Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/4/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in unsere Tagesordnung ist es mir eine große Ehre und eine große Freude zugleich, Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Professor Ludwig Erhard, die herzlichsten Glückwünsche des Deutschen Bundestages zu Ihrem heutigen 80. Geburtstag auszusprechen. ({0}) Wir ehren in Ihnen den Alterspräsidenten unseres Hauses, der noch vor wenigen Wochen die erste, konstituierende Sitzung eröffnet und geleitet hat. Wir ehren in Ihnen eines der ältesten Mitglieder des Deutschen Bundestages, das diesem Hause seit 1949 ununterbrochen angehört hat, und wir ehren in Ihnen den Mann, der 17 Jahre als Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler einen entscheidenden Anteil an den Geschicken unseres Landes gehabt hat. ({1}) Es würde weit über den Rahmen dieser kurzen Würdigung hinausgehen, wollte ich auch nur den Versuch machen, Ihre Leistungen und Ihr Wirken, verehrter Herr Professor Erhard, im einzelnen zu schildern. Aber ich möchte doch hervorheben, daß Sie einer der unbeirrbaren Vorkämpfer für das Atlantische Bündnis und für das Zusammenstehen der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Amerika gewesen sind. Ich möchte auch daran erinnern, daß Sie es waren, der bei den Verhandlungen über die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften dafür eingetreten ist, daß Ihre liberalen wirtschaftspolitischen Grundsätze - ich darf sagen: unsere liberalen wirtschaftspolitischen Grundsätze - in dieses Vertragswerk angemessen aufgenommen wurden. Ich möchte schließlich daran erinnern dürfen, daß Sie wichtige Schritte zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und ihren östlichen Nachbarn eingeleitet haben. Die Friedensnote vom März 1966, in der die Bundesrepublik Deutschland ihren östlichen Nachbarn Gewaltverzichtsvorschläge unterbreitete, wurde in der Zeit abgesandt, als Sie Bundeskanzler waren. Aber die wohl entscheidende Leistung Ihres politischen Lebens sehen wir rückblickend darin, daß Sie 1948 und 1949 der deutschen Wirtschaft eine neue Richtung wiesen, ihr eine neue Ordnung gaben. Der außerordentliche wirtschaftliche Aufstieg unseres Landes in den Jahren seit der Gründung der Bundesrepublik, die schnelle Überwindung der katastrophalen Nachkriegsverhältnisse, die frühe Wiedereingliederung unseres Landes in die freie Weltwirtschaft ist - das dürfen wir wohl rückblickend sagen - mehreren Faktoren zu verdanken gewesen: dem Fleiß und der Tüchtigkeit der deutschen Arbeiter, deren Interessen von den deutschen Gewerkschaften in einer sowohl wirksamen wie besonnenen Weise vertreten wurden; der Initiative, der Anpassungsfähigkeit und dem Einfallsreichtum der deutschen Unternehmer; und schließlich der Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft, der von Ihnen im wesentlichen geschaffenen Wirtschaftsordnung unseres Landes, die es ermöglichte, den Leistungswillen und die schöpferischen Kräfte der im Wirtschaftsprozeß tätigen Menschen vom Zwang staatlicher Bevormundung zu befreien und dadurch außerordentlich zu steigern. Mit Recht werden Sie heute als der Vater dieser Sozialen Marktwirtschaft angesehen. ({2}) Sie haben vom ersten Augenblick an erkannt, daß diese auf dem Prinzip des Marktes aufbauende Wirtschaftsordnung nur dann funktionieren konnte, wenn die Kräfte des Marktes durch einen ständigen, geregelten Wettbewerb zu ihrer vollen Entfaltung zum Wohle aller gebracht wurden. Sie wußten aber zugleich, daß diese marktwirtschaftliche Ordnung nur dann auf die Dauer Bestand haben konnte, wenn sie den Erfordernissen sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Rechnung trug. Die zu diesem Zweck erlassenen Sozialgesetze und die Politik einer breit gestreuten individuellen Vermögensbildung sind mit Ihrer Unterstützung oder auf Ihre Initiative zustande gekommen. Doch Leistung und Erfolg sind, so scheint es mir, nur die eine Seite des Bildes; die andere Seite ist Ihr Wesen selbst, so wie es sich einer weiten Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb Deutschlands mitgeteilt hat. Wer immer Ihnen begegnete, bezeugt Präsident Carstens diese Wirkung und sucht sie mit den Charaktermerkmalen der Offenheit, der Geradlinigkeit, der Unbeirrbarkeit und der menschlichen Lauterkeit zu erfassen. Sie haben es in einem selten erlebten Maße verstanden, in den Menschen Vertrauen zu wecken. Sie haben Ihren Mitmenschen vertraut und haben darauf vertraut, daß Ihr Appell an die in jedem Menschen angelegte Verantwortungsbereitschaft auf die Dauer wirkungsvoller sein würde als staatliche Reglementierung, und ihre Mitbürger haben Ihnen, verehrter Herr Erhard, vertraut. Sie haben einmal von sich gesagt, daß Ihr Handeln immer darauf gerichtet war, sich auf die Seite derer zu stellen, die die Interessen des Ganzen und das Wohl unseres Volkes höher einschätzen als ihre egoistischen Anliegen. Sie sind diesem Grundsatz immer gefolgt. Ihrem davon bestimmten Wirken gelten Respekt und Bewunderung. Ich möchte in dieser Stunde ein Wort in die Erinnerung rufen, mit dem sich der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, am 13. September 1959 im Alter von 75 Jahren am Ende seiner zehnjährigen Amtszeit von seinen Mitbürgern verabschiedete. Er sagte - ich zitiere ihn -: Ich wünsche, daß meine Landsleute bei diesem Abschiedswort, das von dem Dank für viel Liebe begleitet ist, dies spüren: daß ich selbst nie reguliert wurde, sondern in dem Wechsel der Sachlagen, der Aufgaben, sei es drinnen, sei es draußen, mir die innere Freiheit nie rauben ließ. Sie ist der köstlichste Besitz, den Gott dem Menschen als Möglichkeit geschenkt hat und den als Aufgabe zu begreifen seine Würde bestimmt. Ich wüßte kaum jemanden unter den Lebenden zu nennen, verehrter Herr Professor Erhard, auf den dieses große Wort von Theodor Heuss besser zuträfe als auf Sie. Ich bitte nun die anwesenden Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, sich von ihren Sitzen zu erheben, ({3}) um unserem gemeinsamen Wunsche Ausdruck zu verleihen, daß Ihnen, verehrter Herr Kollege und Alterspräsident Erhard, Kraft und Gesundheit für Ihr neues Lebensjahr und Ihr weiteres politisches Wirken in unserer Mitte zum Wohle unseres Volkes beschieden sein möge. Ich danke Ihnen. ({4}) Wir treten in die Tagesordnung ein. Es liegt Ihnen folgende Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen: Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß das Haus den Vorschlägen zugestimmt hat. Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Betr.: Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 907/73 des Rats vom 3. April 1973 zur Errichtung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit ({6}) zuständig: Finanzausschuß ({7}) Ausschuß für Wirtschaft ({8}) Betr.: Straßenbaubericht 1975 ({9}) Bezug: § 7 des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({10}) Betr.: Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken ({11}) Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. März 1972, 174. Sitzung, Sitzungsniederschrift S. 10 106 D zuständig: Haushaltsausschuß Überweisung von Zollvorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare verkündete Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ({12}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 21. April 1977 Aufhebbare verkündete Zweiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - ({13}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 21. April 1977 Aufhebbare verkündete Siebenundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({14}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 21. April 1977 Aufhebbare verkündete Achtundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({15}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 12. Mai 1977 Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Vierjahresprogramm zur Förderung der Datenverarbeitung in der Gemeinschaft ({16}) überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({17}), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({18}) des Rates über die Schaffung einer gemeinschaftlichen Ausfuhranmeldung ({19}) überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({20}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 4 Gewichtshundertteilen oder mehr der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs und über die Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte Einfuhren von Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 3 bis 4 Gewichtshundertteilen ({21}) ({22}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinien des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nebelschlußleuchten für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Rückfahrscheinwerfer für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger Präsident Carstens zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Parkleuchten für Kraftfahrzeuge ({23}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates über die Erhaltung der Vogelarten ({24}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vinylchlorid-Monomer enthaltende Materialien und Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen ({25}) überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechte der Mitgliedstaaten die ({26}) Handelsvertreter betreffend ({27}) überwiesen an den Rechtsausschuß ({28}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({29}) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien über den Handel und die Zusammenarbeit im Handel mit Juteerzeugnissen ({30}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({31}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({32}) Nr. 1794/76 zur Abweichung von der Verordnung ({33}) Nr. 155/71 über die Erstattung bei der Erzeugung für Olivenöl zur Herstellung von bestimmten Konserven ({34}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 75/271/EWG über das Gemeinschaftsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne der Richtlinie 75/268/EWG ({35}) ({36}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über den Abschluß des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Ägypten über den Abschluß des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Syrien über den Abschluß des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Haschemitischen Königreich Jordanien ({37}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({38}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({39}) Nr. 2305/70 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Rindfleisch im Bereich bestimmter Transportkosten ({40}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Gewichte und Abmessungen bestimmter Kraftfahrzeuge ({41}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Heizung des Innenraumes von Kraftfahrzeugen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Radabdeckungen von Kraftfahrzeugen ({42}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Luftreifen von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern ({43}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ({44}) überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Beschluß des Rates zur Festlegung eines Forschungsprogramms auf dem Gebiet Behandlung und Verwendung von Klärschlamm ({45}) ({46}) überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({47}) , Innenausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Bericht der Kommission an den Rat über die von den Interventionsstellen übernommenen Rohtabakmengen der Ernte 1973 Verordnung ({48}) des Rates über besondere Maßnahmen im Tabaksektor für Tabak der Sorte Beneventano ({49}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ({50}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({51}) des Rates über die Bestimmung des Ursprungs bestimmter Wirkwaren sowie bestimmter Bekleidungen und Schuhe des Kapitels 60 bzw. der Tarifnummern ex 42.03, 61.01, 61.02, 61.03, 61.04, 61.09, 64.01, 64.02, 64.03 und 64.04 des Gemeinsamen Zolltarifs ({52}) überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({53}) Nr. 986/68 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke ({54}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({55}) des Rates zur Festlegung vorläufiger Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände, die die Regelung für die Tätigkeit der Fischereifahrzeuge, die Verwendung von Fanggerät sowie die Nutzung bestimmter Fischbestände betreffen zur Festlegung bestimmter Übergangsmaßnahmen gegenüber Drittländern zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen ({56}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({57}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle mit Dienstort in Petten ({58}) ({59}) überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({60}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Weine mit Ursprungsbezeichnung der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko ({61}) ({62}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen ({63}) überwiesen an den Rechtsausschuß ({64}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({65}) Nr. 3206/76 des Rates vom 21. Dezember 1976 zur Änderung der Verordnung ({66}) Nr. 557/76 hinsichtlich des in der Landwirtschaft anzuwendenden Umrechnungskurses für das irische Pfund überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag bestehen Auf Wunsch der federführenden Ausschüsse hat der Präsident des Deutschen Bundestages die nachstehenden EG-Vorlagen der 7. Wahlperiode erneut überwiesen: Mitteilung der Kommission an den Rat über die Marktordnung für den Binnengüterverkehr innerhalb der Gemeinschaft ({67}) ({68}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Verordnung ({69}) des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ({70}) Ausschuß für Verkehr und für das Post und Fernmeldewesen ({71}), Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Präsident Carstens Richtlinie des Rates zur Verringerung der Schallemissionen von Luftfahrzeugen ({72}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({73}), Innenausschuß Mitteilung der Kommission an den Rat über das Vorgehen auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur und Entscheidung des Rates zur Einführung eines Beratungsverfahrens und zur Schaffung eines Ausschusses auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur sowie Verordnung des Rates über die Unterstützung von Vorhaben von gemeinschaftlicher Bedeutung auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur ({74}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({75}), Haushaltsausschuß Verordnung ({76}) des Rates zum Abschluß des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt und zum Erlaß von Bestimmungen für dessen Inkrafttreten ({77}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Zulassung von Wasserfahrzeugen und Bordausrüstung ({78}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Scheibenwischer und Scheibenwascher von Kraftfahrzeugen und Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Entfrostungs- und Trocknungsanlagen von Kraftfahrzeugen sowie Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Innenausstattung der Kraftfahrzeuge ({79}) ({80}) Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Richtlinie des Rates zur sechsten Änderung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe ({81}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der illegalen Wanderung und der illegalen Beschäftigung ({82}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts der Bundesregierung nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - Drucksache 8/28 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({83}) Haushaltsausschluß Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Das Wort hat der Herr Bundesminister Rohde.

Helmut Rohde (Minister:in)

Politiker ID: 11001876

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die heutige Debatte über die Ausbildungsförderung ist nur eine knappe Beratungszeit vorgesehen. Deshalb finde ich sicherlich Ihr Verständnis dafür, daß ich mich bei diesem Thema auf Grundzüge konzentriere, zumal wir bei der ersten Lesung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs und in den Ausschußberatungen noch Gelegenheit zu eingehenden Erörterungen haben werden. Mit dem BAföG-Bericht nach § 35 und dem vorgestern beschlossenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Leistungen für Schüler und Studenten hat die Bundesregierung ihre vor und nach der Wahl gegebene Zusage eingehalten, unmittelbar zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Ausbildungsförderung auf die Tagesordnung zu setzen und gesetzgeberisch weiterzuentwickeln. Es ist dies der erste Leistungsentwurf, der von der Bundesregierung nach Verabschiedung des Haushalts vorgelegt worden ist. Es ist dies ein Beleg für das Gewicht, das dieser sozialen und zugleich bildungspolitischen Aufgabe zugemessen wird. Von den Leistungsverbesserungen, die in dem BAföG-Bericht noch ohne Termin enthalten waren, sollen nach dem Kabinettsbeschluß dieser Woche die ersten zum 1. April 1977 in Kraft treten. Die Bundesregierung verbindet mit diesem Datum die Erwartung und die Hoffnung, daß dieser Gesetzentwurf in den gesetzgebenden Körperschaften zügig beraten wird. Es wäre ein Widerspruch, auf der einen Seite die Verbesserungen für Schüler und Studenten für vordringlich zu erklären und auf der anderen Seite die damit verbundenen zeitlichen Anforderungen nicht zu erfüllen. Ich kann nicht davon ausgehen, daß die Auseinandersetzungen um 20 DM Differenz in der Höchstförderung oder auch um 100 DM Differenz im Elternfreibetrag mit dieser heutigen Debatte beendet sein werden. Es darf dabei aber nicht in Vergessenheit geraten, was der seit 1971 gesetzlich fixierte Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung bedeutet. Es ist dies ein Rechtsanspruch, den nicht erst Studenten, sondern - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in der Welt - bei uns auch schon Schüler in Vollzeitschulen, seien es Berufsfachschulen, Fachschulen oder Gymnasien, anmelden können. Aus der 8. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks vom Juli 1976 gehen zwei Daten hervor, die erkennen lassen, wie sehr gerade die Einbeziehung von Schülern nicht nur die soziale Sicherung, sondern auch Aufstieg im Bildungswesen und soziale Chancengleichheit fördert: Von denjenigen Studenten, die im Sommer 1976 an den deutschen Universitäten Ausbildungsförderung erhalten haben, wurde bereits die Hälfte als Schüler nach dem BAföG gefördert, und von sämtlichen Studenten an den Fachhochschulen im Sommer 1976 hatte bereits jeder zweite als Schüler Ausbildungsförderung erhalten. Nun können wir daraus nicht schließen, daß alle diese Studenten ohne vorherige finanzielle Förderung als Schüler keinen Studienplatz erreicht hätten. Aber wir können doch sicher sein, daß ohne diese Leistungen, die wir für die Schüler erbringen, die Zusammensetzung der Studentenschaft an den deutschen Hochschulen sozial und wirtschaftlich einseitiger wäre, als sie es heute ist. Mit der Ausbildungsförderung allein können wir - das ist unter uns sicherlich unbestritten - soziale und bildungspolitische Chancengleichheit nicht voll verwirklichen. Dazu gehört eine Reihe anderer Anstrengungen in der Bildungs- und auch in der allgemeinen Gesellschaftspolitik. Wir schaffen aber mit diesem Instrument bessere materielle Voraussetzungen für die Verwirklichung sozialer und bildungspolitischer Ziele. Wir helfen hier - im Gegensatz zu manch anderer Umverteilungsleistung - mit einer Förderung, die auf die Zukunft ausgerichtet ist. Es werden gleichsam Voraussetzungen für soziale Mobilität geschaffen. Die einkommensabhängige Förderung der Ausbildung bedeutet in einer beachtlichen Zahl von Fällen die Förderung auf einen Bildungsabschluß hin, der weit anspruchsvoller ist als der, den die Eltern der heute Geförderten unter ihren früheren gesellschaftlichen Bedingungen erreichen konnten. ({0}) Meine Damen und Herren, bei aller Kritik im einzelnen darf die Tatsache nicht aus den Augen verloren werden, daß wir uns, was die Höhe der Leistung und ihre Art angeht, auch im internationalen Vergleich mit unserer Ausbildungsförderung durchaus sehen lassen können. In den Gesamtrechnungen des Staates schlägt die Ausbildungsförderung, an der Bund und Länder beteiligt sind, finanziell zu Buche. Sie lag 1972 bei rund 1,6 Milliarden DM und wird nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung von dieser Woche von 2,46 Milliarden DM im Jahre 1976 auf rund 2,8 Milliarden DM im Jahre 1977 steigen und 1978 mehr als 3 Milliarden DM betragen. Das ist eine Erhöhung um fast 30 % in den nächsten beiden Jahren. Die sozialen und finanziellen Zusammenhänge werden dem zuständigen Parlamentsausschuß noch deutlicher werden können, wenn in den nächsten Tagen für die Ausschußberatungen ein zusammenfassender Bericht über die Entwicklung und den Wirkungsbereich der Leistungen unter Einbeziehung der Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks vorgelegt wird. Wir hätten gern diese Daten, die wir Ihnen zuleiten werden, schon in den BAföG-Bericht nach § 35 mit aufgenommen. Aber die Daten der 8. Sozialerhebung des Studentenwerks konnten nicht so rechtzeitig vorliegen, daß wir sie zu dem Berichtstermin schon ausreichend hätten berücksichtigen können. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis. Hätten wir mit dem Hinweis auf diese Erhebung die Vorlage des Berichts, für den es gesetzlich fixierte Fristen gab, hinausgezögert, dann wären wir sicherlich in diesem Hohen Hause ebenfalls auf Kritik gestoßen. In diesem von mir genannten ergänzenden Bericht wird noch deutlicher werden als im BAföG-Bericht selbst, wie der Gesetzgeber trotz wachsender finanzieller Anspannungen in den öffentlichen Haushalten in den vergangenen Jahren die sozialpolitische Zielsetzung der Ausbildungsförderung weiterentwickelt hat. Dazu will ich nur einige Beispiele nennen. Erstens wurde die Förderung auf alle Schüler an Fachoberschulen ausgeweitet. Zweitens wurde geregelt, daß in dem Fall, daß 15- oder 16jährigen der Besuch einer Berufsfachschule oder eines Gymnasiums nur bei auswärtiger Unterbringung ermöglicht werden kann, die Förderung schon von der 10. Klasse an einsetzt. Schließlich - auch das ist ja wohl nicht gering zu bewerten - wurden inzwischen auch die Kinder von in Deutschland lebenden Ausländern in die Förderung einbezogen. Was der letzte Punkt bedeutet, werden Sie ermessen können, wenn Sie die öffentliche Kritik an der Integration von Kindern von Ausländern in unser Schul- und Bildungssystem in den letzten Jahren verfolgt haben. Nun entspricht es unserer gemeinsamen Erfahrung, daß die Rechnung mit Bedarfssätzen und Freibeträgen - um diese beiden Hauptbegriffe des Ausbildungsförderungsgesetzes zu verwenden -, und das alles noch unter Berücksichtigung der Nettoeinkommen und der nach Kinderzahl gestaffelten anrechnungsfreien Beträge sowie der Lebenshaltungskosten, außerordentlich kompliziert ist und vielfach auch in der öffentlichen Diskussion zu einseitigen Bewertungen sowohl nach der einen als auch nach der anderen Richtung hin führt. Lassen Sie mich an dieser Stelle die komplizierte Arithmetik dieser Zusammenhänge ersparen und statt dessen auf einige wenige, wie ich jedenfalls glaube, plausible Fakten verweisen. Wir sind uns wohl, denke ich jedenfalls, alle darin einig, daß die durchschnittlichen Einkommen der Eltern der Studenten an den Hochschulen eher über als unter dem Durchschnitt der Einkommen der Gesamtbevölkerung liegen. Dennoch haben von dieser Gruppe etwa 40 % Anspruch auf Ausbildungsförderung. Von diesen an den Hoch- und Fachschulen geförderten Studenten erhält wiederum etwa die Mehrheit eine Leistung, die den vollen Förderungssatz erreicht oder ihm doch nahekommt. Diese beiden Tatbestände zeigen die soziale Dimension und die soziale Reichweite der Ausbildungsförderung. Übrigens - um das hinzuzufügen - wissen wir aus der letzten Sozialerhebung des Studentenwerks, daß im Juli 1976 nur 5 % der voll von ihren Eltern finanzierten Studenten - also die auf Grund der Einkommenslage der Eltern keinen Anspruch auf BAföG hatten - einen Betrag erhielten, der über 600 DM hinausgeht. Bei der öffentlichen Diskussion über die Höhe der Bedarfssätze und bei der Einschätzung des Bedarfs wird allzuoft außer acht gelassen, daß die Ausbildungsförderung im engeren Sinne durch eine Reihe zusätzlicher Leistungen ergänzt wird. Ich will in diesem Zusammenhang nur einige Beispiele dafür nennen, wie der Bedarfssatz von künftig - nach unserem Entwurf - 580 DM, der die Steigerung der Lebenshaltungskosten von 16 % seit 1974 voll auffängt, um weitere Zuschüsse ergänzt werden kann. Erstens erhalten diejenigen Studenten, die besonders hohe Mieten zahlen müssen, nach der sogenannten BAföG-Härteverordnung bis zu 45 DM Mietzuschuß zusätzlich. Zweitens kommen die Leistungen für die studentische Krankenversicherung hinzu. Damit sind wachsende Aufwendungen verbunden, wie Sie aus den Zusammenhängen der sozialpolitischen Debatte wissen. Übrigens ist die Bundesrepublik meines Wissens eines der wenigen Länder, in denen die Studenten nahezu vollständig in die soziale Sicherung - von der Kranken- über die Unfall- bis in die Rentenversicherung hinein - integriert sind. Drittens müßten in diesem Zusammenhang doch wohl auch die vorgenommenen und die ab 1978 vor528 gesehenen Verbesserungen des Kindergeldes berücksichtigt werden. Auf Grund der letzten uns vorliegenden Erhebungen kann davon ausgegangen werden, daß auf Grund der von mir genannten ergänzenden zusätzlichen Leistungen, zu denen noch einige andere hinzutreten, künftig über 25 % aller geförderten Studenten insgesamt einen Betrag erhalten werden, der über 600 DM liegt und damit dem Zentralwert des Deutschen Studentenwerks durchaus nahekommt. Wenn wir dabei den Bezug zu anderen sozialen Leistungen in unserem Staat herstellen, ergibt sich auch ein anderes Bild, als eine isolierte BAföG-Debatte es zu vermitteln vermag. Die Zahlen 580 DM für Bedarfssätze und 1 100 DM für Freibeträge geben kein vollständiges Bild von diesem Leistungssystem und seinem Wirkungsbereich. In den Ausschußberatungen werden wir im einzelnen noch erörtern können, wie in einer Reihe von Fällen zusätzliche Leistungen zum Bedarfssatz gezahlt werden und zum anderen zu den sogenannten Grundfreibeträgen der Eltern regelmäßig eine Reihe weiterer zusätzlicher Freibeträge hinzuzurechnen ist. Die von mir genannten Sätze - 580 und 1 100 DM - sind also Eckwerte, die in einer beachtlichen Zahl von Fällen überschritten werden. Nun will ich hier weder verschweigen noch gering bewerten, daß von den Auswirkungen der Sparmaßnahmen nach dem Haushaltsstrukturgesetz gerade Familien im Teilförderungsbereich, die mithin nicht voll an dem Härteausgleich teilhaben können, betroffen worden sind. Der Bericht und die Erhebungen des Studentenwerks spiegeln diesen Tatbestand wider. Das Haushaltsstrukturgesetz ist seinerzeit von allen Kräften des Parlaments, von Bund und Ländern, mit getragen worden. Gerade diese seine Auswirkungen vor allem im Teilförderungsbereich sollten aber nun Anlaß dafür sein, notwendige Verbesserungen zügig zu beraten und alsbald in konkretes Leistungsrecht umzusetzen. Der Student, der auf volle Förderung angewiesen ist, soll nach unserem Vorschlag statt jetzt 550 DM einschließlich des Härteausgleichs ab April 580 DM erhalten. Ein BAföG-Empfänger, der jetzt mit Härteausgleich 220 DM Teilförderung wegen der Einkommenslage seines Vaters erhält, wird im April dann 280 DM erreichen. In beiden Fällen ist die Hilfe gleich dringend und gleich wichtig. Ich will den Debatten über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf an dieser Stel- le nicht weiter vorgreifen. In den Ausschußberatungen werden sicherlich - wie in früheren Jahren - auch der Umfang und das Verhältnis der einzelnen Leistungsverbesserungen zueinander eingehend behandelt und bewertet werden. Wir müssen allerdings darauf achten, daß dabei die Gesamtzusammenhänge des Leistungssystems - vor allem in ihrer Wirkung auf die Familien - sowie die finanziellen Voraussetzungen in den öffentlichen Haushalten von Bund und Ländern berücksichtigt werden. Meine Hoffnung ist, daß es auch auf seiten der Opposition nicht zu einer nur taktisch motivierten Bewertung unserer Vorschläge kommen wird. Den Bund auf die Anklagebank zu setzen, wäre ein riskantes Manöver. Die Bundesländer sind zu 35 % an der Finanzierung der Ausbildungsförderung mitbeteiligt. Bisher - das ist jedenfalls meine Erfahrung in den letzten zweieinhalb Jahren meiner Amtszeit gewesen - hat der Bundesrat in Sachen Ausbildungsförderung weder die Bundesregierung noch den Bundestag überboten. Ich erinnere nur an die Verschärfung von Terminen und Details im Haushaltsstrukturgesetz, die für manchen Studenten große Schwierigkeiten gebracht hat. In dieser Lage muß nüchtern abgewogen werden, was notwendig und möglich ist. Mir bleibt bewußt, daß wir bei der Ausbildungsförderung als einem zustimmungspflichtigen Gesetz auf das Ja des Bundesrates angewiesen sind. Die zügige Beratung des Anpassungsgesetzes bedeutet keinen Verzicht auf Überlegungen hinsichtlich grundsätzlicher Fragen der Struktur der Ausbildungsförderung, sei es innerhalb des Systems der individuellen Leistungen nach dem BAföG oder auch darüber hinausgreifend. Überlegungen solcher Art bedürften aber gründlicher Vorbereitung. Das kann nicht unter Zeitdruck und darf vor allem nicht auf Kosten derer geschehen, die jetzt auf konkrete Verbesserungen im bestehenden System angewiesen sind. Strukturveränderungen setzen auch eine offene und gründliche Diskussion zwischen Bund und Ländern voraus. Das ergibt sich schon aus der finanziellen und bildungspolitischen Beteiligung der Länder an der Ausbildungsförderung. Auf Initiative des Bundes wurde deshalb in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zu diesem Problem unter der Beteiligung anerkannter Experten Modellalternativen ausgearbeitet und am Anfang dieses Jahres in einer ersten Anhörung mit den beteiligten Verbänden zur Diskussion gestellt hat. Von den Beratungen dieser Arbeitsgruppe werden von der BLK, also vorn Bund und von den Ländern, die beide mitbeteiligt und mitbetroffen sind, Impulse für die zukünftige langfristige Ausgestaltung der gesamten Finanzierungsstruktur in Hochschule und Studium erwartet. Diesen Strukturproblemen werden wir uns in der vor uns liegenden Legislaturperiode zuwenden. Hinzu kommen dann noch die Fragen, die z. B. das Verhältnis von Förderungsrecht und Unterhaltsrecht betreffen. Eine zügige Verwirklichung der auf dem BAföG-System fußenden Vorschläge der Bundesregierung von dieser Woche bedeutet also nicht, daß Fragen der Struktur ausgewichen werden soll. Im Gegenteil, Bundesregierung, Länder und Gesetzgeber insgesamt gewinnen auf diese Weise Raum und Voraussetzung für eine gründliche fachliche und politische Vorbereitung. Wir haben, meine Damen und Herren, ganz sicher keine leichten und einfachen Beratungen vor uns. Die Bundesregierung hat sich bemüht, mit dem zeitgerecht vorgelegten Bericht und mit dem Gesetzentwurf dieser Woche die notwendigen Grundlagen für diese Beratungen zu schaffen. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hornhues.

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Bundesbildungsminister für seine Rede außerordentlich dankbar, denn er hat sich im wesentlichen auf Dinge bezogen - hier steht der Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Debatte -, die eben nicht in dem Bericht stehen, die vielleicht in einem Gesetzentwurf stehen, der morgen oder übermorgen oder was weiß ich wann diskutiert wird, oder in Berichten des Studentenwerkes, aber kaum in dem Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Ich glaube, Herr Minister, Sie haben auch selber begriffen, daß das, was Sie uns hier vorgelegt haben, wahrlich alles andere als ausreichend ist. ({0}) Sie haben gesagt, die Regierung erfülle mit der Vorlage des Berichts und zum anderen mit dem beschlossenen Gesetzentwurf die Versprechungen, die vor der Wahl gemacht worden seien. Herr Minister, Sie mögen vielleicht formal recht haben, wenn Sie sagen: „Wir haben ja - und das kann man da und da nachlesen - nur gesagt, daß wir das zügig machen wollen." Nur glaube ich, die Betroffenen im Lande werden Ihnen sehr deutlich und sehr nachhaltig entgegenhalten, daß sie, und zwar in aller Breite, etwas anderes gehört haben, mehr gehört haben als nur, daß man die Dinge zügig beraten wolle. Sie haben dabei etwas gehört davon, daß Dinge wieder in Ordnung gebracht werden sollten, daß BAföG gesichert sein solle, daß niemand schlechtergestellt werden solle und ähnliches mehr. Es mag sein, daß ich das deshalb mitgehört habe, weil ich Oppositioneller bin. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn es Millionen Betroffene gibt - und es gibt ja neben den Schülern und Studenten auch die Eltern, die davon betroffen sind -, die das alle gleichermaßen von Ihnen gehört haben, dann müsse Sie eben das Rätsel lösen, wie es kommt, daß die behaupten, Sie hätten etwas gesagt, und daß Sie sagen, Sie hätten es nicht gesagt. Vielleicht haben Sie es beim Reden so laut gesagt, daß Sie es selbst gar nicht mehr gehört haben. Das soll ja passieren. ({1}) Das ist das eine, was gesagt worden ist. Es ist in Aussicht gestellt worden, um es konkreter zu sagen. ({2}) - Herr Kollege Möllemann, sind Sie schon so weit nach links gerückt, daß Sie jetzt da Platz nehmen? ({3}) - Ja, mag sein. Es gab eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vor der Wahl, und die wurde noch vor der Wahl beantwortet. Wer die Antwort, herausgegeben am 29. September, nachliest, wird eben dies bestätigen müssen, daß Dinge in Aussicht gestellt worden sind, indem man sehr nuanciert, prononciert eingegangen ist auf die notwendige Einbeziehung des 8. Sozialberichtes des Studentenwerks und anderer Berichte, die einfach diesen Eindruck nahelegen mußten. Was bedeutete es denn, wenn der Bundeskanzler vor der Wahl im Wahlkampf durch dieses Land gezogen ist und gesagt hat, die Hochschulen müßten offen werden und der Numerus clausus werde hiermit abgeschafft? Bitte, wenn man es nicht semantisch nimmt oder wie das so heißt, muß man doch dabei den Eindruck haben, als ob daran gedacht sei, einerseits den bürokratischen Numerus clausus abzuschaffen, ihn andererseits allerdings auch nicht durch einen sozialen Numerus clausus zu ersetzen, indem man Freibeträge und Bedarfssätze nicht in notwendigem Maße anpaßt. So kam es eben nicht von ungefähr, daß sich das Thema BAföG einzureihen begann in das Thema Rente und damit in das Thema nicht gehaltene Wahlversprechen, und ich glaube, völlig zu Recht. Wenn Sie jetzt so eilig das Gesetz nachschieben und wenn Sie uns ankündigen, was Sie uns noch alles für die Ausschußberatungen zuleiten wollen - wir hätten das gerne schon früher gesehen, gelesen, gehabt -, dann wird man den Verdacht nicht los, als hätten Sie selbst begriffen, daß einiges passieren muß, um nicht noch einmal im Regen herumzustehen. ({4}) Noch einige Anmerkungen zum Bericht selbst. Der Bericht hat eine ganz bestimmte Zielsetzung, nämlich uns im Parlament die Basis für die Beratung der Anpassung von Freibeträgen und Bedarfssätzen zu geben. Jedenfalls habe ich es so immer verstanden. Wenn das jetzt anders verstanden werden soll, müßte dies vielleicht irgendwo in einer der 113 oder 120 Verwaltungsvorschriften, die es zu diesem Gesetz sowieso schon gibt, noch anders geregelt worden sein. Die Formulierung „unter Berücksichtigung der finanziellen Lage des Staates" war neu. Das haben wir in das Haushaltsstrukturgesetz eingefügt. Aber gerade wenn ich mich dieser Frage stelle und sage: bitte, langsam dürfte es trotz mancher Nebelgranate dem letzten klargeworden sein, daß es mit den Finanzen des Staates nicht zum besten steht, wenn ich also gerade von diesem Aspekt ausgehe, dann kommen mir und nicht nur mir, sondern allen denjenigen, die nach sachgerechten Lösungen suchen, eine Fülle von Fragen, die sie gerne beantwortet hätten. Dann ist es zwar nett, wenn hier vom Minister auf die Sozialerhebung des Studentenwerks verwiesen wird - nebenbei bemerkt, es ist die achte Erhebung, ihr ging eine siebente voraus, eine sechste, eine fünfte usw. Da überlegt man sich die Frage, wie denn der Bezug des BAföG zu anderen Gesetzen ist. Sie haben den Bezug eben angesprochen, weil Sie vermutlich begriffen haben, daß dazu etwas im Bericht stehen müßte. Das BAföG steht ja nicht isoliert, nackig in der Landschaft, sondern es steht in einem gewissen Beziehungsfeld, und das hätte hier hineingehört. Es stehen die Fragen an: War die Einführung der Darlehensregelung richtig? Gibt es nicht bessere Lösungen? Ist es nicht optimaler, das Darlehen anders zu strukturieren? Mein Kollege Daweke wird dazu gleich noch einige Anmerkungen machen. Meine Damen und Herren, dazu finden Sie die knappe Aussage, dazu könne man noch nichts sagen. Was das Problem der Jugendlichen angeht, die aus den Hauptschulen kommen, so wird das Berufsgrundbildungsjahr als einer der großen Rettungsanker beim Lehrstellenmangel, bei der Jugendarbeitslosigkeit usw. usf. angeboten. Was machen wir mit dem Berufsgrundbildungsjahr, wenn man hört, daß viele Jugendliche, wo immer es noch geht, dem gemeinsam gewollten Berufsgrundbildungsjahr ausweichen, weil sie da weder BAföG noch ihr Lehrlingsgehalt bekommen und daher in Berufe streben, die nicht vom Berufsgrundbildungsjahr erfaßt werden? Da stellt sich für den Interessierten die Frage: Wo steht hierüber etwas auf den Seiten 7, 8, 9 oder 10? Er kann bis ganz hinten durchblättern, ohne etwas zu finden. So könnte ich die Punkte fortsetzen. Es gibt weitere wichtige Fragen der Binnenstruktur des Gesetzes. Trifft es denn zu oder ist es reine Polemik - oder was weiß ich, was das sein mag -, wenn man hört, daß es in dem Gesamtsystem der BAföG-Förderung Probleme gebe, daß z. B. manche mit relativ hohem Einkommen relativ viel BAföG bekämen, während es bei anderen anders aussehe? Höre dies nur ich allein, wenn ich mit Leuten in den Hochschulen und bei den Studentenwerken spreche, wenn ich mit Eltern und Betroffenen spreche? Oder was ist dabei eigentlich los? Wenn man den Bericht danach durchblättert, kann man wiederum nichts finden. In den letzten Jahren haben wir in den Ausschüssen über Probleme der Waisen, der Halbwaisen, der Vollwaisen, über Probleme unvollständiger Familien insgesamt beraten. Wir haben über eine Fülle von Einzelfragen beraten, die damals immer weggeschoben wurden nach dem Motto: Das müssen wir noch untersuchen, und man wird dann irgendwann einmal dazu kommen. Wer hofft, in dem Bericht Antworten auf diese Fragen auch nur ansatzweise zu bekommen, ist, weil er nichts findet, ebenso enttäuscht wie derjenige, der fragt: Wie sieht es denn bei den Schülern aus? Über Studenten wird viel geredet. Aber was ist denn nun mit den Schülern? Auch darüber findet man nichts. Ebensowenig findet man etwas zur Frage der Relation von Schüler- und Studentenförderung. Sie wissen, daß es da Emotionen gibt. Es wird gesagt: Für die Schüler ist manches halt ein Taschengeld; könnte man nicht - Es wäre notwendig, dazu einmal etwas Konkretes zu erfahren, mit dem man etwas anfangen kann. Wenn ich operiere an diesem Gesetz, versinke ich nicht gern in politischen Auseinandersetzungen, wo am Ende mit Emotionen entschieden wird. ({5}) Es wird immer geklagt, der Unterschied in der Förderung zwischen den Externen und denen, die zu Hause bleiben, sei zu gering, nicht angemessen. Nichts findet man dazu. Diese Reihe kann man fortsetzen um weitere Punkte, um all die Punkte, die einem einfallen, über die wir schon oft beraten haben und wo man sagen müßte: Jetzt, wo das Geld doch knapp ist, wo man nicht mehr einfach so allgemein das Volk segnen kann, interessiert doch wahrlich die Frage, wie wir dieses Gesetz - ({6}) - Sie wohl nicht, Herr Möllemann, oder Sie können es nicht. Ich kenne einen, der kann es. Vielleicht können Sie es da lernen. Gehen Sie mal zum Minister! Manchmal sieht es so aus, als könne er es tatsächlich. ({7}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen einzigen Punkt herausgreifen. Da kommen Eltern zu einem und sagen: Was seid ihr für Leute, die das beschließen? Ich muß gestehen: Ich habe es ja mitbeschlossen. Da wir das in der Regel einstimmig beschlossen haben, vermute ich, daß auch Sie es mitbeschlossen haben. Die Bundesregierung hat zum BAföG eine Broschüre verteilt. Das ist nichts Illegales, auch nichts Falsches, sondern ist abgesichert. Und auf diese Broschüre verweisen die Eltern: Da liest man, daß es, wenn die Eltern eines Studenten nicht bereit sind, das nach dem BAföG als notwendig Vorgesehene, was das BAföG aber nicht bringt, zu zahlen, das Studentenwerk es übernimmt, das Geld bei den Eltern einzutreiben. Wir haben das damals zugestandenermaßen zwar beschlossen. Aber ist nicht langsam auch einmal der Punkt gekommen, wo man sich überlegen muß, ob das richtig war? Was haben wir damit in vielen Familien angerichtet? Da werden Kinder animiert, gegen ihre Eltern prozessieren zu lassen. ({8}) Welche Auswirkungen hat das! Das sind alles Punkte, die zu dieser Stunde in diesen Bericht hineingehörten, nicht irgendwann, sondern heute. Wenn Sie in dem Bericht irgend etwas von all diesen Punkten suchen, dann können Sie ihn getrost beiseite legen. Auf all diese Fragen und andere Strukturfragen, die von Wichtigkeit sind, gibt dieser Bericht keine Antwort. Herr Minister, Sie haben uns angekündigt, daß Sie uns etwas nachliefern wollen. Ich bitte Sie, die Ergänzung schnell vorzunehmen. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, ist eine Menge von dem, was ich hier angesprochen habe, auch in den Zusatzinformationen, die Sie uns für den Ausschuß nachliefern wollen, nicht enthalten. Lassen Sie mich eines mit Nachdruck sagen, wo die Regierung diesmal drei Jahre Zeit hatte, den Bericht zu schreiben, und nicht, wie an sich vorgesehen, zwei Jahre, wobei sie dann auch noch bis zum 30. Dezember gewartet hat, damit es nicht so aussieht, als hätte sie den Bericht erst am 31. Dezember, also am allerletzten Tag, vorgelegt: Dieser Bericht ist für dieses Parlament in der Situation, in der wir jetzt stehen, eine Zumutung. ({9}) Denn in welcher Situation stehen die Betroffenen? Was sind denn ihre Probleme? Was liegt denn an? Warum regen sie sich denn so auf? Geht es denn wirklich nur um die paar Pfennige BAföG mehr oder weniger, oder was liegt hier eigentlich vor? Ich glaube, so gerechtfertigt es ist, diejenigen, die da heute manchmal so laut schreien, auch auf anderes hinzuweisen, so ist es auch gerechtfertigt und notwendig, sich in die Situation betroffener Schüler, Studenten und Eltern hineinzuversetzen. Da haben wir jahrelang Bildungspropaganda betrieben - das war gut so -, da haben wir die Leute jahrelang in die Schulen und in die Hochschulen geholt, und nun sind sie eben da und stehen vor Problemen. Sie kennen sie alle. Ein Stichwort dazu ist eben „Numerus clausus”, oder nehmen Sie den Strukturbericht der Bundesanstalt für Arbeit vom vergangenen Jahr über die rapide ansteigende Akademikerarbeitslosigkeit. Hinzu kommt dann noch - darauf sind Sie, Herr Minister, nur ganz beiläufig eingegangen, und das ist bedauerlich, denn da liegt ja das eigentliche Problem mit - die Situation, daß gerade im letzten Jahr auf Grund der Beschlüsse der Anteil der durch BAföG Geförderten ganz rapide heruntergegangen ist. Der Bericht gibt dazu keine näheren. Angaben. Er verweist nur darauf, daß 166 Millionen DM in der Staatskasse geblieben sind, die an sich nach dem Haushaltsgesetz als Ausgaben vorgesehen waren. Wenn man das einmal für den berühmten und vielzitierten Zwei-Personen-Arbeitnehmerhaushalt ausrechnet, dann sah das - und das war die Situation der Betroffenen vor dem Hintergrund des Numerus clausus und der Frage: bekomme ich überhaupt morgen einen Arbeitsplatz, den ich mir erhoffe? - eben für jene Familie so aus - wenn Sie einmal unterstellen, daß ein Schüler und ein Student in dieser Familie waren, deren Einkommen 1974 genau so hoch war, daß sie für den Schüler und den Studenten exakt die Maximalförderung bekam -, daß sie 1974 100 % hatte, daß ihre Förderung aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, 1976 um 16,9 % verringert worden war. Ich glaube, dies muß man einmal mit Nachdruck sagen: in zwei Jahren minus 16,9 %! Das gehört vermutlich in die Kategorie „Minuswachstum". Ich darf dann noch einmal auf den Bericht eingehen. Wenn man ihn liest, trifft man auf die Seiten 8 und 9. Das sind sehr bemerkenswerte Seiten, und ich bitte Sie herzlich, noch einmal hineinzuschauen, wenn Sie es noch nicht getan haben. Da geht man nämlich auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und auf die Entwicklung der Einkommen der Familien ein. Dabei wird ein interessantes Zahlenspielchen betrieben. Die Einkommenssteigerung der letzten Jahre - berechnet für den Zeitraum von 1972 bis 1975 - wird mit 27,4 % angegeben. Damit das Spiel am Ende auch aufgeht, werden dann die Lebenshaltungskosten auf der Basis „September 1974 bis Dezember 1976” berechnet. Meine Damen und Herren, da wir alle ja in den letzten Jahren gelebt haben, wissen wir, daß in der Phase um 1972 und 1973 die Einkommenssteigerungen besonders hoch waren und daß es in den letzten ein, zwei Jahren Gott sei Dank gelungen ist, die Zuwachsraten bei den Preisen ein wenig in den Griff zu bekommen. Man sucht sich also in dem Spielchen offensichtlich die günstigsten Zahlen aus, damit man dann sagen oder den Eindruck erwecken oder hier suggerieren kann: Wenn es bei den kommenden Anpassungen hier und da nicht reicht, liebe Leute, so hat sich doch das Einkommen um 27,4 % erhöht, und die Lebenshaltungskosten sind nur um 11,2 % gestiegen, und per Saldo bleibt also ein dicker Betrag übrig. Dies ist falsch. Sie müssen nämlich die Zahlen der richtigen Jahre schön nebeneinanderlegen. Wenn Sie hergehen und die Einkommensentwicklung von 1974 bis 1976, also für denselben Zeitraum, zugrunde legen, werden Sie feststellen, daß sich in dieser Zeit das Einkommen jenes berühmten Arbeitnehmerhaushalts um 12,6 % erhöht hat - wir sprechen hier vom Nettoeinkommen - und daß die Lebenshaltungskosten für die Vier-Personen-Arbeitnehmerfamilie - wie gesagt, nach Angaben des Berichts - um 11,2 % gestiegen sind. Für den Rentnerhaushalt, der ja immer als für Studenten maßgeblich unterstellt wird, sind es sogar 12,7 %. Was heißt dies? Statt der hier suggerierten 16,2 % Plus komme ich, wenn man die Jahre exakt nebeneinanderlegt, zu einem Plus von 1,4 %. Wenn ich die Einkommensentwicklung der Rentner nehme, die für Studenten nach altem Brauch ebenfalls zugrunde gelegt wird, komme ich sogar wieder zu einem Minuswachstum von 0,1 %. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dies muß man, glaube ich, im Hinterkopf haben, wenn in der nächsten Zeit gewisse Überlegungen angestellt werden müssen. Hier ist ein Zahlenspiel gespielt worden, das einzig und allein dazu diente, zu vernebeln. Das, was versprochen worden war, was man jetzt nicht ausreichend geben kann, sollte halbwegs dadurch gerechtfertigt werden, daß man Zahlen auf den Tisch legte, die dies als halbwegs gerechtfertigt erscheinen lassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist allerdings keine Basis für die erbetenen vertrauensvollen Beratungen hinsichtlich der weiteren BAföG-Entwicklung. Was nun die weiteren Konsequenzen angeht, die Sie dann ziehen, so sind diese - deswegen sind Sie gar nicht erst lange darauf eingegangen - weithin überholt, weil Sie inzwischen im Kabinett ein Gesetz verabschiedet haben. Sie haben dann auf den 8. Sozialbericht verwiesen. Darauf im einzelnen einzugehen, will ich mir hier ersparen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Steger?

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin als Parlamentsneuling sehr neugierig. Da ich davon ausgehe, daß Sie sicher wissen, daß die ganze Bildungspolitik zum Großteil Ländersache ist und es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, möchte ich gern von Ihnen hören, wann von Ihnen die Ankündigung kommt, daß die Opposition im von ihr beherrschten Bundesrat eine entsprechende Initiative ergreifen wird, um all die Probleme, die Sie hier zum Teil mit falschen statistischen Zahlen be532 legt haben, zu lösen. Das würde mich sehr interessieren.

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich habe Verständnis dafür, daß Sie das wissen möchten. Denn das Thema, um das es hier geht, ist in der Tat sehr interessant. Ich habe auch Verständnis dafür, daß der eine oder andere Kollege - es ist ja Freitagmorgen - gern nach Hause möchte und von daher nicht abwarten kann. Aber wir stehen erst am Anfang der Aussprache. Vielleicht warten Sie noch ein ganz klein wenig, dann komme ich auch auf diesen Punkt noch im einzelnen zu sprechen. ({0}) Hinsichtlich der falschen Zahlen, von denen Sie gesprochen haben, darf ich Ihnen erstens empfehlen, sich einmal den Bericht durchzulesen, was sehr hilfreich und dienlich ist, und zweitens ein Statistisches Jahrbuch zur Hand zu nehmen. Das bekommt man hier als Abgeordneter in der Regel umsonst. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, in bezug auf das, was ich hier soeben hinsichtlich der Entwicklung zum 1. Oktober 1976 angedeutet habe, was da die Ist-Situation war, und in bezug auf das, was sich jetzt mit Blick auf die kommenden Beratungen des Gesetzes andeutet, wird meiner Meinung nach bereits heute eines deutlich: daß nämlich, soweit wir sehen können, die Elternfreibeträge zu gering bemessen sind, nicht ausreichend hoch genug angesetzt worden sind. Deswegen wird bei uns in der Unionfraktion überlegt, die Anhebung der Beträge, der Elternfreibeträge auf 1 250 DM, wie Sie sicherlich längst in der Presse gelesen haben, in die Beratungen mit einzubringen und auch beim Waisenfreibetrag und einigen anderen Punkten konkreter zu werden. Dabei sind wir uns voll der Tatsache bewußt, daß wir hier im Rahmen des Möglichen handeln müssen, d. h. auch unter dem, wenn Sie so wollen, von Ihnen zu verantwortenden Diktat der leeren Kassen. Deswegen sind wir auch bereit, meine sehr geehrten Damen und Herren, über Gewichtung innerhalb des Gesetzes mit uns reden zu lassen. Dazu wird gleich noch der Kollege Daweke einige Ausführungen machen, damit Sie gleich nicht sagen, ich hätte dazu nichts Konkretes gesagt. Damit es hier ganz deutlich ist: das kommt noch. Nur, Herr Minister, lassen Sie mich eines noch einmal sagen: Es wäre einem bei der Überlegung, was man denn tun könne, manches leichter gefallen, wenn Ihr Bericht einem wenigstens die Chance gegeben hätte, einen Hauch von Anhaltspunkten dafür zu finden. Sie sind über das, was Sie in dem Bericht vorgelegt haben, am Ende mit dem Daumen hinweggegangen, und zwar nach dem schönen Grundsatz: Wenn wir nicht genau wissen, was wir machen sollen, dann verstreuen wir gleichmäßig etwas übers Land. Das scheint sich in manchen Teilen des Gesetzentwurfes ein wenig nuanciert zu haben. Zum Bericht selber lassen Sie mich abschließend eines sagen - es ist bedauerlich, dies feststellen zu müssen; das in allem Ernst -: Dieser Bericht ist alles andere als ausreichend. Für unsere kommenden Beratungen ist es im Grunde ein Bericht, den wir im wesentlichen vergessen können. Herr Minister, wenn Sie so schnell in die Beratungen einsteigen wollen, wie Sie gern möchten - dazu sind wir bereit, natürlich -, ({0}) dann allerdings versorgen Sie uns ein bißchen mit Unterlagen, von denen man sagen kann, daß es sich wenigstens lohnt, sie zu lesen. Nun haben Sie, Herr Minister, in mehreren Sätzen und sehr intensiv auf den Gesetzentwurf Bezug genommen, der ja in Kürze beraten werden soll. Ich habe dazu schon gesagt, daß uns, soweit wir das gegenwärtig übersehen können, das Problem des Freibetrages nicht befriedigend gelöst zu sein scheint. Wir werden dazu mit Alternativvorschlägen kommen. Nur, eines überrascht mich bei dem Gesetzentwurf. Während dem verehrten Hohen Haus bis zum gegenwärtigen Augenblick von der Bundesregierung im Zusammenhang mit diesem Gesetz nähere Angaben über strukturelle Entwicklungen nicht zugeleitet worden sind und obwohl in der Presseerklärung vorgestern ausdrücklich gesagt worden ist, Strukturveränderungen seien nicht beabsichtigt - aber später solle das alles kommen -, entdeckt man bei genauem Nachlesen - und das, Herr Minister, finde ich sehr seltsam, düpierend oder wie immer Sie das nennen wollen; ich kann mich auch härter ausdrücken - doch einiges an struktureller Veränderung in diesem Gesetz. Nur haben Sie das hier nicht angesprochen. Da findet man nämlich beispielsweise eine Veränderung - darauf lassen Sie mich allerdings eingehen -, die, soweit ich es gegenwärtig beurteilen kann, eindeutig die kinderreichen Familien benachteiligt. Sie verändern nämlich in dem Gesetzentwurf den sogenannten relativen Freibetrag, d. h. die Prozentsätze, die von dem absoluten Freibetrag an, bei dem Einkommen, was darüber liegt, noch angerechnet werden können. Während wir früher eine Regelung hatten, bei der für ein Kind 45 % und dann jeweils plus 5 % steigend angerechnet werden konnten, ist der zusätzliche Freibetrag durch das Haushaltsstrukturgesetz für die Eltern auf 25 % und für jedes Kind auf 10 % begrenzt worden, was für eine Familie mit vier Kindern bedeutet: 65 % können angerechnet werden. Nun kommen Sie in diesem Gesetz - dazu hätten Sie allerdings einiges sagen können - zum genau umgekehrten Ergebnis: Künftig kann die Familie mit einem Kind, die bisher 35 % anrechnen konnte, 65 % anrechnen, während die Familie mit vier Kindern nach Ihren Vorstellungen nur noch auf 35 % kommt. Herr Minister, ich muß ehrlich sagen: Es ist ein schlechter Stil, mit Hilfe eines Gesetzes quasi hintenherum Veränderungen anzustreben, die gravierend sind, dem Deutschen Bundestag gleichzeitig aber Materialien entweder vorzuenthalten oder nicht zuleiten zu können, weil Sie sie nicht vorliegen haben, aus denen erkennbar wäre, daß eine solche Veränderung notwendig ist. Dann haben Sie ein Weiteres getan. Wir haben oft über den Waisenfreibetrag gesprochen. So nebenbei wird dann in einem Nebensatz Ihrer Pressemitteilung erwähnt, daß er nunmehr künftig gesplittet sei: für Schüler 160 DM und für Studenten 120 DM. Der Satz von 120 DM galt bisher gemeinsam für alle. Auch das ist ein Punkt, Herr Minister, wo ich sagen muß: Über den Waisenfreibetrag haben wir so oft gesprochen, daß es einem ein wenig seltsam vorkommt, wenn Sie, ohne daß diesem Hause mit dem Bericht irgend etwas an Unterlagen vorgelegt worden ist und ich betone: dieser Bericht dient dazu, daß wir am Ende der Beratungen zu Beschlüssen kommen -, so zwischendurch Dinge nachschieben, die dann doch in die Struktur des Gesetzes eingreifen. Über die Gewichtigkeit wird man sicherlich streiten können. Ich darf für meine Fraktion sagen, Herr Minister - damit komme ich zum Schluß -: Erstens. Wir beurteilen diesen Bericht so, wie ich es mehrfach gesagt habe: Er ist von hinten bis vorne nicht ausreichend. Zweitens. Herr Minister, Sie haben darum gebeten - und uns sogar aufgefordert -, das Ganze wegen der Problematik doch zügig zu beraten und ihm möglichst auch zuzustimmen. Wenn wir das letzte einmal außenvor lassen, so können Sie davon ausgehen, daß wir zu einer zügigen Beratung bereit sind. Weiterhin sind wir bereit - und werden das in den nächsten Wochen deutlich machen -, zu dem Gesetzentwurf alternative Vorstellungen einzubringen. Zwei Bitten hätte ich noch. Wenn Sie vor dieses Hohe Haus treten und an alle Beteiligten appellieren, Kooperation zu praktizieren, das Gemeinsame zu sehen, dann erwarte ich, daß uns künftig Materialien vorgelegt werden, über die es sich zu reden lohnt. Dann braucht man nicht die meiste Zeit darauf zu verwenden, über das zu sprechen, was überhaupt nicht im Bericht steht. Das würde die Kooperation ganz erheblich verbessern. Zum zweiten - auch das ist eine Voraussetzung für unseren künftigen Stil -: Herr Minister, wecken Sie künftig vor Wahlen bitte keine Hoffnungen, die dann nicht erfüllt werden können, und rufen Sie, wenn es härter zu werden beginnt, nicht die Opposition um Hilfe an, sie sollte wieder einmal schön vernünftig sein, mit anpacken und möglichst alles schnell und gemeinsam erledigen. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Vogelsang.

Kurt Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, Herr Kollege Hornhues, als erstes auf Ihren Diskussionsbeitrag einzugehen; ({0}) denn Sie brächten mich dann in die Situation, Sie ein bißchen mit dem Inhalt des Gesetzes vertraut machen zu müssen. Ich will hier aber nicht als ein Schulmeister dastehen. Ich bitte Sie sehr herzlich, einmal das Protokoll nachzulesen, insbesondere das, was Sie hier heute morgen vorgetragen haben, und dann einmal zu prüfen, wieweit das denn mit der Systematik des Gesetzes überhaupt übereinstimmt. ({1}) Herr Kollege, ich finde es nicht so schlimm, daß Sie das vortragen; aber wenn Sie zum Abschluß sagten, Sie hätten im Namen Ihrer Fraktion gesprochen, dann ist das, so meine ich, für uns unüberhörbar. Ich glaube, Sie hatten wohl den Auftrag, den Brükkenschlag zu tun zwischen der Presseäußerung Ihres Kollegen Pfeifer zu dem Bericht und der ebenfalls aus Ihrer Fraktion kommenden Presseäußerung zum Gesetzentwurf, die sich ja mittlerweile wohl meilenweit voneinander entfernen. ({2}) Wir waren eigentlich davon ausgegangen, meine Damen und Herren, daß Sie, nachdem der erste Rausch des Tiefschlags, von dem Sie da gesprochen haben, bei Ihnen verflogen ist, ein bißchen auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Aber nach Ihrer Rede, Herr Kollege Hornhues, kann man das in der Tat wohl nicht sagen. Das Gesetz sagt doch: Die Bedarfssätze, die Freibeträge sowie die Vomhundertsätze und die Höchstbeträge sind alle zwei Jahre zu überprüfen und durch Gesetz neu festzusetzen. Wenn Sie der Bundesregierung den Vorwurf machen, in diesen Bericht seien nicht alle auch von uns bejahten strukturellen Veränderungen hineingekommen, ({3}) dann verlangen Sie mehr, als im Gesetz steht. Sie können doch den Bericht nicht deshalb abqualifizieren, weil er sich an dem Gesetz orientiert. ({4}) Ich meine, das müssen Sie hier berücksichtigen. Herr Kollege Hornhues, Sie haben die zeitliche Differenz zwischen den Veränderungen des Einkommens auf der einen Seite und den Veränderungen der Lebenshaltungskosten auf der anderen Seite kritisiert. Ich darf aber doch wohl davon ausgehen, Herr Kollege, daß Sie wissen, daß das Gesetz die Einkommensentwicklung rückwirkend - für das neue Gesetz bedeutete das die Berücksichtigung bis zum Jahr 1975 - zugrunde legt. Ich kann doch nicht die Einkommensentwicklung bis 1977 zur Grundlage machen, wenn nach dem Gesetz die Einkommensentwicklung der Jahre 1973 bis 1975 zu berücksichtigen ist. Hätte man eine weitergehende Aktualisierung vorgenommen, wäre die Regierung in der Tat über die Gesetzessystematik hinausgegangen. Außerdem verstehe ich nicht ganz, daß Sie einerseits sagen, es ginge ja nicht um ein paar Pfennige, sich andererseits aber daran hochhangeln, daß 534 nach Ihrer Auffassung - die Erhöhungen in dem vorgesehenen Ausmaß nicht ausreichend seien. Wir möchten von seiten unserer Fraktion den Bericht zum Anlaß nehmen, zu unterstreichen, daß wir es sehr begrüßen, daß dieser Bericht die erste Regierungsvorlage ist, über die in diesem 8. Deutschen Bundestag diskutiert wird. ({5}) Damit wollen wir auch deutlich machen, welche Bedeutung wir dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beimessen. Wir haben es sehr begrüßt, daß bereits am 2. dieses Monats die Regierung den Beschluß über eine Novelle zum Bundesausbildungsförderungsgesetz gefaßt hat. Eines ist klar: Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, daß die Entwicklung der Einkommensverhältnisse und die Veränderung der Lebenshaltungskosten eine Anpassung der Bedarfssätze und der Freibeträge notwendig machen. Es muß in diesem Hause doch wohl unbestritten sein, daß die in den Orientierungswerten angegebene Anhebung der Bedarfssätze um 16 % der Veränderung der Lebenshaltungskosten entspricht. Das bestreitet, wie Sie in dem Bericht nachsehen können, auch der Beirat für Ausbildungsförderung nicht. Er kommt allerdings zu einer höheren Anpassung, nämlich um 22 %. Dazu muß man darauf hinweisen, daß in diesen Prozentsatz Wünsche eingeflossen sind, die mit der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar sind. Es handelt sich um die Forderung, künftige Veränderungen der Lebenshaltungskosten bereits in dieses Gesetz einzubauen. Das ist weder für die Vergangenheit geschehen, noch kann es für die Zukunft geschehen. Ich räume Ihnen gern ein, daß man bei den anrechenbaren Einkommen unterschiedliche Maßstäbe finden kann. Man kann als Maßgröße die Entwicklung der Nettoeinkommen oder die Steigerung der Lebenshaltungskosten nehmen. Wenn man diese unterschiedlichen Maßstäbe gegeneinander abwägt, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nur darf sich, meine ich, das Parlament hier nicht selbst entleiben. Es hat ja vor etwas mehr als einem Jahr im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes beschlossen, daß bei den Veränderungen der Freibeträge und der Bedarfssätze auch der finanzwirtschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen werden muß. Das dürfen Sie bei all diesen Debatten nicht außer acht lassen. Uns gibt dieser Bericht auch die Möglichkeit, über die Wirkungen dieses Gesetzes nachzudenken. Ich sage nochmals: Wir übersehen dabei strukturelle Schwächen nicht; wir wollen sie auch gar nicht beiseite schieben. Nun, Herr Kollege Hornhues, etwas zur Zeitfrage: Wenn Sie mit der Novelle alle diese strukturellen Veränderungen wollen, muß ich daraus wohl schließen, daß Sie eine Anpassung der Bedarfssätze zum 1. 4. dieses Jahres nicht mehr wollen. Denn Ihnen muß klar sein, daß wir das bis zu diesem Zeitpunkt nach reiflicher Diskussion nicht schaffen. ({6}) - Wir können im Ausschuß darüber sprechen, Herr Kollege Pfeifer. Uns geht es darum, daß wir uns jetzt selber ein bißchen zeitlich unter Zwang setzen, damit wir die Regierungsvorlage insoweit erfüllen, daß die Anpassung der Bedarfssätze zum 1. 4. dieses Jahres erfolgen kann. Wir wollen das zügig beraten. Wir teilen den Standpunkt, daß anschließend im zuständigen Ausschuß eine intensive Beratung über strukturelle Veränderungen stattfinden soll. Es stünde uns dann auch Zeit zu reiflichen Überlegungen zur Verfügung. Es wäre völlig falsch, das Gesetz als ein Ausbildungsförderungsgesetz nur für Studenten anzusehen. Denn neben den 334 000 geförderten Studenten erhalten 285 000 Schüler Leistungen nach diesem Gesetz. Für uns ist auch die soziale Schichtung der Leistungsempfänger hervorzuheben. Bei der größten Gruppe der BAföG-Empfänger ist der Vater Arbeiter; das gilt sowohl für die Studenten wie für die Schüler. Die zweitgrößte Gruppe bilden die Empfänger, deren Vater Angestellter ist. Es folgen die Gruppen der Empfänger, deren Vater Beamter, Selbständiger, nicht berufstätig oder nicht mehr berufstätig ist. Hier gilt es auch eine gemeinsame Leistung von Bund und Ländern herauszuheben: Seit 1971, seit dem Bestehen des Gesetzes, sind insgesamt 10,3 Milliarden DM für Schüler und Studenten ausgegeben worden. Auch im internationalen Vergleich - Sie erinnern sich vielleicht noch an die letzte Anhörung - kann sich dieses Gesetz sehen lassen. Wenn auch in einigen Ländern die Förderungssätze höher sind, so darf man dabei nicht übersehen, daß dort die Darlehensanteile höher, teilweise sogar erheblich höher sind, als das bei uns der Fall ist. ({7}) Ich will etwas zu den von Ihnen gewollten strukturellen Veränderungen sagen. Im Vorgriff auf die Novelle schlagen Sie vor, den Freibetrag auf 1 250 DM anzuheben. Ich meine, die Redlichkeit gebietet, das nicht damit abzutun, es gehe nur um ein paar Pfennige, sondern dann sollte man auch das finanzielle Volumen für solch eine Erhöhung hier einmal darstellen; denn wenn man dem folgt, würden im Jahre 1978 vom Bund 150 Millionen DM und von den Ländern 75 Millionen DM mehr aufzubringen sein. Dies übersteigt zweifelsfrei den in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Finanzrahmen. Aber wir werden abwarten, ob dieses Signal von Ihnen vom Bundesrat gehört wird, der sich als nächster mit der Regierungsvorlage zu befassen hat. ({8}) Wir werden einmal hören, wie weit die Länder bereit sind, einer solchen Aufstockung zuzustimmen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vorschlagen, im vorgegebenen Finanzrahmen eine stärkere Differenzierung zugunsten der auswärtig Untergebrachten vorzunehmen, so heißt das wohl: weniger für die zu Hause Wohnenden und mehr für die auswärts Wohnenden. Da aber nur ein Viertel der Studenten zu Hause wohnt, muß man wohl, wenn man im Finanzrahmen bleiben will, die Beträge bei den Schülern in einem ganz erheblichen Maße zurückfahren. Dies halte ich allerdings für unvertretbar. Aber ich betone: Wir sind bereit, auch über diese Frage mit Ihnen im Ausschuß zu diskutieren, wenn Sie das im Ausschuß als Vorschlag einbringen sollten. Sie fordern eine Umgestaltung der Darlehensregelung mit dem Ziel, einen Anreiz für kürzere Studienzeiten zu geben. Die von Ihnen vorgeschlagene Regelung kann aber dazu führen, daß Sie Studienabbrecher begünstigen, weil nur die letzten Semester voll mit Darlehen gefördert werden sollen und am Beginn wohl nur Zuschuß gewährt werden soll. Sie übersehen dabei übrigens die bereits jetzt im Gesetz vorgesehene Regelung, wonach Studenten 2 000 DM als Darlehen erlassen bekommen, wenn sie ein Semester weniger als die Höchstförderungsdauer studieren. Ich will darauf verzichten, mich noch mit einigen anderen Punkten Ihres Vorschlages auseinanderzusetzen. Herr Pfeifer, um auf Ihren Zwischenruf einzugehen - ich hoffe, daß ich ihn richtig verstanden habe -, möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie die alte Regelung beim Zweitstudium wiederhaben wollen, dann wissen Sie doch ganz genau, daß wir uns damals im Ausschuß darüber einig waren, die alte Regelung beizubehalten, daß aber auf Druck des Bundesrates diese Regelung, wie sie jetzt im Gesetz steht, hineingekommen ist. ({9}) - Ich habe ja auch nichts dagegen. Nur werfe ich Herrn Hornhues, Ihnen, Herr Pfeifer, und Ihrer Fraktion die Darstellung vor, daß es die Regierung gewesen sei, die solche bösen Dinge in das Gesetz hineingeschrieben habe. Das ist der Punkt, gegen den ich mich hier wehre. ({10}) Lassen Sie uns das zeitlich trennen - dafür plädiere ich -, damit wir den in Aussicht genommenen Zeitpunkt für die Anhebung der Förderungssätze nicht gefährden. Ich betone noch einmal unsere Bereitschaft zu einer Diskussion über eine neue Struktur. Ich wünsche mir nur, daß wir bei diesem Thema im Ausschuß die Sachlichkeit finden, die sich gestern andeutete. Damit würden wir, meine ich, den Betroffenen am meisten gerecht. Der Ausschußüberweisung stimmen wir zu. ({11})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schuchardt.

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch ein paar kurze Bemerkungen - auch zu Ihnen, Herr Hornhues. Sie haben die BAföG-Diskussion mit der Rentendiskussion verglichen. Hier kann ich nur noch einmal darauf hinweisen - und das gilt erstens für die Regierung, zweitens für die Sozialdemokraten und drittens auch für uns -: Wir haben immer gesagt, daß die Erhöhung der Bundesausbildungsförderung eine der ersten Taten in dieser Legislaturperiode sein werde, aber wir haben auch immer gesagt, daß dies im Rahmen der Möglichkeiten geschehen werde. ({0}) - Nein, das ist nicht zutreffend, Herr Hornhues Wir haben uns zahlenmäßig nie festgelegt - übrigens im Gegensatz zu einigen aus Ihren Reihen. Aber wie wir erfahren haben, hat hier nicht nur der Bundestag zuzustimmen, sondern auch der Bundesrat. Da werden Ihre Länder noch Gelegenheit haben, zu zeigen, wie ernst sie es mit der Erhöhung der Förderung für die Studenten meinen. ({1}) Sie meinten dann, den Bundestag darüber aufklären zu müssen, daß die kinderreichen Familien wieder benachteiligt würden. Diese Rechnung scheint bei Ihnen nach dem Motto gelaufen zu sein: zuerst das Ergebnis feststellen und sich dann ruhig einen Rechenfehler leisten, damit das Ergebnis anschließend auch hinkommt. Wir können nur sagen, daß die mit dem Haushaltsstrukturgesetz eingeführte Bevorzugung der kinderreichen Familien beibehalten wird. Das muß eindeutig betont werden. ({2}) - Sehen Sie, bezüglich der Anrechenbarkeit des über die Freibeträge hinausgehenden Betrages hatten wir früher gemeinsam 40 % plus 5 % für jedes Kind beschlossen. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz sind wir dann auf 25 % plus 10 % gegangen. Der Anteil, der bei einem zusätzlichen Kind berücksichtigt wird, ist also relativ viel höher als in früherer Zeit. Daran soll auch festgehalten werden. Was interessiert die Betroffenen nun sehr? Die Betroffenen interessieren sich zu allererst natürlich dafür, was sie nun zu erwarten haben. Es ist ja überhaupt ziemlich bemerkenswert, daß gerade auf Studenten in der öffentlichen Meinung sehr häufig geschimpft wird: sie seien irrsinnig privilegiert. Es wird eine Stimmung erzeugt, die es verhältnismäßig schwierig macht, sich im sozialen Bereich für die Studenten einzusetzen. Wenn dann aber in diesem Hause über BAföG geredet wird, sind diese Studenten auf einmal ganz schrecklich arme Menschen, die am Hungertuche nagen. ({3}) Ich finde, wir sollten versuchen, hier einen einigermaßen realistischen Mittelweg zu gehen. Wir waren uns alle darüber einig, daß wir nur dann wirklich eine Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft sein können, wenn wenigstens annähernd gleiche Startchancen für jeden einzelnen bestehen. BAföG sollte ein Schritt in diese Richtung sein. Ich glaube, darüber waren wir uns alle einig. Im wesentlichen geht es darum, daß Studenten und Schüler aus sozial schwachen Familien stärker die Möglichkeit haben sollen als früher, Ausbildungschancen wahrzunehmen. Gleichzeitig geht es natürlich auch darum - zugegebenermaßen ist das für einen Vertreter einer Koalitionsfraktion etwas schwieriger -, das Wünschenswerte mit dem finanziell Machbaren irgendwie in Einklang zu bringen. Ich beneide die Oppositionspolitiker da manchmal, die nicht immer das finanziell Machbare - ({4}) - Nein, nein, ich trage diese Verantwortung gern. Sie aber scheinen sich nicht danach zu reißen, sonst würden Sie wenigstens konstruktiv mitarbeiten. ({5}) Meine Damen und Herren, zu der Frage, was finanziell machbar ist, sollte man vielleicht doch einiges sagen. Als wir - zumindest meine Generation - in die Politik einstiegen, kamen wir in Parlamente, die noch sehr daran gewöhnt waren, alle guten Taten aus dem Zuwachs heraus - ({6}) - Seit 1970 mache ich dieses Geschäft schon, Herr Gölter; man hält sich manchmal ganz gut. ({7}) Wir müssen uns daran gewöhnen - dies ist keine Katastrophe, sondern wird für die nächsten Jahre und Jahrzehnte normal sein -: wir werden nicht mehr die Wohltaten, die wir früher versprochen haben, aus Zuwächsen heraus finanzieren können, sondern wir müssen, wenn wir hier etwas tun, auch gleichzeitig sagen, wo wir es auf der anderen Seite lassen wollen. Folglich wird sicherlich Politik zu. künftig schwerer werden, als sie in der Vergangenheit war. Aber dies ist eine normale Entwicklung und keine Katastrophe. Man sollte vielleicht noch einmal darauf hinweisen, daß die Studenten und Schüler für ihre Forderungen Verständnis erwarten sollten. Seit drei Jahren ist - das haben wir gemeinsam entschieden - im wesentlichen nicht viel geschehen, sondern wir haben die Anpassung, die man eigentlich alle zwei Jahre vorsehen sollte, um ein weiteres Jahr verschoben. Das bedeutet, gerade z. B., was den Elternfreibetrag betrifft, daß es eine Reihe von Studenten und Schülern gibt, die aus der Förderung herausgefallen sind oder zumindest eine erhebliche Kürzung hinnehmen mußten. Darauf hat Herr Hornhues hingewiesen. Das kann man nur noch einmal betonen. Wir sollten dies auch nicht verschönen. Man muß auch wohl daran erinnern, daß der Arbeitsmarkt es zur Zeit nicht zuläßt, daß Studenten mal eben zusätzlich jobben können. Insoweit hat die Bundesausbildungsförderung einen ganz besonderen Charakter, der stärker als früher betont ist, als man eben diese Gelegenheiten hatte. Dritter Punkt! Als wir über das Hochschulrahmengesetz und über die Regelstudienzeit gesprochen haben, hieß es bei den Studenten immer: Dieses kann natürlich nur dann wirklich sinnvoll durchgehalten werden, wenn die Bundesausbildungsförderung entsprechend mitzieht. All dieses müssen wir berücksichtigen. Wir haben im Laufe der Zeit - und dies hat meine Fraktion sehr intensiv betrieben; wir bekennen uns dazu - den Darlehensanteil eingeführt und erhöht. Man sollte darauf hinweisen, daß alle, die in den nächsten Jahren bis zu 150 DM BAföG beziehen werden, dieses voll als Darlehen beziehen. Lediglich das, was darüber hinausgeht, kann von seiten des Steuerzahlers als verlorener Zuschuß betrachtet werden. Das ist auch gerechtfertigt. Man sollte die Studenten darauf hinweisen, daß, auch wenn der Arbeitsmarkt für die Akademiker schlechter geworden ist, der Jugendliche natürlich mit einem Studium anschließend immer noch sehr viel stärkere Chancen hat als jeder andere. Es ist insoweit auch angemessen, wenn er sich wenigstens teilweise an den Mitteln beteiligt, die er während seines Studiums verfrühstücken kann. ({8}) Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar, daß sie sich offen gezeigt hat, was die Auswirkungen des Berichtes und vor allem ihre eigenen Vorschläge betrifft. Ich hatte den Eindruck, daß alle drei Fraktionen sich darin einig sind, daß beim Elternfreibetrag die Priorität liegt und daß wir versuchen sollten - ohne den Finanzrahmen zu sprengen -, die Priorität noch besser zu verwirklichen. Allerdings hat die CDU bereits der Öffentlichkeit Vorschläge mitgeteilt, in denen überhaupt nichts von Kostenneutralität darin steht. Vielmehr wird gesagt, wenn die CDU daran wäre, würde etwas tiefer in den Steuersäckel hineingegriffen. Nun wird versprochen, daß man nicht 1 100, sondern 1 250 als Elternfreibetrag einführen würde. ({9}) Nun bin ich sehr gespannt, was der Bundesrat mit seiner Mehrheit tun wird. Wenn wir im Ausschuß darüber reden, werden wir es ja schon wissen. Das sollten wir dann mitbewerten. Im übrigen kann ich mich an einige Debatten in diesem Hause erinnern, in denen gerade aus den Reihen der Union von der Staatsquote geredet wurde. Der Sozialismus wurde damit umschrieben, daß wir eine so irrsinnig hohe Staatsquote hätten. Wir stellen fest, daß diese Staatsquote, würde die Politik der Union gemacht, wohl überhaupt nicht mehr zu ermessen wäre. ({10}) Ich will noch auf etwas anderes hinweisen. Im Zuge der Einkommensteuerreform hat die Union durchgesetzt, daß die Freibeträge für Ausbildung - ich glaube, auf 4 200 DM - erhöht wurden. Das bedeutet, daß jemand, der z. B. 50 % Steuern zu zahlen hat, also wohl zu den Spitzenverdienern zu zählen ist, dann, wenn er sein Kind studieren läßt, 175 DM monatlich bei den Steuern einspart. Von den Kirchensteuern, die noch dazukommen, will ich gar nicht reden. Das heißt also: Wir sind durch die Einkommensteuerreform und die kleinen Arabesken, die die Union dort noch mit hineingejubelt hat, leider in die Situation gekommen, daß - man kann ja nur das ausgeben, was man auch einnimmt - diejenigen mit hohem Einkommen stärker begünstigt werden, wenn sie ihre Kinder studieren lassen, und dieses nun leider auf Kosten der sozial Schwachen geht. Da kann man einmal sehen, wer die Lobby hier in diesem Hause ist. ({11}) Ich stimme Herrn Hornhues insoweit zu, als auch ich es für wünschenswert gehalten hätte, wenn der Bericht Alternativen aufgezeigt hätte, ({12}) da ich zu denen gehöre, die eigentlich ungern immer nur das bejubeln, was Regierungen sagen, und die sehr viel von der Kreativität der Parlamente halten. Insoweit sollten wir vielleicht dazu übergehen, im Ausschuß zumindest sehr intensiv die Kosten alternativer Vorschläge abzuwägen, um darauf dann auch unsere Entscheidung zu gründen. Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, im Bericht die Auswirkungen des Haushaltsstrukturgesetzes etwas stärker zu beschreiben, ({13}) und zwar aus einem ganz einfachen Grunde, nämlich um der Öffentlichkeit gegenüber, in der die Studenten ja nicht so sehr beliebt sind, klarzumachen, daß es sich hier nicht um diejenigen handelt, die etwas verjubeln, sondern um diejenigen, die tatsächlich bedürftig sind. Unsere Fraktionsvorsitzendenkonferenz - darauf scheinen sich Herr Hornhues und Herr Pfeifer in ihren Zwischenrufen bezogen zu haben ({14}) würde sich freuen, wenn man sich auf die Sätze von 600 und 1 200 DM einigen könnte. Mischnick hat aber überhaupt keinen Zweifel daran gelassen, daß dieses von ihm lediglich als eine Empfehlung an die Bundestagsfraktion verstanden wird, daß wir all dies also genau abwägen und den Finanzrahmen der mittelfristigen Finanzplanung nicht sprengen lassen. Im übrigen können die Länder in diesem Punkt möglicherweise ja auch etwas freier disponieren, weil sie nur 35 O/o zu tragen haben. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, daß es für uns wichtig ist, zu überprüfen, inwieweit man vielleicht beim Elternfreibetrag noch einiges verändern kann. ({15}) - Das habe ich vorhin schon gesagt, Herr Pfeifer. ({16}) - Das entscheidende ist aber, daß ich - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Pfeifer - immer darauf hingewiesen habe, daß dies innerhalb des gesetzten Finanzrahmens geschehen müsse. ({17}) Das ist der Unterschied zwischen einer Oppositions- und einer Koalitionsfraktion. ({18}) - Werden Sie doch nicht gleich so unruhig, Herr Gölter. ({19}) - Ich werde gleich darauf eingehen. Sicher, einen Einstieg in die Strukturreform werden wir machen müssen. Im Augenblick reden wir aber darüber, ob wir möglichst schnell etwas für die Studenten und Schüler tun wollen. Oder wollen Sie den Ausschuß nun mit langen Anhörverfahren zur Strukturveränderung beschäftigen und die armen Studenten und Schüler noch auf die konkrete Erhöhung ihrer Beträge warten lassen? Mit dieser Auswirkung haben wir es hier doch zu tun. ({20}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich vorgenommen, innerhalb dieser Legislaturperiode einen Bericht darüber vorzulegen, wie eigentlich die kumulierenden Wirkungen unserer gesamten Gesetzeslandschaft auf die einzelnen Einkommensgruppen sind. Ich glaube, jeder von uns hat so ein bißchen die Vermutung, daß die Segnungen auf der einen Seite und die Abgaben, die Private zu leisten haben, auf der anderen Seite irgendwo bei den mittleren Einkommen ein schreckliches Loch klaffen lassen. Wenn wir z. B. über Bundesausbildungsförderung reden, wissen wir gar nicht so recht: Wie kumuliert sich das eigentlich mit vielen anderen Leistungen und Belastungen pro Einkommensschicht? Wir hoffen, daß zu den nächsten Beratungen über diesen Punkt der Bericht vorliegt, so daß man dieses Gesetz in einen Rahmen mit den anderen Bereichen einbeziehen kann. Die CDU/CSU fordert Strukturveränderungen. Darin kann ich sie nur intensiv unterstützen. Ich habe darauf hingewiesen, daß es hier lediglich um ein zeitliches Auseinanderklaffen zwischen Betragserhöhungen einerseits und Strukturveränderungen auf der anderen Seite gehen muß. Ich meine, daß die Union auch daran interessiert sein sollte, daß die Arbeit der Bund-Länder-Kommission, die begonnen worden ist, mit eingearbeitet wird; denn dieses ist ein zustimmungspflichtiges Gesetz. Wenn wir aber so lange noch mit Strukturveränderungen warten müssen, damit etwas Vernünftiges herauskommt, dann, so finde ich, muß doch auch die Union einsehen, daß es hier zunächst nur um die Erhöhung der Sätze gehen kann. Ich möchte nur zwei Punkte, die mir besonders gravierend erscheinen und die unbedingt verändert werden müssen, ansprechen. Das eine ist das Widerspruchsdarlehen für den Fall, daß Eltern sich weigern, ihren Anteil zur Ausbildung zu leisten. Es muß wieder eingeführt werden, damit der Student wenigstens die Chance hat, ein Darlehen zu beziehen, ({21}) und nicht in die gerichtliche Auseinandersetzung mit seinen Eltern gezwungen wird. Wir alle haben dies beschlossen. Ich finde, wir sollten korrekterweise auch zugeben, daß wir alle an diesem Verfahren auch Schuld haben. Eine zweite Ungereimtheit, die sich gerade für integrierte Studiengänge sehr negativ auswirken kann, ist folgende. Wir haben die perverse Situation, daß, wenn jemand zunächst das Diplom angesteuert hat und während des Studiums sagt: „Es ist mir eigentlich ein bißchen zu hochgegriffen; ich gehe lieber auf einen Graduiertenstudiengang", das dann als Fachwechsel gilt. Er muß dann auf ein Darlehen umsteigen. Das kann man wohl nur eher als einen Witz denn als eine sinnvolle Maßnahme bezeichnen. ({22}) Alle solche Dinge sollten aufgegriffen und von uns sehr intensiv beraten werden, damit wir nicht in einem oder zwei Jahren hier wieder stehen und solche Arabesken diskutieren. Die CDU/CSU hat nun angedeutet, daß sie über die Bundesausbildungsförderung Studienreform betreiben möchte. Ich möchte dies im einzelnen nicht weiter ausführen. Aber die Bundesausbildungsförderung scheint mir nicht das geeignete Mittel zu sein, Studienreform zu betreiben. Insofern sollten wir zunächst einmal mit der Darlehensregelung leben, die wir inzwischen gefunden haben, damit Studienreform dort betrieben werden kann, wo sie sinnvoll angegliedert ist, nämlich in den dazu eigens eingerichteten Kommissionen. Meine Damen und Herren, ich hoffe, mir ist es gelungen, uns noch als einigermaßen offen für Anregungen darzustellen. Ich meine, daß man den Studenten und Schüler gleichzeitig noch sagen sollte, daß die Bundesrepublik mit den Leistungen aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Vergleich zu anderen Ländern hervorragend dasteht. ({23}) Das sollte man immer wieder würdigen, wenn man bedenkt, was für diesen Bundestag machbar ist. Wir werden sehen, zu welchen Kompromissen wir kommen werden. ({24})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daweke.

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß die erste Rede, die ich im Bundestag halten darf und die ja merkwürdigerweise Jungfernrede heißt, eine Nachfolgerede von Frau Schuchardt wäre. Das hat jetzt nichts mit dem Begriff Jungfernrede zu tun, sondern mehr damit, daß ich eigentlich sehr darauf gespannt war, wie Sie, Frau Schuchardt, hier heute auftreten würden, weil ich mit viel Interesse Ihre Rundfunkinterviews, genauso wie die von Herrn Mischnick, verfolgt habe, in denen Sie Ankündigungen gemacht haben. Ich fand es sehr interessant, wie Sie eben nicht mehr darauf zurückgekommen sind. Ich meine, man sollte vielleicht zu Beginn der zweiten Runde dieser Debatte noch einmal den Gedanken aufgreifen, der dem BAföG in § 35 und damit natürlich auch dem Bericht zugrunde liegt. Das BAföG wollte Chancengerechtigkeit im Bildungswesen dadurch herstellen, daß die Startchancen der Menschen, die studieren wollen oder noch Schüler sind, verbessert werden. Der Bericht muß doch dann offensichtlich untersuchen, ob dieser Anspruch des Gesetzes, Chancengerechtigkeit im Bildungswesen herzustellen, noch aufrechterhalten wird. Ich meine, daß der Bericht dafür - und das hat Herr Hornhues auch gesagt - überhaupt nichts hergibt. Sie können aus der mehr buchhalterisch angelegten Vorlage im Grunde genommen überhaupt nicht entnehmen, wie sich denn tatsächlich die strukturellen Veränderungen a) in der Gesellschaft, in der wirtschaftlichen Situation der Studenten und damit dann eben auch b) auf die soziale Lage der Studenten ausgewirkt haben. Die Regierung hat, vielleicht nicht explizit, aber immerhin vor der Wahl die Erwartungen der 850 000 Studenten geweckt. Sie hat gesagt, sie werde sich im Rahmen dessen, was das Deutsche Studentenwerk vorgetragen hat, bewegen, sie wolle Angleichungen machen. Sie hat aber nicht gesagt, was sie jetzt von dem hält, was vorher angekündigt wurde. Wenn man den Höhenflug der Politik hierzu verfolgen will, muß man die Berichte 1973 und 1976 miteinander vergleichen. Sie haben z. B. 1973 für das Jahr 1975 noch 3,2 Milliarden DM BAföG eingeplant, und zwar Bund und Länder gemeinsam. Daraus sind 1975 effektiv 2,6 Milliarden DM geworden. 1976 ist die Differenz noch größer. Jetzt ist das Flugzeug wieder unten angelangt, und nun wird gesagt, man müsse darüber vernünftig mit uns diskutieren. Ich möchte den Bericht, wenn ich ihn charakterisieren soll, nicht nur als eine buchhalterische, sondern als eine zu sehr quantitative und zuwenig qualitative Untersuchung bezeichnen. Ich will das gerne belegen. Sie arbeiten in diesem Bericht beispielsweise mit Pauschalen. So kann man lesen, welches die durchschnittlichen Förderungsbeträge sind. Da wird gesagt, daß 1972 im Durchschnitt pro Student und Monat 340 DM gezahlt worden sind und daß 1975 400 DM gezahlt worden sind, als gäbe diese durchschnittliche Berechnung irgendeine Bewertung oder irgendein brauchbares Datum, wie es um die Situation des BAföG bestellt ist. Um zu charakterisieren, was ich sagen will, möchte ich einen Vergleich bringen. Ich darf dabei Sie, Herr Minister, als Niedersachsen ansprechen, wenn Sie mir das gestatten. Wenn ich eine Flasche Wein trinke, und Sie trinken keine, dann haben wir im Durchschnitt selbstverständlich je eine halbe Flasche Wein getrunken, nur mit dem Unterschied, daß ich hinterher besoffen bin und der Herr Minister ist nüchtern. ({0}) Genauso verhält es sich mit den durchschnittlichen Förderungssätzen. Sie geben für eine Betrachtung zunächst überhaupt nichts her. Wenn Sie also wissen wollen, was wirklich los ist, muß man auf das hinweisen, was vorhin gesagt worden ist: Man muß die Struktur des BAföG untersuchen. Nun schlagen Sie - lassen Sie mich da auch zu unseren Vorschlägen kommen - eine Koppelung der Anhebung der Bedarfssätze und der Freibeträge vor, d. h., Sie wollen in beiden Bereichen vorgehen. Ich finde, es ist doch wirklich nicht so, daß Sie uns vorwerfen können, daß wir wieder einmal nur gegen etwas sind. Das ist nicht richtig. Wir haben gesagt, wenn man sich überlegt, was für die Schüler und Studenten wichtiger ist, die Anhebung der Förderungssätze oder die Anhebung der Freibetragsgrenzen, dann muß man doch untersuchen, wie es jetzt draußen aussieht. Lassen Sie mich dazu eine Frage stellen, vielleicht auch als Gegenfrage zu dem, was die Studenten immer sagen, daß die Anpassung sich an dem orientieren müsse, was sie brauchen. Wie sieht das in einer normalen Familie aus, wo meinetwegen ein Einkommen von 2 500 oder 2 800 DM vorhanden ist, was im Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland schon hoch ist? Was leisten denn da die Eltern für die Kinder, die nicht gefördert werden, aus der eigenen Tasche? Die Frage muß doch erlaubt sein, ob da z. B. 580 DM oder 630 DM oder 690 DM, was immer da für Zahlen im Raume sind, gezahlt werden. Das ist doch eine legitime Frage. Wenn Sie sich jetzt noch einmal den Ansatz des Gesetzes vor Augen führen, das Startchancen verbessern, soziale Gerechtigkeit im Bildungswesen einführen, Sozialpolitik mit Bildungspolitik verbinden soll, dann wäre doch der Weg einer Erhöhung der Freibeträge insofern wesentlich besser, als er in diesem Bereich mehr Gerechtigkeit schafft. Im übrigen ist das auch, wenn Sie so wollen, ein gesellschaftspolitisches Problem, weil sich hier - und das hat Frau Schuchardt eben mit dem Stichwort Transferkommission zur Überprüfung der Transferzahlungen angedeutet - die Frage stellt, ob sich jemand nicht ernsthaft überlegen muß, was er anstellt, ob er meinetwegen 100 DM mehr verdienen will, kann oder soll, ob er sich dann nicht überlegen muß, ob ihm in diesem Bereich überproportional mehr weggenommen wird, so daß es sich auf diese Art und Weise überhaupt nicht mehr lohnt, sondern er dafür bestraft wird, daß er mehr leistet. Das ist dabei ein, wie ich finde, wichtiger Hintergrund. Sie haben eben gesagt, wir machten überhaupt keine Aussage über die Finanzierung. Ich weise darauf hin, daß in jedem unserer Papiere, die dazu vorgelegt wurden, immer als erster Satz zu lesen ist, daß wir den Plafond, welchen die Regierung gesetzt hat, überhaupt nicht übersteigen wollen. Der RCDS, der, wie Herr Möllemann aus alter Zeit besonders gut weiß, der CDU nahestehen soll, sagt beispielsweise in einer Pressemitteilung - ich weiß nicht, ob Ihnen das als Beleg dienen kann -, er bedaure es, daß die CDU nicht bereit sei, über den Rahmen der Regierung hinauszugehen. Wir wollen das nicht und haben es auch sehr deutlich gemacht. Sie werden das in den Ausschußberatungen sehen. Wenn man das nicht will, dann muß man eben das tun, was Sie Strukturveränderungen oder, um es positiv zu sagen, Strukturverbesserungen genannt haben. Da gibt es die Frage der Darlehensregelung. Es ist ganz interessant, festzustellen, daß wir untereinander offensichtlich gar nicht so große Differenzen haben. Dabei beziehe ich das mit ein, was Herr Vogelsang hier vorhin für die SPD gesagt hat. Wir haben uns überlegt - diese Überlegung werden wir weiterführen -, ob es denn nicht sinnvoll und, auch was die individuelle Förderung angeht, gerechter wäre, daß das Darlehen nach dem Ende des Studiums in einem Block zurückzuzahlen ist. Dadurch schaffen wir zusätzliche Leistungsanreize, und derjenige, der eher fertig wird, soll dann auch weniger von dem Darlehen zurückzahlen. Auch das ist eine Überlegung, die fortzusetzen sich lohnt. Etwas anderes. Das BAföG wird von vielen Menschen als ungerecht empfunden, auch deshalb, weil es z. B., was die Kosten - beispielsweise der Unterbringung - angeht, sehr wenig zwischen den Schülern, die zu Hause wohnen, und denen, die draußen wohnen, differenziert. Man muß überlegen, ob man nicht bei der Anhebung genauso verfahren sollte, wie ich es eben bezüglich der Darlehensregelung sagte, ob man also möglicherweise in dem einen Bereich etwas weniger und in dem anderen Bereich dafür etwas mehr tun sollte. Auch hier würde sich nach unserer Meinung eine Ausgabenexplosion nicht empfehlen. Sowohl von Frau Schuchardt wie von Herrn Dr. Hornhues ist vorhin schon darauf hingewiesen worden, daß in diesem Zusammenhang auch die Frage zu prüfen ist, wie sich denn das Familienrecht des BGB im Verhältnis zum BAföG stellt. Es geht also um die Frage: Wie sieht es mit der Überleitung der Ansprüche an die Förderungsämter aus, und welche Probleme sind damit verbunden? Auch das muß noch einmal aufgegriffen werden. Wir haben uns überlegt, daß es bei der Frage der Inanspruchnahme der Eltern durch die Gerichte wichtig sein muß, das Darlehen und damit die Bürgschaften des Bundes für Darlehen der Studenten zu verbessern, d. h. zu überprüfen, ob man hier, auch was die individuelle Not oder was die Einzelsituation des Studenten oder des Schülers angeht, nicht durch die Übernahme von Bürgschaften zu einer großzügigeren Regelung und zu einer geringeren Inanspruchnahme der Familien auf Grund gerichtlicher Entscheidungen kommen sollte. In diesem Zusammenhang wollen wir einen letzten Punkt ansprechen. Herr Dr. Gölter hat bei uns in die Diskussion die Zahl von 130 Verordnungen eingeführt, die es inzwischen bei den Ländern und beim Bund zum BAföG gibt. Ich kann das jetzt nicht überprüfen. Aber ich will unterstellen, daß sich ein Student normalerweise immer nur mit den Verordnungen seines Bundeslandes auseinandersetzen muß. Aber selbst wenn Sie da eine geringere Zahl ansetzen, so ist das doch, wie ich finde - fast noch bes540 ser als die Gasrechnung des Bundeskanzlers bei der Regierungserklärung - ein hervorragendes Beispiel, wie unüberschaubar die gesetzlichen Vorschriften in diesem Land geworden sind! ({1}) Herr Lattmann hat gestern im Ausschuß einen neuen Begriff geprägt. Er heißt „kooperative Vernunft". Er wird in den nächsten Wochen ja noch mit Inhalt ausgefüllt werden. Wenn ich mir den Zusammenhang der Gesetze ansehe, die hier zur Beratung anstehen, und auch den Zusammenhang zwischen der Stellung des Bundesrats und der Mehrheit in diesem Hause, dann sollten wir aber nicht nur von „kooperativer Vernunft" reden, sondern den Zwang zur Kooperation erkennen. Wir sind zu ihr bereit. ({2})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einige ergänzende Bemerkungen, nachdem ja eigentlich doch schon vieles in der bisherigen Debatte enthalten gewesen ist: Nachdem die Bundesregierung am 2. dieses Monats, also vor zwei Tagen, die Novelle zum BAföG auf den parlamentarischen Weg gebracht und damit ihre Vorschläge zur Verbesserung der Bedarfssätze und der Freibeträge für Schüler weiterführender Schulen und Studenten gemacht hat, war eigentlich auch für hier, für diese Debatte selbstverständlich, daß der Inhalt der Novelle und was zahlenmäßig in ihr seinen Ausdruck findet in unsere Beratung gleich mit eingehen würde. Ich sage das hier deshalb, weil ich den Eindruck habe, daß man sich, gerade wenn man daran interessiert ist - und ich freue mich darüber, daß die Opposition dazu ein gewisses Ja gesagt hat -, schnell zu einer Gesetzesentscheidung über die Erhöhung der Beträge, Freigrenzen und Bedarfssätze zu kommen, vielleicht die zusätzliche Arbeit einer nochmaligen Debatte derselben Fragen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes sparen und gleich an die Ausschußarbeit herangehen könnte. - Gut, Sie machen Vorbehalte; das ist Ihr gutes Recht. Ich gebe diese Anregung, weil man dann im Interesse der Sache vielleicht noch ein bißchen mehr Beschleunigung erreichen könnte. Eine zweite Bemerkung: Ich glaube, gerade Herr Daweke, aber auch sein Vorredner müssen sich noch einmal ganz genau die Formulierung des § 35 hinsichtlich des Berichts, über den wir ja hier miteinander sprechen, anschauen. Da heißt es - ich darf zitieren -: Die Bedarfssätze, Freibeträge sowie die Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 sind alle zwei Jahre zu überprüfen und durch Gesetz gegebenenfalls neu festzusetzen. Dabei ist der Entwicklung der Einkommensverhältnisse und der Vermögensbildung, den Veränderungen der Lebenshaltungskosten sowie der finanzwirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung hat hierüber dem Deutschen Bundestag zu berichten. Es steht also wirklich nichts davon drin, daß dieser Bericht dazu da ist, diese - hochinteressanten, wichtigen und von niemandem etwa als unwichtig bezeichneten - strukturellen Probleme darzustellen, die es natürlich im Zusammenhang mit dem BAföG gibt. Alles, was von Ihnen dazu gesagt worden ist, kann man doch also wohl nur so sehen: Nachdem hier erstens klar ist, daß der Bericht nach § 35 nicht dazu da ist, strukturelle Probleme zu untersuchen, und da es zweitens aus Zeitgründen - so haben es alle Vorredner aus der Koalition zum Ausdruck gebracht - wichtig ist, schnell zur Anhebung der Sätze zu kommen, wie wir es versprochen haben, also sowohl für Schüler als auch für Studenten Verbesserungen zu erreichen, so daß wir strukturelle Fragen auf der Grundlage anderer Erarbeitungen gründlich und zu einem etwas späteren Zeitpunkt zu debattieren haben, sind wir trotzdem drittens, so würde ich hinzufügen, natürlich in gar keiner Weise gehindert, hier im Parlament die strukturellen Probleme anzusprechen, und das ist ja hier auch geschehen. In diesem Sinne würde ich gern noch einen Gedanken zu diesem Teil der Debatte hinzufügen. Wir werden in späterer Zeit darüber weiter zu reden haben. Bei diesem Punkt ist es wirklich notwendig - Frau Schuchardt hat damit schon angefangen - den Finger in eine Wunde zu legen: Der strukturelle Änderungsvorschlag, den ich mir wünschen würde, wäre der, diese etwa - wenn ich richtig orientiert bin - 400 Millionen DM an Steuermindereinnahmen, die dadurch entstehen, daß wir seit dem 1. Januar dieses Jahres den Ausbildungskostenfreibetrag im Einkommensteuerrecht haben, wieder zur Verfügung zu haben für Verbesserungen in dem Bereich des BAföG, um den es uns hier geht, nämlich in dem Sinne, daß wir von unten anfangen zu verbessern und nicht oben Verbesserungen machen. ({0}) Aber seien wir nüchtern und realistisch. Dieser Vorschlag wird nicht von der Union kommen! Sie hat uns das ja erst damals im Zusammenhang mit der Steuerreform und dem dort notwendigen und zu erreichenden Kompromiß zwischen Bundesrat und Bundestag aufs Auge gedrückt. Wir müssen damit leben und können höchstens sagen, daß dieser Freibetrag insofern ein ganz klein wenig an Positivem in sich hat, als er den Übergang zwischen der Gruppe der BAföG-Geförderten einerseits und denjenigen, die nicht mehr dazugehören, etwas sanfter gestaltet. Aber das ist wirklich auch das einzige, was man dieser Sache an Positivem entnehmen kann; das Geld wäre für strukturelle und Anhebungsvorhaben gerade im BAföG, die hier zur Diskussion stehen, besser angewendet. Wenn die Opposition trotzdem mit Forderungen kommt, die Einkommensfreigrenzen im BAföG zu erhöhen, und zwar nicht so, wie die Regierung vorschlägt, von 960 DM auf 1 100 DM, sondern, darüber hinausgehend, auf 1 250 DM, dann will ich gern zugestehen, daß sie damit in die wünschbare Richtung denkt. Und ich will auch zugestehen - jedenfalls liegt es mir am Herzen, das hier so zu sagen -, daß die Opposition damit nicht den billigen Effekt erhaschen will, gegenüber den Studenten bei den Förderungshöchstbeträgen die 6 statt der 5 vor dem Hunderter zu nennen. ({1}) Insofern ist das anzuerkennen, und ich sage ja, Sie denken da in die richtige Richtung. Aber Sie werden eben auch daran denken müssen, daß Sie damals im Haushaltsstrukturgesetz mit beschlossen haben, bei den Anpassungsentscheidungen im BAföG neben der Einkommensentwicklung und der Lebenshaltungskostenentwicklung auch die finanzielle Lage der öffentlichen Kassen zu beachten. Dies ist unser Problem. Herr Daweke, Sie haben interessanterweise gesagt - was ich vorher nicht erkennen konnte -, daß sich alle Ihre Änderungsvorschläge in diesem Bereich in dem insgesamt gegebenen finanziellen Rahmen halten sollen. Muß ich daraus schließen, daß Sie dann, wenn Sie sagen, Sie wollen die Elternfreibeträge und das daraus folgende heraufsetzen, meinen, man sollte bei den alten Bedarfssätzen bleiben, also bei 500 DM plus Härteausgleich? Da hätte ich dann doch ein wenig Zweifel, ob das richtig wäre. Aber andernfalls geht Ihre Rechnung nicht auf. Denn das, was die Regierung vorgelegt, und das, was sie auch schon im Bericht dazu ausgesagt hat, bedeutet: Der Regierungsvorschlag füllt den Rahmen dessen, was finanziell möglich ist, mit den in ihm enthaltenen Sätzen aus. In diesem Zusammenhang muß ich noch auf einen Punkt ein wenig näher eingehen. Vorhin hat der erste Redner der Opposition auf Vergleiche im Bericht hingewiesen, die ihm hinsichtlich der dort aufgeführten Jahreszahlen nicht passend zu sein schienen. Er war mit den genannten Größenordnungen hinsichtlich der Einkommenssteigerungen und der Steigerungen bei den Lebenshaltungskosten nicht einverstanden. Er hat dann versucht, die aus seiner Sicht richtigen Daten aus den Jahren, um die es hier geht, nebeneinanderzustellen. Aber er hat vergessen, darauf hinzuweisen, daß die Zahlen, die in seiner Rechnung sowohl die Einkommenssteigerungen als auch die Steigerungen bei den Lebenshaltungskosten für die Jahre 1974 bis 1976 betrafen, mit 12 % endeten. Sie gilt es im Vergleich zu dem in der Regierungsvorlage enthaltenen Erhöhungen für den gleichen Zeitraum mit 15 bis 16 % zu sehen! Ich gebe Ihnen gern zu, daß für die Vergleichsdaten der September 1976 maßgeblich ist und wir daher bis zu dem Zeitpunkt rechnen müssen, in dem die Novelle in Kraft treten und Wirkung zeigen soll, nämlich dem 1. April 1977. Wir müssen also noch ein paar Prozentteile hinter dem Komma hinzufügen. Aber jedenfalls fängt die Regierungsnovelle das ein, was an Steigerungen bei den Lebenshaltungskosten und Einkommen, bezogen auf die Jahre, die in Rede stehen, zu verzeichnen war. Dies zur Korrektur der Überlegungen von vorhin. Ich will nun noch eine Zusatzbemerkung zu der Frage machen, wie hoch die Opposition mit ihren Vorstellungen im Hinblick auf die Anhebung der Freibeträge geht. Wir sind hier nüchterner als die Opposition. Auch in diesen Fragen denken wir nach wie vor selber nach. Die Forderung, 'den Elternfreibetrag auf 1250 DM anzuheben, verursacht - das ist hier schon gesagt worden -, bezogen auf das Jahr 1978, Mehrkosten in Höhe von 225 Millionen DM. Bezogen auf den Teil des Jahres 1977, in dem die Novelle schon in Kraft wäre, werden Kosten in Höhe von 135 Millionen DM verursacht. Die jedoch sind im Etat nicht vorhanden. Das kann ich Ihnen als Haushaltsmann sagen. Es tut mir leid, denn ich würde sie dort gerne haben. Im Fordern also, meine Damen und Herren, ist die Opposition groß und geht in die vollen. Es ist der übliche Widerspruch, mit dem wir es hier zu tun haben. In diesem Zusammenhang darf ich die Opposition darauf aufmerksam machen, daß sie schon wieder dabei ist, ihren eigenen Vorsitzenden, Herrn Kohl, zu desavouieren. Denn der hat vor zwei Tagen vor dem Wirtschaftsrat der CDU hier in Bonn gesagt - ich darf einmal zitieren -: Angesichts der Erfahrungen mit der Ausgabenpolitik der letzten Jahre, in denen immer wieder die Folgekosten für künftige Haushaltsjahre ignoriert wurden, wird die Union dafür sorgen, daß hier im Parlament in Zukunft die Kosten und Folgen von Ausgabebeschlüssen mit größter Sorgfalt und Aufmerksamkeit erörtert werden. Na, dann sorgt man schön, könnte man sagen. ({2}) - Sie passen auf, Herr Althammer? ({3}) - Wir haben ein gutes Gesetz. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. Aber wir achten sorgsam auf das, was zu steigern ist, und machen nur das, was möglich ist. Vielleicht darf ich Ihnen in dieser Hinsicht auch noch einmal Herrn Gaddum in Erinnerung rufen, den Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, der sich ja auch immer auf die bundespolitischen Fragen finanzieller Art stützt. Er hat in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung" am 28. Januar 1977 - also taufrisch, könnte man sagen - ausgeführt, er plädiere nicht dafür, daß wir die bestehenden Ausgaben auf einmal weit zurückführen sollten. Und jetzt kommt der Satz, auf den ich abhebe - wörtlich -: Man sollte mit dem viel bescheideneren Ziel anfangen, den Zuwachs zu bremsen. Ich wollte Ihnen das nur in Erinnerung rufen. Im Hinblick auf das, worum es bei diesen Fragestellungen geht, haben wir es alle schwer genug. Die Oppositionslinie könnte etwa, einmal in die Häschensprache übersetzt, so charakterisiert werden - ich denke an Herrn Strauß; ich habe mich mit ihm anläßlich der Debatte über die Regierungserklärung über diese Fragen auseinandergesetzt -: Hattu Ansprüche? Muttu stoppen. Sind zu konsumptiv. ({4}) Das ist Ihre Linie; bloß, Sie halten sie nicht ein. ({5}) Ich wollte Ihnen das nur noch einmal in Erinnerung rufen, weil das ja wirklich ein Punkt ist, an den man sich erinnern muß, wenn man so schwierige Entscheidungen wie diese zu treffen hat. Zum Schluß noch ein Wort in die andere Richtung, an die Schüler und an die Studenten draußen. Wir gehen - ich bin ganz sicher, daß ich das auch für die Kollegen von der FDP feststellen darf - über ihre Forderungen und über ihre Kritik nicht leichtfertig hinweg. Wir wissen, daß es eine ganze Menge junger Menschen gibt, deren wirklich schwierige Lage durch einen höheren Förderungsbetrag fühlbar ausgeglichen werden könnte. Wir bitten die Studenten, bei dem, was sie zu diesem Thema sagen und an Forderungen erheben, den Blick auch ein klein wenig auf die neben ihnen stehenden Schüler gerade der weiterführenden Schulen zu werfen; denn die sind sehr bewußt in das Ausbildungsförderungsgesetz einbezogen worden. Dort einen Ausgleich zu suchen, ist sicher nicht der richtige Weg. Darauf gilt es zu achten. Wir nehmen für uns in Anspruch, die notwendigen Verbesserungen so schnell und in einem so hohen Maße wie möglich durchzusetzen. Wir tun das auf der Basis eines guten Gesetzes, das den richtigen Personengruppen vorrangig hilft. Wir tun das auf der Grundlage eines Förderungssystems, das sich im internationalen Vergleich nach wie vor gut sehen lassen kann. Wir tun das Jahr für Jahr mit steigenden Milliardenbeträgen, Bund und Länder gemeinsam. Wir tun das schließlich in dem Wissen, daß dieses Förderungssystem in unserem Lande außerdem auch noch ergänzt ist durch die Einbeziehung der Studenten in die soziale Krankenversicherung und entsprechender finanzieller Hilfe, durch die Einbeziehung der Studenten in die soziale Unfallversicherung und durch die Berücksichtigung der Ausbildungszeiten junger Menschen bei der Rentenversicherung. Das ist also nicht wenig an sozialer Grundvoraussetzung für ein solches Förderungssystem. Vielleicht erkennen die Einsichtigen, daß es, wenn es ums Fordern geht, richtiger wäre, die Rentner und die Arbeitnehmer - die Arbeitnehmer in ihrer besonderen Rolle als Steuerzahler, als diejenigen, die das Aufkommen aufbringen sollen, das wir alle bewußt, mit Recht und in guter Weise einsetzen - auf seine Seite zu ziehen, und zwar bevor man anfängt zu fordern. Nur wenn die Arbeitnehmer das Geld aufbringen, können wir gewährleisten, daß junge Menschen lernen und studieren können. ({6})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Bericht - federführend - an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und - mitberatend - an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 9. Februar 1977, 13 Uhr ein. Ich schließe die Sitzung.