Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vorn 13. März 1974 die Stellungnahme der Bundesregierung zu dein Entwurf eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({0}) - Drucksache 7/1575 übersandt, die als Drucksache 7 1824 verteilt wird.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vorn 14. März 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Höcherl, Leicht, Dr. Müller-Hermann und der Fraktion der CDU/CSU betr. Tarifabschluß im öffentlichen Dienst - Drucksache 7/1747 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1822 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 14. März 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Weber ({1}), Pfeffermann, Dr. von Bismarck, Dr. Müller-Hermann, Dr. Evers, Leicht, Erhard ({2}), Dr. Riedl ({3}) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. finanzielle Situation, Einschränkung bzw. Änderung des Dienstleistungsangebotes, Rationalisierung sowie Umorganisation der Verwaltung bei der Deutschen Bundespost - Drucksache 7/1735 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1823 verteilt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 5. März 1974 die im Auftrage des Bundesministers für Wirtschaft erstellte Enquete aber die Bauwirtschaft in vier Bänden mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Enquete liegt in der Bibliothek zur Einsicht aus.
Ich rufe den einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksachen 7/1816, 7/1830 Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch in dieser Woche zwei Fragestunden abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit treten wir in die Fragestunde ein. Ich rufe die dringlichen Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner für die Fragestunde am Mittwoch, dem 20. März 1974, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die jüngste Entwicklung im Atlantischen Bündnis nach der Rede des Präsidenten der USA in Chikago?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der ernsten Entwicklung in der NATO zu steuern und mit Vorrang das Vertrauensverhältnis zu den Vereinigten Staaten wiederherzustellen?
Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Vizekanzler und Bundesaußenminister Scheel zur Verfügung. Herr Minister!
Herr Präsident, ich möchte die Fragen des Herrn Abgeordneten Wörner wie folgt beantworten.
Herr Minister, wollen Sie die beiden Fragen im Einvernehmen mit dem Fragesteller gemeinsam beantworten?
Ich möchte sie gemeinsam beantworten.
Herr Kollege Wörner, Ihr Zusatzfragerecht wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Ich glaube, dem Inhalt nach gehören beide Fragen zusammen, Herr Präsident.
Herr Kollege, Präsident Nixon hat in einer Äußerung in Chikago zum europäisch-amerikanischen Verhältnis Stellung genommen. Er hat dabei die überragende Bedeutung der Allianz für den Frieden und für die Stabilität in der Welt hervorgehoben. Gleichzeitig wies er auf die Verantwortung der Vereinigten Staaten für die Sicherheit Europas hin. Dies hat Präsident Nixon erst gestern in einer Rede vor den amerikanischen Fernsehgesellschaften noch einmal bestätigt.
Die Bundesregierung begrüßt die Entschiedenheit, mit der die amerikanische Regierung sich immer wieder für die Stärkung des atlantischen Bündnisses eingesetzt hat, und wird auch ihrerseits alles tun, um die atlantischen Beziehungen zu festigen. Hierzu wird das gute deutsch-amerikanische Verhältnis von großem Nutzen sein.
Die Probleme, die Präsident Nixon in diesem Zusammenhang in Chikago ansprach, sind ernster Natur. Auch nach unserer Meinung bedürfen sie dringend einer Lösung. Sie hängen mit dem europäischen Einigungsprozeß zusammen, der zu Anpassungsschwierigkeiten und Mißverständnissen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihrem atlantischen Partner geführt hat.
Der europäische Einigungsprozeß und die Zusammenarbeit in der Allianz bilden keinen Gegensatz. Vielmehr sind sie komplementäre Vorgänge, d. h. die Einigung Europas soll und wird zur Stärkung der Allianz beitragen. Die von uns und unseren europäischen Partnern angestrebte europäische Union kann andererseits nur unter dem Schutz der atlantischen Allianz verwirklicht werden.
Aus diesem Grunde hält es die Bundesregierung im Lichte der jüngsten Entwicklungen im europäisch-amerikanischen Verhältnis für erforderlich, den Konsultationsprozeß zu verbessern. Die deutsche Präsidentschaft in der Gemeinschaft hat daher am 12. März im Kreise der Neun konkrete Vorschläge gemacht, die unser Botschafter in Washington Außenminister Kissinger am 16. März im einzelnen erläutert hat. Die Bundesregierung betrachtet es als entscheidend, daß das Vertrauen innerhalb der Allianz erhalten bleibt und daß es gestärkt wird. Denn das atlantische Bündnis ist und bleibt die unverzichtbare Voraussetzung der gemeinsamen Sicherheit aller seiner Mitglieder.
Die Bundesregierung wird daher innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und im Rahmen der Allianz ihre Initiative mit Nachdruck weiter verfolgen. Diese Absicht hat der Bundeskanzler in seinem letzten Schreiben an Präsident Nixon bekräftigt. Diesem Ziele dienen auch zahlreiche Gespräche, die die Bundesregierung schon in nächster Zeit sowohl bilateral als auch multilateral mit ihren Partnern führen wird.
Wir sind zuversichtlich, daß die überragende Gemeinsamkeit unserer Interessen zu Lösungen führen wird, die mit den Zielen der europäischen Einigung und der atlantischen Zusammenarbeit vereinbar sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wörner.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung klar, daß es sich allen Beteuerungen zum Trotz hier nicht etwa um eine momentane Verstimmung handelt, sondern daß hier eine Strukturkrise des Bündnisses vorliegt, die sehr tief reicht und die der amerikanische Präsident mit folgenden Worten umschrieben hat:
Die Europäer können nicht die Teilnahme und Kooperation der USA in Sicherheitsfragen haben und dann die Konfrontation und sogar die Feindseligkeit in den wirtschaftlichen und politischen Fragen fortsetzen.
Herr Kollege, es handelt sich in der Tat nicht um eine Verstimmung - das wäre wirklich falsch gesehen -, sondern es handelt sich um ein ungelöstes Problem. Ich habe soeben schon dargestellt, worin dieses Problem besteht. Es besteht darin, daß der Konsultationsprozeß, der innerhalb der Allianz in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichem Erfolg funktioniert hat, jetzt Rücksicht darauf nehmen muß, daß acht Mitglieder der Allianz in einer Gemeinschaft vereinigt sind, die zu einer politischen Einigung strebt, und daß sie in diesem Prozeß auf ene politische Einigung hin untereinander Information und Konsultation und politische Zusammenarbeit ständig verstärken.
Die Vereinigten Staaten sehen das, und sie sehen auch, daß die Europäische Gemeinschaft mit gemeinsamen Vorstellungen zu weltpolitischen Fragen in der Weltpolitik zumindest auftaucht. Ich will hier nicht den Grad der Bedeutung dieser gemeinsamen Haltung zu werten versuchen, aber die Vereinigten Staaten sehen, daß sie auftauchen, und dies ist für sie ein Phänomen, das es zu lösen gilt. Sie möchten sich davor bewahren, daß die Europäer mit politischen Vorstellungen in der Weltpolitik erscheinen, die nicht in die Vorstellungen der Vereinigten Staaten passen. Das ist ein legitimes Anliegen.
Um sich davor zu bewahren, versuchen sie, in einem sehr frühen Stadium in den Meinungsbildungsprozeß der Europäer beratend, mitwirkend hineingebeten zu werden, so will ich das einmal ganz zurückhaltend ausdrücken. Aber die Europäer müssen ihrerseits Wert darauf legen, ihren Meinungsbildungsprozeß untereinander zu führen bis hin zu einer gewissen gemeinsamen Meinung, um dann mit den Vereinigten Staaten ein funktionierendes Konsultationsverfahren in Gang zu setzen. Hier liegt die Schwierigkeit; dieses Problem ist noch ungelöst. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir konkrete Vorschläge gemacht haben.
Ich glaube also, daß Sie recht haben, Herr Wörner, in der Beurteilung, wenn Sie sagen: Das ist keine Verstimmung, sondern ein Problem.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Nichts gegen eine Verbesserung des Konsultationsverfahrens, die selbstverständlich nützlich, wertvoll und dringlich ist; nur: Sind Sie nicht der Meinung, daß es noch wichtiger wäre, nicht nur das formelle Konsultationsverfahren zu verbessern, sondern in der Sache selbst, also etwa zum Gesamtzusammenhang der Wirtschafts-, Sicherheits-, Finanz- und Währungspolitik eindeutige und klare Aussagen auf seiten der Europäer und natürlich auch auf seiten der Bundesregierung zu treffen?
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß Sie sich über die Klarheit der Aussagen in diesem Bereich auf seiten der Bundesregierung beschweren können - dies tun ja auch die Amerikaner nicht -,
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sondern hier geht es um etwas anderes.
Zunächst einmal muß ich sagen: Ihrem Gedanken, der in der Frage durchzuklingen schien, man müsse hier Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik und Währungspolitik zusammenfassen, muß ich widersprechen. Die Zusammenarbeit zwischen den VereinigBundesminister Scheel
ten Staaten und den Europäern, auch der Europäischen Gemeinschaft, wird in all diesen Bereichen wichtig sein. Ich kann sie aber nicht in der Form eines Junktims miteinander verbinden: Ich kann nicht militärischen Schutz gegen wirtschaftliches Wohlverhalten oder gegen monetäre Entscheidungen anbieten. Das wollen die Vereinigten Staaten nicht. und wir wollen es auch nicht. Soweit das eine.
Zweitens. Es ist doch eine Illusion, anzunehmen, daß wir in jedem Punkt unserer eigenen Politik als Europäer im Detail mit den Vereinigten Staaten übereinstimmen müßten. Unsere Interessen sind ja nicht überall die gleichen. Wenn man unterschiedliche Interessen vertreten muß, wird man unterschiedliche Meinungen entwickeln. Deshalb kann man nicht etwa - etwas grob - fragen: Warum sind denn diese Europäer nicht permanent einer Meinung mit den Amerikanern? Dies wäre, glaube ich, eine Verkennung der politischen und auch der wirtschaftlichen Realitäten. Auch darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, daß wir ein Verfahren entwickeln, mit dem wir unsere Interessen im Gespräch miteinander und nicht im Gespräch über irgendwelche Nachrichtenagenturen ausgleichen können.
Nun das Wort von der Konfrontation, die die Europäer suchten. Die Europäer suchen natürlich keine Konfrontation, die Bundesrepublik am allerwenigsten. Das Gegenteil ist der Fall.
Ihre Frage nach der Klarheit ist in einem Punkt wichtig und muß eindeutig behandelt und eindeutig beantwortet werden. Die Europäer können ihr eigenes Geschick nur meistern, wenn sie sich in der atlantischen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten über die politische Zielsetzung einig sind. Sie können nicht aus der NATO herausgehen und glauben, dann ihr eigenes Geschick meistern zu können. Das ist völlig klar. Dies ist das übergeordnete gemeinsame Interesse, nach dem sich vieles andere ausrichten kann. Darunter gibt es die Möglichkeit des Ausgleichs der möglicherweise unterschiedlichen Interessenlagen.
Aber was die Konfrontation angeht, so sollte man, wie ich meine, auch manche verbale Eskalation diesseits und jenseits des Ozeans abstreichen, um zum Kern des Problems vorzudringen. Die Bundesregierung hat sich ihrerseits bemüht - ich hoffe, daß auch das ein Teil der gemeinsamen Überzeugung des Hauses ist, wie ja auch der ganze Bereich von uns nicht kontrovers beurteilt wird -, sich in einer sehr ruhigen und gemessenen Art in dieser Schwierigkeit zu bewegen, weil sie ja außerdem als Präsidialmacht der Gemeinschaft noch besondere Verpflichtungen hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sicher geht es hier nicht darum, parteipolitisch abzurechnen. Aber nachdem Sie von der Klarheit und der Unmißverständlichkeit der Äußerungen der Bundesregierung sprachen, darf ich mir doch die Frage erlauben, ob Sie etwa den
Beitrag von Bundesminister Bahr, der gesagt hat, die Amerikaner seien sich nicht so ganz klar, sie hätten sich noch nicht entschlossen, ob sie sich über ein Zusammenwachsen Europas freuen oder ärgern sollten, als besonders sachdienlich empfinden, ob Sie den Beitrag der Bundesregierung in der Nahostkrise, den Sie ja kennen, als besonders sachdienlich empfinden, ob Sie die recht frostige Aufnahme, die die Herausforderung Kissingers zu einer atlantischen Deklaration in den Reihen der Bundesregierung und ihrer Anhänger gefunden hat, als einen klaren Beitrag empfinden. Ich meine -
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis: Ihre Meinungen gehören nicht mehr zur Frage. - Herr Minister!
Herr Abgeordneter, Sie haben in Ihrer jetzigen Frage einen so umfassenden außenpolitischen Bogen gespannt, daß es sehr schwerfällt, darauf eine mündliche Antwort zu geben. Wenn ich das korrekt tun wollte, müßte ich nunmehr in der Tat weit ausholen. Ich bin bereit, das zu tun, würde damit aber Ihre Kollegen vermutlich noch nicht einmal befriedigen. weil ich dann über unsere Haltung im Nahostkonflikt im einzelnen sprechen müßte. Das ist eine Haltung, die ich in jeder Phase zu verteidigen bereit bin, und die heute, so glaube ich, auch von allen Beteiligten anerkannt wird.
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Das ist eine Haltung, die der Ausgewogenheit unserer Politik in diesem Raum in vollem Umfang Rechnung getragen hat.
Nun ist es immer sehr schwer, im nachhinein darüber eine neue Diskussion zu beginnen. Ich glaube, das Thema wäre insoweit auch etwas ausgeweitet.
Was die Bemerkungen unseres Kollegen Bahr angeht, weiß ich gar nicht, wo und in welchem Zusammenhang er sie gemacht hat. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, hat er daran gezweifelt, daß allen Amerikanern alle Phasen der europäischen Einigung - wie soll ich es sagen? - besonders sympathisch erschienen sind. Es mag sein, daß es solche Gefühle gibt. Ich kann darüber kein Urteil abgeben, was Herr Bahr gesagt hat und in welchem Zusammenhang das stand. Sie werden das verstehen.
Herr Kollege Wörner, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.
Treffen Pressemeldungen zu, wonach der Begriff der Partnerschaft aus dem Entwurf der gemeinsamen Deklaration verschwunden sei, und wie ist die Einstellung der Bundesregierung zu dieser Frage?
Ich könnte sagen: sie treffen nicht zu!, weil der Begriff nicht aus dem Entwurf verschwunden ist; er war gar nicht in ihm enthalten, er ist nicht hereingekom5708
men. Dieses liegt aber daran, daß wir für eine gemeinsame Deklaration zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten zunächst einen Konsensus innerhalb der neun Mitgliedstaaten der Gemeinschaft brauchen. Wir wissen, meine verehrten Kollegen, daß nicht alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in den gleichen Worten über die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sprechen, wie wir das tun und wie wir das auch können, wie wir das auch für richtig halten.
Aber wenn wir schon zu einer Gemeinsamkeit in Europa kommen wollen, dann müssen wir auch den Meinungen anderer europäischer Staaten Rechnung tragen. Wir haben das in der Form getan, daß wir zwar gewisse - lassen Sie es mich einmal so ausdrücken - Reizworte, die zwar nicht für uns, aber für andere Reizworte sind, nicht verwendet haben. Wir haben aber den Inhalt dessen, was gemeint ist, sehr wohl zum Ausdruck gebracht, vor allen Dingen im letzten Entwurf, den wir Herrn Kissinger zugänglich gemacht haben. Ich habe ihm diesen Entwurf am 4. März in Brüssel selbst übergeben.
Es gibt noch keine Meinungsäußerung zu diesem letzten Entwurf. Ich glaube, das ist ein Entwurf, auf den sich die Verhandlungspartner einigen könnten, wenn auch hier und da Nuancen immer noch verändert werden können.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leisler Kiep.
Herr Minister, indem ich Ihnen zustimme, wenn Sie sagen, daß wir natürlich nicht in allen weltpolitischen Fragen lückenlos und fugenlos mit den Vereinigten Staaten übereinstimmen können, möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen würden, daß eine der ganz wesentlichen Ursachen für die gegenwärtig in Amerika waltende Resignation in bezug auf Europa in der gemeinsamen Erklärung der europäischen Außenminister vom 6. November 1973 zu suchen ist, weil die Vereinigten Staaten in dieser Erklärung jedes Anzeichen von Solidarität mit den Vereinigten Staaten in einer entscheidenden weltpolitischen Situation vermißt haben?
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Ich stimme Ihnen zu, daß diese Erklärung in den Vereinigten Staaten auf Kritik gestoßen ist. Aber ich verteidige diese Erklärung, weil sie für die Europäische Gemeinschaft ein unbezweifelbarer Fortschritt ihrer gemeinsamen Entwicklung der Außenpolitik gewesen ist. Es steht auch nichts in dieser Erklärung, was etwa dem Inhalt nach der Meinung der Vereinigten Staaten widersprechen könnte,
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weil sie sich ganz auf Entscheidungen der UNO stützt, die auch von den Vereinigten Staaten akzeptiert werden.
Aber der Zeitpunkt ist immer von großer Bedeutung.
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Hier muß man sehen, daß in diesem ganzen Kontext die Europäer in der Tat gewisse Interessenlagen haben, die sich von denen der Vereinigten Staaten unterscheiden. Das übergeordnete Interesse, so bald wie möglich einen dauerhaften Frieden zu erreichen, wird von beiden Seiten anerkannt.
Die Vereinigten Staaten müssen es aber auch einmal hinnehmen, wenn die Europäer erklären, daß sie mit einer bestimmten gemeinsamen Haltung dem Frieden dienen wollen. Sie können nicht fortgesetzt diesen Willen zum Frieden in Zweifel ziehen, und sie können auch nicht fortgesetzt in Zweifel ziehen, wenn die Europäer bei bestimmten gemeinsamen Haltungen die Gemeinsamkeit mit den Vereinigten Staaten unterstreichen wollen. Auch das ist manchmal ein Gegenstand von Auseinandersetzungen. Aber hier muß man gegenseitig einfach etwas mehr Vertrauen in die positive Absicht des jeweiligen Partners haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wischnewski.
Herr Bundesaußenminister, erinnere ich mich recht, daß der Herr Bundeskanzler und Sie schon vor etwa drei Jahren eine Institutionalisierung des Dialogs zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten vorgeschlagen haben und daß es zu diesem Zeitpunkt damals kein so großes Interesse bei den Vereinigten Staaten dafür gegeben hat?
Herr Kollege, das ist korrekt. Der Begriff „konstruktiver Dialog" ist ja von Bundeskanzler Brandt geprägt worden. Wir haben uns seit der Zeit ununterbrochen Mühe gegeben, zu diesem Dialog Beiträge zu liefern und auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen. In der Tat war das Interesse zunächst auf der amerikanischen Seite geringer; jetzt scheint es sich etwas zu verlagern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Delden.
van Delden ({0}): Herr Bundesminister, sehen Sie Ihr Bemühen, die Krise beizulegen, nicht dadurch erschwert, daß Sie als derzeitiger Ratspräsident natürlich in einer anderen Tonlage sprechen mußten, als das beispielsweise der Bundesfinanzminister in Washington getan hat, sich aber daraus für die amerikanische Öffentlichkeit der Eindruck ergeben kann, daß die Bundesregierung mit zwei Zungen spricht?
Nein, die amerikanische Öffentlichkeit hat diesen Eindruck nicht gehabt. Sie werden mir nicht ein einBundesminister Scheel
ziges Zitat aus der amerikanischen öffentlichen Meinung dafür beibringen können, verehrter Herr Kollege. Es hat auch in der deutschen Öffentlichkeit niemand diese Meinung gehabt, sondern die Kommentatoren in der Bundesrepublik haben sehr wohl verstanden, daß die Position der Bundesrepublik Deutschland in Washington vertreten werden mußte. Wir haben das, wenn ich mal sagen darf, organisatorisch auch so zu steuern versucht.
Auf der anderen Seite aber ist dem Präsidenten des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaft die Pflicht auferlegt, immer wieder zu versuchen, ein Höchstmaß an Konsensus der Gemeinschaft zu erreichen. Ich habe mich darum bemüht, und dennoch ist es am Ende nicht gelungen, obwohl die Meinung der Bundesrepublik Deutschland und die Meinung der Mehrheit der vertretenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft doch sehr dicht beieinanderlagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Schweitzer.
Herr Minister, würden Sie grundsätzlich die Auffassung teilen, daß die öffentliche Erörterung dieser sehr diffizilen Probleme, die von den Dringlichen Fragen der Opposition berührt worden sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt eigentlich internationalen Gepflogenheiten zuwiderläuft und auch den Interessen der Bundesrepublik Deutschland Schaden zufügen könnte, und würden Sie nicht meinen, daß es besser wäre, die Aussprache über diese Probleme zunächst im Auswärtigen Ausschuß fortzusetzen?
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Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie eine Wertung in der Zusatzfrage unterließen. - Herr Minister!
Verehrter Herr Kollege, ich darf der Information halber sagen - ich weiß nicht, ob alle Fragesteller es wissen -: es hat heute morgen eine ausführliche Diskussion im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages über den gesamten Komplex stattgefunden, ich muß sagen, eine Diskussion, von der meine Mitarbeiter mir mitgeteilt haben, daß sie sehr befriedigend verlaufen sei und in allen Einzelheiten die Möglichkeit zu einem Gedankenaustausch gegeben habe. Denoch haben die Abgeordneten das Recht, in der Fragestunde zu fragen.
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Ich habe mich, wie Sie wissen, Herr Kollege, nie gescheut, Antworten zu geben. Es bleibt - wie soll ich sagen? - meiner Fähigkeit zu formulieren überlassen, aus meinen Antworten keinen internationalen Schaden entstehen zu lassen.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Weizsäcker.
Herr Bundesminister, nachdem Sie vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Kiep etwas, das sich als europäische Abgrenzung gegenüber den Vereinigten Staaten politisch manifestiert hat, als einen europäischen Fortschritt gekennzeichnet haben, darf ich Sie jetzt fragen: können Sie zu den von Ihnen als Problem bezeichneten Verbesserungen des Konsultationsverfahrens noch etwas konkretere Aufhellungen hier geben?
Das kann ich nicht, weil wir dabei sind, im Kreise der Neun hier noch weitere Fortschritte zu machen. Wenn ich jetzt öffentlich über die Einzelheiten diskutieren würde, täte ich, glaube ich, diesem notwendigen politischen Ziel keinen guten Dienst.
Eine weitere Zusatzfrage.
Dafür besteht gewiß Verständnis, Herr Bundesminister. Aber können Sie hier vielleicht in bezug auf das Ziel oder die Richtung noch die Frage beantworten, ob der europäische Meinungsbildungsprozeß, den Sie angesprochen haben, nicht doch der Konsultation mit den Vereinigten Staaten bedarf, bevor der Meinungsbildungsprozeß das Stadium eines fait accompli erreicht hat, welches seinerseits von den Amerikanern in der Vergangenheit als Abgrenzungsbeschluß gegen die Amerikaner verstanden werden mußte, worden ist und in Zukunft auch verstanden werden wird?
Herr Kollege, das will ich gern beantworten.
Hier ergibt sich auch gleich - ich habe versucht, das in der Antwort auf die erste Zusatzfrage von Herrn Wörner darzustellen - das Problem: Die Amerikaner wollen bei der Meinungsbildung ab ovo mitwirken, die Europäer wollen sich eine Meinung bilden und dann konsultieren. Und nun ist es eine Frage des gegenseitigen Verständnisses, auf welcher Stufe man die Konsultationen ansetzt. Sicher kann man nicht von den ersten Beratungen von Mitgliedern der auswärtigen Ministerien der beteiligten neun europäischen Ländern an amerikanische Partner hinzuzuziehen. Es setzt ja auch kein europäischer Beobachter etwa im State Department, um dort die Meinungsbildung zu beobachten. Man muß sehen, daß das Ende des Prozesses in Europa ein einiges Europa sein soll, das eine einheitliche Meinung hat, die sich genauso konventionell bildet, wie sich die Meinung heute in der Bundesrepublik Deutschland bildet.
Nun bin ich der Meinung, daß man - ich sage jetzt meine Meinung und nicht etwa die der Europäer - zwischen dem Meinungsbildungsprozeß im
Kreise der Neun und einem Beschluß, der darüber formell zwischen den Neun zu fassen wäre, unterscheiden sollte. Nach Abschluß des ersten Meinungsbildungsprozesses wäre nach meiner Überzeugung die Konsultation angebracht. Denn Konsultation hat ja keinen Zweck, wenn ich mich auf die Information beschränke und dann sage: Ich bin zwar noch bereit, jetzt etwa abweichende Meinungen zu hören, aber meine Entscheidung kann ich nicht mehr ändern. Wenn das Verfahren so ist, hat es keinen Zweck, vielmehr muß dann auch noch eine Änderung der Meinung durch eine Enscheidung, die nunmehr anderer Art ist, möglich sein.
Hier aber kommt schon das erste Problem, wenn die Amerikaner sagen: Das ist zwar richtig, aber das ist so schwierig. Wenn ihr einmal eine Meinung unter den Neun gewonnen habt und wir in einen Konsultationsprozeß eintreten - unabhängig davon, ob dann nachher noch eine andere Entscheidung gefällt werden kann; die der Neun ist schon so steif -, dann müßt ihr, wenn ihr sie ändern wollt, wieder alle Neun fragen, dann kommt ihr wieder, und dann müßt ihr wieder alle Neun fragen. Dies ist aber - das muß ich ganz klar sagen - notwendigerweise so und kann überhaupt nicht geändert werden. Das ist der mühsame Prozeß, eine politische Einheit zu bilden. Wenn wir den Prozeß nicht durchstehen und unsere amerikanischen Verbündeten nicht dazu bekommen, ihn mit uns gemeinsam durchzustehen, ja, uns dabei zu helfen, dann gibt es keine politische Einheit in Europa.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt.
Herr Minister, Sie haben vorhin davon gesprochen, daß die Erklärung der Neun zur Nahost-Frage Übereinstimmungen mit der UNO-Resolution 242 enthalte. Sehe ich es richtig, Herr Minister, daß mindestens zwei wesentliche Unterschiede sind: daß sich die Erklärung der Neun - ich darf es einmal so nennen - in der entscheidenden Frage - nämlich „Rückzug aus besetzten Gebieten" oder „Rückzug aus den besetzten Gebieten" - auf die arabisch-französische Version stützt und daß zum zweiten in der UNO-Resolution 242 von „palästinensischen Flüchtlingen" die Rede ist, in der Erklärung der Neun dagegen in einer durchaus ausdeutbaren Weise von den „Lebensrechten der Palästinenser"?
Verehrter Herr Kollege, ich glaube, daß ich in der Fragestunde von der ursprünglichen Frage abweichend nunmehr nicht auf den Nahen Osten kommen sollte. Nur so viel möchte ich bemerken, damit Sie mit Ihrer Frage nicht unbefriedigt bleiben: Ich sagte, daß sie sich auf die UNO-Resolutionen stützt, aber nicht, daß sie die UNO-Resolutionen im Wortlaut wiedergibt.
Was jedoch Ihre erste Frage angeht, muß ich auch hier wieder darauf hinweisen, daß Sie zwei
Versionen der bekannten UNO-Resolution wiedergegeben haben, die beide amtlich sind.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kliesing.
Herr Minister, im Zusammenhang mit Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen von Weizsäcker möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, während Ihrer Ratspräsidentschaft eine Initiative mit dem Ziel zu ergreifen, einen Informations- bzw. Konsultationsmechanismus einzurichten, der immer dann in Gang gesetzt werden kann, wenn die eine Seite glaubt, die andere plane etwas, was die eigenen politischen oder ökonomischen Interessen stark berührt?
Herr Kollege, Sie waren soeben, glaube ich, noch nicht im Saal. Ich habe dazu schon Stellung genommen. Ich bin nicht nur bereit dazu, sondern ich habe diese Initiative ergriffen. Die Vorschläge, die wir gemacht haben, sind auch schon mit der amerikanischen Administration und mit dem Außenminister persönlich besprochen worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wischnewski.
Herr Bundesaußenminister, welche bilateralen Probleme bzw. Schwierigkeiten zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten haben sich bei den Gesprächen ergeben, die Sie vor einigen Tagen mit Henry Kissinger geführt haben?
Ich kann dem Sinne nach den amerikanischen Außenminister Kissinger selbst zitieren. Er hat gesagt: Wir haben lange gesucht; aber wir haben keine Probleme gefunden, die etwa zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten zu besprechen gewesen wären.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiep.
Herr Minister, zurückkommend auf die gemeinsame Erklärung der europäischen Außenminister vom 6. November und Ihnen darin zustimmend, daß es bei dieser Erklärung mehr auf die Auslassungen ankommt und weniger auf das, was in der Erklärung steht, möchte ich Sie fragen, ob Sie wirklich der Meinung sind, daß die Lage, die sich um den 6. November herum ergeben hatte, keine Fragen einbezog, die man als alle Bündnispartner der NATO angehende Fragen bezeichnen müßte, daß Sie also der Meinung sind, die Fragen, die damals zur Diskussion standen, seien Fragen gewesen, die in den Katalog einzugliedern sind, den Sie vorhin als Katalog weltpolitischer Fragen bezeichnet haben, in denen wir notwendigerweise nicht
überall mit den Amerikanern übereinstimmen könnten.
Nein, ich teile Ihre Auffassung, daß dies ein Fragenkomplex gewesen ist, der das beiderseitige Interesse in vollem Umfang beansprucht hat. Es hat aber in dieser ganzen Zeit einen erkennbaren Mangel an Konsultationsverfahren gegeben; ich muß allerdings sagen: einen erkennbaren Mangel auf beiden Seiten. Sie wissen, daß das, was sich damals abgespielt hat, eine Sonderdiskussion war. Die Vereinigten Staaten haben in großer Objektivität auch die Mängel auf ihrer Seite gesehen.
Das alles sollte heute Anlaß sein, ein vernünftiges und funktionierendes Verfahren zu entwickeln. Wir wollen das; ich bin davon überzeugt, die Vereinigten Staaten auch.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Handlos.
Herr Minister, auch wenn der amerikanische Präsident seine Drohung bezüglich eines amerikanischen Truppenabzugs vorläufig zurückgenommen hat, glauben Sie nicht, daß die Stimmung in Amerika, auch im Hinblick auf die sozialen Probleme dieses Kontinents, immer mehr auf einen Truppenabzug hin tendiert?
Es gab seit eh und je in den Vereinigten Staaten auch Kreise im Kongreß, die das Ziel verfolgt haben, die Truppen in Europa zumindest zahlenmäßig zu vermindern. Aber ich darf darauf hinweisen, daß die amerikanische Regierung diesem Druck nie nachgegeben hat und auch jetzt nicht die Absicht hat, das zu tun. Wenn Sie mir eine Sekunde gestatten, dann will ich einmal eine Stelle aus einer Rede von Nixon heraussuchen, die er gerade gestern gehalten hat, die bei uns noch nicht veröffentlicht worden ist. Da heißt es an einer Stelle:
He said we would not go along with congressional resolutions calling for unilateral troop pull-back, because the presence of American forces in Europe was vital for world peace, the security of the United States, and the security of Europe itself.
Also hier erklärt er diese Haltung der Regierung der Vereinigten Staaten noch einmal: daß er dem Druck aus dem Kongreß, der in diese Richtung geht, nicht zu folgen gesonnen ist, weil die Anwesenheit dieser Truppen für den Weltfrieden - das ist sehr bedeutsam - sehr wichtig ist, für die Sicherheit der Vereinigten Staaten selbst wichtig ist und für die Sicherheit Europas wichtig ist. Das ist die gemeinsame Überzeugung der Vereinigten Staaten und der Europäer.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes!
Herr Bundesminister, könnten Sie Stellung nehmen zu zwei Thesen, die in dem hier erörterten Zusammenhang immer wieder aufgestellt werden, nämlich zu der These, die Vereinigten Staaten von Amerika hätten weltweite Verantwortung, Europa hingegen regionale Verantwortung, und zweitens zu der These, auch der Stand der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen wirke sich auf den Stand der amerikanisch-europäischen Beziehungen aus?
Zur ersten These: Daß die Vereinigten Staaten weltweite Verantwortung haben und sie wahrnehmen, ist unbestritten. Daß die Europäer weltweite Interessen haben und weltweite Verantwortung wahrnehmen sollten, ist auch unbestritten. Die Frage ist nur, ob sie es in dem Zustand, in dem sie sich befinden, können. Der Versuch, aus der Europäischen Gemeinschaft zu einer Europäischen Union zu kommen, ist der ernsthafte Versuch der Europäer, die Grundlagen zu schaffen, auch weltweite Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, wir sollten alle an diesem Versuch mitarbeiten, mit allen Kräften, die wir haben.
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Der zweite Punkt: Sicherlich ist das bilaterale Abkommen der Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion nicht ohne Wirkung auf andere Bereiche in der Welt. Aber nach meiner festen Überzeugung mindert es nicht den Schutz, den Europa durch die amerikanische atomare Abschreckungskapazität genießt.
Meine Damen und Herren, wie ich angekündigt habe, sind damit die dringlichen Fragen beantwortet. Herr Minister, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Matthöfer zur Verfügung.
Ich rufe auf die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Mitglieds der EG-Kommission Cheysson, wonach die Welternahrungslage zur Zeit so kritisch ist, daß jeder kleinste Zwischenfall zu Hungersnöten führen kann, und was ist dazu aus der Sicht der Bundesregierung im einzelnen zu sagen?
Matthöfer, Parl. Staatseskretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Herr Kollege Geldner, auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Welternährungslage Anlaß zur Besorgnis gibt. Im einzelnen möchte ich drei Aspekte des Problems unterscheiden:
Erstens. Die Entwicklungsländer haben trotz einiger Fortschritte ihre Nahrungsmittelproduktion nicht in ausreichendem Maße steigern können. Nach Fest5712
Parl. Staatssekretär Matthöfer
stellungen der FAO blieb in den vergangenen zehn Jahren in nicht weniger als 42 von 92 untersuchten Entwicklungsländern das Wachstum der Agrarproduktion hinter dem Bevölkerungswachstum zurück, so daß sich in diesen Ländern die Agrarproduktion pro Kopf verringert hat. Daher ist in vielen Entwicklungsländern mit längerfristigen Produktionsdefiziten zu rechnen.
Zweitens. Die meisten Entwicklungsländer, die aus den angeführten Gründen auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen sind, werden erhebliche Schwierigkeiten haben, diese Importe zu finanzieren. Einerseits sind die Preise für Getreide, Düngemittel und Frachten gestiegen, andererseits wird eine große Zahl von Entwicklungsländern einen erheblichen Teil ihrer verfügbaren Devisen für die Olpreissteigerungen aufbringen müssen.
Drittens. Nach neuen Schätzungen des Weltweizenrates ist in diesem Jahr wiederum mit einer erheblichen Verringerung der Getreidelagerbestände zu rechnen. Dennoch müßte bei richtiger Verteilung die verfügbare Nahrungsmittelmenge eigentlich ausreichen, nationale Versorgungslücken zu decken.
Die Bundesregierung wird, wie sie bereits in der Debatte am 14. März 1974 hier in diesem Hause angekündigt hat, ihre Nahrungsmittel- und Düngemittelhilfe erhöhen. Außerdem wird die Bundesregierung noch stärker als bisher die Anstrengungen der Entwicklungsländer zur Steigerung ihrer eigenen Agrarproduktion unterstützen. Schließlich wird sich die Bundesregierung an internationalen Überlegungen aktiv beteiligen, Nahrungsmittelmindestreserven in Entwicklungsländern anzulegen.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber auf. - Der Abgeordnete ist offensichtlich nicht im Saal. Herr Staatssekretär, ich bitte, die Frage schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantwortet. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Bundesinnenminister Genscher zur Verfügung.
Die erste Frage, Nr. 5, ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Franz eingebracht. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Trifft es zu, daß sich die Industrie, die in allen relevanten Entscheidungsgremien vertreten ist, durchgesetzt und den Würgassener Reaktor ohne Generalinspektion wieder in Betrieb gesetzt hat, obwohl das Bundesinnenministerium laut Bericht im „Stern" Nr. 8/1974 über Schäden in diesem Kraftwerk eine sofortige gründliche Uberholung der gesamten Anlage angeordnet hatte?
Nein, Herr Abgeordneter, es trifft nicht zu.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, stimmt die Meldung der „Süddeutschen Zeitung" vom 27. Februar 1974, wonach im Kernkraftwerk Würgassen erneut Schäden aufgetreten sind, die zu einer Stillegung führen oder schon geführt haben?
Herr Abgeordneter, ich habe vermutet, daß sich Ihre Frage auf die Wiederaufnahme des Probebetriebs des Kernkraftwerks Würgassen nach dem Schadensfall im Juli 1973 bezieht. Es handelte sich dabei um einen Riß in einer Rundschweißnaht an der Leitung von der Frischdampfleitung zur Noteinspeiseturbine. Nach Durchführung der erforderlichen Reparaturmaßnahmen und zusätzlich einer Überprüfung ähnlicher Schweißnähte gab die zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen die Wiederaufnahme des Probebetriebs Anfang August 1973 im Rahmen ihrer Zuständigkeit frei.
Darüber hinaus hat die Aufsichtsbehörde angeordnet, alle übrigen sicherheitstechnisch relevanten Primärrohrleitungen an Hand der Dokumentation der Fertigungskontrolle - begleitend zum Probebetrieb - zu überprüfen, insbesondere um Hinweise zu gewinnen, wie die nächste vorgesehene Wiederholungsprüfung des Rohrleitungssystems besonders effektiv gestaltet werden kann.
Mein Haus hat nach sorgfältiger Bewertung des Schadensfalls keinen Zustimmungsvorbehalt für die Wiederaufnahme des Probebetriebs gemacht. Im übrigen weise ich darauf hin, daß alle Entscheidungen in atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren allein von den zuständigen Behörden der Länder und des Bundes in eigener Verantwortung getroffen werden.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Sind Überlegungen dahin gehend bereits in ein konkreteres Stadium getreten, künftig überhaupt nur noch, aus Gründen der Sicherheit, den Bau von gasgekühlten Hochtemperaturreaktoren zu gestatten?
Ich muß diese Frage ebenfalls verneinen, Herr Abgeordneter. Gasgekühlte Hochtemperaturreaktoren unterscheiden sich zwar in technologischer Hinsicht von anderen Reaktortypen; das Spaltproduktinventar ist jedoch bei allen Reaktortypen derselben Leistungsgröße etwa gleich groß. Deshalb werden je nach Reaktortyp unterschiedliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um zu verhindern, daß Spaltprodukte unkontrolliert an die Umgebung gelangen.
Keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Wagner ({0}) auf:
Was gedenkt die Bundesregierung in beamtenrechtlicher, beamtenpolitischer und bildungspolitischer Hinsicht im Hinblick auf die Durchführung einer „Urabstimmung" durch den hessischen Landesverband der Lehrergewerkschaft GEW, in deren Verlauf über 15 000 Lehrer in Hessen über einen von der Gewerkschaftsleitung empfohlenen „Streik" abgestimmt haben, zu unternehmen?
Herr Abgeordneter, die als „Urabstimmung" bezeichnete Befragung der in der GEW organisierten hessischen Lehrer ist ein äußerst schwerwiegender Vorgang. Die GEW hatte, wie aus der Presse zu entnehmen war, die Absicht, für den Fall einer ausreichenden zahlenmäßigen Unterstützung ihre Mitglieder zu einem sogenannten Warnstreik aufzurufen und damit gegen bestehende Gesetze zu verstoßen. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Befragungsaktion nicht zu dem von der GEW erhofften Ergebnis geführt.
Die Bundesregierung weist derartige Versuche, mit denen zu einer Rechtsverletzung aufgefordert wird, mit Entschiedenheit zurück. Sie hat wiederholt erklärt, daß ein Streit der Beamten, streikähnliche Maßnahmen und Streikvorbereitungen gegen das geltende Recht verstoßen. Danach ist ein Streikrecht für Beamte ausgeschlossen. Das Streikverbot für Beamte gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes und folgt aus der Natur des Beamtenverhältnisses als eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zwischen Staat und Beamten und der grundlegenden Verpflichtung der Beamten, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen.
Ein Beamtenstreik richtete sich im übrigen auch gegen den Gesetzgeber und den im Parlament verkörperten Willen des Volkes.
Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Wahrung der Prinzipien des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates Maßnahmen, die der Vorbereitung eines Beamtenstreiks dienen, mit allen rechtlich und politisch zu Gebote stehenden Mitteln entgegentreten. In diesem Sinne habe ich mich an den für das Dienstrecht der hessischen Beamten zuständigen hessischen Minister des Innern gewandt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie mit mir der Auffassung sind, daß auch die aktive Vorbereitung eines Warnstreiks mit der Durchführung einer Urabstimmung bereits eine Arbeitskampfmaßnahme darstellt?
Das dürfen Sie, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, hält die Bundesregierung die Bestimmung in der Satzung der GEW, die den Streik beamteter Gewerkschaftsmitglieder vorsieht, mit Art. 33 des Grundgesetzes für vereinbar?
Herr Abgeordneter, ich müßte mir die Bestimmung ansehen. Wenn sie so ist, wie Sie sagen, wäre das nicht der Fall.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Walkhoff.
Herr Minister, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Frage des Streikrechts für Lehrer im Rahmen einer dienstrechtlichen Gleichstellung der bisher unterschiedlichen Gruppen - Beamte, Angestellte und Arbeiter - zu regeln sein müßte?
Herr Abgeordneter, bei der Diskussion um die Reform des öffentlichen Dienstrechts wird von manchen Teilnehmern an dieser Diskussion diese Auffassung vertreten. Die Bundesregierung rechnet allerdings die Einführung des Streikrechts für Beamte nicht zu ihren Zielvorstellungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gerster.
Herr Minister, Sie haben dargetan, daß Sie sich an den zuständigen hessischen Minister gewandt haben. Könnten Sie mir Auskunft geben, welche Maßnahmen der zuständige hessische Minister ergriffen hat?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen, Herr Abgeordneter. Aber Sie haben ja aus meiner Antwort entnommen, daß die sogenannte „Urabstimmung" nicht zu dem von ihren Initiatoren erhofften Ergebnis geführt hat.
Der Herr Abgeordnete Stahl ({0}) hat die von ihm eingereichten Fragen 9 und 10 zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Pensky auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß - wie Pressemeldungen zu entnehmen war - ein Rheinmetall-Konstrukteur mit der Entwicklung und Erprobung einer sogenannten Stauchgeschoßpatrone befaßt ist, die geeignet ist, den Getroffenen angriffs- oder fluchtunfähig zu machen ohne Gefahr einer Tötung, und ist sie bereit, dieses oder ein entsprechendes Forschungsvorhaben finanziell zu unterstützen?
Herr Abgeordneter, ich wäre dankbar, wenn ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworten dürfte.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden, Herr Minister. Ich rufe also auch die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Pensky auf:
Ist die Bundesregierung weiter mit mir der Ansicht, daß es
notwendig sei, eine nicht tötende Polizeiwaffe zu entwickeln?
Ziel staatlicher Gewaltanwendung auch gegenüber dem gefährlichsten Rechtsbrecher darf stets nur sein, die Angriffs- oder Fluchtunfähigkeit herbeizuführen. Deshalb bin ich mit Ihnen, Herr Abgeordneter, der Ansicht, daß die Polizei nach Möglichkeit mit einer Waffe ausgerüstet werden sollte, die einerseits den Täter sofort angriffsunfähig macht, also über eine starke sogenannte „man-stop"-Wirkung verfügt, doch darüber hinausgehende Verletzungen vermeidet. Die Bundesregierung unterstützt gemeinsam mit den Ländern alle Entwicklungen auf diesem Gebiet. Ihr ist auch die Entwicklung einer sogenannten Stauchgeschoßpatrone durch die Firma Rheinmetall bekannt. Die Patrone ist Mitgliedern der Technischen Kommission des Arbeitskreises II der Innenministerkonferenz vorgeführt worden. Es kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Patrone eine brauchbare Lösung darstellt. Die Bundesregierung ist vorbehaltlich weiterer Prüfungen grundsätzlich bereit, Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet finanziell zu unterstützen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß eine bewaffnete paramilitärische Einheit ({0}) sich noch im Rahmen des Grundgesetzes bewegt?
Herr Abgeordneter, Organisation und Tätigkeit der von Ihnen angesprochenen Gruppe beschränken sich nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen auf das Gebiet eines Bundeslandes, nämlich Bayern. Gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. 1 des Vereinsgesetzes in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes ist deshalb eine abschließende Bewertung ihrer Verfassungsmäßigkeit und die Einleitung eventueller vereinsrechtlicher Maßnahmen dem Bayerischen Staatsministerium des Innern als der zuständigen obersten Landesbehörde vorbehalten.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat auf Anfrage folgende Stellungnahme zu der in Ihrer Frage angesprochenen Gruppe abgegeben:
1. Die Gruppe ist den zuständigen Stellen bekannt.
2. Die bisher gewonnenen offen verwertbaren Erkenntnisse reichen nicht aus, um eine verfassungsfeindliche Zielsetzung der Gruppe nachzuweisen.
3. Die Gruppe wird von den zuständigen bayerischen Sicherheitsorganen sorgfältig beobachtet.
Ich darf hinzufügen, Herr Abgeordneter, daß unabhängig davon natürlich von den Strafverfolgungsbehörden die Frage strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Beteiligten an dieser Gruppe zu prüfen ist. Es ist mir außerdem bekanntgeworden, daß die Stadt Nürnberg prüft, wie der Mietvertrag für das Gelände, das sich bekanntlich im Eigentum der Stadt Nürnberg befindet und auf dem die sogenannten Übungen dieser Gruppe abgehalten werden, schnellstens gelöst werden kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, ich darf Sie in Ihrer Eigenschaft als Verfassungsschutzminister fragen: Halten Sie es denn für normal, daß eine Zivilgarde mit Tarnanzügen, Stahlhelmen und Maschinenpistolen durch den Forst rennt?
Herr Abgeordneter, es gehört nicht zu meinen Aufgaben, zwischen Normalitäten und Nichtnormalitäten zu unterscheiden. Ich halte, um Ihnen das zu sagen, die Vorgänge, um die es sich hier handelt, für außerordentlich bedenklich. Ich habe deshalb gern zur Kenntnis genommen, daß sich nicht nur die Verfassungsschutzbehörden Bayerns, sondern auch die für die Strafverfolgung verantwortlichen Behörden und auch die Stadt Nürnberg, soweit sie als Vermieter in Frage kommt, mit dieser Angelegenheit befassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Haben Sie nicht den Eindruck, daß man viel eher reagiert hätte, wenn es um eine linksextremistische Organisation ginge?
Herr Abgeordneter, derjenige, der die Reaktion auf verfassungsfeindliche oder gar strafrechtlich relevante Tätigkeiten nach dem politischen Standort beurteilen würde, würde das Gesetz verletzen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt oder, wenn nein, würden Sie gegebenenfalls die Überprüfung veranlassen, auf welcher Rechtsgrundlage sich diese Gruppe die Magazinwaffen beschafft hat, mit denen sie ihre paramilitärischen Übungen durchführt?
Herr Abgeordneter, das z. B. gehört ganz sicher zu den notwendigen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Wird nach Auffassung der Bundesregierung das Dienstverhältnis zwischen einem Katastrophenschutzhelfer, der anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist, und seiner Organisation ({0}) zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung durch den Helfer oder erst zum Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige über die Zustimmung der zuständigen Behörde beim Bundesamt für Zivildienst begründet?
Das Dienstverhältnis aller Helfer des Katastrophenschutzes beginnt nach § 8 Abs. 1 des Katastrophenschutzgesetzes mit der Verpflichtung gegenüber der Katastrophenschutzorganisation. § 8 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes und § 14 des Zivildienstgesetzes knüpfen die Rechtsfolge der Freistellung vom Wehrdienst und Zivildienst nur an eine Verpflichtung zum zehnjährigen Dienst im Katastrophenschutz und die Zustimmung des Hauptverwaltungsbeamten. Die Mitteilung der Zustimmung an das Kreiswehrersatzamt oder das Bundesamt für Zivildienst ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal für die Verpflichtung oder die Freistellung, sondern dient nur der Unterrichtung der Behörden über Verpflichtung und Freistellung.
Zusatzf rage.
Herr Minister, ist diese Antwort, die Sie mir eben gegeben haben, mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung abgestimmt? Ich frage deshalb danach, weil das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bisher eine andere Auffassung vertreten hat.
Herr Abgeordneter, ich will gerne der Frage nachgehen, ob es wirklich so ist, daß dieses Ministerium eine andere Auffassung hat. Ich kann es mir nicht vorstellen, weil es ja diese Regierung auszeichnet, daß sie immer mit einer Zunge spricht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, dies einmal unterstellt, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, einen konkreten Vorgang, den ich dazu habe, und der die Grundlage meiner Frage war, entgegenzunehmen. Mir geht es nämlich darum, daß hier mit einer Zunge gesprochen wird, wie Sie es bereits angedeutet haben.
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf:
Zeichnen sich inzwischen Fortschritte zur Einbeziehung der Zollverwaltung in ein fortgeschriebenes Sicherheitsprogramm ({0}) ab und gegebenenfalls in welcher Form?
Die Ständige Konferenz der Innenminister der Länder und des Bundes hat am 15. Februar 1974 das 1972 verabschiedete Programm für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland um weitere bedeutsame Aufgabenbereiche der inneren Sicherheit fortgeschrieben. Sie war sich dabei bewußt, daß auch diese Fortschreibung noch nicht abschließend sein kann, und hat deshalb ihren Arbeitskreis II - Öffentliche Sicherheit - beauftragt, Themen zusammenzustellen, die für eine weitere Ergänzung des Programms in Frage kommen. Dabei soll auch die Einbeziehung der Zollverwaltung in das Sicherheitsprogramm geprüft werden.
Ich werde mich in diesem Arbeitskreis der Innenministerkonferenz für die Einbeziehung der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben in diesem Bereich zu erfüllen hat, in das Programm einsetzen.
Zusatzfrage.
Nachdem, wie Sie angedeutet haben, inzwischen schon eine Fortschreibung erfolgt ist und eine weitere angekündigt ist, möchte ich Sie fragen, ob Sie über das, was Sie eben sagten, hinaus schon etwas über das Timing hier andeuten können.
Dazu kann ich noch nichts sagen, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Wende auf:
Sind der Bundesregierung die sportwissenschaftlichen Analysen bekannt, die der Bundesausschuß Leistungssport des Deutschen Sportbunds im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1972 erstellen wollte?
Herr Abgeordneter, ich würde gern beide Fragen zusammen beantworten, wenn Sie einverstanden sind.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Wende auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik, die in letzter Zeit wiederholt in der Fachpresse gegen die Arbeit des Bundesausschusses Leistungssport erhoben wurde?
Der Bundesregierung sind die sportwissenschaftlichen Analysen bekannt, die der Bundesausschuß Leistungssport des Deutschen Sportbundes im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1972 erstellt hat. Die Analysen sind in einer Schriftenreihe des Bundesausschusses Leistungssport unter dem Titel „Die
20. Olympischen Spiele München - Probleme des Hochleistungssports" zusammengefaßt.
Die Bunderegierung mißt der Tätigkeit des Bundesausschusses Leistungssport für die Entwicklung des Hochleistungssports in der Bundesrepublik Deutschland besondere Bedeutung bei. Darauf ist schon im Sportbericht der Bundesregierung hingewiesen worden. Die in letzter Zeit gelegentlich geäußerte Kritik an der Arbeit des Bundesausschusses Leistungssport hat an diesem grundsätzlichen Standpunkt der Bundesregierung nichts geändert.
Der Bundesausschuß Leistungssport berät und unterstützt die Bundessportfachverbände auf dem Gebiet der Organisation und Planung sowie in Fragen der Schulungsmaßnahmen und des Trainings. Die Umsetzung seiner Empfehlungen, Hinweise und Planungsrichtlinien ist Sache der Verbände.
Wenn Spitzensportler nicht die von ihnen erwarteten Erfolge erzielen, so könnte dies dem Bundesausschuß Leistungssport wohl nur dann angelastet werden, wenn er die Bundessportfachverbände falsch oder unzureichend beraten würde. Ein solcher Vorwurf wurde, soweit mir bekannt ist, bisher nicht erhoben. Eine derartige Kritik dürfte auch in der Sacharbeit des Bundesausschusses Leistungssport keine Grundlage haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, in welcher Weise ist sichergestellt, daß die Erkenntnisse des Bundesausschusses Leistungssport des DSB von den Fachverbänden tatsächlich verwendet werden?
Das ist natürlich zunächst einmal eine Sache des DSB selbst, Herr Abgeordneter, wie Sie wissen. Aber die Bundesregierung hält es natürlich für erforderlich, daß wir im Rahmen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Verbänden des Sports über diese Fragen reden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist gewährleistet, daß ein intensiver Erfahrungsaustausch und eine ständige Zusammenarbeit zwischen dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft und dem Bundesausschuß Leistungssport stattfinden?
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, hat die Bundesregierung Vorstellungen darüber, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die mit hohen Bundesmitteln geförderte Arbeit des Bundesausschusses Leistungssport zu verbessern?
Herr Abgeordneter, wir sprechen laufend über Möglichkeiten der Verbesserung.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Minister, sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den offensichtlichen Schwierigkeiten in der Arbeit des Bundesausschusses Leistungssport, die in der öffentlichen Kritik zum Ausdruck gekommen sind, und dem Rückgang der leistungssportlichen Erfolge der Verbände des Deutschen Sportbundes?
Einen solchen Zusammenhang möchte ich eigentlich nicht annehmen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Zimmermann hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 18 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Gerster ({0}). Herr Minister, wollen Sie auch diese beiden Fragen gemeinsam beantworten?
Ich wäre dankbar, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden wäre.
Der Fragesteller ist einverstanden. Sein Recht auf Zusatzfragen wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ich rufe also die Fragen 19 und 20 auf:
Sind der Bundesregierung Belege für die Behauptung des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Kuhlmann, bekannt, wonach bei Bundeswehr, Polizei und Bundesgrenzschutz „auf jeden Linksextremisten mindestens 50 Rechtsextremisten" kämen, und hat die Bundesregierung festgestellt, welche Belege Herr Kuhlmann für seine Behauptung vorlegen kann?
Falls keine Belege vorliegen, ist die Bundesregierung bereit, durch die zuständigen Bundesminister als oberste Dienstbehörde der pauschal verdächtigen Beamten und Soldaten straf- und zivilgerichtlich gegen Herrn Kuhlmann mit dem Ziel vorzugehen, daß er seine schwere Anschuldigung entweder beweist oder zurücknimmt?
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Kuhlmann, hat sich in einem persönlichen Brief vom 18. Dezember 1973 an einen Angehörigen des Bundeskriminalamts dahin gehend geäußert, daß im Bereich der Sicherheitsorgane die Gefahr einer Unterwanderung von Extremisten von rechts viel größer sei als von links. In der Bundeswehr, im Bundesgrenzschutz, in der Polizei kämen auf jeden Linksextremisten „- soweit überhaupt einer vorhanden -" mindestens 50 Rechtsextremisten.
Diese Behauptungen, Herr Abgeordneter, sind nicht zutreffend. Was die Gefahr der Unterwanderung angeht, so ist der Bundesregierung bekannt, daß linksextremistische Gruppen sich um eine Unterwanderung der Bundeswehr bemühen mit dem Ziel, Zellen in der Bundeswehr zu bilden. Soweit es
nicht um die Gefahr der Unterwanderung geht, sondern um Personen, die schon Angehörige der Organe der inneren oder äußeren Sicherheit sind, habe ich für den Bereich des Bundes dem Herrn Kollegen Gansel am 14. März 1974 auf eine entsprechende Frage die folgende Antwort erteilt:
Nach dem Bundesministerium vorliegenden Erkenntnissen gehörten am 31. 12. 1973 dem Bundesgrenzschutz zehn Beamte an, die vor diesem Zeitpunkt einer rechtsradikalen Organisation beigetreten waren, und zwar in neun Fällen der NPD, in einem Fall den Jungen Nationaldemokraten.
Erkenntnisse darüber, ob die Mitgliedschaft in der jeweiligen Organisation am 31. 12. 1973 noch bestand oder ob sie vorher beendet worden ist, sind nicht vorhanden. In einem Fall kann allerdings mit erheblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Mitgliedschaft am 31. 12. 1973 noch bestand.
Erkenntnisse darüber, daß Beamte des Bundesgrenzschutzes in linksradikalen Vereinigungen organisiert sind, liegen nicht vor.
Der Bundesminister der Verteidigung hat mir mitgeteilt, daß am 7. März 1974 im Gesamtbereich der Bundeswehr 131 Mitglieder rechtsextremer und 170 Mitglieder linksextremer Organisationen erfaßt waren. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit waren im Bundesverteidigungsministerium Ermittlungen darüber nicht möglich, wie viele grundwehrdienstleistende Soldaten in dieser Zahl enthalten sind.
Um nun zu den Polizeien der Länder zu kommen: Am 31. Dezember 1973 waren in den Polizeien der Länder 29 Beamte Mitglied rechtsradikaler Organisationen und 5 linksradikaler Organisationen.
Der durch den Brief vom 18. Dezember 1973 hervorgerufene Eindruck, es bestehe für die Sicherheitsorgane eine rechtsextreme Unterwanderungsgefahr ist danach nicht richtig. Ebenso ist die Behauptung, wenn es überhaupt Linksradikale in den Sicherheitsorganen gebe, gebe es auf jeden Linksradikalen 50 mal so viele Rechtsradikale, nicht zutreffend. Sie ist geeignet, in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild einer angeblichen Durchsetzung der Sicherheitsorgane mit Rechtsradikalen zu erwecken, durch daß das Vertrauen in die demokratische Zuverlässigkeit der Bundeswehr, des BGS und der Polizeien der Länder untergraben werden kann.
Im Interesse des Vertrauensschutzes für die Angehörigen der Bundeswehr, des BGS und der Polizei habe ich deshalb die Erklärung des Vorsitzenden der GdP zurückgewiesen. Ich habe mich von der Erwägung leiten lassen, daß Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Polizei das in sie gesetzte Vertrauen voll rechtfertigen.
({0})
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich auf meine zweite Frage verweisen, in der ich gefragt habe, ob Sie irgendwelche Maßnahmen zum Schutze der Angehörigen der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Polizeien der Länder ergriffen haben oder ergreifen können?
Herr Abgeordneter, es wird Ihnen schon bei oberflächlicher Betrachtung des Sachverhalts deutlich sein, daß ein strafrechtlicher Tatbestand nicht erfüllt ist, sondern daß es weitgehend um Bewertungsfragen geht, die der richterlichen Beurteilung nicht zugänglich sind. Ich habe es aber, wie ich Ihnen schon in meiner ersten Antwort deutlich machte, für richtig gehalten, den Sachverhalt mit den mir möglichen Mitteln so darzustellen, wie ich ihn sehe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, sehe ich es richtig, daß strafrechtliche Maßnahmen auch deshalb ausscheiden, weil es sich bei Herrn Kuhlmann um einen SPD-Landtagsabgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag handelt, für den gegebenenfalls Immunität zutrifft?
Herr Abgeordneter, ich habe gerade gesagt, daß objektiv und unabhängig von der Person keine strafrechtlich relevanten Handlungen erkennbar sind. Wenn irgendeine Staatanwaltschaft in diesem Land solche sähe, -würde sie sicher von den Möglichkeiten des Gesetzes nach dem Offizialprinzip Gebrauch gemacht haben. Ich muß mit Entschiedenheit zurückweisen, daß in diesem Land die Frage strafrechtlicher Verantwortlichkeit davon abhängig ist, welcher Fraktion ein Abgeordneter angehört.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pensky.
Herr Minister, nachdem Sie zunächst einmal korrigiert haben, daß der Kollege Gerster nicht umfassend zitiert hat, darf ich Sie fragen, ob Sie es nicht für möglich halten, daß Herr Kuhlmann bei seiner Äußerung den Verfassungsschutzbericht 1972 zugrunde gelegt haben kann, der nämlich ausweist, daß sich am 31. 12. 1972 in Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt 1 413 Angehörige des öffentlichen Dienstes in rechtsradikalen Organisationen befunden haben, von denen 428 auf den Landesdienst entfallen, und zwar ausdrücklich aufgeteilt auf Schuldienst, Justiz, Finanzverwaltung, Polizei und übrige Verwaltungen, während der gleiche Bericht bei linksradikalen Organisationen 1 307 Bedienstete ausweist, bei denen bei der Aufschlüs5718
selung nach Dienstzweigen die Polizei nicht enthalten ist?
Herr Abgeordneter, ich muß vermuten - das ergibt sich auch aus einer Stellungnahme der GdP -, daß ein Vergleich dieser Angaben Herrn Kuhlmann zu der in diesem Brief zitierten Behauptung veranlaßt hat. Ich bin gleichwohl der Meinung, daß der Bericht so, wie er vorgelegt ist, die öffentliche Behauptung nicht stützen könnte. Ich muß allerdings hinzufügen, daß Herr Kuhlmann - was Sie aus meiner ersten Antwort entnommen haben - hier einen persönlichen Brief an ein, wie ich meine, damaliges Mitglied der GdP gerichtet hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, mir kommt es auf eine objektive Darlegung in dem Bericht an. Bei Rechtsradikalen ist die Polizei nämlich ausgewiesen. Bei Linksradikalen ist auch eine Aufschlüsselung vorgenommen worden; hierbei ist die Polizei aber nicht ausgewiesen.
Sie ist nicht ausgewiesen, weil sich die Aufschlüsselung dort nach einem anderen System vollzogen hat. Das heißt nicht, daß es dort niemanden gebe, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.
Herr Minister, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß -
Herr Kollege, Sie dürfen nur fragen.
Ja, ich habe gefragt, ob ich etwas darf; das ist eine Frage, Herr Präsident.
Herr Minister, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Aussage von Herrn Kuhlmann bezüglich des Bundesgrenzschutzes rein mathematisch insofern richtig ist, als bei einem Verhältnis von 10 : 0 ein Ergebnis von unendlich herausgerechnet werden könnte? Aber darf ich Sie im Ernst bitten, bei der Äußerung von Herrn Kuhlmann zu berücksichtigen, daß Herr Kuhlmann möglicherweise nicht eine rechtsextremistische Unterwanderung der Sicherheitsorgane behaupten wollte, sondern nur vor einer allgemeinen Hysterie vor einer angeblichen linksextremistischen Unterwanderung warnen wollte?
Herr Abgeordneter, zu 1: Sie dürfen natürlich alles.
Zu 2: Ich nehme es gern entgegen, wenn Sie hier Herrn Kuhlmann interpretieren. Ich vermute, daß Sie das im Einverständnis mit ihm tun.
({0})
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf:
Trifft es zu, daß für die Änderung der Verwaltungsvorschrift über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung ({0}) Verordnungen erlassen werden, deren Durchführung technisch problematisch und deren Anforderungen der technische Stand noch nicht angepaßt ist?
Nein, Herr Abgeordneter. Die in den Entwurf einer Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - aufgenommenen Anforderungen berücksichtigen ,den fortschrittlichen Stand der Technik, wie er in der Regel bei Neuanlagen zur Anwendung kommt, um Immissionen zu vermindern. Die Werte beruhen auf VDI-Richtlinien aus dem Handbuch „Reinhaltung der Luft", Angaben der Länder, unmittelbaren Informationen aus der Industrie, internationalem Erfahrungsaustausch und auf Ergebnissen von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die vom BMI gefördert werden.
Keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf:
Wie viele asylsuchende Flüchtlinge aus Chile sind in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden, und wie viele davon sind echte, d. h. gebürtige Chilenen?
Hat die Bundesregierung aus ihrer Verantwortung für die Bevölkerung heraus die politische Vergangenheit aller aufgenommenen asylsuchenden Chilenen festgestellt, und wie viele davon wurden dabei als revolutionäre Gewalttäter, Terroristen oder gar führende Terroristen erkannt?
Herr Minister, wollen Sie die beiden Fragen, wenn der Fragesteller einverstanden ist, auch zusammenfassen?
Ich kann das gern tun.
Ja, bitte!
Herr Abgeordneter, in der Zeit vom 27. Oktober 1973 bis zum 14. März 1974 sind 645 aufnahmesuchende Personen aus Chile in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Darunter befinden sich 446 chilenische Staatsangehörige. Von den insgesamt 645 Personen handelt es sich bei 248 um Kinder; von ,den 397 Erwachsenen sind etwa ein Drittel Familienangehörige von Flüchtlingen, die für ihre Person eine Verfolgung zu besorgen haben.
Bei denjenigen Personen aus Chile, die mit Zustimmung der Bundesregierung in die BundesrepuBundesminister Genscher
blik Deutschland eingereist sind, steht in keinem einzigen Falle fest, daß einer der Betroffenen revolutionärer Gewalttäter, Terrorist oder gar führender Terrorist wäre. Die Bundesregierung besitzt allerdings Informationen über 85 Personen, die ursprünglich die Absicht hatten, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen und bei denen zumindest der Verdacht besteht, daß sie ein gewisses Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik Deutschland darstellen könnten. Die Bundesregierung hat die Namen dieser Personen den Bundesländern mitgeteilt, weil eine illegale Einreise befürchtet werden mußte, eine Befürchtung, die sich in Einzelfällen als berechtigt erwiesen hat.
Die Bundesregierung hat außerdem in dem Zeitpunkt, in dem die Gefahr der Einreise von Personen, die auf dieser sogenannten „Problemliste" genannt waren, sich konkretisierte, diese Namen auf die Grenzüberwachungsliste setzen lassen, um damit auf jeden Fall die Einreise zu verhindern. Soweit sich in Einzelfällen der zunächst vorhandene Verdacht nicht bestätigt hat, wurde die Einreise gestattet.
Im übrigen darf ich bemerken, daß ein erheblicher Teil aus dem Personenkreis von 85, von dem ich eben sprach, inzwischen seine Absicht aufgegeben hat, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.
Die Unterrichtung der Länder ist vorsorglich erfolgt - um das noch einmal zu unterstreichen -, weil die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden konnte und kann, daß einzelne Personen versuchen, illegal einzureisen. Tatsächlich ist festgestellt worden, daß mindestens sechs in der erwähnten Liste genannte Personen, von denen mehrere ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen, inzwischen außerhalb der offiziellen Aufnahmeaktion der Bundesregierung eingereist sind, also offensichtlich illegal. Die Bundesregierung hat die Länder davon unterrichtet und sie gebeten, entsprechende Vorsorge gegen eine Gefährdung der inneren Sicherheit durch die Anwesenheit dieser Personen zu treffen. Sie wissen im übrigen, daß die Frage strafrechtlicher Verantwortlichkeit von den Strafverfolgungsbehörden zu prüfen wäre und die Frage ausländerrechtlicher Maßnahmen von den zuständigen Bundesländern.
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, nimmt die Wahrung der Sicherheitsbelange auch im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus Chile sehr ernst. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß sie in einer Anzahl von Fällen die Einreise nicht zugelassen hat. Sie hat gerade deshalb auch die Länder aufgefordert, diesem Komplex besondere Aufmerksamkeit zu widmen und vor allem die Bundesregierung sofort zu unterrichten, falls sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß hier aufgenommene Personen aus Chile sicherheitsgefährdende Bestrebungen entweder selber unternehmen oder solche Bestrebungen anderer unterstützen. Ich muß dazu allerdings bemerken, daß die Bundesregierung bisher keine Hinweise auf derartige Bestrebungen oder ihre Unterstützung erhalten hat.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Minister, auf wessen Veranlassung wurde in den 77 sogenannten Problemfällen die Einreise in die Bundesrepublik erlaubt, und welche Sicherheitsmaßnahmen hat die Bundesregierung gegenüber diesen Problemfällen, von denen in Zeitungen zu lesen war, getroffen?
Herr Abgeordneter, ich habe gerade ausgeführt, daß in diesen Fällen die Einreise nicht erlaubt worden ist. Es gibt übrigens nicht 77, sondern insgesamt 85 Problemfälle. Bei einigen davon hat sich ein zunächst vorhanden gewesener Verdacht nicht bestätigt. In diesen Einzelfällen ist die Einreise erlaubt worden, im übrigen nicht. Ein Teil davon will auch nicht mehr einreisen. Die in Ihrer Frage liegende Behauptung, dieser Personenkreis sei eingereist, ist also nicht zutreffend.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß chilenische Flüchtlinge an deutschen Universitäten außerhalb des Numerus clausus, also bevorzugt Studienplätze erhalten haben?
Herr Kollege, ich kann den notwendigen unmittelbaren Sachzusammenhang zwischen dieser Zusatzfrage und Ihren eingereichten Fragen nicht sehen. Ich lasse deshalb die Zusatzfrage nicht zu. Sie können jetzt eine nächste Zusatzfrage stellen.
Die Zusatzfrage steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit meinen Fragen.
Ich kann den Zusammenhang hier nicht sehen.
Ich könnte die Zusatzfrage auch nicht beantworten, Herr Präsident; es ist nicht mein Geschäftsbereich.
Es ist ganz klar: Die Zusatzfrage steht nicht im Zusammenhang mit den Hauptfragen.
({0})
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Rainer auf. - Der Herr Kollege ist nicht anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Wittrock zur Verfügung.
Die Frage 22 des Abgeordneten Heyen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
({1})
- Herr Abgeordneter, ich habe Ihre Zusatzfrage nicht zugelassen.
({2})
- Das ist Ihr Recht.
({3})
- Herr Abgeordneter, ich rüge Sie für diese zusätzliche Bemerkung.
lch rufe die Frage 23 des Abgeordneten Krall auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit der TEE- und IC- Verkehr auf der Rheinstrecke Köln-Mainz durch den geplanten Bau der Bundesbahn-Schnellstrecke Köln-Groll Gerau tangiert wird?
Herr Abgeordneter, das ist noch nicht bekannt.
Die Bundesbahn wird auf der Neubaustrecke Köln -Groß Gerau in einem stündlichen Rhythmus schnelle Züge für den Fernverkehr fahren lassen. Über ein konkretes Fahrplanprogramm wird die Bundesbahn zu gegebener Zeit mit den Fahrplanausschüssen des deutschen Industrie- und Handelstages und sicherlich auch mit vielen anderen interessierten Stellen beraten. Dabei wird nicht nur die Belegung der Neubaustrecke, sondern insbesondere auch das verbleibende Fernverkehrsangebot für beide Rheinstrecken und für die an ihnen liegenden Verkehrsknoten, beispielsweise Koblenz, zu beachten sein. Die Bundesbahn hat uns versichert, daß sie dabei die Interessen der jetzt unmittelbar in das TEE- und das IC-Netz einbezogenen Städte gebührend würdigen will.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, ist es noch reichlich früh - auch vor dem Hintergrund der sehr grundsätzlichen Diskussionen über die Trassenführung -, schon heute auf eine so konkrete Frage wie die der Eigenart der Verkehrsbedienung und der Fahrplangestaltung einzugehen.
Eine Zusatzfrage.
Ich bin Ihnen für die Beantwortung sehr dankbar. Aber zeichnet sich nicht gegebenenfalls die Gefahr ab, daß der Güterfernverkehr von der Schnellstrecke, die hier in Angriff genommen werden soll, auf die langsamen Strecken beiderseits des Rheins verlagert wird, und wird dadurch nicht gegebenenfalls der Schnellverkehr für den Bereich beispielsweise Köln-Bonn-Koblenz-Mainz beeinträchtigt? Ich möchte nämlich gern, daß dieser Gefahr vorgebeugt wird.
Herr Abgeordneter, ich verstehe das durchaus. Es ist so, daß die Neubaustrecke tendenziell und nach der Natur der Sache dazu bestimmt ist, dem Schnellverkehr oder gar Schnellstverkehr zu dienen. Dieses wird in einem starken Maße Personenverkehr sein. Aber die Bundesbahn ist in den letzten Jahren in einem immer stärkeren Maße dazu übergegangen, auch auf dem Gebiete des Güterverkehrs der Beschleunigung der Verkehrsbedienung einen hohen Rang einzuräumen.
Es wird also nicht zu einer völligen Entmischung der verschiedenen Verkehrszweige mit dem Ziel kommen, daß auf den Rheinstrecken nur noch Güterverkehr abrollt, sondern es wird hier tendenziell einen gewissen Trend geben.
Ich habe in meiner Antwort bereits zum Ausdruck gebracht, daß natürlich auf den Rheinstrecken auch in Zukunft ein, so hoffe ich, das Publikum zufriedenstellender Personenverkehr ablaufen wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Stücklen hat gebeten, daß die von ihm eingereichte Frage 24 schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr beantwortet. Herr Staatssekretär Wittrock, ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 58 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}). - Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht im Saal; die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Kiechle. Herr Staatssekretär, haben Sie die Absicht, im Einvernehmen mit dem Fragesteller die beiden Fragen gemeinsam zu beantworten?
Wenn der Fragesteller einverstanden ist, sehr gern.
Herr Kollege Kiechle ist einverstanden. Ich rufe die
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Fragen 59 und 60 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf:
Treffen die Angaben in der Zeitschrift Quick vom 28. Februar 1974 über die steigenden Ausgaben für die Tätigkeit der Bundesregierung in Bonn zu, stimmt es insbesondere, daß sich seit 1969 die Zahl der Ministerialdirigenten von 31 auf 536 erhöht hat und daß sich die jährlichen Ausgaben für die Ministerialbürokratie von 13,4 Milliarden DM auf 23,3 Milliarden DM erhöht hätten, und wie vereinbart die Bundesregierung diese Entwicklung mit der Aussage in der Regierungserklärung des Jahres 1969, daß auch die Tätigkeit der Bundesregierung Gegenstand der Reformbemühungen zu sein habe?
Falls die in der Zeitschrift Quick genannten Zahlen nicht in vollem Umfang bestätigt werden können, wie lauten die richtigen Angaben in den genannten Fällen?
Herr Abgeordneter Kiechle, die in Ihrer Frage erwähnten Angaben über die Zahl der Ministerialdirigenten und über die Ausgaben für die Ministerialbürokratie treffen nicht zu.
Die richtigen Angaben lauten wie folgt: Die Zahl der Planstellen für Ministerialdirigenten in den Bundesministerien ist von 163 im Jahre 1969 auf 201 im Entwurf des Haushaltsplanes 1974 gestiegen. Der Zuwachs der Dirigentenstellen hielt sich damit etwa im gleichen Rahmen wie in den Jahren zuvor. So nahmen diese Stellen z. B. in den Jahren 1962 bis 1968 um 37 zu.
Die Ausgaben für das Personal der Bundesministerien haben sich von rund 0,54 Milliarden DM im Jahre 1969 auf rund 0,9 Milliarden DM im Entwurf des Haushaltsplanes 1974 erhöht.
Bei dem in der Zeitschrift für 1974 genannten Betrag von 23,3 Milliarden DM handelt es sich um die gesamten Personalausgaben der Bundesverwaltung, denen 1969 13,6 Milliarden DM gegenüberstanden. Hierin sind nicht nur die Bezüge der aktiven Beamten, Angestellten, Arbeiter und Soldaten in den Ministerien sowie in dem nachgeordneten Behördenbereich enthalten, sondern auch die gesamte Versorgung der Ruhestandsbeamten einschließlich der sogenannten 131 er sowie der Wehrsold und die Sozialversicherungsbeiträge der Wehrpflichtigen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, unabhängig von der hier offensichtlich unterschiedlichen Definition bleibt aber, wenn ich Sie richtig verstanden habe, die Tatsache bestehen, daß die vergleichbaren Ausgaben von 13,4 Milliarden DM im Jahre 1969 auf 23,3 Milliarden DM im Jahre 1974 gestiegen sind.
Dies ist richtig. Ich möchte mich nicht zu dieser Zeitschrift äußern, aber doch darauf aufmerksam machen, daß dabei völlig außer acht gelassen wird, daß es sich um Besoldungserhöhungen und nicht etwa nur um die Zunahme von Beamtenstellen handelt. Das ist dabei in der Tendenz völlig übersehen worden. Ich halte das nicht für ganz korrekt.
Eine weitere Zusatzf rage.
Auch wenn ich hier zur allgemeinen Sachorientierung diese Zahlen zur Kenntnis nehme und Ihnen für die Aufklärung - sicherlich auch in diesem Sinne der Öffentlichkeit - dankbar bin, möchte ich Sie doch fragen, ob sich eine Zunahme innerhalb von vier Jahren um 10 Milliarden DM für denselben Komplex noch mit einer sparsamen Finanz- und Personalverwaltung vereinbaren läßt.
Herr Abgeordneter Kiechle, wir sind uns, was die Sorge hinsichtlich der Zunahme der Personalausgaben angeht, in diesem Hohen Hause sicher alle einig, gleich auf welcher Seite wir in diesem Hause sitzen. Nur müssen wir dabei folgendes berücksichtigen. Erstens gibt es eine generelle Lohnentwicklung. Ich will hier gar nicht irgendeine Seite des Hauses zitieren, wie sie zu dieser Lohnentwicklung steht. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist allerdings, daß diese Bundesregierung, insbesondere seit 1969, den Versuch gemacht hat, der Stellenvermehrung im wesentlichen Einhalt zu gebieten. Sie hat auch beschlossen, daß Stellen eingespart werden, z. B. 1973 2000 - was erfüllt worden ist - und 1974 1400; wir müssen sehen, ob wir das erfüllen. Ich weiß - ich sage das, damit wir uns hier nicht polemisch auseinandersetzen müssen -, daß dem eine Zunahme gegenübersteht, aber am Schluß sollte plus minus Null stehen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß es sehr schwierig sein wird, diese Tendenz, die wir von 1969 bis heute durchgehalten haben, auch für längere Sicht durchzuhalten. Denn dieses Hohe Haus beschließt laufend neue Gesetze - mit Recht -, und für die neuen Aufgaben ist natürlich dann auch das entsprechende Personal notwendig.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist bei Ihren Ausgangszahlen, die Sie mir nannten -163 -, als Zeitpunkt, von dem Sie ausgingen, etwa der 31. Dezember 1969 oder ist als Zeitpunkt, sagen wir mal, der 1. September 1969 zugrunde gelegt?
Es ist das Haushaltsjahr zugrunde gelegt.
Sie haben eine letzte Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, treffen die in der Zeitschrift „Quick" genannten Zahlen, und zwar sowohl die absoluten wie die in Prozenten angegebenen Werte, zu, soweit sie die Einzelministerien betreffen, vom Bundeskanzleramt bis zum letzten Ministerium?
Herr Abgeordneter, ich hatte am Anfang meiner Beantwortung Ihrer Frage gesagt, daß sie nicht zutreffen. Zu dem stehe ich auch jetzt noch.
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Herr Kollege Kiechle, Sie haben keine weiteren Zusatzfragen mehr.
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Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Müller ({1}) konnte gar nicht so schnell an das Mikrofon kommen, wie ich gefragt hatte; ich hatte ihn übersehen. Ich muß die Frage nun erneut aufrufen - Frage 58 -:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, Bauherren mit zuteilungsreifen Bausparverträgen bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze entsprechende Zinsverbilligungen für Hypothekendarlehen einzuräumen, damit auch durch private Bauaufträge der Bauwirtschaft geholfen werden kann?
Herr Kollege Müller, die Bundesregierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Stützung der Baunachfrage beschlossen. Sie erwägt deshalb nicht, privaten Bauherren mit zuteilungsreifen Bausparverträgen bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze Zinsverbilligungen für Hypothekendarlehen einzuräumen.
Keine Zusatzfragen. Ich rufe Frage 61 des Abgeordneten Lenzer auf:
Welche gesetzgeberischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um - ähnlich den Sozialversicherungsrenten - auch für Einkünfte aus zum Zweck der Alterssicherung angelegten Kapitalvermögen eine Niveausicherung und Anpassung an die veränderten Lebenshaltungskosten zu gewährleisten?
Herr Abgeordneter Lenzer, die Bundesregierung sieht keine gesetzgeberische Möglichkeit zur Einführung einer Niveausicherung für Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Alterssicherung. Eine solche gesetzgeberische Initiative würde die Aufgabe des Nominalwertprinzips und die Einführung von Indexklauseln bedeuten.
Nach den bisherigen Erfahrungen im Ausland mit Indexklauseln führen derartige Anpassungsmaßnahmen eher zu höheren Preissteigerungen. Im übrigen wäre eine Begrenzung auf bestimmte Sparerschichten weder möglich noch sozial gerechtfertigt.
Zu Ihrem Vergleich mit der Sozialversicherungsrente möchte ich darauf hinweisen, daß seit der Rentenreform, die dieses Hohe Haus beschlossen hat, jedermann die Möglichkeit hat, sich gegen entsprechende Beitragszahlung in der Sozialversicherung zu versichern.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie die augenblicklich bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten für den betroffenen Personenkreis als ausreichend erachten?
Herr Kollege, wir sind uns der Schwierigkeit dieses Problems in der Bundesregierung absolut bewußt. Aber ich meine, daß die Lösung der Frage, ,die Sie gestellt haben, nicht in der Einführung von Indexklauseln bestehen kann, sondern daß die Maßnahmen der Bundesregierung darin bestehen müssen, den Preisauftrieb zu bekämpfen. Dazu hat das Hohe Haus eine ganze Reihe von Maßnahmen auf Grund des Vorschlages der Bundesregierung beschlossen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß aus der Fachwelt gerade zu diesem Thema „Indexklauseln" eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet worden sind, und wie stehen Sie zu diesen Vorschlägen?
Dieses ist der Bundesregierung nicht nur bekannt, sondern, Herr Abgeordneter, Sie dürfen sich darauf verlassen, daß die Bundesregierung dieses Problem sehr ernst nimmt. Wir im Bundesfinanzministerium sind z. B. in einer Klausurtagung mit einem - ich möchte fast sagen: angeballten - Sachverstand der Frage nachgegangen, wie man dies in den Griff bekommen kann. Aber die eindeutige Antwort aller, die dort vertreten waren - und dies waren Vertreter nicht einer politischen Richtung, ,sondern aller politischen Richtungen -, hat uns erneut zu der Auffassung gebracht, daß es nicht möglich ist, diesen Dingen mit Indexklauseln zu begegnen.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. Nölling auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Absicht zahlreicher Versicherungsunternehmen, sich vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen für die verbundene Hausratsversicherung
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Summenanpassungsklauseln genehmigen zu lassen, die eine automatische Steigerung der Versicherungssumme im Ausmaß der Erhöhung des Preisindex für Hausrat bewirken würden?
Herr Kollege Nölling, in der Fragestunde am 20. Februar hatte ich auf eine Anfrage des Kollegen Buschfort bereits klargestellt, daß eine Genehmigung von Prämienanpassungsklauseln auf Grund von Preisindizes durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen nicht in Betracht kommt. Entsprechendes gilt auch für die heute angesprochenen Summenanpassungsklauseln in der verbundenen Hausratsversicherung.
Dem Bundesaufsichtsamt liegen zwar Anträge mehrerer Versicherer auf Genehmigung von Klauseln vor, nach denen die Versicherungssumme in der verbundenen Hausratsversicherung jeweils zum Beginn des neuen Versicherungsjahres auf Grund eines Preisindex automatisch angepaßt werden soll. Das Bundesaufsichtsamt hat gegen diese Anträge jedoch Bedenken erhoben. Die Anträge werden daher zur Zeit von den Versicherern nicht weiter verfolgt.
Keine Zusatzfragen. - Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Hermsdorf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 63 auf, die von dem Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) eingebracht ist. - Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Stücklen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Ist der Bundesregierung die Monopolisierung des Kalimarkts in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere nach Erstellung des Gutachtens über die Wettbewerbssituation in der Düngemittelindustrie, bekannt, besteht der Verdacht, daß dieses Monopol auf Grund unerlaubter Handlungen zustande gekommen ist, und wie lange will die Bundesregierung dies gegebenenfalls hinnehmen?
Herr Abgeordneter, die Marktbeherrschung der Kali und Salz AG auf dem Kalimarkt ist der Bundesregierung bekannt. Da die Fusionskontrolle durch die Kartellnovelle erst im letzten Jahr eingeführt worden ist, hatte das Bundeskartellamt keine rechtliche Handhabe, bereits die Entstehung dieser marktbeherrschenden Stellung zu verhindern.
Anhaltspunkte dafür, daß diese Stellung auf Grund unerlaubter Handlungen zustande gekommen ist, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Das Bundeskartellamt wird aber darauf achten, daß diese marktbeherrschende Stellung nicht mißbraucht wird.
Eine Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung, Herr Staatssekretär, die Aussage eines führenden Wirtschaftlers anläßlich eines Hearings bekannt, nach der ein Konzern mehr als 80 % des Rohstoffs Kali der Bundesrepublik beherrscht?
Zwar nicht die Äußerung, aber die Tatsache als solche ist der Bundesregierung bekannt.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung nicht auch in der Monopolisierung dieses Marktes eine besondere Gefahr für den deutschen landwirtschaftlichen Düngemittelmarkt hinsichtlich der Preisgestaltung?
Diese Gefahr besteht selbstverständlich. Aber das Bundeskartellamt ist beauftragt, gerade solche etwaigen Mißbräuche zu unterbinden. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, daß hier Mißbräuche vorliegen, sonst würden wir unverzüglich einschreiten, und es ist Aufgabe des Bundeskartellamts, etwa entsprechenden Hinweisen nachzugehen.
Die Fragen 66 und 67 des Herrn Abgeordneten Niegel werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Dr. Kreutzmann auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, die Gewährung von zinsgünstigen Krediten an Staaten des östlichen Lagers stellten versteckte Reparationszahlungen dar?
Herr Kollege, diese Frage stellt sich nicht, da die Bundesregierung entgegen manchen Spekulationen nicht die Absicht hat, zugunsten
von Staatshandelsländern Exportzinssubventionen zu gewähren. Wären im übrigen solche zinsgünstigen Kredite Reparationen, würden die USA, England, Frankreich und andere westliche Industrienationen Reparationen an Staatshandelsländer zahlen. Denn diese Länder gewähren ja - im Gegensatz zu uns - zinsgünstige Kredite nicht nur an Staatshandelsländer, sondern auch an andere Abnehmerländer.
Mit einer Ausnahme ist auch in Zukunft von uns nicht beabsichtigt, zinsgünstige Kredite zu gewähren. Diese Ausnahme betrifft Polen, wo wir einen einmaligen Kredit angeboten haben, der den Besonderheiten unserer beiderseitigen Beziehungen Rechnung tragen soll. Dieser Kredit soll die Wirtschaftskraft dieses Landes so stärken, daß auf polnischer Seite die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die beiderseits erwünschte Intensivierung der Zusammenarbeit beider Volkswirtschaften und zugleich für die Lösung der zwischen beiden Staaten bestehenden Probleme verbessert werden. Die Verhandlungen über die Konditionen dieses Kredits sind noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, sind die Kreditkonditionen der Bundesrepublik mit denen vergleichbar, die andere westeuropäische Staaten im Osthandel gewähren?
Ich kann Ihnen darauf leider keine definitiv gültige Antwort geben, weil die Kreditkonditionen außerordentlich variieren und weil, wie Sie wissen, durch die Stabilitätspolitik der Regierung und der Bundesbank im Augenblick das Zinsniveau bei uns sehr hoch ist. Aber das ändert sich von Fall zu Fall, so daß hier keine allgemeingültigen Vergleiche gezogen werden können.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Dollinger ist nicht im Saal. Seine Frage - es ist die Frage 69 - wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber auf. - Der Fragesteller ist ebenfalls nicht im Saal, so daß auch diese Frage, Herr Staatssekretär, schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft beantwortet.
Ich rufe noch den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann zur Verfügung.
Die erste Frage ist von dem Herrn Abgeordneten Sauter ({0}) eingereicht worden - es ist die Frage 71 -:
Stehen die nach dem „Ernährungssicherstellungsgesetz" vorgeschriebenen Reserven an Grundnahrungsmitteln jederzeit in vollem Umfang zur Verfügung, und gibt es in der EG Bestrebungen, eine entsprechende Vorratshaltung für Krisensituationen einzuführen?
Herr Kollege Sauter, nicht nach dem Ernährungssicherstellungsgesetz, sondern auf Grund von Empfehlungen der NATO und Beschlüssen der Bundesregierung hält der Bund Vorräte an Lebensmitteln für die Sicherung der Ernährung in Notzeiten. Das ist die sogenannte zivile Verteidigungsreserve. Das Verfügungsrecht über diese Vorräte liegt beim Bund. Sie stehen daher jederzeit und in vollem Umfang zur Verfügung. In Ergänzung zur zivilen Verteididungsreserve wird noch eine nationale Sicherheitsreserve an Getreide gehalten, über die der Bund ebenfalls verfügt.
Neben diesen ausschließlich der Ernährungssicherung in Krisenzeiten dienenden Vorräten gibt es noch die auf Grund der EG-Marktordnungen zu haltenden Interventionsreserven. Über diese Bestände hat die EG-Kommission das alleinige Verfügungsrecht. Daher ist nicht die Gewähr gegeben, daß die Interventionsbestände ständig und in gleichbleibender Höhe zur Verfügung stehen. Es ist nicht bekannt, daß es in der EG Bestrebungen gibt, eine Vorratshaltung für Krisensituationen einzuführen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, werden solche Vorräte, die in der EG und in der Bundesrepublik gehalten werden, dazu verwendet, um Hungerkatastrophen in Entwicklungsländern zu begegnen, und ist bejahendenfalls gewährleistet, daß diese Bestände kurzfristig wieder aufgefüllt werden?
Von besonderen Ausnahmefällen, z. B. Aushilfen bei Naturkatastrophen, abgesehen, sind diese Bestände an sich nicht dafür bestimmt, Entwicklungshilfelieferungen zu ermöglichen, sondern sie stehen tatsächlich für Krisenfälle zur Verfügung.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie steht es mit der Bevorratung für Krisensituationen kurz vor der Ernte? Ist es nicht so, daß dann die Lagerbestände ziemlich geleert sind und daß, wenn dann eine Katastrophe einträte, keine Vorräte mehr zur Verfügung stünden?
Herr Kollege, es ist sichergestellt, daß die Vorräte der zivilen Verteidigungsreserve auch kurz vor einer Ernte in vollem Umfang zur Verfügung stehen, um die gesamte Bevölkerung zwei Wochen lang mit den täglichen Mahlzeiten zu versorgen.
Meine Damen und Herren, mit der Beantwortung dieser Frage stehen wir am Ende der Fragestunde. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann, ich danke Ihnen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 21. März, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.