Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der
Dritte Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für den Zeitraum 1974 bis 1977
- Drucksache 7/1769 -dem Ausschuß für Wirtschaft - federführend ,
dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung tür Branntwein hat am 1. März 1974 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetze über das Branntweinmonopol den
Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das 23. Geschäftsjahr ({0})
vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache 7 1761 verteilt.
Der Bundesminister fur Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 29. März 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wex, Frau Schleicher, Dr. Götz, Dr. Klein ({1}), Frau Schroeder ({2}), Frau Stommel, Frau Pieser, Kroll-Schlüter und Genossen und der Fraktion der CDU /CSU betr. Modellprojekt „Tagesmütter" -- Drucksache 7'1797 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/1907 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 29. März 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny, Junghans, Dr. Jens, Dr. Emmerlich, Frau Lüdemann, Frau Schuchardt, Dr. Vohrer und Genossen und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Gütezeichen und RAL-Testate - Drucksache 7,1791 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7'1910 verteilt.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 2. April 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schirmer, Dr. Bardens, Amling, Dr. Emmerlich, Anbuhl, Eckerland, Egert, Frau Eilers ({3}), Fiebig, Hauck, Jaunich, Kratz, Marschall, Wende, Zeitler, Spitzmüller, Christ und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Förderung von Angeboten für Freizeit und Erholung -- Drucksache 7 1584 -- beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7 1948 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernneldewesen hat mit Schreiben voni 26. März 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:
Aktionsprogramm für die Wissenschafts- und Technologiepolitik - Drucksache 7/1026 -
Ich rufe Punkt 1 der heutigen Tagesordnung auf:
a) Fortsetzung der Beratung des Jahresgutachtens 1973 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
-- Drucksache 7/1273 -
b) Fortsetzung der Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1974 der Bundesregierung
- Drucksache 7/1646 -Das Wort hat Herr Bundesminister Schmidt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um mein Bedauern darüber auszudrücken, daß meine Abreise am Freitagmittag Anlaß für Verärgerung bei den zu jenem Zeitpunkt anwesenden Kollegen und für die Feststellung der Beschlußunfähigkeit des Hauses war. Insbesondere bedauere ich, gegenüber der Leitung der Oppositionsfraktion die sonst von mir selbst gern geübte Praxis nicht geübt und die Mitteilung versäumt zu haben, daß mich mehrere, seit langer Zeit festgelegte auswärtige Termine an der weiteren Teilnahme hinderten, Termine, die ich angesichts der kurzfristig erfolgten Verlegung der Debatte vom Mittwoch auf den Freitag nicht mehr gut umlegen konnte. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({0})
Wir fahren in der Beratung fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Begleitumstände, wie diese Sitzung heute zustande gekommen ist, haben aus unserer Sicht wenigstens einen gewissen Reiz und bringen ein völlig neues Debattengefühl insofern, als der Sprecher meiner Fraktion einmal den Anfang machen darf. Wir sehen darin aber noch keinen Trend auf eine dauerhafte Entwicklung.
({0})
Anknüpfend an das, was wir hier am vergangenen Freitag besprochen haben, möchte ich meiner Be6234
troffenheit Ausdruck geben über die Reaktion der Oppositionsfraktion z. B. auf Zitate des Kollegen Ehrenberg aus der „Washington Post" und überhaupt auf jede Erwähnung, wie unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, von draußen her betrachtet wird.
({1})
Meine Damen und Herren, wäre es nicht möglich, daß einige der nicht ganz wenigen Wallfahrer der Opposition in Richtung Vereinigte Staaten und in Richtung auf andere Länder etwas dazu täten, den Kollegen ihrer Fraktion zu helfen, die Relationen wieder ins Lot zu rücken und einmal zu sehen, daß wir hier, jedenfalls in den Augen anderer, noch eines der wenigen europäischen Länder mit einer stabilen parlamentarischen Mehrheit und einer handlungsfähigen Regierung sind?
({2})
Ich sage das nicht, um die Probleme etwa zu verkleinern, zu verniedlichen oder zu verkleistern. Wir werden auf die Probleme einzugehen haben und werden das hier heute auch tun. Ich sage es einfach mit der Bitte, die Kirche im Dorf zu lassen und sich bei dieser Auseinandersetzung doch der Maßstäbe bewußt zu bleiben.
Meine Fraktion und ich selber bedauern es, daß nach der Freitagsitzung der Kollege Strauß und der Ministerpräsident Stoltenberg nicht hier sein können, weil es reizvoller gewesen wäre, die Diskussion mit ihnen persönlich fortzusetzen.
({3})
- Herr Kollege Stücklen, dies ist gar keine Kritik, dies ist der Ausdruck des Bedauerns, daß wir die Diskussion nicht fortsetzen können. Ich bitte, das nicht sofort kritisch aufzufassen. Die Herren gerade Ihres Fraktionsteils sind doch im Austeilen nicht so zimperlich; also wird man vielleicht auch einmal etwas sagen dürfen.
({4})
Dabei muß ich leider die Feststellung treffen, daß wir mit Herrn Strauß dies gilt nicht für Herrn Stoltenberg - nach seinem Beitrag vom vergangenen Freitag heute in der Sache wenig zu debattieren hätten. Er hat sich wahrscheinlich in der öffentlichen Vorbereitung für die Debatte vom vergangenen Freitag schon weitgehend draußen erschöpft, so daß hier nicht mehr viel Neues zu bieten war.
({5})
Ich will auch nicht, obwohl es reizen würde, den Stichwortzettel mit der Zitatensammlung hervorkramen, die von Herrn Strauß ausgebreitet worden ist, -- obwohl wir diesen Stil und diesen Ton, die Mischung seines Umgangstons aus Vilshofen und Wedding, nicht gerade besonders erfreulich finden.
({6})
Allerdings muß der Gerechtigkeit halber dazugesagt
werden, daß diese Rundumkahlschläge alle treffen,
auch seine eigene Partei, nicht zuletzt auch die CDU
und auch die etwas unfreie Regierung des Freistaates Bayern.
({7})
Zu den Ausführungen von Herrn Ministerpräsident Stoltenberg darf ich zur Einleitung nur sagen, daß ich mich im wesentlichen mit dein befassen will, was hier zur Stabilitätspolitik, zur Konjunktur- und Währungspolitik gesagt worden ist, und daß meine Kollegen Vohrer und Wendig zu den haushalts- und steuerpolitischen Aspekten noch Stellung nehmen werden. Allerdings sei eine Bemerkung vorgeschoben, die die Kritik an der Äußerung des Herrn Bundeswirtschaftsministers betrifft, er habe ganz neu erklärt, die Gedanken, die dem von Ihnen so bezeichneten „Inflationsentlastungsgesetz" zugrunde lägen, seien diskutabel. Das hat einige von Ihnen, ich weiß nicht: zu heller Aufregung oder zu hellem Entzücken, Herr Häfele, gebracht. Aber jedenfalls haben Sie sich gewehrt, als sei das etwas völlig Neues. Darf ich mit Erlaubnis der Frau Präsidentin aus dein Protokoll der Sitzung vorn 4. Oktober 1973 den Herrn Bundeswirtschaftsminister zitieren:
In der Konzertierten Aktion bestand Übereinstimmung zwischen allen daran Beteiligten - ich betone: allen --, daß dieser von Ihnen in der Begründung erwartete Effekt
- nämlich Zurückhaltung bei Lohnforderungen nicht eintreten werde. Denn ich gebe Ihnen zu, wenn dieser Effekt mit absoluter Sicherheit einträte, müßte man sehr lange darüber diskutieren, welche volkswirtschaftlichen Wirkungen das hätte. Ich brauche hier aber nichts mehr dazu zu sagen, denn er tritt nicht ein.
Dies ist genau das gleiche, was der Herr Bundeswirtschaftsminister am Freitag in seiner Rede zum Jahreswirtschaftsbericht gesagt hat. Zu irgendwelchen Überraschungen bestand also gar kein Anlaß.
Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, daß natürlich auch wir sehen - und in dieser Zielsetzung sind wir wohl inzwischen durch Zeitablauf einig geworden daß es zu einer notwendigen Steuersenkung, insbesondere bei den kleinen und mittleren Einkommen, zum 1. Januar 1975 kommen wird und muß. Aber wir stellen noch einmal fest, daß das, was Sie wollten, nämlich ein Rosinengesetz vorzuschalten, d. h. die guten Teile des Kuchens jetzt zu verspeisen und dann die Koalition auf dem trockenen Rest von Krümeln sitzenzulassen, von uns nicht mitgemacht werden konnte.
({8})
Herr Ministerpräsident Stoltenberg ist auf den Jahreswirtschaftsbericht und auf die Projektion zum Jahre 1973 eingegangen. Seine Kritik finde ich insofern überraschend, als bei näherer Betrachtung die Projektion im Jahreswirtschaftsbericht 1973 mit den Ist-Ergebnissen weitgehend übereinstimmt.
({9})
Dies gilt jedenfalls für die Arbeitslosenquote mit knapp 1 % Projektion und 1,2 % Ist-Zahl. Dies gilt für die Preisentwicklung beim Bruttoinlandsprodukt mit 4 bis 5% Projektion und 5,5 % Ist-Zahl.
Es gibt zwei entscheidend abweichende Positionen, nämlich einmal auf der Exportseite: 14 % erwarteter Zuwachs und 26,5 % eingetretener Zuwachs. Die Gründe dafür sind vielfältig; es sind ganz wesentlich die Preisentwicklung im Ausland, die stärker davonlaufende Inflation in unseren Wettbewerbsländern und die hohe Lieferbereitschaft und Leistungsbereitschaft der deutschen exportierenden Industrie. Die zweite Zahl: 12 % vorhergesagtes Plus im Staatsverbrauch und 15 % Ist. In einer Zeit steigender Gehalts- und Lohnentwicklung ist ein Dienstleistungsbetrieb wie der Staat in besonderem Maße dieser Entwicklung unterworfen.
Was die Inflationsrate anlangt, so sind 6 % prognostiziert worden und 7,2 % eingetreten. Mit anderen Worten: ohne den Einfluß der Ölpreisentwicklung und der Energiepreiserhöhung wäre die vorhergesagte Rate vermutlich sogar noch unterschritten worden. Hier kommt nun wieder das alte Argument -- Herr Professor Carstens, wir haben es von Ihnen in der Vergangenheit häufiger gehört, und Herr Stoltenberg hat es am Freitag wiederholt -, wir hätten die Inflationsbekämpfung zu spät angefangen. Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen und darüber besteht doch eigentlich jetzt weitgehend Einigkeit -, daß vor Mai 1973, vor der Abkoppelung von der Ankaufsverpflichtung für den Dollar, also vor Einführung des Floatings, eine wirksame nationale Stabilitätspolitik nur in sehr bescheidenem Rahmen und nur in Grenzen möglich gewesen ist.
({10})
--- Warum? Weil die Ankaufspflicht für den Dollar die Geldmenge in der Bundesrepublik uferlos erweiterte.
({11})
Herr Müller-Hermann, über die Ratschläge Ihres
neuen Parteimitgliedes Professor Schiller werden wir heute noch zu sprechen haben. Wir kommen noch auf dieses Thema zurück.
({12})
Trotzdem sind wir - das will ich noch einmal feststellen; das ist auch im Jahreswirtschaftsbericht deutlich zum Ausdruck gekommen - natürlich entschlossen, alles zu tun, was den Preissteigerungsraten Einhalt gebieten kann. Ich glaube, daß wir im .Jahre 1973 mit dieser Politik eine erfreuliche Bilanz vorzeigen können. Der Ministerpräsident Stoltenberg hat nach meiner Überzeugung - und nach ausländischen Zeugen nicht recht, wenn er ausgeführt hat, daß wir die Verpflichtung und die Möglichkeiten für energische stabilitätspolitische Maßnahmen national und international nicht erfüllt hätten. Der Jahresbericht des Internationalen Währungsfonds bestätigt uns ausdrücklich, daß die Politik dieser Bundesregierung die einzige war, die wirklich harte Stabilitätspolitik betrieben und - das ist das Entscheidende -- dazu beigetragen habe, andere Länder, ihre Wettbewerbsländer, wenigstens tendenziell - nicht im Ausmaß, aber tendenziell -- auf den gleichen Weg zu führen.
({13})
Ich will die Vergleiche der verschiedenen Skalen nicht forsetzen; sie sind häufig zitiert worden. Ich will mich unabhängig von dem Ursprungsthema einmal zu zwei Zahlen äußern. Wir sehen - jedenfalls bei den Zahlen des Internationalen Währungsfonds, die ich zum Vergleich heranziehe -, daß Griechenland mit 30,6 % an der Spitze liegt; vielleicht doch kein Zeichen dafür, daß, wie das so oft behauptet wird, ein Regime von Obristen und Generälen immer die beste Wirtschaftspolitik betreibe.
({14})
Die zweite Zahl in dieser Skala - eine interessante Zahl - betrifft Brasilien mit 15,5 %.
({15})
Wir sind sehr einverstanden, daß deutsche Unternehmen und die deutsche Industrie in Brasilien investiert haben und dort erfolgreich tätig sind. Nur, wir halten wenig davon, wenn uns das Beispiel brasilianischer Wirtschaftspolitik - mit seiner katastrophalen Einkommensverteilung nämlich - als nachahmenswert in der Bundesrepublik empfohlen wird.
({16})
Mir scheint es auch wichtig zu sein, daß wir einmal darauf hinweisen, in welchem Umfange und wie unterschiedlich sich der Einfluß der Energiepreiserhöhungen in dieser Preissteigerungsskala niederschlägt und geltend macht; nämlich in den Vereinigten Staaten - um nur zwei Zahlen zu nennen - mit 0,8 % - im Consumer's Price Index - und bei uns mit 1,4 %, woraus sich deutlich die unterschiedliche Lage beider Volkswirtschaften in der Abhängigkeit von Energieimport und heimischer Energieproduktion ergibt.
Lassen Sie mich deutlich betonen, daß es kein politisches Ziel an sich, kein Absolutum sein kann, am Ende einer im Grunde niederträchtigen Skala zu stehen. Das ist nicht das Ziel unserer Politik. Wir stünden lieber an der Spitze einer guten und positiven Skala. Aber wir wissen, daß wir nicht auf einer Insel der Seligen leben; auch darüber besteht wahrscheinlich keine große Meinungsverschiedenheit.
Dann ist es schon etwas abenteuerlich - wenn ich mich sehr zurückhaltend ausdrücken darf -, daß Herr Kollege Strauß in öffentlichen Äußerungen - Herr Ehrenberg, Sie sind darauf eingegangen - meint, mit seiner Wirtschaftspolitik - ohne den Ölpreis zugegebenermaßen - wären wir bei 4 % gelandet. Da kann ich nur sagen: Darauf paßt dann die Bezeichnung „Mister four percent". Es kann doch wahrhaftig nicht im Ernste irgend jemand in diesem Lande weismachen, daß das bei einer internationalen Entwicklung dieser Art möglich gewesen wäre.
({17})
Da war jedenfalls die Argumentation des Ministerpräsidenten Stoltenberg, daß wir von den Jahren 1952 bis 1969 einen stabilitätspolitischen Vorsprung gegenüber unseren Wettbewerbsländern gehabt hätten, schon sehr viel intelligenter und regte
mehr zum Nachdenken an. Nur, hier sind zwei Gründe, von denen ich nicht glaube, daß Herr Stoltenberg sie übersehen hat, die man aber zur Erklärung aufzeigen sollte.
Erstens: Der Verteilungskampf in unserer Volkswirtschaft - aus welchen Gründen auch immer; ich kann darauf im einzelnen jetzt nicht eingehen - hat sich seit den 50er Jahren sicherlich verändert. Wir haben in diesem Jahre, wie Sie alle wissen, unsere Erfahrungen mit der ÖTV gemacht. Herr Bundeskanzler, Sie haben sich sehr nachdrücklich dazu geäußert, daß anschließend Überlegungen angestellt werden müssen. Ich glaube, daß das in der Tat erfolgen muß.
({18})
Ein Zweites: Wir haben natürlich in den 50er und 60er Jahren eben wegen dieser Lage einen ständigen Aufwertungsdruck auf die deutsche Volkswirtschaft erlebt, den wir jetzt im Floating nicht mehr so gezielt bekommen, mit dem wir doch aber rechnen müssen und der natürlich Schwierigkeiten im internationalen Gefüge mit sich bringt.
Unsere Situation in der Inflationsbekämpfung wird nach unserer Überzeugung dadurch erleichtert, daß heute auch in den Vereinigten Staaten die Inflation das Problem Nr. 1 ist. So jedenfalls haben es mir wörtlich der amerikanische Finanzminister George Schultz - dessen Ausscheiden wir auch im deutschen Interesse bedauern müssen - und sein Staatssekretär Paul Volcker gesagt, weil sie mit uns der Meinung sind, daß die dauerhafte Inflation unsere Gesellschaftordnung sprengt, das marktwirtschaftliche System ruiniert und - dies scheint mir wichtig - alle Bemühungen um den Ausbau des Sozialstaates Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn nicht zunichte macht.
Wir haben hier vor kurzem über den Verfassungsauftrag diskutiert, den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu schaffen. Ich selber - das werden die einen oder anderen von Ihnen wahrscheinlich unterstellen - halte die soziale Marktwirtschaft für einen Bestandteil der Grundordnung dieses Landes, aber ich gehe nicht soweit, zu behaupten - und ich glaube nicht, daß man das aus der Verfassung heraus interpretieren kann -, daß dies verfassungsrechtlich abgesichert ist. Ich persönlich bin ganz froh darüber, weil wir häufig genug in Gefahr geraten, daß das, was wir für verfassungsrechtlich abgesichert halten, dann auch so schläfrig als Selbstverständlichkeit hingenommen wird, ohne daß wir jeden Tag zur Verteidigung aufgerufen werden.
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Aber, meine Damen und Herren, für die Schaffung des sozialen Rechtsstaates müssen wir die Inflation beseitigen, und wenn wir das im Augenblick, um realistisch zu bleiben, von heute auf morgen ganz sicherlich nicht können, müssen wir ihrem Vordringen soweit wie irgend möglich Einhalt gebieten. Die Liberalen in diesem Haus und in diesem Lande sind sicherlich nicht nur Anhänger, sondern, hier darf ich vielleicht einmal sagen: Promoter einer Vermögensbildungspolitik. Aber sie wissen ebenso, daß
Vermögensbildungspolitik, die nachhaltig mit Inflation und Geldwertschwund einhergeht, irgendwo auf Sand gebaut bleiben muß.
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Dies, meine Damen und Herren, gilt leider - hier sollte man einem weit verbreiteten Irrtum begegnen -, wenn man sich das Schicksal der Kleinaktionäre in Deutschland ansieht, insbesondere für diesen Bereich ,der Vermögensbildung. Hierüber hat es vor einigen Tagen einen sehr interessanten Briefwechsel zwischen Herrn Böll und Herrn Bucerius gegeben, in dem Herr Bucerius in sehr klaren und deutlichen Worten darauf hingewiesen hat, daß der Kleinaktionär - für ,den Großaktionär sieht die Situation anders aus - in den vergangenen zehn Jahren - ich will das hier nicht näher ausführen - außerordentlich ungünstig abgeschnitten hat.
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Dies, meine Damen und Herren, ist natürlich auch ein Problem, das an die Substanz der Gesellschaften geht. - Es geht um das Problem der Gesellschaften, daß wir mit dem Phänomen der Scheingewinne oder der scheinbar nicht entstandenen Verluste durch Substanzverzehr zu tun haben. Aber ich erkläre hier für meine Freunde und mich ganz eindeutig, daß wir nicht bereit sind, der Abschreibung vom Wiederbeschaffungswert zuzustimmen, weil wir meinen, daß das Nominalprinzip Mark gleich Mark unter allen Umständen verteidigt werden muß.
Dies gilt auch, meine Damen und Herren, für manchmal verführerisch aussehende Indexlösungen. Hierüber hat es Diskussionen gegeben. Ich stelle mit Zufriedenheit fest, daß diese Gedanken, so eingängig sie aussehen, so theoretisch geschlossen die Modelle sind - viele unserer heute auf dem Markt verkauften theoretischen Modelle sehen in sich geschlossen aus, halten aber der praktischen Wirklichkeit nicht stand -, uns hier nicht als Patentrezept empfohlen werden. Der Bundeswirtschaftsminister hat das mit Recht unterstrichen und betont.
Ich meine allerdings, daß die Deutsche Bundesbank sich einmal zusammen mit dem Herrn Bundesfinanzminister überlegen sollte, ob man nicht denjenigen, die nun seit Jahr und Tag sowohl unter Substanzverzehr wie unter zu niedriger Verzinsung leiden - ich meine damit die Inhaber von 6- und 5 1/2 %igen Wertpapieren; übrigens ein Riesenblock von 50 Milliarden DM, das ist durch Selbsthilfeaktionen nicht zu bewältigen -, vielleicht dadurch helfen kann -, daß die Bundesbank aus dem Mindestreserveguthaben der Geschäftsbanken einen Betrag von einigen Milliarden DM freigibt und sie über die Geschäftsbanken den Hypothekenbanken zur Auslosung für die Kleinsparer zur Verfügung stellt, - natürlich nicht für die institutionellen Sparer, um hier jedes Mißverständnis von vornherein auszuschalten, Herr Kollege Möller. Dies, glaube ich, sollte überlegt werden.
Insgesamt gesehen sind wir der Auffassung, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagene Doppelstrategie, d. h. die Geld- und Kreditpolitik weiDr. Graf Lambsdorff
terhin eingeschränkt fahren und auf der anderen Seite gezielt helfen, richtig ist.
Diese Politik bedeutet natürlich weitere hohe Anforderungen an das Durchhaltevermögen der Deutschen Bundesbank. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier für meine Freunde ein offenes Wort sagen: Natürlich sind auch die Deutsche Bundesbank und der Zentralbankrat jeglicher sachlicher Kritik ausgesetzt und haben sich solcher Kritik zu unterziehen. Ich persönlich z. B. glaube, daß die Entscheidung des Zentralbankrates in der Sache der Berufung unseres Kollegen Hermsdorf zum Präsidenten der LZB in Hamburg wenig weise war, die Entscheidung des Bundesrates in dieser Frage hingegen klüger. Aber wir wehren uns gegen eine Form der Diskussion, die sich, wie ich meine, in unserem Lande immer mehr ausbreitet und die etwas überzeichnet und plastisch ausgedrückt dann so aussähe, daß da ein etwas verknöcherter Bundesbankpräsident säße und um ihn herum fünf Nußknacker, denen auch nichts Vernünftiges mehr einfiele, die aus lauter Konservativismus keine fortschrittliche Bundesbankpolitik machen könnten. Diese Form der Verächtlichmachung und der hämischen Kritik an der Bundesbank findet in keiner Weise unsere Zustimmung und hier werden wir die Deutsche Bundesbank verteidigen.
Wir wissen, daß die Zinspolitik und die Hochzinspolitik auf Kritik stößt. Aber wer der Realzins-theorie recht gibt und wer - wie der Bundeswirtschaftsminister das hier vorgetragen hat - sich kaum vorstellen kann, daß die Verzinsung von Geld unter der Inflationsrate liegt, und wer im übrigen sieht, daß selbst nach dem Bemühen, die kurzfristigen Zinsen in den Vereinigten Staaten herunterzubringen, nunmehr die Prime Rate wieder bei 10 % liegt, der wird sagen müssen, daß auch mit einer weiteren Erleichterung des Bardepots - und, Herr Kollege Ehrenberg, wir beide haben darüber häufig diskutiert; ich bin nicht ganz so geneigt, dem jetzt schon das Wort zu reden - jedenfalls eine merkliche Zinssenkung nicht möglich wäre. Ich gebe zu, es wäre ein richtungweisender, ein tendenzieller Effekt damit zu erzielen.
Aber insgesamt sollten wir jetzt einmal abwarten, wie sich konjunkturpolitisch die Maßnahmen auswirken, die die Bundesregierung insbesondere in den Sonderkreditprogrammen A und B aufgezeigt hat. Wir werden davon auszugehen haben, daß dies nicht die alleinigen zu investierenden Mittel bleiben, sondern daß das Initialzündungen für zusätzlich einzusetzende private Investitionsmittel sind. Wir jedenfalls glauben, daß zunächst einmal des Notwendigen genug getan worden ist.
Meine Damen und Herren, wir sehen ebenso --und hier will ich auf eine Bemerkungen des Kollegen Strauß eingehen -, daß es kein Ziel der Wirtschaftspolitik sein kann - um es übertrieben auszudrücken -, eine große Anzahl von Konkursen zu produzieren. Aber niemand wird, so glaube ich, bestreiten können, daß es jedenfalls im Anfang der Restriktionspolitik eine Reihe von Insolvenzen gegeben hat, bei denen man nicht gerade in Tränen ausbrechen mußte. Niemand darf auch übersehen. meine Damen und Herren, daß eine Unternehmensfinanzierung heute darauf ein- und ausgerichtet sein muß, mit Zeiten staatlicher Restriktionspolitik auf dem Geld- und Kreditsektor zu rechnen. Dies ist Erfahrungstatsache, und dies kann nicht einfach beiseite geschoben werden in der Hoffnung, daß Geld immer billig sei und daß Schuldenmachen sich durch die Inflation immer von selber tilge. Solide Finanzierung heißt nach unserer Überzeugung, auch für Restriktionszeiten gerüstet zu sein.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, die wir zu führen haben, auch Anlaß sein muß, einen Blick in die Nachbarländer zu tun, einen Blick in die Welt zu tun, um sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Welt und vor allen Dingen in den mit uns konkurrierenden Ländern vor Augen zu führen. Dies gilt insbesondere wegen der Tatsache, auf die wir von dieser Stelle schon vor Jahresfrist hingewiesen haben, daß wir eine parallele Konjunkturentwicklung in allen Industrieländern der Welt hinter uns haben und vermutlich auch weiter vor uns haben, eine Tatsache, die uns mit besonderen Problemen konfrontiert.
Kein Zweifel besteht darüber, daß in der gegenwärtigen Situation - Stichwort „Energiepreisentwicklung" ; wohl nicht mehr so sehr „Energiemengenentwicklung" ; und unsere marktwirtschaftliche Politik in der Bundesrepublik hat es jedenfalls verhindert, daß hieraus ein nennenswertes Mengenproblem in der Bundesrepublik Deutschland entstand -das Preisproblem wesentlich für die weitere Entwicklung der Wirtschaft in der Welt sein wird. Nun muß aber, so meine ich jedenfalls, zur Ergänzung der öffentlichen Diskussion, die das zu meiner Betrübnis dauernd übersieht, einmal darauf hingewiesen werden, daß diese erheblichen Energiepreissteigerungen natürlich ein Vorgang sind, der sich nicht dauernd wiederholt, daß sie ein einmaliger Vorgang sind. Höhere Ölpreise treiben den Lebenshaltungskostenindex einmalig und vorübergehend hoch. Wenn die Anpassung in Kosten und Preisen vorbei ist, wird die laufende Inflationsrate um die Ölprozente weniger wachsen. Das heißt, wir können damit rechnen - und deswegen ist die Voraussage des Bundeswirtschaftsministers für die Preissteigerungsrate gegen Ende dieses Jahres nach meiner Überzeugung keineswegs zu optimistisch -, daß wir jedenfalls aus dieser Quelle im Herbst dieses Jahres einen deutlichen Abfall in der Preisentwicklung erleben.
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- Sicherlich gibt es auch andere Quellen. Wir werden darauf noch einzugehen haben, Herr Müller-Hermann. - Sie sehen natürlich auch, meine Damen und Herren, daß auf dem internationalen Ölmarkt - die libyschen Reaktionen der letzten Tage sind ein deutliches Zeichen dafür - preismäßig die Bäume nicht in den Himmel wachsen. 16 und 20 Dollar per Barrel sind erfreulicherweise zur Zeit nicht mehr zu erzielen.
Allerdings gibt es eine entscheidende Folge, die wir nicht übersehen dürfen. Das ist die weltweite Einkommensumverteilung zwischen den Volkswirtschaften der ölproduzierenden Länder auf der einen Seite und der ölkonsumierenden Länder auf der anderen Seite. Was daraus für die Weltkonjunktur folgt, hängt im wesentlichen davon ab, was die Ölländer mit diesem Geld machen. Oder, anders formuliert: Die konjunkturelle Wirkung einer Einkommensumverteilung hängt davon ab, wie die Spar- oder Ausgabenpolitik der Empfänger oder der Verlierer aussieht. Sie können das getrost mit der nationalen Konjunkturpolitik vergleichen. Wenn wir das Geld potentiellen Ausgebern wegnehmen und es als Konjunkturausgleichsrücklage bei der Bundesbank stillegen, so fällt es als Kaufkraft, als Nachfragemacht aus und wird kontraktiv. Dies ist international gesehen ganz genau so. Wir müssen sehen, daß die ölproduzierenden Länder Geld in diesen Größenordnungen nicht ausgeben können und daß die Verschiebung der Einkommen von Ländern mit hoher Ausgabebereitschaft und -fähigkeit auf solche mit niedriger Ausgabebereitschaft und -fähigkeit insgesamt eine kontraktive Wirkung, also eine Dämpfung der Weltnachfrage, mit sich bringen kann.
Dazu gibt es einige neuere Zahlen, etwa der EuroFinanz, eines Finanzanalyseninstituts in Brüssel, wonach die Industrieproduktion im Jahre 1972 in allen industrialisierten Ländern der Welt um 5,8 % gewachsen ist. Für 1973 wird der Zuwachs auf 9,5% geschätzt. Für 1974 werden nur 2,4 % vorausgesagt. Es ist also ein deutliches Nachlassen der Weltnachfrage festzustellen.
Hier darf ich noch einmal mit wenigen Worten auf das Problem der Entwicklungsländer hinweisen. Wenn es richtig ist, daß z. B. Indien in diesem Jahr einen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion um 17 % hinnehmen muß, weil es nicht mehr in ausreichendem Maße über Kunstdünger verfügt, dann brauche ich hier wahrscheinlich niemandem zu sagen, was das bedeutet. Und wenn es zutrifft - es trifft zu -, daß die ceylonesische Regierung heute ihre Emissäre in die Welt schickt, um um Nahrungsmittel zu bitten, weil sie mit der Eigenproduktion nicht mehr auskommt, dann muß man sich die Frage stellen, oh die Rohstoffkonjunktur eigentlich wirklich das ausgleichen kann, was an Mehrausgaben für Erdöl- und Energieimporte aufzuwenden ist.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole meine häufiger geäußerte Befürchtung, daß bei. rückläufiger Weltkonjunktur die Rohstoffpreise rückwärts-laufen werden. Die letzten Wochen zeigen bereits die ersten Anzeichen, wenn auch nicht auf allen, so doch auf einigen Gebieten. Das wird für manche Entwicklungsländer im wahrsten Sinne des Wortes eine Katastrophe werden. Wenn ich mir eine kritische Bemerkung erlauben darf, so meine ich: Wir müßten vielleicht mehr über den Inhalt der Entwicklungspolitik als über ihre Technik miteinander diskutieren.
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Die Reaktion der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland auf diese weltwirtschaftliche Lage ist bei unserem Eingehen auf die Vorschläge der Regierung der Vereinigten Staaten bei der Energiekonferenz in Washington sichtbar geworden. Ich will für meine Fraktion ganz eindeutig erklären, daß wir die Haltung und die Ausführungen sowohl des Bundesaußenministers in seiner Rolle als Ratspräsident wie des Bundesfinanzministers in seiner Rolle als Vertreter der Bundesrepublik eindeutig unterstreichen und für richtig und gut gehalten haben und beiden unsere Anerkennung dafür aussprechen, daß sie sich ohne Zögern und ohne jeden Vorbehalt für das ausgesprochen haben, was die Amerikaner die multilaterale Lösung und Behandlung der Energieprobleme nennen.
({24})
Natürlich ist „multilaterale Lösung" nicht wörtlich zu verstehen; denn es gibt im Grunde selbstverständlich nur bilaterale, zweiseitige Geschäftsabschlüsse. Aber für uns ist wichtig, daß wir und alle anderen Beteiligten bereit sind, in Koordination von Technologie, Entwicklung, Substitution und vielen energiepolitischen Maßnahmen miteinander zur Lösung der Probleme beizutragen und nicht das, wie ich meine, gefährliche Beispiel unseres Nachbarn Frankreich zu verfolgen, bilateral Politik zu betreiben, die man auch unter der Bezeichnung sehen kann: Rette sich, wer kann, und rette jeder seine eigene Haut ohne viel Rücksicht auf den anderen!
Hier wird es, wenn sich diese Politik fortsetzt, meine Damen und Herren, letztlich dazu kommen, daß der Abwertungswettlauf stattfindet, der seinerzeit in Frankreich begonnen worden ist. Wir haben, leider erfolglos, ein großes Kreditangebot gemacht, um dies zu verhindern und damit auch zu verhindern, daß einem Abwertungswettlauf die deflatorische Politik folgt. Ich meine, daß dies schon heute zurückhaltend ausgedrückt - mäßige Ergebnisse gezeigt hat; denn der Öleinfluß auf die Preisentwicklung nach oben bei unserem Nachbarn beträgt 1,7 % und ist damit höher als in der Bundesrepublik Deutschland, obwohl wir zu solchen Maßnahmen niemals gegriffen haben.
Wenn eine solche Politik, meine Damen und Herren, weltweit Schule machen sollte - erfreulicherweise kann man das im Konjunktiv, dreimal unterstrichen, ausdrücken -, dann würde das die weltweite Rezession, wenn nicht die Depression bedeuten. Ich stehe hier in gar keinem Widerspruch zum Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, der kürzlich gesagt hat: Es wird keine Depression geben - ich teile diese Überzeugung -, wenn wir mit Geschick und Verantwortungsbewußtsein und in Zusammenarbeit zwischen den westlichen Volkswirtschaften eine Lösung finden, die diesen gefährlichen Gang eines Abwertungswettlaufs mit Deflationspolitik in den Ländern, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, vermeidet.
Es ist erfreulich, zu sehen, daß die Japaner kürzlich Verhandlungen im Irak abgebrochen haben. Es ist auch erfreulich, zu sehen - das ist kein Gefühl von Schadenfreude; das will ich deutlich sagen -, daß sich langfristige Ölverträge, die im November abgeschlossen worden sind, bereits heute als zu
weit überhöhten Preisen abgeschlossen erweisen. Ich meine es für sehr richtig gehalten, daß sich die Bundesregierung, soweit es in ihre Zuständigkeit fiel, dagegen gewandt hat, daß wir in der berühmten Teheraner Auktion Rohöl für 16 Dollar pro Barrel ersteigert haben.
Meine Damen und Herren, die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht kann kaum Anlaß sein, die Folgen dieser Situation für die atlantische und die europäische Politik zu erörtern, obwohl internationale Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik immer mehr Außenpolitik werden. Wir haben kürzlich eine europäische Debatte auch zu diesem Thema geführt. Und dazu muß ich leider aus dem „Münchner Merkur" vom 23./24. März 1974 zitieren. Die Zukunft der EG sah Herr Strauß „von dunklen Wolken umhüllt", da - wie er sagte - „die europäischen Partner nur mehr maulende, impotente Zwerge" seien. Dies, meine Damen und Herren, ist nicht die Sprache, mit der wir unsere Probleme miteinander lösen können.
({25})
Nach meiner Überzeugung werden die westlichen Länder in der Lage sein, die Probleme der Energie mittel- und langfristig zu lösen. Bei Einsatz aller unserer Mittel - unserer finanziellen und technischen Mittel - werden wir die Substitutionsentwicklung schaffen. Dabei muß allerdings einmal gesagt werden, daß wir auch Wege finden müssen, um uns gegen Dumping-Preise zu sichern. Ich warne schon hier und heute davor, daß wir dies auf dem Wege der Schutzzölle tun, die immer nur üble Folgen haben werden. Ich glaube, wir müßten uns eher überlegen, ob wir es über staatliche Subventionen absichern. Dies aber wiederum hat zur Folge, daß wir die Entwicklung neuer Energien so diversifizieren, daß nicht übermächtige Forderungen aus einem Energieträger und seiner Absicherung auf uns zukommen, d. h.: die Größenordnungen müssen verteilt werden.
Unsicherheit und Gefahr aber, meine Damen und Herren, drohen uns ganz sicherlich aus dem Währungssystem und insbesondere aus den kurzfristigen Positionen des internationalen Währungssystems. Ich habe hier schon einmal die etwas längerfristigen Zahlen vorgetragen. Ich darf heute ergänzen, daß die ölproduzierenden arabischen Länder Ende des Jahres 1974 vermutlich über flüssige Guthaben von 50 Milliarden Dollar und Ende 1975 über solche von 70 Milliarden Dollar verfügen werden und daß auch bei einem Roll back, wie das heute so schön heißt, der Ölpreise auf 7 bis 8 Dollar, die jetzt höchst zweifelhaft sind bei 11 bis 12 Dollar wird es sich wohl einspielen -, das immer noch das Doppelte des Preises vom September 1973 wäre.
Wir kennen die Investment-Gewohnheiten der arabischen Länder einigermaßen, und wir wissen, daß langfristige Investitionen und die Neigung zu wirklich langfristiger Geldanlage dort sehr bescheiden entwickelt sind. Das heißt, wir werden einen unwahrscheinlichen Druck in Aufwertungs- und Abwertungsspekulation über die Geldmärkte dieser Welt - sei es der Euro-Markt, sei es der AsienMarkt oder vielleicht demnächst der Arabien-Markt - haben, und wir werden mit großen Problemen auf diesem Sektor zu rechnen haben, für die niemand - von keiner Stelle, mit der ich darüber gesprochen habe - auch nur einen einigermaßen plausiblen Ausweg und ein Patentrezept zur Behandlung wüßte. Daß mit dem arabischen Geld Gold gekauft wird, sieht heute jeder, und der Herr Bundsfinanzminister hat sich auch für die Bundesrepublik und für die Bundesbank zur Frage des Goldpreises kürzlich geäußert. Ich meine, daß die Heraufsetzung des offiziellen Goldpreises keine Hilfe bieten könnte, könnte mir allerdings vorstellen, Herr Bundesfinanzminister, daß man mit der Freigabe des offiziellen Goldpreises etwas mehr zur Demonetisierung - in diesem Ziel, so glaube ich, sind wir uns einig - auf dem Goldsektor tun könnte.
Sicherlich wird das heute so oft gepriesene Patentrezept des re-cycling, d. h. des Immer-wieder-Ausleihens der Ölgelder, die die ölproduzierenden Länder vereinnahmen, an solche, die damit ihre Zahlungsbilanzdefizite finanzieren, einen Anfang darstellen können, aber wie lange mag das wohl gutgehen? Der Internationale Währungsfonds stellt sich vor, daß sich die Industrieländer aus den Kapitalmärkten versorgen können, daß aber die Entwicklungsländer - Italien und England noch dazu - vom Internationalen Währungsfonds aus dem sogenannten re-cycling Geld bekommen können. Wie lange aber sind diese Länder bei diesem System kreditfähig? Wann werden die Zinsforderungen mit Rücksicht auf immer weiter schwindende Bonität zu hoch werden, wann wird man überhaupt noch die Frage beantworten können, ob diese Kredite mit der Aussicht auf Rückzahlung für Zinsen und Tilgungen gegeben werden können? Und schließlich: Wer stellt die Mittel zur Verfügung, meine Damen und Herren, die den Entwicklungsländern als sogenannte weiche Kredite gegeben werden sollen? Machen wir uns nichts vor: In 1 Milliarde Dollar, die der Schah von Persien angeboten hat, waren ganze 150 Millionen Dollar an weichen Krediten enthalten, das andere war zu harten Tageskonditionen offeriert und ist keineswegs als Entwicklungshilfe anzusehen.
Dies alles wird zur Folge haben, daß das Floaten weiter das Gesetz der Stunde bleiben wird. Die Reformpläne der Zwanziger-Gruppe werden in den Eisschrank gepackt werden. Sie selber wird als eine Gruppe mit von Tag zu Tag zu bearbeitenden Aufgaben weiter beschäftigt werden, und wir werden die Diskussion über die freien Wechselkurse und über das, was wir hier schon im Mai 1973 debattiert haben, in den nächsten Jahren miteinander fortsetzen.
Wir können das in den währungspolitischen Debatten aus dem Jahre 1973 nachlesen. Meine Damen und Herren, ich selber habe für meine Fraktion im Jahre 1973 die desintegrierende Wirkung des Floating aus dem Jahre 1971 beklagt. Wir haben 1973 gesehen, daß dies auch ohne diesen schädlichen Beigeschmack gehen kann. Der entscheidende Grund dafür war - hierfür verdient die Bundesregierung unsere volle Anerkennung -, daß im Mai 1973 das Floating politisch abgesichert eingeführt wurde und
nicht im Alleinritt, ohne Rücksicht auf vertragliche Vereinbarungen, Platz griff. Insofern, meine Damen und Herren, ist auch die Kritik von Herrn Ministerpräsidenten Stoltenberg, daß das Ausscheiden Frankreichs aus der europäischen „Schlange" zum Teil auf ein Verschulden der Bundesregierung zurückzuführen sei, ungerechtfertigt. Mit unserem Kreditangebot haben wir alles versucht, dm dies zu verhindern.
Jetzt gibt es kein Entkommen vor dem Floating. Die Risiken sind oft diskutiert und oft genug erörtert worden. Sicherlich lohnen Risiken und Chancen eine gründlichere Betrachtung. Dies, Herr Kollege MüllerHermann, gilt wahrscheinlich nach Eintritt von Herrn Professor Schiller in die CDU auch für Ihren Kollegen Strauß. Wenn er nicht bundesweit mit Ihnen konkurrieren will, kann er sich jetzt mit dieser Frage etwas freier beschäftigen.
({26})
Erlauben Sie mir, einige Minuten auf das Thema zu verwenden. Wir haben vor 1914 in der Weltwirtschaft den zwischenstaatlichen Handel und den Kapitalverkehr unter den Industrieländern durch folgende Merkmale gekennzeichnet gesehen: die volle Konvertibilität der Währungen, die Stabilität der Wechselkurse, Gold als einzige Währungsreserve und Steuerungsmittel für das Geldvolumen und Flexibilität der Preise und Einkommen auch nach unten; das letztere ist wichtig.
Heute sind die Notenbanken mehr und mehr zu Instrumenten der nationalen Vollbeschäftigungspolitik geworden. Die Regierungen sind nicht mehr bereit - sie können es wohl auch nicht sein -, zur Sicherung der internationalen Zahlungen Maßnahmen zu treffen, die auf eine echte Kontraktion des Geldvolumens hinauslaufen.
Der tiefere Grund liegt in unserer gewandelten Sozialstruktur. Unter den jetzt herrschenden Verhältnissen würde eine kontraktive Geld- und Kreditpolitik kaure noch zu einem sinkenden Preisniveau, wohl aber zu einer verminderten Auslastung der Produktionskapazitäten und damit zur Arbeitslosigkeit führen. Die Funktionsfähigkeit des Systems fester Währungsparitäten vor dem Ersten Weltkrieg lag letztlich nicht im Gold als einziger Währungsreserve, sondern in der Flexibilität der Kosten- und Preisniveaus.
Die Notenbanken der meisten Länder sind jetzt weder bereit noch in der Lage, ihre Geldpolitik an einem Reservemedium auszurichten, was immer dies sci. In unserer Weit kann die notwendige Flexibilität des Währungssystems nicht mehr über flexible Preis- und Kostenniveaus bei festen Paritäten, sondern bei nach unten starren Preis- und Kostenniveaus nur noch über flexible Paritäten erreicht werden.
Die Gefahr, daß es zu einem Abwertungswettlauf der konkurrierenden Industrieländer kommen könnte, ist jedenfalls in einem System freier Wechselkurse weniger groß als in einem System fester Kurse. ln einem System fester Kurse können die Währungsparitäten von der Regierung jederzeit im
Sinne der Exportförderung autonom verändert werden. Eine Abwertung der Währung auf den Devisenmärkten ist aber nur dann möglich, wenn die Notenbanken bereit sind, ausländische gegen eigene Währungen zu kaufen, womit sie zweifellos die inflatorische Ausweitung der Inlandsnachfrage noch verstärken.
Die Entwicklung des vergangenen Jahres 1973 in der Bundesrepublik hat ja gezeigt, wie wenig die deutsche Wirtschaft als ganzes die Abwertung anderer Währungen zu fürchten hat. Obwohl sich z. B. seit Anfang 1973 das britische Pfund um 20% und die italienische Lira um 32 % gegenüber der D-Mark entwerteten, hat die Bundesrepublik 1973 einen Rekordhandelsbilanzüberschuß auch mit diesen Ländern erzielt.
Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Abwertung dieser Währungen mit einer weiteren Ausweitung des Geld- und Kreditvolumens und der Nachfrage verbunden war,. die zu einem starken Anstieg der Preisniveaus, also zu höheren Inflationsraten als bei uns, führten. Ich habe dies bereits ausgeführt.
Die Weltinflation ist nach meiner Überzeugung kein unabwendbares Schicksal. Im monetären Bereich müssen wir aber zwei Voraussetzungen erfüllen: Autonomie der Notenbank über das von ihr zu schaffende Zentralbankgeld und Ausweitung der Zentralbankgeldmenge unter Berücksichtigung der Geldschöpfungsfähigkeit des Kreditbankensystems in Übereinstimmung mit den zu erwartenden Produktionssteigerungen.
Genau auf diesem Weg, meine Damen und Herren, befinden wir uns erfreulicherweise; denn im letzten Jahr hat sich an unserem monetären Mechanismus ein Teil von entscheidender Bedeutung geändert. Statt fester Wechselkurse haben wir jetzt eben bewegliche Wechselkurse. Das bedeutet, daß jegliche Geldschöpfung über die Zahlungsbilanz endgültig unterbunden ist. Dies, Herr Müller-Hermann, ist der entscheidende Grund dafür, warum wir erst seit Mai 1973 wirklich ernsthaft Stabilitätspolitik betreiben konnten. Eine Stabilitätspolitik kann nun nicht mehr durch Geldimporte unterminiert werden.
Bei beweglichen Wechselkursen besitzt die Notenbank die vollkommene Kontrolle über die inländische Geldversorgung. Dies ist der Punkt, auf den es ankommt, in dem sich unsere heutige Lage von derjenigen der Jahre 1971 72 unterscheidet.
Unter diesen Bedingungen liegt es an den innerwirtschaftlichen Vorgängen, d. h. bei den Unternehmen, bei den Gewerkschaften und beim Fiskus der öffentlichen Hand, ob wir eine volle Auslastung der Produktionskapazitäten dadurch gewährleisten, daß man nicht mehr verteilt, als dem Produktivitätszuwachs entspricht. Dies, Herr Bundeskanzler, haben Sie vor einigen Wochen an dieser Stelle mit Deutlichkeit und beherzigenswert gesagt.
({27})
Man kann es auch so ausdrücken: Das System sorgt
dafür, daß von den nominalen Lohnerhöhungen so
viel in Form von Preiserhöhungen auf die Verbraucher und damit auf die Lohnempfänger zurücküberwälzt wird, daß der Anstieg des Reallohnes nicht größer ist als das, was an realer Wertschöpfung im Produktionsprozeß mehr erzielt wird.
({28})
- Herr Müller-Hermann, die Frage ist, wann wir das einsehen werden.
({29})
Dies ist keine Aufgabe der Regierung, Herr Müller-Hermann; das ist ein Prozeß, der sehr viel weitergehen muß als etwa nur an die Regierung.
Die Frage ist, wann wir und die Beteiligten die notwendigen Folgerungen aus dieser Erkenntnis ziehen. Dies scheint mir eine der entscheidenden Fragen zu sein, wie wir wirtschafts- und konjunkturpolitisch in den nächsten Jahren weiterkommen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im letzten Teil noch ein paar Worte sagen über unsere Position in der internationalen Handelsszene. Die Bundesregierung hat sich alle Mühe gegeben, die Verhandlungen im GATT voranzutreiben. Der Bundeswirtschaftsminister hat erfreulicherweise noch gestern erklärt, daß gerade die jetzige Situation allen Anlaß bietet und es notwendiger denn je macht, für freie Waren- und Geldströme, für freie Märkte und freien Kapitalverkehr einzutreten. Ich sehe mit einigem Entsetzen, daß heute an Stahlpakte gedacht wird; ich sehe mit Mißvergnügen, daß Wollhandelsabkommen und ähnliche Dinge jetzt diskutiert werden. Ich mache gar keinen Hehl daraus, festzustellen, daß das von uns allen im Februar vorigen Jahres ratifizierte Kakao-Abkommen entsprechend mancher Vorhersage heute keine Bohne mehr wert ist.
Wir - gerade die Bundesrepublik Deutschland -brauchen große und weite Märkte. Dies ist eine Binsenweisheit, aber wir und die Bundesregierung müssen deswegen alles dafür tun, um die Voraussetzungen für solche Märkte in der Welt zu schaffen. Wir sind immer noch das Land mit dem größten Exportanteil, und wir werden in Zukunft angesichts der veränderten Terms of Trade auf der Energieseite noch mehr auf Exporterlöse angewiesen sein. Der Herr Bundesfinanzminister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß unsere Reservensituation uns in eine bessere Lage versetzt als viele unserer Wettbewerber. Dennoch werde ich die Befürchtung nie ganz los, daß man die alte Erfahrung jedenfalls nicht vergessen darf, daß Währungsreserven gelegentlich wie Schnee an der Sonne dahinschmelzen können. Die Zuversicht ist berechtigt; aber dennoch glaube ich: Wir müssen korrigieren, was wir im vorigen Jahr über die strukturelle Exportlastigkeit der deutschen Industrie beklagt haben. Dies sieht heute zu einem guten Teil anders aus; die Dinge haben sich geändert.
Die Liberalen in diesem Haus laufen weder einem Dogma nach, noch pflegen sie einen Ästhetizismus der Marktwirtschaft, wenn sie die Marktwirtschaft bei uns verteidigen. Wir verteidigen sie auch deswegen - darüber sind wir uns mit vielen in diesem Hause einig -, weil wir sie lebensnotwendig in der Welt draußen für uns brauchen. Die Bundesrepublik hat im Laufe ihrer Geschichte viele Vorleistungen erbracht. Unter diesem Stichwort ist häufig Kritik geübt worden. Wir kritisieren diese Vorleistungen nicht; denn alles in allem sind sie zu unserem Nutzen gewesen. Wir sind bei diesem System nicht schlecht gefahren. In diesem Sinne begrüßen wir es, daß die Bundesregierung sich für eine großzügigere Handhabung als im ersten Angang beabsichtigt in der Frage des europäischen Regionalfonds eingesetzt hat.
Wir wollen uns selbst und unseren Freunden in der Welt eine unserer, wie wir meinen, bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiet der internationalen Wirtschaftspolitik erhalten. Wir wollen Vorkämpfer für eine freie Weltwirtschaft sein und bleiben, und zwar auf der Grundlage einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik, dies ist die selbstverständliche Voraussetzung, in diesem Lande, ohne die es keinen wirtschaftlichen und erst recht keinen sozialen Fortschritt gibt.
Die Bundesregierung ist, was die Verteidigung marktwirtschaftlicher Grundsätze anbelangt, bei uns im Lande auf dem richtigen Wege. Der Bundeswirtschaftsminister hat durch seine überzeugende Rolle auf der GATT-Konferenz in Tokio bewiesen, daß die Bundesregierung auch sieht, wo international die Notwendigkeiten für eine freie und liberale Handels- und Wirtschaftspolitik liegen.
Herr Bundeskanzler, die Fraktion der Freien Demokraten spricht der Wirtschaftspolitik dieser Regierung und insbesondere dem Bundeswirtschaftsminister ihr Vertrauen aus.
({30})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Carstens.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat von der Erklärung des Finanzministers Kenntnis genommen, mit der er sein Bedauern über sein Verhalten in der Sitzung vom 29. März ausgesprochen hat. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er auch wohl die Verantwortung dafür auf sich genommen, daß es zu der heutigen Sondersitzung des Parlaments gekommen ist. Ich verzichte daher auf eine Erklärung, die ich meinerseits zu diesen Vorfällen in der vergangenen Sitzung abgeben wollte. Herr Finanzminister, ich möchte nur eine Bemerkung an das anschließen, was Sie gesagt haben.
({0})
- Vielleicht kann es ihm jemand übermitteln, was ich jetzt sage.
({1})
Dr. Carstens ({2})
Was die CDU/CSU-Fraktion - ich sage ganz offen: auch mich persönlich - besonders empört hat, war die Tatsache, daß der Finanzminister, wissend, daß er die Sitzung anschließend verlassen würde, in einer polemischen und aggressiven Weise einzelne Mitglieder meiner Fraktion, darunter auch mich selbst, angegriffen hat. Ich meine, dies sollten wir unabhängig davon, ob wir in der einen oder anderen Situation genötigt sein sollten, eine Sitzung früher zu verlassen, als es uns allen lieb ist, dann unter keinen Umständen tun.
({3})
Aber der Herr Finanzminister hat mir durch seine Intervention in der letzten Sitzung das Stichwort gegeben, auf die Fernsehsendung vom 28. März zurückzukommen, und das begrüße ich. Denn daß er darauf zu sprechen gekommen ist, gibt mir die Möglichkeit, das zu wiederholen, was ich in dieser Sendung gesagt habe. In dieser Sendung ging es um die Frage, welches die Ursachen für die außerordentlich starken Stimmenverluste der SPD seien. Ein Gesprächsteilnehmer, Herr Kollege Apel, führte diesen Stimmenrückgang unter anderem auf eine geringere Wahlbeteiligung der Arbeitnehmer in einigen der Wahlbezirke zurück. Ich habe demgegenüber den Standpunkt vertreten, und ich wiederhole es hier: Die Ursache für den rapiden Rückgang der Stimmen zugunsten der SPD liegt in einer tiefen Verunsicherung großer Teile der Wählerschaft durch die Regierung und durch die SPD.
({4})
Lassen Sie mich dafür nur einige ganz wenige konkrete Beispiele nennen:
Als sich die Inflationsrate der 7 %-Grenze näherte, startete der SPD-Parteivorstand die Aktion „Gelber Punkt" und griff alle Selbständigen in der Bundesrepublik Deutschland wegen ihres Gewinnstrebens und wegen Preiswuchers an, obwohl die überwältigende Mehrheit der also Angegriffenen an der Preissteigerung vollständig unschuldig war.
({5})
Große Teile der Handwerkerschaft und zahlreiche andere Wirtschaftsbetriebe, die bisher Lehrlinge ausgebildet haben, fühlen sich durch die Pläne auf dem Gebiet der beruflichen Bildung tief verunsichert, die der Herr Bildungsminister von Dohnanyi verfolgt, und auch durch die Tatsache, daß ein Teil der SPD diese ausbildenden Betriebe mehrfach als Ausbeuter apostrophiert hat.
({6})
Seit Jahren bemühen sich SPD und von der SPD regierte Bundesländer, die hauptamtlich und lebenslänglich an den Universitäten tätigen Hochschullehrer aus der tragenden Verantwortung für den Forschungs- und Lehrbetrieb aus den Universitäten herauszudrängen, und natürlich verunsichern sie dadurch diesen Personenkreis auf das schwerste.
({7})
Stark verunsichert fühlen sich Millionen von Eltern in der Bundesrepublik Deutschland durch
Unterrichtspläne und Richtlinien, die von sozialdemokratischen Regierungen - nebenbei gesagt: zum Teil solche Regierungen, meine Herren von der FDP, in denen auch die FDP vertreten ist - erlassen worden sind und deren offenkundige, entweder deutliche oder verdeckte Ziele die Ablösung unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung durch ein neomarxistisches System,
({8})
- ja, meine Herren, das tut Ihnen weh, wenn ich das sage, aber es ist die reine Wahrheit ({9})
die Auflösung oder zumindest die grundlegende Veränderung der zwischen Eltern und Kindern bestehenden Bande und die Ersetzung der deutschen Hochsprache durch eine stark vereinfachte Primitiv- oder Vulgärsprache sind.
({10})
- Ja, Sie heben die Hände empor, meine Damen und Herren: Ich sage Ihnen, durch diese Aktionen, die von der SPD oder von durch die SPD regierten Ländern unternommen worden sind, sind Millionen von Eltern - wahrscheinlich sind es zwischen zehn und zwanzig Millionen Eltern - in diesem Lande verunsichert, und das haben Sie bewirkt.
({11})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg?
Bitte!
Herr Professor Carstens, wollten Sie mit dem Hinweis auf die Vulgärsprache diesem Hohen Hause mitteilen, daß Ihr Kollege Strauß jetzt Lehrbücher für Volksschulen schreibt?
({0})
Herr Kollege Ehrenberg, Sie haben auf meinen Kollegen Strauß Bezug genommen. Herr Kollege Graf Lambsdorff hat es vorhin auch getan. Herr Kollege Graf Lambsdorff, wenn ich das richtig im Ohr habe, haben Sie dem Herrn Kollegen Strauß so eine Mischung zwischen Vilshofener Stil und Wedding-Stil vorgeworfen.
({0})
Ich möchte Ihnen sagen, Herr Kollege Lambsdorff
- ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in Wedding waren, ich war vor kurzem da -, der Wedding ist ein Stadtteil von Berlin, in dem zwar vorwiegend Arbeitnehmer wohnen, aber ich möchte an dieser Stelle sagen: Hut ab vor den Arbeitnehmern im Wedding!
({1})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Frau Präsidentin, ich darf meine Antwort wenigstens noch beenden: Denn sie haben, wenn sie auch manchmal eine drastische Ausdrucksweise besitzen, eine Gefühl für die nationalen Werte unserer Nation, das mir uneingeschränkte Hochachtung abnötigt.
({0})
Ja, das haben die Arbeiter im Wedding, meine Herren. Ich würde Ihnen empfehlen: Fahren Sie doch auch mal dahin und reden Sie mal von Zeit zu Zeit mit ihnen; dann können Sie diese Erfahrungen, die wir haben, machen.
({1}) - Ein weitere Frage, Frau Präsidentin.
Herr Abgeordneter Sieglerschmidt zu einer Zwischenfrage, bitte!
Herr Kollege Carstens, da Sie hier über Rahmenrichtlinien und Ähnliches sprechen, frage ich: Sollten Sie wegen der Unterbrechung dieser Debatte vielleicht vergessen haben, um welches Thema es bei dieser Debatte geht?
({0})
Nein, das habe ich nicht getan, Herr Kollege. Ich habe darauf hingewiesen, daß Herr Bundesfinanzminister Schmidt mich wegen meiner Äußerungen in dieser Lorenz-Runde vorige Woche angegriffen hat. Und das wird ja wohl das mindeste sein, was einem Parlamentarierer gestattet ist, daß er sich von dieser Tribüne verantwortet und verteidigt, wenn er angegriffen wird.
({0})
Schließlich und da sind wir wieder beim
Thema unserer Debatte; das habe ich in der Fernsehsendung gesagt, und ich wiederhole es hier -fühlen sich 30 Millionen Sparer in der Bundesrepublik Deutschland verunsichert durch die Tatsache, daß sie voraussichtlich allein in diesem Jahr einen Verlust von 40 Milliarden DM erleiden werden.
Dazu sagt nun die Bundesregierung: Daran sind wir nicht schuld, daran sind die hohen Inflationsraten anderer Länder schuld. Und der Herr Finanzminister hat - ich kann nur sagen: ich möchte das als eine Art Verzweiflungsakt bezeichnen - gesagt: Wenn die CDU/CSU regierte, wären die Inflationsraten noch höher.
({1})
Meine Damen und Herren, niemand von der CDU/ CSU hat jemals gesagt, die Bundesregierung sei an den hohen Inflationsraten allein schuld.
({2})
Aber sie trägt ein hohes Maß an Mitschuld und Mitverantwortung. Ich werde Ihnen dafür sieben Gründe nennen; Sie können sich mit jedem einzelnen dieser Gründe hinterher auseinandersetzen.
Erstens. Die Regierung hat zu spät gehandelt. Nun sagt Graf Lambsdorff er hat das Thema aufgenommen -: sie konnte ja nicht eher handeln, weil das Floaten bis dahin noch nicht eingeführt war. Graf Lambsdorff, das ist eine nachträgliche Entschuldigung, die Sie für das damalige Verhalten der Regierung geben. Die Wahrheit ist, daß die Regierung nicht handeln w o 11 t e. Es gibt keinen schlüssigeren Beweis für diese Behauptung als die Erklärung des Finanzministers, 5 % Inflation seien ihm lieber als 5 % Arbeitslosigkeit.
({3})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Frau Präsidentin, ich habe nur eine halbe Stunde Redezeit angemeldet. Grab Lambsdorff, ich bitte um Verständnis. Ich habe noch einiges Wichtige zu sagen, und ich möchte das gern zur Kenntnis des Hohen Hauses bringen.
Zweiter Vorwurf: Die Regierung hat durch großartige Ankündigung von geplanten Reformen, deren Finanzierung in gar keiner Weise gesichert war, den Erwartungshorizont der Bevölkerung erweitert und dadurch eine Inflationsmentalität entstehen lassen.
({0})
Herr Stoltenberg hat dies im einzelnen ausgeführt.
Drittens. Die Bundesregierung betrieb eine, wie ich meine, unverantwortliche Haushaltspolitik in dieser Zeit, indem sie insbesondere eine ständige weitere Aufblähung des Personaletats des Bundeshaushalts zuließ. Dazu drei Zahlen, meine Damen und Herren: Die Zahl der Staatssekretäre einschließlich Parlamentarische Staatssekretäre - der Bundesregierung stieg von 1968 bis 1973 um 40 °/o, nämlich von 29 auf 42, die Zahl der Bediensteten des Bundeskanzleramts um 80 %,
({1})
nämlich von 230 auf 430,
({2})
und die Zahl der B-Stellen - das sind die Stellen der leitenden Beamten ({3})
stieg um 84 %,
({4}) von 1310 auf 2400.
({5})
Vierter Vorwurf: Durch die Erhöhung der Mineralölsteuer im Sommer 1973 setzte die Bundesregierung
Dr. Carstens ({6})
selber die Lawine in Gang, die dann im Herbst die Preise in diesem Bereich emporschnellen ließ. Ich verweise auch hier auf die Rede des Ministerpräsidenten Stoltenberg; ich kann das, was er gesagt hat, nicht alles wiederholen. Die ursächliche Beziehung ist von Herrn Stoltenberg nachgewiesen worden. Und sie haben ja selbst allerorts gesagt, daß man den arabischen Ölproduzenten ihr Verhalten nicht verdenken kann, wenn sie an die Tankstellen in der Bundesrepublik gingen und feststellten, daß in dem Endprodukt 50 und mehr Pfennig Steuerbelastung steckten, und das dann verglichen mit ihrem geringen Anteil.
({7})
Fünfter Vorwurf: Durch die unsinnige Ankündigung von Erhöhungen der Postgebühren zwischen 25 % und 200% gerade in dem Augenblick, als das Gebot der Preisstabilität von der Bundesregierung lautstark verkündet wurde, setzte sich die Bundesregierung zu sich selbst in Widerspruch.
({8})
Sechster Vorwurf. Indem sie ihre Pflicht zur Setzung von klaren Orientierungsdaten nicht erfüllte, ließ die Bundesregierung die Tarifverhandlungen ohne die Orientierung, die das Stabilitätsgesetz verlangt.
Siebtens. Dadurch, daß sie das von der Opposition vorgelegte Inflationsentlastungsgesetz ablehnte, verhielt sich die Bundesregierung arbeitnehmerfeindlich.
({9})
Lassen Sie mich das wiederholen: durch diese Ablehnung verhielt sich die Bundesregierung arbeitnehmerfeindlich.
({10})
Herr Bundeskanzler, wenn Sie in Ihrer heutigen Pressekonferenz gesagt haben - ich zitiere Sie -: „Maßgebende Kreise der Union bewegen sich auf einer arbeiterfeindlichen Linie",
({11})
dann ist das eine falsche Behauptung, für die Sie nicht den Schatten eines Beweises antreten können; umgekehrt wird ein Schuh daraus.
({12})
Aber ebenso verhielt sich die Regierung durch die Ablehnung des Inflationsentlastungsgesetzes auch stabilitätswidrig. Denn der Sinn unseres Vorschlages war, die Lohnabschlüsse dadurch günstig in einem stabilitätskonformen Sinne zu beeinflussen, daß bei den kleineren und mittleren Einkommen eine Senkung der Steuern vorgenommen wurde. Die Regierung hat mit den verschiedensten, aber letztlich nicht schlüssigen Argumenten diesen unseren Vorschlag abgelehnt. Erst hieß es, er fördere die Inflation. Als man unseren Vorschlag dann verstanden hatte, hat man dieses Argument fallenlassen. Dann sagte der Finanzminister: Ich brauche aber das Geld in meinem Haushalt. Da haben wir ihm entgegengehalten: Hören Sie zu, Herr Finanzminister, wenn das die Argumentation sein soll, müßten Sie ja wünschen, daß 'die Lohnabschlüsse möglichst bei 18 oder 20% liegen; dann hätten Sie noch mehr Geld in Ihrem Haushalt. Das kann doch nicht das wirkliche Argument sein. ({13})
Dann kam schließlich das wirkliche Argument zum Vorschein. Es sind jetzt meine Worte und nicht die Worte des Finanzministers. Aber ich versuche, das zu erfassen, was er mehr oder minder verklausuliert sagt. Er scheint sagen zu wollen: Wenn ich bei den niedrigeren Einkommen jetzt steuerliche Erleichterungen vorziehe, idann könnte es vielleicht schwerer werden, die Steuererhöhungen, die ich bei den höheren Einkommen durchsetzen will, zu erreichen; ich will ja eine strukturelle Reform.
Meine Damen und Herren, dies ist ganz typisch für die Reformbemühungen dieser Bundesregierung. In ihrem Reformeifer - manchmal bin ich versucht zu sagen „Reformfanatismus" - vernachlässigt sie elementare vitale Interessen des Landes und der Arbeitnehmer.
({14})
So ist es hier beim Inflationsentlastungsgesetz, das wir vorgeschlagen haben, so ist es bei 'den Plänen zur beruflichen Bildung. Die Folge, die tief beklagenswerte Folge ist doch - wir sehen es doch alle -, daß plötzlich die Zahl der Lehrstellen schlagartig zurückgegangen ist. Das hängt doch unmittelbar mit den Plänen zusammen, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet verfolgt.
Ich möchte noch einmal sagen, damit hier kein Mißverständnis entsteht: wir bedauern das tief. Ich habe vor wenigen Tagen an die Wirtschaft appelliert - und ich tue es von dieser Stelle wieder -, die Lehrstellen den Lehrlingen, die sich um eine Lehrstelle bewerben, weiterhin zur Verfügung zu stellen. Aber die Regierung muß sich vorhalten lassen, daß sie durch ihren übertriebenen Reformeifer die vitalen Interessen derer schädigt, um deren Interessen sie sich angeblich bemühen will.
({15})
Aus allen diesen Gründen kommen die Wähler zur CDU, weil sie ihr nämlich eine wirksamere Stabilitätspolitik zutrauen.
({16})
- Ja, Sie lachen, Herr Ehrenberg, Sie lachen über den deutschen Wähler. Das ist eine schlechte Art zu lachen, möchte ich Ihnen sagen.
({17})
Ich möchte einmal ganz klar sagen: wir, die CDU/ CSU, setzen in unseren Stabilitätsbemühungen da an, wo Regierung und Parlament ansetzen können und ansetzen müssen: bei den Steuern und bei den öffentlichen Ausgaben. Eine langfristige Strategie zur Brechung 'der Inflationsmentalität und zur Wiedergewinnung der Stabilität hat nur Erfolg, wenn auch die Steuerpolitik und die Ausgabenpolitik des Staates in den Dienst der Inflationsbekämpfung gestellt werden.
Dr. Car tens ({18})
Wi: müssen dafür Sorge tragen - das sage ich mit allem Nachdruck -, daß der Staat ein existenzielles Interesse an der Überwindung der Inflation und nicht letztlich ein Interesse an der Inflation hat, um auf diese Weise immer höhere Steuern einnehmen zu können.
({19})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Frau Präsidentin, ich möchte keine weiteren Zwischenfragen beantworten.
({0})
- Ich habe eine ganze Reihe von Fragen zugelassen. Aber Sie werden mir zugeben, daß es auch einmal ganz angebracht ist, Gedankengänge im Zusammenhang vortragen zu können.
({1})
Die Wähler kommen zur CDU, weil sie sich von der CDU eine bessere Reformpolitik versprechen, nämlich eine Reformpolitik ohne Fanatismus, mit Augenmaß und unter Einschaltung von Vernunft.
({2})
In der letzten Woche - das sollte ja die letzte Sitzungswoche vor der Osterpause sein - sind in diesem Hohen Hause drei, wie ich fand, erschütternde Dokumente oder Texte - wie Sie sie nennen wollen - verlesen worden; das Urteil des Kollegen Conrad Ahlers über die SPD, das da lautet, daß der soziale Neid zu einer zentralen Motivation sozialdemokratischer Politik geworden sei
({3})
und daß die Bestrafung - ich zitiere Herrn Kollegen Ahlers - beruflicher Leistung im Mittelpunkt sozialdemokratischer Ideologie stehe.
({4})
Zweites Urteil, von Golo Mann über Herrn Bahr und seine ostpolitischen Vorstellungen: Golo Mann bezeichnet diese Vorstellungen als Knabenwerk und unsagbar unwissendes Projekt eines Ost-Locarno.
({5})
Das dritte war die Rede - oder das Plädoyer, wie Sie es nennen wollen -, die unser Kollege Schäuble zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses gehalten hat und in der schwere und begründete Zweifel
({6})
an der Glaubwürdigkeit des Kollegen Wienand und des Bundesministers Ehmke ausgedrückt wurden.
({7})
Damit komme ich zum Thema Glaubwürdigkeit. Soeben ist ein Buch von Joachim Steffen erschienen: „Strukturelle Revolution - Von der Wertlosigkeit der Sachen". Darin finde ich eine Anweisung für politisches Handeln
({8})
- ein prominentes SPD-Mitglied aus SchleswigHolstein -,
({9})
die folgendermaßen lautet - ich lese mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zehn Zeilen aus diesem Buche vor -:
({10})
- Zehn Zeilen, ich denke, das wird Ihnen genügen. Hören Sie mal zu! ({11})
Gravierend wird das Problem bei Führerfiguren, die national und international Gewicht haben, Parteiführer, die zum „Staatsmann" avanciert sind.
({12})
Er hat ein Ziel, das sich gegen vitale Interessen von C richtet. Er hat die Absicht ({13}), aus sehr handfesten Gründen mit A und B, von denen er ebenso abhängig ist wie von C, eben diesen Abhängigkeiten C gegenüber mit Hilfe von A und B zu entrinnen. Deshalb verändert er die Qualität seiner Beziehungen zu A und B. Das hat gravierende Folgen für Gesellschaft und Wissenschaft. Es muß deshalb eine langfristige Politik sein. Der Mann wäre schwachsinnig, wenn er sagte, was er wollte,
({14})
solange C noch die Chance hat, ihn politisch oder ökonomisch an seinem Vorhaben zu hindern.
({15})
Nehmen wir an, klassenpolitisch wäre dieses Vorhaben wichtig: Er darf dann seine Karten nicht offenlegen.
({16})
Gleichwohl muß er wahrheitsgemäß argumentieren. Das ist die Geburtsstunde der verschleiernden Leerformeln, die erst durch Praxis hinter dem Rücken der Massen Inhalte erhält.
({17}) So weit das Zitat von Joachim Steffen.
Dazu schreibt der „Vorwärts" in einer Besprechung des Buches, man müsse sich fragen, wie es möglich sei, daß ein Mann - nämlich Jochen Steffen -, der ein so glänzendes Buch geschrieben habe, bisher nur für eine kritische Minderheit und nicht für die Mehrheit der SPD spreche.
({18})
- Und dann erinnern wir uns an die Worte des Herrn Sonderminister Bahr - den Text habe ich jetzt leider nicht vor mir -, die dem Sinne nach lauteten, man könne die Wahrheit erst sagen, wenn man die Wahlen gewonnen habe.
({19})
Dr. Carstens ({20})
Nun wird niemand von uns - um mich wieder auf das Zitat von Joachim Steffen zu stützen - die Mitglieder dieser Regierung oder die führenden Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei für schwachsinnig halten wollen. Infolgedessen muß sich doch jeder, der diese Texte liest, fragen: Welche geheimen Absichten verfolgen die führenden Persönlichkeiten in Regierung und SPD,
({21})
die sie den Massen, wie Joachim Steffen sagt - ich würde in meiner Terminologie sagen, die sie den Bürgern, den mündigen Bürgern dieses Landes -, vorenthalten? Dann können Sie sich nicht wundern, meine Damen und Herren, wenn Ihnen diese mündigen Bürger auf diese Art von Äußerung die Quittung geben.
Nun möchte ich ein abschließendes Wort sagen. Der Herr Bundeskanzler hat in der Pressekonferenz, die ich soeben schon kurz erwähnt habe, es auch noch für nötig gehalten zu erklären, daß die Union in Gefahr sei, in ein nationalistisches Fahrwasser abzudriften.
({22})
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, bisher haben Sie immer noch zu früh geklatscht, wenn Sie mir Beifall gespendet haben. So weit, wie Sie denken können, kann ich auch denken.
({23})
Die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers ist vollständig aus der Luft gegriffen. Er trifft dafür auch nicht den Schatten eines Beweises an. Aber, Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen doch meinerseits etwas vorhalten dürfen, was Sie vielleicht beindrucken könnte: An demselben Tage, an dem Sie ein Bekenntnis zur NATO vor dem deutschen Fernsehpublikum abgegeben haben, hat die Vorsitzende der Jungsozialisten
({24})
- wenn Ihnen alle Jungsozialisten und deren Vorsitzende mittlerweile lächerlich vorkommen, meine Damen und Herren, dann sind wir in einer neuen Situation; aber das möchte ich nicht unterstellen -,
({25}) Frau Wieczorek-Zeu gesagt - ich zitiere -:
Wir sind der Meinung, daß das NATO-Bündnis erstens einer Absicherung von Kapitalinteressen, speziell der USA, dient, zweitens eine ständige Bedrohung für sozialistische Entwicklnugen in Westeuropa darstellt
({26})
und außerdem zur Absicherung von faschistischen Regimes
- Regimes, sagt sie etwa in Spanien und Griechenland dient. Außerdem meinen die Jungsozialisten, daß die Verschwendung von Rüstungsausgaben endlich
aufhören muß und daß die Finanzmittel, die in diesem Bereich ausgegeben werden, für Reformen im Interesse der Bevölkerung ausgegeben werden sollten.
Herr Bundeskanzler, wenn hier die Rede von „abdriften" ist, dann möchte ich Sie auffordern, darauf zu achten, daß Sie und Ihre Partei nicht in ein Lager abdriften, in dessen Nähe sie mittlerweile gerückt sind und für das die Vorsitzende der Jungsozialisten hier in klarer Weise gesprochen hat. Fegen Sie vor Ihrer eigenen Tür, Herr Bundeskanzler!
({27})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Kollegen Carstens möchte ich sagen: Diese Debatte sollte so nahe wie möglich an die Wirklichkeit und Sachlichkeit zurückgeholt werden.
({0})
Mit Zerrbildern der Wirklichkeit ist unserer Wirtschaft und den Menschen in unserem Lande ganz gewiß nicht geholfen.
({1})
Ich habe nicht die Absicht, mich in meinem Beitrag auf das miesdemagogische Niveau des Herrn Kollegen Carstens zu begeben.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich rede zum Jahreswirtschaftsbericht und zur ökonomischen Lage in der Bundesrepublik Deutschland.
({3})
Im Herbst habe ich für dieses Haus und für die Menschen draußen gesagt, trotz aller Schwierigkeiten
({4})
und trotz all der Schreckgespenster,
({5})
die durch das Land gejagt werden, würden wir gut über den Winter kommen. Und auch wenn es Ihnen nicht paßt: Wir sind besser als andere Länder in Europa über den Winter gekommen.
({6})
Wir brauchen trotz Ihrer Zerrbilder keinen europäischen und keinen internationalen Vergleich zu scheuen, Herr Carstens.
({7})
Eine mühsame Arbeit, für die ich den zuständigen Kabinettskollegen, der Deutschen Bundesbank und allen anderen Beteiligten dankbar bin,
({8})
hat gewiß nicht überall und durchweg die Ergebnisse bringen können,
({9})
die wir uns gewünscht hätten. Aber, Herr Kollege
Carstens, wer ehrlich ist, der muß zugeben, daß -
({10})
- Ich wiederhole - auch wenn das Wort „Ehrlichkeit"
({11})
schon gleich Widerspruch bei der Union hervorruft -,
({12})
Herr Kollege Carstens: Wer ehrlich ist, der muß zugeben, daß wir nicht schlechter, sondern besser dran sind als die Menschen in allen vergleichbaren westlichen Staaten - von den anderen ganz abgesehen.
({13})
Wie alle Industriestaaten -- und nicht nur diese -leiden wir unter der Geldentwertung, den hohen Raten der Preissteigerung. Aber die Bundesrepublik Deutschland
({14})
befindet sich, Herr Kollege Carstens, trotz aller
Schwierigkeiten am Ende des internationalen Geleitzuges. Und Sie müßten uns helfen, daß es so bleibt.
({15})
Ich will gleich hinzufügen: Dirigistische Eingriffe in den marktwirtschaftlichen Prozeß oder gar Verstaatlichungen werden von uns nicht einmal erwogen, geschweige denn vorbereitet. Und wer das Gegenteil behauptet,
({16})
der trägt zu einer Versachlichung der wirtschaftspolitischen Debatte ganz gewiß nicht bei.
({17})
Was die Beschäftigungslage, die Vollbeschäftigung, angeht, so zählen wir auch hier zu den Staaten der westlichen Welt, die sich von anderen vorteilhaft abheben. Und auch dabei soll es bleiben, meine Damen und Herren!
({18})
Im übrigen sinkt die Zahl der zeitweilig Beschäftigungslosen. Auch das soll so weitergehen, nämlich das Zurückgehen der Zahl der zeitweilig Beschäftigungslosen.
({19})
Ich halte es nicht für richtig, wenn man in gewissen Kreisen daran festhält wie es auch kürzlich wieder geschehen ist --, das Recht für jeden auf einen Arbeitsplatz als Überbeschäftigungsgarantie verächtlich zu machen.
({20})
Das sollte man nicht tun.
In der Bundesregierung kennt man so gut wie anderswo den Zusammenhang zwischen Kosten, Preisen und Beschäftigung. Nur, die vielschichtigen Ursachen für Preissteigerungen dürfen nicht verdreht und auch nicht vernebelt werden, meine Damen und Herren.
({21})
Vernebelung ist es aber, wenn zwar die Einflüsse der Einfuhrpreise auf unser Preisniveau anerkannt werden, einige Kritiker dann jedoch geschwind den Staat - so global gesagt, ohne zu differenzieren -mit seiner angeblich uferlosen Ausgabensteigerung zum Sündenbock stempeln möchten. Das kommt nicht selten von solchen, die bei anderer Gelegenheit nach wesentlich gesteigerten staatlichen Subventionen oder anders benannten Entlastungen oder Vorteilen rufen.
({22})
Übrigens will ich einmal, Herr Kollege Carstens, an einem Beispiel zeigen, wie leichtfertig Sie mit Vergleichen hier hantieren. Sie haben, als Sie auf die Stellenentwicklung in einem bestimmten Sektor der Bundesregierung hinwiesen
({23})
- das Bundeskanzleramt; natürlich greife ich dies auf --, 1968 mit heute verglichen. Als Sie Staatssekretär im Bundeskanzleramt waren, gab es neben diesem ein besonderes Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats. Es ist heute - um einen Faktor zu nennen - Teil des Bundeskanzleramts.
({24})
Damals, als Sie Chef des Bundeskanzleramts waren, wurden jene Pläne für eine im Bundeskanzleramt anzusiedelnde, mit ihm verbundene Planungsabteilung vorentwickelt. Jetzt tun Sie plötzlich so, als ob Sie davon nichts wüßten. Sie verdrehen hier wie anderswo die Tatsachen, und das ist nicht in Ordnung, Herr Carstens.
({25})
Ich habe von der Regierung gesprochen. Ich möchte hinzufügen: Auch die Gewerkschaften darf man nicht zum Sündenbock machen,
({26})
wenn man nicht gleichzeitig das Verhalten anderer ebenso kritisch unter die Lupe nimmt.
({27})
- Es bedarf nicht Ihrer Hilfe. Ich sage das als einer, von dem bekannt ist, daß er mit seiner Meinung auch gegenüber gewerkschaftlichen Vorstellungen nicht hinter dem Berg hält.
({28})
Ich werde aus meiner Verantwortung weiter sagen, was ich für richtig halte.
({29})
Wie alle wissen oder wissen sollten, ist die internationale Verflechtung ein Hauptkennzeichen unserer Wirtschaft. Viele scheinen dies doch immer wieder zu übersehen
({30})
Um so nachdrücklicher muß man immer wieder sagen und ich sage es also noch einmal -, daß wir im Weltvergleich nicht schlecht abschneiden.
({31})
Dies gilt nicht zuletzt für die Devisenreserven, für den Rang und die Härte der Deutschen Mark.
Aber die Zahl der von außen ungünstig auf uns einwirkenden Faktoren, auf die wir keinen oder kaum einen Einfluß haben, nimmt immer noch zu. Dennoch sage ich: Ewiges Herummäkeln ist nicht in Ordnung und hilft niemandem in diesem Land.
({32})
Gewiß, wir stehen wie auch die anderen Länder in einer schwierigen Wegstrecke. Aber verglichen mit vielen anderen Ländern ist unsere Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlich und sozialpolitisch doch stabil. Daran werden Sie letzten Endes auch nichts zu ändern vermögen.
({33})
Meine Damen und Herren, angesichts solcher Tatsachen kann man nur bedauern, daß manche Vertreter der Opposition immer wieder das betreiben, was, auch wenn sie das nicht gern hören, wie ein Operieren, wie ein Geschäft mit der Angst erscheinen muß.
({34})
In aller Deutlichkeit muß hier gesagt werden: Unsachlichkeit, Übertreibung und Demagogie
({35})
sind keine Hilfe für die deutsche Wirtschaft, sondern ein Schaden für unser Land.
({36})
Es wird Herrn Kollegen Carstens über den Tag hinaus jedenfalls nicht gelingen, mit demagogischen Behauptungen den Eindruck zu erwecken,
({37})
als befinde sich diese Regierung oder auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, deren Vorsitzender ich bin,
({38})
im Widerspruch zu den Mittelschichten und den Geschäftsleuten
({39})
sowie dem Handwerk, über das er hier gesprochen hat. Auch hier muß ich wiederum sagen: Wer ein bißchen besser über berufliche Bildung Bescheid weiß, würde nicht so reden, wie Herr Carstens hier geredet hat.
({40})
Wer sich mit dem Landtagsabgeordneten Steffen über ein von ihm geschriebenes Buch parlamentarisch auseinandersetzen will, sollte das durch seine Freunde im Kieler Landtag machen lassen
({41})
und nicht hier, wo sich der Verfasser nicht verantworten kann.
Im übrigen hat Herr Kollege Carstens aus einer Erklärung, die ich heute bekanntgegeben habe, zitiert. Ich will den Satz voll zitieren, weil er mir wichtig ist und ich deshalb möchte, daß ihn viele hören, Herr Kollege Carstens. Sie hatten zutreffend zitiert, aber ich habe gesagt - dazu stehe ich; das sollen alle, wie gesagt, bitte noch einmal zur Kenntnis nehmen -:
Maßgebende Kreise der Union
({42})
bewegen sich auf einer arbeitnehmerfeindlichen Linie.
({43})
Und dann habe ich hinzugefügt -
({44})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn - Brandt, Bundeskanzler: Nein, ich möchte es jetzt so halten, wie der Kollege Carstens auch.
({0})
Außerdem komme ich auf bestimmte Veranstaltungen der vergangenen Woche gleich noch zu sprechen, Herr von Bismarck. Der folgende Satz, den Herr Kollege Carstens ebenfalls nur zum Teil zitiert hat, lautet:
Gleichzeitig besteht die Gefahr
-- und wer sollte die Gefahr nach den Reden, die hier zum Tschechen-Vertrag gehalten worden sind, nicht sehen? -
({1})
- Nein!
({2})
Keine Zwischenfrage, Herr Kollege.
Nein, ich wünsche jetzt erst einmal das Zitat vorzutragen:
({0})
Herr Abgeordneter Reddemann, Sie haben nicht das Wort zur Zwischenfrage.
({0})
Der folgende Satz lautet:
Gleichzeitig besteht die Gefahr, daß die Opposition
- und das bezog sich auf Argumente zum NV-
Vertrag, zum Vertrag mit der CSSR und andere in ein nationalistisches Fahrwasser abdriftet und dadurch
- hören Sie zu ({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Bundeskanzler weitersprechen zu lassen.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich habe hier keine Zwischenrufe gehört. Wir werden nachher aus dem Protokoll erfahren, ob da etwas zu rügen ist. - Herr Bundeskanzler, bitte, fahren Sie fort.
({1})
Der Satz, den ich vorzulesen versuchte, weil er, wie der vorige unvollkommen vorgetragen worden war, lautet:
Gleichzeitig besteht die Gefahr, daß die Opposition in ein nationalistisches Fahrwasser abdriftet und dadurch die gemeinsame Vertretung wirklich nationaler Belange erschwert.
Das habe ich tatsächlich gesagt.
({0})
Und dann habe ich hinzugefügt, Herr Kollege Carstens:
Um so wichtiger muß es für uns sein,
- das an die Adresse meiner politischen Freunde -an einem ausgewogenen Reformkurs festzuhalten
({1})
und einem Rückfall in mißverstandenen Konservativismus nicht nachzugeben. Der Erfolg der Union ginge auf Kosten des sozialen Fortschritts und der mitbürgerlichen Mündigkeit.
Dies meine ich nun wirklich.
({2})
In aller Offenheit muß ich, was die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge angeht, auch folgendes sagen. Niemand dürfte eigentlich, meine Damen und Herren von der Union, ein Interesse daran haben, unseren Partnern in der Welt ein Bild zu vermitteln, das negativ grob verzeichnet ist.
({3})
Herr Bundeskanzler, lassen Sie auch eine Zwischenfrage zu?
({0})
Nein, Frau Präsidentin, ich möchte im Zusammenhang sprechen. - Diese
Partner in der Welt setzen Vertrauen berechtigtes Vertrauen - in die ökonomische Leistungsfähigkeit und die politische Verantwortungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland. Wer dieses Vertrauen der Partner in der Welt zu dieser Bundesrepublik untergräbt, schädigt einmal die breiten Schichten der Arbeitnehmer und ihrer Familien, die im übrigen Anspruch darauf haben, Herr Carstens, daß sie mit schwierigen ökonomischen Sachverhalten sachlich und nicht grob polemisch vertraut gemacht werden.
({0})
Wer das Vertrauen der Partner in der Welt untergräbt,
({1})
schädigt auch die Unternehmer, deren Basis für Kalkulation und Investitionsentscheidungen hier mit berührt wird.
({2})
Wer Verantwortung trägt - ob in der Koalition oder in der Opposition , der darf nicht, der dürfte nicht daran mitwirken, wenn das für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung so notwendige Selbstvertrauen derer, die am Wirtschaftsleben beteiligt sind, permanent angegriffen wird, wie das hier geschieht.
({3})
Hier ist am Freitag laut gelacht worden, als der Kollege Dr. Ehrenberg positive Stellungnahmen aus dem Ausland im Rahmen seiner Betrachtungen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage bei uns ins Feld führte.
({4})
Hoffentlich haben die Urheber dessen, was wie Hohngelächter klingen sollte, an die Wirkungen gedacht. Ich meine, es spräche viel dafür,
({5})
gewichtige ausländische Äußerungen auch dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie einem nicht in den Kram passen.
({6})
Ich darf selbst aus einem Kommentar einer großen südwestdeutschen Zeitung vom 29. März zitieren. Dort heißt es im Zusammenhang mit dieser unterbrochenen, heute fortgesetzten Debatte - ich darf zitieren :
Die Bundesrepublik ist unbestreitbar das Industrieland mit der geringsten Geldentwertung in der Welt; doch vor allem
- dies auf die Debatte und ihre Argumente bezogen der Untergang der Bundesrepublik in Inflation und Chaos wird an die Wand gemalt.
Weiter heißt es:
Die Bundesrepublik hat einen verschwindend
geringen Anteil an Streiktagen gegenüber anderen westlichen Industriestaaten; doch vor allem
- wieder auf die Debatte bezogen ihr Untergang in gewerkschaftlicher Machtwillkür und Klassenkampf wird an die Wand gemalt.
Die Opposition kann, so scheint mir, entweder --wenn auch in verständlicher kritischer Distanz - das Konzept der Bundesregierung im großen und ganzen mittragen; dann sollte sie sich nicht scheuen, dies auch zu sagen. Das ist die eine Möglichkeit.
({7})
Oder sie kann unser Konzept ablehnen; dann müßte sie aber, Herr Carstens, statt solche Reden zu halten, wie Sie eine und Herr Strauß am Freitag eine - mit etwas mehr Inhalt - gehalten haben,
({8})
eine eigene geschlossene Gegenvorstellung auf den Tisch legen. Daran fehlt es auch heute wieder!
({9})
Oder sie kann weiterhin den Versuch machen, einer eindeutigen Stellungnahme auszuweichen. Das kann sie aber, meine Damen und Herren, auf die Dauer selbst nicht wirklich befriedigen.
({10})
Regieren ist - wir wissen das aus Erfahrung -schwieriger als Opponieren. Aber so leicht, wie man es sich unter Federführung von Herrn Strauß, der -- wenn ich es scherzhaft sagen darf - im Augenblick wohl die ökonomische Lage in der Republik Italien zur Kenntnis nimmt,
({11})
und von Herrn Carstens macht, darf man es sich wirklich nicht machen.
Noch eine Bemerkung aus aktuellem Anlaß.
({12})
Ich hoffe, daß das nicht um sich greift, was insoweit in den hinter uns liegenden Tagen bei gewissen Kundgebungen zu verzeichnen war. Damit meine ich politisch törichte Versammlungsstörer ebenso wie unnötig herausfordernde Advokaten von durchsichtigen Sonderrechten.
({13})
Was hei solchen Veranstaltungen - teilweise mit dem Sprachschatz der Theologie angereichert - dargeboten wurde, hat mit rationaler Argumentation so gut wie nichts zu tun und erschwert einfach nur Gespräche, die notwendig sind oder bald notwendig werden.
Wenn ich an gewisse Reden dieser Kundgebungen denke, dann frage ich mich, was hierzu eigentlich die vielen Unternehmer sagen, die wissen, daß
das Investitionsklima entscheidend vom sozialen Frieden in einem Land abhängig ist.
({14})
Dieser Frieden - das will ich über diesen Saal hinaus gesagt haben - wird nicht dadurch gestört, daß sozialer Fortschritt und Reformen diskutiert und vorangebracht werden,
({15})
das Gegenteil ist doch der Fall.
({16})
Gestört wird der soziale Frieden durch krasse Einseitigkeit,
({17})
etwa durch emotionale Aufforderung zum Boykott, wie wir es kürzlich erlebt haben,
({18})
und auch durch die Verketzerung von Vorschlägen,
({19})
die zu einer modernen, durch die Arbeitnehmer mitbestimmten Unternehmensverfassung einfach nein sagen.
({20})
Meine Regierung weiß um ihre Verantwortung gegenüber allen Gruppen in diesem Land. Wir sind offen für jedes sachliche Gespräch,
({21})
und wir wollen weiterhin unser Bestes tun, um die Vertreter unterschiedlicher Interessen
({22})
zu sachlichen Gesprächen an den Tisch zu bringen.
({23})
Klassenkämpferisch zugespitzte Kampagnen, von welcher Seite auch immer, stören diese Bemühungen.
({24})
Ich wende mich gegen solche Kampagnen
({25})
und muß sehr darum bitten, unnötige Zuspitzungen zu vermeiden.
({26})
Wie steht es nun um die vier hauptsächlichen Aktionsfelder der Wirtschaftspolitik, um die es sich meiner Meinung nach im Augenblick handelt? Darf ich dies in der gebotenen Kürze zu sagen versuchen?
Es gibt ein Aktionsfeld Nummer 1, auf dem es darum geht, daß wir das Ziel ausreichender Stabilität auf keinen Fall aus dem Auge verlieren dürfen. Bundesminister Friderichs hat am vergangenen Freitag dargelegt, was hier in den vor uns liegenden Monaten zu tun ist. Mittelfristig gilt, daß wir Markierungspunkte haben, die ungestraft nicht überschritten werden dürfen.
({27})
Zu diesen Markierungspunkten zähle ich in erster Linie die internationale Einbettung unserer Volkswirtschaft und die internationale Verantwortung unserer Politik, das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes und die Notwendigkeit ausreichender öffentlicher Leistung.
({28})
In diesem Rahmen bleibt Raum zum Handeln, und wir bleiben tätig, um den inflationären Druck aus unserer internationalen Wirtschaftstätigkeit so gering wie irgend möglich zu halten.
Wir bleiben tätig, um die Steigerung der öffentlichen Haushalte - wenn es irgend geht: mit Ihrer Hilfe - in diesem Hohen Haus sachgerecht zu begrenzen. Das wird besonders für das vor uns liegende Jahre 1975 gelten. Der Bundesfinanzminister hat mit seinem Mut zur Unpopularität meine volle Rückendeckung. Ich möchte hoffen, daß man uns im Bundesrat oder im Finanzplanungsrat auch durch die von der Union geführten Länder nicht im Stich läßt.
({29})
Wir bleiben tätig, so daß die Tarifautonomie unangetastet bleibt, auch wenn etwa in bezug auf den öffentlichen Dienst gewisse Fortentwicklungen zu diskutieren sein werden. Aber wir wollen uns alle klarmachen - wir sollten es jedenfalls tun -, daß die Konsequenzen tarifpolitischer Entscheidungen für Kosten, Preise und Beschäftigung nun einmal nicht wegzuzaubern sind.
Das Aktionsfeld Nummer 2 handelt davon, daß gerade bei einem Übereinandertreffen von ruhiger Konjunktur und rascherem Strukturwandel das Ziel, jedem einen guten Arbeitsplatz auch künftig zu sichern, unverändert gelten muß.
({30})
Außerdem muß und wird die soziale Sicherung bei vorübergehender Beschäftigungslosigkeit und Kurzarbeit unangetastet bleiben. Im übrigen weise ich auf die zahlreichen Maßnahmen hin, die die Bundesregierung seit Dezember mit der Absicht einer gezielten konjunkturellen Belebung und strukturellen Fortentwicklung getroffen hat. Jedenfalls soll jeder wissen, daß wir uns von der Sicherung eines hohen
Beschäftigungsstandes nicht abbringen lassen werden.
({31})
Das Aktionsfeld Nummer 3: Wir müssen mit dafür sorgen - wir auf Grund des ökonomischen weltwirtschaftlichen Gewichts dieser Bundesrepublik -, daß der Welthandel möglichst störungsfrei gehalten wird. Ich wiederhole deshalb hier, was ich früher gesagt habe: 1974 darf nicht zum Jahr der Protektionisten in der Welt werden.
({32})
Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft müssen wir uns zunächst auf die Konsolidierung des Erreichten konzentrieren. Hierzu haben wir uns in der vergangenen Woche geäußert. Unsere Bemühungen sind international angereichert. Im GATT, bei den Währungskonferenzen, bei der Washingtoner Energiekonferenz, überall werden wir beharrlich und geduldig an den jetzt und in der nächsten Zukunft möglichen Lösungen mitarbeiten.
Ein aktuelles Wort, wenn ich darf, zu den Verhandlungen des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg: Wir werden das, was dort insbesondere durch die britische Regierung in die Diskussion gebracht worden ist, sehr ernst nehmen und natürlich sorgfältig prüfen. Deshalb heute nur folgende Anmerkungen, von denen ich die erste mit besonderer Klarheit zu treffen habe: Die Verträge von Paris und Rom, die der Europäischen Gemeinschaft zugrunde liegenden Verträge, stehen ebensowenig zur Disposition wie der Weg, den zu gehen wir uns in Den Haag 1969, in Paris 1972 und in Kopenhagen im Dezember 1973 entschlossen haben. Die Bundesregierung ist bereit, in diesem Rahmen über gewisse Anpassungen mit sich reden zu lassen. Wir gehen davon aus, daß die britische Regierung ihre Vorstellungen rasch präzisieren wird. Unannehmbar wäre allerdings ein Stillstand, eine Lähmung der Gemeinschaft während der Zeit, in der verhandelt wird.
In der Zwischenzeit sollten wir alle miteinander, denen an Europa liegt, auf voreilige Äußerungen mit negativem Akzent verzichten. Dies gilt auch für die Opposition, deren Sprecher sich gestern, wie ich meine, wenig hilfreich, nämlich durch das Hineinnehmen innenpolitischer Vorgänge in einem befreundeten Land geäußert hat. Polemische Kritik gegen unseren britischen Partner hilft in der Tat niemand, sondern schadet nach Lage der Dinge der Gemeinschaft und der europäischen Solidarität. Das wollte ich hier gerne gesagt haben.
({33})
Es bleibt ein Aktionsfeld Nummer 4, und dabei geht es meiner Meinung nach um folgendes: Es geht darum, auch in einer solchen Zeit, wo Stabilität, Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliche Absicherung immer hin- und hergewälzt werden, über den Tag hinaus Aufmerksamkeit auf die gebotene Modernisierung unserer Volkswirtschaft zu lenken und zu fragen, wie diese vernünftig gefördert werden kann, d. h. auf diesen Prozeß der Anpassung
({34})
und Fortentwicklung mit den Mitteln einzuwirken,
({35})
die zu unserer Wirtschaftsordnung passen.
({36})
Eine besondere Anstrengung in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren ist hier ganz gewiß notwendig, und die Begründung für solche Anstrengungen liegt einmal im technologischen und strukturellen Wandel und in den Veränderungen auf den Weltmärkten, also in weit mehr als der Öl- und Rohstoffpreiskrise.
Was ist hier zu tun? Einmal wird die Forschungspolitik gerade unter diesen Gesichtspunkten der ökonomischen Fortenwicklung zielstrebig fortzuführen sein, zum anderen gilt es, den Strukturwandel wie bisher sozial zu flankieren, drittens werden wir uns verstärkt um eine ausgeglichene regionale Strukturpolitik zu bemühen haben, und viertens muß die Energie- und Rohstoffversorgung als Grundlage der weiteren Entwicklung gesichert werden.
({37})
Bei der Anpassung und Modernisierung der Volkswirtschaft geht es nicht um etwas Furchterregendes, sondern es geht in Wirklichkeit um eine große Chance für unsere Wirtschaft und für unser Volk. Diese Chance sehe ich in einer schrittweisen zukunftsorientierten Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur, in der Sicherung einer ausreichenden Zahl auch künftig attraktiver und konkurrenzfähiger Arbeitsplätze und in einer Produktivitätssteigerung der Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit. Bei all dem wird man bereit sein müssen, vorhandene Instrumente unserer marktwirtschaftlichen Ordnung anzuwenden und fortzuentwickeln.
Ich habe soeben den Fixpunkt der am Markt orientierten Wirtschaftsordnung schon genannt. Ich nenne als zweiten Fixpunkt den festen Einbau unserer Volkswirtschaft in die Europäische Gemeinschaft und die Weltwirtschaft und drittens die Präsenzpflicht des demokratischen Staates und die sich zunehmend verbreiternde Mitverantwortung im wirtschaftlichen Geschehen.
Das Konzept einer zielstrebigen Modernisierung unserer Volkswirtschaft
({38})
kann der Staat weder allein entwickeln noch allein durchsetzen. Dies ist über alle Polemik hinaus ein lohnendes Thema für alle, die über den Tag hinauszudenken bereit sind.
({39})
Ich möchte das Gespräch hierüber mit den Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen empfehlen und selber suchen. Wir dürfen hier in der Tat nichts versäumen.
Um das, was ich einleitend sagte, noch einmal aufzugreifen: Ich bin mir wohl bewußt, daß viele Bürger nicht zufrieden sind und sich fragen, ob die Zukunft im Zeichen von mehr Unsicherheit stehen wird. Wer sich jedoch umschaut bei uns selbst, in Europa und in der Welt, der wird feststellen: Die wirtschaftliche und die soziale Lage in unserem Lande ist viel besser, als Berufspessimisten sie hinstellen.
({40})
Und trotz mancher unverkennbarer Probleme ist die wirtschaftliche und soziale Lage der großen Mehrheit unserer Bürger in einem ganz anderen Maße gesichert, als es ihnen von den Schwarzmalern eingeredet werden soll.
({41})
Bedauerlich bleibt, daß extrem unsachliche Behauptungen hier und da für Wirtschaftspolitik gehalten werden.
({42})
Wir müssen statt dessen von den Tatsachen sprechen und uns mit ihnen auseinandersetzen,
({43})
ob das nun einfach ist oder nicht. Die Aufgaben, die vor uns liegen,
({44})
erfordern von uns viel Kraft und Ausdauer, auch, meine Damen und Herren, den Mut zu Hinweisen, die nicht durchweg populär sein können.
({45})
Ich vertraue jedoch darauf, daß sich der Sinn unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger für das, was machbar, und für das, was fair ist, durchsetzen wird.
({46})
Vizepräsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Katzer. Für ihn ist eine Redezeit von 30 Minuten beantragt.
({47})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, ich bedauere Ihre Rede zutiefst.
({0})
Das war die Rede eines Kanzlers, der seiner Sache nicht mehr sicher ist.
({1})
Das war die Rede eines Kanzlers, der seine Sache in Wahrheit schon aufgegeben hat und gar nicht mehr antreten will.
({2})
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, nach den letzten Wahlen so nervös werden, dann habe ich Sorge um Ihren Gesundheitszustand am Ende dieser Legislaturperiode bei all den Wahlen, die noch vor uns stehen.
({3})
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, von Klassenkampf sprechen, von wo immer er kommt, und dann hier sagen: „Mieses demagogisches Niveau von Herrn Carstens", dann weise ich das mit allem Nachdruck für die CDU/CSU-Fraktion zurück.
({4})
Herr Bundeskanzler, man braucht Ihnen nicht besonders nahezustehen, um den Autoritätsverlust und den Autoritätsverfall zu bedauern, den Sie in eindreiviertel Jahren erreichen mußten, und zwar doch nicht durch uns, durch finstere Kräfte, sondern durch ihre eigene Fraktion, die das bewirkt hat.
({5})
Sie können uns doch nicht im Ernst anlasten, verehrter Herrr Bundeskanzler, daß die SPD zerstritten ist, daß Ihre FDP-Koalition unsicher geworden ist.
({6})
Das ist doch nicht unser Problem. Das ist Ihr Problem, das Sie lösen müssen. Die Art und Weise, wie Sie versucht haben, den Autoritätsverfall hier aufzuhalten, ist für mein Empfinden genau der verkehrteste Weg, den Sie überhaupt gehen können.
({7})
Sie tun so, Herr Bundeskanzler - die Vokabel ist ja gefallen, ich weiß nicht, wie oft -,
({8})
als ob hier Polemik, ein Geschäft mit der Angst betrieben wird. Herr Bundeskanzler, Sie sagen dann, Sie möchten uns auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Nun, dann wollen wir doch bitte mal von diesen Tatsachen reden! Das sind 600 000 Arbeitslose in unserem Lande, das sind 300 000 Kurzarbeiter! Das sind doch die Tatsachen, mit denen sich unsere Bürger auseinanderzusetzen haben.
({9})
Herr Bundeskanzler, Sie können sich doch wirklich nicht hierhinstellen - -({10})
- Nein, das kann er nicht.
({11})
- Herr Kollege Ollesch, lassen Sie mich doch aussprechen! Das kann er nicht. Wenn er als Kanzler für mehr sprechen will als für Sie und die andere Seite des Hauses, kann er sich das nicht erlauben.
Nun, Herr Bundeskanzler, wie ist denn die Lage? Wir haben Ihnen 1969 einen geordneten Haushalt übergeben. Wir haben 1972 hier gesagt: Stabilität ist nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles nichts. Sie haben gesagt „Schwarzmalerei", Sie haben dann gesagt: „Bei 4 °,'o wird es ernst, dann werde ich mich sebst darum kümmern."
({12})
Das ist doch die Entwicklung gewesen. Wir haben Sie rechtzeitig gewarnt. Sie haben uns ewig nur als Neinsager und Schwarzmaler hingestellt. Nun, wir haben Ihnen einen Haushalt übergeben, der so gut war,
({13})
daß Sie in Ihrer Regierungserklärung Steuersenkungen versprochen haben. Was ist dann in Wahrheit passiert? In Wahrheit sind Steuermehreinnahmen noch und noch.
({14})
- Sie müssen Ihr Wahlergebnis analysieren, wie Sie wollen. Ich will mir Ihren Kopf nicht zerbrechen, und ich will Ihnen dabei auch gar nicht helfen. Aber alles, was Sie heute getan haben, das hilft Ihnen mit Sicherheit überhaupt nicht weiter. Denn wenn es so ist - gehen Sie doch wirklich mal in den Wedding, gehen Sie mal nach Hamburg-Altona und diskutieren Sie mit den Arbeitern dort! Die sind es einfach leid, daß von einer Mark Lohnerhöhung, die sie bekommen, 53 Pfennig noch übrigbleiben und 47 Pfennig in die Hand des Staates zurückgehen. Das sind sie leid, und das wollen sie nicht. Das ist die Position.
({15})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Katzer, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wichert?
Ich halte es da wie der Bundeskanzler. Ich will meine Redezeit so durchreden, wie der Kanzler das hier vorhin getan hat.
({0})
Das ist die Situation, Herr Bundeskanzler, in der Sie sich befinden. Herr Carstens hat zu Recht gesagt: Niemand von der CDU/CSU macht Sie für alle Preissteigerungen verantwortlich. Das tut niemand, und das kann niemand machen. Aber wir können und dürfen Sie nicht aus der Verantwortung für die Züchtung der Inflationsmentalität entlassen, die Sie jahrelang betrieben haben.
({1})
Sie selbst haben immer wieder gesagt: „Unterm Strich geht es allen besser." Es geht eben unterm
Strich nicht besser. Die Rentner wären auf der Strecke geblieben, wenn wir nicht dafür gesorgt hätten, daß die Renten ein halbes Jahr vorgezogen würden.
({2})
Der Finanzminister sagt: „Lieber 5 % Preiserhöhung als 5 % Arbeitslosigkeit". Damals hatten Sie noch einen Wirtschaftsminister, für dessen 20jährige Parteizugehörigkeit Sie sich heute offenbar genieren. Der hat doch hier gesagt: „Wir gehen von 4 auf 3 auf 2". Da wußte er genau, wie es gehen sollte. Stimmt ;a auch; nur die Richtung war anders: nach oben gerichtet.
Sie haben doch mit diesen Erklärungen, Herr Kollege Schmidt - ich habe das bei der Beratung des Kanzlerhaushalts hier im Hause mehrfach kritisiert -, praktisch eine Inflationsmentalität geschürt. als könne man in die Preise ruhig hineingehen, das andere sei nicht so schlimm. Nun haben wir diese Zahlen, mit denen sich der Bürger auseinanderzusetzen hat. Das hat nichts damit zu tun, Herr Bundeskanzler, wie Sie meinen, daß die Opposition hier etwas schüre. Wir brauchen nichts zu schüren, sonder wir nehmen das entgegen, was uns vom Wähler von Versammlung zu Versammlung entgegengetragen wird. Das artikulieren wir hier. Das ist unsere Aufgabe.
({3})
Herr Bundeskanzler, in den 17 Jahren, die ich dem Hause angehöre, ist für mich immer erstaunlich gewesen: Sie sind sehr unempfindlich, wenn es darum geht, die Opposition zu kritisieren. Aber wenn die Opposition von ihrem Recht und ihrer Pflicht auf Kritik Gebrauch macht, dann sagen Sie, das sei geradezu unerhört und unerträglich. Wir müssen das hier zur Sprache bringen; denn Sie selbst tun es ja nicht. Sie beweihräuchern sich doch nur und sagen: Es geht uns doch immer noch gut, es geht uns doch immer noch herrlich.
({4})
Herr Bundeskanzler, wenn Sie dann diese Kritik herunterspielen und sagen, es nütze nichts, herumzumäkeln wie Sie das nennen - oder hier mit der Angst zu spielen, kann ich nur sagen: Die parlamentarische Kontrolle mit solchen Ausdrücken zu belegen ist schlechter parlamentrischer Stil. Wir sind Opposition und kritisieren, hart und, wenn Sie so wollen, auch ein Stückchen mehr, als für Ihren Geschmack schön wäre. Aber das ist doch die einzige Möglichkeit, Sie dazu zu bewegen, endlich eine Politik zu machen, die Stabilität wirklich in den Mittelpunkt Ihrer Sorge stellen wird.
({5})
Dann halte ich es, verehrter Herr Bundeskanzler, auch nicht für gut, wenn Sie sagen, maßgebliche Kreise der Union verträten eine arbeitnehmerfeindliche Linie. Ich bitte Sie doch sehr, diese zu nennen, Herr Kollege Carstens hat sieben Punkte aufgezeigt. Er hat Namen, Roß und Reiter genannt. Was tun Sie? Sie sagen. da solle sich der Herr Stoltenberg mit Herrn Steffen in Schleswig-Holstein im Landtag unterhalten. Als wenn das nicht ein Problem ist, das
wir im Deutschen Bundestag in aller Öffentlichkeit besprechen müßten!
({6})
- Ach, wissen Sie: ({7})
Das hat er - entschuldigen Sie, Herr Kollege - erstens nicht gesagt.
({8})
Zweitens hat er sich korrigiert,
({9}) und drittens ist das unser Problem.
({10})
Sie werden Ihre Probleme noch lösen müssen! Ich wünsche Ihnen ja viel Vergnügen dabei.
({11})
Lassen Sie mich nur eines sagen dann werden
Sie das vielleicht gar nicht so schrecklich lustig finden -: Wenn wir einmal darüber nachdenken, daß innerhalb von eineinviertel Jahren Wählerbewegungen mit Größenordnungen von 10,5, 15 % möglich geworden sind -
({12})
- Natürlich nicht, sondern weil Sie so schlecht sind! Das ist der entscheidende Punkt, den der Wähler begriffen hat.
({13})
Es gibt sehr viele Leute, die sagen: Jede Regierung wird nicht gestürzt, weil die Opposition gut ist, sondern weil die Regierung so schlecht ist. Das scheint im Augenblick vom Wähler so gedeutet zu werden.
({14})
Aber ich will Ihnen sagen, Herr Kollege: Darüber sollten wir miteinander nachdenken können, auch in einer hitzigen Debatte. Wenn das so möglich ist, ist es auch möglich, daß das in einem Jahr oder eineinhalb Jahren auch wieder anders aussehen könnte.
({15})
- Entschuldigen Sie, ich will Ihnen das in aller Ruhe sagen. Darüber sollten wir nachdenken. Beim letzten Mal hatte der Wähler die Sorge, daß der Mechanismus des Machtwechsels vielleicht nicht funktionieren könne. Jetzt kann eine Situation entstehen, bei der sich alle Demokraten in diesem Lande sehr sorgfältig überlegen müssen, ob dann nicht Gruppierungen kommen, die noch gar nicht in diesem Hohen Hause vertreten sind, weil sie diesem und jenem das nicht zumuten. Deshalb müssen wir doch miteinander darüber eine Diskussion führen. Wenn die Opposition die Regierung kritisiert, kann die Regierung nicht sagen, das sei unerhört und unglaublich, sondern sie muß das hinnehmen, mit uns diskutieren und sagen: Wir wollen das so und
so anders machen. Das ist die Position, anders kann sie nicht sein.
({16})
Ich bin bei der „arbeitnehmerfeindlichen Linie" gewesen. Wir haben die Zitate gerade gehört. Bitte, Sie mögen das halten, wie Sie wollen. Aber wie kommt es eigentlich, daß der DGB-Vorsitzende des Landesbezirks Bayern, Herr Kollege Rothe, öffentlich erklärt, man könne viele Leute der CSU eher wählen als die selbsternannten Theoretiker?
({17})
- Entschuldigen Sie, hören Sie sich das doch einmal an, das ist ja kein Wort von uns. Ich begrüße das nebenbei im Interesse der Einheitsgewerkschaft
({18})
und kann nur wünschen, daß dem überall Rechnung getragen wird. Aber das alles sind doch Vorgänge, von denen ich meine, Sie sollten sich mit ihnen auseinandersetzen. Wir wollen Ihnen eine faire Opposition sein; wir wollen Ihnen mit Fakten, wie Herr Carstens das hier getan hat, Punkt für Punkt belegen, und dann sollen Sie darauf nicht mit demagogischen Verdächtigungen, sondern genauso mit Fakten auf der anderen Seite antworten. Das ist der Sinn des Parlamentarismus.
({19})
Meine Damen und Herren, der damalige Oppositionsführer Willy Brandt hat am 6. Dezember 1961 hier im Deutschen Bundestag dazu folgende Stellungnahme
({20})
abgegeben - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Dies ist nicht die Regierung, die wir in dieser Zeit für notwendig halten ... Meine Freunde werden es dieser sehr bewußt gegen uns gebildeten Regierung allerdings nicht leichter machen, als sie es verdient, nicht leichter, als es dem Interesse unseres Volkes, wie wir es sehen, in dieser ernsten Lage entspricht.
Genau das ist die Haltung der Opposition in dieser Debatte, und wir nehmen für uns das gleiche Recht in Anspruch, das Sie damals nebenbei bemerkt mit Recht - für sich in Anspruch genommen haben.
({21})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Der Vorsitzende der Oppositionsfraktion hat zu den ökonomischen Teilen der Debatte nichts oder nahezu nichts gesagt.
({0})
Dies ist auch kein Wunder. Er hat sich weder mit der Entwicklung der Situation im Februar /März dieses Jahres auseinandergesetzt - dies hat er wohl deswegen nicht getan, weil die neuesten Zahlen zu positiv waren -, noch hat er sich mit der Frage auseinandergesetzt,
({1})
wie die Entwicklung im vergangenen Jahr gelaufen ist. - Das Wort „Jubel" ist hervoragend, denn einer der Ihren hat neulich gesagt: Jubelphase, nächste Phase Heulphase. Ich habe den Eindruck, das steht Ihnen bevor.
({2})
- Ich habe Ihnen zu der Frage, ob die Zahlen stimmen oder nicht, nur folgendes zu sagen: Wenn Sie sich die Entwicklung des vergangenen Jahres anschauen, dann sehen Sie im Jahresverlauf, daß wir von Mai an - dem Termin, 'an dem das Stabilitätsprogramm verabschiedet und in Kraft gesetzt worden ist - nur noch im Juni eine zunehmende Rate bei der Preissteigerung hatten und dann einen Rückgang im Monatsvergleich im August auf plus/ minus Null. Allerdings hatten wir einen sprunghaften Anstieg im November angesichts der Ereignisse im Nahen Osten zu verzeichnen.
({3})
- Entschuldigen Sie bitte, im September war es plus 0,1, damit das ganz klar ist, und dann lauten die Zahlen 0,8, 1,2, weil es ganz selbstverständlich war, daß die Dinge auf der internationalen Szene nicht spurlos an uns vorübergegangen sind.
Wenn der Oppositionsführer sich mit den Fragen auseinandergesetzt hätte, dann hätte er auch zitieren können, was der Sachverständigenrat im vergangenen Jahr unter Textnummer 105 dazu gesagt hat, nämlich folgendes: ohne die Verteuerung von Heizöl wäre der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Oktober nicht um 6,6, sondern um ganze 5,9 gestiegen.
({4})
- Im Vergleich mit anderen Ländern, Herr Kollege, ist dies eine beachtliche Leistung. Die lassen wir uns von Ihnen hier auch nicht kaputtreden. Nehmen Sie das zur Kenntnis!
({5})
Der Herr Oppositionsführer hat die Behauptung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, die dieser wohl in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates gemacht hat, hier wiederholt, die Bundesregierung habe keine Orientierungsdaten gegeben. Dazu kann ich nur sagen: Durch Wiederholung wird es nicht wahrer und nicht richtiger. Die Bundesregierung hat gemäß § 3 Satz 2 des Stabilitätsgesetzes sehr wohl ihre Orientierungsdaten vorgelegt. Mag sein, daß Sie sie nicht gelesen haben.
Sie hat es im Detail in der Drucksache 7/1646 unter Textnummer 10 getan.
Aber ich habe es satt, Herr Professor Carstens, daß mit Biedermannsmiene hier in dieser Form die Leute für dumm verkauft werden. Lassen Sie mich das sagen.
({6})
Sie laufen draußen herum und erklären, Sie seien gegen Lohnleitlinien, und predigen diese hier unter anderem Vorzeichen. Wir werden das im Wirtschaftsausschuß zur Diskussion stellen, ob Sie abweichen oder nicht.
({7})
Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
({8})
Bitte schön!
Herr Bundesminister, darf ich in diesem Zusammenhang, da Sie mit Ihrer Bemerkung eben auf den Stil des Oppositionsführers eingegangen sind,
({0})
darauf hinweisen, daß nunmehr auch im Protokoll nachzulesen ist, daß ich vorhin den Stil und die Wortwahl des Herrn Strauß, die dieser in Vilshofen und im Wedding gebraucht hat, gemeint habe, selbstverständlich - als alter Berliner - nicht die Ausdrucksweise der Arbeiterschaft von Wedding,
({1})
und daß ich das, was Herr Professor Carstens hier dargestellt hat, für eine unfaire und boshafte Verdrehung halte.
({2})
Meine Damen und Herren, da wir uns gerade mit dem Stil befassen, möchte ich einen weiteren Punkt Ihrer Rede, Herr Carstens, aufgreifen. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Ausführung zur Vermehrung der B-Stellen haben sagen wollen.
({0})
Aber wir werden uns jetzt darüber unterhalten. Sie wissen als früherer Staatsbeamter sehr wohl, daß die Vermehrung der B-Stellen, genau genommen die Aufteilung der Ministerialratsstellen auf einen bestimmten Anteil - ({1})
-- Natürlich geht es darum. Das ist Ihnen unangenehm, daß ich das sage, weil hier der Biedermann wieder durchkommt; ja, damit das ganz klar ist.
({2})
Sie wissen sehr genau, daß die Aufteilung der Ministerialratsstellen
({3})
in einem bestimmten Anteil A-16-Stellen und einen bestimmten Anteil B-3-Stellen auf Grund eines Besoldungsneuregelungsgesetzes erfolgt ist, dem Ihre Fraktion zugestimmt hat. Dies wollte ich Ihnen hier sagen.
({4})
Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rawe?
Herr Bundesminister, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß es nicht um die Frage der Aufteilung der B-Stellen geht, sondern darum, daß in dem Kanzlerhaushalt in der von Herrn Carstens genannten Zeit der Personaletat eben um 80 °/o der Stellen vermehrt worden ist, und das zu beklagen ist?
({0})
Das ändert doch gar nichts daran, daß Herr Professor Carstens auch gesagt hat, um welchen Prozentsatz sich während dieser Regierungszeit die Anzahl der B-Stellen erhöht habe. Das war nicht bezogen auf das Kanzleramt. Das können Sie im Protokoll nachlesen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Ja, selbstverständlich!
Herr Minister, zur Klärung dieser Frage: Ist Ihnen nicht klar, daß es außer dieser Aufteilung in A 16 und B 3, von der Sie jetzt eben sprachen, auch noch die Stellen von B 5 bis zu B 9 hin gibt, wo genau diese Unterscheidung nicht gemacht wird? Das sind die Spitzenstellen, um die es geht.
({0})
Dies ist mir sehr wohl klar. Aber die Prozentzahlen, die Herr Carstens genannt hat, bezogen sich auf die Gesamtzahl der B-Stellen. Das ist eben das, was ich kritisiere, daß man so tut als ob, sich mit dem Gesicht eines Biedermanns hierher stellt und die Zusammenhänge nicht aufzeigt.
({0})
Das wissen Sie. Mir ist es ja nicht das erste Mal passiert, daß Sie mit Teilzitaten von mir selbst - zum Teil sogar unrichtigen Zitaten versucht haben, Ihre Argumentation aufzubauen
({1})
Sie haben sich weiterhin mit Ihrem Dauerproblem der Steuersenkung beschäftigt.
({2})
Mir ist die Art der Auseinandersetzung nach der Rede von Herrn Katzer klarer geworden; denn Herr Katzer hat gesagt: „Wir sagen hier das, was wir in den Veranstaltungen hören."
({3})
Das ist ganz selbstverständlich. Wer ist eigentlich nicht für Steuersenkungen? Aber, meine Damen und Herren, ich frage Sie in einer wirtschaftspolitischen Debatte - und dazu sind Sie bis zur Stunde jede Auskunft schuldig geblieben, jede, sage ich Ihnen, jede -:
({4})
Ich frage Sie, wenn Sie jetzt diese Steuersenkung machen, sind Sie bereit, den Haushalt um 7 bis 8 Milliarden DM zu senken, wenn ja, wo?
({5})
Oder halten Sie es etwa für vertretbar - zweite Frage -, das dadurch entstehende Defizit durch zusätzliche Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zu finanzieren, mit welcher Auswirkung?
({6})
Oder aber, Herr Professor Carstens, wollen Sie das Finanzierungsdefizit durch eine Auflösung der Konjunkturrücklagen bei der Bundesbank finanzieren? Wenn Sie dies auch noch konjunkturpolitisch begründen wollen, dann müßten Sie das hier einmal vortragen.
({7})
Ich habe in der Freitagsdebatte, die sich durch eine andere Art der Diskussion auszeichnete - jedenfalls am Beginn; ich verstehe, daß einige etwas verärgert sind, daß sie ihren wohlverdienten Urlaub unterbrechen mußten; dafür habe ich volles Verständnis ,
({8})
die Dinge so dargestellt, wie sie sich ergeben haben und wie sie liegen. Die Polemik des anschließenden Redners, mit dem ich mich trotz seiner Abwesenheit nachher noch auseinandersetzen muß, mag dahingestellt sein.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. von Bismarck?
Ja, bitte schön!
Herr Minister, Sie haben eben von Biedermännern gesprochen. Halten Sie es damit für vereinbar, daß Sie diese Frage jetzt so stellen, als ob wir bei der Steuersenkung nicht wirklich etwas ganz anderes gewollt haben,
({0})
nämlich den Gewerkschaften in ihrer Tarifpolitik die Freiheit zu geben, auf diese Vorschläge Rücksicht zu nehmen. Es ist doch nicht redlich, wenn Sie das jetzt völlig unter den Tisch fallen lassen.
({1}) Das ist wirklich nicht biedermännisch!
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen diese Absicht bei der Diskussion im Oktober vor den Tarifrunden nicht abgesprochen. Das können Sie dem Protokoll entnehmen. Ich habe im Oktober auch sehr abwägend gesagt, wenn dieses Ziel erreichbar wäre so steht es im Protokoll nachzulesen -, könne man mit mir über die Frage sehr ernsthaft diskutieren.
({0})
Nur, es heute zu verlangen hat mit Tarifpolitik nichts mehr zu tun. Das wollte ich damit sagen.
({1})
- Ich habe es sehr wohl kapiert, wobei es natürlich
Ihrer Beurteilung unterliegt und natürlich dem Hohen Hause zusteht, im einzelnen festzustellen, was ich kapiere und was nicht.
Sie haben gesagt: Wir streichen die Ausgaben. Ich will hier nicht vorlegen, was an Ausgabenerhöhungsanträgen seitens der Opposition eine Rolle spielt; denn es ist nicht mein Ressort. Aber so viel möchte ich Ihnen wenigstens sagen, daß beispielsweise bei dem Sonderprogramm A von über 300 Millionen DM Strukturmittel, die ja auf die Bundesländer aufgeteilt worden sind, allein von einem CDU-regierten Land mehr als das Vierfache von dem beantragt worden ist, was zur Verfügung steht. Ich sage: mehr als das Vierfache. Dann ist es eben Sophisterei, hier von Streichungen zu reden, überhöhte Anträge zu stellen, um eine ablehnende Antwort zu bekommen, und dann - lassen Sie mich das hier doch einmal deutlich sagen - in die Wahlkreise zu gehen und zu sagen: Die Bundesregierung zahlt ja nicht. So läuft es doch draußen!
({2})
- Ich kann Ihnen das nachher sagen.
Ich habe Verständnis dafür, daß Sie sich zur Zeit in einer gewissen Euphorie befinden. Die Wahlergebnisse berühren ja jeden, die einen psychisch, die anderen intellektuell.
({3})
- Ja, natürlich! Das ist nun einmal so. ({4})
Ich kann mich erinnern, wie einmal, als sich zwischen
zwei Bundestagswahlen auch so etwas ereignet hatte
- das war ja keine Seltenheit -, die CDU-Landesvorsitzenden zu einem ganz früheren, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland kamen und sich darüber aufregten, daß die Bundesregierung daran schuld sei und sonst niemand. Sie sagten, da müsse man etwas tun. Darauf kam die Antwort: „Det Entscheidende ist: Wann haben wir wieder Bundestagswahlen? Da werden wir dat schon wieder richtig machen. Meine Herren, wenn ich mir Sie so anschaue, muß ich sagen: Det is ja kein Wunder, daß dat so läuft."
({5})
Mehr will ich dazu nicht sagen, weil wir zur Wirtschaftspolitik zurückkommen sollten.
Meine Damen und Herren, die Aufteilung dieser Debatte auf zwei verschiedene Tage hatte einen Vorzug:
({6})
daß man die Protokolle des vergangenen Freitags in Ruhe lesen und analysieren konnte.
({7})
- Nun können Sie mich aber nicht auch noch dafür verantwortlich machen. Ich kann nicht darauf aufpassen, wo die einzelnen Minister herumlaufen. Das geht nun wirklich ein bißchen zu weit.
({8})
Hinzu kommt eines: Es ist eine wirtschaftspolitische Debatte, und Sie reden ja gerade mit einem; mit zweien können Sie ja eh nicht reden.
({9})
Ich habe mir die Ausführungen des einzigen Oppositionsredners vom vergangenen Freitag sehr genau angeschaut, weil ich feststellen wollte, welche Kritik und welche Vorschläge in diesen Reden zur Wirtschaftspolitik enthalten waren. Da kommen schlicht und einfach - man kann es zusammenziehen; ich empfehle Ihnen die Lektüre des Freitag-Protokolls
- erneut die Forderung nach Steuersenkung, die Forderung nach einem Stellenvermehrungsstopp im Bundeshaushalt 1974 und die Forderung nach einer wirksameren Ausgestaltung der regionalen Strukturpolitik. Das sind die drei Forderungen in der Rede des Abgeordneten Dr. Strauß. Meine Damen und Herren, wenn die wirtschaftliche Lage so ist, wie Sie sie draußen darzustellen belieben, dann frage ich mich: Wie können Sie eigentlich als ersten Redner jemanden hierher schicken, der diese drei Dinge und sonst nichts zu sagen hat?
({10}) Aber es ist kein Wunder Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehrenberg? - Bitte!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der gleiche Redner der Opposition mit diesen Maßnahmen --- andere hat er ja nicht genannt - wahrscheinlich die Preissteigerungsrate auf 4 % bringen wollte?
({0})
Ich will ihm diesen Willen nicht absprechen, da ich gehört habe, daß er zur Zeit in Italien weilt, um sich dort die Preissteigerungsraten anzuschauen.
({0})
Wenn ich für den einen oder anderen hier vielleicht etwas ungewohnt deutlich oder gar polemisch werde, meine Damen und Herren, dann deswegen, weil dieser Stil hier eingeführt worden ist und - lassen Sie mich das ganz deutlich bei der Auseinandersetzung mit dem abwesenden Dr. Strauß sagen - weil dies offensichtlich sein Redestil, jedenfalls außerhalb dieses Hauses, ist. Wenn da von politischen Laienspielern und ähnlichem die Rede ist, dann mag man das vielleich noch dem Ort der Handlung zugute halten. Aber wenn am 18. März gesagt wird, Europa müsse sich auf seine geschichtliche Aufgabe besinnen und in einer gemeinsamen Sprache sprechen und einen gemeinsamen politischen Willen dokumentieren - gestützt auf das amerikanische Potential -, und wenn fünf Tage später, unmittelbar vor einer entscheidenden Sitzung in Luxemburg mit einer für uns sicherlich schwieriger gewordenen britischen Regierung, gesagt wird, die europäischen Partner - das sind diejenigen, die sich eben ihrer Verantwortung bewußt werden sollten - seien nunmehr „maulende impotente Zwerge", dann halte ich das im Interesse des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland für un-verantwortbar.
({1})
Wir alle wissen, was von der Existenz eines vereinigten, freiheitlichen Europas nicht nur für unsere Politik, meine Damen und Herren, sondern insbesondere für unsere Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze in diesem Lande abhängt.
({2})
Es gibt aus diesem Europa kein Zurück, und deswegen halte ich derartige Äußerungen für unverantwortlich - ich wiederhole das -, und es ist ja nicht irgendwer.
({3})
Es ist ja nicht irgendwer, es sei denn, Herr Dregger
wäre irgendwer; den er hat ihn als potentiellen
Kanzlerkandidaten angepriesen diesen Mann!
({4})
Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß wir allen Anlaß hätten, die Ereignisse in Europa mit größerem Ernst zu betreiben, weil ich nach meinen letzten Reisen insbesondere feststellen muß, daß jedes Wort, das in diesem Lande unbedacht gesagt wird, draußen doppelt gewogen wird.
({5})
Wir haben allen Anlaß, unsere Position im europäischen Kräftespiel so darzustellen, wie wir sie spielen wollen.
({6})
Ich will Ihnen dazu, ohne die Debatte der vergangenen Woche noch einmal aufzugreifen, folgendes sagen. Wir haben allen Grund, die Länder, die sich in der jetzigen Währungsschlange noch miteinander befinden, beisammenzuhalten. Ich will klar sagen, daß es nach meiner Meinung darauf ankommt, eine Art konvergenter Wirtschaftspolitik in Europa zu betreiben, weil ich der Meinung bin, daß eine reine Koordination neun nationaler Politiken allein nicht ausreicht. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß wir über die Zieldisparitäten zwischen den neun nationalstaatlichen Regierungen sprechen müssen mit dein Ziel, die Zieldisparitäten zu verkleinern, um die Länder näher aneinander heranzubringen.
Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß wir allen Grund hätten, auch eine Annäherung der Zielprioritäten herbeizuführen. Solange eine spürbare Annäherung der Zielprioritäten ausbleibt, wird das nationale Interesse eines Landes gegenüber dem Gemeinschaftsinteresse dominieren: sei es das nationale Interesse an forcierter Industrieansiedlung bei den einen, an raschem Wachstum bei den anderen, an Geldwertstabilität bei den dritten oder an der Sicherung landwirtschaftlicher Einkommen bei den vierten. Ich sage dies ganz bewußt, weil der Versuch einer Annäherung der Zielprioritäten nicht möglich ist, wenn sich ausgerechnet das größte Industrieland Europas in dieser Form, wie hier am 23./24. März von Herrn Dr. Strauß geschehen, äußert. Wundern wir uns nicht, wenn die kleineren Länder Europas nicht gewillt sind, diesen schweren Weg mit uns zu gehen, wenn wir sie in dieser Form öffentlich diffamieren!
({7})
Und schließlich geht es darum, das wirtschaftspolitische Instrumentarium der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Niemand wird realistischerweise verlangen können, daß dies von heute auf morgen auf der Ebene der Kommission geschieht. Nein, wir müssen eben die Zeit, die uns auferlegt ist, durch Ereignisse draußen nutzen, um wenigstens mit einer Vielzahl kleinerer Schritte in der richtigen Richtung eine Harmonisierung des Instrumentariums herbeizuführen, um damit die Voraussetzung zu schaffen, an dem eigentlichen Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion festhalten zu können.
Meine Damen und Herren, wir hätten allen Grund, dies zu tun. Denn: Ich bin der Überzeugung, daß wir dann, wenn sich diese Europäische Gemeinschaft eines Tages nicht als Realität erweisen sollte, vor Probleme unserer nationalen Volkswirtschaft gestellt sein werden, die mit den jetzigen in keiner Weise in der Dimension zu vergleichen sind. Und es ist bedauerlich, daß eine wirtschaftspolitische Debatte vonstatten geht, in der wir über alle möglichen geschriebenen Bücher - ich möchte hier nicht weitere Bücher hinzufügen - diskutieren, ohne diese Grundfragen der deutschen Wirtschaftspolitik - eingeflochten in Europa - zu diskutieren und in der wir uns mit derartigen, unverantwortlichen Äußerungen eines abwesenden Kollegen beschäftigen müssen.
({8})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuschenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unseren Kollegen Katzer haben vor allem zwei Sorgen bewegt: Eine Sorge war die Befürchtung, die Vermutung oder die Erwartung, daß eines Tages andere Gruppen als die hier vorhandenen in diesem Hause Einzug halten könnten. Ich kann dazu nur sagen, daß Reden wie die von Herrn Professor Carstens, von Herrn Katzer und von Herrn Strauß am letzten Freitag bestens geeignet sind, Extremismus und Poujadismus Argumente zu liefern.
({0})
Sie dürften am Ende nicht darüber erstaunt sein, daß wie 1966/67 auf Grund Ihrer „glorreichen" Politik schon einmal draußen in den Landtagen, andere Gruppierungen als die heute hier vertretenen ihren Platz finden würden.
({1})
Die zweite Sorge, die den Kollegen Katzer bewegt, ist die: Er wehrt sich dagegen, daß die arbeitnehmerfeindliche Linie innerhalb der CDU/CSU hier beim Namen genannt wird.
({2})
Ich kann dem Kollegen Katzer nur empfehlen, die Diskussionen und Auseinandersetzungen darüber im richtigen Saal, nämlich im Fraktionssitzungssaal; auf den Parteitagen oder auf dem Wirtschaftstag der Christlich-Demokratischen Union, nicht aber im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zu führen.
({3})
Sie haben Ihre Sorgen; das fühle ich Ihnen ganz gerne nach. Aber bitte tragen Sie das da aus, wo es ausgetragen werden kann.
Die Rede des Vorsitzenden der christlich-demokratischen Bundestagsfraktion hat mich nicht enttäuscht; denn ich hatte nach den diversen Erklärungen der letzten Zeit zur Wirtschafts- und Konjunkturpolitik nicht mehr erwartet, daß Neues dazukommen könnte.
({4})
Überraschender war allerdings, daß sich die beiden Sprecher, Kollege Carstens und Kollege Strauß - heute und am Freitag -, allenfalls in der Länge ihrer Ausführungen, aber nicht im Ton und im Stil unterschieden. Das hat mich allerdings überrascht; denn bisher kannte ich Sie, Herr Professor Carstens, ein wenig anders - jedenfalls an diesem Platze.
({5})
Ich frage mich, Herr Professor Carstens, ob Sie es wirklich nötig haben, hier Ihren großen Bruder aus München zu kopieren. So verzweifelt kann Ihre Lage doch noch nicht sein!
({6})
Im Zusammenhang mit einem Stichwort, Herr Professor Carstens, aus Ihrer Aufzählung von sieben Sünden - alles alte Hüte, neu drapiert und dann als sieben Sünden ausgegeben - möchte ich Sie herzlich darum bitten, sich einmal die Entschließung des Bundesausschusses für berufliche Bildung anzusehen. Sie haben wieder dieses Argument gebracht, daß die Berufsbildung im Augenblick deshalb problematisch sei, weil es Markierungspunkte gebe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Güte hätten, sich die gemeinsame Entschließung des Bundesausschusses für berufliche Bildung anzusehen, in der auch die Arbeitgeber ihre Zustimmung zu Formulierungen wie der gegeben haben, daß keine Rede davon sein könne, daß die Markierungspunkte Grund und Ursache für die zurückgehende Zahl von Ausbildungsplätzen seien.
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 1. April - das ist kein Aprilscherz - schreibt Rüdiger Moniac, daß Klaus von Dohnanyi nicht ohne Berechtigung die Vorwürfe der Opposition als ein „Gemisch von Gift und Unkenntnis" bezeichnet habe.
({7})
Das Thema, das Sie sich ausgewählt haben, ist mindestens seit Mitte der vorigen Woche nicht mehr ein Heimspiel, sondern ein Auswärtsspiel, Herr Professor Carstens.
Aber das ist ja nichts Neues; mal ist es die äußere, mal die innere Sicherheit, gestern war es die Verfassung, heute sind es Inflation und Sicherheit der Arbeitsplätze, die die Opposition bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, zum Drama hochstilisiert und propagandistisch ausbeutet.
Wissen Sie, keiner meiner politischen Freunde neigt zur Verniedlichung der aktuellen Probleme. Das können wir auch gar nicht; denn wir und nicht Ihre politischen Freunde führen die schwierigen Diskussionen vor Ort.
({8})
Daß erleben wir manchmal ganz merkwürdige Koalitionen: Nicht in Kooperation, aber im Ergebnis gemeinsam mit Vertretern der DKP und der Chaoten schüren Sprecher Ihrer politischen Couleur Hysterie, Angst und Schwarzmalerei. Dies erleben wir allerdings in den Betrieben.
({9})
Dazu paßt ein Wort Ihres in Urlaub befindlichen Kollegen Strauß über „Finanzpolitik - Theorie und Wirklichkeit".
({10})
- Ja, wissen Sie, je öfter man mit einigen Ihrer Fraktionskollegen hier im Hause zu tun hat, desto leichter kommt man auch in ein solches Fahrwasser.
({11})
Glauben Sie nicht, daß wir nicht mit gleicher Münze zurückzahlen können!
({12})
Ich wollte sagen, daß man sich in einem solchen Zusammenhang eines Wortes Ihres Kollegen Strauß über Theorie und Wirklichkeit der Finanzpolitik erinnern kann. Ich darf zitieren:
Man kann einem Volke, auch wenn es ihm gut geht, die Gegenwart als schwer erträglich und durch düstere Prophezeiungen die Zukunft als gefährdet und katastrophengeladen vorgaukeln, bis sogar Anwandlungen von Hysterie auftreten und durch Angstreaktionen erst die Gefahren heraufbeschworen werden, vor denen angeblich gewarnt werden soll. Dazu gehört auch der leichtfertige, das Gesetz der Dimension verletzende Gebrauch der Begriffe Krise, Depression, Inflation, und ähnliche.
Ich gebe zu: Die Erkenntnis, die er da zu Papier gebracht hat, ist nicht so sehr neu; aber das kennzeichnet auch die Tatsache, daß Älterwerden nicht bei jedem gleichbedeutend ist mit wachsender Erkenntnis.
Wer sich nur die Reden vom Freitag und von heute vor Augen führt, der muß wohl den Eindruck haben - und dieser Eindruck sollte wohl auch suggeriert werden -, als ob die Opposition immer schon gewußt habe, was gut sei für dieses Volk, sicherlich auch schon 1966/67 mit den bekannten Ergebnissen. Da fragt man sich, was man mehr bewundern soll, die Arroganz, mit der immer wieder neue Rezepte, andere Rezepte widersprüchlich vorgetragen werden, oder die Spekulation auf die Vergeßlichkeit hier im Hause oder draußen im Lande.
Am Freitag und heute galt eine der Hauptsorgen - ich sage: Krokodilstränen der Sorge - dem Problem der Arbeitsplätze in diesem Land. Wem sagen Sie das eigentlich? Das sagen Sie einem Bundeskanzler und einer Partei, die Sie jahrelang wegen des unveränderten Festhaltens an einer Politik der Vollbeschäftigung hart und höhnisch attackierten. Ich habe viel Respekt vor einem grauen Haupt, aber dennoch will ich in diesem Zusammenhang an die Tiede Ludwig Erhards vom 19. Juni 1973 hier in diesem Hause erinnern, um das zu erhärten, was Sie vielleicht wieder Polemik zu nennen belieben. Dr. Erhard sagte hier:
. .. diese Voll- und Überbeschäftigungsgarantie war im Gegenteil eine wesentliche Quelle der Steigerung der Inflation; denn wenn jedermann hört, man könne tun und lassen was man wolle, der Bundeskanzler gebe ja die Garantie, daß jeder Arbeitsplatz unabhängig von äußeren Bedingungen und von der eigenen Haltung und der eigenen Anstrengung gesichert bleibe, besteht ja doch kein Grund, sich besonders anzustrengen.
({13})
Dazu möchte ich höflich und bescheiden bemerken: Wer so spricht, der hält wohl Arbeitslosigkeit für unvermeidlich, um die Menschen richtig zu disziplinieren, sozusagen als eine moralische Anstalt.
({14})
- Wir haben doch in Erinnerung, daß Sie während des ganzen Jahres 1973 ein bißchen Arbeitslosigkeit forderten. Sie nannten es vorsichtig „Abbau der Überbeschäftigung".
({15})
Es ist nachzulesen, daß Sie und Ihre Parteifreunde die Stabilisierungspolitik der Regierung nicht rücksichtslos genug fanden. Ihr Generalsekretär sagte am 1. Juli des vergangenen Jahres: Die sogenannte Stabilitätsabgabe ist unzureichend; der größte Teil des Kaufkraftüberhangs der privaten Haushalte wird nicht erfaßt. Dieses kann doch nur heißen, daß ein größerer Teil der privaten Haushalte hätte erfaßt werden sollen, und zwar im Gegensatz zu dem, was Regierung und Mehrheit beschlossen haben. Im Gegensatz zu seiner Novemberbehauptung, die Stabilitätspolitik sei auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen worden, hat ,der CDU-Vorsitzende im Mai noch erklärt, daß nicht ohne Grund die Möglichkeit eines allgemeinen Konjunkturzuschlages für alle zur Diskussion stehe. Er hat hinzugefügt, ein Zuwenig an Maßnahmen würde von vornherein den ganzen Erfolg gefährden. Dies ist Ihre Arbeitnehmerfreundlichkeit, die Sie bei passender Gelegenheit im Brustton der Überzeugung in der Hoffnung, daß andere ein kurzes Gedächtnis haben, von den Tribünen des Bundestages und anderswo unterstreichen.
({16})
Die Sachverständigen bestätigen dagegen, daß es richtig war, auf einen allgemeinen Konjunkturzuschlag zu verzichten. In Ziffer 76 des Gutachtens, das
Sie natürlich nicht zum Gegenstand der Diskussion machen und machen wollen, heißt es:
Der private Verbrauch gehörte 1973 nicht zu den wichtigsten Auftriebskräften.
Die Hakenschläge Ihrer Konjunkturweisheiten sind zu offensichtlich, als daß sie glaubwürdig oder überzeugend wären.
Heute überbieten sich Sprecher Ihrer parteipolitischen Couleur in rüdester Gewerkschaftsschelte. Dr. Narjes legte vor einem Monat in einem Aufsatz in den „Westfälischen Nachrichten" dar, daß viele Arbeitnehmer die Kraftprotzerei der ÖTV mit ihren Arbeitsplätzen bezahlen müssen, daß die Papiererfolge ihnen durch die von den Gewerkschaften angeheizte Inflation weggefressen werde, und „Irrsinn" sei das Ganze. Nun werden Sie sagen, ähnliches hätten Sie auch aus dem Munde des einen oder anderen aus den Koalitionsfraktionen gehört. Nur haben sich die Sprecher der Koalitionsfraktionen nicht im Dezember des vorigen Jahres mit dem Deutschen Beamtenbund zusammengesetzt und den Vertretern erklärt, daß ihre 12- bis 13%igen Steigerungsforderungen aber sehr maßvoll seien, und man könne ihnen nur zu dieser maßvollen Forderung gratulieren.
({17})
Diese Gewerkschaftsschelte paßt natürlich ganz hervorragend zu der Haltung, die der Kollege Strauß am 4. Oktober 1973 hier an den Tag legte. Er sprach hier so wie einer, der eine nicht organisierte Arbeitsniederlegung führte, und begründete jene Forderung vom August und September vorigen Jahres und noch mehr. Zu Recht hat mein Kollege Dr. Ehrenberg am 4. Oktober darauf hingewiesen, daß, wer am 1. Oktober 1972 dem Deutschen Gewerkschaftsbund Totalitätsanspruch und Absolutheitsanspruch vorgeworfen hat, sich nun nicht als der Repräsentant oder gar der Fürsprecher der Arbeitnehmerschaft in diesem Lande aufspielen dürfe.
Anfang des vorigen Jahres hat Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher schon erklärt, der Kampf um mehr Stabilität in diesem Lande sei verlorengegangen. Wie propagandistisch diese Tatsache war, haben die Sachverständigen in Ziffer 282 unterstrichen. Dort heißt es:
Entschiedener als je wird seit dein Frühjahr 1973 in der Bundesrepublik restriktive Politik vorgeführt.
Immer dann, wenn es im Jahr 1973 darauf ankam, nicht nur den Mund zu spitzen, sondern auch zu pfeifen, fehlten Ihnen und Ihren Sprechern nicht nur die Puste, sondern auch das gemeinsame Notenblatt. Wäre die Bundesbank jeweils den Empfehlungen der Oppositionssprecher gefolgt, hätte dieses Land Wechselbäder erlebt, die auch stärkste Naturen nicht ohne Schaden überstanden hätten. Dr. Narjes am 11. April: Die Bundesbank ist hart an der Grenze der Übersteuerung. Dr. Narjes am 16. Mai: Die Bundesbank solle ihre scharfe Politik ohne Rücksich auf Verluste fortführen, denn es gebe keine schmerzlose Stabilität. Drei Monate später war der Kollege Müller-Hermann schwer beunruhigt, weil das Andauern einer harfen Politik der Kredreverteuerung und Kreditverknappung zu schwersten wirtschaftlichen Schäden führe. Die verantwortlichen Leute der Bundesbank haben sich dann auch für diese widersprüchlichen und wenig hilfreichen und unterschiedlichen Erklärungen bedankt.
Wir überlassen es Ihnen, mal das eine, mal das andere Ziel zum Nonplusultra zu erklären, wie es gerade populär erscheint, also jeweils immer das, was Sie draußen in den Versammlungen hören.
Nun ist natürlich auch verständlich, warum dieses unterschiedlich ist und warum keine eigene Linie zu finden ist.
Im Gegensatz zu den Sachverständigen weisen Sie in bezug auf die Haushaltsführung darauf hin, daß diese unsolide und zu ausgabenfreudig gewesen sei. Auch hier hätten Sie nachlesen sollen. Unter Ziffer 197 steht deutlich und unmißverständlich:
Daß die Ausgabenexpansion 1973 nicht noch
stärker ausfiel, ist vor allem der zurückhaltenden Haushaltsführung des Bundes zuzurechnen.
Eine Ziffer weiter heißt es:
am stärksten weiteten die Länder 1973 ihre Ausgaben aus.
Die Länder hat wohl der Kollege Müller-Hermann auch gemeint, als er im August davon sprach, daß eine drastische Reduzierung der öffentlichen Ausgaben nötig sei.
Bundesminister Schmidt hat am letzten Freitag die Unseriosität und Unsolidität dieser haushaltspolitischen Vorschläge und nachträgliche Beckmesserei demaskiert. In der Tat, 35 bis 40 Milliarden DM Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen sprechen nicht gerade für Stetigkeit in der Politik.
({18})
Nun, so widersprüchlich die Summe der Argumente und so gegensätzlich sie im Einzelfall auch erscheinen mögen: ein wenig schlau gepoolt und treuherzig dargeboten ergibt sich eine ganz hübsche Argumentationskette. In Variationen wiederkehrend und schlüssig wie die Weisheit der Ignoranz, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, läßt sich daraus schon etwas machen. Diese Propagandastrategie der Union läßt sich etwa so zusammenfassen:
These 1: Die Bundesregierung sei schuld an der weltweiten, zumindest aber europäischen inflatorischen Entwicklung. Professor Carstens sagte heute morgen, die Bundesregierung habe ein Interesse an der Inflation. Zweiter Beweis: Dr. Barzel am 18. Januar 1973, desgleichen Stoltenberg im Dezember: Wir exportieren Inflation.
Die These 2: Wer also schuld ist am europäischen und internationalen Preisauftrieb, ist natürlich erst recht schuld und allein verantwortlich für den Preisauftrieb im Inland.
Die These 3: Alle stabilitätswidrigen Verhaltensweisen dritter Gruppen, die die Opposition zwar jeweils im einzelnen kritisiert, sind aber jedoch ent-
schuldbar und auf das Versagen der Bundesregierung zurückzuführen.
Dazu These 3 a). Zwar seien die Lohnsteigerungen zu hoch, aber angesichts der Inflationspolitik und der fehlenden politischen Führung der Bundesregierung - sprich: eine fehlende Einengung der Tarifautonomie, denn das ist doch offensichtlich gemeint sei dieses unausbleiblich.
These 3 b: Die Preissteigerungen der Unternehmen sind zwar zu kritisieren, aber wegen inflationsbedingter Kosten, vor allem der Lohnkosten, unausweislich.
These 3 c der Opposition: Die Geldpolitik der Bundesbank sei zwar für die Kostenstruktur der Wirtschaft bedenklich, aber wegen der Ausgabenfreudigkeit der Bundesregierung unerläßlich.
These 3 d: Die Ausgaben des Bundes seien viel zu hoch, weshalb steuerliche Entlastungen geboten seien, jedoch gleichzeitig den Städten und Gemeinden, vor allen den Ländern höhere Steueranteile gegeben werden müßten, weil ihre Ausgaben inflationsbedingt stiegen.
These 4: Schuld an der Inflation hat die Bundesregierung.
Damit sind wir wieder bei These 1, und das Spiel beginnt von vorne.
Manche Beobachter glauben, daß diese unterschiedlichen Argumentationen der Christlich Demokratischen Union ohne Konzept seien. Ich glaube, es ist ein durchaus durchdachtes Konzept. Die Förderung hysterischer Inflationsagitation stempelt die öffentliche Hand zum Krisengewinnler, der entmachtet werden muß, dem Einnahmen genommen werden müssen, und auf diese Art und Weise wird die Schere zwischen den öffentlichen Leistungen und den Forderungen weit geöffnet. Hätte eine solche Strategie Erfolg, stünde am Ende der Offenbarungseid der öffentlichen Hand.
Diese Verbrämung lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Mögen Sie diese Politik betreiben, die Augen vor der Wirklichkeit verschließen und Ihre Wunschträume für Wirklichkeit ausgeben, wir gehen den Weg der Bekämpfung der Inflation und der Sicherung der Arbeitsplätze, und dieses mit Augenmaß und nicht mit Schlagseite nach der einen oder anderen Seite.
({19})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Hermann. Für ihn ist eine Redezeit von 30 Minuten beantragt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, mit einer kürzeren Redezeit auszukommen.
({0})
Ich bedaure zunächst einmal außerordentlich, daß der Bundeskanzler zunächst mit dem schon angekündigten Holzen beginnt und dann das Parlament verläßt, ebenso wie der Bundesfinanzminister. Das ist kein guter Stil.
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Es ist auch zu bedauern, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß sich Bundeswirtschafts- und auch Bundesfinanzminister durch eine nahezu unerträgliche schulmeisterliche Art, verbunden mit einer ungewöhnlichen Arroganz, auszeichnen.
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Der Herr Bundeswirtschaftsminister beginnt ja wohl jetzt die von ihm am Wochenende angekündigte Entlastungsoffensive zugunsten der Sozialdemokraten. Aber er muß sich sagen lassen: Wenn er sich so deutlich vor die Sozialdemokratische Partei mit ihren klassenkämpferischen Teilen stellt, muß sich auch die FDP gefallen lassen, daß sie mit dieser Partei und ihrer Politik identifiziert und in vollem Umfange verantwortlich gemacht wird - auch von uns -- für die Politik, die Sie zu vertreten haben.
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Sie müssen auch wissen: Je schlechter eine Regierung, desto notwendiger ist es, daß die Opposition eine ganz klare und deutliche Sprache spricht, eben im Interesse unserer parlamentarischen Demokratie; denn wir können nur auf diese Weise die Unzufriedenheit, die Unsicherheit und die Verdrossenheit der Menschen kanalisieren.
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Was ich erstaunlich finde, meine Damen und Herren, ist, daß Sie mit Ihrer Rechthaberei nun den Eindruck zu erwecken versuchen, die Möglichkeit, im Laufe des Jahres 1974 unter der 10 %-Marge zu bleiben, sei eine staatspolitische Leistung. Wir haben einen guten Gradmesser für die Entwicklung der Preise. Das ist in der Regel der Index für die industriellen Erzeugerpreise, der voraussagt, wie sich die Verbraucherpreise in einem gewissen Abstand bewegen werden. Es muß uns doch alle erschüttern, wenn der Index der industriellen Erzeugerpreise im Februar dieses Jahres um 11,3 % über dem des Vorjahres liegt.
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Meine Damen und Herren, der rote Faden, der sich durch Ihre Argumentation zieht - alle haben schuld, nur nicht die Regierung -, muß doch allmählich die Leute auf die Palme bringen.
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Wir meinen ja gar nicht, daß Sie an allem Schuld haben, aber daß Sie sich so wenig zu Ihrer eigenen Verantwortung bekennen, ist ja mit ein Grund, weswegen die Leute Ihnen nicht mehr zutrauen, daß Sie die Dinge auch meistern können.
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Es nützt eben denen, die Von der Geldentwertung
betroffen sind, oder denen, die zu den 680 000 Ar6264
beitslosen oder den 300 000 Kurzarbeitern gehören, wenig, wenn Sie auf die internationalen Vergleiche hinweisen. Hier im Lande liegen die Probleme, und wir wollen mit unseren Bürgern, daß sie von Ihnen angepackt werden.
Meine Damen und Herren, wenn einmal die Geschichte dieser sozialliberalen Koalition geschrieben werden wird,
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wird als der stärkste Vorwurf und wahrscheinlich auch als ihr Verhängnis festgestellt werden, daß sie einen Erwartungshorizont aufgebaut hat, der mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von vornherein nicht in Einklang zu bringen war und zwangsläufig zur Enttäuschung und schließlich auch zur Verunsicherung und Verbitterung der Bürger geführt hat. Wenn heute der Bundeskanzler von einem Prozeß der Besinnung spricht, dann hätte er sich das besser überlegen sollen, als er die Regierungsprogramme von 1969 und 1972 konzipierte.
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Denn da sind die Fehler begangen worden, die wir heute ausbaden müssen.
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Diese Politik der großen Erwartungen ich habe
das neulich die „Politik einer Schlaraffenland-Strategie" genannt - war gekoppelt mit einer Politik, die die Bereitschaft zur Leistung systematisch abbaute, ja bestrafte. Das ist der Grund, weswegen von Ihren mit so messianischem Eifer vorgetragenen Reformen nichts mehr übriggeblieben ist und die Arbeitnehmer, vertreten durch ihre Gewerkschaften, dafür kämpfen müssen, daß unter dem Strich real noch etwas übrigbleibt. Wenn die Regierung ehrlich wäre, müßte sie heute dem deutschen Volke erklären: Wir sind am Ende unseres Lateins, es gibt nichts mehr zu verteilen. - Meine Damen und Herren, bei einem wirtschaftlichen Wachstum, das sich zwischen null und äußerstenfalls zwei Prozent bewegt, gibt es nichts mehr zu verteilen, wenn Sie berücksichtigen, daß zugleich durch Steuerprogression dem Staat diese 2 °/o zugeführt werden oder - zu einem anderen Teil - über die erhöhten Rohstoffpreise ins Ausland abwandern.
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Die Bundesregierung hat in ihrer Funktion als öffentlicher Arbeitgeber total versagt. Ihr stabilitätspolitischer Mut schmolz bei den ersten Auswirkungen von Streikmaßnahmen im öffentlichen Dienst dahin wie ein Stück Butter auf der heißen Kartoffel. Die Kraftprobe wurde von dieser Regierung verloren mit dem Ergebnis von Lohnabschlüssen weit über der Schallmauer von 10 °/o. Und dies eben war zwangsläufig die Mindestnorm der Gewerkschaften bei ihren weiteren Lohnforderungen.
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Bereits am 19. Dezember des vergangenen Jahres
wurde von dieser Regierung wieder grünes Licht
gegeben für weitere Überwälzungsmöglichkeiten. Nicht einmal der Versuch wurde unternommen, das vorhandene Instrumentarium des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes konsequent zu nutzen und in einer Gesprächsrunde der Konzertierten Aktion mit Orientierungsdaten auf den vollen Ernst der Situation hinzuweisen.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Herr Kollege Müller-Hermann, darf ich Sie daran erinnern, daß es maßgebliche Mitglieder der Oppositionsfraktionen gewesen sind - die Herren Strauß und Ministerpräsident Filbinger, kein Mitglied Ihrer Fraktion -, die uns darauf aufmerksam gemacht haben und dafür eingetreten sind, daß alles unter 10 % völlig unzulänglich sei und daß 12 % gerade die Grenze seien, die man anstreben müsse?
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Von Herrn Strauß und von Herrn Filbinger ist das mit Sicherheit nicht gesagt worden, sondern es ist darauf hingewiesen worden, wie wichtig unsere Aktion zur Beseitigung der heimlichen Steuererhöhungen ist, um die von der Sache aus der Sicht der Gewerkschaften richtige Lohnforderung auf eine für die Volkswirtschaft erträgliche Basis herabzuschmelzen. Das ist die Wirklichkeit.
({0})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat noch einmal nach dem Sinn unserer Steuerentlastungsaktion gefragt, und ich muß ihm darauf noch eine Antwort geben. Zunächst bleibt festzustellen, daß die bisherige Steuerpolitik der Bundesregierung auf jeden Fall nicht zu einer Nachfragebeschränkung, sondern im Effekt zu einer weiteren Nachfrageausweitung geführt hat. Denn das, was Sie als Steuererhöhung, als Gebührenerhöhung oder als Maßnahmen zur Kaufkraftabschöpfung dem Staat zugeführt haben, ist in vollem Umfange oder weitgehend wieder ausgegeben worden und hat auf der anderen Seite bei den Arbeitnehmern, die insbesondere von diesen Maßnahmen betroffen gewesen sind, die Anreize doch erst geschaffen, die Verluste in der Substanz ihrer Einnahmen über zusätzliche Lohnforderungen wieder zu kompensieren. Das heißt: diese Politik hat mit Sicherheit auf doppeltem Wege zu einer Ausweitung der Nachfrage beigetragen.
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Unser Steuerentlastungsprogramm geht das Problem von einer ganz anderen Seite an. Es versucht einmal, so etwas wie soziale Gerechtigkeit herzustellen. Denn die Progressionsstufen, die in dem Steuersystem eingebaut sind, sind von uns selbst, vom Gesetzgeber, mit Sicherheit nicht so angelegt gewesen, wie das heute in der Praxis aussieht. Zum zweiten wollen wir einen natürlichen Druck auf die Einnahmen des Staates ausüben, weil wir davon ausgehen, daß die Ausweitung der Staatsaufgaben
ebenso wie die Ausweitung der Staatsausgaben einen starken inflationären Impuls ausüben. Je stärker der Druck auf die Einnahmen ist, desto mehr besteht Hoffnung, daß sich, sicherlich nicht von heute auf morgen,
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aber auf die Länge der Zeit, doch noch die Einsicht durchsetzt, daß der Staat wieder sparsam mit seinem Geld umgehen muß.
Wenn der Herr Finanzminister in seiner Rede am Freitag sagt, der Staat habe die Aufgabe, einmal Infrastruktur zu finanzieren und zum andern eine Umverteilung vorzunehmen, dann müssen wir feststellen, daß die realen öffentlichen Investitionen im Gegensatz zu dem, was der Bundesfinanzminister am Freitag behauptet hat, seit 1970 ständig rückläufig sind. Zum anderen ist von der erwünschten Umverteilung zugunsten der schwächeren Glieder der Gesellschaft doch nichts zu spüren und zu merken.
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Deshalb sind wir der Auffassung, der Staat tut besser daran, dem Bürger möglichst viel von seinen Einnahmen zu belassen, damit er für sich selbst vorsorgen kann und der Staat nicht alles als seine Aufgabe ansieht.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehrenberg?
Verehrter Kollege Müller-Hermann, würden Sie es, wenn Sie Einnahmeverkürzungen des Staates fordern, nicht erstens für redlich halten, auch wenigstens andeutungsweise zu sagen, wo denn Ihre sparsamen Ausgabenkürzungen anschließend stattfinden sollen,
({0})
und halten Sie es zweitens tatsächlich für richtig, im Zusammenhang mit der Beteiligung von Steuermitteln bei Tarifverhandlungen von sozialer Gerechtigkeit zu reden?
Sehr verehrter Herr Kollege Ehrenberg, es ist besonders reizvoll, Ihnen in dieser Frage zu antworten. Denn Sie haben in der vorigen Woche in einem aus Ihrer Sicht, wie ich meine, überzeugenden Referat auf die Bedeutung der öffentlichen Investitionen für die Infrastruktur hingewiesen und haben das zu einem Kernproblem
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- Augenblick mal! - Ihrer sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik ernannt. In Wirklichkeit sieht es eben genau anders aus. Unter Ihrer Regierungspolitik sind die öffentlichen Investitionen ständig rückläufig.
({1})
Das Zweite - Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, des Abgeordneten Dr. Althammer?
Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege, würden Sie dem Fragesteller bei der SPD in Erinnerung rufen, daß im vorigen Haushaltsjahr die Opposition Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden DM vorgeschlagen hat, daß die Regierung, insonderheit der Finanzminister, das alles für baren Unsinn erklärt hat und daß am Schluß 4,5 Milliarden DM übriggeblieben sind?
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Herr Kollege Althammer, Sie haben mir einen Teil der Antwort vorweggenommen. Ich muß aber richtigstellen: was einer der Vorredner hier behauptet hat, daß unsere, aus der CDU/CSU kommenden Zusatzanforderungen an den Haushalt Beträge von 35 Milliarden DM ausmachen, das ist die Unwahrheit. Das, was tatsächlich für den Haushalt 1974 an Zusatzwünschen von unserer Seite vorliegt, beträgt etwas über 1 Milliarde DM,
({0})
- beträgt etwas über 1 Milliarde DM -, und darüber mit uns sprechen zu lassen sind wir durchaus bereit, wenn Sie zunächst einmal durch Ihren Finanzminister eine Bestandsaufnahme vorgelegt haben, damit wir wissen: was ist eigentlich noch im Haushaltsjahr 1974 und in den folgenden Jahren an Manövriermasse in den öffentlichen Haushalten und vor allem im Bundeshaushalt dank der inflationären Entwicklung, die diese Regierung zu verantworten hat, übrig?
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Solange wir nicht diese Bestandsaufnahme haben, lassen wir nicht mit uns darüber reden, wo wir die Prioritäten - auch bei den Ausgaben - anders gesetzt wissen wollen, als Sie es tun.
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Im übrigen kommen wir alle nicht daran vorbei, unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten, wo auch in der Personalintensität die öffentlichen Ausgaben abgebaut werden können. Ich füge hinzu: Wir wollen durchaus, daß auch die Bediensteten im öffentlichen Dienst ihren Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung haben. Aber wir treten für einen Stellenvermehrungsstopp ein, der beispielgebend von der Bundesregierung praktiziert werden müßte, weil wir der festen Überzeugung sind, daß es innerhalb dieses großen Apparates noch erhebliche Einsparungs- und Reservemöglichkeiten gibt und daß auch technologische Möglichkeiten mehr als bisher eingesetzt werden könnten. Wenn nur der entscheidende Wille dazu vorhanden ist, könnte zumindest eine Ausweitung der staatlichen Apparate erreicht werden.
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- Das sind keine Allgemeinplätze, sondern das ist schon einer sehr großen Anstrengung wert; denn anders werden Sie weder mit dem Problem der Inflation fertig werden, das von den öffentlichen Haushalten ausgeht, noch die Priorität zugunsten der zukunftsorientierten Leistung wiederherstellen können, die Herr Ehrenberg in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt hat.
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Ich möchte noch ein letztes Thema im Zusammenhang mit den ordnungspolitischen Grundsätzen anschneiden, die der Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede am Freitag vertreten hat. Es ist sehr interessant, vom Herrn Bundeskanzler heute zu hören, in welcher Weise er sich für marktwirtschaftliche Prinzipien einzusetzen entschlossen zeigt. Nur, Sie müssen sich doch fragen lassen, wie diese Erklärungen des Bundeskanzlers in Einklang zu bringen sind mit den Thesen, die von Ihrem Genossen Börner im Auftrage der Bundespartei erarbeitet wurden, die von Herrn Steffen oder von Herrn Roth vertreten werden, die ständig nach Preisstopp, nach Investitionslenkung, nach Investitionskontrolle und nach Vergesellschaftung rufen. Das ist doch mit ein Grund, weswegen wir diese ungewöhnliche Verunsicherung auch in der Wirtschaft haben,
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weswegen sich deutsches und ausländisches Kapital bei uns im Lande immer weniger engagieren will: weil bei Ihnen die Dinge ordnungspolitisch nicht in Ordnung sind und Sie in der SPD als tragende Pfeiler dieser Bundesregierung die Unsicherheiten heraufbeschwören, die die Bewältigung der Probleme der Zukunft so ungewöhnlich schwermachen.
Bei uns, bei der CDU/CSU - das darf ich hinzufügen -, wissen die Bürger und weiß die Wirtschaft, daß wir ordnungspolitisch auf ganz festen Fundamenten stehen. Auch die Arbeitnehmer haben mit der Zeit ein sicheres Gefühl dafür bekommen, daß sie bei der CDU/CSU trotz des Feindbildes, das Sie aufzubauen bemüht sind, eher die Gewähr für eine Politik der Stabilität und des sozialen Ausgleichs finden als bei den Sozialdemokraten.
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Wenn wir - auch in dieser Debatte - so sorgenvoll von der notwendigen Neubesinnung und von dem nötigen Neubeginn sprechen, dann in der Erkenntnis, wie wichtig neben rein ökonomischen Daten die psychologischen Voraussetzungen dafür sind, um wirklich eine Wende zu mehr Stabilität herbeiführen zu können. Unser Land ist doch zutiefst von einem Gefühl der Unsicherheit, des Unbehagens, des Unmuts erfüllt. Niemand weiß: Wohin geht die Reise? Nur das eine ist für die Öffentlichkeit sicher: daß die Inflation unter dieser Bundesregierung weitergehen wird und daß diese Bundesregierung immer neue Schuldige suchen und finden wird, die an dieser Entwicklung die Verantwortung zu tragen haben.
({7})
Aber es ist nun einmal so: die Verantwortung für die Fakten und für die politische Entwicklung trägt die Bundesregierung.
Auch am Schluß dieser Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht ist ein überzeugendes konjunkturpolitisches Konzept nicht zu erkennen. Wenn der Bundeswirtschaftsminister in einer Passage, die ursprünglich in seinem Redetext enthalten gewesen ist, einen Ausblick zwischen Hoffen und Bangen gibt, so sieht die Opposition wenig Hoffnung und viel Bangen, was die Zukunft anbetrifft. Sie befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Bevölkerung. Die Inflationsmentalität, die wir alle zu beklagen haben, ist mit Sicherheit nicht das Ergebnis der Schwarzmalerei der Opposition, wie die Bundesregierung das darstellt. Sie ist die nüchterne Reaktion der Bürger auf die tägliche Wirklichkeit.
Die Inflationsmentalität ist im Grunde das kontinuierliche Mißtrauensvotum
({8})
der Wähler gegen diese Regierung. Die jüngsten Wahlergebnisse drücken nur den Versuch der Bürger aus, das Ergebnis der letzten Bundestagswahl zu korrigieren nach den Erfahrungen, die sie in den letzten Monaten haben machen müssen.
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Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vohrer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Carstens zum Jahreswirtschaftsbericht nichts zu sagen wußte,
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und Herr Katzer eine Rolle übernahm, die für die politische Linie der Opposition wenig repräsentativ ist - ({1})
- Herr Stark, da müssen Sie sich doch noch einmal an Hamburg erinnern; das ist ja noch gar nicht so lange her. Da wir doch die Position von Herrn Katzer nicht annähernd so stark, wie er sich hier am Podium dieses Hohen Hauses gezeigt hat.
({2})
- Zwischen erfolgreich und effizient gibt es noch Unterschiede.
Lassen Sie mich aber jetzt zu Herrn Müller-Hermann kommen, der hier dem Bundeswirtschaftsminister Schulmeisterei vorwarf. Ich habe nach Verfolgen der Debatte den Eindruck, daß er eigentlich gar nicht genügend schulmeistern kann; denn das, was hier an Irrtümern von der Opposition produziert wurde, strotzt vor Widersprüchlichkeiten.
({3})
- Ich komme noch darauf zurück, Herr van Delden! Ich komme vor allen Dingen auf Herrn Strauß zurück, denn seine Widersprüche im Protokoll nachzulesen lohnt sich.
({4})
Herr Müller-Hermann möchte mehr für die Umverteilung zugunsten der sozial Schwachen tun. Das hat mich insofern erstaunt, als daß die Opposition an der Stelle, wo Umverteilung zugunsten von sozial Schwachen betrieben wird, nämlich bei der Steuerreform, überhaupt keinen konstruktiven Beitrag leistet.
({5})
Darüber hinaus wird uns immer genau von Ihnen vorgeworfen, daß wir zuviel umverteilen, und dann werfen Sie uns vor, daß nicht genügend umverteilt wird zugunsten der sozial Schwachen.
Noch ein Wort zum Haushaltsausgleich, Herr Müller-Hermann: Sie sagen, die Opposition habe Anträge gestellt - was ich Ihnen abnehme -, wonach die Ausgaben um eine Milliarde DM wachsen sollen; Sie haben aber gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Inflation, Ihrem berühmten Steuergesetz, auch Anträge gestellt, wonach 10 Milliarden DM Mindereinnahmen erfolgen sollen. Das alles macht dann eine Kluft von 11 Milliarden DM aus.
({6})
- Vielleicht haben Sie ihren eigenen Gesetzentwurf nicht ernstgenommen; das ist ja möglich. Auf jeden Fall ist der Einnahmeausfall durch die Steuererleichterung, die Sie hier für 1974 vorgeschlagen haben, mit 10 Milliarden DM zu veranschlagen, so daß die Größenordnung Ihrer Vorschläge knapp an die des Stabilitätsprogramms herankommt, nämlich rund 11 Milliarden DM.
({7})
Lassen Sie mich aber jetzt zu den Ausführungen von Herrn Strauß zurückkommen, die meiner Ansicht nach sehr symptomatisch sind für die Politik dieser Opposition.
({8})
Die Opposition hat immer wieder - bei Herrn Strauß kam das besonders deutlich zum Ausdruck -, die Inflation in den Mittelpunkt der Kritik gestellt
({9})
- ja natürlich, deshalb möchte ich auch darauf eingehen - Er hat seine Kritik mit Gruselgeschichten
untermauert, daß es bei der Inflation überhaupt nur Verlierer gebe.
({10})
- Ich habe das Protokoll da, ich werde Ihnen beweisen, wen Herr Strauß hier alles als Verlierer dargestellt hat.
Nach herrschender Lehre ist die Inflation sehr einfach erklärbar. Es handelt sich um ein Ungleichgewicht von Güterangebot und Geldnachfrage, und vor diesem Hintergrund sollten wir einmal die Ausführungen von Herrn Strauß messen und prüfen, inwieweit konstruktive Elemente in den Vorschlägen von Herrn Strauß in die Debatte gebracht wurden.
({11})
Der erste mögliche Ansatz, hier inflationsdämpfend zu wirken, ist der, daß wir Produktionskapazitäten vergrößern und die Kapazitätsauslastung verbessern. In diesem Zusammenhang hat Herr Strauß auf die ganze Frage der Strukturprobleme - Kleider, Schuhe, Bau, Kraftfahrzeuge - hingewiesen, jedoch überhaupt keine Alternative zu den Maßnahmen regionaler und struktureller Art zu den Maßnahmen der Bundesregierung aufgezeigt.
Ohne die marktwirtschaftlichen Prinzipien zu verletzen und die Mobilität von Kapital und Arbeit zu verringern, läßt sich hier wenig machen; denn es hat sich zwischenzeitlich herumgesprochen, daß die Kleidung etwas salopper getragen wird - das wissen insbesondere die Kollegen, die in den Bekleidungsverbänden tätig sind -, daß zwischenzeitlich nicht mehr so viel gekauft wird. Bei der Schuhindustrie ist es ganz ähnlich. Hier sollten Sie sich auch einmal dazu äußern, wieviel internationale Arbeitsteilung Sie innerhalb der EG zulassen. Wenn einmal Schuhe aus Italien kommen, dann sollten Sie hier nicht sofort zu protektonistischen Maßnahmen greifen.
In der Rede von Herrn Strauß ist überhaupt keine Aussage gemacht zu der Frage, was Sie eigentlich für eine Exportpolitik wollen. Wollen Sie den Export steigern, was zweifelsohne beschäftigungspolitisch sinnvoll wäre, oder wollen Sie den Export dämpfen, um hier am inländischen Markt mehr Güter zur Verfügung zu haben? Welchen Weg wollen Sie gehen?
Welche Maßnahmen wollen Sie beim Importgeschäft ergreifen? Wollen Sie mehr Importwaren hereinlassen, was eine stabilitätspolitisch sinnvolle Maßnahme wäre, oder wollen Sie den Import bis zu einem gewissen Grade dämpfen, um den Zahlungsbilanzausgleich unter neuen Voraussetzungen in der Energiepolitik zu gewährleisten?
Dies alles sind Fragen, auf die die Opposition uns keine Antwort gegeben hat und wo wir sie immer mal wieder zu einer Stellungnahme herausfordern werden. Wir werden sie auch zu der Frage Floaten um eine Stellungnahme bitten, wenn es nämlich darum geht, daß der Gegensatz gelöst werden muß, einerseits durch Floaten mehr Außenabsicherung zu haben und andererseits - was Herr Strauß in Erklärungen andernorts fordert - das
klare Bekenntnis zu Europa. Das klare Bekenntnis zu Europa heißt natürlich letztlich auch, daß die Gruppe der Schlangen-Partner von fünf auf acht oder neun vergrößert wird, und das heißt letztlich auch, daß Währungsbeistand für Großbritannien, für Frankreich und für Italien bezahlt werden muß und daß dies für uns eine teure Sache wird.
Alles blieb offen. Sie haben nicht gesagt, wie Sie die Schwierigkeiten auf der Nachfrageseite der Inflation lösen wollen, wie sie Kaufkraft abschöpfen wollen, wie sie die Geldmenge vermindern wollen. Sie haben ein Gesetz vorgelegt - ich bin vorher schon kurz darauf eingegangen -, wonach Sie die Steuern senken wollen. Wenn Sie aber Steuern senken wollen, dann schaffen Sie mehr kaufkräftige Nachfrage in der Volkswirtschaft und haben absolut keinerlei stabilisierende Effekte dadurch erreicht. Im Gegenteil!
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- Herr Stark, ich komme noch auf den Staat. Natürlich haben wir die Haushaltskürzungen als Möglichkeiten. Die sind im Verhältnis zu dem Gesamtvolumen jedoch so bescheiden, daß man eigentlich hier in diesem Gremium nicht mehr allzu viele Worte darüber verlieren sollte. Was soll denn i Milliarde DM im Verhältnis zu einem Bruttosozialprodukt von über 800 Milliarden DM für einen Stabilitätseffekt erreichen? Das alles sind doch Widersprüche, die Sie uns hier in der wirtschaftspolitischen Debatte servieren, ohne uns zu zeigen, in welche Richtung Sie gehen wollen.
Die Opposition waist dann auf die Lohnabschlüsse hin. In diesem Bereich wird die Nachfrage zwar beeinflußt, aber die Bundesregierung oder das Parlament hat hier keine Zuständigkeit. Sie können Kaufkraft im Arbeitnehmerbereich durch niedrigere Lohntarifabschlüsse reduzieren. Sie können auch im Unternehmerbereich durch zurückhaltendere Preispolitik einen stabilisierenden Effekt erzielen. Aber das alles sind Verwaltensweisen im Bereich der tarifautonomen Gruppen, im Bereich der Gruppen, in die wir, wenn wir uns zur Marktwirtschaft bekennen, nicht ohne weiteres durch staatliche Dirigismen eingreifen sollten.
Genau bei den sozialen Gruppen sehe ich den zentralen Irrtum und die falschen Thesen von Herrn Strauß, der hier von diesem Podium aus die Verlierer der jetzigen Inflation aufgezählt hat. Allen voran, weil es die zahlenmäßig größte Gruppe ist, die Arbeitnehmer, dann die Unternehmer, die Sparer, die Hausfrauen. Alle waren da.
Eines hat Herr Strauß leider überhaupt nicht gesagt: Durch die derzeitige Inflationsrate wird das gütermäßige Sozialprodukt keineswegs kleiner. Wenn aber das Sozialprodukt von allen gesellschaftlich relevanten Gruppen lediglich in geringerem Maße in Anspruch genommen werden kann, dann muß Herr Strauß - und die Frage muß er sich gefallen lassen -auch uns erklären, wo die Gewinner der Inflation sind. Dann zu sagen, die Gewinner seien die Linksradikalen, die Goldhamster
({13})
- ach, Herr Stücklen, Ihr Zwischenruf zeigt nur, wie beschränkt Ihr Verständnis volkswirtschaftlicher Zusammenhänge ist. Die Inflation - und das sollten wir hier ganz klar sagen, nachdem Graf Lambsdorff und der Bundeswirtschaftsminister darauf hingewiesen haben - ist theoretisch auch ohne Verlierer möglich. In dem Moment, wo wir über die Indexierung dazu kommen, daß jede Gruppe in gleichem Maße von der Inflation getroffen wird, wird die Inflation nämlich keine gütermäßigen Verlierer beim Verteilungsprozeß mehr kennen. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, daß, falls wir der Indexierung das Wort reden würden, gleichzeitig auch die Inflation institutionalisiert würde. Wenn es aber darum geht, daß irgend jemand anfangen muß, mit niedrigeren Steigerungsraten zufrieden zu sein, dann sollte man jene Gruppe nicht zu Mehrforderungen aufhetzen.
({14})
Das eigentliche soziale Phänomen der Inflation ist nämlich der Kampf der gesellschaftlich relevanten Gruppen um die Anteile am Sozialprodukt und die geringe Bereitschaft einer Gruppe, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Herr Strauß hier sagte, die Arbeitnehmer seien die eigentlichen Verlierer, dann stimmt dies nicht. Zumindest für das Jahr 1973 kann man das gesichert sagen.
({15})
1973 wurde bei einer Inflationsrate von knapp 8 % eine Lohnsteigerungsrate von über 12 % realisiert, so daß eine Reallohnerhöhung von 4 % eintrat, die über dem Durchschnitt der Wachstumsraten während Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren von der Opposition, lag.
({16})
Es ist zweifellos möglich, daß einzelne Gruppen der Arbeitnehmer bei den Lohnsteigerungen branchenbedingt im Verhältnis schlechter abgeschnitten haben. Aber wer immer sich hier zur Marktwirtschaft bekennt, der muß auch akzeptieren, daß von den Lohnsteigerungsraten gewisse Impulse zur Mobilität und eine Anziehungskraft für die produktiven und leistungsfähigen Sektoren ausgehen sollen.
Die zweite Verlierergruppe, die von Herrn Strauß aufgezeigt wurde, waren die Unternehmer. Hier läßt sich gerade für 1973 sehr deutlich zeigen, daß die Unternehmereinkommen im Verhältnis zu den Lohneinkommen keineswegs nachhinkten. Im Gegenteil, wir haben eine Parallelentwicklung, eine Gleichläufigkeit der Einkommen gehabt, die sogar - auch das sollten wir einmal deutlich sagen - sozial keineswegs so unproblematisch gewesen wäre, wenn die Bundesregierung nicht rechtzeitig finanzpolitische Maßnahmen ergriffen hätte, um die Prognose des Sachverständigengutachtens 1972 zu widerlegen oder in dem Sinne zu beeinflussen, daß die Gewinnsteigerungsraten, die auf 20 % prognostiziert wurden, durch die Stabilitätsmaßnahmen auf das Niveau der Lohnsteigerungen heruntergeholt wurden.
({17})
Wir sehen natürlich auch, daß die Gewinnprognosen für das Jahr 1974 im unternehmerischen Bereich nicht rosig sind. Aber vielleicht sollten wir im Jahre 1974 endlich einmal von dem bisherigen Denken wegkommen, wonach die Investitionen in der Wirtschaft immer mit den Unternehmergewinnen identisch sein müssen.
({18})
Wir haben mit dem Vermögensbildungsmodell jetzt einen Ansatz geliefert. Es müssen demnach nicht alle Investitionen aus den Unternehmergewinnen finanziert werden. Vielmehr sollte nach unseren vermögenspolitischen Vorstellungen die Arbeitnehmerschaft in stärkerem Maße am Wachstum der Wirtschaft partizipieren.
({19})
- Herr Müller-Hermann, das ist unser Beitrag für die sozial schwächeren Gruppen. Die wollen wir überhaupt einmal in unser Wirtschaftssystem einbinden. Hiermit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, daß die Polarisierung zwischen Kapital und Arbeit vermindert wird.
({20})
Wir wissen auch, daß einige Branchen nicht in vollem Maße die Preissteigerungen durchsetzen können, die sie auf Grund der Lohnsteigerungen oder erhöhter Energiekosten zweifellos überwälzen müßten. Aber wer sich zur Marktwirtschaft bekennt, sollte endlich auch einmal einsehen, daß wir es hier nicht mit einer Einbahnstraße in Richtung auf Wirtschaftswachstum und Gewinnsteigerungen zu tun haben.
Uns deshalb aber Unternehmerfeindlichkeit zu unterstellen wäre meiner Ansicht nach das Falscheste, was man tun könnte. Gerade wir als Liberale bekennen uns ganz klar dazu, daß das marktwirtschaftliche Prinzip nur funktionieren kann, wo unternehmerische Initiative möglich ist. Das Unternehmertun, das wir wollen, widerspricht vielleicht in einigen Bereichen Ihren Vorstellungen; denn wir sehen das Unternehmerprinzip nicht so, daß die Unabhängigkeit der Unternehmer, wenn es gut geht, gewährleistet ist und daß der Staat immer dann einzugreifen hat, wenn es schlecht geht. Wir wollen ein Unternehmertum, für das wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirtschaft gedeihen und funktionieren kann.
Die dritte Gruppe, die nach Herrn Strauß zu den Verlierern zählte, waren die Sparer. Dort haben wir in der Tat bei einer Inflationsrate von 8 % und bei langfristigen Anlagen mit einer 10%igen Verzinsung einen Realzins in der Größenordnung von lediglich 2 °/o. Wenn Sie aber einmal langfristig zurückblenden, werden Sie feststellen, daß auch in all den früheren Jahren, also in „der guten alten Zeit", der Realzins nur in ganz seltenen Fällen wesentlich über 2 % lag.
({21})
An dieser Stelle sollte auch eine kleine Anmerkung über die Praxis der Banken gemacht werden. Denn nach meiner Ansicht ist es auch eine Dienstleistungsaufgabe der Banken, die Leute, die über längere Zeiträume hinweg Beträge von 50- und 100 000 DM auf dem Sparbuch liegen haben, darauf hinzuweisen, daß es dafür rentierlichere Anlageformen gibt. Da sollte man es nicht der Bundesregierung und der von ihr vertretenen Politik vorwerfen, daß es in Einzelfällen Sparer gibt, die keine reale Verzinsung erreichten.
({22})
Es wurden die Rentner und die Studenten angeführt. Es stimmt: Selbst bei der Dynamisierung gibt es hier ein Nachhinken. Die Schwierigkeit ist, daß in dem ganzen Prozeß der Inflation immer wieder Gruppen da sind, die ihre Forderung nicht sofort durchsetzen können und benachteiligt sind. Deshalb gehen unsere Bemühungen auch dahin, ganz bewußt und mit allen Mitteln zu versuchen, die inflationäre Entwicklung dämpfend zu beeinflussen.
({23})
Eine der benachteiligten Gruppen - und das ist eine der wenigen, die ich anerkenne sind die Hausbesitzer, die den Hausbesitz als Alterssicherung sehen und nun Schwierigkeiten haben, ihre Mieten in der Weise anzupassen, daß es eine Dynamisierung im Sinne der Einkommensentwicklung wäre. Wir haben hier mit dem zweiten Steueränderungsgesetz eine gewisse Abhilfe geschaffen, die es wenigstens erlaubt, die Modernisierung zukünftig auf die Miete zu überwälzen.
Was aber den Nachfrager Staat anbetrifft, so kann zumindest der Bund hier in aller Deutlichkeit sagen, dab es keinerlei inflationsstimulierende Impulse gab, daß er sich in der Wirtschaft mit einem nominalen Wachstum von 12 % im Jahre 1973, mit Ausgabensteigerungen von 10 % vorbildlich verhalten hat und daß er durch die Stillegung von Milliardenbeträgen bei der Bundesbank ein Beispiel gegeben hat, das in den von Ihnen regierten Ländern nachgeahmt werden sollte.
({24})
Wir sind uns dessen bewußt, daß es bei der Inflation Gewinner und Verlierer gibt; das Ganze ist ein Ellenbogen-Geschäft. Wir können bei der ganzen Entwicklung als Staat nur eine Schiedsrichterrolle übernehmen. Im Jahre 1973 hat der Staat die Schiedsrichterrolle in bezug auf die Konstanz der Anteile einzelner Gruppen meiner Ansicht nach in ganz hervorragender Weise gelöst. Das wird auch in dem Sachverständigengutachten bescheinigt. Und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten, wenn wir hier schon die Debatte über den Wirtschaftsbericht und über das Sachverständigengutachten führen, ab und zu auch einmal auf die Aussagen dieses Gutachtens zurückkommen, die keineswegs so düster sind, wie Sie es hier darstellen.
({25})
Wenn Sie dazu beitragen wollen, daß in diesem Lande mehr soziale Gerechtigkeit verwirklicht wird, dann sollten Sie mit uns die Steuerreform unterstützen und sollten nicht einige Gruppen, die mit gutem Beispiel vorangehen, aufhetzen, indem Sie sie als Verlierer bezeichnen und ihre Begehrlichkeit steigern. Genau das war der Ansatz von Herrn Strauß.
Herr Strauß hatte völlig Recht, wenn er sagte: Die Inflation ist ein eminent psychologisches Phänomen. Aber wenn es ein psychologisches Phänomen ist, dann sollten Sie, wenn Ihnen an der Erhaltung dieses Wirtschafts- und Gesellschaftssystem liegt, nicht zur psychologischen Überhitzung beitragen, sondern dämpfend wirken.
({26})
Mit den Reden, die hier - insbesondere von Herrn Strauß - gehalten wurden, leisten Sie einen Beitrag, um die Atmosphäre zu vergiften, aber keinen Beitrag dazu, daß die Lohnsteigerungsraten und die Preissteigerungsraten geringer ausfallen.
({27})
Sie gaben auch wenig Anregungen dazu, daß andere
Ausgabenposten - wie Staatsausgaben auf Bundes-,
Landes- und kommunaler Ebene - geringer werden.
Herr Kollege, ich erinnere Sie an den Ablauf der Redezeit.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. - Die Opposition hat nach Ansicht der Liberalen
({0})
zur Stabilität wenig Anregungen gegeben. Sie hat durch ihre Beiträge die Begehrlichkeit der einzelnen Gruppen angeheizt.
({1})
Ich darf in dem Zusammenhang einmal das ausgesprochen mutige Wort des Bundeskanzlers hervorheben, der sich vor den Tarifabschlüssen beschwörend an die Tarifpartner wandte, mit ihren Abschlüssen unter der 10 %-Grenze zu bleiben und so mit gutem Beispiel voranzugehen.
({2})
In jener Zeit kam von Ihnen, wenn ich mich richtig
entsinne, Herr Zeitel, das Wort, daß jeder Abschluß
unter 10'0/o für die Arbeitnehmer unzumutbar sei.
({3})
Das alles geht in die Richtung, die ich hier dargestellt habe. Ein konstruktives Wort wie das des Bundeskanzlers fehlt von der Opposition. Deshalb fällt es meiner Fraktion leicht, die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung und des Bundesministers für Wirtschaft zu unterstüzen und gutzuheißen.
({4})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfram.
({0})
- Herr Kollege, wenn ich nichts bemerke, gehe ich von der üblichen Redezeit aus. Das ist selbstverständlich.
({1})
- Es ist in den letzten Wochen genug gegen die früheren guten Vorsätze gesündigt worden durch Debattengänge, die weit über die früheren Überlegungen zur Redezeitbegrenzung hinausgingen.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann die Opposition beruhigen; ich werde sicherlich nicht soviel Zeit in Anspruch nehmen wie Sprecher der Opposition, die viel geredet, aber wenig zum Thema gesagt haben.
({0})
Die heutige Debatte war bemerkenswert. Es lohnt sich für die deutsche Öffentlichkeit und vor allem auch für die Verantwortlichen in der Wirtschaft und bei den Gewerkschaften, das nachzulesen, was Sprecher der Opposition zu dem heutigen Thema gesagt haben.
({1})
Sie werden dann zu dem Ergebnis kommen, daß es verheerend und ein Unglück wäre, wenn Sie in diesem Lande für die Wirtschaftspolitik verantwortlich wären.
({2})
- Herr Professor Carstens, zu Ihnen komme ich auch noch.
Meine Damen und Herren, wie sind die Fakten? Die Bundesregierung legt einen objektiven Jahreswirtschaftsbericht vor; der Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Friderichs, gibt zusätzliche Probleminformationen.
({3})
Die Sprecher der Opposition wissen nichts anderes darauf zu erwidern, als polemisch die Rede des Ministers abzuwerten.
({4})
Herr Carstens hält eine Rede und sagt nichts. Herr Professor, Sie haben Ihrer Kaste einen schlechten Dienst erwiesen, Sie hätten besser geschwiegen!
({5})
Herr Katzer durfte heute nur reden, weil Herr Strauß außerhalb des Landes ist.
({6})
Wenige Bemerkungen zu dem, was die Oppositionssprecher zum Thema gesagt haben. Herr Strauß wies auf die psychologischen Faktoren für den Wirtschaftsablauf hin. Ich muß sagen: Die ganze Psychologie seiner wirtschaftspolitischen Argumentation bestand darin, Tatsachen auf den Kopf zu stellen, zu vernebeln, zu verunsichern und darauf zu spekulieren, daß die volkswirtschaftlichen Kenntnisse vieler Menschen nicht ausreichend sind.
({7})
Bemerkenswert ist auch der Hinweis von Herrn Strauß auf die Beispiele Vermögensbildung, Berufsausbildung und Mitbestimmung gewesen. Hier kann jeder die Glaubwürdigkeit Ihrer Aussagen zu diesen Reformvorhaben prüfen.
({8})
Es ist verantwortungslos, wenn der Sprecher der Opposition der Regierung vorwirft, sie habe einen Kostendruck geschaffen, der zur Inflation führe. Hier stellt Herr Strauß, wie so oft, die simpelsten wirtschaftlichen Erkenntnisse und Fakten auf den Kopf.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann?
Wenn Sie mir das zur Redezeit zugeben, gern.
Herr Kollege Wolfram, da Sie Ihren Wählern versprochen haben, in dieser Wahlperiode ein Gesetz über die paritätische Mitbestimmung durchzuziehen, und die Koalition dieses Gesetz nicht vorlegt, darf ich annehmen, daß Sie nach den Sätzen, die Sie eben vorgetragen haben, nun von sich aus initiativ werden und einen eigenen Gesetzentwurf zur paritätischen Mitbestimmung einbringen?
Herr Kollege Reddemann, wie man Sie zum Parlamentarischen Geschäftsführer Ihrer Fraktion wählen konnte, ist ein Rätsel!
({0})
Wer so dumme Fragen stellt, wo ein Regierungsentwurf zur Mitbestimmung vorliegt, der stellt seiner Fraktion wirklich das beste Zeugnis aus!
({1})
Herr Carstens, ich empfehle Ihnen: Schicken Sie den Mann dahin, wo er hingehört!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?
({0})
Aber gern, Herr Kollege Breidbach.
({0})
- Aber lassen Sie ihn doch; Herr Strauß will ihn rausschmeißen, ich lasse ihn reden.
({1})
Ich bitte um Ruhe, sonst können sich die Fragesteller nicht vernehmlich machen.
Herr Kollege Wolfram, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Sehr gern, Kollege Graf Lambsdorff.
Herr Kollege Wolfram, darf ich vielleicht darauf aufmerksam machen, daß wir uns Belehrungen von einer Fraktion, die nicht in der Lage ist, wegen der Drittelparität auch in der Mitbestimmung einen Gegenentwurf einzubringen, eigentlich nicht gefallen lassen müssen?
({0})
Vielen Dank, Graf Lambsdorff. Ich teile Ihre Auffassung,
({0})
- Sie sehen, Ihre Empfehlung hat zumindest beim Kollegen Breidbach ihre Wirkung nicht verfehlt.
({1})
Meine Damen und Herren, die Reden der Sprecher der Opposition waren voller Widersprüchlichkeiten. Ich will das an einem Beispiel belegen. Herr Kollege Strauß hat in Punkt 8 seiner Thesen die Verteidigung der Autonomie der Bundesbank angekündigt. Im ersten Drittel seiner Rede hatte er die Hochzinspolitik für schwerwiegende Folgen verantwortlich gemacht, und - was das Schlimme ist - er hat den Eindruck zu erwecken versucht, als sei die Bundesregierung für die Zins-, Kredit- und Kapitalmarktpolitik verantwortlich.
Im übrigen hat Ministerpräsident Stoltenberg, den den Sie als Ersatz aus Schleswig-Holstein nach hier holen mußten, wörtlich gesagt, es gebe gute Gründe für die Bundesbank, ihre Geld- und Kreditpolitik fortzusetzen.
({2})
Ich will zu den Aussagen von Ministerpräsident Stoltenberg nur noch eine weitere Bemerkung ma6272
chen: Zunächst hat er nicht verwirklicht, was er angekündigt hatte, nämlich zum Thema Probleme der Länder und Gemeinden zu sprechen. Man kann ihm allerdings zustimmen, wenn es darum geht, eine regionale Differenzierung unserer Wirtschafts- und Konjunkturpolitik zu betreiben. Es ist gerade unser Kollege Dr. Herbert Ehrenberg und es sind die Sozialdemokraten gewesen, die immer wieder auf die Entwicklung dieses Instruments hingewiesen haben.
({3})
Wenn die Erfahrungen mit dem jüngsten Sanderkonjunkturprogramm vorliegen, werden wir das Instrument einer sektoral und regional differenzierten Strukturpolitik fortschreiben und verbessern.
Meine Damen und Herren, wie ist die Lage der deutschen Wirtschaft wirklich?
({4})
- Herr Stücklen, wenn ,es nach Ihnen ginge, würden Sie die Wirtschaft in eine Krise hineinreden! Aber Gott sei Dank sind die Fakten anders. Sie reden nur von Problembereichen. Aber ich frage Sie: Geht es z. B. der deutschen Stahlindustrie schlecht - übrigens trotz paritätischer Mitbestimmung -?
({5})
Ich frage Sie: Geht es der deutschen Chemie schlecht? Geh es der gesamten Energiewirtschaft schlecht? Geht es den Banken und Versicherungen schlecht?
Ich weise auf den jüngsten Monatsbericht der Bundesbank hin. Sie haben ihn ja noch nicht mal zur Kenntnis genommen, geschweige denn sich mit den neuen Fakten und Konjunkturindikatoren auseinandergesetzt. So ernst zu nehmen sind Ihre Debattenbeiträge zu einem so wichtigen Thema, zu einem so wichtigen Problem. Sie wissen, wirtschaftliche Probleme sind diffizil, und wer wie Sie so leichtsinnig über solche schwierigen Probleme redet, der nimmt eine große Verantwortung auf sich.
({6})
Ihr Versuch, mit einem Teil restaurativer Unternehmer den Eindruck zu erwecken, als würde diese sozialliberale Koalition eine Politik gegen die Wirt- schaft betreiben, wird scheitern müssen.
({7})
Ihnen und diesem Teil, der mit Ihnen an einem Strang zieht, muß man sagen: wer verunsichert, wer Panik schürt, der legt die Axt an die Wurzeln unserer Ordnung.
({8})
Ich appelliere von dieser Stelle aus an die verantwortungsbewußten Unternehmer, vor allem an die jüngeren Unternehmer, objektiv und fair zur sozialliberalen Koalition zu sein, wie Sie gut beraten wären, sich gegenüber jeder demokratischen Regierung korrekt und fair zu verhalten und statt Konfrontation Kooperation zu suchen,
({9})
weil wir nur gemeinsam die Probleme, die anstehen, lösen können.
({10})
Krisengerede und Schwarzmalerei helfen uns nicht weiter. Permanente Preiserhöhungsankündigungen haben eh er preissteigerungswirkende Effekte als das Gegenteil.
({11})
Man muß in der deutschen Öffentlichkeit auch mit dem Irrtum aufräumen, wenn Sie dran wären, gäbe es die heutigen Probleme nicht, wäre alles besser. Jeder soll Ihre Debattenbeiträge nachlesen und erkennen, welche Alternativen Sie bieten! Dann wird man wissen: Ihnen darf man die wirtschaftspolitische und gesamtpolitische Verantwortung nicht mehr übertragen!
({12})
Lassen Sie mich nun zu einem anderen Problem kommen, das in der Debatte immer wieder anklang. Die SPD-Bundestagsfraktion dankt der Bundesregierung und dem Bundesminister für Wirtschaft für die im Jahreswirtschaftsbericht 1974 gemachten Aussagen zur Energie- und Rohstoffpolitik. Dank des von der Bundesregierung vorgelegten Energiekonzepts wurde die Bundesregierung nicht unvorbereitet von der Ölkrise getroffen. Sie hat schnell und flexibel reagiert.
({13})
Die Ölkrise hat allen Energieverbrauchern, privaten wie industriellen, ins Bewußtsein gerufen, welche Bedeutung die Energie für eine Volkswirtschaft hat.
({14})
Sehr schnell war der Glaube an ein langfristig sicheres, ausreichendes und billiges Rohöl erschüttert. Viele reagierten hektisch, als die Bundesregierung einen kühlen und klaren Kopf behielt. Heute schaut es schon wieder anders aus. Die seinerzeit heilsame Unruhe weicht draußen im Lande zunehmend einer Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit. Die Zahl derer wird größer, die annehmen, es regele sich alles von selbst, mit der mengenmäßigen Verknappung sei es vorbei, alles sei nur etwas teurer geworden.
({15})
Ich warne mit Nachdruck vor einer solchen Fehleinschätzung der Lage und der Zukunftserwartungen.
Ich weise darauf hin, daß wir die energiepolitische Herausforderung noch beantworten müssen, und ich appelliere an alle Verantwortlichen, konstruktive Konsequenzen zu ziehen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Das Energieprogramm muß fortgeschrieben und aktualisiert werden. Das muß im Dialog geschehen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß Ihr energiepolitischer Sprecher, der Herr Kollege Russe, sich in der letzten Energiedebatte auf die Basis dieses Energiekonzepts gestellt hat und mit uns bereit ist, es weiter zu entwickeln.
({16})
Auch die Bundesländer kommen nicht aus ihrer Verantwortung heraus, und der Bundesrat wäre gut beraten, mit der Bundesregierung an einem Strang zu ziehen und nicht immer wieder länderpartielle Teilinteressen in den Vordergrund zu schieben. Wirtschaft und Energieverbraucher stehen in der Mitverantwortung.
({17})
Ach, Herr Stücklen, Sie verstehen doch davon
gar nichts. Machen Sie doch nicht immer so unqualifizierte Zwischenbemerkungen! Das ist doch völlig überflüssig; Sie halten doch nur die Debatte auf.
({18})
Sehen Sie, wenn man bei Ihnen zur Sache spricht, wenn man sich mit wirtschaftspolitischen Fakten auseinandersetzt, können Sie nur dumme Zwischenrufe machen. Das ist doch erschütternd!
({19})
Das letzte Glied in dieser Kette ist die europäische-amerikanische und eine weltweite Zusammenarbeit und das Bemühen um eine Kooperation zwischen rohölfördernden und Verbraucher-Ländern unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Entwicklungsländer.
Lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zur Lage auf dem Mineralölmarkt sagen. Ich glaube, er ist nach wie vor undurchsichtig und voller Unsicherheiten. Daß auf den internationalen Ölmärkten der Höhepunkt der Teuerung überschritten ist, kann nicht behauptet werden. Zur Preispolitik der in der Bundesrepublik tätigen Mineralölgesellschaften will ich nur bemerken, daß trotz versuchter und vielleicht auch optisch zum Teil gelungener „Weißwäsche" vor dem Kartellamt in Berlin das Unbehagen bleibt. Zu undurchsichtig und zu undurchschaubar sind und bleiben die Mengen- und Preisstrategien vor allem der multinationalen Mineralölkonzerne. Das muß weiter kritisch geprüft werden.
Was die währungspolitischen Auswirkungen der Ölverteuerung betrifft, so weiß jeder, daß sie noch nicht voll abschätzbar sind. Wir können nur hoffen, daß es uns gelingt - europäisch und in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern insbesondere den USA -, eine angemessene Antwort darauf zu finden. Es muß vermieden werden, daß die Eurogeld-und -kapitalmärkte plötzlich aufgebläht werden und eines Tages umfangreiche Verlagerungen zu den nationalen Geld- und Kapitalmärkten erfolgen. Wir brauchen deshalb multilaterale Lösungen.
Lassen Sie mich noch eine Empfehlung an die Bundesregierung richten. Ich glaube, die Bundesregierung wäre gut beraten, zu prüfen, ob sie nicht die Gründung einer Rohölbeschaffungsgesellschaft für die Bundesrepublik betreiben sollte.
Zum Stellenwert der heimischen Kohle will ich nur darauf hinweisen, daß der Bundeskanzler dazu von uns voll zu unterstreichende Ausführungen bei seiner letzten Grubenfahrt in Dortmund gemacht hat.
({20})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist darüber hinaus der Meinung, daß uns nicht nur die Energiepolitik, sondern auch die gesamte Rohstoffversorgung Probleme bereitet. Ein Teil der Ursachen unserer wirtschaftpolitischen Probleme - insbesondere auf dem Preissektor - liegt auch auf dem gesamten Rohstoffsektor. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir in einer Zeit, in der das internationale Rohstoffpreisniveau außergewöhnlich gestiegen ist und wesentlich zur Verteuerung der Lebenshaltung im Lande beigetragen hat, ein wirkungsvolles Instrumentarium zur Sicherung der zukünftigen Rohstoffversorgung schaffen.
({21})
- - Ach, Herr Seiters, für Sie gilt das, was ich schon zu Herrn Reddemann gesagt habe.
({22})
Abschließend möchte ich noch einmal feststellen, daß in unserer Volkswirtschaft Energie und andere Rohstoffe knapp bleiben und ihre Preise sicher eher weiter steigen als sinken werden. Ein zumutbares Preisniveau wird nicht zuletzt von der Ernsthaftigkeit unseres energiepolitischen Tuns abhängig sein und von dem Grad der Substitution mitbestimmt werden. Noch gibt es keinen Energiekollaps. International gab es eine „Vorwarnung", allerdings in Form einer massiven Herausforderung. Geben wir darauf gemeinsam eine europäische Antwort.
({23})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Zeitel. Die Fraktion der CDU/CSU hat eine Redezeit von zwanzig Minuten angemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal den Versuch unternehmen, in dieser Debatte deutlich zu machen, wo wir in der Urteilsbildung, in der Analyse und die Therapie übereinstimmen und wo wir nicht übereinstimmen.
({0})
Dieses scheint der Transparenz dienlich zu sein, und die Transparenz wird ja groß herausgestellt.
Wir stimmen mit Ihnen überein, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß kein Anlaß besteht, die Situation unnötig zu dramatisieren. Wir stimmen allerdings nicht überein, wenn versucht wird, bestimmte Entwicklungsprozesse entweder zu unterschlagen oder sie nur mit Gelassenheit hinzunehmen.
({1})
In der Grundanalyse ist der Jahreswirtschaftsbericht in einigen Teilen auch ein Dokument der Unterlassungen.
({2})
Das, was unsere gegenwärtige Situation kennzeichnet, was sie schwierig macht, ist das Überlappen von konjunkturpolitischen, strukturpolitischen und ordnungspolitischen Fragen. Wir können deshalb nicht mit einer Therapie antworten, die im Grunde genommen aus der Behandlung überkommener Konjunktursituationen abgeleitet ist. Es bedarf schon spezifischer, gezielterer Maßnahmen.
({3})
Wir haben bei der Analyse, Herr Kollege Ehrenberg, Differenzen hinsichtlich der Einschätzung des Beschäftigungsproblems und auch des Preisproblems. Niemand von unserer Fraktion, das darf ich hier deutlich machen, hat behauptet, daß wir uns den gravierenden Einflüssen aus den internationalen Märkten entziehen können. Aber dadurch, daß wir die Problematik damit zudecken und permanent relativieren, gehen wir am Kern der Probleme, wie sie sich in unserem Lande stellen, vorbei.
({4})
Lassen Sie mich wenigstens in wenigen Sätzen andeuten, warum wir uns verpflichtet fühlen, immer wieder und immer erneut das Problem der Preisstabilität anzusprechen. Es geht uns hier um jedes Prozent überhöhter Preissteigerung, weil jedes Prozent ganz erhebliche Wirkungen hat. Wir sind erstens der Meinung, daß ohne Preisstabilität die Beschäftigung nicht dauerhaft gesichert werden kann, wir sind zweitens - und in diesem Punkt zeigt sich das Überraschende der gegenwärtigen Entwicklung - auch der Meinung, daß im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, der schwierigen Lage der Randgruppen, ohne Preisstabilität kein Schritt voranzukommen ist; die soziale Gerechtigkeit wird nicht erhöht, sondern im Gefolge einer solchen Politik vermindert.
({5})
Alle Anpassungsmechanismen ändern nichts daran, daß die Leidtragenden einer solchen Entwicklung die sozial schwachen Schichten dieser Gesellschaft sind. Dieses lassen Sie mich deutlich machen: Ein dritter Grund, den ich hier vorsichtshalber anfügen möchte, weil er vielleicht die Debatte der nächsten Monate noch mehr als bislang bestimmen könnte, ist, daß unsere gesamte Rechts- und Gesellschaftsordnung auf dem Grundsatz der Preisstabilität und dem Nominalwertprinzip beruht. Wir werden prüfen müssen, ob wir, wenn dieser Prozeß anhält, das Nominalwertprinzip als Angelpunkt in dieser Form uneingeschränkt aufrechterhalten können. Wir sind in diesem Augenblick dabei, die Grundlagen einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu zerstören.
Was die Einflußfaktoren angeht, so haben wir eben nicht nur den Auslandseinfluß. Hier stimmen wir vielmehr mit den Sachverständigen überein, die eindeutig klargestellt haben, daß nicht erst seit gestern, sondern von Anbeginn dieser Regierungstätigkeit die Expansionsrate der öffentlichen Haushalte zu hoch ist.
({6})
-- Darauf habe ich gewartet, Herr Ehrenberg. - Nun höre man mit dem Schwarzen-Peter-Spiel auf, immer so zu tun, als sei die konjunkturpolitische Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gleich verteilt! Ich glaube, Sie sind genügend geschult, Herr Ehrenberg, um sich eigentlich einen so billigen Einwurf wie den Hinweis auf ein Land ersparen zu sollen.
({7})
Es ist davon auszugehen, daß der Bund noch mehr als die Gemeinden und die Länder eine Hauptverantwortung in der Gestaltung der Konjunkturpolitik hat. Daran führt kein Weg vorbei. Hier haben wir Differenzen.
Lassen Sie mich versuchen, Herr Wirtschaftsminister, die Differenzen deutlich zu machen, die uns im Bereich der Folgewirkungen trennen. Wir sind nicht, wie Sie das tun, geneigt, das, was wir gegenwärtig an Strukturproblemen haben, als einen normalen Stabilisierungs- und Bereinigungsprozeß zu bezeichnen. Dies halten wir - ich will es vorsichtig formulieren - für eine Verhöhnung der davon betroffenen Gruppen in unserem Lande.
({8})
Für uns ist die entscheidende Basis unserer Wirtschaftsordnung nicht zu sichern, indem kontrolliert wird und indem dirigiert wird, sondern die Basis unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ist eine leistungsfähige mittelständische Wirtschaft. Es ist kein Zufall, daß wir die Schwierigkeiten genau in den Bereichen haben, nämlich in der Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Bauwirtschaft, wo die mittelständische Struktur unserer Wirtschaft dominiert.
({9})
Es ist auch nicht so, daß man sich einfach hinstellen und sagen kann: Das ist eine normale Bereinigungskrise. Sie müßten eigentlich wissen, daß die
Restriktionspolitik dieser Regierung nunmehr auch die Substanz leistungsfähiger mittelständischer Wirtschaftsunternehmungen von Tag zu Tag mehr angreift. Vor diesen strukturellen Fehlentwicklungen haben wir mehr Respekt als Sie; ich will mich vorsichtig ausdrücken.
Wir sind auch der Meinung - und auch dies ist ein Dokument der Unterlassung -, daß man aus den Schwierigkeiten, in die wir hineingekommen sind, nicht mehr herauskommt, wenn es uns nicht gelingt, den Bereich der Investitionen wieder ein wenig mehr anzuregen. Wenn der Schornstein nicht raucht, werden wir überhaupt kein Problem lösen.
({10})
Die Investitionsneigung ist noch nie so gedrückt gewesen wie gegenwärtig. Wir bleiben dabei, Herr Graf Lambsdorff - wir haben das schon im Mai vergangenen Jahres gesagt -, daß diese Art der Restriktionspolitik zu strukturellen Verwerfungserscheinungen führen wird, bei denen es schwerfallen wird, davon wieder loszukommen.
({11})
Lassen Sie mich noch etwas zu der Einstellung zur Tarifpolitik anfügen. Wir finden es in der Tat merkwürdig, daß die Gewerkschaften und die Tarifpartner gemaßregelt werden, die nach dem Grundverständnis unserer Gesellschaft doch nur im Rahmen bestimmter Daten handeln können. Was soll denn das Gerede darüber? Wenn die Tarifautonomie besteht, ist sie immer so gut wie die Rahmendaten, die die Regierung setzt. Sind die Rahmendaten schlecht, funktioniert auch die Tarifautonomie nicht mehr. Das ist der Kausalzusammenhang.
({12})
Genau an diesem Punkte setzt wieder eine Differenz in der Beurteilung ein, die wir mit Ihnen haben. Wir befürchten, daß sich der Prozeß bereits seine eigene Zugluft verschafft und daß sich eine Zuspitzung der sozialen Konfliktsituation in unserem Lande ergeben kann, die wir für das Bedrohlichste überhaupt halten und mit der man nicht mit bloßen Mechanismen fertig wird.
({13})
Ich will dies nicht weiter vertiefen. Aber noch ein paar Bemerkungen bezüglich der Haushaltspolitik. Was ist nicht in diesem Hause gesagt worden, daß wir auf der Seite der öffentlichen Haushalte eigentlich nicht sparen können! Ich finde, eines sollte die Bevölkerung aus der Entwicklung der letzten Wochen gelernt haben: daß es ohne eine bewußte Sparpolitik möglich war, mehr als 4 Milliarden DM im Haushalt einzusparen, sie aber nicht stillzulegen, sondern ebenso schnell wieder auszugeben mit dem bewundernswerten buchhalterischen Ergebnis, daß dann in der Tat die Differenzen zwischen dem Soll und dem Ist des öffentlichen Haushalts minimal sind. Meine Anerkennung jedenfalls dem Buchhalter, der die 4 Milliarden mit einer solchen Genauigkeit verbraten hat!
({14})
Ich will das nicht vertiefen. Ich wollte hier nur deutlich machen: man höre auf, draußen zu erzählen, daß in den öffentlichen Etats nicht zu sparen ist, wenn allein eine falsche Einschätzung über 4 Milliarden hergibt!
({15})
Wir werden, ob Ihnen das lieb ist oder nicht, daran festhalten, daß sich auch im Bereich der Steuerreform eine Veränderung der Prioritäten ergeben hat. Wir werden es als vorrangig bezeichnen und uns auch dafür einsetzen - wir hoffen auf Ihre Unterstützung -, daß wir die Inflationsfolgen zunächst beseitigen, die wiederum zu einer einseitigen Verzerrung in unserem gesamten Steuersystem Anlaß geben. In diesem Bereich werden Sie unsere Unterstützung haben. Ich darf auch diesen einen Satz noch hinzufügen: das, was wir im Bereich der Vermögen- und der Erbschaftsbesteuerung haben, hätten wir vier oder acht Wochen früher haben können, wenn Sie ein wenig eher auf das eingegangen wären, was wir im Ausschuß vorgeschlagen haben. Dann kommen wir vielleicht etwas schneller voran.
({16})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie zunächst eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram?
Ja, gern.
Herr Kollege Zeitel, wollen Sie uns konkret sagen, wo Sie kürzen wollen, und würden Sie uns zweitens verraten, ob Sie noch ein zweites konjunkturpolitisches Instrumentarium als Alternative bereit haben?
Zur Alternative werde ich zum Schluß noch ein paar Bemerkungen machen.
({0})
- Ich habe hier keine Haushaltsrede zu halten, Herr Wolfram.
({1})
- Herr Schäfer, wir haben doch viereinhalb Milliarden DM auf dem Tisch. Herr Wolfram, viereinhalb Milliarden sind mehr eingegangen - übriggeblieben - als vorhergesehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Groß?
Ja, bitte!
Herr Kollege Zeitel, würden Sie diese Forderung nach Kürzung von Personalausgaben - oder nicht weiterer Steigerung von Personalausgaben - auch dann erheben, wenn einige Ihrer
Fraktionskollegen in den nächsten Wochen entsprechende Anträge auf Steigerung der öffentlichen Ausgaben im Bereich der Personalkosten stellen werden? Würden Sie dann diese Rede hier auch halten?
Erstens, glaube ich, hat niemand von uns eine Kürzung gefordert. Zweitens haben wir die Stellenvermehrung an bestimmte Bedingungen geknüpft, die wir bisher noch nicht erkennen können.
({0})
Ich darf zum Schlußteil kommen. Ich möchte auf einen Zusammenhang hinweisen, Herr Wirtschaftsminister, den wir aus unserer Sicht für die gravierendste Unterlassungssünde in Ihrer Stellungnahme zum Jahreswirtschaftsbericht halten. Es ist die Verzahnung zwischen ordnungspolitischen Gesichtspunkten und konjunktur- und strukturpolitischen. Man kann sich doch nicht darüber wundern, daß die Investitionstätigkeit zurückgeht, wenn man permanent Überlegungen über die Einschränkung des Privateigentums anstellt und wenn auch sonst sehr vernünftige Leute die Verstaatlichung der Banken fordern,
({1})
wo wir vielleicht eher geneigt wären, Herr Ehrenberg - und nun hören Sie ganz genau zu! -, darüber Überlegungen anzustellen, ob nicht bestimmte öffentliche Institutionen, vielleicht auch Bundesbahn und Bundespost, in Teilen privatisierungsfähig sind, nach dem, was uns diese Regierung an Bundespost- und Bundesbahnpolitik vorexerziert.
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Ja, bitte!
Herr Professor Zeitel, abgesehen von der Frage, ob man in der Verteidigung des Gedankens des Privateigentums so weit gehen sollte, Bundesbahn und Bundespost zu privatisieren,
({0})
würde ich gern von Ihnen wissen - es ist etwas schwierig, sich verständlich zu machen, aber es gelingt vielleicht doch -, ob Sie davon Kenntnis genommen haben, daß nach den jüngsten Berichten des Ifo-Instituts die Investitionsneigung gerade wieder zunimmt, und ob Sie mir zugeben können, daß die Kreditprogramme, die der Bund jetzt in Bewegung gesetzt hat - mit zweimal 300 Millionen DM -, natürlich darauf aus sind, weitere Investitionen aus dem privaten Bereich nach sich zu ziehen und auszulösen, und zwar gerade im mittelständischen Bereich, dessen strukturelle Verwerfung Sie so vehement beklagen?
Graf Lambsdorff, ich bin gerne bereit, zuzugeben, daß beides in die richtige Richtung zielt. Nur bleiben unsere Differenzen, daß die Investitionstätigkeit immer noch zu niedrig ist. Das ist ein quantitativer Unterschied, den ich deutlich machen will.
({0})
Ich möchte nicht versäumen, Herr Wirtschaftsminister, darauf hinzuweisen - neben der Frage des Privateigentums -, daß man natürlich nicht auf der einen Seite für die Marktwirtschaft plädieren und auf der anderen Seite ein Gesetz zur Vermögensbildung oder Eckwerte - vorsichtig formuliert; es könnten ja auch noch dritte, vierte und fünfte werden, so wie wir das aus der Steuerreform kennen - vorzulegen, die sicher nicht geeignet sind, die Investitionstätigkeit in der Bundesrepublik zu mehren, und von denen wir auch überzeugt sind, daß sie keinen wesentlichen Beitrag zur Lösung dieser gravierenden Frage einer besseren Verteilung von Vermögen in unserem Lande darstellen.
Ich könnte fortfahren mit den Bereichen der Steuerreform, die im Augenblick nicht diskutiert werden können. Aber sicherlich ist es doch auch zutreffend, daß mit dem Konzept der Vermögensbildung nun schon wieder bei der Gewinnbesteuerung eine Abgabe von mehr als 10 % hinzukommt. Wir werden ja noch Ihre Verschleierungstaktik erleben, daß das keine Steuer sei. Aber es ist nun mal eine. Das ist sicherlich ein gravierender Vorgang im Gesamtkonzept einer Steuerreform, die man in solchen Basisdaten nicht laufend ändern und die man auch nicht in sechs Monaten beraten kann; Herr Möller hat mit Recht gesagt, daß eine sorgfältige Beratung eines so umfassenden Werkes nun eben ein Jahr beansprucht.
Es ließen sich in der Tat - auch das ist Ihnen unbequem - die Wirkungen des Berufsbildungsprogrammes verdeutlichen, die in bestimmten Teilen nicht zu negieren sind und die zusammen gesehen werden müssen, wenn man zu einer richtigen Analyse und einer daraus folgenden richtigen Therapie kommen will.
Nun ist hier nicht der Ort - und auch nicht die primäre Aufgabe der Opposition -, Ihnen im Detail ein Alternativprogramm zu liefern für das, was Sie nicht selbst schaffen können.
({1})
Aber ich will doch versuchen, Ihnen deutlich zu machen, welches unsere anders gearteten Ansätze einer solchen alternativen Politik sind. Ich beginne mit dem letzten.
Erstens. Wir sind der Meinung, daß bei der aus den Fugen geratenen Stabilität im Gesamtbereich der Reformen kürzer getreten werden muß. Anders werden wir die Stabilität nicht zurückgewinnen.
({2})
Zweitens. Wir sind der Auffassung, daß die Regierung - - hier ist sie mitbeteiligt, und zwar maßgeblich -- das Kunststück fertiggebracht hat, eines der wesentlichen Elemente, Kostensteigerungen abzuDr. Zeitel
fangen - nämlich den Einsatz moderner Technologien, die eine erhebliche Investitionsneigung beinhalten - zum Stocken zu bringen. Wir sind in der Tat der Auffassung, daß in die Investitionspolitik, Graf Lambsdorff, mehr Schwung gebracht werden muß. Und lassen Sie mich auch einen ketzerischen Satz hinzufügen: Das bedingt nun einmal, daß man nicht dauernd von Profitgier spricht, sondern daß man die berechtigten Ertragsinteressen der deutschen Wirtschaft, die auch diejenigen der Arbeitnehmer sind, anerkennt. Anders wird man das Rad nicht wieder zum Laufen bringen.
({3})
Jedenfalls ist es unsere Überzeugung - wir würden das im Ernstfall auch zu beweisen haben -, daß ohne eine höhere Investitionstätigkeit, als wir sie gegenwärtig haben, die Probleme, in die wir hineingeraten sind, nicht zu lösen sind.
Wir wissen sehr wohl, daß man das natürlich mit einer entsprechenden Vermögenspolitik koppeln muß, von der ich deutlich machen darf, daß sie im Ansatz anders ist als die Ihre.
({4})
Denn für uns, Herr Ehrenberg, ist die individuelle Disponibilität über das Vermögen ein Essentiale der Selbstverwirklichungsmöglichkeiten des Bürgers. Lassen Sie mich das deutlich machen.
({5})
Deshalb werden wir nicht in eine Diskussion über „Marx und Murks" einsteigen. Lassen Sie mich auch das deutlich sagen.
({6})
Hier liegen jedenfalls im Ansatz erhebliche Differenzen, die uns unterscheiden.
Ich darf als dritten wesentlichen Punkt anführen, daß wir nach wie vor meinen, daß die öffentliche Haushaltsführung restriktiver gehandhabt werden muß.
({7})
Anders bekommen wir die Dinge nicht in Ordnung.
Ich wollte Ihnen nur die Ansätze deutlich machen. Die Politik, die gegenwärtig betrieben wird, ist nicht die einer Doppelstrategie-die Doppelstrategie führt meistens in die Irre -, es ist eine Politik der Widersprüche zwischen Ordnungspolitik, Konjunkturpolitik und Strukturpolitik. Wir glauben nicht, daß Sie die Probleme auf diesem Wege lösen.
({8})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Jahresgutachten 1973 zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 7/1273, dem Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und dem Haushaltsauschuß zu überweisen; ebenso den Jahreswirtschaftsbericht 1974, Drucksache 7/1646. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umweltstatistiken
- Drucksache 7/988 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1846 Berichterstatter:
Abgeordneter Möller ({1})
b) Bericht und Antrag des Innenausschusses ({2})
- Drucksache 7/1808 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Gruhl Abgeordneter Konrad
({3})
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich danke den Herren Berichterstattern.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 17, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist in der dritten Beratung einstimmig angenommen.
Gleichzeitig sollen auf Antrag des Ausschusses die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt erklärt werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
- Drucksache 7/256 -
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1894 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({5})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({6})
- Drucksache 7/1845 Berichterstatter:
Abgeordneter Egert
Abgeordneter Dr. Hammans
({7})
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob ergänzend das Wort gewünscht wird.
({8})
- Gleichzeitig, Herr Kollege - so ist mir gesagt worden - wollen Sie am Ende einer Korrektur eine Erklärung für die Koalitionsparteien abgeben. Ich gehe davon aus, daß wir dann die Aussprache vor der zweiten Beratung führen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme das Wort als Berichterstatter nur insoweit, als eine ergänzende Berichtigung zu dem schriftlichen Bericht und Antrag notwendig ist.
Zwischenzeitlich ist das Einführungsgesetz zum
Strafgesetzbuch verabschiedet worden. Dies macht notwendig, daß in Art. 1 der Änderung des Arzneimittelgesetzes die Einleitung zu ändern ist. Ich stelle für das Protokoll fest, daß die Fassung heißen muß:
Artikel 1
Das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 16. Mai 1961 ({0}), zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 ({1}), wird wie folgt geändert:
Dies ist die Änderung, die notwendig ist, um den gesetzestechnischen Anforderungen zu entsprechen.
({2})
Ich danke Ihnen, Herr Berichterstatter. Ich hätte Ihnen gerne die Möglichkeit gegeben, in der Aussprache sofort nach dem Bericht durch einen hörbaren Absatz fortzufahren, damit das Haus den Unterschied merkt. Bitte, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hörbare Absatz war jetzt nicht nur ein hörbarer, sondern auch ein laufmäßiger Absatz.
Dem Bundestag liegt in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vor. Was verbirgt sich hinter dieser anspruchslosen Bezeichnung? Es verbirgt sich ein Gesetz, das ein weiteres Versprechen der Regierungserklärung einlöst und einen neuen Mosaikstein in die Verbraucherpolitik der Bundesregierung einfügt.
Gesundheitsschutz zu gewährleisten und den Schutz für den Verbraucher auszuweiten sind die politischen Zielsetzungen dieses Gesetzes. Daß dies in der vernünftigen Abwägung mit wirtschaftlichen Interessen, insbesondere auch denen der Landwirte geschehen mußte, wird in dem vorgelegten Gesetz ebenso deutlich, wie erkennbar bleibt, daß die gesundheitspolitische Zielsetzung Vorrang behalten hat, was nicht zuletzt auch dadurch unterstrichen wird, daß federführend für die Gesetzesberatung der Ausschuß für Jugend und Gesundheit war.
Mit dem Gesetz sollen Mißstände abgestellt werden, die berechtigt öffentliche Unruhe bei den Verbrauchern verursacht haben, Mißstände, die beschrieben sind mit den Stichworten Massentierhaltung, unkontrollierte Abgabe von Tierarzneimitteln und Einfuhr von Fleisch aus dem Ausland, das in gesundheitlich bedenklicher Weise Rückstände von Tierarzneimitteln aufweist. Diesen Mißständen abzuhelfen macht notwendig zu erkennen, wie verklammert Fragen eines nicht nur traditionell begriffenen Gesundheitsschutzes mit denen des Umweltschutzes sind. Sie zu lösen erfordert besondere Formen des Umweltschutzes. Die sozialliberale Koalition hat mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetz deutlich gemacht, daß sie sich dieses Zusammenhangs bewußt ist. Zugleich hat sie unterstrichen, daß sie gewillt ist, die notwendigen Überlegungen in diesem Bereich in ihrer Summe auf den Bürger auszurichten. In diesem Fall heißt dies, mit dem Gesetz den Anspruch zu verwirklichen, Lebensmittel, die von Tieren gewonnen werden, frei von gesundheitlich bedenklichen Arzneimittelrückständen zu halten. Dies soll dadurch gesichert werden, daß sowohl Prüfung als auch Anwendung der für Tiere bestimmten Arzneimittel gesetzlich geregelt werden.
Gesetzlich festgelegt wird erstens eine erweiterte Registrierungspflicht für alle zur Anwendung bei Tieren bestimmten Arzneimittel beim Bundes-Gesundheitsamt, zweitens die Prüfung und Festsetzung von Wartezeiten, die nach der Anwendung von Tierarzneimitteln eingehalten werden müssen. Sie sollen sicherstellen, daß dem Verbraucher möglichst rückstandsfreies und gesundheitlich unbedenkliches Fleisch angeboten werden kann. Festgelegt wird weiter die Kennzeichnung der Arzneimittel mit den einzuhaltenden Wartezeiten.
Um den grauen Tierarzneimittelmarkt - ein weiteres öffentliches Ärgernis - abzuschaffen, werden Regelungen getroffen, die helfen sollen, den illegalen Markt zu bekämpfen. Dazu gehört 1. die Anzeigepflicht für Personen, die gewerbsmäßig Arzneimittel erwerben oder abgeben, 2. die Nachweispflicht über Erwerb und Abgabe von Arzneimitteln, 3. die Nachweispflicht über die Herstellung von Fütterungsarzneimitteln und 4. die Nachweispflicht über die Herkunft vorhandener Arzneimittel. Außerdem soll die Einfuhr von Arzneimitteln schärfer überwacht werden. Last not least schafft das Gesetz die Voraussetzungen für eine gesundheitlich unbedenkliche, aber dennoch praktikable arzneiEgert
liche Versorgung großer Tierbestände mit Fütterungsarzneimitteln. Mißstände, die in diesem Zusammenhang bei der Massentierhaltung aufgetreten sind, sollen künftig der Vergangenheit angehören.
Wenn dennoch die Diskussion um das Gesetz einen Rest von Zweifeln läßt, dann deshalb, weil sich mit jedem Gesetzeswerk neu die Frage stellt, wie wir die Verwirklichung, die Umsetzung und Durchführung der gesetzlich festgelegten Ansprüche sicherstellen wollen. Dieser Frage haben sich die SPD-Fraktion und die FDP-Fraktion in besonderer Weise angenommen. Sie begrüßen daher ausdrücklich den Entschließungsantrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, mit dem sichergestellt werden soll, daß das Institut für Veterinärmedizin beim Bundesgesundheitsamt unverzüglich finanziell und personell in die Lage versetzt wird, die bestehenden und die sich aus dem Änderungsgesetz ergebenden neuen Aufgaben zu erfüllen. Vor allem soll sichergestellt werden, daß der sofortige Schutz des Verbrauchers dadurch gewährleistet wird, daß die erforderlichen Überprüfungen aller zur Anwendung bei Tieren bestimmten Arzneimittel hinsichtlich der einzuhaltenden Wartezeiten schnellstmöglich durchgeführt und abgeschlossen werden.
In diesem Zusammenhang muß erwähnt und unterstrichen werden, daß die hohen Anforderungen, die das nationalstaatliche Recht stellt, durch die Einführung internationaler Standards ergänzt werden müssen. Insbesondere im EG-Bereich muß sichergestellt sein, daß die berechtigten gesundheitlichen Interessen der Verbraucher im Ramen der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt werden, nicht nur aus dem vorrangigen und einsichtigen gesundheitlichen Interesse, sondern auch um Wettbewerbsverzerrungen für die deutschen Anbieter zu vermeiden.
({0})
Für die Koalitionsfraktionen kann ich erklären, daß wir dem Gesetz als einem bedeutsamen gesundheits- und verbraucherpolitischen Beitrag der sozialliberalen Koalition zustimmen. Wir bitten, sich diesem Petitum anzuschließen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahre 1958 wurde auf Initiative der damaligen CDU-Regierung das Lebensmittelrecht reformiert.
({0})
Dabei war gesundheitspolitisch der wichtigste Punkt die Einführung des Verbotsprinzips.
({1})
Eine Ergänzung auch für den Bereich der Lebensmittel fand die Reform durch das Heilmittelwerbegesetz des Jahres 1961.
Als Restforderung aus der Gesamtreform des Lebensmittelrechts der 50er Jahre verblieben die zum einen die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des stark aufgespaltenen Lebensmittelrechts und zum anderen die Forderung nach einer verbesserten Handhabung der Gesetzesvorschriften zur Begrenzung von Verunreinigungen der Lebensmittel durch Reste an Pflanzenschutzmitteln und Rückständen aus pharmakologischer Behandlung von Tieren und durch Rückstände z. B. an Schwermetallen.
Die Forderung nach Vereinheitlichung des stark aufgespaltenen Lebensmittelrechts wird durch die Lebensmittelrechtsreform noch in diesem Sommer erledigt sein.
Das Problem der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ist in der Verordnung zum Pflanzenschutzgesetz erledigt.
Durch diesen Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, meine Damen und Herren, wird auch der vorletzte Punkt der Forderung von 1958 erledigt sein. Sie sehen, Herr Kollege Egert: Dies ist eine schöne, folgerichtige Konsequenz von 1958 und nicht nur ein Reformwerk dieser Bundesregierung.
(Abg. Dr. Mertes ({2})
Es bleibt dann nur noch das Problem der Schwermetalle in Lebensmitteln übrig. Ich hoffe, Frau Minister Focke, daß die Bundesregierung uns bald auch zu diesem Problem einen Gesetzentwurf vorlegen kann, damit wir auch mit diesem sehr schwierigen Problem fertig werden.
Für alle Verbraucher, meine Damen und Herren, ist die vorliegende Änderung des Arzneimittelgesetzes von großer Bedeutung. Wir haben diesem Gesetzentwurf im Unterausschuß für Lebensmittelrecht den Arbeitstitel „Tierarzneimittel" gegeben.
Meine Damen und Herren, es ist unmöglich, den ungeheuren Bedarf an tierischem Eiweiß für die menschliche Ernährung in der Welt ohne Gebrauch von Arzneimitteln bei der Aufzucht und der Haltung von Tieren zu befriedigen.
Ohne genügende gesetzliche Bestimmungen wurden in der Vergangenheit - und werden in der Gegenwart bei der Massentierhaltung Arzneimittel verwandt. Diese werden zum Teil über einen unübersichtlichen grauen Markt besorgt und zum Teil wegen fehlender Information falsch angewendet. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen Meldungen, die zum Teil von Presse, Funk und Fernsehen noch aufgebauscht wurden, über nicht erlaubte Rückstände von Antibiotika, Thyreostatica und sogar von Hormonen in Fleisch. Die Verwendung von Hormonen und Thyreostatica ist bereits seit Sommer 1973 durch die Novelle zum Futtermittelgesetz in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr erlaubt, im Gegensatz z. B. zu den Vereinigten Staaten, wo ausdrücklich zwei Hormone, wie uns erklärt wurde, bei der Mast noch zugelassen sind. Am 1. April dieses Jahres trat eine Verordnung zum Fleischbeschaugesetz in Kraft, die eine bessere Kontrolle unseres Fleisches gewährleistet.
Ich möchte zu dem großen Komplex dieses Gesetzentwurfs gern drei Punkte noch kurz ansprechen, weil sie mir besonders wichtig zu sein scheinen.
Erstens. Arzneimittel, die bei Tieren angewendet werden, welche zur Lebensmittelherstellung dienen, dürfen in Zukunft nur dann in den Verkauf gebracht werden, wenn sie beim Bundesgesundheitsamt registriert und insbesondere in bezug auf die einzuhaltenden Wartezeiten vor der Schlachtung der Tiere überprüft worden sind.
Zweitens. Dieser Gesetzentwurf bringt für die deutsche Landwirtschaft einige Erschwernisse mit sich, u. a. durch zusätzliche Kosten und Mehrarbeit.
Drittens. Die durch dieses Gesetz verbesserte Qualität der deutschen Fleischerzeugnisse muß Richtschnur auch auf internationaler Ebene werden. Es ist bekannt, meine Damen und Herren, daß manchmal auf geradezu abenteuerlichen Wegen Lebensmittel z. B. aus den Ostblockländern oder anderen Drittländern über EG-Länder in die Bundesrepublik eingeführt werden. Wir werden bei der Beratung des Lebensmittelrechts besonders darauf zu achten haben, daß die Einfuhren in die Bundesrepublik nach den gleichen strengen Maßstäben beurteilt werden, wie das bei der eigenen Produktion in Deutschland geschieht.
Das bedeutet, daß durch dieses Gesetz das neue Lebensmittelrecht sachlich und dann auch personell die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Kontrollen endlich so durchgeführt werden können, wie es zwingend notwendig wird.
({3})
Damit wird ein optimaler Schutz des deutschen Verbrauchers und zugleich der deutschen Landwirtschaft erreicht, weil die Konkurrenten im Ausland dann gezwungen sein werden, unter den gleichen erschwerten und kostspieligeren Bedingungen zu produzieren, wie dies der deutsche Landwirt tut.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Fraktion der CDU/CSU den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fassung des Ausschußantrags begrüßt, hat Kollege Dr. Hammans bereits ausgeführt. Ich möchte aber noch einmal bekräftigen, daß es sich hier um eine schon seit langem dringend notwendige Novellierung des Arzneimittelgesetzes zur Bekämpfung des sogenannten grauen Tierarzneimittelmarkts handelt. Diese Initiative ist bereits in der vorigen Legislaturperiode u. a. durch den Gesetzentwurf von Kollegen meiner Fraktion eingeleitet worden.
Ich möchte mich jetzt lediglich noch einem Anliegen meiner Fraktion zuwenden, das aus formalen
Gründen leider nicht die Zustimmung der Koalitionsmehrheit im federführenden Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gefunden hat. Es geht darum, daß die Gelegenheit der vorliegenden Änderung des Arzneimittelgesetzes genutzt werden moge, die unstreitig notwendige Erfassung der sogenannten Generics - das sind Arzneimittel, die nur unter der chemischen Kurzbezeichnung des Wirkstoffs in den Handel kommen - im Arzneimittelgesetz zu verankern. Wir haben bekanntlich nur ein Arzneimittelgesetz für Humanpräparate und für Veterinärpräparate. So bietet sich nach Auffassung meiner Fraktion diese Gelegenheit geradezu an, die Generics nicht nur auf dem Gebiet der Veterinärpräparate, wie es der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, sondern zugleich auch auf dem Gebiet der Humanpräparate den Regelungen unseres Arzneimittelgesetzes zu unterwerfen. Dabei sind wir im einzelnen durchaus damit einverstanden, daß die gesetzliche Regelung der humanmedizinischen Generics in derselben Weise erfolgt wie in dem inzwischen vorliegenden Referentenentwurf zur Neuordnung des Arzneimittelrechts des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit.
Mit diesem letzten Hinweis, meine Damen und Herren, habe ich für meine Fraktion klargestellt, daß es sich bei unserem Anliegen der Einbeziehung humanmedizinischer Generics nicht darum handeln kann und darf, daß In-den-Verkehr-Bringen homöopathischer und naturheilkundlicher Mittel zu verhindern. Allerdings muß auch insoweit das übergeordnete Prinzip der Arzneimittelsicherheit berücksichtigt werden.
Die also unstreitig für notwendig gehaltene gesetzliche Regelung der Generics auch im Bereich der Humanpräparate ist besonders dringlich, weil hier fortgesetzt das geltende Arzneimittelgesetz umgangen wird und bis zum Inkrafttreten einer Neuordnung des Arzneimittelrechts, die diesen Problemkreis mit umschließt, im günstigsten Falle noch mindestens zwei Jahre vergehen werden. Mit dieser Zeitspanne, meine Damen und Herren, muß man sicherlich rechnen, da in dem augenblicklich vorliegenden Referentenentwurf für das Arzneimittelgesetz unter dem Deckmantel der anerkannt notwendigen Sicherheit bereits äußerst brisante wirtschaftspolitische Regelungen eingebaut wurden, die sicherlich belastend auf eine zügige Passage durch die parlamentarischen Stationen einwirken werden.
Deshalb vor allem hält es meine Fraktion für notwendig, die vorliegende Gelegenheit einer Novellierung des Arzneimittelgesetzes zur Behebung dieses Mißstandes zu benutzen. Andernfalls sieht es so aus, als sorge der Gesetzgeber jetzt zwar endlich für eine Bereinigung der in vielen Bereichen unerträglich gewordenen Verhältnisse auf dem Tierarzneimittelmarkt, während er aber gleichzeitig die durchaus mögliche Bereinigung eines besonders gravierenden und politisch unstreitigen Mißstandes auf dem für die Versorgung unserer Bevölkerung wichtigen humanmedizinischen Arzneimittelmarkt vor sich hinschiebe. Überspitzt könnte man beinahe sagen: Der Koalition ist das Tier hier wichtiger als
die Gesundheit des Menschen, soweit es nicht um den Verzehr von aus Tieren gewonnenen Lebensmitteln geht.
Meine Fraktion bedauert daher die Ablehnung der Mitregelung humanmedizinischer Generics in der vorliegenden Novelle zum Arzneimittelgesetz.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Aussprache. Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe die Art. 1, 1 a, 2, 2 a, 2 b, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetz in der dritten Beratung mit der vom Berichterstatter vorgetragenen Berichtigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist in der dritten Beratung einstimmig angenommen.
Wer dem Antrag des Ausschusses unter den Ziffern II und III zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes ({0})
- Drucksache 7/1265 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1834 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({2})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr ({3})
- Drucksache 7/1828 Berichterstatter: Abgeordneter Lemmrich ({4})
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob dazu das Wort gewünscht wird?
({5})
- Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Wir treten nunmehr in die zweite Beratung ein.
Ich rufe die Art. 1, 2, 3, 3 a, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten nun in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Der Ausschuß beantragt, daß die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt erklärt werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 92 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 18. Juni 1949 über die Quartierräume der Besatzung an Bord von Schiffen ({6})
- Drucksache 7/1135 Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({7})
- Drucksache 7/1864 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Blüm ({8})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob das Wort zur Ergänzung des Berichts gewünscht wird? - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort in der Aussprache wird nicht begehrt. Wir treten in die zweite Beratung ein, die ich mit der Schlußabstimmung verbinde.
Ich rufe die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und der damit verbundenen Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 126 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1966 über die Quartierräume an Bord von Fischereifahrzeugen
- Drucksache 7/1133 Bericht und Antrag des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung ({9})
- Drucksache 7/1864 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Blüm ({10})
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Der Herr Berichterstatter wünscht zur Ergänzung nicht das Wort. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort in der Aussprache wird nicht gewünscht. Ich verbinde die zweite Beratung mit der Schlußabstimmung.
Ich rufe die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 133 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 30. Oktober 1970 über die Quartierräume der Besatzung an Bord von Schiffen ({11})
- Drucksache 7/1136 Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({12})
- Drucksache 7/1864 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Blüm ({13})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob ergänzend hierzu das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Ich schlage vor, daß wir auch hier die zweite Beratung mit der Schlußabstimmung verbinden.
Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 134 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 30. Oktober 1970 über den Schutz der Seeleute gegen Arbeitsunfälle
- Drucksache 7/1132 Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({14})
- Drucksache 7/1864 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Blüm ({15})
Der Herr Berichterstatter wünscht nicht ergänzend das Wort. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht begehrt.
Ich schlage auch hier vor, die zweite Beratung mit der Schlußabstimmung zu verbinden. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller ({16}), Franke ({17}), Dr. Götz, Müller ({18}), Frau Stommel, Burger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
- Drucksache 7/1794 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Müller ({19}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion möchte ich folgendes erklären. Ziel und Inhalt unseres Gesetzentwurfs sind nicht, das Unterhaltsgeld, das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe zu erhöhen. Deren Höhe regelt sich automatisch mit jeder Lohnerhöhung. Hier bildet die Bemessungsgrundlage das Einkommen der letzten 20 Tage vor der Anspruchsberechtigung.
Anders ist es jedoch mit den Zuschlägen zum Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Schlechtwettergeld und zur Arbeitslosenhilfe. Hier handelt es sich mit Ausnahme des Zuschlags zum Schlechtwettergeld in der Hauptsache oder ausschließlich um Familienzuschläge, und zwar um feste Beträge, die seit April 1967 unverändert geblieben sind. Die Löhne und Gehälter sind jedoch seit dieser Zeit, nicht zuletzt verursacht durch die ungewöhnlichen inflationären Entwicklungen der letzten Jahre, um mindestens 75 % gestiegen.
Das durchschnittliche Jahreseinkommen aller Rentenversicherten ist nämlich von 10 219 DM im Jahre 1967 bis heute auf über 18 000 DM gestiegen. In Wirklichkeit müßten also die Familienzuschläge unter Berücksichtigung der augenblicklichen Lohnbewegung verdoppelt werden. Dennoch haben wir uns damit begnügt, eine Erhöhung dieser Zuschläge um 50 % vorzuschlagen, was nicht ausschließt, daß wir bereit sind, diese bei gründlicher Beratung im Ausschuß und näherer Prüfung noch zu erhöhen. Die Anpassung der Zuschläge, insbesondere der Familienzuschläge, an die veränderten Verhältnisse ist also der Sinn dieses Gesetzentwurfs.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat sich selbstverständlich auch die Frage gestellt, ob nicht auch die Haupt- und Höchstbeträge beim Arbeitslosengeld den sonstigen laufenden Geldleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz einer Überprüfung bedürfen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß es wenig sinnvoll ist, für eine relativ kurze Übergangszeit Haupt- und HöchstbeMüller ({0})
träge zu ändern, weil das Leistungsgefüge bei den Geldleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz ohnedies in Verbindung mit dem Dritten Steuerreformgesetz überprüft werden muß. Wir sind aber in dieser Frage grundsätzlich verständigungsbereit, wenn die Bundesregierung eine kurzfristig realisierbare und praktikable Lösung vorschlagen sollte, welche die endgültige Konzeption für die Neuordnung des Leistungsrechts in Verbindung mit der Steuerreform nicht stört.
Wenn sich also die Fraktion der CDU/CSU mit besonderem Nachdruck für die Verbesserung der Familienzuschläge nach dem Arbeitsförderungsgesetz einsetzt, so deshalb, weil hierfür ein dringendes, unabweisbares sozialpolitisches Bedürfnis besteht. Das Leistungsrecht nach dem Arbeitsförderungsgesetz trägt ganz bewußt auch dem unterschiedlichen Ausgabenbedarf der Haushalte der Leistungsempfänger Rechnung und berücksichtigt durch Familienzuschläge auch die Kopfzahl der Familienhaushalte. Wenn der Familienzuschlag seit April 1967 beim Arbeitslosengeld unverändert bei 12 DM wöchentlich geblieben ist, obwohl sich die Erwerbseinkünfte inzwischen - um das noch einmal zu wiederholen - fast verdoppelt haben, so ergibt sich daraus von selbst, daß die Familienhaushalte, deren alleiniger Einkommensbezieher dem Schicksal der Arbeitslosigkeit ausgesetzt ist, inzwischen völlig von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt worden sind.
Zur weiteren Begründung einer notwendigen Erhöhung noch ein paar Bemerkungen. Ende Februar dieses Jahres hatten wir neben 309 000 Kurzarbeitern über 620 000 Arbeitslose, also eine Arbeitslosenquote von 2,8 %. Das sind zwar noch immer keine 5 %, aber uns sind diese fast 3 % schon zu viel. Um das hier einmal ganz deutlich zu sagen und die ständigen Verdächtigungen zurückzuweisen: wir wollen Stabilität nicht auf Kosten der Arbeitslosen, sondern wir wollen auch mit diesem Antrag nur den Arbeitslosen helfen.
Laut Ifo-Institut ist in den nächsten Monaten noch mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen, obwohl ausländische Arbeitnehmer abwandern. Ich hoffe, daß dieses nicht eintritt. Aber selbst wenn es eintritt, so ist immer noch zu beachten, daß sich unter den Arbeitslosen bzw. auch unter den Kurzarbeitern Familienväter befinden, deren Arbeitslosengeld das einzige Einkommen der Familie ist. Wenn es auch nur wenige wären - um so besser -, so sind die Betroffenen, d. h. die Familien, wieder einmal die Inflationsgeschädigten. Für sie ist es völlig uninteressant, wie groß die Zahl der Arbeitslosen ist. Für sie ist und bleibt es eine besondere Härte, daß sie arbeitslos sind, zumal sie sich - ich darf das noch einmal sagen - ohnehin mit Recht als Opfer der schlechten Wirtschaftspolitik dieser Regierung und der Inflation betrachten.
Die Zuschläge erfüllen nicht mehr ihre soziale Funktion, die der Gesetzgeber ihnen noch 1969 im Arbeitsförderungsgesetz ausdrücklich zugedacht hatte. Nur zwei Beispiele: Der Durchschnittswochenverdienst eines männlichen Facharbeiters in der Industrie lag 1967 bei 228 DM brutto. Bei diesem Wochenlohn beträgt im Fall der Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld, und zwar der Hauptbetrag, 106,20 DM. Der Höchstbetrag von 151,20 wird erst bei einem Anspruch auf vier Kinderzuschläge erreicht. In diesem Jahr wird der Durchschnittswochenverdienst der männlichen Facharbeiter in der Industrie bei etwa 450 DM brutto liegen. Der entsprechende Hauptbetrag des Arbeitslosengeldes beträgt dann 186,50 DM wöchentlich; der Höchstbetrag des Arbeitslosengeldes liegt bei 276,60 DM. Er kann in diesem Fall erst erreicht werden, wenn für acht Familienangehörige Familienzuschläge beansprucht werden können - d. h. wenn das geltende Leistungsrecht nach dem Arbeitsförderungsgesetz nicht geändert wird. Wenn dagegen der vorliegende Gesetzentwurf meiner Fraktion verwirklicht wird, würde dieser Höchstbetrag des Arbeitslosengeldes in dem genannten Beispiel erreicht werden, wenn ein Anspruch auf fünf Familienzuschläge besteht.
Ein zweites Beispiel. Es ist einfach einem Arbeitnehmer, der jahrelang seinen Beitrag für seine Einkommenssicherung im Falle der Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit geleistet hat, nicht zuzumuten, daß er dann unter das Niveau der Sozialhilfe absinkt. Im Augenblick haben wir doch den Zustand, daß ein Arbeitnehmer mit drei Kindern im Alter von acht bis - meinetwegen - fünfzehn Jahren und einem Einkommen von 350 DM wöchentlich, ein Einkommen, das sogar noch etwas unter dem Durchschnitt liegt, im Falle der Arbeitslosigkeit mit dem Arbeitslosengeld plus dem noch geltenden Familienzuschlag nicht mehr hat als ein vergleichbarer Sozialhilfempfänger oder, unter Berücksichtigung der sonstigen Beihilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz, sogar schon darunter bleibt.
Eine Anhebung der Familienzuschläge ist deshalb eine dringende Notwendigkeit, der sich der Gesetzgeber einfach nicht mehr entziehen kann.
({1})
Die Erhöhung der Familienzuschläge kann auch keineswegs dazu führen, daß bei Arbeitslosengeld oder vergleichbaren Leistungen das Interesse an der Wiederaufnahme einer Arbeit, sofern sie geboten wird, erlischt.
Was die Kosten betrifft, so entstehen dem Bund nur geringfügige Mehraufwendungen im Rahmen der von ihm zu tragenden Arbeitslosenhilfe. Dies dürfte außerdem zum großen Teil zu Einsparungen beim Träger der Sozialhilfe führen. Im übrigen werden die Mehrleistungen aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit abgedeckt. Wenn auch bei größerer Arbeitslosigkeit für die Bundesanstalt für Arbeit ein erhöhter finanzieller Bedarf entsteht, so darf man doch nicht vergessen, daß das Beitragsaufkommen durch die Lohnerhöhungen längst entsprechend gestiegen ist und die eingangs aufgezählten Leistungen wie z. B. das Arbeitslosengeld nach § 111 des Arbeitsförderungsgesetzes „aus dem Hauptbetrag und den Familienzuschlägen" bestehen, also eine Einheit bilden, die durch die Beiträge längst gedeckt werden.
({2})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Lutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, die Aufnahmekapazitäten dieses Hohen Hauses ist heute sehr beansprucht worden. Da wir aber diesem Gesetzentwurf skeptisch gegenüberstehen, muß ich - da hilft uns alles nichts - namens der Koalitionsfraktionen folgende Erklärung abgeben.
Die Arbeitslosenzahlen -- und niemand kann davor die Augen verschließen - liegen höher als vor einem Jahr. Die vielfachen wirtschaftlichen Gründe dafür sind heute erörtert worden, demagogisch von Ihrer Seite, sehr kenntnisreich von der Koalition.
({0})
- Herr Reddemann, das gilt auch für Sie.
Mit Genugtuung können wir als Koalitionsfraktionen jedenfalls feststellen, daß die Kassandrarufe der Opposition, die düsteren Weissagungen unseres ach so urlaubsbedürftigen Kollegen Franz Josef Strauß nicht eingetreten sind. Wir haben keine Million Arbeitslose, und wir werden sie auch nicht bekommen.
({1})
Auf Grund der wirtschaftlichen Maßnahmen der Bundesregierung werden wir mit einem weiteren Abbau der Arbeitslosenzahlen rechnen können. Es wird uns gelingen, die Quote im Jahresdurchschnitt unter 2 °/o zu drücken. Das sind dann immer noch 400 000 Arbeitslose. Im Vergleich zu den westlichen Industriestaaten wird dies aber ein Ergebnis sein, um das uns die Nachbarn jetzt schon beneiden.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Opposition beschäftigt sich mit dem Problem der nicht mehr zeitgemäßen Einkommenssicherung der Arbeitslosen und Kurzarbeiter. Auch wir sehen dieses Problem, prüfen es schon seit einiger Zeit sorgfältig und suchen nach einer praktikablen Lösung. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen mitteile, daß in Kürze mit einer entsprechenden Initiative der Koalitionsfraktionen gerechnet werden kann.
Die Opposition schlägt vor, die Familienzuschläge um 50 °/o zu erhöhen. Das ist eine Möglichkeit, Herr Müller, aber nur eine. Wir haben Ihren Vorschlag geprüft und - es wird Sie nicht wundern - ihn verwerfen müssen. Ihre Initiative ist zwar gut gemeint, aber sie scheint uns aus vielerlei Gründen unüberlegt und unausgegoren.
({2})
Folglich werden wir - und das sind wir ja gewöhnt - etwas Besseres daraus machen müssen.
Ich darf Ihnen die Gründe dafür kurz schildern:
1. Wir beraten zur Zeit im Rahmen der Steuerreform über eine Neuregelung der Lohnersatzzeiten nach dem Arbeitsförderungsgesetz.
2. Die Neuregelung ist aus dem Zusammenhang mit der Reform des Familienlastenausgleichs nicht zu lösen, weil der Ersatz der steuerlichen Kinderfreibeträge durch ein Kindergeld vom ersten Kind an die Familienzuschläge bei Lohnersatzleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit entbehrlich macht.
Sie von der Opposition und wir von der Koalition wollen keine Doppelzahlungen. Da sind wir uns ja einig, und das müssen Sie bedenken.
3. Sie müssen bedenken, daß die neue Regelung für die Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz am 1. Januar 1975 in Kraft treten soll. Uns scheint es weder nützlich noch sinnvoll, eine Übergangsregelung zu treffen. Wir müßten die Regelung wieder abschaffen. Rückstufen wären nicht zu vermeiden - mit allen Konsequenzen.
4. Selbst ein Familienlastenausgleich mit erheblich höheren Beträgen, als sie im Regierungsentwurf vorgesehen sind, könnte keinen vollen Ausgleich für größere Familien bei Wegfall der von Ihnen beabsichtigten Erhöhung der Familienzuschläge bringen. Wir haben es durchgerechnet. Ein Arbeitsloser, der beispielsweise vier Kinder hat, würde sich nach der Reform des Familienlastenausgleichs unter Umständen schlechter stellen. Das müßten, ja, das sollten Sie eigentlich wissen.
({3}) In ihrem Eifer, Gutes zu tun, Herr Franke,
({4})
hat die Oppositionsfraktion wieder einmal über die Stränge geschlagen. Ich versage es mir, darauf einzugehen, weil ich das Haus nicht überstrapazieren will.
({5})
- Herr Franke, hier hat die Oppositionsfraktion mal wieder über die Stränge geschlagen und die negativen Wirkungen ihrer Initiative nicht bedacht. Das ist kein Beinbruch; wir reparieren das wieder. Das sind wir ja so gewöhnt.
({6})
Sozialpolitik ist für uns kein Hüpfen von einem Plakatvorschlag zum anderen, sondern ernsthaftes Überdenken der Fakten.
({7})
Und noch etwas möchte ich Ihnen zum Bedenken geben. Sie binden die Erhöhung der Familienzuschläge an die festgeschriebenen Höchstbeträge. Größere Familien mit niedrigeren Einkommen würden auf die Segnungen Ihres Entwurfs vergeblich warten müssen. Die beabsichtigte Verbesserung bliebe dort, wo sie am notwendigsten wäre, aus. Wir haben es überprüft. 40 000 Familien, deren Ernährer arbeitslos sind, würden nach Ihrem Gesetzesvorschlag keinen Pfennig mehr bekommen. 150 000 Arbeitslose, die keinen Familienzuschlag erhalten,
würden ebenfalls leer ausgehen. Sie nennen das möglicherweise sozial, wir nicht.
({8})
Wir werden etwas anderes tun. Auch wir wollen die Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz noch vor dem 1. Januar 1975 verbessern. Diese Verbesserung, die wir vorhaben, wird praktikabel sein und ab 1. Juli dieses Jahres greifen. Wir werden diesem Hause eine Regelung vorlegen, die niemanden von den beabsichtigten Verbesserungen ausschließt und über den 1. Januar nächsten Jahres hinaus Bestand haben wird.
Da es uns um eine sorgfältige Gesamtbetrachtung des Problems gehen muß, werden wir beispielsweise auch prüfen, wie das Kurzarbeitergeld dann zu berechnen ist, wenn Tariflohnerhöhungen rückwirkend in Kraft gesetzt worden sind.
Wir werden, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihren Gesetzentwurf - und das ist notwendig - vom Kopf auf die Füße stellen. Wir werden verhindern, daß den Arbeitslosen in diesem Lande durch plakativen Lärm Hoffnungen vorgegaukelt werden, die sich durch Ihren Entwurf nicht verwirklichen lassen. Wir werden kurz nach Ostern einen Gesetzentwurf vorlegen, der Sie veranlassen dürfte, Ihren jetzigen Schnellschuß zu den Akten zu legen. Dieser unser Entwurf wird durchdachte und praktikable Lösungen enthalten, und wir werden in dem zuständigen Ausschuß auf das Tempo drücken.
({9})
Das Gesetz - das sage ich Ihnen jetzt schon -wird am 1. Juli 1974 in Kraft sein. Weil wir länger und gründlicher nachgedacht haben als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
({10})
wird es ein Gesetz sein, das den Arbeitslosen-Familien in unserem Lande nicht nur vordergründige und dann wieder kassierte Verbesserungen anbietet, sondern wirkliche Hilfen. Darauf kommt es an. -Schönen Dank für Ihre Geduld!
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Hölscher. - Er verzichtet. Danke schön!
({0})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Aufklärungsaktion über den Großversuch mit genereller Richtgeschwindigkeit
130 auf Autobahnen und Höchstgeschwindigkeit auf ausgewählten Teilabschnitten
Drucksache 7 1827 Zur Begründung der Vorlage hat Herr Abgeordneter Milz das Wort. Herr Kollege, machen Sie nicht so lange; wenn es noch sehr lange dauert, fahren die Kollegen nachher zu schnell nach Hause.
({1})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich die Absicht, mich in einer etwas längeren Ausführung zu diesem unserem Antrag zu äußern, möchte mich aber, da ich Ihren Wunsch teile, ganz kurz fassen.
Lassen Sie mich ganz wenige Bemerkungen zu diesem Antrag machen. Das erste ist: Dieser Antrag trägt das Datum des 19. März dieses Jahres. Er ist also unmittelbar, nachdem die Verordnung der Bundesregierung in Kraft getreten ist, eingebracht worden.
Um was geht es uns mit diesem Antrag? Es geht uns in erster Linie darum, die Kraftfahrer darüber aufzuklären, daß sie in eigener Verantwortung wesentlich mit dazu beitragen können, für Ordnung auf den Straßen zu sorgen.
Es geht uns zweitens darum, zu ereichen, daß mit Haushaltsmitteln zukünftig nicht in erster Linie Propaganda der Bundesregierung betrieben wird, sondern über den Verkehrssicherheitsrat eine Institution mit diesen Mitteln betraut wird, von der wir wissen, daß nicht in erster Linie Propaganda die Grundlage ihres Tuns ist.
({0})
Lassen Sie mich ein Weiteres dazu sagen. Wir sind der Meinung, es ist endlich Zeit, daß die Bundesregierung aus ihrem Schmollwinkel heraustritt und ihre eigene Verordnung aktiv unterstützt. - Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Wurche.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem eben begründeten Antrag der CDU/CSU möchte ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgeben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß die Opposition mit diesem Antrag Selbstverständlichkeiten fordert. Wir verstehen nicht, warum die CDU/CSU im Nachgang zu ihrem mehr als eigenartigen Verhalten im Bundesrat in der Frage der Tempobegrenzung auf Autobahnen
({0})
von der Bundesregierung und vom Bundesverkehrsminister Maßnahmen fordert, die diese bereits realisiert oder aber in Angriff genommen haben.
({1})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat es begrüßt, daß die Bundesregierung verantwortungsbewußt und nach unserer Auffassung völlig richtig gehandelt hat, als sie die Verordnung über die versuchsweise Einführung einer allgemeinen Richtgeschwindigkeit auf Autobahn und ähnlichen Straßen am 13. März dieses Jahres in Kraft gesetzt hat. Bei dieser Beurteilung gehen wir davon aus, daß es nach einem in erster Linie parteitaktisch bestimmten Mehrheitsbeschluß des Bundesrates notwendig war, daß die Bundesregierung dem Hin und Her um diese Fragen ein Ende setzte und - soweit es möglich war - den Autofahrern in unserem Lande Klarheit verschaffte. Wäre die Bundesregierung untätig geblieben, nachdem die CDU/CSU- geführten Länder die Höchstgeschwindigkeitsverordnung hatten scheitern lassen, wäre nichts geschehen und die Unsicherheit groß gewesen.
Nach den jüngsten Anzeichen und Äußerungen verschiedener Oppositionspolitiker aber scheint die Beurteilung der Frage einer Tempobegrenzung auf den bundesdeutschen Autobahnen bei der CDU/CSU wieder sachlicher zu werden
({2})
als noch vor einigen Wochen. - Ihre Zwischenbemerkungen beweisen, daß Sie die Verkehrssicherheit nicht mit dem nötigen Ernst betreiben wollen.
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Dies zeigen nicht zuletzt auch die Ausführungen des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, der - das muß man wissen, und das wissen Sie sehr genau - noch im Bundesrat den „Appell an das Verantwortungsgefühl des Fahrers für sehr bedeutsam" hielt, jetzt aber bereits mit einer allgemeinen Einführung der Höchstgeschwindigkeit, man ist versucht zu sagen: „droht", wenn die Richtgeschwindigkeiten nicht befolgt werden. Ich muß noch darauf hinweisen: ab Samstag, dem 22. März, gilt in Baden-Württemberg auf insgesamt 55 km Autobahn eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km pro Stunde.
({4})
Wir können uns von dem Eindruck nicht ganz freimachen, daß die CDU/CSU jetzt langsam von ihrem Beschluß im Bundesrat wegkommen möchte.
({5})
Der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion geht es - das haben wir immer wieder erklärt - in Fragen der Verkehrssicherheit nicht um Parteipolitik oder parteiegoistisches Verhalten. Für uns hat der Mensch Vorfahrt. Die Verkehrssicherheit und die
Senkung der Unfallzahlen sollten unser aller Aufgabe sein.
Wir sehen in dem Antrag der Opposition auch eine Bereitschaft zur Kooperation in den in den letzten Wochen und Monaten emotional und taktisch diskutierten Fragen der Tempobegrenzung. Wir sollten aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mit notwendigen Maßnahmen nicht allzu lange warten,
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und wir sollten die Unfallentwicklung auf unseren Autobahnen ständig sehr genau verfolgen. Im Ausschuß für Verkehr werden wir hoffentlich die anstehenden Fragen sachlich erörtern können,
({7})
so wie wir uns bereits in Einmütigkeit über die Drucksache 7/1733 verständigt haben.
Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß eine Aufklärungsaktion über den Sinn der Richtgeschwindigkeiten und ihre rechtlichen Konsequenzen nicht bedeuten darf, daß die Verantwortung für das Unfallgeschehen jetzt völlig auf den Autofahrer verlagert wird. Hier waren die Politiker gefordert, und für die getroffenen Entscheidungen haben sie auch die volle Verantwortung zu übernehmen.
Nun wird in Äußerungen von Vereinigungen wieder von dem Abstand genommen, was vorher gesagt wurde - Freiheit bzw. Freizügigkeit auf Autobahnen -, und jetzt werden wieder auf eine Limitierung gerichtete Diskussionen geführt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion muß es zurückweisen, daß die Bundesregierung dafür verantwortlich gemacht wird, daß die Geschwindigkeitsbegrenzung von den Autofahrern nicht voll eingehalten wird.
Wir Sozialdemokraten hoffen, daß die Bundesländer beschleunigt dazu beitragen, daß der Großversuch mit Höchstgeschwindigkeiten im Rahmen einer einheitlichen Konzeption bald begonnen werden kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Für die FDP-Fraktion möchte ich erklären, daß auch wir in dem vorliegenden Antrag der Opposition einmal mehr den Versuch sehen, nach bekanntem Muster zu fordern, was die Regierung entweder längst erledigt oder bereits in Angriff genommen hat.
Die geforderte Aufklärungsaktion über den Großversuch mit der generellen Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen hat der Bundesverkehrsminister in der Debatte am 15. März 1974 bereits angekündigt, als er erklärte - ich zitiere das gerne mit Genehmigung des Präsidenten -:
Hoffie
Was die Bundesregierung selber zu tun hat, wird ein umfangreiches Aufklärungswerk sein. Auch über die Richtgeschwindigkeiten werden wir aufklären.
Er hat hinzugefügt, daß im Haushaltsjahr 1974 die von Ihnen im Antrag angesprochenen Mittel hierfür erheblich erhöht werden sollten, was auch für die Jahre bis 1977 gelten werde.
Dabei ist es für uns ganz selbstverständlich es
hätte auch hier des Hinweises und des Anstoßes der Opposition nicht bedurft -, daß die notwendige Öffentlichkeitsarbeit wie bei der Aktion „Sicherheitsgurt" und bei der Aktion „Alkohol" in enger Koordination mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat erfolgen wird, der seine Unterstützung ja auch bereits zugesagt hat. Wir hätten es für sinnvoller gehalten, wenn die CDU/CSU auch einen entsprechenden Beitrag der Bundesländer gefordert hätte, vor allem derjenigen Bundesländer, die sich so engagiert für die Richtgeschwindigkeitsverordnung ausgesprochen haben.
Die FDP-Fraktion hat bereits am 8. März dieses Jahres einen notwendigen Appell auch an die Automobilverbände gerichtet, denen bei der Aufklärungsaktion ebenfalls eine besondere Verantwortung zukommt.
Die von der Opposition angesprochene Aufklärung über rechtliche Konsequenzen der jetzt eingeführten Richtgeschwindigkeit, zu der es weniger aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht als vielmehr aus politischer Kompromißnotwendigkeit kam, ist insofern widersinnig, weil nach geltendem Recht keine rechtlichen Folgen aus der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit abzuleiten sind. Nicht umsonst stellt deshalb auch der ehemalige Präsident des Verkehrssenates des Bundesgerichtshofes, Heinrich Jagusch, fest, daß sich kein Gericht auf riskante und verfehlte Beweislastexperimente einlassen sollte.
Sicher gilt es, in der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen der jetzt geltenden Verordnung, die ja eine freiwillige Höchstgeschwindigkeit darstellt und nach unten variabel ist, jedoch nach oben auch bei günstigen Straßen-, Wetter- und Verkehrsverhältnissen möglichst nicht überschritten werden soll, und den bisher z. B. in Hessen praktizierten Rahmenrichtgeschwindigkeiten deutlich zu machen, denen wir den Vorzug gegeben hätten, weil sie einen nach speziellen Verhältnissen differenzierten Verkehrsfluß ermöglicht.
Die letztlich im Oppositionsantrag geforderte Abstimmung mit den Bundesländern über die Auswahl der Teilabschnitte auf Autobahnen für feste Höchstgeschwindigkeiten hätte besser an die Adresse der Bundesländer gerichtet werden sollen. Der Bundesverkehrsminister hat die Länderverantwortlichen bereits zu dem notwendigen Abstimmungsgespräch eingeladen. Verwunderlich ist dagegen die Tatsache, daß z. B. in Baden-Württemberg nach der Einführung der Richtgeschwindigkeit neue Höchstgeschwindigkeiten ausgewiesen wurden, mit denen die Autobahnen geradezu zugemauert wurden, ohne die jetzt geforderte Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium vorzunehmen.
Zusammenfassend muß zurr Antrag der CDU/CSU deshalb festgestellt werden, daß er in allen Punkten überholt oder erledigt ist und daß das Parlament mit diesem Problemkreis heute überhaupt nicht hätte befaßt werden müssen. Die Überweisung des Antrages in den Verkehrsausschuß kann aber zumindest den Vorteil haben, auch der Opposition nochmals Gelegenheit zu geben, die eingeleiteten Maßnahmen im einzelnen zur Kenntnis zu nehmen.
Die Einführung der Richtgeschwindigkeit ist für die FDP-Fraktion kein vordergründig politisches Thema. Wir haben von Anbeginn der Diskussion an - ich habe das bereits in der Verkehrsdebatte am 17. Januar 1974 erklärt - durchgängig gefordert, daß die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen für uns erst dann überzeugend notwendig ist, wenn wissenschaftlich gesicherte statistische Werte beweisen, daß ein bestimmtes Tempolimit geeignet ist, die Unfallzahlen und Todesfälle auf Autobahnen zu vermindern. Derartige Werte lagen aber aus der Erfahrung der Energieverknappung ausschließlich zu Tempo 100 vor, das auf Autobahnen eine erfahrungsgemäß denkbar ungünstige Begrenzung darstellen würde.
Daher begrüßen wir die gleichzeitig laufenden Großversuche mit unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten, die hoffentlich Auskunft darüber geben werden, ob und welche Höchstgeschwindigkeitsmarke zu mehr Sicherheit auf unseren Straßen beitragen würde.
Gleichzeitig wird sich zeigen müssen, ob der so viel zitierte mündige Bürger bereit ist, die Chancen des wiedergewonnenen Freiheitsspielraums dahin gehend zu nutzen, durch eigenverantwortliches Handeln zu beweisen, daß die Verringerung der Zahl von Verkehrsunfällen und Toten auf den Straßen nicht nur durch geharnischte gesetzliche Sanktionen zu erreichen ist. Richtgeschwindigkeit ist deshalb kein Freibrief, sondern eine letzte Möglichkeit für den Autofahrer, durch Vernunft und durch Verantwortung eine feste Höchstgeschwindigkeit auch auf Dauer zu verhindern.
Die ersten Ergebnisse des Versuchs mit der Richtgeschwindigkeit, an die sich 80 % der Autofahrer angeblich bisher halten, sind fast ermutigend, der Zeitraum für eine objektive Beurteilung ist allerdings viel zu kurz. Die FDP-Fraktion läßt keinen Zweifel daran, daß sie feste Geschwindigkeitsbegrenzungen für unvermeidbar hält, wenn die Unfallstatistik in angemessenem Zeitraum ausweist, daß Eigenverantwortung und Appelle an die Vernunft allein nicht ausreichen, einen spürbaren Beitrag zur Verkehrssicherheit auf den Autobahnen zu leisten.
Dabei wird unsere besondere Sorge auch der raschen Verwirklichung der Maßnahmen gelten, die im Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung als einem ersten umfassenden und geschlossenen Konzept festgelegt sind. Über das 0,8-PromilleGesetz und Tempo 100 auf Landstraßen hinaus werden Sicherheitsgurte, Nackenstützen, Verbundglas, Verbot der Beförderung von Kindern auf Vordersitzen sowie weitere Verbesserungen der aktiven und passiven Sicherheit unserer Autos und der einheit6288
Hoffie
liche Notruf 110 entscheidende Faktoren für mehr Verkehrssicherheit sein.
Daran konstruktiv mitzuarbeiten sollte auch der Opposition wichtiger sein, als durch Wiederholung von Selbstverständlichkeiten wie in dem vorliegenden Antrag den Anschein zu erwecken,
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als habe man jetzt ein Thema entdeckt, das von keiner Regierung, Herr Lemmrich, zuvor so intensiv und vollständig in Angriff genommen wurde.
Beifall bei den Regierungsparteien.)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schulte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Fraktionskollege Milz hat auf eine lange Begründung unseres Antrages verzichtet,
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weil der Herr Präsident zur Kürze gemahnt hat. Dieses Fair Play unsererseits wurde allerdings von den Koalitionsfraktionen nicht erwidert.
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Auch inhaltlich war zumindest die Rede des Kollegen Wurche so, daß sie zu einer Stellungnahme unsererseits zwingt.
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Meine Damen und Herren, wenn in der Rede des Kollegen Wurche, die ja gehalten werden mußte, weil sie schon der Presse vorliegt,
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von Parteipolitik gesprochen wurde, dann kann ich dazu nur sagen, daß die CDU/CSU-Fraktion in dieser Frage von Anfang an einen klaren Kurs gesteuert hat, und die FDP-Fraktion hat durch ihre Verkehrsexperten mehrmals erklären lassen, daß sie gleicher Ansicht sei wie wir.
Wir haben bereits im November des vorigen Jahres im Verkehrsausschuß unsere Meinung zum Ausdruck gebracht. Ich habe als Obmann der Arbeitsgruppe Verkehr im Januar zweimal im Fernsehen die Richtgeschwindigkeiten angesprochen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im Februar dieses Jahres einen Beschluß gefaßt, nicht für Höchstgeschwindigkeiten, sondern für Richtgeschwindigkeiten einzutreten. Meine Damen und Herren, hier war ein klarer Kurs vorhanden, während der Bundesverkehrsminister so im Zickzack gefahren ist, daß, wenn er das im Straßenverkehr praktiziert hätte, ein Fahrverbot die Folge gewesen wäre.
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Wir sind, meine Damen und Herren, der Ansicht, daß wir den jetzigen Versuch durchführen sollten.
Wir sind der Ansicht, daß vor allem die Bundesregierung aus ihrem Schmollwinkel heraus muß,
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und wir sind der Ansicht, daß sie nicht Nachhutgefechte führen, sondern sich an die Spitze derer setzen sollte, die für Vernunft im Verkehr eintreten.
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Ich meine, wir sollten die jetzige Maßnahme durchziehen, eingedenk der Devise „Hallo Partner".
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Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag der CDU/CSU ansieht, so kommt man um die schlichte Feststellung nicht herum: sie rennt hier offene Türen ein. Ich kann mich nach wie vor des Eindrucks nicht erwehren, daß dabei das schlechte Gewissen eine Rolle spielt,
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das schlechte Gewissen nämlich wegen einer parteipolitischen Entscheidung im Bundesrat über eine Frage, die ja auch in Ihrer Fraktion nicht unumstritten gewesen ist, meine Damen und Herren.
Sie nehmen in Ihrem Antrag Bezug auf das Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung. Ich begrüße das sehr. Die übrigen Anregungen -darauf ist von den Herren Vorrednern schon hingewiesen worden - sind entweder bereits erfüllt oder in voller Vorbereitung.
Wir denken daran, eine umfangreiche Aufklärungsaktion gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat durchzuführen. Die Absprachen darüber liegen vor. Wir sind auch bereit, dafür Haushaltsmittel einzusetzen, rechnen allerdings damit, meine Damen und Herren, daß auch potente Mitglieder des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, z. B. die Automobilindustrie,
({1})
einiges mit zur Verfügung stellen können, um eine solche Aufklärungsaktion zu finanzieren.
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Was die Durchführung des Großversuchs angeht, so unternimmt das Verkehrsministerium alle Bemühungen, um diesen Großversuch mit Höchstgeschwindigkeiten möglichst schnell einzuleiten.
Ich habe bereits am 13. März die Länder gebeten, ihre Vorschläge zu machen. Am 28. und 29. März hat sich der Verkehrssicherheitsrat von Bund und Ländern mit diesem Problem befaßt, um einheitliche Kriterien für einen solchen Großversuch zu erarbeiten. Morgen findet im Bundesverkehrsministerium ein Gespräch mit Vertretern der Länder
statt. Sie sehen also, daß von unserer Seite alles zur Beschleunigung geschieht.
Nur auf eines muß ich Sie aufmerksam machen, meine Damen und Herren, und das ist bei der bisherigen Debatte etwas zu kurz gekommen: Es liegt bei den Ländern, Vorschläge zu unterbreiten. Denn letzten Endes haben die Länder zu entscheiden, 'für welche Strecken Großversuche in Betracht kommen. Sie haben diese Maßnahmen auch durchzuführen. Es ist Sache des Bundes, auf eine Einheitlichkeit in der Praxis der Länder hinzuwirken. Darum bemühen wir uns.
Was mich mit Sorge erfüllt
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- und damit lassen Sie mich schließen -, ist das, was wir über die Ostertage unter Umständen zu erwarten haben. Ich glaube, wir alle sollten uns darin einig sein, daß wir neben einer Auseinandersetzung über Höchst- und Richtgeschwindigkeiten gemeinsam an alle Verkehrsteilnehmer appellieren sollten,
({4}) über die Ostertage Rücksicht zu üben.
({5})
Ferner sind Einsicht, vernünftige Fahrweise und Selbstkontrolle notwendig. Deswegen möchte ich meine Bitte an die Kraftfahrer hier zum Ausdruck bringen, vorsichtig und rücksichtsvoll zu fahren.
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Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Die Vorlage wird dem Ausschuß für Verkehr überwiesen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 11, 12 und 13 der Tagesordnung auf:
11. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schneider, Mick, Frau Benedix, Dr. Riedl ({0}), Schmidhuber und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung eines einmaligen Heizölkostenzuschusses
- Drucksache 7/1819 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({1})
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
12. Erste Bratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes
- Drucksache 7/1829 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtehau ({2})
Finanzausschuß Erste Beratung des von der Bundesregierung (C eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
- Drucksache 7/1854 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates Innenausschuß ({3})
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats bitte ich aus der Tagesordnung zu entnehmen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Auswärtigen Ausschusses ({4}) zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Antrag betr. Hilfe für die afrikanischen Dürregebiete
- Drucksachen 7/1436, 7/1866 -Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Meinecke ({5})
Meine Damen und Herren, wer dem Bericht und dem Antrag des Auswärtigen Auschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. -Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses ({6}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 7/1826 Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({7}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten
Zweiten Bericht über die Entwicklung der
Mieten für Wohnraum ({8})
Vierten Wohngeldbericht
-- Drucksachen 7/651, 7/1563, 7/1833 Berichterstatter:
Abgeordneter Nordlohne Abgeordnete Frau Meermann
Ich frage, ob die Berichterstatter, die Frau Abgeordnete Meermann und der Abgeordnete Nord6290
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
lohne, das Wort wünschen. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Berichterstattern für ihren Bericht.
Wir treten in die Aussprache ein. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. -- Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 17 bis 21 der Tagesordnung auf:
17. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Zustimmung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 686 07 ({10})
Drucksachen 7/996, 7/1809 Berichterstatter: Abgeordneter Esters
18. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({11}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung zu einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 656 55 im Haushaltsjahr 1973
- Drucksachen 7/1304, 7/1810 -Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
19. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({12}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Leistung von außerplanmäßigen Ausgaben im Haushaltsjahr 1973 bei Kap. 60 02 Tit. apl. 861 01 - Darlehen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt, zur Förderung konjunkturpolitischer Maßnahmen der Bundesregierung
- Drucksachen 7/1634, 7/1855 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
20. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Bundeshaushalt 1973; hier: überplanmäßige Liquiditätszuwendungen an die Deutsche Bundesbahn ({14}) --Kap. 12 02 Tit. 682 12
- Drucksachen 7/1658, 7/1856 -Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({15})
21. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({16}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Leistung von überplanmäßigen Ausgaben bei
Kap. 14 15 Tit. 554 02 - Beschaffung von Kampffahrzeugen -Kap. 14 18 Tit. 554 01 - Beschaffung von Schiffen Kap. 14 15 Tit. 554 04 - Beschaffung von Munition Drucksachen 7/1566, 7/1857 Berichterstatter: Abgeordneter Haase ({17})
Ich frage zunächst, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache verlangt wird. - Auch das ist nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über diese Punkte gemeinsam abstimmen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/1809, 7/1810, 7/1855, 7'1856 und 7/1857. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 22 bis 31 der Tagesordnung auf:
22. Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzausschusses ({18}) zu dem Vorschlag einer Verordnung ({19}) des Rates über die Durchführung der Empfehlung Nr. 1/73 des durch das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern eingesetzten Assoziationsrates, die die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen auf dem Zollsektor festlegt
Drucksachen 7/1578, 7/1852
Berichterstatter: Abgeordneter Schreiber
23. Beratung des Berichts und des Antrags des Finanzausschusses ({20}) zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlichen freien Verkehr
- Drucksachen 7/1606, 7/1853 -Berichterstatter: Abgeordneter Schreiber
24. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({21}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Verordnung ({22}) des Rates zur Einführung einer Beihilferegelung zur Erzeugung von Ananaskonserven
- Drucksachen 7/1527, 7/1805 Berichterstatter: Abgeordneter Sauter
({23})
25. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({24}) zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Ergänzung der Richtlinie Nr. 71 /286/ EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die von den Mitgliedstaaten durchVizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
zuführenden statistischen Erhebungen zur Ermittlung des Produktionspotentials bestimmter Baumobstanlagen
- Drucksachen 7/1630, 7/1818 -Berichterstatter: Abgeordneter Gallus
26. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr ({25}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger
- Drucksachen 7/1523, 7/1837 Berichterstatter: Abgeordneter Wende
27. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen ({26}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Regelung der Verbreitung von Kenntnissen bezüglich der Forschungsprogramme der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
- Drucksachen 7/1371, 7/1844 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Walz
28. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({27}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission
Vorschlag einer Entscheidung des Rates über den innergemeinschaftlichen Handel mit Erdöl und Erdölerzeugnissen
Vorschlag einer Entscheidung des Rates über die Ausfuhr von Erdölerzeugnissen nach Drittländern
Vorschlag einer Empfehlung des Rates an die Mitgliedstaaten betreffend die Aufrechterhaltung und Harmonisierung der Maßnahmen zur freiwilligen Beschränkung des Energieverbrauchs in der Gemeinschaft
Vorschlag einer Entscheidung des Rates über die von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen zur konzertierten und harmonisierten Einschränkung des Verbrauchs von Erdölerzeugnissen
Vorschlag eines Beschlusses des Rates über
die Einsetzung eines Energieausschusses
Vorschlag einer Verordnung des Rates betreffend die für die Aufstellung einer umfassenden Energiebilanz für die Gemeinschaft bestimmten Informationen
Vorschlag einer Verordnung ({28}) des Rates
zur Anwendung der Verordnung ({29})
Nr. 1055/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über
die Mitteilung der Einfuhr von Kohlenwasserstoffen an die Kommission auf die Erdölerzeugnisse der Tarifstellen 27.10 A, B, C I und C II des Gemeinsamen Zolltarifs
Vorschlag einer Verordnung ({30}) des Rates über ein gemeinschaftliches und vorübergehendes System der Überwachung der Preise für Erdölerzeugnisse
- Drucksachen 7/1638, 7/1673, 7/1861 Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram
29. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({31}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie ({32}) des Rates zur 5. Änderung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe
- Drucksachen 7/945, 7/1862 Berichterstatterin:
Abgeordnete Frau Verhülsdonk
30. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({33}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten
Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds an Maßnahmen zugunsten behinderter Personen
Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds zugunsten von Arbeitnehmern, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
Vorschlag für eine Verordnung des Rates für die neuen Beihilfen zugunsten von Arbeitnehmern, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
- Drucksachen 7/1462, 7/1863 - Berichterstatter: Abgeordneter Maucher
31. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({34}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für
eine Verordnung ({35}) des Rates über den Abschluß eines Abkommens über handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien
eine Verordnung ({36}) des Rates über die von den Zöllen des gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters
eine Verordnung ({37}) des Rates zur Festsetzung für das Jahr 1974 der mengenmäßi6292
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
gen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei
- Drucksachen 7/1560, F1561, 7/1653, 7/1865 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Lüdemann
Ich frage zunächst, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Berichterstattern.
Wird das Wort zur Aussprache begehrt? - Auch das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich darf annehmen, daß das Haus einverstanden
ist, daß wir der Einfachheit halber über diese Tagesordnungspunkte gemeinsam abstimmen. - Ich sehe
und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/1852, 7/1853, 7/1805, 7/1818, 7/1837, 7/1844, 7/1861, 7/1862, 7/1863, 7/1865. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 32 und 33 der Tagesordnung auf:
32. Beratung des Berichts und des Antrags des
Ausschusses für Wirtschaft ({38})
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({39})
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({40})
- Drucksachen 7/1663, 7/1698, 7/1850
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Lüdemann
33. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({41})
zu der von der Bundesregierung erlassenen Dreißigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
zu der von der Bundesregieung erlassenen Siebenundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
zu der von der Bundesregieung erlassenen Neunundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
zu der von der Bundesregierung erlassenen Einunddreißigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksachen 7/1574, 7/1581, 7/1580, 7/1640, 7/1851 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Lüdemann
Ich frage zunächst, ob jemand von den Berichterstattern das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall
Allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt.
Darf ich annehmen, daß ich der Einfachheit halber auch hier gemeinsam abstimmen lassen kann? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/1850 und 7/1851. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich darf Ihnen nunmehr endgültig gute Osterfeiertage und gute Erholung wünschen und berufe die nächste Plenarsitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 24. April 1974, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.