Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Nach der Übung des Hohen Hauses und einem alten Brauch entsprechend wird das Parlament von dem ältesten Abgeordneten des Deutschen Bundestages eröffnet. Ich bin am 4. Februar 1897 geboren und richte an Sie die Frage, ob ein älteres Mitglied in diesem Hause anwesend ist. - Das ist offenbar nicht der Fall.
Dann eröffne ich die erste Sitzung des Deutschen Bundestages der 8. Wahlperiode.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen bekanntzugeben, daß aufgrund einer interfraktionellen Vereinbarung die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der zuletzt geltenden Fassung und mit den sie ergänzenden Beschlüssen und Vereinbarungen, die Geschäftsordnung für das Verfahren nach Art. 115 d des Grundgesetzes, die Geschäftsordnungen für die Ausschüsse nach Art. 53 a und Art. 77 des Grundgesetzes und der Beschluß betreffend Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages vom 16. März 1973 für die 8. Wahlperiode übernommen werden sollen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen mir 14 Abgeordnete als vorläufige Schriftführer zur Seite stehen. Ich bitte daher die Abgeordneten Herrn Batz, Frau Benedix, die Herren Berger, Collet, Fiebig, Dr. Hammans, Hoffie, Josten, Marquardt, Müller ({0}), Niegel und Pensky, Frau Schleicher und Herrn Würtz, dieses Amt zu übernehmen. Ich darf die Abgeordneten Marquardt und Berger bitten, neben mir Platz zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, Sie als das an Lebensjahren älteste Mitglied, aber auch als einer aus der kleinen Schar der „dienstältesten" Parlamentarier, die vom Tage der Konstituierung des Deutschen Bundestages bis heute ununterbrochen diesem Hause angehört haben, begrüßen zu können. Es sind, wie ich festgestellt habe außer mir noch acht unmittelbare Kronzeugen der Entwicklung unseres Parlaments und des Geschehens hier im Bundestag seit dem ersten Zusammentreffen im Herbst 1949 anwesend.
Ich freue mich, neben vielen bekannten Kollegen aus den zurückliegenden Wahlperioden auch noch viele neue und meist jüngere Abgeordnete willkommen heißen zu dürfen. Einige von ihnen sind kaum älter als dieses Parlament, d. h. als dieser unser Staat. Mir scheint es deshalb für unsere Zusammenarbeit und unser gegenseitiges Verständnis nützlich zu sein und fruchtbarer Erkenntnis zu dienen, wenn wir uns dieses Sachverhalts bewußt bleiben.
Was das Ansehen und die Würde des Bundestages anbelangt, sollte dieser mit Selbstverständlichkeit und Selbstbewußtsein keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß ihm der erste Rang im Staate gebührt. Er ist das Organ, das, vom Volke erkoren, den in freier Wahl ermittelten Volkswillen zu vertreten, ihn aber auch überzeugend zu demonstrieren hat. Alle Mitglieder des Hauses haben die Pflicht, sich in ihrer Haltung und Gesinnung dieses hohen Anspruchs würdig zu erweisen. Bedenken Sie, daß sich vor jetzt nahezu 30 Jahren alle Fraktionen des Deutschen Bundestages selbst im Widerstreit der Parteien vor die gemeinsame Aufgabe gestellt sahen, aus der geschichtlichen Tragödie unseres Volkes die Lehre zu ziehen, daß es einer neuen und geläuterten Wirtschafts- und Sozialordnung bedarf, um nicht nur in materieller, sondern auch in geistig-sittlicher Beziehung unsere gültige Demokratie in uns selbst lebendig sein zu lassen und dazu auch noch nach außen vor der Welt glaubhaft zu machen.
Desgleichen will es mir wenig sinnvoll erscheinen, sich an diesem Ort vor den Bürgern über Verdienste und Versagen zu zerstreiten; denn über Wert oder Unwert der von uns geleisteten Arbeit entscheidet zuletzt das Volk. Wenn wir uns auch nach dem totalen Zusammenbruch in heftigen Debatten um den besten Weg der deutschen Politik mit großem Ernst auseinandersetzten, so sollten wir älteren Abgeordneten uns so wenig vollbrachter Taten rühmen, wie es jüngeren Kollegen schlecht anstünde, sich so zu gebärden, als ob künftig sie allein, unbeschwert von deutscher Vergangenheit, eine neue deutsche Welt zu errichten berufen wären.
Wir rangen in diesem Hause um eine reifere politische und freiheitliche Wirtschafts- und Sozialordnung, und unsere Arbeit daran wird gewiß nicht aufhören. Aber wir wissen zugleich, daß die Ordnung,
Alterspräsident Dr. Erhard
die wir uns, auf dem Grundgesetz aufbauend, gegeben haben, ein fest gefügtes Fundament unseres Staatswesens ist.
Alle, die Verantwortung tragen, sollten sich allerdings immer bewußt sein, daß nicht so sehr fragwürdige Prognosen, sondern vielmehr die Wahrheit und Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen die Gemütslage und das Tun eines Volkes beeinflussen. Zuviel Staat, zuviel Skepsis kann zur Sepsis werden und lähmt uns, auch wenn sie in der Kutte eines grauen Realismus oder eines überzeugungsängstlichen Pragmatismus auftritt.
Immer häufiger wird heute von Stabilität gesprochen. Ich befürchte wohl nicht zu Unrecht, daß dieses Thema noch lange auf der Tagesordnung bleiben wird, mindestens so lange, bis wir diesen Begriff nicht immer nur im Hinblick auf den Zustand unserer Wirtschaft und Währung gelten lassen, die moralische Stabilität aber als Mittel einer übergeordneten allgemeinen Verständigung gering achten.
Selbstverständlich liegt es nahe, zuvörderst an unsere inneren Angelegenheiten zu denken wie beispielsweise an den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, der nicht gewonnen werden kann, wenn er nicht zugleich als Kampf gegen die Inflation geführt wird. Im übrigen wissen wir sehr wohl, daß uns jeder Fortschritt auch vor immer neue Probleme stellt und neue Sorgen gebiert.
Gleich aber, ob es sich um Ausgaben oder Einnahmen des Staates handelt, ist und bleibt es besonders wichtig, daß alle Überlegungen über Herkunft und Verwendung der Mittel außer von der unmittelbaren Zwecksetzung nicht zuletzt auch von wirtschaftlicher Vernunft getragen sein müssen.
Das deutsche Volk hat in den zurückliegenden Jahren mannigfache Überlegungen hinsichtlich der Beziehungen zwischen finanzieller und wirtschaftlicher Ordnung anzustellen Gelegenheit gehabt. Das hat zugleich bewirkt, daß sich seine Vernunft und sein Urteilsvermögen immer mehr gefestigt haben. Jeder Versuch, im Zeichen vermeintlicher Wohlfahrt aus wohltätiger Gesinnung mehr Geld auszugeben, als dem Fiskus aus ordnungsgemäßen und vertretbaren Einnahmen zufließt, verstößt gegen gute und bewährte Grundsätze. Der sozialen Fürsorge ist in letzter Konsequenz auch nicht damit gedient, durch immer höhere Steuerbelastungen die Produktivität und die menschliche Arbeitsergiebigkeit zu schmälern oder auch durch fragwürdiges Finanzgebaren die Volkswirtschaft immer stärker zu verschulden, damit aber auch eine verstärkte Inflation anzufachen. Auch diese Schulden müssen einmal zurückgezahlt werden. Aber wiederum werden dann die Bürger begangene Fehler zu büßen haben und die Leidtragenden sein müssen.
An dieser Stelle muß denn auch betont werden, daß auf eine straffe Kredit- und Währungspolitik zum Schutze der Kaufkraft unserer Währung nicht verzichtet werden kann.
Nicht zuletzt sollten wir uns auch bewußt sein, daß unsere Verantwortung grundsätzlich nicht an den Grenzen unseres Landes endet. Ebenso unbestreitbar ist es, daß zu menschenwürdigen Lebensbedingungen und Lebensformen in aller Welt zu gelangen, letzten Endes die Leistungskraft der jeweiligen Volkswirtschaften und das Interesse jedes einzelnen, seine Leistung und Fähigkeiten gerecht entlohnt zu wissen, den Ausschlag geben.
Aber nicht nur die sich noch in der Entwicklung befindenden Länder haben sich mit diesem vielschichtigen Problem auseinanderzusetzen. Gestehen wir es doch, daß selbst im Bereich der hochentwickelten Industriestaaten ein gut Teil der zur Bezeugung von Solidarität unverzichtbaren Ordung zunehmend abzubröckeln beginnt! Wir leiden auch in Europa unter dem Verfall einer funktionsfähigen internationalen Währungsordnung, der permanent falsche Wechselkurse im Gefolge hat, die uns eines brauchbaren Maßstabes zum Wertvergleich von Waren und Dienstleistungen berauben und die künftige Entwicklung des Welthandels fast zu einer Farce werden lassen. Es muß doch noch Sinn und Zweck einer Gemeinschaft sein, tendenziell wertgleiche Leistungen zu vollbringen. Welches Land diesen Grundsatz nicht anzuerkennen bereit ist oder aus anderen Gründen in bedenklichen Rückstand gerät, sollte nicht automatisch auf fremde Hilfe vertrauen dürfen, sondern müßte vor allem die im eigenen Lande vorhandenen Mängel zu beseitigen suchen. Ich wage sogar die Behauptung, daß, je mehr Unterstützungs- oder Ausgleichsfonds institutionalisiert werden, desto sicherer das schon angeschlagene Ordnungsbewußtsein gar völlig im Chaos wird enden müssen.
Ich sagte jüngst einem unserer Kollegen, daß wir, auch wenn wir uns, international gesehen, sicherlich in einer vergleichsweise noch günstigeren Lage befinden, uns aber doch nicht als Tugendbolde zuviel Selbstlob spenden sollten. Einsicht und Erfahrung lehren uns nämlich, daß diese Art von Tugend wesentlich und im Besonderen oft nur auf der Differenz der Sünden beruht. Das heißt wiederum, daß eine uns und noch anderen zugemutete einseitige Opferbereitschaft mit echter, recht verstandener Solidarität nur noch wenig gemein hat und auf längere Sicht auch moralisch nicht vertretbar ist.
Wir Deutschen leben mit allen anderen europäischen Völkern gewiß nicht auf einer isolierten Insel, sondern stehen gemeinsam einer Welt gegenüber, insbesondere den sogenannten Entwicklungsländern, deren Leistungsrückstand, an europäischen Normen gemessen, nicht geringer, sondern womöglich noch größer werden könnte. Deren Drängen und Ungeduld sind wohl verständlich. Aber Ihre Reaktionen - wenn im einzelnen auch differenziert - tragen vielfach rein emotionalen Charakter oder beruhen auf nur von außen hereingetragener ideologischer Verblendung.
Ist es nicht widersinnig und widersprüchlich zugleich, wenn sich das politische Ressentiment mancher dieser Länder gerade gegen jene Staaten richtet, die wie die USA nie Kolonialmächte waren oder wie die Bundesrepublik Deutschland seit 60 Jahren diesen Status aufgegeben haben, aber die ihr Gewissen den Entwicklungsländern vor allen anderen zu helfen hieß? Ohne dafür Dank ernten zu wollen und ohne eine Überlegenheit auszuspielen, müßte
Alterspräsident Dr. Erhard
selbst ein urwüchsiger Naturverstand begreifen, daß eine Überbeanspruchung der modernen Volkswirtschaften diese an Produktivität einbüßen und sie trotz besten Willens immer unfähiger werden ließe, den in Armut verharrenden Völkern beizustehen. Gerade diese letzteren sollten einsehen, daß auch ihr Schicksal von dem Fortschritt der reicheren Länder abhängt.
Mehr brauchte an diesem Ort über das hier erwähnte Thema nicht gesagt zu werden, es sei denn, daß auch auf dieser Ebene der edle und humane Gedanke der Solidarität durch kollektiven Zwang in das Gegenteil verkehrt wird und einer echten, dauernden Völkerverständigung entgegensteht.
Ich wünsche dem neuen Bundestag, daß er auch andere Aufgaben nicht vernachlässigt oder vergißt. Das Grundgesetz und unser Gewissen legen uns eine Verantwortung für das ganze Deutschland und für das Zusammenleben aller Deutschen auf. Man mag stehen, wo man will, niemand kann uns vor der Geschichte aus dieser Verantwortung entlassen, es sei denn das deutsche Volk selbst.
Der neue Bundestag beginnt seine Arbeit in einer Zeit großer Besorgnisse und schmaler Hoffnungen. Ich wünsche ihm endlich, daß er - bedenklichen Entwicklungen in befreundeten Ländern zum Trotz, zum Trotz auch den Schwächen der Weltwirtschaft, zum Trotz aber vor allem auch gegenüber Drohungen und Lockungen solcher Mächte, die unserer freien Verfassung Feinde sind - dennoch seinen Beitrag zum inneren und äußeren Frieden erbringen kann, zum Wohle unserer Bürger und zur Sicherung der Freiheit, die unser Leben ausmacht.
({1})
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Namensaufruf der Abgeordneten.
Ich empfehle, zur Vereinfachung des Geschäftsgangs diesen Punkt mit Punkt 3 der Tagesordnung zu verbinden:
Wahl des Präsidenten.
- Das Haus ist, wie ich sehe, damit einverstanden. Ich höre keinen Widerspruch.
Die Wahl des Präsidenten, meine Damen und Herren, ist in § 2 unserer Geschäftsordnung geregelt. Dort wird bestimmt, daß die Wahl des Präsidenten mit verdeckten Stimmzetteln durchzuführen ist und daß gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Das sind derzeit mindestens 260 Stimmen. Ergänzend sieht § 54 a der Geschäftsordnung vor, daß in diesem Falle die Wahl geheim stattfindet und daß die Stimmzettel erst vor Betreten der Wahlzelle ausgehändigt werden. Die auf beiden Seiten aufgestellten Wahlzellen sind bei der Stimmabgabe zu benutzen. Die gekennzeichneten Stimmzettel sind in einem Wahlumschlag in die dafür vorgesehene Wahlurne zu legen.
Ich weise darauf hin, daß ein Abgeordneter zurückgewiesen werden muß, wenn er seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle kennzeichnet oder
ihn außerhalb der Wahlzelle in den Wahlumschlag eingelegt hat.
Die Berliner Abgeordneten sind für diese Wahl voll stimmberechtigt. Im Saal ist daher nur eine Urne aufgestellt.
Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt um Vorschläge zur Wahl des Präsidenten. - Herr Abgeordneter Kohl!
Herr Präsident, namens der Fraktion der CDU/CSU schlage ich zur Wahl zum Präsidenten des Deutschen Bundestages den Abgeordneten Professor Karl Carstens vor.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Helmut Kohl gehört. Ich frage, ob weitere Vorschläge gemacht werden. - Das ist offenkundig nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, Sie erhalten die Stimmkarten an den zu meiner Rechten und meiner Linken vor den Wahlkabinen stehenden Tischen. Im Interesse einer gleichmäßigen Inanspruchnahme der Wahlzellen bitte ich die Mitglieder des Hauses, sich zu den ihnen am nächsten gelegenen Wahlzellen zu begeben.
Ich darf Sie bitten, bei Aufruf Ihres Namens in die Wahlzellen zu gehen und dort, falls Sie den vorgeschlagenen Kandidaten wählen wollen, den mit Ja gekennzeichneten Kreis, anderenfalls den mit Nein gekennzeichneten Kreis anzukreuzen und die Stimmkarte in den Wahlumschlag zu legen. Wer sich der Stimme enthalten will, kann dies dadurch zum Ausdruck bringen, daß er seine Karte unverändert abgibt.
Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Kennzeichnung der Stimmkarten und das Einlegen in den Wahlumschlag nicht außerhalb der Wahlzelle erfolgen dürfen und daß dies zur Zurückweisung des Abgeordneten führen muß. Allerdings verliert dieser dann nicht das Recht zur Ausübung der Wahl, sondern er muß darauf noch einmal unter Beachtung des soeben erwähnten Vorgangs seinen Gang zur Wahlurne antreten. Dagegen macht die Verwendung anderer als der amtlichen Stimmkarten die Stimme unweigerlich ungültig.
Das gleiche gilt, wenn eine Stimmkarte den Namen eines nicht vorgeschlagenen Kandidaten oder irgend einen Zusatz enthält. Von der Wahlzelle begeben Sie sich dann bitte zur Wahlurne und werfen dort nach Nennung Ihres Namens Ihre Stimmkarte ein.
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Kennzeichnung Ihres Namens in der Namensliste durch den neben der Urne sitzenden Schriftführer als Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl gilt und die Eintragung in die Anwesenheitsliste ersetzt.
Die Schriftführer zu meiner Rechten und zu meiner Linken werden nunmehr die Namen aller Abgeord4
Alterspräsident Dr. Erhard
neten nach dem Alphabet aufrufen. Ich bitte Sie, den Namensaufruf anhand der Ihnen vorliegenden Mitgliederliste zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme Ihrer Stimmkarte nach vorn zu begeben. Ich selbst werde als letzter abstimmen.
Nunmehr bitte ich die Schriftführer, die den Dienst an der Wahlurne und an den Wahlzellen übernommen haben, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Plätze besetzt? - Das ist der Fall.
Dann eröffne ich hiermit die Wahl und bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.
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Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet.
Ich bitte den Abgeordneten Marquardt, für kurze Zeit meinen Platz einzunehmen, damit auch ich meine Stimme abgeben kann. Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch ein Mitglied im Saal ist, das seine Stimme nicht abgegeben hat. - Offenbar ist das nicht der Fall. Darf ich fragen, ob alle Damen und Herren Schriftführer ihre Stimme abgegeben haben. - Das ist auch der Fall. Dann erkläre ich hiermit die Wahl für abgeschlossen. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.
Ich schlage vor, die Sitzung für 20 Minuten zu unterbrechen. Das Haus ist damit einverstanden? - Dann unterbreche ich die Sitzung bis 12.45 Uhr.
({1})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder und gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Zahl der insgesamt abgegebenen Stimmkarten: 516; Zahl der Ja-Stimmen: 346;
({2})
Zahl der Nein-Stimmen: 110; Stimmenthaltungen: 24; ungültige Stimmkarten: 36.
Meine Damen und Herren, der vorgeschlagene Kandidat, Karl Carstens, erhielt, wie ich schon sagte, 346 Stimmen. Erforderlich waren bekanntlich 260 Stimmen. Ich stelle hiermit fest, daß der Abgeordnete Karl Carstens die Stimmen der Mehrheit dieses Hauses auf sich vereinigt hat und somit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt ist.
({3})
Herr Abgeordneter, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.
({0})
Herr Präsident, ich übermittle Ihnen die besten Wünsche des Hauses und bitte Sie, Ihren Platz einzunehmen.
({0})
Punkt 4 der Tagesordnung:
Amtsübernahme durch den Präsidenten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst den Mitgliedern des 8. Deutschen Bundestages für das mir durch die Wahl zum Präsidenten dieses Hauses bewiesene Vertrauen sehr herzlich danken. Ich werde mich bemühen, dieses Amt unparteiisch und gerecht auszuüben.
Mit dieser Wahl hat der Bundestag eine langjährige deutsche parlamentarische Übung bestätigt: daß der jeweils stärksten Fraktion das Recht zusteht, den Vorschlag für die Wahl des Bundestagspräsidenten zu machen.
Ihnen, verehrter Herr Alterspräsident Professor Ludwig Erhard, möchte ich danken für die Art und Weise, wie Sie diesen Wahlgang geleitet haben, und für Ihre einleitenden Worte. Sie haben, glaube ich, in uns allen die Erinnerung wachgerufen an die Jahrzehnte deutscher Politik, in der Sie für eine freiheitliche, soziale Staats- und Wirtschaftsordnung gewirkt haben - wie ich hinzufügen möchte -: außerordentlich erfolgreich.
({0})
Ein Wort besonderen Dankes möchte ich an meine Vorgängerin, Frau Annemarie Renger, richten.
({1})
Sie, verehrte Frau Renger, haben nach oft harten politischen Auseinandersetzungen immer wieder ein ruhiges und sachliches Arbeitsklima hergestellt, mit viel Takt und Einfühlungsvermögen, aber, wenn es nötig war, auch mit Energie. Sie haben darüber hinaus - wie ich meine, mit großem Erfolg -die Kontakte zwischen der Bevölkerung unseres Landes und dem Deutschen Bundestag verstärkt, indem Sie die Bürgergespräche eingeführt und regelmäßig veranstaltet haben. Sie sind die erste Frau, die Präsidentin eines deutschen Parlaments war. Ich bin ganz sicher, daß Ihrer Amtszeit noch lange und mit Achtung gedacht wird.
({2})
Ich möchte in meinen Dank die beiden scheidenden Vizepräsidenten Kai-Uwe von Hassel und Richard Jaeger einbeziehen.
({3})
Kai-Uwe von Hassel hat zunächst als Präsident dieses Hauses die Parlamentsreform in Gang gesetzt und in vielen Sitzungen als Präsident und später als Vizepräsident seines Amtes hier mit Ruhe und Würde gewaltet und das Vertrauen,
Präsident Carstens
das ihm von so vielen entgegengebracht wird, in jeder Hinsicht voll gerechtfertigt.
Ich möchte Richard Jaeger für die 21 Jahre danken, die er als Vizepräsident des Hauses gewirkt hat. Seine Schnelligkeit und Schlagfertigkeit haben ihm dazu verholfen, in schwierigen Debatten immer wieder den Roten Faden zu finden und durchzusetzen.
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Ich beziehe schließlich in diesen meinen Dank die beiden anderen Vizepräsidenten des 7. Deutschen Bundestages, Hermann Schmitt-Vockenhausen und Frau Liselotte Funcke ein.
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Ich freue mich, daß ich, falls das Hohe Haus so entscheidet, Gelegenheit haben werde, mit ihnen zusammenzuarbeiten und von ihren Erfahrungen Nutzen zu haben.
Gestatten Sie mir aber, meine Damen und Herren, daß ich in dieser Stunde den Blick noch etwas weiter zurückwende und dreier, wie ich glaube: großer Präsidenten der deutschen Parlamentsgeschichte gedenke. Ich meine Paul Löbe, Hermann Ehlers und Eugen Gerstenmaier.
({6})
Paul Löbe war zwölf Jahre Präsident des Deutschen Reichstages. Gemessen an den Auseinandersetzungen, die sich in seiner Amtszeit abspielten, muten die Debatten in diesem Hause, so leidenschaftlich sie manchmal geführt wurden, doch eher harmlos an. Denn bei den Auseinandersetzungen in diesem Deutschen Bundestag stand niemals die Existenz unseres freiheitlichen Staates, unserer Republik zur Diskussion.
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Paul Löbe hat das Ansehen des Deutschen Reichstages, des frei gewählten Parlaments, verkörpert, bis Hermann Göring ihn 1932 ablöste und der Niedergang der ersten deutschen Republik begann. Ich habe an ihn eine gute Erinnerung. Die bestimmte und gelassene Art, in der er die schwierigen Sitzungen leitete, kann, glaube ich, allen seinen Nachfolgern als Vorbild dienen.
In unserer Zeit haben die beiden Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers und Eugen Gerstenmaier durch ihre souveräne Amtsführung, aber vielleicht mehr noch durch große, richtungweisende Reden zu grundsätzlichen Fragen auf die geistige und politische Entwicklung in unserem Land eingewirkt.
Wenden wir einen Blick in die Zukunft. Ich denke, wir werden alle darin übereinstimmen, daß Freiheit und Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit die großen Leitmotive aller staatlichen und politischen Tätigkeit in Deutschland sein müssen. Der Deutsche Bundestag ist der sichtbarste Ausdruck des Freiheitswillens des deutschen Volkes. Seine Mitglieder werden in freien Wahlen gewählt, die Debatten hier sind frei, die Abgeordneten sind - so heißt es in Art. 38 des Grundgesetzes - an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Ich meine, daß das die Magna Charta des deutschen Parlaments ist.
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Zugleich hat sich dieses Hohe Haus in seinen besten Stunden zum Anwalt der Unterdrückten in allen Teilen der Welt, nicht zuletzt im anderen Teil Deutschlands gemacht. Mehr und mehr hat sich in unserer Bevölkerung die Überzeugung gefestigt, daß im Deutschen Bundestag das ganze deutsche Volk und alle seine Gruppen vertreten sind und ihre legitimen Sprecher finden: Arbeitnehmer wie Unternehmer, Bauern wie Beamte, Soldaten, Lehrer, Schüler, Studenten und Professoren, freie Berufe, Rentner, alte Menschen, Hilfsbedürftige und Leidende. Sie alle sollten wissen, daß der Deutsche Bundestag ihre Sorgen, ihre Nöte, ihre Erwartungen ernst nimmt und daß sie in diesem Hohen Hause ihrenvon ihnen selbst gewählten - Anwalt haben.
Bei allen unseren Debatten sollten wir uns der Tatsache bewußt sein, daß das hier Gesagte im anderen Teil Deutschlands gehört und mit großer Anteilnahme verfolgt wird, von jenen Deutschen, von denen das Grundgesetz sagt, daß es ihnen versagt war, an der Herstellung unserer freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung mitzuwirken. Wir sollten nie vergessen, daß unsere Debatten das Gefühl der Verbundenheit aller Deutschen miteinander entweder fördern und stärken oder auch schwächen können. Und wir sollten uns bemühen, dahin zu wirken, daß, was immer an Impulsen aus diesen Debatten hervorgeht, den Willen im deutschen Volke stärkt, seine Einheit in Frieden wiederherzustellen.
Wir denken in dieser Stunde an Berlin, das mit uns durch vielfältige wirtschaftliche, rechtliche, geistige und politische Bande verbundene Berlin. 22 Berliner Abgeordnete gehören diesem Hause an. Wir sollten alle Kräfte daran setzen, das im Viermächteabkommen klar genannte Ziel zu verwirklichen, nämlich innerhalb des dort gesetzten Rahmens die Bindungen Berlins mit der Bundesrepublik zu erhalten und zu entwickeln.
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Es ist mein Wunsch, daß die Debatten, die in der 8. Legislaturperiode geführt werden, bei aller notwendigen Leidenschaft der Auseinandersetzung, bei aller Härte der Diskussion, wenn die Standpunkte voneinander abweichen oder aufeinanderprallen, doch niemals den Eindruck verwischen, daß wir alle ein Ziel im Auge haben, nämlich - ich sage es noch einmal - Freiheit, Gerechtigkeit - insbesondere soziale Gerechtigkeit -, Einheit, Frieden und Sicherheit für unser Vaterland.
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Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum Punkt 5 unserer Tagesordnung:
Wahl der Stellvertreter des Präsidenten.
Zwischen den Fraktionen besteht Einverständnis darüber, daß vier Stellvertreter gewählt werden sollen. Dafür liegen die folgenden Vorschläge vor. Die Fraktion der SPD schlägt für die Wahl zum Vizepräsidenten die Abgeordneten Frau Renger und
Präsident Carstens
Dr. Schmitt-Vockenhausen vor, die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Stücklen und die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Funcke.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Vorschläge gehört. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll in diesem Falle wie in allen früheren Wahlperioden auf die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln verzichtet und über alle Vorschläge gemeinsam abgestimmt werden. - Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann stelle ich das Einverständnis mit diesem Verfahren fest.
Meine Damen und Herren, ich bitte nun diejenigen, die die vorgeschlagenen Kandidaten wählen wollen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann sind die vier Vizepräsidenten einstimmig gewählt.
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Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen, zunächst Frau Abgeordnete Renger: Nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
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Herr Abgeordneter Dr. SchmittVockenhausen, nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an, Herr Präsident.
({0})
Herr Abgeordneter Stücklen, nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
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Frau Abgeordnete Funcke, nehmen Sie die Wahl an?
Ja, ich nehme die Wahl an.
Meine Damen und Herren, alle vier Vizepräsidenten haben die Wahl angenommen. Ich darf allen vier Vizepräsidenten die herzlichen Glückwünsche des Hauses zu ihrer Wahl aussprechen.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf morgen, Mittwoch, den 15. Dezember 1976, 11 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.