Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der FDP hat als Nachfolger für den Abgeordneten Hoffie, der mit Beginn der Sommerpause sein Amt als Schriftführer niederlegt, den Abgeordneten Merker als Schriftführer vorgeschlagen. Meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; damit ist der Abgeordnete Merker als Schriftführer gewählt.
Der Jahresbericht 1977 des Wehrbeauftragten - Drucksache 8/1581 - soll nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Verteidigungsausschuß überwiesen werden. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; so wird es geschehen.
Im interfraktionellen Einvernehmen wird für die erste Sitzungswoche im September 1978 folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde empfohlen: In der Woche vom 18. September 1978 finden mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen keine Fragestunden statt. Jedes Mitglied des Hauses ist jedoch berechtigt, für diese Sitzungswoche bis zu vier Fragen an die Bundesregierung zu richten, die schriftlich beantwortet werden. Diese Abweichung von der Geschäftsordnung muß vom Bundestag nach § 127 der Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Ich bitte diejenigen, die den Vorschlag akzeptieren, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so angenommen.
Ich rufe die Punkte 31 und 32 der Tagesordnung auf:
31. Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens
- Drucksachen 8/1719, 8/1836 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1939 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl ({1})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({2})
- Drucksache 8/1936 - Berichterstatter:
Abgeordneter Bühling Abgeordneter Spranger
({3})
32. Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
- Drucksache 8/1717
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({4})
- Drucksache 8/1935 - Berichterstatter:
Abgeordneter Erhard ({5}) Abgeordneter Lambinus
({6})
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Bötsch.
({7})
- Ich darf dann gleich hinterher die Debatte eröffnen. Bitte, Sie haben das Wort als Berichterstatter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen zur Sache beginne, darf ich in Vertretung der Berichterstatter eine kurze redaktionelle Änderung bekanntgeben: Auf Drucksache 8/1935 muß es auf Seite 6 unter c) in der ersten Zeile statt „Zu Artikel 1 Nr. 3" heißen: „Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b".
Ich eröffne jetzt die Debatte. - Bitte, Herr Kollege!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, die wir heute in
zweiter und dritter Lesung zu beraten haben, betrifft materiell zwei völlig verschiedene Sachverhalte, die aber, da die Änderungen vom Rechtsausschuß in einem Gesetz zusammengefaßt wurden, zweckmäßigerweise zusammen beraten werden. Zum einen ist es notwendig, die zentrale Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen für Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen in Dortmund, die bisher bis zum 31. Dezember 1978 befristet war, über diesen Termin hinaus zu verlängern.
Lassen Sie mich 'bei dieser Gelegenheit betonen, daß wir es auch heute noch außerordentlich bedauern, daß die Kapazitäten an unseren Hochschulen nicht so zahlreich sind, daß jedem Bewerber um einen Studienplatz auch die Möglichkeit gegeben ist, an dem Studienplatz seiner Wahl das Studienfach seiner Wahl zu belegen. Deshalb muß bedauerlicherweise auch heute noch in einem zentralen Vergabeverfahren eine Bewirtschaftung des Mangels in diesem Bereich vorgenommen werden. Um aber eine möglichst einheitliche Vergabe- und Verf ahrens-praxis zu gewährleisten, ist es notwendig, daß für Anfechtungen der Entscheidungen der zentralen Vergabestelle e i n Gericht in erster Instanz zuständig ist. Unseres Erachtens ist nur auf diese Weise sichergestellt, daß die zahlreichen Zweifelsfragen, die sich aus der ständigen Weiterentwicklung des Vergaberechts ergeben, schnell durch eine gefestigte Rechtsprechung geklärt werden.
Wir stimmen deshalb der Verlängerung der Zuständigkeit für erstinstanzielle Klagen in diesem Bereich über den genannten Termin hinaus zu. Wir bitten jedoch die Bundesregierung, den für den erwünschten Bericht genannten Termin 1. April 1979 - das Nähere können Sie der Drucksache entnehmen - unbedingt einzuhalten.
Die zweite Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, die Ihnen heute vorliegt, und der Gesetzentwurf zur Änderung des Ausländergesetzes hatten den Weg durch die Ausschüsse von der ersten zur zweiten Lesung in drei Wochen bewältigt. Dieses ist für den Deutschen 'Bundestag eine ungewöhnlich kurze Zeit, die aber nicht etwa dadurch zustande gekommen ist, daß man ,die Gesetzentwürfe nur schlampig beraten hätte, sondern dadurch, daß ihnen sehr gründliche Vorüberlegungen und Diskussionen in der Öffentlichkeit und auch in diesem Hause vorausgegangen sind.
({0})
Dies kann zumindest die Opposition für sich in Anspruch nehmen, weil sie das Problem, mit dem sich diese Gesetzesänderungen auseinandersetzen, nämlich mit den steigenden Zahlen bei den Asylbewerbern, schon im letzten Jahr erkannt hat und bei einem früheren Gesetzgebungsvorhaben hier bereits in die Diskussion einbrachte.
Ich darf die Regierungskoalition daran erinnern, daß wir schon vor einigen Monaten bei der Beratung der Beschleunigungsnovelle zur Verwaltungsgerichtsordnung in den Ausschüssen einen Antrag auf Abschaffung des Berufungsverfahrens bei Asylbewerbern vorgelegt hatten, der aber zum damaligen Zeitpunkt von ihr abgelehnt worden ist.
Wir freuen uns deshalb, daß zum heutigen Zeitpunkt auch die Koalitionsparteien erkannt haben, welche dramatische Entwicklung die Zahlen, was die Anträge bei den Asylbewerbern betrifft, nach oben genommen haben. Ich möchte hier nicht im einzelnen das wiederholen, was der Herr Kollege Spranger anläßlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs bereits ausgeführt hat und was überdeutlich gezeigt hat, wie dringlich schon vor einigen Monaten eine Änderung der Verfahrensregeln gewesen wäre.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, späte Erkenntnis oder - wie sich noch zeigen wird - eine halbe Erkenntnis sind immer noch besser als dauerndes Verharren im Irrtum.
({1})
Weil wir die Angelegenheit als dringlich erachten, haben wir uns in den Ausschüssen auch nicht dieser beschleunigten Beratung beider Gesetzgebungsvorhaben, nämlich des vorgelegten Entwurfs der Opposition und des Entwurfs der Koalitionsfraktionen, verschlossen, obwohl als Empfehlung der beteiligten Ausschüsse nun einiges herausgekommen ist, was wir nur als die zweitbeste Löung des Problems ansehen können.
Wir begrüßen es, daß die Koalitionsfraktionen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Asylsachen ihre Zustimmung nicht versagt haben, bedauern es aber, daß in den Beratungen unser schon früher getätigter Vorschlag, auch die Berufung bei solchen Verfahren auszuschließen, nicht die Zustimmung der SPD und der FDP gefunden hat. Wir bedauern das deshalb, weil diese Regelung rechtssystematisch wesentlich klarer und verfassungsrechtlich unbedenklicher gewesen wäre als das, was nun herausgekommen ist. Wir befinden uns hier in bemerkenswerter Gesellschaft; denn auch der Bundesjustizminister hat noch in einem Schreiben vom 29. Mai 1978 an den Bundesvorstand von amnesty international die Meinung vertreten, daß es durchaus angemessen wäre eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung durch Urteil vorzusehen und die Berufung auszuschließen. Dem Kläger stünde dann immer noch eine volle Tatsacheninstanz offen, so daß seinem Anliegen durchaus Rechnung getragen wäre. Die jetzt gefundene Lösung, daß die Berufung gegen ein Urteil dann ausgeschlossen ist, wenn das Verwaltungsgericht die Klage einstimmig als offensichtlich unbegründet abgewiesen hat, kann nur als Hilfskonstruktion gewertet werden, wenn sie auch - das mag eingeräumt werden - besser als die bisherige Lösung oder als überhaupt keine Änderung des bisherigen Zustands ist.
Wir halten es auch für richtig, daß eine Tatsacheninstanz auf jeden Fall erhalten wird, weshalb richtigerweise bei diesem Verfahren das vor wenigen Wochen eingeführte Verfahren mit dem Gerichtsbescheid nicht zur Anwendung kommen soll. Wir werden sehen, wie sich die von der Koalition durchsetzte Regelung bewährt, wobei wir Ihre Bedenken
gegen einen völligen Ausschluß des Berufungsverfahrens auch deshalb nicht verstehen, weil immerhin im Jahr 1977 nur ganze 1,36 % der eingelegten Berufungen erfolgreich waren.
Wir wollen auch nicht verhehlen, daß wir über die nunmehr beschlossene Dezentralisierung der erstinstanzlichen Gerichtsbarkeit nicht recht glücklich sein können. Wir sind nämlich der Auffassung, daß gerade in Asylsachen der Vorteil einer einheitlichen Rechtsprechung eines einzigen erstinstanziellen Gerichts zugunsten einer Rechtsprechung aufgegeben wird, die auf verschiedene Gerichte verteilt werden soll. Die Rechtsprechung, die das Verwaltungsgericht Ansbach gesetzt hat, kann wirklich als wegweisend betrachtet werden. Aber wir haben uns dem Argument gebeugt - dies ist in der Anhörung im Innenausschuß besonders deutlich geworden -, daß 1978 beim Verwaltungsgericht Ansbach mit insgesamt 13 000 Klageverfahren in Asylsachen gerechnet werden muß, während die derzeitige Kapazität nur 4 000 Verfahren vertragen würde. Dies bedeutet, im Klartext gesprochen, daß allein für Asylsachen 18 neue Kammern gebildet und die entsprechenden Planstellen geschaffen werden müssen. Deshalb haben wir der dezentralisierten Lösung zugestimmt, um - lassen Sie mich das als Bayer sagen - auch andere Bundesländer - salopp formuliert - an diesem „Segen" von Asylsachen zu beteiligen.
Verhängnisvoll aber wäre es im Hinblick auf eine einheitliche Praxis gegenüber asylsuchenden Ausländern, wenn jetzt etwa an jedem Verwaltungsgericht eine erstinstanzielle Zuständigkeit begründet würde. Der Ausschuß war sich deshalb auch darüber einig, daß er erwartet, daß die Länder ihre Gerichtsorganisation so gestalten, daß nach Möglichkeit nur ein einziges Verwaltungsgericht in jedem Bundesland für Ausländersachen zuständig sein soll.
Darüber hinaus haben wir einen Antrag eingebracht, daß in Zukunft nicht nur von den Ländern die Errichtung eines gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts vorgenommen werden kann, sondern daß die Möglichkeit besteht, gemeinsame Spruchkörper auch von erstinstanziellen Gerichten für einzelne Sachgebiete zu bilden oder die Ausdehnung von Gerichtsbezirken über die Landesgrenzen hinaus zu vereinbaren. Dadurch soll gewährleistet werden, daß auch in Zukunft nur wenige Verwaltungsgerichte in erster Instanz in diesen Verfahren entscheiden und so wenigstens ein Mindestmaß an gemeinsamer Rechtsprechung erhalten bleibt. Die Koalitionsfraktionen haben diesem unserem Antrag in den Ausschüssen dankenswerterweise zugestimmt.
Auch schien es uns wesentlich, daß ein Ausländer nicht etwa die Möglichkeit hat, sich für ihn günstige Gerichte herauszusuchen und damit durch die Wahl des Wohnsitzes vielleicht selbst seine erste Instanz zu bestimmen, sondern daß jenes Verwaltungsgericht örtlich zuständig sein soll, in dessen Bezirk der Asylsuchende mit Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde entweder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Um eines in der Öffentlichkeit noch einmal klarzustellen: Keinem, der für eine Beschleunigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des Vorverfahrens bei Asylsachen eintritt, kann und darf nachgesagt werden, daß es ihm etwa darum gehe, den Rechtsschutz für diejenigen zu verkürzen, die mit guten Gründen und aus wohlerwogenen Erwägungen heraus versuchen, in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu erhalten. Wir sind aber der Auffassung, daß eben nicht alle, die - gerade in den letzten Jahren - die Grenzen unseres Landes überschritten haben, uni sich bei uns niederzulassen, die im Grundgesetz und in den internationalen Vereinbarungen vorgesehenen Gründe vorbringen konnten. Es handelte sich - und dies muß auch sehr deutlich gemacht werden - sehr oft um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, die keine politischen Gründe für ihre Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland vorbringen konnten. Dadurch aber, daß sich diese Verfahren über Jahre hinzogen, wurde es ihnen von vornherein ermöglicht, nämlich durch die Verfahrensdauer, eine gewisse Zeit in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben, und andere, die tatsächlich Gründe vorbringen konnten, um bei uns politisches Asyl zu erhalten, wurden länger als notwendig in einem rechtlichen Schwebezustand gehalten.
Dieses Gesetz will deshalb dafür sorgen, daß die Verfahren in Zukunft in angemessener Zeit abgeschlossen werden, um den wirklichen und mit berechtigten Gründen Asylsuchenden die Möglichkeit zu verschaffen, in absehbarer Zeit einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich gesichert zu erhalten. Wir stimmen deshalb dem Gesetz auch in der vorliegenden Fassung zu, weil wir der Auffassung sind, daß es ein Schritt in die richtige Richtung ist, der bewirkt, daß nicht Teile unserer Gerichtsbarkeit durch unnötig lange Verfahren teilweise lahmgelegt werden können.
Bei Annahme des Gesetzes erscheint es der CDU/ CSU zum Teil allerdings überflüssig, zum Teil auch gefährlich, den vorgelegten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zusätzlich zu verabschieden. Soweit historische Gegebenheiten angesprochen sind, können diese als bekannt vorausgesetzt werden oder sind in dem Bericht des Innenausschusses erwähnt. Was soll z. B. der Hinweis, daß die Richter rechtzeitig und eingehend in die Grundsatzfragen des Asylverfahrens und des Asylrechts eingeführt werden müssen? Es ist wohl selbstverständlich, daß einerseits jeder Richter sich selbst die nötigen Kenntnisse über die von ihm zu bearbeitenden Rechtsgebiete verschafft und daß auf der anderen Seite in Arbeitsgemeinschaften und Fortbildungstagungen diese Rechtsgebiete angesprochen werden.
Insbesondere die Ziffer 4 scheint mir eine Grauzone zwischen dem Asylrecht und anderen Dingen statuieren zu wollen, eine Grauzone, die zwischen den Gesetzen angesiedelt ist. Wir glauben, daß wir hier die gesetzliche Regelung durch die Hintertür wieder konterkarieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stimmen deshalb den Gesetzen zu, sehen aber keine
Veranlassung, dem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil wir befürchten, daß er nur zur Beruhigung dienen soll, weil manche nicht so wollten, wie sie hier aus anderen Gründen tatsächlich abstimmen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bühling.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bötsch hat bereits darauf hingewiesen, daß die erste Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe erst knapp einen Monat zurückliegt. Es ist auch richtig, daß die Beratungen außerordentlich schnell verlaufen sind, und es ist auch richtig, daß wir uns trotzdem genügend Zeit genommen haben. Es ist aber wohl etwas verzerrt, wenn es so von meinem Vorredner dargestellt wird, als habe die CDU/CSU diese Probleme der Asylbewerber, vor allen Dingen der unechten Asylbewerber, schon sehr lange gesehen und die anderen Fraktionen dieses Hauses nicht. Ich kann nur sagen: Es handelt sich hier, wenn ich das mal volkstümlich so ausdrücken darf, um einen echten „Dauerbrenner". Wir beschäftigen uns mit diesem Problem im Innenausschuß schon jahrelang, insbesondere auch mit dem Asyllager Zirndorf, das bekanntlich im Freistaat Bayern liegt.
Die beiden beteiligten Ausschüsse haben sich trotz dieser ganz komplizierten Problematik beeilt, zu einem baldigen Abschluß ihrer Beratungen zu kommen. Wie gut und wie richtig das war, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Zahl der Asylbewerber selbst in dieser kurzen Zwischenzeit von knapp einem Monat wieder gestiegen ist. Ich will hier auch nichts wiederholen, aber ich möchte doch erwähnen, daß sich die Zahl ,der Personen, die Asyl in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlins beantragt haben, von April 1978, als wir das letzte Mal berieten, bis zum Mai 1978 schon wieder um immerhin 20 % erhöht hat.
Es kommt hinzu, ,daß die Zahl der Länder Asiens, aus denen die große Zahl der sogenannten unechten Asylbewerber kommt, sich in letzter Zeit um ein weiteres vermehrt hat. Bei der geschäftsmäßigen Art, in der die Schlepperorganisationen die von ihnen angesprochenen oder auch angeworbenen Personen, oft über Berlin-Schönefeld nach Berlin ({0}), einschleusen, ist hier noch ein weiteres Risiko entstanden, das zahlenmäßig völlig unkalkulierbar ist.
In den Ausschußberatungen ist das Für und Wider der einzelnen Beschleunigungsmaßnahmen nochmals sehr gründlich geprüft worden. Die beiden zuständigen Gerichtspräsidenten sind im Innenausschuß als Sachverständige eingehend gehört worden. Es war ein sehr nützliches Gespräch.
Ich möchte zu den Einzelproblemen noch einige Anmerkungen machen, die sich aus der Sicht des Innenausschusses ergeben, der die Schwerpunkte seiner Beratungen verständlicherweise etwas anders gesetzt hat als der Rechtsausschuß.
Hinsichtlich des Wegfalls des Widerspruchsverfahrens in der Verwaltungsinstanz haben sich keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte ergeben. Sicherlich ist die Zahl der Widerspruchsführer geringer als die Zahl derer, die einen Antrag auf Asyl stellen. Die sogenannte Filterwirkung des Widerspruchsverfahrens, die in den Beratungen des Ausschusses mehrfach hervorgehoben worden ist, soll nicht geleugnet werden. Aber man muß auch wohl davon ausgehen, daß bei Wegfall des Widerspruchs in Zukunft die Differenz zwischen der Zahl der Antragsteller und der Zahl der mit ihrem Asylantrag abgewiesenen Kläger nicht geringer sein wird. Diese Tatsache steht der sogenannten Filterwirkung sicherlich gleich.
Vor allen Dingen muß aber noch einmal unterstrichen werden, daß der Wegfall des Widerspruchs nicht nur etwa 14 Monate Verfahrensdauer erspart, sondern vor allem zur Freisetzung nicht unbeträchtlichen qualifizierten Personals führt. Dies wird bereits das Anerkennungsverfahren beschleunigen. In manchen Fällen kann es sich sicherlich auch gut auf die Qualität seiner Entscheidungen auswirken.
Wegen der Beschleunigung durch Änderung der Bestimmungen über das Berufungsverfahren ist zuzugeben, daß während der Beratungen nochmals eine ganze Reihe von Gründen geltend gemacht worden ist, die dafür sprechen könnten, über den Gesetzentwurf der Koalition hinauszugehen und den gänzlichen Ausschluß der Berufung festzulegen. Herr Kollege Bötsch hat das, wie ich meine, mit etwas zu viel Emotionen hier noch einmal dargelegt. Aber immerhin hat gerade das eingehende Gespräch mit den beiden Gerichtspräsidenten ergeben, daß es doch auch sehr schwierige Einzelfälle aus Ländern gibt, in denen sehr schwer festzustellen ist, ob dort wirklich eine politische Verfolgung vorliegt oder nicht. Man schüttete doch wohl manchmal das Kind mit dem Bade aus, wenn man auch in solchen Fällen dem Asylbewerber die Berufung abschnitte.
Schließlich war zu entscheiden, ob man eine weitere wesentliche Vereinfachung dadurch bewirken kann, daß die Berufung schon dann ausgeschlossen wird, wenn nicht die Gesamtheit, sondern nur die Mehrheit der Richter die Asylklage für offensichtlich unbegründet hält. Aber abgesehen von der Frage, die ich hier einmal offenlassen will, ob man durch bloßen Mehrheitsbeschluß etwas für „offensichtlich" erklären kann, handelt es sich meines Erachtens doch mehr um ein theoretisches Scheinproblem. Schließlich entscheiden die Gerichte - jedenfalls nach meinen praktischen Erfahrungen - fast ausschließlich durch Diskussionen, sehr selten durch förmliche Abstimmung. Es würde sich jeweils relativ schnell herausstellen, ob einzelne Bedenken auszuräumen sind und damit die Einigkeit aller Richter herzustellen ist. Dann ist die Einstimmigkeit zum Ausschluß der Berufung da. Oder aber ein oder zwei Richter bleiben bei ernsthaften Argumenten für den Kläger. Dann würde doch wohl die Mehrheit des Gerichts nicht so überkonsequent sein und bei ernstlichen Meinungsdifferenzen im Richterkollegium die Klage für „offensichtlich" unbegründet erklären. Mithin wollen wir bei unserem Vorschlag hinsichtlich der Änderung der Berufung bleiben.
Angesichts der übergroßen Zahl bestimmter formularmäßiger Anträge aus bestimmten Ländern, deren Angaben schon mehrfach widerlegt worden sind, gehen wir weiterhin davon aus, daß die offensichtlich unbegründeten Klagen weit mehr als die Hälfte aller Klagefälle ausmachen werden. Schließlich darf man nicht vergessen, daß dazu auch jene Fälle gehören, bei denen auf den ersten Blick vielleicht ein klein wenig Berechtigung zum Asyl möglich erschiene, die sich aber nach der Prüfung der Sache und vor allen Dingen nach Beiziehung der einschlägigen Unterlagen ebenfalls als völlig haltlos herausstellen. Maßgeblich ist jedenfalls - das sollte hier festgehalten werden -, welche Klagen sich n a c h der erfolgten Prüfung durch das Gericht als offensichtlich unbegründet herausstellen.
Die Regierungsfraktionen wollen die beiden Beschleunigungsmaßnahmen, die ich eben dargelegt habe, sofort, d. h. mit der Verkündung des Gesetzes, in Kraft treten lassen. Sowohl das weitere laufende Ansteigen der Zahl der Asylanträge, das ich eingangs erwähnt habe, als auch das Gespräch mit den beiden Gerichtspräsidenten der ersten und zweiten Instanz in Ansbach und München haben uns gerade darin bestärkt. Denn beide haben dargetan, daß sie schon jetzt mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die praktisch unüberwindbar sind.
Wir vertrauen darauf, daß der praktische Sinn der beteiligten Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte dabei keine Übergangsschwierigkeiten entstehen läßt. Es muß vor allen Dingen vermieden werden, daß Entscheidungen noch unter der Gültigkeit des alten Rechts gefällt und dann unter der Gültigkeit des neuen Rechts zugestellt werden. Das könnte dann wieder zu zeitraubenden Komplikationen durch Rechtszweifel führen.
Die dritte wesentliche Rechtsänderung, die Dezentralisierung der Rechtsprechung, liegt mit ihren notwendigen Änderungen der Gerichtsorganisation mehr auf dem Tätigkeitsgebiet des Rechtsausschusses, der auch über die Einzelheiten der Ermächtigung der Länder zu gerichtsorganisatorischen Änderungen und entsprechende Fristsetzungen entschieden hat.
Wegen der grundsätzlichen Notwendigkeit der Dezentralisierung der Asylrechtsprechung sind wir übrigens auch durch die Ausführungen des Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Innenausschuß nochmals bestärkt worden. Wenn ich auch auf den Modus der Dezentralisierung nicht im einzelnen eingehen will, möchte ich doch den allgemeinen dringenden Appell an die Länder richten, schnell und umfassend zu handeln. Schließlich haben ja die Länder selbst die größte Last der gegenwärtigen Mißbräuche zu tragen. Es sind ihre Behörden, die unverhältnismäßig belastet werden, und es sind die ihrer Gesetzgebung unterstehenden Kommunen, die die finanziellen Lasten für die unechten Asylbewerber zu tragen haben. Die Länder sollten nun auch alles tun, was in ihrer Macht liegt oder was noch in ihre Macht gestellt wird, um dem Mißbrauch des Asylrechts Einhalt zu gebieten.
Außer den drei grundsätzlichen Rechtsänderungen, die in ihren Grundzügen seit der ersten Lesung des Gesetzes zur Beratung anstehen, ist noch die Möglichkeit erörtert worden, einige bestehende Verwaltungsvorschriften in das Gesetz aufzunehmen und damit festzuschreiben bzw. bestehende Verwaltungsvorschriften abzuändern und dann in das Gesetz aufzunehmen. Wir haben diesen Weg, der auch im Entwurf der CDU/CSU-Fraktion in mehreren Bestimmungen enthalten ist, nicht gehen können und wollen. Den mit Asylsachen befaßten Behörden muß ein gewisser Spielraum bleiben, um selbstverständlich im Rahmen des Gesetzes, das aber nicht zuviel verwaltungsmäßige Details enthalten sollte, ihr Verwaltungshandeln flexibel zu regeln. Dies muß schließlich immer wieder den wechselnden Verhältnissen des Lebens angepaßt werden. Allzu umfangreiche gesetzliche Regelungen bringen nur die Gefahr mit sich, daß sie zu oft geändert werden müssen. Dann hätten wir die Materie bald wieder in diesem Hause. Damit soll auf keinen Fall gesagt sein, daß die Regierungsfraktionen der praktischen Durchführung des Gesetzes mindere Bedeutung zumessen. Ganz im Gegenteil beweist die Entschließung, die wir Ihnen gleichzeitig vorlegen, daß gerade der Innenausschuß das Verhalten der mit Asylsachen befaßten Behörden kritisch begleiten will. Mit einem einmaligen Berichtsauftrag an die Bundesregierung wäre es nicht getan, sondern der Umgang mit den Asylsuchenden bedarf der dauernden Beobachtung.
Lassen Sie mich nun einige Bemerkungen zur Notwendigkeit und zu tragenden Gedanken der Entschließung der Fraktionen der SPD und der FDP machen. Das erscheint mir urn so mehr erforderlich, als die Fraktion der CDU/CSU leider offenbar wohl nicht die Notwendigkeit dieser Entschließung einsieht. Gerade nachdem wir so eingehend immer nur über den Mißbrauch des Asylrechts und die dagegen zu ergreifenden Maßnahmen haben reden müssen, liegt uns doch sehr viel daran, die Asylgarantie in Art. 16 des Grundgesetzes nochmals positiv hervorzuheben. Es ist selbstverständlich, daß wir den wirklich politisch Verfolgten in keiner Weise in seinen Rechten kränken oder beschneiden wollen. Wir wollen tatsächlich durch die vorliegenden Gesetze auch seine Position verbessern. Durch die große Masse der sogenannten Asyltouristen kommt der wirklich Asylbedürftige allzuleicht in die Gefahr, allzulange hingehalten zu werden oder vielleicht auch mit einem Mißtrauen betrachtet und behandelt zu werden, das gerade er nicht verdient. Auch aus diesem Grunde ist es so wichtig, die Spreu vom Weizen zu sondern, und zwar rechtzeitig. Das kann für die Menschen, die aus politischen Gründen wegen einer Gefahr für ihre persönliche Freiheit, für Leib und Leben aus ihrer Heimat flüchten müssen und uns um Asyl bitten, nur von Vorteil sein.
In diesem Zusammenhang erscheint es durchaus sinnvoll, daß vorgeschlagene neue Asylverfahrensrecht der Bundesrepublik Deutschland mit den Asylbestimmungen anderer westeuropäischer Demokratien zu vergleichen. Dies räumt nämlich die Befürchtung aus, die zunächst auch in Teilen .der Öffentlichkeit entstanden war, daß durch die neuen Gesetze die Bundesrepublik etwa hinter anderen Staaten zurückbleiben könnte - eine Entwicklung, die gerade
wir uns nach allen Ereignissen unserer jüngsten Geschichte nicht leisten können.
Tatsächlich ist es aber so: Es gibt z. B. in Dänemark, in Finnland, in dem klassischen Zufluchtsland der Schweiz, in Irland, in Griechenland und im wesentlichen auch in den Niederlanden für den Asylsuchenden überhaupt kein gerichtliches Verfahren. Er kann sich nur an die Verwaltungsbehörden wenden. In Osterreich, Frankreich und Belgien gibt es die Möglichkeit, höchstrichterliche Entscheidungen anzurufen. Dies ist erfahrungsgemäß aber schwierig, nicht nur im Ausland, sondern genauso bei uns. Nur in der Bundesrepublik wäre auch nach der Annahme unserer Gesetzentwürfe noch eine gerichtliche Tatsacheninstanz für den Asylbewerber sowie weiterhin noch die Möglichkeit der Revision bzw. der Revisionsbeschwerde vorhanden.
Dies sage ich nicht aus irgendeiner Besserwisserei oder Überheblichkeit heraus; denn Art. 16 des Grundgesetzes hat seine Wurzeln in den Geschehnissen und Erfahrungen der Nazizeit, und von daher bestehen für uns besondere Verpflichtungen. Ich wollte an Hand der Beispiele anderer demokratischer Länder nur nachweisen, daß wir uns mit den Gesetzesänderungen unseren grundgesetzlichen Verpflichtungen und vor allem ihrem tieferen Sinngehalt in keiner Weise entziehen.
Dabei wissen wir natürlich, daß es nicht nur auf das gerichtliche Verfahren, sondern gerade am Anfang auf die Praxis der Verwaltungsbeamten ankommt, die schon an der Grenze von immenser Bedeutung ist; gerade am Grenzübergang beginnt ja das gesamte Verfahren. Deshalb legen wir großen Wert auf eine gründliche und einfühlsame Vorprüfung aller Ersuchen auf Asyl, ehe sie an den Anerkennungsausschuß gelangen. Je mehr Vorprüfer vorhanden sind und je mehr sie auf den individuellen Fall eingehen, desto einfacher und schneller gestaltet sich das nachfolgende förmliche Verfahren.
Daß wir auch eine besondere Information der Richter wünschen, die sich in Zukunft mit der für sie neuen Materie des Asylrechts befassen müssen, mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen; das gebe ich ohne weiteres zu. Schließlich stehen wir seit den alten Römern, also seit über 2 000 Jahren,. auf dem Rechtsgrundsatz: Iura novit curia - die Richter kennen alle Gesetze, genauer gesagt: sie müssen sie kennen. Das gilt auch dann, wenn es sich um ein ganz spezielles Rechtsgebiet handelt, das besondere Studien und besondere Einarbeitung erfordert, wie es z. B. beim Asylrecht der Fall ist.
Wir gehen weiter davon aus, daß zur Richterpersönlichkeit untrennbar ein beträchtliches Maß an Menschenkenntnis gehört. Indessen beginnt aber gerade schon hier das Bedürfnis nach zusätzlichen Informationen. Denn die Menschen, die vor dem Verwaltungsrichter im Asylprozeß stehen, sind andere als die im Regelfall auftretenden deutschen Rechtsuchenden. Es sind Ausländer, meist aus völlig verschiedenen Kulturkreisen und mit einer ganz anderen Mentalität, die auch der entscheidende Richter kennen sollte.
Die Verwaltungsrichter in Ansbach haben sich, wie uns der Präsident des dortigen Verwaltungsgerichts überzeugend und mit interessanten Einzelheiten dargelegt hat, diese Kenntnisse in der Praxis schon erworben, jedenfalls soweit sie dort bereits länger tätig sind.
Zur Information wichtig sind auch die gesammelten Berichte und Dokumentationen über die Herkunftsländer der Asylbewerber, die oft von den dortigen deutschen Auslandsvertretungen stammen und den Richtern sehr viel Aufschluß geben können und sehr viel zur Abkürzung der Verfahren beitragen können. Dieses Material muß den Richtern gezeigt bzw. ihnen muß der Weg dazu erschlossen werden.
Wir haben schließlich mit Sorgfalt die Eingaben von amnesty international, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und von kirchlichen Einrichtungen gelesen, auch mit engagierten und sachkundigen Persönlichkeiten dieser Kreise gesprochen. Wir haben auch ihre Besorgnisse gehört, es könne in der Praxis doch manchmal anders verfahren werden, als der Gesetzgeber vorschreibe.
Dies wollte ich insbesondere zu Ziffer 3 des Entschließungsantrags anmerken und verweise im übrigen auf das, was ich über die begleitende Kontrolle des Innenausschusses zur Asylpraxis gesagt habe.
Schließlich erwähnt der letzte Absatz der Entschließung ein Problem, das eigentlich rein humanitärer Natur ist und nicht direkt etwas mit dem Asylrecht zu tun hat. Aber es handelt sich hier nicht um eine Grauzone, wie Herr Kollege Bötsch gesagt hat, sondern um eine immerhin verwandte Materie und um einen Punkt, der ursprünglich von der CDU/ CSU-Fraktion angeregt worden ist. Das Problem wird doch oft in einem Zusammenhang mit dem Asylbegriff gebracht, und andere Länder gewähren in solchen Fällen ein besonderes, freilich nur vorübergehendes Asyl. Deswegen erscheint die von uns vorgeschlagene eingehende Prüfung geboten. Mehr verlangen wir gar nicht.
Zum Schluß möchte ich die Länder, die Kommunen, die beteiligten Behörden und Gerichte und nicht zuletzt den Steuerzahler davor warnen, auf eine durchschlagende Lösung des Problems von einem Tag auf den anderen zu hoffen.
Die Verbesserung der oft beklagten Zustände des gegenwärtigen Asylverfahrens kann nur graduell vor sich gehen. Allerdings sollte die kontinuierliche Zurückdrängung des „Asyltourismus" auch die Länder veranlassen, die gegenwärtigen Zustände in Abfertigungsstellen und Lagern, die für Asylbewerber und Bedienstete gleichermaßen unzulänglich, ja, oft unhaltbar sind, entsprechend zu verbessern.
Wir sind jedenfalls überzeugt, auch mit schrittweisem praktischem Vorgehen zum Ziel zu kommen: Dem organisierten Mißbrauch des Asylrechts zu steuern und den wirklich Verfolgten zu helfen.
({1})
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Wolfgramm.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Ökonomie unserer heutigen Verhandlungen bringt es mit sich, daß zwei inhaltlich ein wenig verschiedene Positionen miteinander verknüpft werden. Ich darf mich zuerst der zweiten, dem Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, zuwenden, das sich mit der Verlängerung der zentralen örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen für Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte der berühmten Zentralstelle der Länder zur Vergabe von Studienplätzen beschäftigt. Diese Verlängerung ist notwendig, aber sicher rechtlich und auch bildungspolitisch - ich will es einmal freundlich ausdrücken - sehr problematisch.
Wir werden in diesem Zusammenhang nicht nur die rechtlichen und finanziellen Fragen genauer durchleuchten, sondern auch klären müssen, wie weit wir im Bundestag zusätzliche Initiativen geben können, um den unerträglichen Bürokratismus bei der Vergabe von Studienplätzen abzubauen. Dabei darf ich mir die Frage erlauben, ob das jetzt eingeführte Testverfahren wirklich ein hilfreiches Instrument zur Vergaberegelung sein kann.
Die Freien Demokraten meinen, daß Fragen der zentralen Bildung, wie Hochschulzulassung, nicht am Parlament vorbei entschieden werden dürfen, sondern daß wir einen entsprechenden Einfluß nehmen müssen. Wir meinen, daß die Ausrichtung auf die Abiturdurchschnittsnote überprüft und verstärkt berufsspezifische und berufspraktische Tätigkeiten in die Beurteilung eingeführt werden müssen.
Schließlich und endlich wird es darum gehen, daß auch die Länder Bayern und Baden-Württemberg deutlich machen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um den Numerus clausus weiter abzubauen und damit jungen Menschen der geburtenstarken Jahrgänge ein ausreichendes Bildungs- und Ausbildungsangebot in Schulen, Berufsschulen und Hochschulen zu geben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch?
Meine Damen und Herren, ich komme zum zweiten Punkt unserer Überlegungen.
Keine Zwischenfrage.
Ich darf mich jetzt von den bildungspolitischen Fragen trennen und zum Asylbereich kommen.
({0})
- Sie müssen schon erlauben, meine Damen und Herren, daß auch wir uns zu diesen bildungspolitischen Punkten äußern, denn so unerheblich diese Position - ({1})
- Aber lieber Herr Kollege Bötsch, Bayern spielt sicher eine sehr zentrale Rolle ({2})
manchmal positiv, manchmal negativ - in dieser Bundesrepublik.
({3})
Meine Damen und Herren, das Problem des Asylrechts, zu dem ich jetzt kommen will, ist schon von den beiden Vorrednern der Darstellung und dem Inhalt nach umfassend abgehandelt worden. Zahl und Dauer der Verfahren zwingen uns, zu einer Verkürzung zu kommen. Diese Verkürzung darf nicht dazu führen, daß das Asylrecht, das bei uns im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in der Verfassung verankert ist, möglicherweise in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Wir werden jedoch diese Verkürzung vornehmen, da wir sonst zu einer Rechtsverweigerung bei denjenigen kommen, die aus berechtigten politischen Gründen in der Bundesrepublik Asyl erwarten können.
Wir stellen auf die individuelle Verfolgung und nicht auf die Verfolgung bestimmter Volksgruppen, wie das früher einmal der Fall war, ab.
Aber wir müssen prüfen - das ist auch Gegenstand unseres Entschließungsantrags -, ob wir hier nicht zusätzlich Schutzsuchenden aus Bürgerkriegsoder anderen Krisengebieten ebenfalls in den vorübergehenden Genuß eines solchen Rechts kommen lassen wollen. Wir haben uns diese Dinge nicht leicht gemacht, Herr Kollege Bötsch. Ich darf einmal aus der Drucksache 8/1719 zitieren. Da heißt es:
Es muß erreicht werden, daß ... Schutzsuchenden aus Bürgerkriegs- und anderen Krisengebieten, die nicht die Voraussetzung der persönlichen Verfolgung erfüllen, im Rahmen der Möglichkeiten unseres Landes vorübergehende Hilfe nach den Vorschriften des Ausländerrechts gewährt wird, ohne sie auf den Weg unbegründeter Asylanträge abzudrängen ...
({4})
- Ich habe aus der Begründung des Antrags der CDU/CSU zitiert. - Sie haben das vorhin in Ihren Anmerkungen als „Grauzone" charakterisiert. Sie haben sich hier gegenüber dem Antrag der Koalitionsfraktionen abwertend geäußert. Aber genau dies steht auch in Absatz 4 unseres Entschließungsantrages. Ich darf also für die Zukunft eine doch etwas genauere Betrachtung der eigenen Anträge empfehlen und anregen, diese mit den Anträgen der Koalition zu vergleichen.
Meine Damen und Herren, was uns Liberale hier von den Vorstellungen der Opposition unterscheidet, ist, daß wir unter keinen Umständen bereit sind, die Berufungsinstanz in toto aufzugeben. Wir haben uns hier zu einem Splitting-Verfahren entschlossen, und zwar zu folgendem: Die Berufungsinstanz als
Wolfgramm ({5})
zweite Tatsacheninstanz wird dann voll erhalten bleiben, wenn die Richter einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag in der ersten Instanz nach mündlicher Verhandlung nicht einstimmig abgelehnt haben. Auch die mündliche Verhandlung ist für uns ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Gesetzesänderung, weil sie für den Asylsuchenden die Möglichkeit schafft, vor Gericht seine Position selbst darzustellen und zu begründen. Die Revisionsinstanz bleibt in allen Fällen erhalten. Bei der Beschlußfassung ist auch dies für uns ein wichtiger Punkt gewesen.
Die Dezentralisierung, die ja von der Opposition zunächst nicht vorgesehen war, wird bewirken, daß zum einen die Belastung des Verwaltungsgerichts Ansbach abgebaut wird und daß zum anderen die Möglichkeit geschaffen wird, daß sich die Verfahren - auch in der rechtlichen Würdigung - einer größeren Bandbreite erfreuen können. Schließlich und endlich haben wir darauf gedrungen - das hat in besonderer Weise auch der Koalitionspartner getan -, daß die Vorsitzenden der Anerkennungsausschüsse die richterliche Befähigung haben müssen.
Meine Damen und Herren, es geht aber bei diesem Gesetz nicht nur um das, was hier vorgelegt worden ist, sondern es geht auch um die Frage des Drum und Dran, also darum, wie die Asylbewerber hier in der Bundesrepublik Schutz und Hilfe im Detail erwarten können. Und dazu gehört es schon, daß die Vorprüfer, sozusagen die ersten Tatsachenermittler, sorgfältig und human vorgehen. Dazu gehört es auch, daß das Problem der Ausweisungen und Abschiebungen einmal in besonderer Weise, auch vor dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages, durch einen Bericht, den wir hiermit von der Regierung erbitten, behandelt wird, einen Bericht, der auch einmal darstellt, wie schwierig sich dieser zweite Rechtszug für den Ausländer darstellt, wenn ablehnende Bescheide auf Asylanträge durch den Anerkennungsausschuß schließlich durch ein ausländerrechtliches Verfahren der Ausländerbehörden - parallel dazu in Gang gesetzt - möglicherweise mit der Ausweisung oder Abschiebung enden.
Ich darf in diesem Zusammenhang mit Genehmigung der Frau Präsidentin einmal aus der 21. Sitzung des Reichstages zitieren, in der der Abgeordnete Rosenfeld, der Antragsteller in diesem Asylberatungsverfahren, gesagt hat:
Meine Damen und Herren, in der Geschichte der deutschen Volksvertretung bilden die Klagen über polizeiliche Schikanierungen und Ausweisungen der Ausländer ein unerschöpfliches Kapitel. Und leider hat auch die Revolution an diesen Mißständen nicht das geringste geändert.
Nun, wir wollen hier das letzte deswegen sicher nicht extra einführen, um möglicherweise eine stärkere Humanisierung zu bewirken. Aber wir meinen, daß z. B. schon die Frage der Rechtsmittelbelehrung, die bei einem solchen ausländerrechtlichen Verfahren an den Ausländer ergeht und die immer in Deutsch gegeben wird, für den Ausländer zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen muß.
Die Verkürzung des Verfahrens bringt für die politisch Verfolgten die Möglichkeit, rasch zu ihrem Recht zu kommen. Die Dauer von acht bis neun Jahren, die ein Verfahren bis jetzt in Anspruch nehmen kann, wird auf eine zumutbare Zeit herabgesetzt. Wir meinen, daß damit den tatsächlich Verfolgten gedient ist und wir auf diese Art dem wirtschaftlichen Mißbrauch des Asylrechts begegnen können. Wir begrüßen, daß das Gesetz vor der Sommerpause verabschiedet wird, so daß es seine Wirkung, zumindest durch die Ankündigung des Inkrafttretens, rasch entfalten kann.
({6})
Das Wort hat Herr Staatssekretär von Schoeler.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Bundesregierung begrüßt die grundsätzliche Übereinstimmung aller Fraktionen dieses Hauses über eine Beschleunigung der Asylverfahren. Ich möchte allen Beteiligten dafür danken, daß es gelungen ist, in so kurzer Zeit einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Lösung dieses sicherlich nicht einfachen Problems in diesem Hause zu verabschieden.
Nach unserer übereinstimmenden Überzeugung soll die gesetzliche Neuregelung dem Ziele dienen, politisch Verfolgten durch ein effektiveres Verfahrensrecht schnell eine neue Heimat zu geben. Das Anerkennungsverfahren soll so beschleunigt werden, daß es dem Anspruch der politisch Verfolgten auf schnelle Feststellung ihrer Rechtsposition und auf baldige Eingliederung in unser Rechts-, Sozial-und Wirtschaftsleben gerecht wird. Andererseits soll der schnellere Abschluß der Asylverfahren aber auch der steigenden Tendenz entgegenwirken, das Asylverfahren ohne Vorliegen von Asylgründen nur zu dem Zweck zu betreiben, einen aus den verschiedensten Gründen angestrebten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erreichen zu können.
Mit Sorge mußten wir in den letzten Jahren feststellen, daß das Asylrecht in zunehmendem Umfang als Mittel zur Erreichung einer aus wirtschaftlichen Gründen angestrebten Einwanderung mißbraucht wurde. Gerade in solchen Fällen wird häufig ausschließlich zur Verlängerung des Aufenthaltes durch Einlegung aller gegebenen Rechtsmittel die Dauer des Asylverfahrens über Jahre hinausgezögert.
Der hierin liegenden Gefahr einer Aushöhlung des Asylrechts gilt es - auch im Interesse der politisch Verfolgten -, durch eine Beschleunigung der Asylverfahren zu begegnen, damit das im Grundgesetz verbürgte Recht auf Asyl für politisch Verfolgte nicht in seinem Wesensgehalt verändert und in seiner Schutzwirkung nicht angetastet wird.
Dieser Zielsetzung wird der vorliegende Gesetzentwurf nach Auffassung der Bundesregierung gerecht: Unter Wahrung der humanitären und rechtsstaatlichen Prinzipien soll eine schnelle EntParl. Staatssekretär von Schoeler
scheidung über die Asylanträge ermöglicht werden. Die Neuregelung wird deshalb das Recht des politisch Verfolgten auf Schutzgewährung in unserem Lande, zu dem wir uns uneingeschränkt bekennen, stärken und sichern.
Daß der Schutz der politisch Verfolgten für uns nicht nur eine rechtliche Frage sein kann, sondern in allererster Linie die schwierigen menschlichen Probleme derjenigen gesehen werden müssen, die aus politischen Gründen aus ihrer Heimat fliehen mußten, kommt in dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen deutlich zum Ausdruck.
Ich würde es begrüßen, wenn der Gesetzentwurf und dieser Entschließungsantrag heute verabschiedet werden.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen jetzt zur Einzelabstimmung in der zweiten Beratung, und zwar zuerst zur Abstimmung über das Gesetz zur Beschleunigung des Asylverfahrens. Ich rufe die Art. 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt? - Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Einstimmig so beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1936 unter Ziffer 2, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/1945 auf. Eine Überweisung wird nicht gewünscht.
Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen einige Stimmen angenommen.
({0})
- Der CSU? Gut, das kann man nicht so genau sehen. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über den Tagesordnungspunkt 32, das Zweite Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung. Ich rufe die Art. l bis 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Bestimmungen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Auf Drucksache 8/1935 finden Sie unter Ziffer 2 den Antrag des Ausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist somit beschlossen.
Ich rufe Punkt 33 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
-Drucksache 8/971 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1948 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({2})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen ({3}) - Drucksache 8/1922 Berichterstatter:
Abgeordneter Straßmeir
({4})
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Straßmeir.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter verweise ich auf meinen schriftlichen Bericht.
Das Thema, das zur Erörterung ansteht, beschäftigt in der Bundesrepublik Deutschland allein mehr als 25 Millionen Kraftfahrer. Sie haben einen Anspruch darauf, daß wirdieses Thema auch hier in der Öffentlichkeit mit der gebotenen Gründlichkeit erörtern. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ich deshalb erklären, daß wir der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zustimmen werden. Ziel dieser Gesetzesnovelle ist es, dem Diebstahl von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugkennzeichen sowie der Fälschung von Kraftfahrzeugkennzeichen und -papieren entgegenzuwirken. Damit soll zugleich aber auch ein entscheidender Schlag gegen Kapitalverbrechen geführt werden. Es ist eine Tatsache, daß bei dem größten Teil dieser schweren Verbrechen gestohlene Autos oder gefälschte Kennzeichen bzw. Autopapiere eine entscheidende Rolle spielen.
Ich führe hier nur wenige Fakten an. Mehr als 60 000 Autos werden in der Bundesrepublik Deutschland derzeit im Jahr gestohlen. Ca. 100 000 Autofahrer finden jährlich nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes ihr Auto ohne Nummernschild vor. Jedermann kann sich in jeder Schilderwerkstatt jedes beliebige Autokennzeichen prägen lassen, womit dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet ist. Die Täter können sich aber auch die Prägekosten sparen, weil die Schilder von jedem Auto mit wenigen
Handgriffen zu lösen sind. Das Fälschen von Kfz-Papieren, TÜV-Plaketten und Dienststempeln ist nicht ganz so einfach; aber bei Schwarzmarktpreisen von 200 bis 1 000 DM gibt es auch hier einen unüberschaubaren trüben Sumpf von Kriminalität. Mögen diese Fälschungen im Inland gelegentlich noch mehr oder minder problematisch sein, so fragt es sich, wer im Ausland schon weiß, wie diese Dinge aussehen. Schließlich werden auch angemietete Kraftfahrzeuge mehr und mehr für die Begehung von Straftaten mißbraucht. Dies zeigt die Notwendigkeit, die wachsende Kriminalität rund um das Auto mit wirksamen Maßnahmen entschiedener als bisher zu bekämpfen.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält in den wesentlichen Punkten leider keineswegs die konkreten neuen Vorschriften und Maßnahmen, sondern lediglich einen neuen Ermächtigungsrahmen, damit durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften später einmal die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden können. Gesetzlich geregelt wird aber immerhin, daß in Zukunft Kfz-Kennzeichen nur gegen Aushändigung eines amtlichen Berechtigungsscheins vertrieben oder ausgegeben werden können. Damit wird es möglich sein, wenigstens an einem neuralgischen Punkt schnell und wirksam zu handeln. Hier kann nach unserer Auffassung auch der zusätzliche Verwaltungsaufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Effekt der Maßnahme stehen, die sich ja nahtlos in das bisherige Zulassungsverfahren einbauen läßt.
Bei den übrigen Maßnahmen - diebstahl- und fälschungssichere Kfz-Kennzeichen, fälschungssichere Kfz-Papiere sowie bessere Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen an Selbstfahrer - steckt der Teufel allerdings im Detail. Der Verkehrsausschuß und der Innenausschuß des Bundestages haben bereits Ende 1977 ein gemeinsames Anhörungsverfahren durchgeführt, um die Frage zu klären, wie das zukünftige Nummernschild beschaffen sein sollte, damit es mit vertretbarem Aufwand möglichst diebstahl- und fälschungssicher gemacht werden kann. Dieses Hearing hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und das ist ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die Verabschiedung dieser Gesetzesnovelle bis heute verzögerte.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tillmann? - Bitte.
Herr Kollege Straßmeir, können Sie mir vielleicht mitteilen, ob dieser Gesetzentwurf auch das Bundesverkehrsministerium interessiert?
({0}) - Ach, da sitzt er ja!
({1})
Herr Kollege Tillmann, das Bundesverkehrsministerium ist seit wenigen Sekunden zumindest physisch vertreten.
Meine Damen und Herren, allerdings sind diese Fragen des fälschungssicheren Kennzeichens auch bis heute noch ungeklärt. Ein Bericht der Bundesregierung mit neuen Lösungsvorschlägen wird erst für den Herbst des Jahres erwartet. Wenn wir trotzdem heute dieses Gesetz verabschieden können, geschieht das insbesondere deshalb, damit bei den zweifelsfreien Maßnahmen nunmehr unverzüglich gehandelt werden kann.
Frei von Bedenken kann man nach unserer Auffassung gegenüber dem hier angewandten Gesetzgebungsverfahren mit Sicherheit nicht sein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bedauert außerordentlich, daß eine Novelle zum Straßenverkehrsgesetz beschlossen wird, ohne daß der CDU/CSU-Entwurf zum Straßenverkehrsgesetz, der bereits seit nahezu einem Jahr vorliegt, einbezogen würde, und dies, obwohl wir alle darin übereinstimmen, daß eine stärkere Mitwirkung des Parlaments an den Verordnungen im Rahmen dieses Gesetzes erforderlich ist,
({0})
ein Anliegen, dem der Gesetzentwurf der CDU/CSU exakt entspricht. Niemand darf übersehen, daß durch dieses Gesetz entgegen den Intentionen dieses ganzen Hauses erneut eine Flut von Verwaltungsvorschriften und -anordnungen einschließlich finanzieller Mehrbelastungen auf den Bürger zukommt.
Noch bedenklicher ist, daß der Gesetzgeber der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen gibt, über deren Inhalt und Ziel die Bundesregierung überhaupt noch keine klaren Vorstellungen hat. Der federführende Verkehrsausschuß wie auch die mitberatenden Ausschüsse haben daher bei ihren Beratungen zum Ausdruck gebracht, daß sie unter allen Umständen an den weiteren Entscheidungen bei ,den übrigen Maßnahmen - insbesondere hinsichtlich der diebstahl- und fälschungssicheren Kfz-Kennzeichen - angemessen beteiligt sein wollen. Die Bundesregierung hat dies zugesagt, und sie hat ferner zugesagt, daß sie die Maßnahmen im Verordnungswege nur mit Zustimmung dieser Ausschüsse erlassen wird. Dies, meine Damen und Herren, ist die Geschäftsgrundlage für die Opposition, um diesem Verfahren überhaupt zustimmen zu können.
In der Frage der diebstahl- und fälschungssicheren Kfz-Kennzeichen legt die CDU/CSU Wert auf folgende Feststellungen:
Erstens. Wir wollen eine Lösung, die möglichst schnell eine umfassende Wirksamkeit zeitigt. Was nützt ein perfektionistisches diebstahl- und fälschungssicheres Nummernschild, wenn es aus technischen Gründen erst in 10 bis 15 Jahren an allen Fahrzeugen angebracht werden kann?
Zweitens. Die CDU/CSU sieht in der Ausschaltung privater Unternehmen bei der Herstellung und Ausgabe von diebstahlsicheren und fälschungssicheren Kfz-Kennzeichen und Kfz-Papieren keineswegs die Gewähr für die Eindämmung von Mißbräuchen. Wer sich die Statistiken der letzten Jahre über gestohlene Kfz-Scheine, Führerscheine, PrüfplaketStraßmeir
ten, Dienstsiegel aus Kfz-Zulassungsstellen anschaut, wird sich unserer Skepsis anschließen müssen. So wurden beispielsweise im Jahre 1975 aus den Kfz-Zulassungsstellen 4 173 Fahrzeugscheine und 2 654 Führerscheine gestohlen. 1976 wurden 5 182 Prüfplaketten und 6 000 Stempelplaketten zu amtlichen Kennzeichen entwendet.
Drittens fordert die CDU/CSU heute die Bundesregierung nochmals mit allem Nachdruck auf, in diesem Bereich auch für europäische Lösungen zu sorgen, auf ihre Verwirklichung zu drängen. Was nützt uns eine perfekte deutsche Lösung, wenn es für Kriminelle ein leichtes ist, mit ausländischen Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugpapieren und Kfz-Kennzeichen ihr Unwesen zu treiben?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion möchte durch ihre Zustimmung zu diesem Gesetz erneut deutlich machen, daß sie bei der Bekämpfung der Kriminalität und ihrer Spezialform des Terrorismus bereit ist, weit über ihre Verpflichtungen als Opposition hinauszugehen und gemeinsam zu handeln. Nur aus diesem Grunde können wir diesem Gesetz zustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Topmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes auf Drucksache 8/971 trägt der Erkenntnis Rechnung, daß das Kraftfahrzeug bei der Begehung von Straftaten, insbesondere schwerer und schwerster Verbrechen, eine dominierende Rolle spielt, zumal es dem jeweiligen Gesetzesbrecher die für ihn notwendige Mobilität garantiert. Deshalb ist es folgerichtig, daß der uns vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung darauf abzielt, den Diebstahl, die Fälschung, die Verfälschung und die damit zusammenhängende mißbräuchliche Benutzung von Kennzeichen auszuschließen, wenigstens aber erheblich zu erschweren. Dies ist um so wichtiger, weil das polizeiliche Kennzeichen das einzige Suchkriterium ist, wenn es darum geht, nach einem Kraftfahrzeug zu fahnden.
Wir begrüßen es deshalb, daß in Abs. i des neu einzufügenden § 6 b des Straßenverkehrsgesetzes die Auflage enthalten ist, daß alle Firmen, die sich mit der Herstellung, Verteilung und Ausgabe von Kraftfahrzeugkennzeichen befassen, dieses der zuständigen Verwaltungsbehörde anzuzeigen haben. Damit wird sichergestellt, daß behördlicherseits ein Überblick darüber besteht, wer und an welchem Ort offiziell Kraftfahrzeugkennzeichen herstellen darf.
Weiterhin unterstützen wir die in Abs. 2 des genannten Paragraphen geforderte Auflage, wonach Kfz-Kennzeichen nur gegen Aushändigung eines amtlichen Berechtigungsscheins vertrieben und ausgegeben werden dürfen.
Diese beiden wesentlichen Anliegen des § 6 b sollten eigentlich sicherstellen, daß es in Zukunft den Rechtsbrechern nicht mehr möglich sein dürfte, sich
unter Einschaltung des Fachhandels mißbräuchlich Kennzeichen zu beschaffen; denn noch mehr als durch die Verwendung gestohlener Kennzeichen war es den Straftätern bisher möglich, durch das Anbringen sogenannter Dubletten an ihrem eigenen Fahrzeug oder aber an gestohlenen Fahrzeugen das Fahndungssystem der Polizei total zu unterlaufen. Ich glaube, hier liegt ein ganz wesentlicher Punkt, denn in dem Augenblick, in dem ein Kraftfahrzeugkennzeichen gestohlen wird, ist der Fahndungswert nicht total verlorengegangen. Dieses Kraftfahrzeugkennzeichen wird in die Fahndung aufgenommen und wird, wenn es an einem anderen Wagen angebracht wird, zumindest eine gewisse Bedeutung haben. Anders ist es dagegen - wie gesagt - bei den Dubletten, bei denen die Sache in der Tat überhaupt nicht zu übersehen ist. Wir wissen heute gar nicht einmal, in wie vielen Fällen diese Dubletten bisher von den Straftätern tatsächlich benutzt worden sind.
Die nachfolgenden neu geschaffenen §§ 6 c und 6 d des Straßenverkehrsgesetzes ergänzen diese Bemühungen und stellen insbesondere sicher, daß eine notwendige Überprüfung der im § 6 b geforderten Verhaltensweisen gewährleistet ist.
Bei der Bedeutung, die den neu eingefügten §§ 6 b und 6 c zukommt, war es sicherlich unumgänglich, einen Verstoß gegen diese Paragraphen mit strafrechtlichen Sanktionen zu belegen. Von daher gesehen begrüßen wir das Einfügen der §§ 22 a und 24 b, die ein Fehlverhalten mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bzw. mit Bußgeld zu ahnden gebieten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Einfügung der neu hinzugekommenen §§ 6 b bis einschließlich 6 d und der Ergänzung der Straf- und Bußgeldvorschriften in den §§ 22 a und 24 b ist den sicherheitspolitischen Anforderungen sicherlich noch nicht vollends Genüge geleistet.
({0})
- Ja, ich warte immer auf entsprechende Vorschläge. Darauf habe ich bei Ihnen eben auch vergeblich gewartet, verehrter Herr Straßmeir.
({1})
- Ich mache Ihnen jetzt ein paar Vorschläge, Kollege Milz. Dann werden auch Sie zufrieden sein; davon gehe ich aus.
({2})
Dieses erklärt sich insbesondere daraus, daß die bisherigen Kraftfahrzeugkennzeichen in der äußeren Form, mehr aber noch in der materiellen Beschaffenheit so einfach gehalten sind, daß diese auch ohne Inanspruchnahme des einschlägigen Gewerbes herzustellen sind. Deshalb hat das Hauptaugenmerk in der bisherigen politischen Beratung auch der Frage gegolten, wie und in welchem Umfange die Anforderungen an die nach außenhin sichtbare Kennzeichnung der Fahrzeuge erhöht werden müssen.
Im Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen, nämlich mit dem Innenausschuß und dem Rechtsausschuß, unterstützt auch der Verkehrsausschuß die Auffassung der Bundesregierung, daß die8038
se Problemstellung nicht unmittelbar gesetzlich, sondern mittelbar über die Ausweitung der Ermächtigungsgrundlagen in § 6 Abs. 1 auf dem Verordnungswege gelöst werden soll. Das entspricht der bisherigen Praxis gemäß § 60 Straßenverkehrszulassungsordnung
({3})
und den Ausnahmeverordnungen zur Straßenverkehrszulassungsordnung; ich nenne beispielsweise die 17. Ausnahmeverordnung.
Schon aus diesem Grunde unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion vom Grundsatz her die Ausweitung des § 6 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes, in den fünf neue Ermächtigungsgrundlagen aufgenommen werden sollen. Obgleich die Inhalte dieser Ermächtigungen hier und heute nicht Gegenstand der Beschlußfassung sind, dürfte es auf Grund der politischen Bedeutung angezeigt sein, auch in der heutigen Diskussion dazu einige nach unserer Meinung richtungweisende Ausführungen zu machen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Bundesregierung bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs deutlich gemacht hat, daß sie vor dem Erlaß entsprechender Rechtsverordnungen die beteiligten Ausschüsse konsultieren und keine Regelung gegen das Votum der Ausschüsse in Kraft setzen wolle.
({4})
- Wer wollte die Folie?
({5})
Dazu werde ich Ihnen gleich noch etwas sagen, Herr Dr. Schulte.
Im Zusammenhang mit der angestrebten neuen Kennzeichenlösung kommt insbesondere den einzufügenden Nummern 8 und 11 des § 6 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes besondere Bedeutung zu. Ich möchte deshalb Gelegenheit nehmen, hierzu die Meinung meiner Freunde und damit der SPD-Bundestagsfraktion kurz darzulegen.
Die inhaltliche Ausfüllung der einzufügenden Nr. 8 in § 6 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes hat sich nach unserer Meinung an folgenden Kriterien zu orientieren: 1. Fälschungs- und Verfälschungssicherheit; 2. Diebstahlssicherheit; 3. kurzfristige Anwendbarkeit; 4. langfristige Haltbarkeit; 5. leichte Anbringung; 6. ein Kosten- und Zeitaufwand, der sowohl im behördlichen Bereich wie auch im Bereich der Fahrzeughalter im Verhältnis zu den angestrebten Zielen politisch vertretbar ist.
({6})
Im Wissen um die Tatsache, daß eine absolute Fälschungs- und Diebstahlssicherheit auch bei dem derzeitigen Stand der Technik nicht zu erreichen ist, sind wir der Auffassung, daß dem Zeitfaktor eine ganz besondere Bedeutung zukommen sollte.
Deshalb meinen wir, daß die sogenannte große Folienlösung nicht weiter verfolgt werden sollte, weil sie neben anderen Schwierigkeiten beinhaltet, daß bis zur abschließenden Ausrüstung aller Fahrzeuge ein Zeitraum von etwa zehn Jahren einkalkuliert werden müßte.
({7})
Diese Feststellung stützt sich auf die Tatsache, daß derzeit auf Grund der Konstruktion unserer Fahrzeugtypen nicht einmal die Hälfte der im Verkehr befindlichen Fahrzeuge mit einem solchen Kennzeichen ausgerüstet werden könnte.
Der zweite in der Diskussion befindliche Vorschlag, nämlich die sogenannte Paketlösung - Leichtmetalischilder mit einem Kunststoffbelag und besserer, weil diebstahlssicherer Schraubenverbindung und ein zusätzliches kleines Folienkennzeichen, das an der Heckscheibe angebracht werden sollte -, wäre zwar theoretisch in der von uns geforderten kurzen Zeitspanne zu verwirklichen. Jedoch sind berechtigte Zweifel daran aufgetaucht, ob eine organisationsmäßig und finanziell so aufwendige Maßnahme überhaupt erforderlich ist, um den polizeilichen Anforderungen Genüge zu leisten.
({8})
Letzteres bezieht sich auf die Umrüstung der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge.
Wir sind der Auffassung - ich habe das bereits beim nichtöffentlichten Hearing des Verkehrs- und des Innenausschusses am 9. November 1977 vorgeschlagen; bitte lesen Sie das Protokoll nach -, daß alle im Verkehr befindlichen und alle zur Neuanmeldung kommenden Fahrzeuge außer den bisherigen Kennzeichen mit einem dritten Folienkennzeichen ausgestattet werden sollten. Dieses Folienkennzeichen, das entweder an der Innenseite der Heckscheibe oder in räumlicher Nähe des hinteren Kennzeichens anzubringen ist, muß den Anforderungen weitgehender Fälschungssicherheit entsprechen und mit dem Fahrzeug so verbunden werden, daß ein Ablösen nicht ohne gleichzeitige Zerstörung der Folie möglich ist.
Darüber hinaus bitten wir die Bundesregierung, einmal der Frage nachzugehen, ob dieses - nennen wir es - Sicherheitskennzeichen zumindest in der Umrüstungsphase unter amtlicher Kontrolle ausgegeben und auf das Fahrzeug geklebt werden kann. Dabei haben wir daran gedacht, daß die technischen Überwachungsvereine in Zusammenarbeit mit den Straßenverkehrsämtern mit dieser Aufgabe betraut werden, zumal da davon ausgegangen werden kann, daß im Turnus von etwa zwei Jahren sämtliche im Verkehr befindlichen Fahrzeuge dem TÜV vorgeführt werden müssen.
Eine solche Regelung würde den Vorteil haben, daß der Manipulation in dieser für unsere Begriffe sehr sensiblen Phase vorgebeugt wird und daß dem Fahrzeughalter keine erhebliche zusätzliche Belastung aufgebürdet würde - sowohl im finanziellen Bereich als auch bezüglich des Zeitaufwands -, um sein Fahrzeug mit dem dritten Kennzeichen ausstatten zu lassen. Dabei wäre zu prüfen, ob es nicht zweckmäßig sein könnte, daß die jeweiligen Straßenverkehrsämter im Bereich der ÜberprüfungsanTopmann
lagen der Technischen Überwachungsvereine Außenstellen errichten, zumal da dort der nötige Platz vorhanden ist, um diese Aufgabe mitübernehmen zu können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann?
Bitte sehr.
Herr Kollege, würden Sie mit mir übereinstimmen, daß es bei all Ihren Prüfvorstellungen besser wäre, erst die Prüfungen vorzunehmen, bevor wir Gesetze verabschieden?
({0})
Ich glaube, wir sind darin einig, daß es hier einmal darum geht, den § 6 b so einzufügen, daß bestimmte Maßnahmen sofort einsetzen können. Andererseits ist es in der ganz schwierigen Situation - das haben wir doch beim Hearing erfahren, und Herr Straßmeir hat hier eben ganz eindeutige Aussagen dazu gemacht - eben nicht so einfach, wie es sich viele vorstellen, ein Kennzeichen zu entwickeln, das den von mir genannten Kriterien entspricht. Bitte sehr, so einfach ist es wirklich nicht, und ich glaube auch, alle, die dabei waren - Sie waren es wahrscheinlich nicht -, sind mit mir dieser Meinung.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Nein, sonst komme ich mit meiner Zeit nicht aus.
({0})
Im übrigen gehen wir davon aus, daß mit der Ermächtigungsgrundlage zu Nr. 11 des § 6 Abs. 1 das Ziel verfolgt wird, durch bessere komputermäßige Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden der Länder und dem Kraftfahrtbundesamt sicherzustellen, daß kurzfristige Abfragen möglich sind und so eine weitere Gewähr dafür gegeben sein wird, daß die Ausstattung der Fahrzeuge mit verfälschten oder gefälschten Kennzeichen sofort, zumindest aber schneller auffällig wird.
({1})
Wir gehen davon aus, daß nicht nur dieses Gesetz innerhalb kürzester Zeit rechtskräftig wird, sondern daß auch die Bundesregierung alles daransetzt, die ergänzenden Rechtsverordnungen noch im Laufe dieses Jahres in Kraft zu setzen. Sie, meine Herren von der Bundesregierung, dürfen sicher sein, daß die SPD-Bundestagsfraktion alles tun wird, Ihnen hierbei die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
({0})
- Bitte, Herr Pfeffermann, es steht dem Ministerium frei, sich hierzu zu äußern.
Bevor wir in die Einzelberatung eintreten, hat das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Herr Kollege, ich darf Sie noch einmal bitten - die Bundesregierung hat sich soeben erst gemeldet. Ich bitte um Entschuldigung.
Bitte, Herr Staatssekretär Haar, Sie haben das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Beratung der Ausschüsse waren wir völlig unabhängig von den jetzt zum Teil durch Zwischenfragen auftretenden sachlichen Unterschieden der Beurteilung in einem Punkt einig, nämlich eine rasche Verabschiedung des Änderungsgesetzes gemeinsam zu tragen, damit möglichst bald, nämlich zum September 1978, wie in den Fachberatungen eingehend erörtert, eine Straßenverkehrszulassungsänderungsverordnung zur Einführung des Berechtigungsscheinyerfahrens und zur Einführung des fälschungssicheren Fahrzeugscheines als eine der ersten Maßnahmen, die von allen Fraktionen bei sachlicher Würdigung der technischen wie der administrativen Probleme anerkannt worden ist, möglich sein wird. Das gehört also mit zu den ganzen Fragen.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Ich darf bitten, daß ich mich kurz fassen kann, damit Sie nachher zur Entscheidung kommen können. Es ist ja vorher eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung erfolgt; ich möchte rasch zu Ende kommen.
Was die Folienlösung anbelangt, so ist bei den bisherigen Beratungen deutlich geworden - das hat der Sprecher der SPD-Fraktion schon deutlich gemacht, und es war auch gemeinsame Auffassung -: Die Probleme sind schwierig; die Lösungen sind aufwendig, sie sind zumindest aufwendiger, auch im zeitlichen Ablauf, als ursprünglich angenommen.
({0})
Auf Wunsch der Bundestagsausschüsse werden die einzelnen vorgeschlagenen Lösungen innerhalb der vorgegebenen Dreimonatsfrist eingehend geprüft. Ich bin sicher, wir werden hier zu Lösungen kommen.
Was ,den administrativen Teil anbelangt, darf ich zumindest die Damen und Herren der Opposition darauf aufmerksam machen, daß in dem Verwaltungsverfahren insbesondere seit September/Oktober vergangenen Jahres ein Bund-Länder-Ausschuß, bestehend aus Vertretern des Bundesministers für Verkehr, der Länder, der Zulassungsstellen im Bundesgebiet, des Bundeskriminalamtes und des Kraftfahrtbundesamtes, besteht, der nachdrücklich bemüht ist, alle uns gemeinsam berührenden Probleme zu vertiefen und auch hinsichtlich der Frage der Folienlösung nach Prüfung der technischen Voraussetzungen für die rasche Umsetzung dessen, was gemeinsame Absicht ist, zu sorgen.
Unter diesem Aspekt bin ich der Auffassung, daß es keinen Grund gibt, in der heutigen Diskussion die Zahl der Kraftfahrzeugdiebstähle, die Entwicklung, die hier auch international dargestellt ist, als politisches Argument für irgendeinen Tatbestand zu benutzen, der etwa zu Lasten der Bundesregierung gehen könnte, insbesondere nicht angesichts der gemeinsamen Bemühungen, die in den letzten Monaten unternommen worden sind.
({1})
In diesem Sinne bitte ich hier um rasche Verabschiedung unserer Vorlage. Inzwischen ist auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten die Frage der nochmaligen Konsultation der Ausschüsse geregelt, aber nicht in einem Verfahren oder in einer Form, die selbst bei Fachleuten der Opposition zweifellos umstritten sein muß.
({2})
Meine Damen und Herren, mit der Intervention der Regierung ist die Debatte wieder eröffnet. Ich sehe aber keine Wortmeldungen. Ich schließe die Debatte.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 59 der Geschäftsordung hat der Abgeordnete Dr. Lenz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde diesem Gesetz nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen.
Erstens hat das Gesetz - im Gegensatz zu dem, was hier vorgetragen worden ist - sehr wenig mit der Einführung fälschungssicherer Kfz-Kennzeichen und infolgedessen auch sehr wenig mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun. Das ergibt sich aus dem Schriftlichen Bericht auf Seite 9, den ich Ihnen hier, kurz vorlesen darf.
({0})
- Nein, Herr Kollege, das werde ich Ihnen nicht ersparen. - Aus dem Schriftlichen Bericht ergibt sich nämlich, daß zur Zeit noch keine Klarheit über die künftige Beschaffung der in möglichst großem Umfang fälschungs- und diebstahlssicheren Kraftfahrzeugkennzeichen besteht. Andererseits ist völlig klar, daß die erste Verordnung auf Grund dieses Gesetzes nicht etwa, wie der Herr Staatssekretär uns hier hat glauben machen wollen, schon im September ergehen kann. Da diese Verordnungen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen und dessen nächste Sitzung erst im Oktober stattfindet, kann frühestens dort etwas geschehen. Für die Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause bestand keine Veranlassung.
({1})
Zweitens. Dieses Gesetz hat sehr viel mit der Ermächtigung der Bundesregierung zu tun, neue Rechtsverordnungen zu erlassen. Das ergibt sich aus dem § 6. Nach § 6 Nr. 8 kann die Bundesregierung das bisher Kfz-Kennzeichen herstellende Kraftfahrzeuggewerbe mit einem Federstrich verbieten. Sie kann zweitens jedem Staatsbürger auferlegen, seinen Führerschein und seine Kfz-Papiere mit einer Kette um den Hals zu tragen und diese Sachen zu Hause in diebstahlssicheren Stahlbehältern aufzubewahren, wobei auch Vorschriften über die Dicke der Kette, die Art der Verschlüsse und die Art der Schlösser möglich sind. Dieses alles steht hier darin.
({2})
- Ganz Recht, Herr Kollege, Phantasie muß man haben. Ich darf Ihnen sagen, daß diese Phantasie auch notwendig ist. Denn wenn Sie sehen, was die Bundesregierung bisher mit der Ermächtigung des § 6 des Straßenverkehrsgesetzes gemacht hat - aus dieser schlichten Ermächtigungsvorschrift ist ein Gesetzbuch von 400 Seiten Dicke geworden -
Würden Sie sich bitte an § 59 unserer Geschäftsordnung halten, Herr Kollege.
Drittens möchte ich hier noch sagen, daß keine wirksame Bremse gegen einen Mißbrauch dieses Gesetzes eingeführt worden ist. Der Verkehrsausschuß hatte sich ursprünglich bemüht, wenigstens eine schwache Bremse einzubauen, indem er eine Entschließung in seine Beschlußempfehlung aufgenommen hatte, in der die Bundesregierung ersucht wurde, von den erhaltenen Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen nur Gebrauch zu machen, nachdem dem Deutschen Bundestag hierüber ein Schriftlicher Bericht vorgelegt worden ist.
Herr Dr. Lenz, erlauben Sie, daß ich Sie unterbreche.
... und der zuständige Ausschuß seine Zustimmung gegeben hat.
Darf ich Sie unterbrechen!
Diese Entschließung -
Herr Abgeordneter! Sie leisten hier einen Debattenbeitrag. Ich bitte Sie herzlich, die Erklärung zur Abstimmung kurz zu fassen.
Ich war beim letzten Satz, Frau Präsidentin.
Dieser Entschließungsantrag ist in einer zweiten Fassung des Berichts gestrichen worden. Infolgedessen bestehen außer mündlichen und unverbindlichen Zusagen der Bundesregierung keinerlei Möglichkeiten, den Mißbrauch des Gesetzes zu verhindern.
Deshalb, Frau Präsidentin, lehne ich diesen Gesetzentwurf mit aller Entschiedenheit ab.
({0})
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Artikel 1 bis 3, die Einleitung und die Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Gegenstimme, mehrere Enthaltungen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung gegen eine Stimme aus den Reihen der Opposition bei mehreren Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Antarktis-Vertrag vom 1. Dezember 1959
- Drucksache 8/1824 Überweisupgsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort zur Einbringung hat Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung, dem Antarktis-Vertrag beizutreten, Anfang dieses Jahres getroffen. In der Kabinettssitzung vom 18. Januar 1978 hat sie dem Entwurf des Zustimmungsgesetzes zu unserem Beitritt zugestimmt. Der Bundesrat hat dann am 17. März 1978 in seiner 455. Sitzung positiv zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen ({0}).
Erlauben Sie mir bitte, anläßlich der ersten Lesung eine kurze Erläuterung dieses Gesetzentwurfs zu geben. Was bezweckt der Antarktis-Vertrag aus dem Jahre 1959? Der Vertrag will sicherstellen, daß die Antarktis ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt wird. Deshalb verbietet er die Anlage von Militärstützpunkten und -befestigungen. Er verbietet auch die Durchführung von Kernexplosionen und die Ablagerung von radioaktivem Abfall. Durch Einfrieren aller Gebietsansprüche für einen Zeitraum von 30 Jahren will der Vertrag territoriale Streitigkeiten in der Antarktis verhindern. Er will ferner die Freiheit der Forschung in diesem Gebiet gewährleisten und die wissenschaftliche Zusammenarbeit fördern.
Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Vertrag, dem derzeit zwölf Signatarstaaten und sieben später beigetretene Staaten angehören, ist also ein weiteres wichtiges Element in unserer Politik der globalen Friedenssicherung und der weltweiten Zusammenarbeit. Wir sichern mit diesem Beitritt unseren Anspruch auf freie wissenschaftliche Forschung in der Antarktis, wir beteiligen uns an der internationalen Zusammenarbeit bei der Erforschung lebenswichtiger Nahrungsreserven, wir eröffnen uns die Möglichkeit zum Informationsaustausch mit Ländern, die über langfristige Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen, und wir fördern damit Maßnahmen auf dem Gebiet der Abrüstung und unterstützen das Verbot von Kernexplosionen.
Zur Begründung im einzelnen für unseren Beitritt verweise ich auf die Ihnen vorliegende Bundestagsdrucksache 8/1824 vom 24. Mai dieses Jahres: Entwurf eines Gesetzes zum Antarktis-Vertrag vom 1. Dezember 1959. Zudem hat sich ja der Deutsche Bundestag am 16. Februar anläßlich der Behandlung eines Antrages der CDU/CSU bereits mit diesem Gegenstand beschäftigt und dabei eine erfreuliche grundsätzliche Übereinstimmung herbeigeführt.
Über die genannten Gründe hinaus liegt der Beitritt zu diesem Vertrag aber auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, weil er uns ermöglicht, an der Erarbeitung von internationalen Nutzungsregimen für die antarktischen Ressourcen mitzuwirken. Nach unserem letzten Kenntnisstand würden hierbei längerfristig auch Interessen der deutschen Wirtschaft berührt sein. Wir sehen Aufgaben in der Entwicklung und Herstellung geeigneter Technologien und eine Möglichkeit zur Festigung und Verbesserung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Da sich der Antarktis-Vertrag selbst nicht auf die wirtschaftliche Nutzung bezieht, bringt uns ein bloßer Beitritt den in der Antarktis vermuteten Ressourcen allerdings noch nicht näher. Erst die Aufnahme in die sogenannte Konsultationsrunde wird die Bundesrepublik Deutschland in die Lage versetzen, vollverantwortlich an der Erforschung und der friedlichen Nutzung der Antarktis mitzuarbeiten und damit ihre Vorstellungen in die internationale Zusammenarbeit innerhalb des Antarktis-Vertrags einzubringen.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 17. März darauf bereits hingewiesen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme versichert, daß sie die notwendigen Schritte einleiten werde, um die Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Konsultativtreffen der Signatarstaaten und der gleichgestellten Staaten zu erfüllen. Mit dem Beitritt zum Vertrag wird die erste Voraussetzung für die Aufnahme in die Konsultativrunde erfüllt sein.
Staatsminister Frau Hamm-Brücher
Die zweite Voraussetzung hierfür sind nach Art. IX Abs. 2 des Vertrages Ausführung und Nachweis darüber, daß „erhebliche wissenschaftliche Forschungsarbeiten in der Antarktis" getätigt werden. Die Signatarstaaten des Antarktis-Vertrages verstehen darunter in erster Linie die Errichtung und den Betrieb landgelegener Forschungsstationen.
Ich darf in diesem Zusammenhang das Beispiel Polens erwähnen, das 1977 als erster Nichtsignatarstaat Konsultativmitglied des Antarktis-Vertrags geworden ist. Polen war bereits seit 1961 einfaches Mitglied, konnte aber erst nach Errichtung einer Forschungsstation dieses Ausmaßes seinen jetzigen qualifizierten Status erreichen.
Wir müssen deshalb damit rechnen, daß einige Signatarstaaten die von uns 1975/76 und 1977/78 durchgeführten Expeditionen zur Erforschung der Krillbestände für die Qualifikation der Bundesrepublik Deutschland als Konsultationsstaat noch nicht für ausreichend ansehen, obwohl die für die Krill-forschung bislang aufgewandten Mittel, aus denen sich ja auch das Interesse der Bundesregierung an den lebenden antarktischen Ressourcen ablesen läßt, zwischen 35 und 40 Millionen DM betrugen.
Die Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, wird also zusätzlich eine eigene Forschungsstation auf dem antarktischen Festland errichten und unterhalten müssen, und zwar als Nachweis dafür, daß im Sinne des Antarktis-Vertrags in wesentlichem Umfang wissenschaftliche Forschung betrieben wird.
Der finanzielle Aufwand für eine solche Forschungsstation und das dazugehörige Logistiksystem sind beträchtlich. Die Investitionskosten werden rund 90 Millionen DM, die jährlichen laufenden Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb der Station und des Logistiksystems sowie für die Förderung der Antarktis-Forschung rund 30 Millionen DM betragen. Diese zusätzliche Belastung des Haushalts muß jedoch an dem gemessen werden, was mit diesen Mitteln langfristig an wirtschaftlichen Vorteilen erreicht werden kann.
Die Entscheidung über Forschungsstation und Logistiksystem wird die Bundesregierung bald treffen, um rechtzeitig Einfluß auf die laufenden Arbeiten an einer Konvention zum Schutz und zur Nutzung der lebenden Meeresressourcen und auf ein längerfristig zu erwartendes Nutzungsregime der antarktischen Rohstoffe nehmen zu können. Ein erster Schritt der Bundesregierung, der ihr Interesse an einer solchen Konsultativgemeinschaft des Vertrages deutlich macht, könnte darin bestehen, ein eisgehendes Schiff, das sowohl Transport- als auch Forschungsaufgaben erfüllen kann, als Grundstein des Logistiksystems in Auftrag zu geben. Dies wäre zugleich ein positiver Schritt zur Verbesserung der schwierigen Situation der deutschen. Werften.
Ich fasse zusammen. Für unseren Beitritt zum Antarktis-Vertrag, für den der vorliegende Gesetzentwurf die gesetzliche Voraussetzung schaffen soll, sprechen: Erstens der rüstungskontrollpolitische Aspekt: Der Antarktis-Vertrag ist der erste Rüstungskontrollvertrag nach dem 2. Weltkrieg und
hat durch die Schaffung der ersten kernwaffenfreien Zone Bedeutung erlangt. Die Bundesregierung bekennt sich zu einem umfassenden Verbot von Kernwaffentests und begrüßt jede Maßnahme, die diesem Ziele dient. Das Verbot militärischer Maßnahmen im Antarktis-Vertrag schafft die Grundlage für eine ausschließlich friedliche Nutzung dieses Gebiets. Der Vertrag hat mit seinen umfassenden Inspektionsmöglichkeiten ein wirksames Instrumentarium geschaffen, mit dessen Hilfe die Einhaltung seiner Bestimmungen verifiziert werden kann.
Zweitens die Forschungsinteressen: Der Antarktis-Vertrag hat sich als ein wirksames Instrument zur Sicherung ungestörter wissenschaftlicher Erforschung dieses Gebiets erwiesen.
Drittens langfristige wirtschaftliche Interessen: Der Wortlaut des Antarktis-Vertrags behandelt zwar nur, wie ich bereits sagte, Fragen der wissenschaftlichen Forschung und der Rüstungskontrollpolitik. Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Nutzung der in der Antarktis vermuteten oder bereits nachgewiesenen Ressourcen zunehmend internationale Beachtung findet.
Unser Beitritt zum Antarktis-Vertrag bildet daher den notwendigen ersten Schritt für unsere Teilnah- me an den Treffen der Konsultationsmitglieder des Vertrags, auf denen über die künftige internationale Zusammenarbeit in der Antarktis entschieden wird. Die Bundesregierung bittet deshalb das Parlament um Zustimmung für den vorliegenden Gesetzentwurf.
({1})
Danke, Frau Staatsminister.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus gutem Grund befassen wir uns in diesen sommerlichen Tagen mit dem Kontinent des „ewigen Eises", dem „Land der gefrorenen Zeit", wie die Antarktis in xomantischen Buchtiteln genannt wird, um nämlich in einer Zeit, in der so viel von Grenzen die Rede ist - Grenzen des Wachstums, Grenzen der Belastbarkeit usw. -, einen Aufbruch zu neuen Ufern zu wagen, um den Ausdruck des „Wettlaufs zum 6. Kontinent" zu vermeiden, an dem Herr von Dohnanyi in der Debatte am 16. Februar 1978 über den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu Unrecht Anstoß genommen hat.
Wir Oppositions- und Koalitionsfraktionen sind nunmehr, wie die Tatsache beweist, daß wir zum zweitenmal in diesem Jahr das Thema Antarktis-Vertrag als Beratungsgegenstand im Deutschen Bundestag haben, gemeinsam der politischen Überzeugung, daß diese Hinwendung zu einem Festland, welches erheblich größer ist als die USA, unverzüglich erfolgen muß.
Meine Damen und Herren, bitte gestatten Sie mir trotz der erfreulichen Übereinstimmung von heute, auf deren Bedeutung und Konsequenz ich
noch zu sprechen komme, auch einen kurzen Hinweis auf die Vorgeschichte dieses Gesetzentwurfs und der heutigen Debatte.
Bei der Beratung des Antrags meiner Fraktion im Februar hatte Kollege Jung meine Frage an die Bundesregierung, warum diese nicht längst den Beitritt zum Antarktis-Vertrag eingeleitet habe, mit dem Hinweis auf die Voraussetzung der UNO-Mitgliedschaft zurückgewiesen. Dies ist schon deshalb sachlich unrichtig gewesen, weil der Antarktis-Vertrag ausdrücklich auch für Nichtmitglieder der UNO eine Beitrittsmöglichkeit bereithält, wenn auch unter der Voraussetzung der Einstimmigkeit der Signatarstaaten.
Zudem ist die Frage nicht beantwortet, warum nicht nach dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen der immerhin im Jahre 1973 vollzogen wurde, die notwendigen Maßnahmen seitens der Bundesregierung eingeleitet worden sind.
Auch bleibt mir nach wie vor unverständlich, daß noch in den Kabinettssitzungen vom 30. November 1977 und 18. Januar 1978, als dieses Thema endlich auf der Tagesordnung stand, lediglich die Initiative zu einem Beitritt als einfaches Mitglied beschlossen wurde und der allein sinnvolle Status des Konsultativmitglieds, der Vollmitgliedschaft, nicht angestrebt wurde. Staatssekretär Bölling erklärte noch am 19. Januar, die Frage eines wissenschaftlichen Beitrages sei keine Sache von heute auf morgen.
Solche Halbheiten waren allzu lange kennzeichnend für die Einstellung der Bundesregierung. In diesem Zusammenhang mag allerdings auch von Bedeutung gewesen sein, daß es jedenfalls für einen Teil der SPD-Fraktion grundsätzliche Bedenken zu geben scheint, in einen „Club der Superreichen und Supertechnologiebesitzenden" einzutreten, wie es die Frau Kollegin Erler ausdrückte, die, was den zweiten wichtigen Bereich einer zukunftsorientierten Politik, nämlich den auf der Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen so heftig umstrittenen und so lange schon beratenen Meeresbodenbergbau, betrifft, im Pressedienst ihrer Partei am 13. Februar 1978 schlicht meinte, daß es uns, nachdem die Hohe See durch die Mehrheit der Entwicklungsländer in den Vereinten Nationen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt worden sei, nun einmal verboten sei, auf diesem Felde tätig zu werden. Entsprechende Bestrebungen, auch die Antarktis über eine solche Erklärung zu internationalisieren und damit denjenigen zu entziehen, die allein das technische Wissen zu ihrer Erforschung besitzen, sind bei den Entwicklungsländern durchaus vorhanden.
Wir haben gedrängt, wir haben die Haltung der Bundesregierung als „Entschlußlosigkeit auf Raten" kritisiert. Wir haben schließlich erreicht, .daß der zuständige Bundesforschungsminister - damals Herr Matthöfer - noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt „die Kurve bekam" und in einem eindrucksvollen Abschiedsbrief an den Bundeskanzler die Weichen endlich richtig stellte, so daß schon am Tage der Vereidigung des heutigen Bundesforschungsministers, Dr. Hauff, an dem die Debatte über unseren Antrag stattfand, die Bereitschaft der Bundesregierung, die Vollmitgliedschaft anzustreben, zum Ausdruck kam.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dies auf der letzten Seite der Drucksache 8/1824 dadurch deutlich, daß die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates erklärt, sie werde die notwendigen Schritte einleiten, um - dem Wunsch des Bundesrates entsprechend die im Vertrag genannten Voraussetzungen zur Teilnahme an den Konsultativtreffen der Signatar- und gleichgestellten Staaten zu erfüllen.
Dem Bundesrat ist auch darin zuzustimmen, daß bereits jetzt neben dem Beitrittsverfahren alle notwendigen begleitenden Anstrengungen unternommen werden müssen.
Meine Damen und Herren, wir bekennen uns uneingeschränkt zu den Zielen des Antarktis-Vertrages, der der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Forschung dienen und die Verständigung im Sinne der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen fördern soll. Wir begrüßen es, daß die Errichtung militärischer Stützpunkte und Befestigungen, die Durchführung militärischer Manöver und die Erprobung von Waffen jeglicher Art in der Antarktis verboten sind. Wir halten es für begrüßenswert, daß Kernexplosionen - gleichgültig, zu welchem Zweck - und die Ablagerung radioaktiver Abfälle in der Antarktis untersagt sind. Wir erheben keinerlei Gebietsansprüche wie einige der Signatarstaaten, die sich darauf geeinigt haben, insoweit den ungeklärten Zustand bis 1995 zu belassen. Wir wünschen die Teilhabe an der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und der Zusammenarbeit der Vertragspartner zu diesem Zweck, insbesondere am Austausch von Informationen über die Planung wissenschaftlicher Forschungsprogramme, am Austausch wissenschaftlichen Personals zwischen Expeditionen und Stationen und an den wissenschaftlichen Beobachtungen und Ergebnissen.
Lassen Sie mich bitte in diesem Zusammenhang einen einmaligen Aspekt des Vertrages, nämlich das in Art. VII vorgesehene Inspektionssystem, hervorheben. Jeder Unterzeichnerstaat ist einseitig berechtigt, seine eigenen Staatsangehörigen als offizielle Beobachter zu benennen. Jeder dieser Beobachter hat jederzeit ungehinderten Zugang zu einzelnen oder allen Gebieten der Antarktis, einschließlich aller Stationen, allen Materials, aller Schiffe und Flugzeuge bei der Ein- und Ausschiffung von Fracht und Personal. Auch unter diesem Aspekt ist der Beitritt zu einem Club, der die Überwachung der Antarktis in beispielloser Art und Weise der friedlichen Zusammenarbeit in Anspruch nimmt, ein guter Schritt.
Es trifft zu, daß der Antarktis-Vertrag selbst die wirtschaftliche Nutzung dieses Kontinents nicht regelt. Gleichwohl ist der ungeheure Rohstoffreichturn der Antarktis für die Bundesrepublik Deutschland, die 10 % der Weltbergbauproduktion verbraucht und nur 1 % selbst fördert, die ein Han8044
dels-, Schiffahrts- und Fernfischereistaat und zugleich ein extrem rohstoffabhängiges, hochindustrialisiertes, weltmarktbezogenes Land mit der höchsten Exportabhängigkeit unter den großen Industriestaaten ist, natürlich der zentrale Punkt des Interesses. Angesichts der breiten öffentlichen Diskussion über die Schätze der Antarktis, die uns neben zahlreichen dringend benötigten Rohstoffen Nahrung und Energie liefern können, erscheint die Warnung des Kollegen Grunenberg davor, den Gedanken an Rohstoffsuche mit der zweckfreien umweltbezogenen Antarktis-Forschung in Zusammenhang zu bringen - Herr Kollege Grunenberg, verzeihen Sie -, allzu blauäugig. Es wird uns nach unseren Krill-Expeditionen jetzt schon nicht mehr abgenommen, daß wir in der Antarktis ausschließlich unseren Forschungsdrang und Wissensdurst stillen wollen. Sie müßten es persönlich im übrigen auch besser wissen, nachdem der damalige Minister Matthöfer Ihnen am 8. Dezember 1977 seine Auffassung über die Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland um die künftige Nutzung der vermuteten antarktischen Ressourcen mitgeteilt hat.
Lassen Sie mich, was Art und Umfang der in der Antarktis bereits festgestellten oder aber vermuteten Rohstoffe betrifft, heute nur Bezug nehmen auf meine früheren Ausführungen an dieser Stelle. Herrn Matthöfer ist darin zuzustimmen, daß nur ein vergleichsweise kleiner Teil der bisherigen Erkenntnisse von den Mitgliedern des Paktes veröffentlicht sein dürfte. Jedenfalls kann als Indiz dafür, daß die Ergebnisse vielversprechend sind, die Absicht der Signatarstaaten genommen werden, in den nächsten zwei Jahren ein Nutzungsregime zu errichten.
Fest steht, daß die Fisch- und Krillvorräte die größte Eiweißreserve der Erde sind und daß jedenfalls die Technologie zur Nutzung von antarktischem C1 und Gas voraussichtlich schon bis zum Ende der 80er Jahre verfügbar sein wird, während die Entwicklung der Technologie zum Abbau mineralischer Rohstoffe noch etwa einen Zeitraum von 20 Jahren benötigen wird. Der Beitrag der Antarktis zur langfristigen Sicherung der deutschen Rohstoffversorgung und zur Weiterentwicklung hochwertiger Technologien, die ihrerseits der langfristigen Sicherung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dienen, kann alles in allem kaum hoch genug veranschlagt werden.
Ich schließe mit einem Ausblick auf die Konsequenzen, die sich aus dem Beitritt ergeben bzw. diesen begleiten müssen. Wir brauchen - das hat Frau Staatsminiser Hamm-Brücher schon gesagt - eine eigene landgelegene Forschungsstation in der Antarktis, die ganzjährig, im Sommer mit 20 bis 30 und im Winter mit fünf bis zehn Personen, besetzt ist. Wir brauchen zweitens in der Bundesrepublik Deutschland eine Forschungseinrichtung mit der erforderlichen wissenschaftlichen Kapazität zur Durchführung eines schwerpunktmäßig rohstofforientierten Forschungsprogramms und mit der notwendigen Managementkapazität.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die im Januar dieses Jahres ihr grundsätzliches Interesse an
Forschungsarbeiten in der Antarktis bekundet und erklärt hat, daß der Grundstock für das notwendige wissenschaftliche Potential vorhanden sei, hat vor wenigen Tagen die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in das internationale Komitee für Antarktis-Forschung erreicht. Die Teilnahme am internationalen Forschungsprojekt „Biomass" des Komitees wurde bei der Tagung in Kiel beschlossen.
Daneben ist jetzt dringend der Bau eines Eisbrechers mit modernster Technologie erforderlich. Dieses Schiff wird Transport- und auch Forschungsaufgaben übernehmen müssen und damit den Grundstein des Logistiksystems bilden. Was den Ausbau der wissenschaftlichen Kapazität in der Bundesrepublik Deutschland betrifft, so bietet sich sicher die Einrichtung eines Antarktis-Instituts an der Küste an. Ich habe vor einigen Wochen in einer öffentlichen Erklärung für den Standort Bremerhaven plädiert und bleibe, bestärkt durch die zustimmende Aufnahme dieses Vorschlags durch das dort bereits vorhandene Institut für Meeresforschung, dabei. Neben der Zusammenarbeit mit dem Meeresforschungsinstitut spricht für diesen Standort die Küstennähe, die eine Außenstation eines binnenländischen Instituts zur Betreuung der Forschungsschiffe entbehrlich machen würde, und auch die schwierige Wirtschaftsstruktur des Küstenraumes. Ich hoffe, daß diese Entscheidung trotz der erklärten abweichenden Auffassung des Bundesforschungsministers von der Bundesregierung so getroffen werden wird.
Lassen Sie uns in diesem Sinn gemeinsam den Weg der Zukunftssicherung beschreiten, auf den wir im Falle der Antarktis ebensowenig wie beim künftigen Meeresbergbau verzichten können, auf den wir ebenfalls frühzeitig hingewiesen haben und über den in absehbarer Zeit im Deutschen Bundestag zu sprechen sein wird.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grunenberg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn heute der Deutsche Bundestag über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Antarktis-Vertrag vom 1. Dezember 1959 berät, so ist dies ein Schritt, über dessen Notwendigkeit wohl grundsätzlich kein Streit besteht. Wir Sozialdemokraten begrüßen jedenfalls die Bemühungen der Bundesregierung, Mitglied des Antarktis-Vertrages zu werden, als einen Schritt in die richtige Richtung. Wir identifizieren uns mit den Zielen des Antarktis-Vertrages, der ausschließlichen friedlichen Nutzung der Antarktis und der internationalen Zusammenarbeit auf der Basis von Forschungsfreiheit im Interesse der. Wissenschaft und des Fortschrittes der gesamten Menschheit. Wir'bekennen uns zu den Prinzipien des Vertrages, nämlich dem Verbot jeglicher militärischer Nutzung, dem Verbot jeglicher Nuklearexplosionen, dem Verbot jeglicher Ablagerung von radioaktivem Müll, der Forschungsfreiheit auf dem Land, in, auf und über dem Meer sowie auf
und unter dem Meeresboden südlich des 60. Grades südlicher Breite, zur Zugangs- und Bewegungsfreiheit, zur Inspektionsfreiheit, dem Konsultations- und Einmütigkeitsprinzip und den Regeln einer friedlichen Streitbeilegung.
Die wichtigsten Gründe für den Beitritt zum Antarktis-Vertrag sind von der Bundesregierung bereits in der Denkschrift zum Vertrag genannt worden. Die Erforschung der Antarktis. ist eine wichtige Aufgabe, zu der wir unseren Beitrag leisten müssen. Ebenso wichtig erscheinen uns aber die friedenspolitischen Maßnahmen des Vertrages, insbesondere Rüstungsbeschränkung und Beschränkung im Nuklearbereich. Diese Aufgaben stimmen direkt mit unseren friedenspolitischen Zielen überein.
Größte Aufmerksamkeit muß der Tatsache geschenkt werden, daß in dem Vertragsgebiet konkurrierende Industrieländer, Industrie- und Entwicklungsländer, Länder des Westens und des Ostens, rohstoffreiche und rohstoffarme Länder seit vielen Jahren friedlich neben- und miteinander arbeiten, ohne davon großes Aufheben zu machen. Die Bundesrepublik, deren fast einzige Rohstoffe Technologie, Know how und wissenschaftliches Potential sind, paßt zusammen mit der Friedenspolitik der Bundesregierung ideal in diese Vertragsgemeinschaft.
Der Beitritt zum Antarktis-Vertrag bewirkt für sich allein nicht mehr als die einfache Mitgliedschaft und öffnet noch nicht die Tür zum exklusiven Klub der Vollmitglieder, die im Rahmen ihrer Konsultationstreffen allein die Jurisdiktion über die, Antarktis ausüben. Ich begrüße es daher, daß der Bundesrat auf Grund eines Entschließungsantrages des Landes Bremen die Bundesregierung in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf aufgefordert hat, bereits jetzt neben dem. Beitrittsverfahren alle Anstrengungen zu unternehmen, um die im Vertrag genannten Voraussetzungen für eine Vollmitgliedschaft zu erfüllen, insbesondere die notwendigen Forschungseinrichtungen zu schaffen.
Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung klar zum Ausdruck gebracht, daß sie die notwendigen Schritte einleiten wird, um diesem Wunsch des Bundesrates zu entsprechen. Es ist auch nicht nur bei dieser Zusicherung geblieben, sondern es wird vielmehr intensiv an der Vorbereitung eines Forschungsprogramms und seiner Finanzierung gearbeitet. Wir wissen, daß die angestrebte Konsultativmitgliedschaft nur über eine intensive Beteiligung an der Forschungstätigkeit in der Antarktis erreicht werden kann. Die Fortsetzung unserer bisherigen wissenchaftlichen Leistungen, insbesondere auf dem Gebiet der Fischerei- und Krillforschung, wird allein nicht ausreichen. Es ist u. a. die Errichtung einer Forschungsstation in der Antarktis erforderlich. Außerdem kommt es jetzt darauf an, möglichst schnell die notwendigen wissenschaftlichen Forschungskapazitäten aufzubauen.
Es sei bemerkt, daß Gebietsansprüche mehrerer Vertragstaaten in der Antarktis mit Beginn der Geltung des Vertrages eingefroren wurden. Im Laufe der Zeit hat es sich ergeben, daß einige interessante Rohstoffvorkommen gefunden wurden, die jedoch
schon aus technischen Gründen vorerst und auf längere Sicht nicht auszubeuten sind. Aus der Entwicklung des neuen Meeresvölkerrechts ist uns aber inzwischen leidvoll bekannt, welche Konflikte sich aus der nationalstaatlichen Begehrlichkeit nach tatsächlich oder vermeintlich vorhandenen Rohstoffen z. B. in der Wirtschafts- und Fischereizone ergeben. Ich erinnere an das Desaster der EG-Fischereipolitik sowie an die Zwischenfälle in der Ostsee.
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Herr von Geldern, würde der Bundestag dem Antrag der CDU/CSU vom 18. Januar 1978 zum Beitritt der Bundesrepublik zum Antarktis-Vertrag auf Drucksache 8/1427 zustimmen, einem Antrag, in dem die rohstoffbezogene Forschung als Hauptgrund für den Beitritt genannt wurde, ginge es durch uns unter Umständen mit dem Frieden in der Antarktis zu Ende.
({1})
Es ist deshalb zu begrüßen, daß der Ausschuß für Forschung und Technologie dies eingesehen und am 12. April 1978 einstimmig - einstimmig, Herr Kollege von Geldern! - einen geänderten Antrag angenommen hat, in welchem die vielfältigen Forschungsinteressen der Bundesrepublik in den Vordergrund gestellt werden.
Es muß also ein Forschungsprogramm entwickelt werden, bei dem weniger die angewandte Forschung, insbesondere die rohstofforientierte Forschung, als vielmehr die Grundlagenforschung nach den Grundsätzen des Internationalen Geophysikalischen Jahres im Vordergrund steht. Daneben muß eine Forschungseinrichtung, die sich ausschließlich der Antarktis-Forschung . widmet, als notwendige wissenschaftliche Infrastruktur für derartige Aufgaben der Großforschung geschaffen werden.
Es wäre aus den genannten politischen Gründen unklug, die Antarktis-Forschung institutionell an Einrichtungen zu koppeln, die in sensiblen Bereichen angewandte Forschung betreiben oder betrieben haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Geldern?
Mit Rücksicht auf die Familie des Herrn Kollegen von Geldern möchte ich weiter fortfahren; sie wartet zu Hause.
({0})
Wir Sozialdemokraten werden der Bundesregierung unsere Unterstützung nicht versagen, wenn es darum geht, das Ziel zu erreichen, mit dem Bau einer festen Landstation möglichst schon im antarktischen Sommer 1979 zu beginnen. Wir sind weiterhin der Auffassung, daß der Bau eines eisbrechenden Schiffes für Logistik und Forschung baldmöglichst in Angriff genommen werden sollte. Hierzu bedarf es, um ein Beispiel zu nennen, spezieller Stähle. Das würde der Werftindustrie sowie den Zu8046
lieferern aus dem Binnenland helfen und wäre zugleich eine Demonstration spezieller Schiffbautechnologie, die der Wirtschaft einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen könnte. Entwicklungen auf diesem Gebiet liegen, gefördert vom Bundesminister für Forschung und Technologie, schon mehrere Jahre quasi baureif in der Schublade.
Sicherlich werden noch große technische Probleme auf uns zukommen, die es zu lösen gilt. Erkenntnisse über das Verhalten von Materialien und Instrumenten, die zur ,Forschung notwendig sind, werden uns beim Einsatz unter den extremen Bedingungen der Antarktis als „Abfallprodukte" für die Technologieentwicklung zugute kommen. Wir leben von der Technologieentwicklung.
({1})
Denn Technologie und Know-how sind, wie schon erwähnt, nahezu das einzige „Rohstoffpotential", mit dem wir unsere extreme Abhängigkeit vom Import natürlicher Rohstoffe ausgleichen können.
({2})
Abschließend noch ein Hinweis: Die Antarktis ist das letzte geschlossene fast unberührte Ökosystem unseres Planeten. Aus den jahrtausendealten Schnee- und Eisschichten - ähnlich den Jahresringen der Bäume - läßt sich der Zustand unseres Planeten -- insbesondere die durch die Menschheit verursachten Umweltschäden - ablesen. Antarktische Grundlagenforschung wird uns Erkenntnisse für unser Umweltverhalten verschaffen, die anderswo kaum noch erreichbar sind. Der Beitritt zum Antarktis-Vertrag und die Antarktis-Forschung sind somit zugleich auch ein hinsichtlich des Mittelaufwands enormer Beitrag zur Umweltforschung, der, weit in die Zukunft weisend, die Forderungen der Anhänger sogenannter grüner Listen - das möchte ich hier ganz deutlich sagen - geradezu verblassen läßt.
Wir Sozialdemokraten sagen der Bundesregierung für ihre Beitrittsbemühungen zum Antarktis-Vertrag und zur Erreichung des Konsultativstatus unsere volle Unterstützung zu.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antarktis Vertrag ist in unserer von Konflikten gepflegten Welt etwas Ungewöhnliches. Das Erstaunliche an diesem Vertrag ist, daß er schon 1959 von Staaten der verschiedensten Gesellschaftsordnungen abgeschlossen wurde, die erkannt haben, daß es im Interesse der ganzen Menschheit liegt, die Antarktis für alle Zeiten ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen und nicht zum Schauplatz oder Gegenstand internationaler Zwietracht werden zu lassen. In kluger Voraussicht sollte für ein weitgehend noch unerschlossenes Gebiet der Erde eine
friedliche Zusammenarbeit und eine gemeinsame Erforschung dauerhaft gesichert werden, ein Gebiet, das sich auf Grund seiner strategischen Lage und seiner ungeheuren Reichtümer an Bodenschätzen geradezu zu einem Streitpunkt ersten Ranges hätte entwickeln können.
Schon aus dieser einmaligen humanitären Zielsetzung dieses Vertrages ist der Beitritt der Bundesrepublik für meine Fraktion ein ganz wichtiges Anliegen. Die Grundzüge dieses Vertrages, nämlich das Verbot jeglicher militärischer Nutzung, das Verbot von Nuklearexplosionen, das Verbot von Ablagerungen radioaktiven Mülls, die Garantie von Forschungsfreiheit, die Garantie der Zugangs- und Bewegungsfreiheit, das Konsultations- und Einmütigkeitsprinzip sind unserer Ansicht nach genau die Prinzipien, die eigentlich nicht nur in einer entfernten Weltgegend, sondern auf der ganzen Erde herrschen sollten.
Die FDP-Fraktion begrüßt daher den Beitrittsantrag in erster Linie deshalb, weil er die Grundzüge der von uns mitgetragenen Außenpolitik 'deutlich unterstreicht. Es kann hier nämlich erneut bewiesen werden, daß die Bundesrepublik bereit ist, mitgestaltend weltweite Verantwortung zu übernehmen und, an einer friedlichen Kooperation unter Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen teilzunehmen.
In zweiter Linie müssen wir natürlich auch die Möglichkeiten erkennen, die sich für die deutsche Antarktisforschung, anknüpfend an eine über 100jährige Tradition seit der ersten Expedition des Schiffes „Grönland" unter Dallmann im Jahre 1873, insbesondere auf den Wissenschaftssektoren Geophysik, Geologie und Ozeanographie aus einem solchen Vertragsbeitritt ergeben.
Erst in dritter Linie möchte ich hier auch wirtschaftliche Erwägungen für einen Vertragsbeitritt nennen, nämlich die mögliche Mitnutzung lebender Ressourcen wie der hier von meinen Vorrednern schon mehrfach genannten Bestände an Krill und an Fischen und der antarktischen Rohstoffe, auf die die Bundesrepublik als hockindustrialisiertes Land in Zukunft mehr denn je angewiesen sein könnte.
Über den Vertragsbeitritt hinaus sollten wir jedoch auf alle Fälle noch einen Beitritt zum Kreis der sogenannten Konsultativstaaten anstreben, was auch von allen Parteien hier unterstützt wird, da nur er uns eine unmittelbare Mitwirkung an der Ausarbeitung von Beschlüssen zur Förderung der Vertragsziele und der Vertragsgrundsätze ermöglicht. Nach Art. 9 des Vertrages können nämlich nur die Konsultativstaaten auf turnusmäßigen Treffen Empfehlungen beschließen, wie die Implementierung des gesamten Vertragswerks vorgenommen werden soll. Hierzu wird die Bundesrepublik einem Verfahren unterworfen werden, das erstmalig im Jahre 1977 bei der Aufnahme Polens in die Konsultationsrunde angewendet wurde. Dabei wurde als zur Teilnahme an den Konsultationstreffen berechtigendes Merkmal der Nachweis einer substantiellen wissenschaftlichen Forschungstätigkeit verlangt. Dieses Merkmal wurde nicht näher definiert.
Schäfer ({0})
Es ist darunter jedoch offensichtlich mehr als nur die Ausrichtung von Expeditionen und der Bau eines eigenen Forschungsschiffes zu verstehen. Wir müssen uns auf den Betrieb einer eigenen Forschungseinrichtung auf dem antarktischen Festland einstellen. Das entsprechende Forschungsprogramm, Herr von Geldern, wird derzeit unter Federführung des Bundesministers für Forschung und Technologie bereits erarbeitet und schon sehr bald dem Kabinett vorgelegt, so daß ich meine, es nützt nichts, wenn Sie hier heute nachkarten und die Frage des späten oder nicht so frühen Beitritts erörtern. Vielmehr sollten Sie sich mit uns freuen, daß wir schon sehr bald sehr praktisch die Konsequenzen vor uns haben.
({1})
- Gut, aber wenn Sie sich etwas später nachhaltig freuen, ist das ja auch etwas Gutes.
Im übrigen möchte ich noch zu Ihrem Hinweis auf den Standort, den Sie vielleicht aus verständlichen Gründen in Bremerhaven sehen möchten, sagen, wir sollten doch bitte erst abwarten, wie denn nun dieses Forschungsprogramm aussieht, genauer gesagt, aus der Struktur dieses Programms dann Schlüsse auf den Standort ziehen. Ich meine, das wäre jetzt ein bißchen verfrüht.
Die Aufwendungen, die wir hier gemeinsam über den Haushaltsausschuß zu beschließen haben, werden wir wegen der Wichtigkeit dieses Vorhabens, obwohl die Kosten, die von Frau Staatsminister Hamm-Brücher vorhin aufgeführt wurden, nicht gerade unbedeutend sind, mit Sicherheit, so hoffe ich, hier beschließen können. Aus den Äußerungen der CDU/CSU ist erkennbar, daß man sicherlich bereit ist, sich hier zu beteiligen.
Gestatten Sie mir noch einen anderen Gedanken zum Schluß. Es erscheint uns in der FDP wichtig, daß dieser Antarktis-Vertrag, aber insbesondere die hier schon als exklusiver Klub bezeichnete Konsultativrunde, nicht dazu führt, daß auf Dauer Länder der Dritten Welt ausgeschlossen bleiben, die sich nicht am kostenspieligen Forschungsaufwand beteiligen können, der ja als Voraussetzung zum Eintritt in diese Konsultativrunde erforderlich ist. Hier, meine ich, wäre es eine Aufgabe der Bundesrepublik, im Rahmen ihrer auch die Dritte Welt besonders berührenden Außenpolitik künftig dafür zu sorgen, daß sich hier nicht der Nord-Süd-Konflikt dergestalt niederschlägt, daß wiederum nur die bevorzugten Nationen dieser Konsultativrunde angehören.
Für meine Fraktion darf ich den Vertrag nachhaltig unterstützen und ankündigen, daß wir uns auch den Bemühungen und den Vorstellungen des Bundesrates anschließen, der Konsultativrunde beizutreten.
Herr Abgeordneter, wollen Sie noch ein Frage beantworten?
Ich bin gern dazu bereit.
Herr Kollege, ich möchte Sie gern fragen, wie Sie es miteinander vereinbaren, daß Sie eben davon gesprochen haben, wir könnten nicht den zweiten vor dem ersten Schritt tun, jetzt aber schon, bevor der Beitritt vollzogen ist, von uns eine Änderung der Struktur dieses Antarktis-Paktes erwarten.
Das habe ich nicht getan. Ich habe lediglich einen Gedanken aufgegriffen, der von meinen Vorrednern noch nicht vorgetragen wurde, nämlich den Gedanken, daß es im Rahmen unserer Außenpolitik auf die Dauer wichtig sein wird, dafür zu sorgen, daß die Konsultativrunde kein exklusiver Klub bleibt.
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Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Der Ältestenrat empfiehlt, die Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß federführend - und an die Ausschüsse für Wirtschaft und für Forschung und Technologie - mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist so beschlossen.
Ich rufe nun den Punkt 35 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0})
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. van Aerssen, Dr. Narjes, Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch, Sick und der Fraktion der CDU/CSU
zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP GATT-Verhandlungen
Drucksachen 8/1547, 8/1699, 8/1917 Berichterstatter: Abgeordneter Angermeyer
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Narjes.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht war es ein Zufall, aber immerhin ist es von symbolischer Bedeutung, daß dieses Haus seine Tagesordnung vor den Sommerferien mit einem Thema beschließt, das zugleich auch ein Thema der beiden bevorstehenden Gipfelkonferenzen in Bremen und in Bonn sein wird. Wenn es kein Zufall war, so lassen Sie mich eingangs der so oft gescholtenen Brigade der Parlamentarischen Geschäftsführer für ihren wirtschaftspolitischen Weitblick danken, den sie durch dieses Arrangement erneut unter Beweis gestellt haben.
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Die Bundesrepublik muß etwa 30 % ihres Bruttosozialprodukts jenseits der deutschen Grenzen verkaufen oder als Dienstleistung anbieten. Sie ist damit existentiell davon abhängig, daß ihr alle Weltmärkte ohne jegliche Diskriminierung offenstehen und daß ihre Unternehmen überall die Chance haben, im Leistungswettbewerb zu bestehen. Die Möglichkeiten des ungehinderten Zugangs zu allen Weltmärkten sind indessen im Laufe der letzten Jahre in vielen Staaten eingeschränkt worden. Die Gründe sind von Land zu Land verschieden und - vordergründig - zum Teil sehr kompliziert. In der Sache geht es bei diesen Wellen des Protektionismus immer nur darum, so oder so den Importwettbewerb zu behindern, wenn nicht ganz auszuschalten. Der Kampf gegen diese protektionistischen Tendenzen ist für die Bundesrepublik eine Angelegenheit von vitalem wirtschaftlichen und politischen Interesse.
Der Eckpfeiler unserer Ansprüche auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Märkten ist der Art. 1 des GATT, die in ihm enthaltene multilaterale Verpflichtung zur allgemeinen und unbedingten Meistbegünstigung. Der Wert dieser Verpflichtung indessen ist in dem Maß ausgehöhlt worden, in dem der Protektionismus gewachsen ist. Neben den vielfach erörterten GATT-widrigen Regelungen über nichttarifäre oder technische Handelshindernisse, Zugangsbeschränkungen, OrderlyMarketing-Vereinbarungen und Selbstbeschränkungsabkommen gibt es zahlreiche weitere Krankheitssymptome, aus denen ich besonders die protektionistischen Konsequenzen der verbreiteten Tendenz zur Politisierung der Wirtschaft, des Übergangs zu Systemen der sogenannten Mixed Economy herausgreifen möchte. Mit der Entwicklung dieser Instrumente bekommen die Staaten zunehmend Möglichkeiten der direkten oder indirekten Einwirkung auf die Unternehmensentscheidungen bei vergesellschafteten Branchen und damit auch auf ihre Einkaufs- und Importpraxis.
Diese neue Art der staatlichen Einflußnahme auf Unternehmensentscheidungen vollzieht sich nicht mehr durch allgemeine, transparente Normen für alle Wettbewerber, sondern auf nach außen unerkennbaren Entscheidungskanälen. Der ausländische Konkurrent, also auch der deutsche Exporteur, kann diese Wettbewerbsverzerrungen nicht mehr beweisen. Er kann allenfalls vermuten, daß Veränderungen im Beschaffungswesen auf Weisungen von oben zurückgehen. Einige Staaten erlauben es sich sogar, in dieser Lage feierliche Verpflichtungen einzugehen, den Protektionismus nicht zu verschärfen, und fahren gleichwohl fort, in ihren vergesellschafteten oder Einflußsektoren in der handelspolitischen Sünde zu leben. Es besteht für uns auch kein Zweifel, daß diese Einwirkungen gerade in der zurückliegenden Phase der tiefen Rezession in ganz besonderem Maß verfeinert und perfektioniert worden sind.
Zunehmender staatlicher Einfluß auf die Wirtschaft bedeutet eine Politisierung auch der Außenhandelsbeziehungen auch auf der Absatzseite. Die Politisierung führt ihrerseits zur Ausschaltung des Markts und des Leistungswettbewerbs, also zu einer Rückkehr in eine neue Art von Bilateralismus, in einen Zustand, den wir schon vor 30, 40 Jahren überwunden zu haben glaubten.
Eine vergleichbare Entwicklung beobachten wir auch für solche Bereiche, in denen sich die Staaten als Förderer technologischer Entwicklungen engagiert haben. Auch hier greifen sie zunehmend selbst in die Absatzbemühungen für die geforderten Produkte ein, namentlich im Bereich der Spitzentechnologien. Der Handel mit Flugzeugen, Computern, Off-Shore-Technik, Reaktoren oder kommerziellen Satelliten ist schon so politisiert, wie es früher nur der Waffenhandel war.
Diese Punkte erwähne ich aus zwei Gründen. Zum einen bin ich überzeugt, daß einer der Gründe dafür, daß das Wachstum des Welthandelsvolumens in den letzten Jahren nahezu regelmäßig zu hoch prognostiziert worden ist, darin liegt, daß die Wirkungen dieser Politisierung des Außenhandels regelmäßig unterschätzt worden sind. Zum anderen müssen wir erkennen, daß es keine zureichenden Sanktionen gegen diese Fehlentwicklungen gibt. Der Zynismus nimmt eher zu. Wir dürfen hier aber nicht schweigend hinnehmen und zulassen, daß dieselben Regierungschefs, die feierlich einen Trade Pledge unterschreiben lassen und sich mit Lippenbekenntnissen zum arbeitsteiligen Welthandel hervortun, in ihren Heimatländern gleichzeitig heftige politische Kampagnen starten, nur das jeweilige Landesprodukt zu kaufen. Ich denke - um einen Fall aus der Europäischen Gemeinschaft herauszugreifen - an die zahlreichen Appelle des englischen Premierministers Callaghan, das Gebot des „Buy British" zu achten.
All dies sind Gründe, dem GATT wesentlich mehr politische Aufmerksamkeit zu widmen und seine Handhabung nicht länger der eher technokratischen Routine der hocherfahrenen, aber auch zu oft im Umgang mit der Politik enttäuschten Spitzenbeamten zu überlassen. Wir müssen das GATT politisch kräftigen. Dazu ist eine Besinnung auf seinen Ursprung nötig und die Erinnerung, daß das GATT nur einige Minimalregeln für den Warenverkehr enthält, die vor 30 Jahren aus der vom amerikanischen Kongreß damals abgelehnten Havanna-Charta übernommen werden konnten. Das GATT ist also eine Notgeburt und kein Ergebnis eines umfassenden Bemühens zur verantwortlichen Gestaltung der liberalen Weltwirtschaft. Zu diesen seinen Geburtsfehlern kommen die Schwierigkeiten hinzu, die sich aus der Gründung und der Politik der UNCTAD ergeben haben, nicht zuletzt aus den vielen emotionalen Debatten über eine bessere Regelung des Nord-Süd-Verhältnisses. Die Tatsache, daß diese Diskussionen regelmäßig an GATT vorbei geführt worden sind, hat dazu beigetragen, daß ihre Resultate so umstritten und so wenig durchführbar sind, aber dennoch - zu Unrecht - der liberalen Weltwirtschaft angelastet werden.
Im Idealfall wäre eine konzertierte Bemühung um eine Neuformulierung und Erweiterung des GATT
etwa um solche Themen fällig, die in der HavannaCharta schon angesprochen waren, aber später auf der Strecke blieben. Ein solcher Weg ist heute wenig realistisch, jedenfalls sehr zeitraubend. Infolgedessen sollte man sich überlegen, ob sich die führenden Mitglieder des GATT nicht dazu entschließen können, das GATT mehr noch als bisher faktisch mit allen Grundsatzfragen der Weltwirtschaft zu befassen und seine Tagesordnungen über Zölle und nicht tarifäre Hindernisse hinaus regelmäßig anzureichern. Die Erklärungen zum bevorstehenden Abschluß der Tokio-Runde bieten dazu eine gute Gelegenheit.
Von dieser Grundlage aus haben wir im Antrag der CDU/CSU, der zu dieser Debatte Anlaß gegeben hat, als ein besonders regelungsbedürftiges Problem das des verstärkten Schutzes für Privatinvestitionen herausgegriffen. Eine befriedigende Regelung dieses notleidenden Bereichs ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß die Weltwirtschaftsordnung ihre entwicklungspolitischen Aufgaben befriedigend löst. Ohne einen gesicherten Rechtsschutz für Eigentum, für den Transfer von Erträgen und für die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals kann es keinen breitangelegten Transfer von modernen Technologien und industriellen Fertigungstechniken geben. Die Bekräftigung der Rechtssicherheit ist um so mehr geboten, als unüberlegte Forderungen aus der UNCTAD und der UNIDO erhebliche Zweifel haben aufkommen lassen. Eine Korrektur dieser Position bleibt überfällig.
Der vorliegende Antrag, dem wir zustimmen, hat dieses wichtige Thema nur etwas vorsichtig übernommen. Wir unterstreichen deshalb noch einmal hier seine Dringlichkeit und fordern die Bundesregierung auf, ihm ein noch größeres politisches Gewicht zu geben.
Das Bemühen um eine Revitalisierung des GATT soll aber auch dazu dienen, das Bewußtsein für die Voraussetzungen eines ständig wachsenden Welthandelsvolumens als einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft des Friedens vor allem bei den Kräften wieder zu stärken, die sich gegen ihr wohlverstandenes langfristiges Eigeninteresse derzeit dem Protektionismus verschrieben haben. Ich denke dabei einmal an die neuerdings protektionistischen großen amerikanischen Gewerkschaften und zum anderen an die Industrien einiger europäischer Länder, die es sich in Jahrzehnten angewöhnt haben, unter einer speziellen Patronage ihrer Staaten in wettbewerbsfreien Scheinparadiesen zu leben, also in falschen Strukturen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich diese wenigen Bemerkungen zu unserer notleidenden Weltwirtschaftsordnung mit der Bitte an alle Gipfelteilnehmer in Bremen wie in Bonn abschließen, den Kampf gegen den Protektionismus noch ernsthafter zu führen und die Entwicklung der Welthandelsordnung noch verantwortungsbewußter zu betreiben als in der Vergangenheit. Wir brauchen mehr als Kommuniqués, denen niemand mehr glaubt; wir brauchen vertrauensbildende, also überzeugende Maßnahmen der Rückkehr in eine
diskriminierungsfreie und von den Kräften des Leistungswettbewerbs und vom Vertrauensbewußtsein für die Dritte Welt getragene Weltwirtschaftsordnung. Nicht ihr liberales Konzept hat bisher versagt, sondern die großen politischen Mächte, in deren Verantwortung es liegt, ihre Funktionsfähigkeit zu erhalten.
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- Wer dieses Fundament verkennt, Herr Kollege Wehner, oder gar zu einem weltwirtschaftlichen Dirigismus auflösen möchte,
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schadet am meisten den Staaten der Dritten Welt, die nach einer Zukunft in eigener Verantwortung streben und denen wir konkrete Hoffnung und Hilfe schulden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die weltwirtschaftspolitische Bedeutung dessen, was da in Genf jetzt bei den Verhandlungen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ansteht, kann überhaupt nicht überschätzt werden. Ich kann nur hoffen, daß sich der Deutsche Bundestag zu gegebener Zeit eingehender mit den Ergebnissen dieser Verhandlungen auseinandersetzen wird. Eine ganze Reihe wichtiger Positionen steht noch offen. Zu verschiedenen Problemen wünscht die Bundesregierung andere, bessere Ergebnisse, besser im Sinne einer wirksameren Bekämpfung des Protektionismus.
Ich nenne nur stichwortartig einige dieser Positionen. Wir hätten gerne einen stärkeren Zollabbau als den, der sich abzeichnet. Wir brauchen präzise Regelungen zu den Schutzklauseln. Erforderlich sind genaue Beweislastregelungen, was die Einführung von Ausgleichszöllen anlangt. Wir möchten auch sichergestellt haben, daß die Erstattung indirekter Steuern bei der Ausfuhr nicht als Subvention gewertet wird.
Auf alle diese Positionen geht der vorliegende Entschließungsantrag ein. Er liegt voll auf der Linie der Verhandlungsziele der Bundesregierung. Er ist dazu gedacht, die Verhandlungsposition der Bundesregierung zu stärken. Wir haben in diesen Tagen gehört, daß die Differenzen über einige der am meisten umstrittenen Positionen noch vor dem Gipfel ausgetragen werden sollen. Insoweit ist unser Entschließungsantrag auch an den Weltwirtschaftsgipfel adressiert. Er kommt gerade noch zur richtigen Zeit. Die SPD-Fraktion stimmt ihm zu.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Angermeyer.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Ausschuß für Wirtschaft dem Bundestag empfohlen hat, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu den GATT-Verhandlungen für erledigt zu erklären und den Antrag der Koalitionsfraktionen mit einigen geringfügigen Änderungen anzunehmen, dann könnte man daraus den Eindruck gewinnen, es gäbe hier eine Kontroverse. Aber das ist tatsächlich - wenn man sich den Inhalt anguckt - nur von untergeordneter Bedeutung. Mit Genugtuung können wir feststellen, daß sich die sachliche Zielsetzung der beiden Anträge im wesentlichen deckt. Das gilt sowohl für den Bereich der Auslandsinvestitionen als auch für die spezifisch handelspolitischen Aussagen.
Nach Ansicht der Mehrheit im Ausschuß war es nicht ratsam, in das GATT zusätzliche Regelungen über den Schutz privater Investitionen aufzunehmen. Wir sind uns aber alle darüber im klaren und, was sicherlich noch wichtiger ist, auch einig, daß deutliche internationale Bestimmungen über Maßnahmen für den Rechtsschutz privater Investitionen in Entwicklungsländern vorhanden sein müssen. Sofern sie nicht vorhanden sind, müssen sie zum Nutzen aller beteiligten Seiten geschaffen werden.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik bereits zirka 40 gegenseitige Investitionsschutzverträge hat. Das ist bei etwa 90 GATT-Teilnehmern schon eine deutlich sichtbare Zahl. Aber wir sollten uns bemühen, dies noch zu verbessern. Wir sollten darauf achten, in welcher Form auf internationaler Ebene gemeinsam mit anderen Handelsnationen daran gearbeitet werden kann, wie der Investitionsschutz zu verbessern ist.
In dem zeitlichen Zusammenhang, in dem wir heute den vorliegenden Entschließungsantrag und den erstellten Bericht diskutieren, ist die Mitte des kommenden Monats ein wichtiges Datum; dann nämlich tritt der Weltwirtschaftsgipfel zusammen. Ich hoffe, daß dabei die von uns gesetzten und genannten Kriterien eine beachtliche Rolle spielen. Letztlich ist das GATT auch eines der Abkommen, die die Weltwirtschaft wesentlich mittragen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch im Hinblick auf das vor uns liegende internationale Forum noch einmal darauf hinweisen, daß gerade durch einen positiven Abschluß der GATT-Runde die Möglichkeit geschaffen werden kann, ein sichtbares Signal gegen die zunehmenden protektionistischen Tendenzen zu setzen. Protektionismus, egal ob auf nationaler oder multinationaler Basis, ist ein Rückfall in Zeiten, in denen der freie Welthandel noch eine Illusion war. Diesen Rückfall können und sollten wir uns heute nicht mehr leisten.
Durch eine Überwindung protektionistischer Tendenzen kann die Bundesrepublik einen Beitrag zur Wiedergewinnung des Marktvertrauens durch Verbesserung der Rahmenbedingungen des Welthandels leisten. Gleichzeitig schafft sie dadurch die Möglichkeit, die Förderung der Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft durch sachgerechte Sonderlösungen zu ihren Gunsten aktiv zu unterstützen.
Die Bundestagsfraktion der FDP begrüßt die Anregung des Ausschusses für Wirtschaft in seinem Bericht und die Beschlußempfehlung zu den vorliegenden Entschließungsanträgen der Fraktionen, die Bundesregierung aufzufordern, nach einem Jahr über ihre entsprechenden Bemühungen zu berichten.
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Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Unter Punkt 1 wird empfohlen, den Antrag auf Drucksache 8/1699 mit den dort erwähnten Änderungen anzunehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Nach Punkt 2 der Empfehlung soll der Antrag auf Drucksache 8/1547 als erledigt erklärt werden.
- Ich höre keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.
Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung und am Ende der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Ich wünsche allen Mitgliedern des Hauses eine recht erholsame und frohe Ferienzeit.
Das Haus wird wieder einberufen auf Mittwoch, den 20. September, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.