Bestandsaufnahme, meine Damen und Herren, hätte uns im Parlament und Ihnen in der Regierung - die Regierungsbank ist allerdings im Augenblick, offenbar nur vorübergehend, etwas schwach besetzt - -ein objektives ,Urteil über die Rolle der Auslandsschulen erleichtert.
Statt dessen ist uns eine - leider an keiner Stelle wirklich konkrete - Sammlung von Zielbeschreibungen vorgelegt worden, die nicht unter Mangel an gutem Willen, sondern eher an einem Übermaß von frommen Wünschen leidet.
({3})
Es ist eine gute Übung in diesem Hohen Hause, die kulturelle Außenpolitik, also das kulturpolitische
Klein ({4})
Zusammenwirken der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten, soweit als möglich aus der Parteienauseinandersetzung herauszuhalten. Das Parlament zeichnet damit - und das hat es auch heute im bisherigen Verlauf dieser Debatte getan - den Weg für unsere kulturpolitischen Aktivitäten im Ausland vor. Da dies aber nicht die Aufhebung der parlamentarischen Kontrollfunktion über die Arbeit der Regierung bedeutet, kann ich nur hoffen, daß der Herr Bundesaußenminister bei der Lektüre - falls er sich ihr unterzieht - deutlich formulierte Kritik oder die Begründung von Gegenstandspunkten nicht wieder wie gestern in anderem Bezug geschehen - als eine Gefährdung der außenpolitischen Position der Bundesrepublik Deutschland hinzustellen versucht..
Mein Kollege Anton Pfeifer hat sich umfassend mit dem Rahmenplan auseinandergesetzt. Ich will mich mit zwei meiner Fraktion allexdings besonders wichtig erscheinenden Punkten etwas eingehender befassen:
Erstens: Die mit ganzen 9,8 Millionen DM geförderten Auslandsschulen - diese Gruppe, von der ich vorhin sprach - sind sogenannte Sprachgruppenschulen, darunter - wie es in der Drucksache heißt - 108 kleine Siedlerschulen. Auf Seite 10 des Rahmenplanes steht: „Obwohl die Sprachgruppenschulen voraussichtlich abnehmende Bedeutung haben werden ..." Darf ich einmal fragen: abnehmende Bedeutung für wen? Doch wohl nicht für die Menschen, die sich oft unter großen Opfern bemühen, die kulturelle Verbindung mit dem Land, aus dem sie selber oder ihre Vorfahren gekommen sind, zu halten?
Wenn die Feststellung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes im Zweijahresbericht 1976/1977 ernst gemeint ist, die Förderung der deutschen Sprache im Ausland sei eine der wichtigsten Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik, dann wird hier doch ein Kapital, ich will nicht sagen, verspielt, aber links liegengelassen. Die schulische Betreuung der rund 15 Millionen Auslandsdeutschen in allen Teilen der Welt darf meiner Auffassung nach nicht unter Kategorisierungen wie links oder rechts leiden. Leisten wir uns doch ohnehin den sträflichen Luxus, die Möglichkeiten einer gezielten Zusammenarbeit mit unseren ehemaligen Landsleuten, die ja längst gute, oft einflußreiche Bürger ihrer neuen Heimatstaaten sind, weitestgehend ungenutzt zu lassen.
Ich weiß schon, an dieser Stelle fällt häufig von bestimmter Seite das Wort „Deutschtümelei". Aber werfen die Betreffenden aus gleichem Grunde auch den Polen im Ruhrgebiet „Polentümelei"', den Juden in Amerika „Judentümelei" oder den Franzosen in Kanada „Franzosentümelei" vor?
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Ich bitte das Auswärtige Amt, den Menschen, die üblicherweise, wenn auch etwas unpräzise, als „Auslandsdeutsche" bezeichnet werden, auch in unserem ureigensten Interesse wieder stärkere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
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Zweitens: Zu den 13 Millionen Sowjetbürgern, Ungarn, Rumänen, Bulgaren, Jugoslawen, Tschechen, Slowaken und Polen, die Deutsch lernen, gehören nur ganz wenige von den - es ist schwer zu schätzen - schätzungsweise 3,5 Millionen Deutschen, die in diesem Raum noch leben. Obwohl in dem Rahmenplan unter „besonderen Schwerpunkten" auch die „Implementierung der KSZE-Schlußakte Korb III Kapital 4 über Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung" angeführt ist, also auf den gesamten Katalog der in zahlreichen internationalen Abkommen verbrieften Minderheiten- und Selbstbestimmungsrechte Bezug genommen wird, werden die Deutschen in Osteuropa systematisch denationalisiert. Ihnen werden diese Rechte systematisch vorenthalten.
Ich habe die Aufzählung angeblicher oder wirklicher Erfolge schon im Ohr, mit der Regierung und Regierungsparteien Feststellungen dieser Art entgegentreten und die Vorzüge des multilateralen Entspannungsprozesses rühmen. Doch im Rahmenplan steht, daß die Förderung von Auslandsschulen seit 1950 schrittweise wieder aufgenommen worden sei, meist an früheren Schulorten, aber auch durch Neugründungen. Wörtlich heißt es dann: „Nur in Ost- und Südosteuropa war eine Wiederanknüpfung nicht möglich." An anderer Stelle: „Da das Schulwese der deutschen Sprachgruppen in Südost- und Osteuropa, besonders in Ungarn, Rumänien und in der Sowjetunion, ausschließlich von den Regierungen dieser Länder gestaltet wird, beschränken sich die Förderungsmöglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen auf Beiträge zur Aus-und Fortbildung von Deutschlehrern." Punkt, basta. Mehr hat das Auswärtige Amt in dem Rahmenplan zu diesem Thema nicht mitzuteilen. In dem bereits zitierten Zweijahresbericht findet sich allerdings noch der Satz:
Zwar bestehen jetzt mit sämtlichen osteuropäischen Staaten Kulturabkommen - das letzte mit der Tschechoslowakei wurde am 11. April 1978 anläßlich des Besuchs von Staatspräsident Husak unterzeichnet -, doch treten im praktischen Vollzug immer wieder Schwierigkeiten auf.
Dieser Bericht enthält auch ein Foto des Herrn Bundesaußenministers. Es zeigt ihn bei Unterzeichnung des Kulturabkommens mit seinem ungarischen Kollegen. Meine Damen und Herren, ein Hauch von Potemkinschem Dorf!
({7})
Wir werden über die kulturelle Zusammenarbeit mit den Auslandsdeutschen, insbesondere in Osteuropa, noch ausgiebig und ernsthaft miteinander zu diskutieren haben, nicht zuletzt im Unterausschuß für kulturelle Außenpolitik im Auswärtigen Ausschuß, in dessen Namen ich mich bei Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher, Herrn Staatssekretär Dr. Hermes und Herrn Ministerialdirektor Dr. Kurt Müller für ihre aufgeschlossene Informationsbereitschaft bedanken möchte.
({8})
Klein ({9})
Ein abschließendes Wort zum Rahmenplan: Er ist eine brauchbare Diskussionsgrundlage. Die erste Runde dieser Diskussion findet heute im Bundestagsplenum statt. Es werden ihr in den Ausschüssen und hier noch viele folgen müssen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lattmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem vielen Zutreffenden, das hier geäußert worden ist, möchte ich nur einige Punkte, sehr praxisbezogen, anfügen.
Die Materie, von der wir hier reden, ist in der Praxis ebenso schwer durchschaubar wie für das Parlament kontrollierbar. Das liegt nicht an irgendwelchen geheimnisvollen Mechanismen, sondern an der Tatsache, daß 500 geförderte Schulen mit mehr als 45 000 Schülern mit mehr als 200 Millionen DM gefördert werden und daß 960 weitere Schulen mit Hunderttausenden von Schülern auch die eine oder andere Förderung bekommen, und dies alles auch noch differenziert nach den unterschiedlichsten sozialen, ökonomischen und bildungspolitischen Situationen in den Gastländern. Eine so komplexe Materie liegt vor uns, daß ich sagen möchte: Hier im Parlament schaut überhaupt niemand ganz durch, und im Auswärtigen Amt ist ja die Abteilung VI, die Kulturabteilung, auch nicht gerade die Abteilung, um die sich alles drängt und dreht. Deswegen also die Bitte, daß wir uns selbst wenigstens einmal im Jahr auffordern, in diese schiere Undurchdringlichkeit parlamentarisch einzudringen - hier im Plenum -, und daß wir es im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft wie auch im Unterausschuß für kulturelle Außenpolitik in den beiden folgenden Jahren dieser Legislaturperiode intensiver tun als in den beiden zurückliegenden.
Einige Vorredner haben die ideal gedachte Forderung „Gebot der sozialen Offenheit, Verbot jedweder Diskriminierung von Rassen; Religionen und Weltanschauungen" aufgegriffen. Aber dies ist ja - angesichts der realen Zustände in der Welt - eben eine ideal gedachte Voraussetzung, da wir doch wissen, daß sich unsere kulturelle Außenpolitik gerade im Bereich des Schulwesens in einer Welt zuträgt, in der eben Diskriminierung und Unfreiheit häufiger anzutreffen sind als die erfüllte Freiheit. Deswegen kann man dies in der Praxis vor Ort gar nicht wichtig genug nehmen.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang, da hier zu Recht Beteiligten der Bundesregierung und Verantwortlichen im Auswärtigen Amt, die dieses politische Gebiet betreuen, gedankt worden ist, auch einmal ausdrücklich denjenigen zusätzlich danken, die als Leiter von Schulen, als Lehrer, als Leiter von Kulturinstituten für unsere Bundesrepublik im Ausland tätig sind.
({0})
Ich möchte das in dem Wissen - in dem wir hier sicherlich Gemeinsamkeit herstellen können - tun, daß ja ein noch so schön gesetzter Rahmen mit
wohlklingenden Formulierungen das Bild nicht auszufüllen vermag, das zu beschreiben ist. Dies gilt auch für das Deutschlandbild. Die Arbeit in der Praxis ist ungeheuer personenbezogen und -abhängig, und überall da, wo jemand von wirklichem Engagemet, persönlichem Mut, großer Kenntnis und nicht lockerlassender Arbeitsenergie ist, scheint unendlich viel mehr machbar, daß in bloßen Paragraphen und Rahmenformulierungen ausgedrückt werden kann.
({1})
Der Parlamentswille bedarf der Umsetzung. Ich möchte das unterstreichen, was hier von mehreren zur unbefriedigenden Haushaltssituation gesagt worden ist, und möchte eines ergänzen: Es ist ein Widerspruch in sich, wenn wir hier das Gegenteil von dem reden, was die Praxis der Beschlüsse des Haushaltsausschusses bringt. Deswegen bitte ich die Haushaltspolitiker, soweit sie nicht anwesend sind, diese Debatte durch Nachlesen zu verfolgen und uns die Gelegenheit zum Gespräch zu geben.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Herr Kollege Picard.
Herr Kollege Lattmann, hielten Sie es nicht für gut, wenn die Regierung wenigstens Vorschläge, die sie für notwendig erachtet, einbrächte, statt darauf zu warten, daß das Parlament die Initiative ergreift und über das hinausgeht, was uns die Regierung in aller Form als einen unbefriedigenden Vorschlag vorgelegt hat? Betrachten Sie bitte die Steigerungsrate der Ausgaben für Kulturpolitik, und betrachten Sie die Steigerungsrate des Gesamthaushalts; dann wissen Sie, was ich meine.
({0})
Herr Kollege Picard, in der Sache gebe ich Ihnen, zumindest teilweise, durchaus recht, aber es liegt ja auch sehr entscheidend an uns Parlamentariern, an den Parlamentariern aller Fraktionen. Da möchte ich mit Blick auf das, was der Herr Kollege Pfeifer gesagt hat, gerade in Beantwortung auch Ihrer Frage, doch noch einmal zu bedenken geben, daß es zwar zutrifft, daß die Fraktion der CDU/CSU in mehreren kulturpolitischen und künstlerpolitischen Bereichen in den beiden letzten Legislaturperioden wichtige Anstöße gegeben hat, daß aber die Erfüllung dessen, was erarbeitet worden ist, in der Praxis bei Ihnen in der Gesamtfraktion dann sehr oft nicht stärker mehrheitsfähig ist als bei uns.
({0})
Das heißt, dieses engere kulturpolitische Gebiet scheint in allen Fraktionen nicht gerade mehrheitsfähig.
Nehmen wir doch einmal ein praktisches Beispiel. Nehmen wir etwa - ich führe das gewissermaßen nur als Nebensatz, in Parenthese an - den Bereich der Kulturstiftung der Bundesrepublik. Da gibt es gemeinsame, auch von Ihnen unterstützte parlamentarische Forderungen, aber dort, wo CDU und CSU Mehrheiten haben, in der zweiten Kammer, wird dann sehr oft anschließend das verhindert, was hier zunächst öffentlich proklamiert wurde.
Doch zurück zum engeren Thema: Ich möchte darauf hinweisen und anregen, daß das Gebiet der Lehrerweiterbildung deshalb einen noch größeren Stellenwert erhält als bisher, weil es einen sehr großen Multiplikationsfaktor hat und im Ganzen billiger ist als das Errichten und Bezuschussen von Schulen, vor allen Dingen von neuen Schulen. Gerade in der Arbeit der Kulturinstitute namens „Goethe-Institut" wird in der Lehrerweiterbildung Hervorragendes geleistet. Ein Beispiel: Am vergangenen Wochenende hat ein solches Lehrerweiterbildungsseminar am Goethe-Institut in Bordeaux stattgefunden. Beteiligt waren 85 französische Deutschlehrer von Gymnasien, Personen, deren Engagement und Tätigkeit sich auf mehrere tausend Schüler umrechnen. Was dort an Information, an Engagement und auch an deutsch-französischer Freundschaftsfähigkeit im realpolitischen Sinn zu spüren war, machte einen hervorragenden Eindruck. Ich glaube, daß die verstärkte Förderung in diesem Bereich - ohne allzuviel Mehrkosten - ein großes politisches Gewicht hat.
Als nächsten Punkt möchte ich kurz aufgreifen, was gestern in der Debatte zum Strukturbericht der Bundesregierung von dieser Stelle aus gesagt wurde, nämlich die Tatsache, daß wir die reale Europapolitik, die Wahl des ersten direkt zu wählenden Europaparlaments am 10. Juni 1979 in diesen Aspekt einführen. Ich äußere noch einmal das Bedauern, daß der Kultusministerrat der Gemeinschaft sich ohne neuen Termin vertagt hat. Auf einen neuen Termin sollten wir drängen. Denn auf der Tagesordnung steht dort u. a. die Frage: Welche Sprachen soll Europa sprechen? Wir wissen zwar, daß die in einigen Köpfen vorhandene Vorstellung, wonach jeder seine Muttersprache und eine gemeinsame zweite europäische Sprache sprechen soll, angesichts der nationalen Eigenständigkeiten nicht realisiert werden kann. Aber wir müssen zumindest planen und uns Gedanken darüber machen und die Frage, welche Sprachen Europa sprechen soll, in diese Ausschußdiskussion einführen.
Ein weiterer Punkt: Firmenschulen. Ich finde es unbefriedigend, daß wir zwar - was richtig ist - dazu übergehen, auch Firmenschulen mehr zu fördern - zunächst wohl etwa acht bis zehn Schulen in der Größenordnung von nur etwa 1 Million DM im Jahr 1979 -, aber, weil sie eigenständig sind, keinen realen Überblick haben, was an diesen Schulen geschieht und wie sie zusammengesetzt sind. Wenn wir hier auch nicht das Kommando haben, sollten wir uns doch auf dem Weg des Austauschs und auf der Basis der Freiwilligkeit mehr Informationen über die konkrete Beschaffenheit und die konkreten Inhalte dieser Firmenschulen beschaffen.
Mein Kollege Müller-Emmert hat schon darauf hingewiesen, wie bedauerlich es ist, daß sich beim Sonderprogramm für junge Lehrer von über 13 000 arbeitslosen Lehrern überhaupt nur 62 beworben haben und daß nur 25 das Angebot annehmen, obwohl alle Politiker, die im Bundestag dieses Programm mitverantworten, an die Länder nachdrücklich appelliert haben, diesen jungen Lehrern, die für zwei oder mehr Jahre in den Dienst von Auslandsschulen gehen, zu garantieren, daß sie nach ihrer Rückkehr eine entsprechende Stelle in der Länderschulpolitik erhalten. Diese Voraussetzung ist natürlich wichtig. Wenn man bedenkt, was es für den Unterricht im Land bedeuten kann, wenn sich junge Lehrer im wahrsten Sinn des Wortes einmal den kulturellen Wind der Welt um die Nase wehen lassen, ist es wirklich aberwitzig, daß selbst ein so bescheidenes Programm nicht genügend aufgegriffen wird. Statt dessen denken wir immer in den Kategorien einer maximalen ökonomischen und sozialen Absicherung. Es ist schon gesagt worden: 110 000 bare Mark kostet ein entsandter deutscher Lehrer den deutschen Steuerzahler. Das bekommt er natürlich nicht alles selbst in die Tasche; es sind die Gesamtkosten. Dies steht doch oft in einem schreienden Kontrast zu der realen sozialen Umwelt in den elendsten Ländern der Welt, so däß man die Frage der Kosten und der Ausstattung unter den Gegebenheiten unserer Besitzstände ins Verhältnis zu der Situation in den Gastländern setzen muß, wo ja manche deutsche Diplomaten und deutsche Lehrer einen Status haben, wie er in diesen Gesellschaften nur sehr wenigen zukommt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß auf den Gedankengang, den zumindest Herr Klein aufgegriffen hat, als er hier sehr deutlich von „kultureller Außenpolitik" sprach. Ich bedaure, daß sich der Wille der Enquete-Kommission und auch des vorigen Bundestages, „kulturelle Außenpolitik" zu sagen, nicht durchgesetzt hat, sondern daß die Exekutive weiter von „auswärtiger Kulturpolitik" spricht und auch viele von uns von „auswärtiger Kulturpolitik" sprechen. Real bedeutet dies doch: Auswärtige Kulturpolitik ist sicherlich nicht nur atmosphärisch, sondern real noch mehr an die Zerklüftung des Föderalismus und damit an eine Vielzuständigkeit gebunden, die die Sache erschwert.
({2})
Kulturelle Außenpolitik meint mehr reale Außenpolitik und auch mehr Bundeskompetenz. Insofern steht das in engem Zusammenhang mit der gestrigen Debatte.
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Ich glaube, es ist nicht vernünftig, auf der einen Seite zu sagen, kulturelle Außenpolitik sei ein drittes Bein, eine dritte Säule der Außenpolitik, gewissermaßen gleichrangig neben der klassischen Diplomatie und neben der Wirtschaftsaußenpolitik, auf .der anderen Seite aber in der Praxis der Parlamente
Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode
von Bund und Ländern die kulturelle Außenpolitik oft doch nur wie einen Appendix zu behandeln, wie einen politischen Blinddarm, auf den man zwar, wie die Mediziner sagen, nicht völlig verzichten, aber den man notfalls sogar operativ behandeln kann.
Ich meine, diese Doppelzüngigkeit, von der keine Fraktion dieses Hauses frei ist, sollte hier real ausgesprochen sein; nicht im Sinne des Klageführens, sondern in dem Sinne, daß wir dies zu ändern vermögen, wenn wir es gemeinsam wollen.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Diese ganze Debatte steht unter dem Hauptprinzip, daß man sich in den auswärtigen Kulturbeziehungen von dem einseitigen Kulturexport verabschieden wolle und sich statt dessen mehr im Bereich des partnerschaftlichen Gebens und Nehmens bewegen möchte. Ich meine, daraufhin muß dann diese Aktivität auch untersucht werden.
In diesem Zusammenhang stellt sich meiner Auffassung nach unmittelbar die Frage nach der Priorität bei den Auslandsschulen. Ich glaube, daß der Einwand, den die Union hier gebracht hat, daß dazu keine klare Aussage gemacht wurde, nicht ganz unberechtigt ist. Ich meine, daß man dann, wenn man in partnerschaftlichem Verhältnis tätig sein will, wohl ganz eindeutig den Begegnungsschulen gegenüber den deutschsprachigen Auslandsschulen die Priorität einräumen muß.
Was hat es eigentlich soviel mit Außenpolitik zu tun, wenn man Deutsche in deutschen Schulen unterrichtet, also in einer Käseglocke unter sich zu sein? Ich weiß auch nicht so recht, was eigentlich die Firmenschulen unmittelbar mit Außenpolitik zu tun haben; denn hier handelt es sich doch lediglich um die Versorgung der Kinder von im Ausland arbeitenden Deutschen, die sehr häufig nur für eine Übergangszeit dort sind. Ich glaube, hier kann nicht so sehr der Schwerpunkt der kulturellen Außenpolitik liegen, sondern zuallererst auf den Begegnungsschulen.
Frau Hamm-Brücher, ich meine, hieran ist der Wunsch, daß sich die Länder daran finanziell beteiligen mögen, wohl am besten aufzuhängen;
({0})
denn es geht darum, daß die Kinder, die mit ihren Eltern ins Ausland gehen, weil diese dort auf Zeit arbeiten, mit Schule versorgt werden müssen und auf diese Art und Weise eine Entlastung bei den Ländern eintritt.
Es wäre doch sicher keine unangemessene Forderung, wenn der Bund sagte, daß zumindest für diesen Bereich der auf Zeit ins Ausland versetzten Deutschen die Mitfinanzierung der Länder gegeben sein sollte. Das wäre eine sehr angemessene Forderung. Ich finde, alle sollten auf ihre Länderregierungen einen entsprechenden Einfluß ausüben.
Es ist mit der sehr hehren Vorstellung begonnen worden, daß das Gebot der sozialen Offenheit erfüllt werden müsse. Es gibt ein Verbot jedweder Diskriminierung von Rassen, Religionen und Weltanschauungen. Dann haben wir es aber unmittelbar mit Einschränkungen zu tun: Erstens müssen natürlich die Schüler von Deutschen bevorzugt werden, zweitens die Schüler, die ein deutsches Elternteil haben, und letztlich wird auch nur im Bedarfsfalle ein Schulgelderlaß gewährt. All das schränkt ja den Zugang zu diesen Schulen und damit auch die Begegnung in diesen Schulen ganz erheblich ein.
({1})
- Das ist doch genau das Beispiel, das Herr Pfeifer hier genannt hat. Ich habe ja bisher gar nichts gegen Ihre Äußerung gesagt, sondern mich lediglich auf dieses Beispiel bezogen.
Damit sind wir unmittelbar bei der Finanzierung. Wenn wir einerseits die Offenheit verwirklichen und keine Diskriminierung haben wollen, aber auf der anderen Seite Prioritäten haben, so hängt die Mittelzuweisung für diesen Bereich ganz entscheidend davon ab, ob die Ziele, die hier angesprochen worden sind, erfüllt werden oder nicht. Ich finde - insofern ist heute ja eine Einheitlichkeit festzustellen -, daß wir alles tun sollten, um die Wünsche der Regierung, vor allem auch im Haushaltsbereich, zu unterstützen.
Beim Lesen der Unterlagen werde ich den Eindruck nicht los, daß es sich hier zuallererst um Schulen für Kinder von Eliten - auch im Ausland - handelt. Ich möchte das einmal mit Hilfe des Vergleichs zwischen den Europaschulen und den in dieser Rahmenplanung vorgeschlagenen Begegnungsschulen für Kinder ausländischer Arbeitnehmer im eigenen Lande aufzeigen. Die Europaschulen expandieren; es wird mehr und mehr von ihnen geben. Zunächst einmal waren sie nur für Bedienstete der EG gedacht - also auch wieder für eine gewisse Elite -; inzwischen sollen sie geöffnet werden. Aber auf der anderen Seite gibt es, wenn ich es richtig sehe, noch nicht einen wirklich ernsthaften Versuch, in diesem Lande eine Begegnungsschule für Ausländer zu errichten. Ich werde den Verdacht nicht los, daß das ein bißchen mit dem unterschiedlichen Sozialstatus der Betroffenen zu tun hat.
Ich glaube, ein ganz wesentlicher Teil von Außenpolitik ist auch das Bild, das die Ausländer, die lange Jahre bei uns gewohnt haben, mit ins Ausland nehmen: Je günstiger das Bild dieser Ausländer über unser Land ist, um so günstiger wird auch der Ruf in diesen Ländern sein. Wir haben uns vor kurzem im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft gerade mit dem Bildungsproblem von Kindern der ausländischen Arbeitnehmer befaßt, und wir waren einhellig der Auffassung, daß man eigentlich beides leisten müsse: erstens die Integration, aber zweitens auch das Erhalten ihrer Sprache und ihrer Kultur. Ich meine, in diesem Zusammenhang ist der Vorschlag auf Errichtung einer oder . mehrerer Be9406
gegnungsschulen im eigenen Land sicherlich außerordentlich zu begrüßen; er sollte ganz entschieden verfochten werden. Dabei sollten wir in den Ausschüssen klären, wie weit eigentlich die Gespräche mit den Ländern gediehen sind; denn die Bundesregierung kann sich ja leider nur auf den Vorschlag beschränken. Umgesetzt werden muß das ja in den einzelnen Ländern. Die Diskussion gestern hat gezeigt, daß man auch mit dem derzeitigen Kulturföderalismus mehr erreichen könnte. Wir werden das an diesem Einzelfall wieder einmal beobachten können.
Ich möchte eine Bemerkung zur Dritten Welt machen. Wir machen die Erfahrung - Herr Schäfer hat das bereits angesprochen -, daß die Kolonialmächte der Dritten Welt letztlich ihr Bildungssystem und ihre Sprache aufgezwungen haben. Wir stellen also fest, daß die kulturelle Verankerung der Kolonialmächte in diesen Ländern ihnen auch heute noch unmittelbar Vorteile bringt. Ich meine, in diesem Zusammenhang muß auch untersucht werden, ob nicht das Engagement gerade in diesem Bereich der kulturellen Außenpolitik, im Bereich des Schulwesens, verstärkt werden sollte, damit wir den „Nachteil", den wir dadurch haben, daß wir etwas eher aus diesen Ländern ausgezogen sind, wenigstens zum Teil abfangen. Insofern, meine ich, muß man sich auch darüber unterhalten, wo die Prioritäten liegen, wenn man fragt: An welchem Ort ist welche Schule anzusiedeln?
Herr Pfeifer hat hier am Anfang darauf hingewiesen, daß es wünschenswert wäre, wenn man die schulpolitische Entwicklung im eigenen Lande wenigstens im Auslandsschulwesen wiederfände. Im Bericht wird darauf hingewiesen, daß die traditionell gewachsene Struktur der Schulen im Ausland wohl eine sehr gezielte Flurbereinigung erfordere. Frau Hamm-Brücher hat auch darauf hingewiesen, welche lautstarken Proteste wohl bei Flurbereinigungsmaßnahmen entstehen würden. In diesem Zusammenhang kann ich nur hoffen, daß das Auswärtige Amt nicht eine ähnliche Erfahrung wie Herr Gscheidle macht: Er soll zwar die Bundesbahn sanieren, aber wenn es dann um Streckenstillegungen geht, erkennt jeder einzelne Abgeordnete plötzlich seine Lieblingsstrecke, die er selbstverständlich nicht stillgelegt haben will. Frau Hamm-Brücher, bei ,der Flurbereinigung wird in manchen Fällen auch gesagt werden müssen: Hier werden wir nicht ausbauen, sondern abbauen. Ich bin ganz sicher, daß sich dann Abgeordnete finden werden, die sagen, daß die geplante Maßnahme in dieser speziellen Schule sicherlich unangemessen ist. Ich wünsche Ihnen in diesem Zusammenhang also mehr Erfolg und vor allem auch Unterstützung durch dieses Plenum, wenn es darum geht, manchmal auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, die damit verbunden sein können.
({2})
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung zu den finanziellen Auswirkungen sagen. Herr Pfeifer, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß das Ganze in diesem Bereich am wenigsten konkret ist, um es einmal so auszudrücken. Mich stört
es aber jedesmal, daß Vertreter Ihrer Fraktion, die mit dem Begriff der Steuerlastquote und mit dem Argument kommen, wir hätten eine viel zu hohe Steuerlastquote und müßten eigentlich stärkere Steuersenkungen vornehmen, bei einem entsprechenden Tagesordnungspunkt immer sagen: Für diesen Punkt wird leider viel zu wenig ausgegeben.
Beim Bürger muß es sich irgendwann doch einmal herumsprechen, daß man solche Projekte kaum bei Steuersenkungen finanzieren kann. Trotzdem macht die CDU immer wieder den Versuch es so hinzustellen. Das geht auch nur so lange, wie man in der Opposition ist.
({3})
Aber ich meine, in einem Punkt hat Herr Pfeifer recht: Wenn die Bundesregierung wirklich will, daß dieses Programm umgesetzt wird, dann sollte sie uns möglichst schnell das mittelfristge Budget, das dafür notwendig ist, mitteilen, weil wir erst dann das realisieren können, was wir, wie ich glaube, hier alle für wünschenswert halten. Ich glaube, daß aus der heutigen Debatte deutlich geworden ist, daß es alle Fraktionen gern sähen, wenn dieser Bereich eine stärkere Priorität bekäme.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stercken.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In einer deutschen Wochenzeitschrift wurde der Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen als ein „Papier ohne Antwort" bezeichnet. Antworten erteilen hätte geheißen zu sagen, wie diese Maßnahmen finanziert werden sollen. Wir haben dieses Dilemma gerade wieder erfahren, daß ohne Personalverstärkung und zusätzliche Sachmittel in folgenden Haushalten eine Erweiterung unseres schulischen Angebots im Ausland schwerlich zustande kommen wird. Zumindest für die Sachmittel leuchtet dies ein. Was die Personalanforderungen in der Zentrale, Frau Staatsminister, betrifft, so würden die vorliegenden Wünsche überzeugender sein, wenn das Bemühen des Auswärtigen Amtes erkannt werden könnte, durch Personalumschichtungen im auswärtigen Dienst neuen Schwerpunkten Rechnung zu tragen.
({0})
Wenn nachgewiesen werden kann, daß trotz Mobilität neues Personal zur Lösung dieser Aufgaben erforderlich wird, müssen daraus Konsequenzen gezogen werden = das räume ich ein -; sonst ist die Hoffnung nicht zu verantworten, die wir hier mit unserer Debatte am heutigen Tage entfachen.
Dies gilt allerdings auch für den Einsatz der Sachmittel. Unser Verfügungsrahmen ist begrenzt. Wir müssen daher die Prioritäten genauer überblicken und abwägen, Frau Schuchardt, als dies der Gesamthaushalt des Auswärtigen Amtes ermöglicht. Die
Sicherung eines ausreichenden und sinnvollen schulischen Angebots im Ausland ist sicher unbestreitbar eine vorrangige Aufgabenstellung. Diese Kenntnis muß uns aber auch befähigen, weniger wichtige Aufgaben einzugrenzen, die nicht einen so existentiellen und fundamentalen Charakter tragen.
Zu drei Problemkreisen, die übrigens den Vorteil haben, daß sie durchaus im Rahmen unserer jetzigen Situation finanzierbar sind, möchte ich Stellung nehmen.
Erstens. An der Bedeutung der Europäischen Schulen, glaube ich, zweifelt niemand in diesem Haus. Dennoch müssen wir mit Bedrückung zur Kenntnis nehmen, daß der Bundesregierung an acht europäischen Schulen im Jahre 1977 allein für die Beteiligung an den Personalkosten Belastungen in Höhe von 24,6 Millionen DM erwachsen sind. Bei einem Einsatz von 200 Millionen DM für rund 100 Schulen wird also für acht Schulen ein rundes Achtel dieses Haushalts allein für Personalkosten verausgabt.
Dies würde mich weniger stören, wenn nicht trotz löblicher Absichten die schulische Versorgung der Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaft nach wie vor die wichtigste Voraussetzung für die Schaffung solcher Schulen wäre. Wir sollten die häufig in der Presse geäußerten Vorbehalte ernst nehmen, daß hier trotz aller Beteuerungen des Gegenteils eine Privilegierung stattfindet, denn nicht das Bedürfnis und der Wunsch nach einer europäischen Schule sind für ihre Schaffung entscheidend, sondern weithin, wie Sie zutreffend gesagt haben, zunächst die Versorgung des öffentlichen Dienstes.
So ist der Vorstoß der Bundesregierung im Obersten Rat der Europäischen Schulen vom Prinzip her zu begrüßen. Ich zweifle jedoch, daß dort große Bereitschaft bestehen wird, das einvernehmlich entwickelte Konzept kurzfristig zu verändern.
Der Hinweis, Frau Staatsminister, den Sie soeben auf den Art. 91 b des Grundgesetzes gegeben haben, könnte einen Weg eröffnen, die eigenen Verantwortlichkeiten wahrzunehmen und nicht darauf zu warten, daß sich die Neun oder später gar die Zwölf auf die Veränderung eines mühevoll zustandegekommenen Konzeptes einigen. Die Lernziele, die die Bundesregierung beschreibt, könnten dann wenigstens in einigen Verantwortungsbereichen stärker zum Tragen kommen. Es wird nicht schwerfallen, dafür eine Bedarfsanalyse zu erstellen, die dann die Grundlage für ein entsprechendes Angebot sein kann.
Der zweite Komplex, zu dem ich einige Gedanken vortragen möchte, ist der der deutschsprachigen Auslandsschulen, wie es Gott sei Dank wieder im Bericht der Bundesregierung zu lesen ist. Ich werte dies übrigens als eine Tendenz der Bildungspolitiker, sich wieder von Worthülsen und esoterischen Leerformeln zu trennen, mit denen wir in Zeiten der bildungspolitischen Euphorie zum Überdruß gefüttert worden sind,
({1})
ohne daß dabei - dies muß ich hinzufügen - der
geistige Inhalt und die Möglichkeiten der Umsetzung erkennbar in Betracht gezogen worden wären.
Die deutschsprachigen Auslandsschulen verursachen uns heute vielerorts, insbesondere im Bereich der Europäischen Gemeinschaft, großen Kummer, weil ihre Kapazität nicht ausreicht, um die vielen Schüler aufzunehmen, deren Eltern im Zuge des Ausbaus unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Ausland dort Wohnung genommen haben. Wenn Sie mit den Eltern von Schülern sprechen, die zu Dutzenden auf diesen deutschsprachigen Schulen nicht unterkommen oder die aus anderen Gründen nicht in die Begegnungsschulen hineingelassen werden, hören Sie von diesen Betroffenen immer wieder das Argument, daß die exportabhängige Bundesrepublik Deutschland wenigstens die Folgekosten tragen solle, die sich aus den Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft ergäben. Denn schließlich wäre es wahrscheinlich um den Haushalt des Auswärtigen Amtes wie des gesamten Bundes schlecht bestellt, wenn sich unsere Exporterlöse in den letzten Jahren nicht in so erstaunlicher Weise erhöht hätten. Es wird auch geltend gemacht, daß das Weltwirtschaftskrisengebiet immer mehr deutsche Waren aufnehme und daß damit die Schwierigkeiten auf unserem Binnenmarkt glücklicherweise wenigstens zu einem Teil ausgeglichen werden könnten.
Natürlich kann der auswärtige Dienst geltend machen, daß diese Aufgabe nicht zunächst - dies ist auch eben von Frau Schuchardt so vorgetragen worden - ein integrierender Bestandteil der deutschen Außenpolitik sein kann. Dennoch möchte ich dieser häufig zu hörenden Argumentation die Überlegung entgegenstellen, daß es auch die Aufgabe des auswärtigen Dienstes ist, im Bereich des Konsularwesens die Sicherung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen deutscher Staatsbürger im Ausland zu gewährleisten. Man kann also eine solche Dienstleistung, wie sie das schulische Angebot darstellt, nicht von den übrigen sozialen Dienstleistungen abkoppeln.
Ich übersehe nicht, daß dafür in der Bundesrepublik Deutschland eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern Voraussetzung ist. Daß dies aber heute nicht in der wünschenswerten Weise vorausgesetzt werden kann, ist die Auswirkung einer konfusen Epoche, in der die Bundesländer nun weiß Gott Veranlassung hatten, der Reformitis einiger unruhiger Geister mit großem Mißtrauen zu begegnen. Aber wir erkennen an, Frau Staatsminister, daß die Bundesregierung in diesem Bereich offenbar wieder auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist.
Das Auswärtige Amt will sich künftig auch, wie schon gesagt wurde, in verstärktem Maße der Firmenschulen annehmen. Ich finde es begrüßenswert, daß deutsche Wirtschaftsunternehmen zur Selbsthilfe geschritten sind und sich im Zusammenhang mit ihren zeitlich oft begrenzten Auslandsprojekten der schulischen Versorgung der Kinder ihrer Mitarbeiter angenommen haben. Es ist anzuerkennen, wenn hier durch das Auswärtige Amt organisatorische, fachliche und auch materielle Hilfe geleistet werden soll. Ein solches Angebot darf aber nicht nur diejenigen begünstigen, die als Mitarbeiter großer Industrieunternehmen ins Ausland gehen. Die Mehr9408
zahl der in der Wirtschaft im Ausland wirkenden Deutschen arbeitet dort in oder für mittelständische Unternehmen, denen für einige Kinder der Betrieb einer eigenen Firmenschule nicht möglich ist. Sie müssen an den deutschsprachigen Schulen oder auch in Begegnungsschulen die gleiche Chance der Versorgung erhalten.
Das Auswärtige Amt beschreibt hier, wie schon vorgetragen, seine guten Absichten, ohne aber Anhaltspunkte für eine Verwirklichung in diesem schwierigen Bereich vorzutragen. Ich kann daher nur die bestimmte Forderung anmelden, daß der Versorgung der Kinder deutscher Arbeitnehmer in den Wirtschaftszentren anderer Länder absolute Priorität eingeräumt wird. Es ist heute oft schwer, die deutschen Experten und Facharbeiter zur Annahme einer solchen Beschäftigung im Ausland zu bewegen. Sie sind leider oft weniger mobil, als manche Sozialwissenschaftler vorausgesagt haben. Wenn noch dazukommt, daß sich Eltern auf Jahre hin von ihren Kindern trennen sollen, weil sie am neuen Ort ihres Wirkens oftmals trotz einer deutschen Schule für sie keine Chance finden, dann sägen wir an dem Ast, auf dem ein entscheidender Teil unserer Prosperität heute beruht. Wir müssen den Unternehmungsgeist fördern und daher auch den unausweichlichen Konsequenzen die nötige Vorrangigkeit einräumen.
Drittens ist das schulische Angebot natürlich auch von entsprechenden Räumlichkeiten abhängig, die uns in der Regel bislang die Bundesbaudirektion in einer überperfektionierten Weise erstellt hat. Aus den Aussagen der Eltern dieser Schüler habe ich entnehmen können, daß sie nicht das Bedürfnis haben, die deutschen Schulgebäude im Ausland als einen Ausdruck für die Kraft und Herrlichkeit der deutschen Nation zu empfinden. Sie würden ein Angebot vorziehen, das sich stärker dem jeweils landesüblichen Stil anpaßt. Meinem persönlichen Geschmack würde es entsprechen, wenn ausländische Baumeister uns in stärkerem Umfang solche Maßstäbe vermittelten. Deutsche Bescheidenheit und Einfachheit haben im Ausland noch nie .unangenehme Gefühle heraufbeschworen.
({2})
Eines ist sicher: die Bauten würden nicht so teuer, und wir könnten mehr tun.
Was aber auf alle Fälle geschehen sollte, ist die Begründung der Prioritäten im Schulbau oder in der Schulerweiterung. Sobald ein überzeugend begründetes Gesamtkonzept für die Prioritäten im Schulbau vorliegt, werden wir uns allen einen umfangreichen Schriftwechsel ersparen, weil leicht anzunehmen ist, daß wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht alles gleichzeitig machen können. Die Kritik, der das heutige Verfahren ausgesetzt ist, bezieht sich eigentlich nur, wenn ich es richtig sehe, auf teilweise sehr undurchsichtige Vorrangigkeiten. Ich meine, unsere Bürger, die draußen unsere Sache vertreten, hätten einen Anspruch, daß ihnen diese Planungen der Bundesregierung plausibel vorgeführt werden.
Meine Damen und Herren, wenn durch diese Debatte der Rahmenplan näher an die Wirklichkeit gerückt würde, könnte sich daraus auch eine verständnisvollere Beurteilung der deutschen Schulpolitik im Ausland in der deutschen Presse ergeben. Ein Überblick über die in diesem Jahr erschienenen Artikel zum Thema deutsche Schulen im Ausland hat mir den Eindruck vermittelt, daß hier überwiegend jedenfalls nur Klage geführt wird, weil das bestehende Angebot fast nirgendwo ausreicht.
Von diesem Platz aus ist vor neun Jahren einmal das Wort gesprochen worden: „Die Schule der Nation ist die Schule." Zwar sollte dieses Wort die Erziehungsaufgaben erheblich eingrenzen; doch diese . Absicht ist ja kürzlich durch den Herrn Bundeskanzler korrigiert worden, als er uns vorführte, daß eigentlich in allen Bereichen wieder erzogen werden dürfe. Wenn dies nicht nur eine Sympathiewerbung bei den Opfern unruhiger Bildungspolitiker sein soll, dann besteht durch ein besseres schulisches Angebot im Ausland jedenfalls die Chance, wenigstens dort die „Schule der Nation" zur „Schule der Nation" zu machen.
({3})
Wenn die fiebrige Phase der auswärtigen Kulturpolitik, wie ich mir, Herr Kollege Lattmann, dies nach wie vor zu bezeichnen erlaube, endgültig hinter uns liegen sollte, so dürfen Sie, Frau Staatsminister, bei der Konsolidierung der deutschen Auslandsschulen mit der Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion rechnen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Enders.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CDU/CSU zur Schulstruktur an deutschen Schulen im Ausland, insbesondere in Spanien, geht unverkennbar auf Intentionen des Elternbeirats der deutschen Schule in Barcelona zurück und verschanzt sich hinter dessen Angaben. Dieser Elternbeirat ist kein offizielles Organ der Schule, sondern eine Gruppe von Eltern zur Vertretung von Interessen, denen wir uns keineswegs verschließen.
Die Eltern haben in einem umfangreichen Schriftverkehr mit Protokollen von Versammlungen und Diskussionen ihre Bedenken gegen die Einführung der neuen Schulstruktur der Verwaltung, den Politikern und den Fachleuten vorgetragen. Die Opposition hat daraufhin wohl eine Fährte gewittert, auf der sie einen politischen Happen zu finden hofft. Das wird nicht der Fall sein, denn die Opposition ließ sich ohne Überprüfung der Fakten dazu verleiten, unzutreffende Sachverhalte zu wiederholen und unbestätigte Sekundarmitteilungen aus früheren Jahren zu übernehmen. Es wird meine erste Aufgabe sein, die Fehler des CDU/CSU-Antrags - um im Schuldeutsch zu bleiben - zu korrigieren.
Erstens. Die neue Schulstruktur wurde der deutschen Schule in Barcelona nicht aufgezwungen, sondern vom Schulvorstand gebilligt und eingeführt.
Dies ist auch nicht etwa derzeit geschehen, sondern der Beschluß liegt - wie auch bei der deutschen Schule in Madrid - schon einige Jahre zurück. Die Bundesregierung könnte auch schwerlich alleinbestimmend fundamentale Änderungen vornehmen, denn das würde sofort die um ihre Kompetenz besorgten Konkurrenten auf den Plan rufen. Gerade an den Auslandsschulen gibt es ein kompliziertes System von Zuständigkeiten: Der Bund ist primär für die finanzielle Förderung zuständig, die Kultusministerkonferenz für Prüfungen und Lehrinhalte und die Kultusminister der Länder für die Lehrerversorgung. Die Opposition müßte demnach ihre Vorwürfe in dem vorliegenden Antrag auch an die Adresse der eigenen Kultusminister richten.
Diese scheinen jedoch in dieser Beziehung gar keinen Grund zur Erregung zu haben, denn in der Pressemitteilung aus Anlaß der 190. Plenarsitzung der Ständigen Konferenz der Kultusminister und -senatoren der Länder vom 28. November dieses Jahres heißt es - und das steht gar nicht in Einklang mit den hier vorgetragenen Meinungen -:
Die Kultusministerkonferenz stimmt in den Grundsätzen und allgemeinen Zielen der auswärtigen Kulturpolitik mit der Bundesregierung in der Tendenz überein, daß auswärtige Kulturpolitik als internationales gegenseitiges Geben und Nehmen verstanden werden sollte. Sie betont, daß innerstaatliche und auswärtige Kulturpolitik sich gegenseitig bedingen und fortlaufend beeinflussen, so daß sowohl die Vermittlung deutschen Kulturgeschehens nach draußen als auch die Darstellung und Vermittlung ausländischer kultureller Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland der intensiven Mitwirkung der Länder bedarf. Die Länder verstehen sich dabei nicht nur als Leistungsträger, sondern als gleichberechtigte Partner des Bundes und sind an einer effektiven und möglichst reibungslosen Zusammenarbeit interessiert.
Diesem Zitat ist nichts hinzuzufügen.
Zweitens. Die Zahl der Schüler an der deutschen Schule in Barcelona ist nicht, wie im Oppositionsantrag angegeben, unter die Grenze von 1 000 gesunken, sondern beläuft sich gegenwärtig - ohne Kindergartenkinder - auf über 1 500. Ich muß also dem Herrn Kollegen Pfeifer widersprechen, der heute vormittag von einem Abbau der Schülerzahl gesprochen hat. Dies trifft nach den mir vorliegenden Zahlen nicht zu. Das ist ein fatales Beispiel dafür, in welche Situation sie kommen können, wenn auf unergiebigen Feldern nach politischem Profil geschürft wird.
Drittens. Wenn auch nirgends die finanziellen Wünsche kritiklos erfüllt werden können, so stehen doch die Zuweisungen an die deutschen Schulen in Spanien nicht schlecht da. Diese erhalten mit 17 Millionen DM den höchsten Betrag, der für solche Zwecke in fremde Länder fließt. Immerhin hat sich - und das hörten wir heute morgen bereits von Frau Staatsminister Hamm-Brücher - der Betrag für die deutschen Auslandsschulen von 1968 bis zur Gegenwart um das Dreifache vervielfacht, von 68
Millionen DM auf 203 Millionen DM. Aufgeschlossene Schulen, die mit der Einführung der neuen Schulstruktur neue zusätzliche Aufgaben übernommen haben, müssen selbstverständlich auch eine erhöhte Berücksichtigung finden.
Warum wurde die neue Schulstruktur überhaupt eingeführt? Ist sie das Ergebnis eines rührigen Pädagogen oder eines erfolgsuchenden Verwaltungsbeamten? Nein, nichts von alledem: Die Verhandlungen und Abmachungen mit den spanischen Behörden über die Gründung deutscher Schulen in Spanien ergaben die Grundlagen für die neue Schulstruktur. Nach Dekreten der spanischen Regierung dürfen" keine spanischen Schulklassen an den dortigen deutschen Schulen geführt werden; denn diese Schülerinnen und Schüler sollen die eigenen spanischen. Schulen besuchen. Dadurch taucht die Frage auf: Können diese unzureichend deutschsprechenden Kinder in deutschen Klassen mit unterrichtet werden und dort das Klassenziel erreichen?
Wenn man dies verneinen muß - und zahlreiche Fachleute taten es - und wenn man den Kindern das schulische Versagen ersparen will, sind Änderungen in der Schulstruktur hinsichtlich der Aufnahme von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen unumgänglich. Dies führte jedoch vor allem bei der Aufnahme von Kindern aus zweisprachigen Ehen in den Kindergarten zu unvertretbaren Härten. Sie wurden, weil vielleicht zu Hause die Mutter mit ihnen in einer anderen Umgangssprache spricht und daher die Deutschkenntnisse nicht ausreichen, vom Besuch des Kindergartens an der deutschen Schule ausgeschlossen.
({0}) - Selbstverständlich.
Auch wenn im Elternhaus kein Zweifel bestand, daß für die Kinder nur die deutsche Bildungsanstalt in Frage komme, scheint der Behördeneifer nicht nur Ärger, sondern auch böses Blut bereitet zu haben.
({1})
- Ja, wir kommen schon noch dazu.
Ich meine, gerade dort, wo eine große Affinität zu der deutschen Schule besteht und wo man sich zu der Begegnung bekennt, müssen Mittel und Wege zur Lösung von Aufnahmeersuchen gefunden werden.
({2})
Es ist unverständlich, warum ein Fünfjähriger wegen mangelnder Sprachkenntnisse weniger wertvoll für die Begegnung sein soll als .ein Kind mit perfekten Kenntnissen.
({3})
Er könnte im Gegenteil vielleicht sogar als Exempel bessere Impulse für die Begegnung geben, ein Muster für die wachsende Annäherung und sich vertiefende Freundschaft sein.
({4})
Die Abweisung des Ersuchens auf Besuch des Kindergartens ließ die Eltern in recht massiver Form bei den zuständigen Stellen vorstellig wer9410
den. Inzwischen - und nun kommt es, Herr Pfeifer - wurde eine Aufnahme erleichtert. Der Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes schrieb bereits am 26. Juni an den Vorsitzenden des Elternbeirates in Barcelona:
Bei der Aufnahme in den Kindergarten und die Grundschule soll der besonderen Lage von Kindern aus deutsch-spanischen Ehen, soweit einer der Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Rechnung getragen werden. Hierbei sind auch solche Fälle zu berücksichtigen, in denen eine Mutter infolge ihrer Eheschließung ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. Diesen Gesichtspunkten soll durch eine großzügige Aufnahmepraxis entsprochen werden, die durch zusätzliche Bemühungen um die sprachliche Förderung dieser Kinder ergänzt wird.
Natürlich muß auch das Elternhaus seinen Beitrag zur Verbesserung der Sprachkenntnisse leisten, damit nicht das Kind wegen fehlender Ausdrucksmöglichkeiten unter dem permanenten Druck des Versagens steht. In den Fällen, in denen Jugendliche überhaupt keine deutschen Sprachkenntnisse besitzen, besteht die Möglichkeit, sich diese bis zum Ende des 4. Schuljahres anzueignen und dann den Seiteneinstieg in die Sekundarstufe zu nehmen. Sie haben dann die Chance, vom 5. Schuljahr ab die Mittel- und Oberstufe bis zum Abitur zu besuchen. Allerdings wird ein intensiver deutscher Sprachunterricht erteilt und der Fachunterricht in Deutsch gegeben, was schon erhebliche Anforderungen an die Schüler stellt. So gesehen, hat der Seiteneinstieg auch seine positiven Seiten. Im übrigen gibt es in Griechenland und in der Türkei aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit für die einheimischen Kinder, vor der Sekundarstufe die deutsche Schule zu besuchen. Dort kann also nur der Seiteneinstieg benutzt werden.
Nachdem sich auch auf einer Regionalkonferenz Vertreter der deutschen Schulen in Spanien Mitte Oktober für die flexible Aufnahme von Kindern aus deutschsprachigen Ehen in die Kindergärten an den deutschen Schulen ausgesprochen haben, ist dem Petitum der Eltern genügend entsprochen worden. Damit ist auch der diesbezügliche Inhalt des CDU/ CSU-Antrags vom 6. September hinfällig geworden, zumal der in Abschnitt 1 verlangte Rahmenplan inzwischen vorliegt und heute diskutiert wurde.
Ich möchte das Kapitel jedoch nicht abschließen, ohne ein Wort der Kritik an die Verursacher der zunächst mißverstandenen Absichten zu richten. Sie hätten es nicht dahin kommenlassen dürfen, daß eine wahre Flut von Äußerungen und Gegenäußerungen sich über eine Vielzahl von Gremien ergoß und Gutachter in Anspruch genommen wurden. Diese Erfahrungen veranlassen mich, deutlich zu betonen, daß es nicht bei den Klauseln eines Briefes oder den Formulierungen einer Konferenz bleiben darf, sondern die Administration in großzügiger Form unsere Vorstellungen verwirklichen helfen muß. Die deutsche Auslandsschule soll keine Privilegiertenschule sein und keine ungerechtfertigten Selektionen vornehmen, sondern die ganze
Breite für den bikulturellen und bilingualen Aufbau ausschöpfen.
Wenn die Begegnungsschulen ihrem Auftrag gerecht werden sollen, müssen sie auch in finanzieller Hinsicht mit dem notwendigem Volumen ausgestattet werden. Bei vielen von ihnen ist der Andrang so groß und ist die Zahl der Räume so klein, daß sie aus allen Nähten zu Platzen scheinen. Eine Zusammenstellung des Fehlbestandes an Schulsälen, Kursräumen und Hallen wird Dimensionen offenlegen, die sich manche von uns heute noch nicht vorstellen können. Unsere Erkenntnis, daß unzulängliche Ausbildung geringere Berufschancen nach sich zieht, gilt auch für die Jugendlichen in anderen Ländern. Daher räume ich neben der hier und dort vertretenen Ansicht über den Vorrang der Wirtschaftshilfe als alleiniges Mittel zur Verbesserung der Lebensbedingungen in weniger entwickelten Ländern den kulturellen Leistungen ebenfalls einen hohen Rang ein und messe ihnen große Bedeutung zu.
Zum Schluß möchte ich noch ein Problem für die deutschen Auslandsschulen andeuten, das sich durch die Kinder der zurückkehrenden Gastarbeiter ergibt. Sie haben oft bei uns über einen längeren Zeitraum hinweg die Schule besucht und verfügen teilweise über gute Sprachkenntnisse. Die Heimatstaaten sind primär eher an deren Reintegration als an einer weiteren fremdsprachlichen Förderung interessiert. Da diese Kinder zu den deutschen Auslandsschulen aus Raummangel nur beschränkt Zugang finden, stehen sie zwischen den Fronten. Manche Fähigkeiten liegen brach oder gehen wieder verloren. Hier tut sich ein Aspekt der sozialen Verantwortung auf, dem wir uns nicht entziehen dürfen und der auch bei den Ausschußberatungen der heute behandelten Drucksachen, gebührend berücksichtigt werden sollte.
({5})
Das Wort hat Frau Staatsminister Hamm-Brücher.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer fast dreistündigen Debatte möchte ich zunächst allen Debattenrednern sehr herzlich für ihre Beiträge danken. Ich glaube, sie waren gerade dort, wo sie kritisch und offen waren, sehr hilfreich. Ich meine, daß wir alle gemeinsam die einzelnen Punkte - ich habe sie mir alle notiert - im Ausschuß durchgehen sollten. Ich bitte um Verständnis, wenn ich mit Blick auf die Uhr und die leeren Bänke versuche, jetzt nur die wichtigsten Punkte herauszugreifen, damit das Stenogramm dieser heutigen Debatte nicht unvollständig bleibt. Ich muß Sie also noch einen Augenblick um Ihre Geduld bitten.
Ich beginne einmal - das entspricht dem Respekt gegenüber der Opposition - mit den Rednern der Opposition. Ich möchte Herrn Kollegen Pfeifer sehr freundschaftlich sagen: Als Sie Ihren Beitrag mit so ungewohnt strengem Blick und so
ungewohnt lauter Stimme begannen, dachte ich: Das kann ja eigentlich nur sehr schlimm werden.
({0})
- Ja, so kann man sich irren. - Daß Sie trotz des so strengen Blickes und trotz lauter Stimme nachher - das meine ich wiederum freundschaftlich -nur offene Türen eingerannt haben, hat mich wieder ein bißchen versöhnt und an den sonstigen Kollegen Pfeifer erinnert.
Herr Kollege Pfeifer, ich stimme mit Ihnen überein, daß es für alles, was kulturelle Belange und Aufgaben betrifft, in unserem Lande leider - wir beide, glaube ich, bedauern das gemeinsam - keine starke Lobby gibt. Aber das ist kein Spezifikum der Bundesregierung, sondern das ist überall der Fall. Wenn man sich die Haushaltsansätze früherer Zeiten anschaut - auch hinsichtlich der Kulturförderung und nicht nur der auswärtigen Kulturpolitik -, dann muß man leider sagen, daß auf Grund der historischen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland, der dezentralisierten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Gesamtstaat, das Bewußtsein für eine Verantwortung in diesem Bereich tatsächlich sehr unterentwickelt ist. Wir können das ändern, wenn wir das wollen. Wir sollten uns hier meiner Ansicht nach nicht entmutigen lassen.
Herr Kollege Pfeifer, Sie haben Dieter Sattler als einen Mann genannt, zu dessen Zeiten es besser gewesen sei. Ich habe Dieter Sattler gut gekannt. Ich war persönlich mit ihm befreundet. Er ist fast zerbrochen an der Tatsache, daß auch er als Leiter der Kulturabteilung seine Vorstellungen so gut wie überhaupt nicht verwirklichen konnte. Dennoch hat er eine bleibende Leistung hinterlassen, auf der wir heute noch aufbauen können.
Sie haben einige Anmerkungen zum Rahmenplan gemacht und mit Recht gesagt, daß Sie im Augenblick die regionale Differenzierung der Planung vermißten. Ich gebe Ihnen das zu. Ich habe ursprünglich beabsichtigt, eine Kommission, eine ganz kleine Gruppe von Fachleuten, auf Reisen zu schicken, damit sie uns einmal Vorschläge für eine regionale Schwerpunktbildung und regionale Differenzierung der Modelle macht. Meine Damen und Herren, das scheitert einfach daran, daß man dann, wenn man in überschaubaren Fristen einen solchen Plan vorlegen will, hierfür ja gar keine geeigneten Fachleute, die für längere Wochen oder Monate solche Reisen antreten, gewinnen kann. Aber wir sollten uns im Unterausschuß einmal gemeinsam überlegen, ob sich das nicht nachholen läßt.
Unbesehen greife ich auch Ihre zweite Anregung auf, daß wir in unsere pädagogischen Vorstellungen für Auslandsschulen welcher Art auch immer die Erfahrungen der Privatschulen in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen. Ich bin ein Vorkämpfer für freie Schulen und meine, daß wir unsere Schulmisere auch im Inland schleunigst bessern könnten, wenn wir mehr von diesen Erfahrungen auch in unser öffentliches Schulsystem einbrächten. Ich bin gern bereit, bei der Fortschreibung des Rahmenplans dies als besonderen Schwerpunkt aufzunehmen. Das gilt ebenso für die Notwendigkeit, berufliche Bildungsgänge auch in den sehr einseitig gymnasial ausgerichteten Schulen einzuführen. Das steht ja einmal im Rahmenplan, und zum anderen habe ich es heute früh auch noch einmal betont.
Ich bin auch mit Ihnen der Meinung, daß sich eine stringente Teilung in Begegnungsschulen hier und deutschsprachige Auslandsschulen dort überhaupt nicht durchhalten läßt, und selbst wenn sie sich durchhalten ließe, wäre sie gar nicht zweckmäßig. Ich möchte den anderen Kollegen, die hier dazu gesprochen haben, auch sagen: Es gibt eben in vielen Teilen der Welt - aus welchen Gründen auch immer - nicht die Möglichkeit, Begegnungsschulen zu errichten. Das gilt für den ganzen Ostblock, das gilt für viele Entwicklungsländer, die solche Schulen einfach gar nicht wünschen - beispielsweise in Äthiopien ist uns ja eine Begegnungsschule gerade zwangsweise geschlossen worden -, das gilt für viele Länder, in denen ein Interesse ausländischer Kinder an einer solchen Begegnungsschule nicht vorhanden ist. Immer dann müssen wir eine Art Alternative anbieten, und das ist eben die mehr oder weniger rein deutschsprachige Auslandsschule. Es gibt also keine stringente Trennung, es gibt keinerlei Graduierung zwischen diesen beiden Schularten. Ich möchte wirklich wünschen, daß wir mehr und mehr statt deutschsprachiger Auslandsschulen auch nach deutschen Lehrplänen unterrichtende Züge an Begegnungsschulen haben. Das kann man sich durchaus vorstellen, und das gibt es ja auch. Aber es ist kein Dogma, daß das eine so sein muß und das andere so; völlig einverstanden.
Ich möchte hier auf Grund einiger Hinweise noch einmal die Frage aufwerfen: Sind diese Auslandsschulen - gleich welcher Prägung - Eliteschulen? Ich glaube, Frau Kollegin Schuchardt hat das behauptet. Meine Damen und Herren, besuchen Sie doch einmal Auslandsschulen und lassen Sie sich einmal die soziale Zusammensetzung der Kinder dort darstellen.
({1})
Das mit den Eliteschulen ist einfach ein Ammenmärchen. Es trifft nicht zu, daß die soziale Zusammensetzung in diesen Schulen irgendwie anders wäre als in einem durchschnittlichen Gymnasium in der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegenteil, gerade die deutschsprachigen Schulen besuchen doch die Kinder der Angehörigen unserer Botschaften, unserer Vertretungen, der Wirtschaftsunternehmen usw., und da gibt es nur einen Botschafter, der vielleicht Kinder hat, aber viele Fahrer und viele Offizianten und viele Angehörige des Bundesgrenzschutzes, so daß mir gerade diese Schulen in ihrer. sozialen Mischung eigentlich immer sehr angenehm erscheinen.
Auch die Sorgen der Kollegen der SPD, Firmenschulen könnten ein kapitalistisches Unternehmen sein, sind unbegründet. Es ist ganz genau umgekehrt, denn in der Regel handelt es sich um Monteure und um Techniker, nicht um Leute aus den
Chefsesseln, die nach Abu Dhabi oder sonstwohin fahren und dort ihre Kinder in die Schule schikken.
({2})
Liebe Kollegen, wir sollten hier also nicht mit solchen Scheuklappen argumentieren. Diese Schulen werden benötigt, und sie haben auch eine außenpolitische Aufgabe, Frau Kollegin Schudhardt, die eben darin besteht, daß wir draußen Vertretungen haben, daß wir draußen wirtschaftliche Zusammenarbeit betreiben, daß wir Fachleute in internationale Organisationen schicken, daß wir Experten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit die Möglichkeit geben, hinauszugehen. Das, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als Außenpolitik und kein elitäres Unternehmen irgendeiner Art.
({3})
Man muß eben manchmal solche Schulen besuchen und sich vor Ort informieren. Dann kann man vielleicht solche Vorstellungen korrigieren. In der Öffentlichkeit wird ja ein völlig falscher Eindruck von dem, was wir da draußen tun, erweckt.
Ich gebe Ihnen zu: Es gibt eine besondere Art von Schulen, nämlich die europäischen. Das liegt einfach daran, daß die Bediensteten der Europäischen Gemeinschaft wirklich hochrangige Leute sind und daß die Kinder aus diesen Familien in der Regel die Mehrheit der Schüler ausmachen. Genau das ist der Grund, daß wir so nachdrücklich in den Rahmenplan geschrieben haben: Auch diese Schulen müssen für Kinder des Sitzlands geöffnet werden. Ich habe einen Kampf geführt, um beispielsweise in die Europäische Schule in Karlsruhe Kinder von Gastarbeitern zu bekommen. Das ist nämlich eine schöne Gelegenheit, die soziale Schichtung der Schüler dieser Schulen aufzulockern. Darauf werden wir bestehen. Wenn wir für solche Schulen so viel bezahlen, müssen sie für Kinder aus allen sozialen Schichten geöffnet werden. Aber dafür können die Schulen nichts. Sondern es ist einfach eine Folge der Konzeption, daß diese Kinder untergebracht werden müssen.
Über die Misere der deutschen Schulen in Spanien reden wir noch im Ausschuß. Auch hier, Herr Kollege Pfeifer, verlaufen die Fronten ja ganz anders als zwischen Regierung und Opposition. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich habe die Prinzipien genannt. Es ist ein Schildbürgerstreich, Kinder gemischtsprachiger Eltern nur deshalb vom Besuch des Kindergartens oder der Grundschule auszuschließen, weil das Kind, wenn der beschäftigte deutsche Vater nicht dazu kommt, zunächst nur Spanisch spricht, da die Mutter in der Umgangssprache mit dem Kind Spanisch spricht. Vor allem diese Kinder müssen wir natürlich in die Schulen aufnehmen. Auch ich bin der Meinung des Kollegen Klein, daß wir darauf achten müssen, daß wir das Interesse an der Aufrechterhaltung der deutschen Sprache und der deutschen Kultur bei Auswanderern, bei gemischten Ehen usw. nach Möglichkeit fördern und unterstützen.
In diesem Zusammenhang: Warum werden solche Aussiedlerschulen oder solche kleinen Siedlungsschulen mit der Zeit weniger? Gehen Sie z. B. mal nach Kanada, wo wir eine Menge sogenannter Sonnabendschulen haben. Das liegt einfach daran, daß zwar dank der Bemühungen der ersten Generation Deutscher, die da hinausgegangen sind, die Kinder zunächst noch in diese Sonnabendschulen gehen und sich mit viel Fleiß und oft auch Erfolg die deutsche Sprache aneignen, daß aber schon deren Kinder es nicht mehr tun. Es ist einfach ein natürlicher Prozeß - Herr Kollege Stercken, sie haben es erwähnt -, daß die Schüler an diesen Schulen weniger werden. Aber an anderen Zentren entsteht ein neues Interesse. Darum sollen wir nicht künstlich noch sehr viel dort investieren, wo es nicht mehr gefragt ist, sondern lieber da, wo heute die Nachfrage so groß ist, daß wir sie nicht befriedigen können.
Zur Planung habe ich schon gesprochen. Ich komme deshalb nun zur Lehrerbesoldung und zur Finanzierung des Rahmenplans. Das sind Kernfragen, um deren Beantwortung ich mich hier keineswegs drücken möchte.
Obwohl ich ahne, was mir in den nächsten Tagen an Briefen auf den Schreibtisch flattern wird, sage ich Ihnen: Die Besoldung unserer Auslandslehrer ist überzogen. Und ich sage Ihnen: Die Besoldung vieler anderer im kulturellen Bereich Tätiger - von den Experten über den DAAD bis zu den Goetheinstituten - ist ebenfalls überzogen. Hier wieder auf vernünftige Relationen zu kommen, können Sie aber nicht einem einsamen Staatsminister übertragen. Da müssen wir schon alle ganz schön zusammenhalten.
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Denn jeder weiß, was Tarifverhandlungen allgemein bedeuten, und erst recht, was Tarifverhandlungen mit dem Ziel bedeuten, die sogenannten wohlerworbenen Besitzstände ein wenig zu redressieren. Ich habe da keine Angst, Herr Kollege Pfeifer. Ich bin in Hessen beinah mal rausgeflogen, weil ich gesagt habe: Wenn Lehrer Ganztagsschulen haben wollen, müssen sie eine Präsenzpflicht von wöchentlich 40 Stunden erfüllen. Das war entsetzlich. Ich mache das auch noch einmal mit den Auslandsschulen. Aber so einfach ist es eben nicht. Der Versuch, über dieses Sonderprogramm auch in der Lehrerbesoldung irgendwo einen neuen Einstieg zu finden, soll ja die Möglichkeit eröffnen, daß wir vielleicht nur für die hochqualifizierten Fachberater diese Spitzengehälter vorsehen und für die Lehrer, die für den normalen Schuldienst entsandt werden, wieder auf die normale Besoldung, die ja sowieso weit über der Inlandsbesoldung liegt, zurückkehren. Hier bin ich für jede Unterstützung sehr dankbar.
Ein Wort zur mittelfristigen Finanzplanung. Herr Kollege Pfeifer, wir sind doch beide keine Planwirtschaftler. Wir beide wissen doch genau, was mittelfristige Finanzplanung heute eigentlich noch bedeutet, nämlich gar nichts. Ich habe überhaupt noch nicht erlebt, daß einmal eine mittelfristige FinanzStaatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher
planung - sei es nach oben, sei es nach unten - wirklich eingehalten wurde. Wenn man mehr Geld hat, wirft man die Planung über den Haufen, wenn man weniger hat, ebenso. Bei Abwägung des Risikos, keinen Plan zu haben oder hier von der Opposition dafür kritisiert zu werden, habe ich es vorgezogen, mich von der Opposition dafür kritisieren zu lassen.
Ich sage Ihnen, ich halte es nach diesen vielen Jahren der Planung mit diesem wunderschönen Zitat von Bert Brecht: „Ja, mach nur einen Plan und sei ein großes Licht, und mach noch einen zweiten Plan, und gehen tun sie beide nicht".
({5})
Wunderschöne Pläne aufzuschreiben, das habe ich auch schon gemacht, meine Damen und Herren.
Die Erfahrung gibt mir recht, Herr Kollege Pfeifer, wenn ich dem Finanzminister im vorigen Jahr vor Verabschiedung der Gesamtstellungnahme zum Enquete-Bericht gesagt hätte: „Lieber Finanzminister, im nächsten Jahr brauche ich dafür überdurchschnittliche Steigerungsraten für den Kulturetat des Auswärtigen Amts", dann wäre die Stellungnahme zum Enquete-Bericht heute noch nicht hier.
Ich habe es statt dessen offengelassen, und in diesem Jahr haben wir eine hohe Steigerungsrate. Da wundert mich unser Freund Picard, der hier behauptet hat, die Steigerungsraten seien zu niedrig. Wir haben seit langem nicht mehr so hohe Steigerungsraten gehabt wie im letzten Jahr - ausgenommen der Schulbau, aber da hängt eben alles; das ist vorhin dargestellt worden -, als ich eine verbindliche Stellungnahme hatte und dem Finanzminister sagen konnte: Hören Sie mal, wenn wir uns nicht blamieren wollen, dann müssen wir für dieses und jenes und ganz konkret für fünf Projekte Geld haben. - Dann habe ich das Geld bekommen.
Wenn Sie mir ein bißchen helfen, mache ich es mit dem Schulrahmenplan im nächsten Jahr ganz genauso. Dann sage ich nämlich: „Wir haben uns zusammengerauft, wir müssen mehr Lehrer entsenden, wir müssen mehr Sprachförderung treiben, wir müssen den Schüleraustausch intensivieren. Wir wollen gar nichts Utopisches, aber wir wollen ein bißchen mehr als im Vorjahr." Dann werden wir ja sehen, ob wir das nicht bekommen. Seien wir also, Herr Kollege, pragmatisch; beißen wir uns nicht an der mittelfristigen Finanzplanung fest. Wenn ich die Chance hätte, darin ein Vehikel zu sehen, daß wir schneller vorwärtskommen, dann mache ich es ganz bestimmt.
Ich muß auch noch einmal auf folgendes zurückkommen, weil es nicht im Raum stehenbleiben sollte. Sie haben gesagt, es gebe bei den Auslandsschulen den Numerus clausus. Ich habe die Sache nachprüfen lassen. Ich habe festgestellt, daß es in der Tat an einer Schule in London eine Warteliste gibt. Das liegt aber am Neubau, der so langsam fortschreitet. Sobald der Neubau fertig ist, wird es auch in London keine Wartelisten für Schüler geben. An den übrigen Schulen konnte dies Gott sei
Dank abgebaut werden. Wir hoffen auch sehr, daß sich das nicht wiederholt.
Was ich dem Kollegen Klein antworten wollte, werde ich ihm persönlich sagen, da er jetzt hier nicht mehr anwesend ist.
Herr Kollege Stercken, Sie sprachen von der Schulbaumisere. Wir müssen zu diesem Problem einmal eine Sondersitzung im Unterausschuß durchführen. Hier könnten wir uns in der Tat von selbstgestrickten Behinderungen befreien, wenn wir dazu übergehen könnten, Schulbauträgervereinen, die Bauarbeiten unter bestimmten Auflagen selber leisten, Zuschüsse zur Verfügung zu stellen. Dann wird sich vielleicht das Bild bezüglich der Kosten, der Architektur und überhaupt der Anpassungsfähigkeit dieser Schulen ganz wesentlich verbessern.
Herr Kollege Müller-Emmert, ich sage gerne zu, regelmäßig einen Überblick über die weitere Entwicklung zu geben. Die Firmenschulen sind sehr schwer zu erfassen, weil sie manchmal schnell aus dem Boden schießen, dann wieder verschwinden oder gar nichts daraus wird. Wir haben durch unsere Vertretungen feststellen lassen: Derzeit haben wir 53 solcher Schulen mit rund 2 500 Schülern. Wir sehen darin einen Ansatzpunkt, um unseren Deutschen, die im Ausland tätig sind, auch wirklich die Mitnahme ihrer Kinder zu ermöglichen. Das sollten wir doch alle unterstützen.
Zu den Problemen in Afrika, die die Kollegen Schäfer und Frau Schuchardt angesprochen haben: In den frankophonen afrikanischen Ländern gibt es wohl manchmal deutschsprachige, aber niemals Begegnungsschulen. Wir stellen aber in allen - ich unterstreiche das - frankophonen afrikanischen Staaten ein zunehmendes Interesse an Deutschunterricht in den nationalen Schulsystemen fest. Ich werde in zwei Wochen nach Westafrika fahren, um einmal alle Kulturreferenten dieser Region zu befragen, in welcher Weise wir gerade diese interessanten Perspektiven fördern und den Nachfragen auch gerecht werden können.
Ich will dem Hohen Haus eine vielleicht erfreuliche Nachricht nicht vorenthalten: Nach sehr geduldigen und sehr intensiven Bemühungen ist es uns jetzt gelungen, alle von uns geförderten größeren Schulen in der Republik Südafrika und in Namibia für Kinder nichtweißer Hautfarbe zu öffnen. Windhuk war der Vorreiter; wir werden auch in Pretoria und Johannesburg sowie in den anderen Schulen andersfarbige Kinder aufnehmen. Wir werden, wo nötig, für sie Deutschkurse veranstalten, damit sie den Anschluß finden. Ich hoffe, daß dieses Beispiel, das die Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, in bezug auf andere mögliche Überwindungen der un erträglichen Apartheid Konsequenzen haben wird.
Fortbildung der Lehrer, Fortbildung der Ortskräfte: Ich weiß nicht, ob Ihnen das eigentlich deutlich geworden ist - ich habe es in den Plan hineingeschrieben -: Wir haben rund 1 300 entsandte Lehrer und über 3 200 Ortskräfte, die zwei Drittel des
Unterrichts erteilen. Sie können sich vorstellen, welche Bedeutung die Fortbildung, die Förderung, die Information dieser großen Zahl von Ortskräften hat, die übrigens in ihrer Besoldung natürlich himmelweit unter der der entsandten Lehrer liegen. Das führt selbstverständlich zu sozialen Spannungen in den Lehrkörpern.
Integration der Kinder von ausländischen Arbeitnehmern in unser Schulsystem: Frau Kollegin Schuchardt, wir haben darüber oft debattiert. Das ist ein unwahrscheinlich schwieriges Problem, und die unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Bundesländern bereitet den Botschaftern aus den entsprechenden Ländern auch große Schwierigkeiten. Darum haben wir ja auch die. gemischten Kommissionen eingerichtet: Wenn ein Botschafter mit der schulischen Versorgung der Kinder seiner Landsleute Schwierigkeiten hat, soll er nicht, nur weil es überall anders ist, bei elf Kultusministerien vorsprechen müssen. Deshalb haben wir diese gemischten Kommissionen eingerichtet, und wir werden ihre Arbeit nach Kräften unterstützen.
Ich überspringe jetzt eine Menge wichtiger Punkte und möchte zum Schluß kommen. Am Anfang hat irgendein Debattenredner gesagt, es seien mehr oder weniger nur fromme Wünsche aufgeschrieben worden. Ich gebe unumwunden zu, daß vieles, was zusammengefaßt und auch konzeptionell überlegt wurde, tatsächlich so etwas wie eine Zielprojektion ist. Aber ich muß Ihnen sagen: Es hat sehr viel Mühe gekostet und sehr vieler. intensiver Auseinandersetzungen bedurft, um wenigstens diese frommen Wünsche zu Papier zu bringen. Wenn Sie alle helfen, daß wir nur schrittweise aus diesen frommen Wünschen oder diesen Zielprojektionen praktische und konkrete Politik machen, kann ich Ihnen nicht dankbar genug sein; denn ich muß Ihnen sagen: Man hat immer das Gefühl, wenn man einmal ein paar Fäden in diesem Bereich in der Hand hat, daß es wie ein Spuk ist. Auf einmal merkt man, daß es Hunderte von Fäden gibt, die in einem kleinen Auswärtigen Amt in einer winzigen Kulturabteilung und in dieser Kulturabteilung in einem winzigen Schulreferat zusammenlaufen. Was dort alles ankommt und beachtet werden muß, geht in der Konstruktion einfach über die Möglichkeiten eines einzigen Amtes und dort wiederum eines kleinen Referates innerhalb einer Abteilung hinaus. Deshalb bitte ich um Ihre Unterstützung, weil wir sonst, wenn wir in einigen Jahren wieder zu diesem Thema zusammenkommen, resignieren müssen. Ich habe aber nicht resigniert, sondern ich glaube, wir haben heute einen guten Anlauf genommen. Ich danke Ihnen vor allem für die kritischen Anmerkungen und bitte Sie auch weiter um ihre kritische Begleitung.
({6})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe damit die verbundene Aussprache.
Wir stimmen zuerst über den Tagesordnungspunkt 5 ab. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß und - mitberatend - an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Haushaltsausschuß. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Wir stimmen nun über Punkt 6 der Tagesordnung ab. Hier schlägt der Ältestenrat Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - und - mitberatend - an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf:
Beratung der zustimmungsbedürftigen Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1979
- Drucksache 8/2307 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft
Zur Begründung hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner das Wort.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dem Deutschen Bundestag zur Zustimmung vorliegende Verordnungsentwurf des Bundesministers für Wirtschaft sieht für 1979 einen Abgabesatz von 6,2 % im Bundesdurchschnitt vor. Die entsprechenden Abgabesätze für die einzelnen Bundesländer bewegen sich zwischen 4,8 % für Schleswig-Holstein und 7,5 % für Nordrhein-Westfalen ohne Mehrwertsteuer. Der Vorschlag der Bundesregierung ist von der Systematik des Dritten Verstromungsgesetzes her unabweisbar. Das Dritte Verstromungsgesetz und die dazu ergangenen Novellen sind mit großer Mehrheit vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden, die letzte Novelle vom November 1977 einstimmig. Ich betone das deshalb, weil die Erhöhung der Abgabe, die wir aus Kostengründen und aus allgemeinen wirtschaftlichen Erwägungen dem Hause nur sehr ungern vorschlagen, darauf beruht, daß die Kohle nach übereinstimmender Meinung dieses Hauses in unserer Energieversorgung ein entscheidendes Gewicht hat und auch in Zukunft haben soll, und auf der übereinstimmenden Überzeugung in diesem Hause, daß die Sicherheit, die wir mit der Nutzung der heimischen Kohle für uns erwerben, ihren Preis hat, über den wir in diesem speziellen Bereich im Augenblick diskutieren.
Die Verstromungsgesetze gewähren den Unternehmen, die deutsche Steinkohle in den Kraftwerken einsetzen oder beziehen, Rechtsansprüche. Der Fonds beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft wird 1979 voraussichtlich Ansprüche in Höhe von 2,78 Milliarden DM befriedigen müssen. Das Gesetz schreibt vor, daß diese Ausgaben durch Einnahmen aus der Ausgleichsabgabe zu decken sind. Würde der derzeit geltende Abgabesatz von 4,5 % auch für 1979 beibehalten werden, würde sich eine Deckungslücke von rund 1 Milliarde DM ergeben.
Bei dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Abgabesatz von 6,2 % werden die Einnahmen rund
I 2,35 Milliarden DM betragen. Die verbleibende Dekkungslücke von wahrscheinlich 420 Millionen DM soll - entsprechend der Ermächtigung des 3. Verstromungsgesetzes - durch Kassenkredite gedeckt werden. Diese Kreditfinanzierung ist im Hinblick auf Sonderbelastungen des Fonds im Jahre 1978, die sich teils aus mit der letzten Novelle verbundenen Systemumstellungen, teils durch die Entwicklung der Wärmepreisdifferenz im Jahre 1978 ergeben haben, vertretbar.
Maßgeblich für die Erhöhung des Abgabesatzes ist vor allem die Entwicklung der Wärmepreisdifferenz zwischen schwerem Heizöl und deutscher Steinkohle. Im Klartext: Wir subventionieren den Kohlepreis frei Kraftwerk für zwei Drittel der eingesetzten Menge auf die Höhe des Preises für schweres Heizöl frei Kraftwerk herunter. Nach den bisher einschließlich Oktober dieses Jahres vorliegenden IstZahlen erwartet die Bundesregierung, daß die durchschnittliche Wärmepreisdifferenz im Jahre 1978 bei 32 DM je Tonne SKE liegen wird. Eine geringere Wärmepreisdifferenz für November und Dezember gegenüber der Wärmepreisdifferenz insbesondere in den Sommermonaten ist dabei in dieser Durchschnittszahl von 32 DM/1 SKE schon einkalkuliert. Wir haben hier also keine Sicherheitsreserven berücksichtigt.
Den Berechnungen der Ausgaben des Fonds im Jahre 1979 hat die Bundesregierung die gleiche Wärmepreisdifferenz von 32 DM je Tonne SKE zugrunde gelegt. Hier gibt es natürlich Unsicherheiten, die einmal von der Entwicklung des Rohölpreises her, seinen Konsequenzen für den Preis des schweren Heizöls, über den Kurs des Dollars bis hin zur Kostenentwicklung der deutschen Steinkohle reichen. Wir werden diese Zusammenhänge im Ausschuß sicher sehr eingehend miteinander diskutieren.
Sollte sich im Laufe des kommenden Jahres - aus welchen Gründen auch immer - eine wesentliche Verminderung der angenommenen durchschnittlichen Wärmepreisdifferenz ergeben, wird der Bundesminister für Wirtschaft unverzüglich eine entsprechende Herabsetzung der Ausgleichsabgabe in die Wege leiten.
Nun zu den Auswirkungen der Ausgleichsabgabe und ihrer Erhöhung für die Verbraucher. Gegenwärtig ist die Kilowattstunde im Länderdurchschnitt mit 0,56 Pfennig Ausgleichsabgabe belastet. Ab 1. Januar 1979 würde diese Belastung nach dem Vorschlag der Bundesregierung auf 0,77 Pfennig je Kilowattstunde ansteigen. Der repräsentative Vier-Personen-Haushalt zahlt gegenwärtig etwa 2,55 DM monatlich in den Fonds; zukünftig würde die monatliche Belastung bei 3,52 DM liegen.
Für Industriestrom würde die Belastung im Gesamtdurchschnitt von gegenwärtig 0,39 Pfennig je Kilowattstunde auf 0,54 Pfennig je Kilowattstunde ansteigen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Industriestrompreise je nach Strombedarf wesentlich stärker streuen als im Haushaltsbereich. Auch ist einsichtig, daß die Erhöhung des Abgabesatzes die stromintensive Industrie besonders trifft. Das Gesetz gestattet aus wohlerwogenen und im Wirtschaftsausschuß früher sehr eingehend diskutierten Gründen keine generellen Ausnahmen.
Wenn an diesen Erhöhungen gerade aus dem Bereich der Wirtschaft Kritik geübt wird, so ist das von der zusätzlichen Kostenbelastung her verständlich. Ich meine aber, Wirtschaftsverbände hätten die Verpflichtung, wenn sie eine solche Kritik anbringen, auch über Alternativen zu diskutieren und Vorstellungen dazu zu äußern, wie denn anders der Einsatz deutscher Steinkohle und die damit verbundene Sicherheit für unsere Versorgung gewährleistet werden sollte. Wenn nämlich über Alternativvorschläge diskutiert werden würde, würde deutlich, daß sich an den Belastungen nichts ändert, daß allerdings möglicherweise Belastungsverschiebungen eintreten.
In eine solche Diskussion müßte natürlich auch einbezogen werden, daß diese Belastungen, die sich für den einzelnen Verbraucher im Preis widerspiegeln, auch ihren guten Sinn haben, weil hier eine pretiale Lenkung Platz greift, die bei jedem anderen System der Subventionierung der Kohlepreise nicht eintreten würde. Ich meine, auch das müßte gerade bei der Kritik aus der Wirtschaft mit in die Überlegungen einbezogen werden. Ich wäre sehr dankbar, wenn bei Äußerungen aus der Wirtschaft nicht nur Kritik im Einzelfall erkennbar würde, sondern auch, wie die Überlegungen aussehen, die dort angestellt werden.
Die Erhöhung bedeutet nicht, daß die bestehenden Strompreisdifferenzen zwischen den Bundesländern weiter verstärkt werden. Die unterschiedlichen Ausgleichsabgabesätze für die einzelnen Bundesländer sorgen nämlich dafür, daß die Ausgleichsabgabe in bezug auf dieses Problem neutral ist.
Der gesunkene Preis für schweres Heizöl und die Verbilligung der deutschen Steinkohle auf dieses Niveau haben zur Folge, daß die Kosten dieser Einsatzenergien in der deutschen Kraftwirtschaft niedriger
sind, als noch vor einem Jahr angenommen. Die Bundesregierung erwartet daher, daß die deutsche Elektrizitätswirtschaft diese Entlastung auf der Kostenseite bei ihrer Strompreispolitik berücksichtigt
({0})
und dadurch die mit der Erhöhung der Ausgleichsabgabe verbundene Mehrbelastung des Stromverbrauchers, natürlich je nach dem Gewicht der genannten Einsatzenergien an ihrer gesamten Stromerzeugung, in Grenzen hält.
Immerhin kann gesagt werden, daß ein wesentlicher Teil der von den Kraftwerken eingesetzten Primärenergien heute mit geringeren Einstandskosten zur Verfügung steht. Das gilt auch, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, für Gas.
Der Bundeswirtschaftsminister wird noch vor den Ausschußberatungen mit dem Vorstand der deutschen Elektrizitätswirtschaft ein Gespräch über dieses Thema führen. Die Länderwirtschaftsminister und -senatoren sind vom Bundeswirtschaftsminister schriftlich gebeten worden, im Rahmen ihrer Preisaufsicht ihr besonderes Augenmerk auf diese Kostenentwicklung zu richten.
Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Verordnungsentwurf des Bundesministers für Wirtschaft. Diese Entscheidung ist eine notwendige Maßnahme im Rahmen - ich betone das - unserer gemeinsam getragenen Politik zur Absicherung der Stromversorgung und zur vorrangigen Rolle der deutschen Steinkohle in der Energieversorgung.
({1})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Narjes.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das wir heute als letztes haben, berührt eines der wichtigsten Themen der Energiepolitik, die Kohle, ein Thema, das lebenswichtig ist für die Menschen an der Ruhr, an der Saar, in Aachen und Ibbenbüren.
({0})
Wenn ich die Behandlung dieses Themas an den strengen Maßstäben messe, Herr Kollege Wolfram, die der Kollege Wehner am vergangenen Freitag für die Präsenz dieses Hauses an wichtige Themen angelegt hat, dann muß ich feststellen, daß Sie jedenfalls Ihren eigenen Maßstäben heute nicht gerecht geworden sind.
({1})
- Herr Kollege Wehner, entweder muß ich daraus schließen, daß Ihre Autorität nicht weiterreicht, oder - ({2})
- Herr Kollege Wehner, es liegt außerdem nahe, aus dieser Präzenz zu schließen, daß das Thema des Vorrangs der Kohle nur ein solches Gewicht bei Ihnen hat.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung legt in einem Eilverfahren den Entwurf einer zustimmungsbedürftigen Verordnung vor, mit dem sie ihren Verpflichtungen nach § 4 des Verstromungsgesetzes nachkommen will. Wir haben nicht den Eindruck, daß ihr dies gelungen ist, ja, wir müssen vermuten, daß sie nicht einmal die Absicht gehabt hat oder haben konnte, Geist und Buchstaben dieses Gesetzes gerecht zu werden.
Schon nach der ersten Vorlage müssen wir Mängel feststellen. Einmal ist der Zeitpunkt der Einbringung zu spät gewählt, um noch vor dem 1. Januar 1979 zu einer Zustimmung des Bundestages zu gelangen. Unsere Mängelliste zeigt, welch ein Maß
an Prüfungsarbeit im Parlament noch zu leisten ist, bevor hier abschließend votiert werden kann. Ich stelle deshalb eingangs fest, daß alle Verzögerungen zu Lasten der Bundesregierung oder/und der Koalitionsparteien gehen, die offensichtlich dazu beigetragen haben, daß diese Vorlage so spät vorgelegt wird.
Zweitens. Die Rechnung, die zur Begründung dieser Vorlage aufgemacht wird, wenn man diese Begründung überhaupt so beschreiben kann, ist nicht stichhaltig. Sie vermeidet vielmehr, sorgfältig nachprüfbare Daten aufzubereiten. Die wichtigste Grundlage, nämlich die Abrechnung für das Haushaltsjahr 1977 der Ausgleichskasse, fehlt uns ebenso wie jede nachprüfbare Schätzung oder vorläufige Abrechnung der Zahlen für 1978. Was Sie eben hier vorgetragen haben, Herr Kollege Grüner, läßt vermuten, daß Sie intensive Berechnungen angestellt haben. Nur wissen wir nichts davon und müssen das erst für uns nachrechnen.
Sodann werden die finanzpolitischen und haushaltsrechtlichen Bedenken gegen die Verstromungsabgabe unzulänglich angesprochen und berücksichtigt. Die Möglichkeiten alternativer Finanzierung werden nicht ausreichend angesprochen, wenn sie überhaupt voll gesehen worden sind. Die Bundesregierung läßt außer Betracht, daß es sich bei der Situation 1978 um ein Ausnahmejahr handeln kann und es auf Grund der besonderen Devisen- und Ölpreissituation des Jahres 1978 nicht gerechtfertigt ist, so weitreichende Folgerungen für 1979 zu ziehen, wie es diese Vorlage tut.
Schließlich ist das Gebot mißachtet, aus stabilitätspolitischen Gründen administrierte Preise so stabil wie möglich zu halten. Ihre Hinweise auf die Möglichkeit, die Verbraucher im Tarifbereich zu entlasten, überzeugen nicht.
Einige Hinweise zu diesen Mängeln. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als ob sie nur eine vorübergehende Situation des Jahres 1978 in einem Überrumpelungsverfahren ungebührlich ausnutzen wolle; denn den in den vergangenen Monaten entstandenen hohen Wärmepreisdifferenzen von 30 bis 35 DM stehen gegenüber die bevorstehende Erhöhung des Rohölpreises in der OPEC wahrscheinlich um 5 bis 10 %, die eingeleitete Politik zur Überwindung der Dollarschwäche, eine bereits heute erkennbare Tendenz zu höheren Preisen bei schwerem Heizöl, insbesondere die Auswirkungen der von der Mineralölindustrie eingeleiteten Investitionen in zusätzliche Konversionsanlagen, die schon 1979 am Markt spürbar in Erscheinung treten werden und die Phase des großen Heizölangebots abklingen lassen dürften. Allein schon diese Tendenzen und Sachverhalte, über die die Bundesregierung besser als die Opposition unterrichtet sein müßte, hätten Sie von der Vorlage einer Verordnung, so wie sie heute vor uns liegt, abhalten müssen.
({4})
Wenn auch nur einige der vorerwähnten Tendenzen
so eintreten, wie sie sich heute abzeichnen, wird
sich die von der Bundesregierung offensichtlich
ihren Mittelanforderungen zugrunde gelegte Wärmepreisdifferenz wesentlich mindern.
Die in der vorliegenden Drucksache 8/2307 erstellte Begründung für die Erhöhung des Kohlepfennigs ist mithin eine Zumutung für den Bundestag. Mein erster Eindruck schon heute ist, daß es ohne eine Fünf vor dem Komma keine Zustimmung der Opposition zu einer solchen Verordnung geben kann.
({5})
Wir fordern die Bundesregierung daher auf, die hier von uns aufgezeigten Versäumnisse der Rechnungslegung, für die wir keine sachliche Rechtfertigung erkennen, so schnell wie möglich nachzuholen. Ohne dieses Rechenwerk kann die Beratung im Wirtschaftsausschuß nicht beginnen. Dazu genügt keine Unterrichtung auf der Basis von Tischvorlagen. Ausreichende Prüfungs- und Vorbereitungsfristen für die Opposition sind erforderlich.
Diese Forderungen liegen uns um so mehr am Herzen, als wir uns der finanz- und verfassungspolitischen Problematik der Ausgleichskassen immer besonders bewußt geworden sind. Ich verweise jetzt insbesondere auf die Rede, die der Kollege Professor Zeitel im November 1974 gerade zu diesen Aspekten gehalten hat. Gerade weil es sich um steuerähnliche Tatbestände und um eine Art Nebenhaushalt handelt, ist dieses Parlament um so stärker verpflichtet, mit größter Sorgsamkeit ihre Entwicklung zu prüfen und die Gefahr ihres Mißbrauchs schon im Ansatz auszuschließen. Heimliche Abgabenerhöhungen dürfen nicht durch ein saloppes Verfahren prämiiert werden.
({6})
Allein die Vorlage dieses Jahres beweist die Richtigkeit der seinerzeit vom Wirtschaftsausschuß in das dritte Verstromungsgesetz eingefügten Zustimmungsbedürftigkeit für Verordnungen, die einen Kohlepfennig über 4,5 0/0 hinaus zum Ziel haben.
({7})
Um die Tragweite des Verordnungsentwurfs richtig zu ermessen, müssen wir zeitlich aber auch über das Jahr 1979 hinaussehen. Wenn nach den vorliegenden Prognosen mit einem wirtschaftlichen Wachsturn von 4 % gerechnet werden kann, bedeutet das auf jeden Fall auch einen entsprechenden Stromzuwachs. Diese Entwicklung bedeutet auch eine verbreiterte Basis für das Aufkommen des Kohlepfennigs. Überschlägt man sie nur einmal für fünf Jahre, dürfte sich im Bereich der öffentlichen Stromversorgung schon eine Umsatzerhöhung der Stromwirtschaft von 35,6 Milliarden DM 1978 auf mindestens 43 bis 45 Milliarden DM ergeben. Entsprechend wird das Aufkommen der Ausgleichskasse steigen.
Schon diese überschlägige Berechnung führt zu der Annahme, daß der erforderliche Prozentsatz der Ausgleichsabgabe schon im Verlauf der nächsten Jahre wieder gesenkt werden kann, vielleicht auf 5 %.
Das Problem im Jahre 1979 besteht also im wesentlichen darin, eine Finanzlücke zu schließen, die, jedenfalls in ihrer heute erkennbaren Größe, nur vorübergehenden Charakter hat. Damit stellt sich die Frage, ob es nicht ausreicht, nur den Kreditrahmen zu erhöhen. Aufgrund des Ausgleichssystems nach dem Dritten Verstromungsgesetz sollte es möglich sein, ein begrenztes Defizit in den folgenden Jahren abzutragen. Dieser Aspekt ist in Ihrer Rede, wenn ich sie richtig verstanden habe, jetzt deutlicher zum Ausdruck gekommen als in der Begründung, die uns gegeben worden ist.
Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe von 4,5 auf 6,2 % erscheint der Fraktion der CDU/CSU um so weniger erklärlich, als auch die Sprecher des deutschen Steinkohlenbergbaus eine solche drastische Erhöhung weder für sinnvoll noch für notwendig halten. Ich verweise dazu auf die „Bergbaunachrichten" vom 2. November. Und endlich vermissen wir Hinweise auf die regionalpolitischen Auswirkungen der Vorlage.
Wir verstehen schließlich diesen Schritt um so weniger, als es weder mit dem Stabilitätsziel vereinbar ist, den privaten Verbraucher überzustrapazieren, noch industrie- und regionalpolitisch wünschenswert ist, stromintensive Wirtschaftszweige zu gefährden oder stromintensive Produktionen geradezu in das Ausland hinauszudrängen.
({8})
Die CDU/CSU-Fraktion hat sich stets uneingeschränkt für den deutschen Steinkohlenbergbau und die in ihm Beschäftigen an Rhein, Ruhr, Saar, in Aachen und Ibbenbüren eingesetzt. Sie hat deshalb die Verstromungsgesetzgebung voll mitgetragen, durch die der Steinkohleabsatz der deutschen Reviere im Strombereich sichergestellt werden soll. Gerade deshalb muß sie auf einer sorgfältigen Prüfung bestehen, damit ein gewagtes Instrument nicht verschlissen wird.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wolfram.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Narjes, mit schnellen Worten und mit viel Redeaufwand haben Sie uns nicht gesagt, wie Sie sich in dieser Frage denn konkret entscheiden werden. Aber das wundert uns nicht, denn auch in dieser Frage gibt es bei Ihnen keine einheitliche Meinung. Die Abgeordneten aus den Bergbaurevieren und Bergbauländern sind der Meinung, daß das die logische Folge des Gesetzes ist. Die CSU kündigt ein Nein an, wie so oft. Eine sehr, sehr widerspruchsvolle Haltung. Ihr Wortschwall täuscht nicht darüber hinweg, daß Sie auch in dieser Frage keine geschlossene Meinung haben.
Was noch schlimmer ist: Sie nehmen nicht einmal zur Kenntnis, daß das, was hier geschieht, die Folge eines von uns gemeinsam verabschiedeten Gesetzes
Wolfram ({0})
ist. Sie wissen genauso gut wie wir, daß das Gesetz die Festlegung der Ausgleichsabgabe vorsieht, daß wir hier dem Gesetz Genüge tun müssen. Würden wir zum 1. Januar nicht den Mittelbedarf über eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe befriedigen, wäre die Folge, daß wir gegen ein geltendes Gesetz, das Sie mitgetragen haben, verstoßen würden, ganz abgesehen davon, daß wir damit den Zehnjahresvertrag zur Verstromung gefährden würden. Der basiert ja u. a. auf der durch das Dritte Verstromungsgesetz getroffenen Regelung.
({1})
Herr Dr. Narjes, ich hatte eben vergessen zu sagen: Sie sollten es unterlassen, über die Präsenz zu reden. Ich will nicht auszählen, wieviel Abgeordnete der CDU/CSU im Plenum sind und wieviel von den Koalitionsfraktionen. Aber schauen Sie einmal dort hinüber! Es sind wesentlich mehr Sozialdemokraten im Saal als Abgeordnete der CDU/CSU.
({2})
Aber ich will ja zur Sache selbst sprechen.
Wenn Sie der Bundesregierung vorwerfen, sie habe keine Berechnungen vorgelegt, so stimmt das nicht. Die Berechnungen liegen vor. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, sie abzufragen, hätten Sie sie genauso gut haben können wie wir. Auch ich habe sie mir im Wirtschaftsministerium besorgt.
Eine zweite Bemerkung zu Ihrem Vorwurf, es gebe keine alternativen Überlegungen zur Finanzierung. Sie wissen, wir müssen dem Gesetz Genüge tun. Sie können gar nicht kurzfristig Alternativen bringen. Und zu Ihrem Vorschlag, vorübergehend den Kassenkreditrahmen aufzustocken, habe ich fast die Vermutung, daß Sie das bei uns „abgekupfert" haben. Das war eine alternative Überlegung der SPD-Bundestagsfraktion seit Wochen. Wir haben sie mit dem Wirtschaftsminister diskutiert. Wir hätten eine geringe Erhöhung der Ausgleichsabgabe und dafür eine Erhöhung des Kassenkreditrahmens lieber gesehen. Sie müßten eigentlich wissen, daß das nur möglich gewesen wäre, wenn wir das Dritte Verstromungsgesetz geändert hätten. Das ist kurzfristig einfach nicht machbar. Es wäre auch die Frage gewesen, ob es sich gelohnt hätte, ausschließlich deshalb den Kassenkreditrahmen - wie wir uns das ursprünglich einmal vorgestellt haben - von 500 Millionen DM um einen weiteren Betrag aufzustocken.
Sie haben gesagt, daß Sie als CDU/CSU unter diesen Voraussetzungen nicht bereit seien zuzustimmen. Das müssen Sie vor Ihrem eigenen Gewissen verantworten. Sie müssen das vor allem auch einmal gegenüber dem Gesetz verantworten, das Sie mitgeschaffen haben.
Auf jeden Fall ist es so: Wir Sozialdemokraten wissen einfach, daß es zur Zeit keine andere Möglichkeit gibt. Die Kraftwerksbetreiber haben Rechtsansprüche. Die Bundesregierung muß dem Gesetz
entsprechend handeln. Das, meine Damen und Herren, ist die eine Seite des Problems.
Die andere ist sicherlich - und meine Vorredner haben es schon angedeutet. -, daß vor allem im letzten Jahr die Preise für schweres Heizöl extrem gesunken sind. Sie sind zur Zeit extrem niedrig. Der Dollarkursverfall hat das Seine dazugetan. Ein Überangebot an Öl, insbesondere an schwerem Heizöl, bringt die Mengen.
Wir wissen, daß wir den Preis der Einsatzkohle nach dem im Gesetz von uns gemeinsam vorgesehenen Mechanismus auf dieses Niveau herabschleusen müssen. Das bedeutet für die Elektrizitätswirtschaft günstige Einsatzkosten bei schwerem Heizöl und bei Steinkohle, außerdem auch bei Erdgas, weil die Gaspreise an die Ölpreise gekoppelt sind.
Es ist unbestreitbar, daß dadurch bei der Elektrizitätswirtschaft ein Entlastungseffekt eintritt, über dessen Höhe man sich streitet. Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke rechnet mit 420 bis 430 Millionen DM im Jahr, der Bundeswirtschaftsminister mit 500 Millionen DM im Jahr. Mir vorliegende Berechnungen weisen 800 Millionen DM bis 1 Milliarde DM pro Jahr aus - einschließlich des Entlastungseffekts beim Gas, wobei dort eine Zeitverzögerung zu beachten wäre.
Für unsere Stromabnehmer und Stromverbraucher ergibt sich deshalb die paradoxe Situation, daß die Bundesregierung und das Parlament die Ausgleichsabgabe auf Grund des Mechanismus im Gesetz erhöhen müssen, obwohl gleichzeitig die Einsatzkosten der Stromerzeuger sinken.
Für uns gibt es deshalb nur eine Konsequenz: Wir müssen auf der einen Seite dem Gesetz Rechnung tragen, auf der anderen Seite müssen aber die Elektrizitätsversorgungsunternehmen den Entlastungseffekt bei ihrer Preiskalkulation berücksichtigen und an den Stromverbraucher weitergeben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sehr darauf achten, daß dies auch geschieht.
Die Bundesregierung hat sich - Herr Staatssekretär, ich habe das mit Freude zur Kenntnis genommen - diese unsere Forderung zu eigen gemacht. Sie haben bereits angedeutet, daß der Wirtschaftsminister die Länderwirtschaftsminister anhalten wird, ihrer Preiskontroll- und Preisfestsetzungspflicht nachzukommen. Ich glaube, die Elektrizitätswirtschaft wäre gut beraten, wenn sie schon von sich aus entsprechend handelte.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen Hinweis: Die Tatsache, daß der Dollar in den letzten Monaten so tief gesunken ist, hat natürlich auch einen Entlastungseffekt für alle Energieverbraucher in der Bundesrepublik.
Zur Zeit kann man davon ausgehen, daß wir für Rohölimporte im Jahr rund 4 Milliarden DM weniger ausgeben müssen als zur Zeit des Höchststandes während der Ölkrise. Auch die Verbraucher außerhalb der Kraftwirtschaft werden entlastet, weil eben der Preis für schweres Heizöl extrem niedrig ist.
Im übrigen weise ich - Herr Dr. Narjes, Sie haben das unterschlagen - bezüglich elektrizitätsintensiWolfram ({3})
ver Unternehmen und Betriebe auf die Härteklausel hin, die gerade nach unserem Willen entsprechend großzügig gehandhabt wird, damit hier nicht Schwierigkeiten entstehen.
Die Ausgleichsabgabe wird nach Bundesländern weiter unterschiedlich sein, wobei ich nur im Telegrammstil vermerken möchte: Die Strompreisunterschiede sind nicht primär auf die Einsatzenergie zurückzuführen. Es gibt viele Gründe, weshalb es regionale Strompreisunterschiede gibt. Herr Dr. Narjes, Sie und Ihre Fraktion wären gut beraten, das einmal zu prüfen und dann die Gründe und Ursachen für Strompreisdifferenzen zur Kenntnis zu nehmen.
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mutet den Stromverbrauchern diese Neuregelung, die aus den bereits dargelegten Gründen erforderlich ist, nicht leichten Herzens zu. Wir bitten die Bundesregierung, die Elektrizitätswirtschaft zu drängen, den Entlastungseffekt bei den Strompreisen weiterzugeben, die Länderwirtschaftsminister aufzufordern, ihrer Kontrollpflicht nachzukommen und auf die Elektrizitätsversorgungsunternehmen einzuwirken.
Wir bitten die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, jeden Monat exakt die Entwicklung der Wärmepreisdifferenz zwischen schwerem Heizöl und Steinkohle zu prüfen und uns unverzüglich eine Senkung der Ausgleichsabgabe vorzuschlagen, wenn es die Zahlen ermöglichen.
Unabhängig davon erkläre ich für die SPD-Fraktion erneut folgendes.
Erstens. Die in den Rahmenvereinbarungen zwischen Elektrizitätswirtschaft und Bergbau vorgesehenen Einzelverträge sind bislang unbegreiflicherweise noch nicht vollständig zustande gekommen. Es fehlt z. B. immer noch die einzelvertragliche Bindung insbesondere des größten Stromerzeugungsunternehmens RWE. Ich frage Sie, Herr Staatssekretär, Ihren Minister und Ihr Haus, wie lange wollen wir gemeinsam noch der Verschleppungspolitik dieses selbstherrlichen größten Energieversorgungsunternehmens in der Bundesrepublik zusehen?
Zweitens. Das energiepolitische Ziel, die Stromerzeugung aus inländischer Steinkohleförderung zu stabilisieren und langfristig auszubauen, setzt voraus, daß dafür entsprechende Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung stehen, und zwar in Form wirtschaftlicher und umweltfreundlicher Kraftwerke. Deshalb ist jetzt endlich ein umfangreiches Neubauprogramm an Steinkohlekraftwerken erforderlich, und zwar zunächst und vor allem als Ersatz für bestehende alte, kleine und die Umwelt überdurchschnittlich belastende Kraftwerke. Anschließend sind Zubauinvestitionen erforderlich, um die wachsende Steinkohleverstromung zu ermöglichen.
({4})
Ich begrüße in diesem Zusammenhang namens der SPD-Fraktion ausdrücklich die von Bischof Dr. Hengsbach und Präses Immer vorgelegte Studie der Rhein-Ruhr-Stiftung zur „Luftverbesserung durch
Neubau von Steinkohlekraftwerken". - Ich nehme Ihren Zwischenruf dankend auf. Empfehlen Sie mal Bayern, Baden-Wüttemberg, Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern, endlich einmal Standorte für Steinkohlekraftwerke auszuweisen, und den Bau von Steinkohlekraftwerke dort einzuleiten.
({5})
- Was wir in Nordrhein-Westfalen zu tun haben, das tun wir in Nordrhein-Westfalen. Wenn andere Bundesländer dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen auf diesem und auf anderen Gebieten folgten, sähe es in der Bundesrepublik in weiten Bereichen besser aus.
({6})
Drittens. Von der Elektrizitätswirtschaft fordern wir, daß sie endlich ihre zögernde Haltung gegenüber dem Neubau von Steinkohlekraftwerken aufgibt. Voerde muß jetzt und sehr schnell gebaut werden. Auch hier blockiert einmal mehr RWE. Neue Steinkohlekraftwerke - ich habe es schon gesagt
- müssen in anderen Bundesländern geplant und gebaut werden. Die Sozialdemokraten sind das Pokerspiel der EVUs leid.
Viertens. Ich verkenne in diesem Zusammenhang nicht, daß eine sachgerechte Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ebenfalls zügig erfolgen muß. Diesen Appell richte ich an uns selbst und an die Bundesregierung.
Ich will abschließend noch ein Wort zu den Belastungen sagen. Herr Dr. Narjes hat den Eindruck erweckt, als würde unsere Wirtschaft ob der Belastungen zusammenbrechen, die da auf sie zukommen, und - ({7})
- Gut, dann nehme ich das zurück. Ich bin ein freundlicher und höflicher Mensch. Zumindest hat er das dramatisiert, aber das entspricht vielleicht seiner Art.
({8})
- Na, das ist ja gut, daß Sie die Kameraden jetzt auch herantragen.
Im Durchschnitt aller Verbraucher einschließlich Industrie und Haushalte beträgt die Belastung auf der Basis 1977 bei 41/2 % bislang 0,56 DPf, also knapp einen halben Pfennig. Im Bundesdurchschnitt 1979 bei 6,2 % wird sie auf 0,77 DPf pro Kilowattstunde steigen, also knapp 3/4 Pfennig betragen.
Bei einem durchschnittlichen Vierpersonenhaushalt hat die monatliche Belastung bislang 2,55 DM betragen. Bei der Neuregelung wird sie auf 3,52 DM steigen, Herr Dr. Narjes.
Im Gesamtbereich der Industrie hat es bisher 0,39 DPf pro Kilowattstunde ausgemacht. Ab 1. Januar 1979 wird der Betrag um 0,15 DPf auf 0,54 DPf pro Kilowattstunde steigen, also auf etwa einen halben Pfennig.
Wolfram ({9})
Ich bin sicher, daß unsere Bürger dieser Versicherungsprämie für unsere Politik „Weg vom Öl" und „Priorität Kohle- vor Kernenergiestrom" und „Sicherung der zukünftigen Energie- und Stromversorgung" zu zahlen bereit sind. Hier handelt es sich nicht um Subventionen, sondern dm eine Sicherheitsprämie.
Im Gegensatz zur CDU/CSU, die wieder einmal offenläßt, welche Haltung sie letzten Endes einnehmen wird, erkläre ich für die SPD-Bundestagsfraktion: Wir werden der Verordnung zustimmen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Darlegung des Herrn Staatssekretärs Grüner und die erste Aussprache zu der vorliegenden Verordnung über die Erhöhung der Ausgleichsabgabe, des sogenannten Kohlepfennigs, haben bereits, wie ich meine, Wesentliches verdeutlicht. Es ist die gute Absicht und die energiepolitische Notwendigkeit, die grundsätzlich hinter der Erhebung eines Kohlepfennigs zu sehen ist. Diese Ausgleichsabgabe, die von jedem Stromverbraucher zu zahlen ist, hat ihre Begründung darin, Wettbewerbsnachteile der Kohle auszugleichen, und zwar in zweierlei Hinsicht: zum einen die Investitionsmehrkosten eines Kohlekraftwerks gegenüber einem Heizölkraftwerk, zum anderen die Betriebsmehrkosten eines Kohlekraftwerks gegenüber einem Kraftwerk, das mit schwerem Heizöl befeuert wird.
Dies ist im Grundsatz schon seit langem gemeinsame Haltung aller Parteien in diesem Hause, zu der sich auch die FDP stets bekannt hat. Seit 1965 kennen wir diese Verstromungsgesetze. Im letzten Jahr haben wir sie hier im Plenum einvernehmlich geändert.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen, daß sich die FDP dabei stets für einen leistungsfähigen Steinkohlebergbau in unserer Republik ausgesprochen hat. Die FDP bekennt sich nachdrücklich zum besonderen Einsatz unseres einzigen wesentlichen heimischen Energieträgers, der Steinkohle, zur Stromerzeugung. Wir wissen, daß damit die Erhaltung von Arbeitsplätzen und verschiedene andere regionale Aspekte sehr nachdrücklich verbunden sind. Für diesen sicheren, durch bundesdeutsche Steinkohle hergestellten Strom und für die damit verbundene erhöhte Energiesicherheit nehmen wir Mehrkosten, die auf alle Verbraucher umgelegt werden müssen, gleichsam als Versicherungsprämie in Kauf. Wir erwarten allerdings von der Preisaufsicht der Bundesländer ein wirklich wachsames Auge, damit diese Mehrkosten auch wirklich auf alle Stromverbraucher umgelegt werden.
Wir haben auch festzustellen - Herr Staatssekretär Grüner und Kollege Wolfram haben dies verdeutlicht -, daß unter Beachtung der gegenwärtigen Struktur des Verstromungsgesetzes ein erhöhter Anspruch, d. h. eine Erhöhung des Kohlepfennigs, rechtlich unabweisbar ist,
({0})
wenn er durch eine erhöhte Investitionskostendifferenz und/oder Betriebskostendifferenz nachgewiesen wird. Dies ist, wie wir meinen, im Grundsatz und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Struktur des Verstromungsgesetzes der Fall. Allerdings muß, um den Zwischenruf aufzunehmen, wohl hinzugefügt werden, daß die Situation, die dies begründet und belegt, in der Tat Merkmale aufweist, die wir vielleicht alle zusammen in dieser Weise vor zwei, drei, vier Jahren nicht erwartet haben und die. insbesondere eine Schätzung, eine Fortschreibung dieser Einsichten und Daten für die Zukunft mit manchen Fragezeichen versehen lassen. Das ist auch, wenn ich das recht vernommen habe, von Staatssekretär Grüner angesprochen worden.
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Worin liegt nun diese besondere, vielleicht auch ein wenig paradoxe, zumindest aber schwer verständliche gegenwärtige Situation? Sie liegt doch wohl darin, daß der Verbraucher, der Stromverbraucher zunächst mit einer höheren Abgabe belastet wird, obwohl festzustellen ist, daß gerade einige Energieträger, insbesondere die große Menge der importierten Energien, durch einige Faktoren im Preis deutlich gefallen sind. Die Faktoren, die dafür ursächlich heranzuziehen sind, sind der rasante Dollarverfall, weiter wohl die insgesamt ruhige Konjunkturlage und wohl eine ungünstige Raffineriestruktur, die letztlich dazu beigetragen hat, den Preis für schweres Heizöl niedrig zu halten. Wenn man diesen Preis für schweres Heizöl, der ja für diese Verordnung eine Schlüsselposition hat, betrachtet, so ist festzustellen, daß er nach der OPEC-Krise vor fünf Jahren einen eklatanten Sprung gemacht hat, dann kontinuierlich leicht gestiegen ist und erst in diesem Jahr einen deutlichen Knick nach unten gemacht hat, der im wesentlichen eigentlich nur mit der Entwicklung des Dollarkurses zu begründen ist. Weil wir diese Subvention der Kohleverstromung an dem Referenzpreis für schweres Heizöl orientieren, sehen wir uns jetzt in der Situation, die Ausgleichsabgabe auf dem dafür durch das Verstromungsgesetz vorgeschriebenen Wege anzuheben. Nur meinen wir auch, daß diese Situation schon einige unerwartete und ungewöhnliche Züge hat, und da wir hier ja .nur die erste Lesung haben, bleibt es den Beratungen im Ausschuß vorbehalten, an Hand von detaillierteren Zahlen im einzelnen in die Angelegenheit einzusteigen.
Herr Kollege Dr. Narjes, der Vorwurf, den Sie geäußert haben, daß hier in der Vergangenheit keine Unterlagen, keine Abrechnungen hinsichtlich des Fonds beigebracht worden seien, stimmt in dieser Pauschalierung nicht; denn die Abrechnung 1977 ist dem Hohen Hause in einer Bundestagsdrucksache zugegangen,
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sie ist dem Hohen Hause Mitte des Jahres - im Juli oder im August, wenn ich es aus dem Kopf sagen kann - zugegangen,
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und laut Gesetz wird die Abrechnung 1978 erst im nächsten Jahr zu erfolgen haben, so daß ihr Vorwurf hier zumindest teilweise ins Leere geht.
Abschließend möchte ich noch mit einigen wenigen Worten auf die in einem solchen Zusammenhang wohl unvermeidliche Frage eingehen, worin eigentlich die Auswirkungen bestehen werden, wenn wir diese Verordnung annehmen, und darf darauf vielleicht in drei Punkten mit ein paar Sätzen eingehen.
Erstens. Was die Verbraucher anlangt, so werden alle mit einer erhöhten Ausgleichsabgabe belastet, und das wird bei einer vierköpfigen Familie im Monatsschnitt zwischen 1 und 2 DM ausmachen. Wenn man allerdings alle Haushalte in der Bundesrepublik betrachtet und dann auf den Fonds schaut, wissen wir alle miteinander, daß es sich hier mittlerweile insgesamt um ein erhebliches Finanzvolumen handelt, das zusammenkommt und zur Subventionierung der Stromerzeugung durch Verwendung von Kohle verwendet wird.
Was die Belastung der Industrie anlangt, so wird sie naturgemäß sehr unterschiedlich sein, und zwar je nachdem, wie hoch jeweils der Kostenanteil der Energie innerhalb der gesamten Produktion und ihres Kostenskeletts sein wird. Das wird in einigen Branchen sehr gering sein, aber bei der Aluminiumverhüttung einen sehr dominanten Faktor ausmachen.
Alles in allem, insbesondere, aber mit Blick auf die privaten Verbraucher, ist festzustellen, daß keine Preiserhöhung schön ist, aber unter den, wie wir meinen, richtigen generellen sicherheits- und energiepolitischen Aspekten ist diese Erhöhung nötig und auch zumutbar.
Zum zweiten: Die Stromverbraucher der einzelnen Bundesländer werden in unterschiedlicher Weise belastet; das halten wir für gut und richtig, und es entspricht auch der bestehenden Praxis. Konkret wird dies bedeuten, daß Bundesländer mit einem hohen Strompreisniveau einen kleineren Prozentzuschlag erhalten und Bundesländer mit einem niedrigen Strompreisniveau einen höheren Zuschlag hinnehmen müssen. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß eine noch etwas stärker ausgleichende Tendenz anzustreben wäre. Wir sehen in dieser Modalität der Konzipierung der Ausgleichsausgabe einen Beitrag, den Strompreis für alle Verbraucher im Bundesgebiet in erträglichen Bandbreiten zu halten. Und dies ist richtig, weil wir davon ausgehen, daß alle Bundesbürger bezüglich der Deckung von elementaren und unabweisbaren Bedürfnissen - und dazu zähle ich den Konsum von Strom und die Energiebereitstellung - einen Anspruch auf etwa gleichwertige Lebenschancen haben, dem wir Rechnung tragen wollen.
Ein Drittes. Bei Kohlestrom erzeugenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen werden sich bei Annahme dieser Verordnung die Einnahmen im Jahr 1979 verbessern, ohne daß auf der Kosten- und Ausgabenseite entsprechende reale Belastungen entstehen. Die Ausgabenseite der EVUs steigt lediglich im Prozentsatz des Kohlepreisanstiegs; und der wird hoffentlich erträglich bleiben. Die Entschädigung aber erfolgt gemessen am Referenzpreis des schweren Heizöls und übersteigt diese reale Kostensteigerung. Insofern bewirkt die vorliegende Verordnung letztlich eine erhöhte Gewinnerwartung bei den Kohlestromerzeugern im Jahr 1979.
Wir erwarten darum - lassen Sie mich damit abschließen -, daß die Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Jahr 1979 eine äußerst vorsichtige Preispolitik betreiben werden. In der Erhöhung der Ausgleichsabgabe für die Kohleverstromung sehen wir so etwas wie die Chance einer Preisbewährung für die Elektrizitätsversorgungsunternehmen im nächsten Jahr. Wir unterstützen darum nachdrücklich die Preisaufsicht der Bundesländer und appellieren an den Bundeswirtschaftsminister, dieses Ziel ebenfalls mit Zähigkeit anzustreben.
Mit dieser Erwartung stimmt die FDP-Bundestagsfraktion einer Erhöhung grundsätzlich zu. Aber die Umsetzung seitens der Elektrizitätsversorgungsunternehmen wird wesentlich mitbestimmen, ob in Zukunft andere Überlegungen im Verstromungsbereich angestellt werden müssen.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Narjes hat hier sehr massive .Vorwürfe an die Adresse des Bundeswirtschaftsministeriums mit der Behauptung gerichtet, wir hätten die vorgesehene Abrechnung 1977 über den Ausgleichsfonds nicht vorgelegt und seien nun auch mit den Zahlen für 1978 in Verzug. Herr Zywietz hat schon darauf hingewiesen: Die Ausgleichsabrechnung für 1977 ist mit der Bundestagsdrucksache 8/2043 vom 16. August 1978 dem Deutschen Bundestag vorgelegt worden; der Bundesrat hat sich damit beschäftigt; die zwei zuständigen Ausschüsse haben diese Abrechnung ohne Aussprache gebilligt.
Es ist selbstverständlich, daß die Entwicklung für 1978 nur sehr kurzfristig beurteilt werden kann. Insofern geht Ihre Kritik auch hier nicht in die richtige Richtung. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Wärmepreisdifferenz zwischen August und September besonders hoch war. Das allein macht schon deutlich, in welcher Schwierigkeit wir waren, bei den anzustellenden Prognosen zu berechnen, in welcher Richtung sich der Ausgleichsbedarf entwickeln würde.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes?
Gern.
Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß sich meine Kritik darauf bezogen hat, daß wir nicht die Schätzelemente für 1979 haben, die Sie ja gehabt haben, als Sie für 1979 Ihre Prognose angestellt haben? Daß es natürlich nur vorläufige Zahlen für das Jahr 1978 sein können, wissen wir alle. Aber die, die Sie gehabt haben, fehlen hier.
Herr Kollege Narjes, ich habe zunächst einmal aufgegriffen, daß sie kritisiert haben, die Rechnung für 1977 liege nicht vor. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Das wollte ich richtigstellen.
Ich will deutlich machen, daß über die Berechnungen des Jahres 1978 keine rasche Information möglich war, weil z. B. schon die Zahlen der Wärmepreisdifferenz zwischen den Monaten September und August einen ganz entscheidenden Einfluß darauf gehabt haben, wie wir die Ausgleichsabgabe berechnen mußten. Richtig ist, daß Sie selbstverständlich über unsere Schätzungen eingehend informiert werden müssen und daß das Gegenstand der Debatte im Wirtschaftsausschuß sein muß.
Der Verstromungsbeirat, den wir nach dem Gesetz dazu hören mußten, hat den Prognosen, die wir hier unterstellt haben, zugestimmt. Wir werden das detailliert im Ausschuß vortragen. Es wird selbstverständlich das gesamte Material zur Verfügung stehen. Dieser Wunsch ist voll berechtigt und selbstverständlich auch in unsere Überlegungen mit einbezogen.
Eine letzte Bemerkung. Wir sind nicht in der Lage, wie von Ihnen angeregt, die entstehenden
Differenzen auf dem Wege über eine Verschuldung zu finanzieren; denn was uns der Gesetzgeber im Verstromungsgesetz an die Hand gegeben hat, ist die Möglichkeit, einen Kassenkredit bis zur maximalen Höhe von 500 Millionen DM in Anspruch zu nehmen. Wir sind nach dem Gesetz nicht in der Lage, die Finanzierung etwa auf dem Wege über die Aufnahme von Schulden längerfristiger Art durchzuführen. Hätten wir das getan - und das ist selbstverständlich auch Gegenstand unserer Überlegungen gewesen -, wäre hier vermutlich der Vorwurf erhoben worden, daß man eine weitere Verschuldung des Bundeshaushalts in Kauf nehme, was Sie nicht wollen und was wir nicht wollen. Von daher war der von Ihnen angeregte Weg der Verschuldung nicht gangbar.
Ich habe darauf hingewiesen, daß wir den uns zur Verfügung stehenden Kassenkredit nach den heutigen Berechnungen in Höhe von 400 Millionen DM wohl werden in Anspruch nehmen müssen, daß wir also die gesetzte Grenze in diesem Bereich fast erreichen werden.
Das wollte ich zur Klarstellung hier gesagt haben.
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Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. Dezember 1978, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.