Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 17. Januar 1974 vorgeschlagen, im Vermittlungsausschuß den Kollegen Offergeld zum Stellvertreter des Kollegen Dürr und den Kollegen Dr. Schellenberg zum Stellvertreter des Kollegen Dr. h. c. Dr.Ing. E. h. Möller zu bestellen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen und der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen haben mit Schreiben vom 17. Januar 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Schröder ({0}), Haase ({1}), Möller ({2}), Dr. Sprung und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zahlungen an die „DDR" und die anderen Ostblockstaaten sowie Warenaustausch mit der „DDR" und den anderen Ostblockstaaten in den Jahren 1970 bis 1973 - Drucksache 7/1458 - beantwortet. Ihr Schreiben wird als Drucksache 7/1554 verteilt.
Ich rufe Punkt 5 der verbundenen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes
- Drucksache 7/308
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1542 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens
({4})
b) Bericht und Antrag ,des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({5})
- Drucksachen 7/1467, 7/1511 - Berichterstatter: Abgeordneter Christ ({6})
Ich frage zunächst, ob die Herren Berichterstatter zu einer Ergänzung ihrer Berichte das Wort wünschen. - Das ist nicht der Fall. Ich danke Ihnen, meine Herren Berichterstatter, und schlage vor, daß wir in die zweite Beratung eintreten. - Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf der Drucksache 7/1541 vor. Das Wort hat zur Begründung des Antrags der Herr Abgeordnete Geisenhofer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundessozialhilfegesetz, 1961 unter Federführung der Unionsparteien aus dem Fürsorgerecht entwickelt, ist für 1,7 Millionen Hilfeempfänger, die, aus welchen Gründen auch immer, die Leistungen nach diesem Gesetz in Anspruch nehmen müssen, von entscheidender Bedeutung, um ein menschenwürdiges Dasein führen zu können. Wir danken den Trägern der Sozialhilfe, den Sozialämtern, den Kirchen, dem Roten Kreuz und auch den Wohlfahrtsverbänden für die segensreiche Tätigkeit auf diesem Gebiet.
Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes beinhaltet eine Reihe von. Verbesserungen gegenüber dem geltenden Recht, die auch wir anerkennen. Die CDU/CSU-Fraktion anerkennt, daß von ihren Anträgen drei von der Ausschußmehrheit übernommen wurden, bedauert aber die Ablehnung der übrigen. Wir freuen uns, daß die Ausbildungshilfe nach § 32 auf Grund eines CDU/CSU-Antrages nicht erst dann gewährt wird, -
Herr Kollege Geisenhofer, entschuldigen Sie, wenn ich Sie hier doch einmal unterbreche. Ich habe das Gefühl, Sie sind bereits bei einer allgemeinen Stellungnahme. Zunächst hatte ich die Änderungsanträge aufgerufen und gefragt, oh Sie dazu zur Begründung das Wort wünschen. Daraufhin haben Sie das Wort ergriffen. Wollen Sie nun die Änderungsanträge begründen oder wollen Sie insgesamt Stellung nehmen?
Ich möchte, Herr Präsident, wenn Sie einverstanden sind, die Begründung vornehmen und insgesamt die Thematik ansprechen. In zehn Minuten bin ich fertig.
Dann muß ich geschäftsordnungsmäßig etwas anders vorgehen. Ich gehe davon aus, daß eine Aussprache zusätzlich vor den Erklärungen der Fraktionen vor der zweiten und dritten Beratung erfolgen soll.
Ich darf jetzt also weitermachen?
Wir treten also jetzt in eine allgemeine Aussprache ein. So können wir die Sache reparieren. Bitte!
Wir haben erreicht. - das anerkennen wir dankbar -, daß nunmehr auch bei der Ausbildungshilfe Leistungen nicht erst dann gewährt werden, wenn die Leistungen über dem Durchschnitt liegen, sondern wenn der Auszubildende nach seinen Fähigkeiten und Leistungen für den Besuch der Schule geeignet ist. Das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Vorlage.
Ferner hat der CDU/CSU-Antrag, § 75 Abs. 2 so zu ergänzen, daß auch die Hilfe für die Inanspruchnahme altersgerechter Dienste berücksichtigt wird, ebenso Eingang in das Gesetz gefunden wie unser Antrag, bei § 81 die Anwendung der besonderen Einkommensgrenze auch für Langzeitpflegefälle in Anstalten usw. wirksam werden zu lassen, wie das auch der Bundesrat gefordert hat.
Wir anerkennen ferner, daß unsere Forderung zu § 76, nämlich durch Rechtsverordnung die Pauschbeträge der Arbeitseinkommen um 10 DM zu erhöhen, in einer gemeinsamen Entschließung des Ausschusses übernommen wurde. In der gleichen Entschließung ist auch der CDU/CSU-Antrag zu § 88 Abs. 2, durch Rechtsverordnung die Erhöhung der anrechnungsfreien Barbeträge bei laufendem Lebensunterhalt sowie in besonderen Lebenslagen an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen, aufgenommen worden.
Die Ablehnung der Hilfe für alte Menschen, weil beispielsweise ein Sparkonto von 1 600 oder 1 800 DM vorhanden ist, wird zu Recht als eine große Härte empfunden. Darüber hinaus begrüßen wir die sonstigen Verbesserungen, die durch den Ausschuß vorgenommen wurden, vor allem aber die Einführung einer Generalklausel für Behinderte sowie die Regelung über die Altersversorgung von Pflegepersonen und die Nachversicherung von Pflegepersonal in der Rentenversicherung.
Die fortschreitende Einkommensaufzehrung und zunehmende Inflationsrate erfordert jedoch weitere Verbesserungsmaßnahmen. Die CDU/CSU sah es als dringend notwendig an, für die Blindenhilfe eine einheitliche Regelung bezüglich Nichtanrechnung von Einkommen zu schaffen, weil in den einzelnen Ländern unterschiedliche Regelungen bestehen. Dieses Anliegen konnte leider nicht durchgesetzt werden.
Wir bedauern vor allem, daß unser Antrag, Leistungen der Sozialhilfe an Behinderte nicht vom Einsatz vermögenswirksamer Leistungen abhängig zu machen, keine Mehrheit gefunden hat. Gerade dieses Anliegen ist für die Eltern von Behinderten von großer Bedeutung; denn welchen Sinn soll es haben, wenn mühsam abgesparte Beiträge von der Sozialhilfe dann wieder vereinnahmt werden?
Daß die besondere Einkommensgrenze lediglich auf 700 und nicht auf 750 DM, wie das der CDU/ CSU-Antrag vorsah, angehoben wurde, entspricht keinesfalls der in den letzten Jahren eingetretenen Verteuerung der Lebenshaltungskosten. Leider war es nicht möglich, einen allgemeinen Rentenfreibetrag und Einkommensfreibetrag durchzusetzen, was zur Folge hat, daß Renten, Pensionen, Einkommenserhöhungen für Sozialhilfeempfänger auch weiterhin unwirksam bleiben.
Die bei § 22 Abs. 3 vorgesehene Regelung, derzufolge notwendig werdende Neufestsetzungen der Regelsätze zu dem Zeitpunkt vorzunehmen sind, von dem an Rentenerhöhungen auf die Leistungen nach diesem Gesetz anzurechnen sind, beseitigt diese Härte leider nicht. Im Gegenteil: Der Gesetzentwurf ändert nichts daran, daß auch in Zukunft alle laufenden Rentenbeträge, Pensionen, Rentenerhöhungen usw. vereinnahmt werden.
Dank der Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion bei der zweiten großen Rentenreform im Jahre 1972 sind die Renten für Kleinrentner, die 25 Jahre und länger versicherungspflichtig tätig waren, ab 1. Januar 1973 wesentlich angehoben worden. Viele Kleinrentner sind durch diese grolle Rentenanhebung aus der Sozialhilfe entlassen worden, wo sie auch gar nicht hingehört haben.
Aber während für diese und für alle Rentner außerhalb der Sozialhilfe jede Rentenerhöhung wirksam wird, werden für Rentner und sonstige Einkommensbezieher in der Sozialhilfe diese Renten- und Einkommenserhöhungen nicht wirksam, weil sie verrechnet werden. Monatsrenten von 300 und mehr DM, die in 20 Jahren harter Arbeit erworben wurden, gehen ohne Gegenleistung in der Sozialhilfe unter. Selbstverständlich müssen wir darauf achten, daß sich bei unseren 'Bemühungen, verstärkt zu helfen, diese Hilfe nicht auf einen Personenkreis konzentriert, der diese Hilfe nicht verdient, sondern auf jene, die diese Hilfe soweit als möglich auch als Hilfe zur Selbsthilfe verwenden und anerkennen. Daraus folgern wir von der CDU/CSU-Fraktion, daß jahrelange Einkommens- und Altersvorsorgebemühungen nicht bestraft, sondern in der Sozialhilfe auch honoriert werden müßten. Dies um so mehr, als wegen der inflationären Entwicklung auch die Aktiveinkommen kinderreicher Familien unter die Sozialhilfesätze abgesunken sind.
Als völlig sinnlos muß auch die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen von oder für Personen angesehen werden, die trotzdem Sozialhilfeempfänger bleiben oder werden. Während die Nachentrichtung von Beiträgen 17 Jahre zurück bis zum Jahre 1956 für Nichtsozialhilfeempfänger eine durchaus rentable Sache sein kann, bringt eine Nachentrichtung von beispielsweise 15 000 DM und auch eine laufende Zahlung unter 100 DM keine Erhöhung der Sozialhilfeleistungen, weil das Mehr
auf der einen Seite durch die Sozialhilfe auf der anderen Seite wieder vermindert wird.
Die gleiche Enttäuschung erleben die Eltern bei der Aufwendung vermögenswirksamer Leistungen
was ich schon angesprochen habe - sowie bei der Beitragszahlung und laufenden Zahlung für geistig und körperlich behinderte Kinder, falls die Beiträge überhaupt Rechtens entrichtet wurden. Sind sie nicht Rechtens entrichtet worden, weil der Betreffende zum Zeitpunkt der Nachzahlung bereits erwerbsunfähig war, was in vielen Fällen erst bei der Rentenantragstellung festgestellt wird, ergibt sich überhaupt keine Leistung. Zwar wird nach dem zu erwartenden Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter für jene Behinderten eine Verbesserung erreicht, die 20 Jahre und länger sozialversichert waren und sind; es ist jedoch zu befürchten - ich sage das mit Nachdruck und mit Sorge -, daß auch diese Renten die Sozialhilfeschwelle nicht übersteigen werden, so daß auch diese Vorsorge letztlich zwecklos bleiben wird.
Besonders hart aber werden mittlere Einkommensbezieher und Kleinrentner in Altersheimen und Anstalten betroffen. Gerade in den letzten Jahren sind als Folge der davongelaufenen Personal- und Verwaltungskosten die Altenheimpflegesätze stark angestiegen. Die Schere zwischen Renten und sonstigen Einkommen einerseits und Heimkosten andererseits öffnet sich immer mehr. Die Einnahmen der alten Menschen halten mit den ständigen Preissteigerungen nicht mehr Schritt. Damit wird der
) Personenkreis, der die Heimkosten aus Renten, Pensionen und sonstigen Einkommen nicht mehr selber bestreiten kann, von Jahr zu Jahr größer. Es ist bezeichnend: Heute reicht die Pension eines Studienrats in Höhe von monatlich 1200 DM nicht mehr aus, um die Heimpflegekosten für sich und seine Frau aufzubringen. Diese Menschen sind betroffen, denn alles, was sie an Altersvorsorge in ihrem Arbeitsleben getan haben, fällt bei der Sozialhilfe unter den Tisch.
Ich komme jetzt zu dem größten Anliegen, das der Antrag, der Ihnen auf der Drucksache 7/1541 unter Ziffer 1 vorliegt, bereinigen helfen soll. Um wenigstens den am härtesten betroffenen Heiminsassen zu helfen, stellt die CDU/CSU-Fraktion den im Ausschuß abgelehnten Antrag erneut hier im Plenum. Nach diesem Antrag ist nach § 76 ein § 76 a des Inhalts einzufügen, daß bei der Hilfe zum Lebensunterhalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung 25 % des Einkommens, höchstens jedoch 20 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes außer Betracht bleiben. Das ist, in Geld umgerechnet, ein Einkommens- und Rentenfreibetrag von monatlich 50 DM, und zwar zusätzlich zu dem bereits gewährten Taschengeld.
Die gleiche Regelung ist in § 85 Nr. 3 notwendig, weil auch der Freibetrag in besonderen Lebenslagen zu gewähren ist.
Meine Damen und Herren, Hamburg und Berlin sollten uns ein Beispiel sein; denn dort werden bereits Einkommensfreibeträge in Heimen gewährt. Wir bedauern, daß wir uns aus finanziellen Gründen auf den bescheidenen Ileimfreibetrag beschran- ken müssen, nachdem dieser bereits Mehrkosten von über 100 Millionen DM verursacht. Selbstverständlich sind uns die finanziellen Schwierigkeiten der Sozialhilfeträger bekannt. Auch der Bundesrat fordert die Übernahme von Lasten auf den Bund oder einen verbesserten Länderfinanzausgleich.
Wir haben im Ausschuß auf die Notwendigkeit einer Aufgabenentlastung der Sozialhilfeträger hingewiesen. Die Herauslösung der Behindertenfürsorge aus der Sozialhilfe und die Schaffung eines eigenen Leistungsgesetzes wären eine solche Entlastung. Kollege Burger wird anschließend auf die Kostenfrage und auf dieses Problem noch eingehen.
Wir werden - das darf ich mit Nachdruck sagen - die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen, und wir behalten uns vor, unseren Gesetzentwurf vom Jahre 1971 - Schaffung eines allgemeinen Einkommensfreibetrages von monatlich 100 DM außerhalb von Heimen und Anstalten - gegebenenfalls hier in diesem Flohen Hause wieder einzubringen.
Abschließend darf ich zusammenfassend feststellen: Dieser hier angesprochene Härtebereich ist dringend reformbedürftig. Es wäre unverantwortlich, zehntausende sozial schwache Personen, die sich die Beiträge für ihre Renten und andere Vorsorgebeträge vom Munde abgespart haben, im unklaren darüber zu lassen, daß sie dafür keinerlei Unterhaltsverbesserungen aus der Sozialhilfe empfangen können. Wir dürfen nicht diese Illusion nähren, wenn die Wirklichkeit in Wahrheit ganz anders ist. Entweder wir schaffen den von der CDU/CSU vorgeschlagenen Renten- und Einkommensfreibetrag und honorieren wenigstens einen Teil der Eigenvorsorge, oder aber wir müssen diesem Personenkreis rechtzeitig sagen, daß den Betreffenden ihre mühevolle Altersvorsorge wegen ihrer kleinen Einkommen und ihrer späteren Kleinrente nichts, aber auch gar nichts hilft. Das Treibenlassen, um ein Prinzip oder System nicht verändern zu müssen, erhöht die Zahl der Benachteiligten und Verbitterten in unserer Wohlstandsgesellschaft von Jahr zu Jahr.
Die CDU/CSU-Fraktion hat im Ausschuß dem Gesetzentwurf zugestimmt, weil sie die beachtlichen Leistungsverbesserungen anerkennt. Sie stimmt dem Gesetz auch hier im Plenum zu. Wir bitten aber vor allem die Kollegen der SPD und der FDP, unserem berechtigten und dringenden Antrag den ich, glaube ich, eingehend begründet habe - ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Da eine kritische Überprüfung der Vorbereitung und des Ablaufs der Debatte hier nicht sinnvoll ist, betrachte ich die Anträge als in der allgemeinen Aussprache begründet.
Das Wort hat der Herr Kollege Zeitler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche für die Koalitionsfraktionen
und sage, daß wir es begrüßen, daß der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes heute, nachdem er am 22. März 1973 in die Beratungen des Bundestages eingebracht worden ist, nun endlich entschieden wird, weil dieses Gesetz im Bundessozialhilfegesetz geregelte Rechte der öffentlichen Fürsorge an die allgemeine wirtschaftliche und soziale Entwicklung anpaßt; weil es sich an Schwerpunkten orientiert, die sich in der Praxis der Sozialhilfe als verbesserungsbedürftig erwiesen haben, und weil es das Sozialhilferecht auch weiterentwickelt, indem es neue Erkenntnisse einbezieht.
Freimütig sage ich, daß dieses Gesetz nicht alle Wünsche erfüllt, die an die Novelle gestellt wurden. Eine Reihe von Organisationen und Verbänden hatten weitergehende Forderungen. Weitergehende Wünsche hatten schließlich wir, die Koalitionsfraktionen, auch selbst. Wir mußten weitergehende Vorstellungen zurückstellen im Wissen, daß wir mit dieser Novelle nur einen Schritt weiter auf dem Wege zum Ausbau eines allen Ansprüchen gerecht werdenden sozialen Hilfesystems tun konnten, weil wir in unsere Überlegungen immer die prekäre Finanzlage von Ländern und Gemeinden, die ja in der Hauptsache Träger der Sozialhilfe sind, einzubeziehen hatten. Diese bedrängte Finanzlage wurde uns durch die Äußerungen des Bundesrates deutlich. Aber auch wir alle, meine Damen und Herren, wissen aus dem Kontakt zu den kommunalen Räten zu Hause, wie es dort aussieht.
Der Entwurf, wie er mit Drucksache 7/308 eingebracht wurde, weist zusätzliche jährliche Kosten von insgesamt ca. 170 Millionen DM aus, wovon die Länder und Gemeinden allein jährlich etwa 160 Millionen DM aufzubringen gehabt hätten. Durch Initiativen der Koalitionsfraktionen in der Ausschußberatung hat sich nun der zusätzliche jährliche Finanzbedarf auf fast 220 Millionen DM gesteigert; davon werden Länder und Gemeinden etwa 200 Millionen DM aufzubringen haben. Wir hatten zu fragen, ob wir diesen Mehrbedarf Ländern und Gemeinden zumuten wollten; es ist eine beachtliche, zusätzliche Bürde. Wir hielten dies für angemessen, und wir hielten es auch für tragbar, auch deshalb, weil wir wußten, daß bei den Trägern der Sozialhilfe Einsparungen dadurch erzielt werden, daß andere Maßnahmen sie begünstigen, z. B. die Ausbildungsförderung, die Rentenanpassungen, das Arbeitsförderungsgesetz, die Übernahme von Rehabilitationsleistungen durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung oder auch das in der Beratung stehende Schwerbeschädigtenrecht.
Auch die Opposition hat - in den Ausschußberatungen übrigens auch wörtlich ausgedrückt - erkannt, daß die gegenwärtige wirtschaftliche Situation und die Haushaltslagen eine gleichzeitige und sofortige Einführung aller denkbaren Verbesserungen nicht zuließen. Gleichwohl stellte sie im Ausschuß eine Reihe von Anträgen, die den mit diesem Gesetzentwurf verbundenen Finanzbedarf um ein Vielfaches vermehrt und zudem auch am System - der Sozialhilfe gerüttelt hätten.
Übriggeblieben für die heutige Beratung sind davon zwei Änderungsbegehren: einen neuen § 76 a einzufügen und den § 85 Abs. 3 zu ändern; mit ihnen haben wir es hier zu tun. Diese Begehren finden Sie auf Drucksache 7/1541. Die Koalitionsfraktionen lehnen den Änderungsantrag - wie im Ausschuß - insgesamt ab. Dazu unsere Begründungen:
Wir sind davon überzeugt, daß der Mehrbedarf aus der Neueinfügung eines § 76 a - er wird mit 20 Millionen DM geschätzt - und aus der Änderung des § 85 Abs. 3 - der geschätzte Mehrbedarf liegt hier bei etwa 100 Millionen DM -, das ist also insgesamt ein durch diesen Änderungsantrag der CDU/CSU bewirkter Mehrbedarf von 120 Millionen DM, nun tatsächlich die finanziellen Möglichkeiten der Träger überfordert. Die Änderungen sollen die Freistellung bestimmter Einkommensteile von 'der Anrechnung in der Sozialhilfe bewirken - sie wollen wohl auch den Weg zu Leistungen in der Sozialhilfe ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen bereiten -, wie Herr Geisenhofer soeben in seinen Ausführungen hier auch deutlich gemacht hat.
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Die Koalitionsfraktionen können da nicht mitgehen, weil Ihr Begehren, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, mit dem Wesen und den Aufgaben der Sozialhilfe nicht in Einklang zu bringen ist.
Die Änderung des § 76 a will folgendes bewirken: Befindet sich jemand in einem Heim oder in einer Anstalt und trägt die Sozialhilfe in der Form der Hilfe zum Lebensunterhalt zu den Kosten des Aufenthalts bei., so soll nach den Vorstellungen der Opposition bei der Bemessung der Sozialhilfe sein Teil des Einkommens künftig außer 'Betracht bleiben. Daß bei voller Inanspruchnahme der Einkünfte die Heiminsassen 'derzeit ein Taschengeld - in der Regel von etwa 50 'bis 70 ,DM - bei Deckung des üblichen Lebensbedarfs erhalten, soll also dabei verändert werden.
({1})
Im System der Sozialhilfe gelten grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert als zu berücksichtigendes Einkommen. Das trifft vor allem auch auf die zur Deckung des Lebensbedarfs dienenden Einkünfte zu, insbesondere auf Erwerbseinkünfte, Renten und sonstige Versorgungsbezüge. Die aus allgemeinen öffentlichen Mitteln aufzubringende Sozialhilfe setzt nur dann ein, wenn ein Bedarf tatsächlich besteht. Dies ist bei Geldleistungen nicht der Fall, soweit der Hilfesuchende über ein eigenes Einkommen verfügt. Dieser dem Fürsorge-
bzw. dem Sozialhilferecht seit jeher eigene und auch von der Rechtsprechung stets hervorgehobene Grundsatz des Nachrangs würde bei Freilassung von Rententeilen oder sonstigen Einkommensteilen ohne zwingenden Grund durchbrochen.
Die Annahme des Vorschlags - Herr Geisenhofer hat sich soeben in dieser Richtung ausgesprochen - würde zudem die Wiedereinführung der im alten Fürsorgerecht enthalten gewesenen sogenannten gehobenen Gruppenfürsorge bedeuten. Sie ist
vom Bundestag bereits 1953 beseitigt und durch die Anerkennung von Mehrbedarfszuschlägen zugunsten aller in gleicher Lage befindlichen Hilfebedürftigen ersetzt worden.
Die CDU/CSU hat seinerzeit als Begründung für einen in der 6. Legislaturperiode eingebrachten Antrag mit der gleichen Zielsetzung und hat auch heute wieder, Herr Geisenhofer, auf die angebliche Notwendigkeit der Besserstellung von Personen hingewiesen, „die viele Jahre gearbeitet und Beiträge zur Sozialversicherung geleistet haben". Diese Argumentationsweise ist nicht gerechtfertigt. Eine solche Besserstellung bedeutete zugleich wiederum eine Benachteiligung solcher Personen, die in einer anderen Form für ihr Alter vorgesorgt haben, die aber aus dieser Altersvorsorge heute deshalb keine Einkünfte beziehen, weil Krieg, Kriegsfolgen oder andere Schicksalsschläge diese Vorsorge zunichte gemacht haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß ich in meinen Ausführungen genau erklärt habe, daß es sich nicht nur um Renten- und Pensionsfreibeträge, sondern um generelle Einkommensfreibeträge handeln muß?
Das ist mir nicht entgangen. Sie haben aber in der Hauptsache argumentiert, es sei doch schlimm, daß jemand, der für sein Alter vorgesorgt habe, nun bei Rentenerhöhungen davon nichts habe außer dem Taschengeld, das heute gezahlt werde.
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- Ich versuche Ihnen aber im Augenblick klarzumachen, daß es eine ganze Reihe von Menschen in unserem Lande gibt, die Altersvorsorge betrieben haben, deren Bemühungen um eine solche Vorsorge aber durch Krieg, Kriegsfolgen und andere Schicksalsschläge zunichte gemacht wurden, so daß sie heute gezwungen sind, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Nun meine ich, Ihr Begehren widerspricht dem Wesen einer von jeder Kausalität gelösten und nur auf die Behebung einer echten Notlage ausgerichteten Sozialhilfe, wie Sie es ja auch bei der Abfassung dieses Gesetzes gewollt haben. Bestimmte Gruppen von Hilfeempfängern vor anderen Gruppen zu bevorzugen, wäre nach Meinung der Koalitionsfraktionen ein Verstoß gegen die soziale Gerechtigkeit.
Die verlangte Änderung des § 85 Abs. 3 hat das gleiche zum Ziel. Die Koalitionsfraktionen lehnen aus den eben dargelegten Gründen auch diese Änderung ab.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf in der Form des Antrages des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, Drucksache 7/1467, bringt eine ganze Menge Verbesserungen, bringt aber eben nur das, was angesichts der dargestellten Zwänge zur Zeit herauszuholen war. Mit dieser Einschränkung stimmen die Koalitionsfraktionen dem Gesetzentwurf dennoch gerne zu.
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Meine Damen und Herren, damit sind in der allgemeinen Aussprache gleichzeitig die Änderungsanträge auf Drucksache 7/1541 begründet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag unter Ziffer 1 auf Drucksache 7/1541. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag unter Ziffer 2 auf Drucksache 7/1541. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 in der Fassung des Ausschußantrages. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. - Wer dem in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes nach sehr langwierigen Arbeiten heute endlich verabschiedet werden kann, nachdem fast elf Monate verstrichen sind, seitdem die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Bundesrat zugeleitet hat.
Inzwischen ist das Reformwerk im Bundesrat, im Ausschuß und in den Fraktionen intensiv beraten worden. Auf Initiative der Koalitionsfraktionen hat der ursprüngliche Entwurf eine erhebliche Verbesserung erfahren. Noch stärker als in der Fassung der Regierungsvorlage liegt jetzt die Priorität bei der Eingliederungshilfe für Behinderte. Die Koalitionsfraktionen haben erheblich dazu beigetragen, daß die Novelle zum Sozialhilferecht ein bedeutendes Teilstück in der Gesamtreform der Rehabilitation geworden ist.
Leider ist auch dieses Reformwerk, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, übrigens auch im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - nehmen Sie es bitte nicht gar so streng, wenn
ich das jetzt sage -, von Ihnen, wie ich meine, zu unseriöser Popularitätshascherei mißbraucht worden.
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Ich kann es beim besten Willen nicht für seriös halten, wenn die Opposition hier Anträge stellt, Herr Geisenhofer, die Mehrausgaben von nicht weniger als 120 Millionen DM mit sich bringen, von den Wirkungen auf den Bundeshaushalt über die Mehrausgaben für die Kriegsopferfürsorge ganz zu schweigen.
({1})
Zum gleichen Gesetz verlangte der Bundesrat mit den Stimmen der von CDU und CSU regierten Länder Einsparungen von 65 Millionen DM. Die Opposition forderte gleichzeitig Steuersenkungen und macht die angeblich zu hohen Bundesausgaben für Preissteigerungen verantwortlich. Wir haben uns allmählich daran gewöhnt, daß die Opposition ausgabewirksame Anträge stellt, die sie niemals stellen würde, wenn sie die Mehrheit in diesem Hause hätte.
Gerade beim Bundessozialhilfegesetz ist es aus doppeltem Grund besonders bedauerlich, daß sich die Opposition nicht zur Mitarbeit auf dem Boden der Realitäten entschließen konnte, und darum geht es bei dieser 3. Novelle zum Bundessozialhilfegesetz; es geht ja nicht um Luftschlösser. Das ist zum einen bedauerlich, weil es sich hier um die Hilfsbedürftigsten unseres Volkes handelt, zum anderen deshalb, weil auf Grund der verfassungsrechtlichen Lage und der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat im Interesse derer, die auf die Sozialhilfe angewiesen sind, unbedingt eine Zusammenarbeit von Koalition und Opposition erforderlich ist.
Gestatten Sie, daß ich die Schwerpunkte dieses Gesetzentwurfs kurz hervorhebe. Das Hauptgewicht liegt, wie gesagt, bei der Eingliederungshilfe für Behinderte. Durch dieses Gesetz werden zum ersten Mal lückenlos alle nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch Behinderten ohne Rücksicht auf die Art der Behinderung einen Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe haben. Bisher enthielt das BSHG einen Katalog von Arten der Behinderung, bei denen ein Anspruch auf Eingliederungshilfe bestand. Die Fälle, daß ein Behinderter keine Hilfe erhält, weil seine Behinderung nicht in diesen Katalog paßt, wird es nicht mehr geben. Außerdem sind die von einer Behinderung Bedrohten jetzt den Behinderten völlig gleichgestellt.
Die Aufgaben der Eingliederungshilfe werden auf Initiative der Koalitionsfraktion erweitert. Künftig hat der Behinderte auch das Recht auf Hilfe zur Beschaffung oder Erhaltung einer Wohnung, die seinen besonderen Bedürfnissen entspricht. Hilfen zur Teilnahme am Leben der Gemeinschaft werden jetzt ausdrücklich als eine Maßnahme der Eingliederungshilfe genannt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Koalitionsfraktionen bezwecken mit diesem Vorschlag, der über den Entwurf der Bundesregierung hinausgeht, daß die Sozialhilfe den Behinderten zum Beispiel bei der Pflege von Kontakten zu seinen Mitmenschen zu unterstützen hat. Die lediglich auf die Eingliederung ins Erwerbsleben abzielenden Rehabilitationsmaßnahmen werden dadurch im Einzelfall unter Umständen eine Ergänzung durch die Sozialhilfe erfahren können.
Ganz besonders wichtig für die Behinderten sind auch die neuen Bestimmungen über die Hilfe zur Pflege, welche die Koalitionsfraktionen im Ausschuß durchgesetzt haben. Die Verbesserungen der Hilfe zur Pflege betreffen sowohl die Erhöhung der Leistungen als auch die Erweiterung der Voraussetzungen für den Anspruch auf diese Leistungen. Besonders hervorzuheben ist die Erhöhung und Dynamisierung des Pflegegeldes, das nach Inkrafttreten des Gesetzes 180 DM betragen wird sicherlich noch nicht zu hoch , in besonders schweren Fällen der Pflegebedürftigkeit sogar 360 DM.
Die Kosten für die Alterssicherung der Pflegepersonen - etwas ganz Neues - werden künftig von der Sozialhilfe übernommen, wenn sie nicht anderweitig sichergestellt sind, in bestimmten Fällen auch die Kosten für eine Nachentrichtung von Beiträgen. Auch das ist neu. Für alle Empfänger von Hilfen in besonderen Lebenslagen ist wichtig, daß die verschiedenen Einkommensgrenzen erhöht und dynamisiert werden.
Die Regelungen über die Kostenerstattungspflicht in der Sozialhilfe sind wesentlich großzügiger gestaltet worden. Großeltern und Enkel werden künftig von den Sozialhilfeträgern nicht mehr zu den Kosten herangezogen. Ich bin überzeugt, daß mit diesen beiden Änderungen ein Schritt in Richtung auf ein modernes Sozialhilferecht getan wurde, das ein weniger tiefes Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der Hilfsbedürftigen erfordert, als es das herkömmliche Recht getan hat, und das die familiären Bindungen nicht in einem Ausmaß strapaziert, das der Situation der heutigen Gesellschaft nicht mehr angemessen ist.
Eine solche Aufgeschlossenheit gegenüber den Erfordernissen eines modernen Sozialhilferechts, meine ich, kann man - zumindest was die beiden Anträge der Opposition angeht - der CDU/CSU in dem Umfang leider nicht bescheinigen, wenn man die beiden Anträge betrachtet, die sie heute zur zweiten Lesung gestellt hat. Ich bin überzeugt, daß es ein verfehlter Weg wäre, wenn man im Rahmen der Sozialhilfe durch besondere Einkommensfreibeträge denjenigen Vorteile verschaffte, die ohnehin schon durch die Tatsache, daß sie überhaupt Einkommen haben, bessergestellt sind als andere.
Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geisenhofer?
Ja, ich bin gerne bereit.
Herr Kollege Glombig, sehen Sie es als einen verfehlten Weg an,
wenn Hamburg und Berlin diesen Freibetrag gewähren?
Wenn Hamburg und Berlin diesen Freibetrag gewähren, ist das eine politische Entscheidung dieser Städte. Trotzdem meine ich, daß die Entscheidung vom Grunde her an der Konzeption des Bundessozialhilfegesetzes vorbeigeht. Ich meine, daß wir über die Mehrbedarfsregelung einen besseren Weg finden müßten, den wir auch sicherlich finden werden. Nur konnten wir diesen Weg hier nicht gehen, weil uns entsprechende Mittel bei dieser Dritten Novelle nicht zur Verfügung standen.
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- Ja, die Prioritäten haben wir übrigens gesetzt, und zwar sehr gut. Ich glaube, daß diejenigen, die von diesen Prioritäten betroffen sind, sehr zufrieden sein können mit dieser Dritten Novelle zum Bundessozialhilfegesetz, so wie wir sie gestaltet haben.
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Die Koalitionsfraktionen haben auch erreicht, daß für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, und daß für krankenversicherungspflichtige Rentenantragsteller die Sozialhilfe die Beiträge übernehmen muß, soweit die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch das ist ein großer Fortschritt.
Ferner wird die Altenhilfe so fortentwickelt, daß die Sozialhilfeträger diejenigen Hilfen gewähren sollen, die unsere älteren Mitbürger tatsächlich benötigen, so z. B. Hilfe in allen Fragen der Aufnahme in ein Altenheim.
Die Gefährdetenhilfe hat eine richtungweisende Umgestaltung erfahren. Es wurde erreicht, daß z. B. auch Drogenabhängige, Alkoholiker, Obdachlose und Nichtseßhafte unabhängig vom Alter eine Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erhalten.
Ich stelle fest: die Dritte Novelle zum Bundessozialhilfegesetz in der vorliegenden Fassung kann sich sehen lassen. Trotzdem, Bundesregierung und Koalitionsfraktionen haben von vornherein auf die Finanzlage von Gemeinden und Ländern Rücksicht genommen und sich auf das sozialpolitisch unbedingt Notwendige beschränkt. Trotz der beschränkten Möglichkeiten ist aber doch Wesentliches geleistet worden. Prioritäten sind gezielt dort gesetzt worden, wo die Linderung der Not am dringendsten ist. Das sind die Prioritäten, die ich vorhin meinte, Herr Kollege Geisenhofer.
Bestimmungen, die zu einer ungerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung von Hilfsbedürftigen führten, z. B. beim Pflegegeld, bei der Eingliederungshilfe für Behinderte, bei der Ausbildungshilfe und bei der Gefährdetenhilfe, sind beseitigt worden. Dort, wo an überholten oder an moralisierenden Vorstellungen orientierte Rechtsvorschriften ein den heutigen Erfordernissen angemessenes Wirken der Sozialhilfe im Wege standen - wie z. B. in der Altenhilfe und in der Gefährdetenhilfe -, ist Abhilfe geschaffen worden.
Trotz dieser positiven Würdigung des Gesetzentwurfs muß ich dennoch betonen - und ich stehe nicht an, das nochmals deutlich zu unterstreichen -, daß wegen des Zwanges, die Kosten möglichst gering zu halten, noch viele Wünsche offenbleiben. Da wäre insbesondere die jährliche Dynamisierung der Einkommensgrenzen für die Hilfe in besonderen Lebenslagen zu nennen. Einige Größen, die zur Berechnung der Einkommensgrenzen wichtig sind, werden an die Regelsätze angebunden und steigen damit Jahr für Jahr automatisch. Die anderen Komponenten der Einkommensgrenzen werden künftig durch Rechtsverordnung der Bundesregierung im Gleichschritt mit den Rentenanpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben, allerdings nur im Zweijahresrhythmus. Das gleiche gilt auch für die Dynamisierung des Pflegegeldes. Die Koalitionsfraktionen hätten hier lieber eine jährliche Anpassung gesehen. Deshalb wird die Bundesregierung im Entschließungsantrag gebeten, zu prüfen, ob eine solche Lösung zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden kann.
An den Bundesrat möchte ich heute ebenso wie bei der ersten Lesung appellieren, an ihn die Bitte richten, das vorliegende Reformwerk nun passieren zu lassen. Niemand, der die beengte Finanzlage insbesondere der Gemeinden kennt, wird dem Bundesrat das Verständnis dafür versagen, daß er in seiner Stellungnahme Einsparungen verlangt hat. Weniger Verständnis habe ich allerdings dafür, meine Damen und Herren, daß der Bundesrat gerade dort sparen wollte, wo Änderungen des Sozialhilferechts am dringendsten sind, nämlich bei der Neufassung der Anspruchsvoraussetzungen für die Eingliederungshilfe von Behinderten. Das heißt doch nichts anderes, als daß gerade auf Kosten derjenigen gespart werden soll, die bisher noch gar keinen Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz hatten.
Der Bundesrat sollte bedenken, daß gerade bei der Sozialhilfe, d. h. bei den Hilfsbedürftigsten unserer Mitbürger, nicht unnötig gespart werden sollte. Durch den neu ausgehandelten Finanzausgleich fließen den Ländern im Jahre 1974 und in den weiteren Jahren erhebliche Mehreinnahmen zu. Außerdem sollte bei der immer wieder geäußerten Klage über die stark wachsenden Sozialhilfeausgaben nicht vergessen werden, daß die Sozialhilfe durch Leistungsverbesserungen auf Grund von Leistungsgesetzen des Bundes in bedeutendem Umfang entlastet worden ist bzw. noch entlastet werden wird. Hier ist das Bundesausbildungsförderungsgesetz zu nennen, ferner die Einführung der Renten nach Mindesteinkommen in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Einführung der Krankenversicherungspflicht für Landwirte. Auch die Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung wird sich langfristig zugunsten der Sozialhilfe auswirken. Ferner wird das in der Beratung befindliche Rehabilitationsangleichungsgesetz die Sozialhilfe entlasten, da die gesetzliche Krankenversicherung im Bereich der medi4672
zinischen Rehabilitation als Rehabilitationsträger an die Stelle der Sozialhilfe treten wird.
Schließlich sollte auch betont werden, daß manche der in dieser Novelle beschlossenen Leistungsverbesserungen dazu führen werden, daß die Sozialhilfe künftig weniger in Anspruch genommen wird, z. B. auf Grund der verbesserten Eingliederungshilfe, der Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen, der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen für Pflegepersonen und der verbesserten Leistungen zur vorbeugenden Gesundheitshilfe. Die Tatsache, daß diese Einsparungen nicht quantifizierbar sind, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Novelle zum Bundessozialhilfegesetz nicht nur Geld kostet, sondern auch Geld spart.
Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung machen, die sich mir auf Grund meiner Erfahrungen während der Beratungen dieses Gesetzentwurfes aufdrängt. Zahlreiche Gesetzentwürfe, auch sozialpolitische, sind lange nach der Dritten Novelle zum Bundessozialhilfegesetz entstanden und sind dennoch lange vor ihr verabschiedet worden. Bei den Beratungen über die bescheidenen Leistungsverbesserungen, die die Koalitionsfraktionen zusätzlich zum Regierungsentwurf durchsetzten, mußte buchstäblich um jede Mark gekämpft werden. Inzwischen ist eine Reihe anderer Gesetze mit weit höherem Finanzvolumen - zum Teil auch ohne viel Aufhebens - verabschiedet worden. Mir drängt sich dabei der Verdacht auf, daß der mühsame Fortgang dieser Beratungen und die Schwierigkeit, die allernotwendigsten Verbesserungen durchzusetzen, eine Schwäche unserer parlamentarischen Demokratie offenbaren.
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Ich will das auch begründen.
Die Allerschwächsten in unserer Gesellschaft, diejenigen, die keine Lobby haben, drohen immer wieder stiefmütterlich behandelt zu werden. Auch an der Fähigkeit, die Interessen besonders schwacher Gruppen unserer Gesellschaft zu berücksichtigen, könnte sich auf die Dauer die Leistungsfähigkeit unseres parlamentarischen Systems erweisen. Die sozialliberale Koalition hat zwar ein Zeichen gesetzt, als sie z. B. der Hilfe für eine besonders benachteiligte Gruppe unserer Gesellschaft durch das Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Rehabilitation Behinderter eine sozialpolitische Priorität einräumte, aber die Erfahrung in der Praxis der Gesetzgebung - auch hier im Hause - zeigt, daß in allen Parteien diesbezüglich noch ein großer Lernprozeß stattfinden muß. Dieser Lernprozeß hat bei den Koalitionsparteien jedenfalls jetzt bereits zu der Einsicht geführt, daß der hilfsbedürftige Mensch die erste Priorität haben muß.
Deshalb bitte ich alle Fraktionen des Hauses, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich bitte um mildernde Umstände, daß ich hier etwas ausführlicher geworden bin. Ich meine, daß dies im Interesse der Menschen notwendig war.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Burger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in einer kurzen Vorbemerkung auf einige Vorwürfe eingehen, die Kollege Glombig der Opposition gemacht hat. Er nannte ihre im Ausschuß gestellten Änderungsanträge unseriös. Lieber Kollege Glombig, nach welchen Maßstäben beurteilen Sie eigentlich die im Ausschuß gestellten Anträge? Es wurden Anträge der Regierungskoalition und Anträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt, in beiden Fällen doch wohl aus dem gleichen Grunde, mit dem Sie Ihr Schlußwort bestritten, nämlich weil die Inflation die Menschen unterschiedlich trifft und weil es in diesem Land Gruppen gibt, die besonders schwer betroffen sind. Gerade dafür ist die Sozialhilfe ja da, daß diesen Betroffenen die notwendige Hilfe gewährt wird. Man kann also nicht von vornherein davon ausgehen, daß Oppositionsanträge unseriös sind. Unsere Anträge waren konstruktiv und an der Notlage derjenigen bemessen, denen es zu helfen galt.
Das übrige können Sie im Schriftlichen Bericht nachlesen, lieber Kollege Glombig. 'Da steht z. B. zu einem 'der ausgabewirksamen Anträge der CDU/ CSU folgendes:
Die sachliche Berechtigung des Antrags der Opposition auf Erhöhung der Grundbeträge nach Absatz 1 von 700 auf 750 DM wurde anerkannt.
Meine Damen und Herren, das wird so im Schriftlichen Bericht dokumentiert. Im nächsten Satz steht, daß dieser Antrag allein deshalb abgelehnt werden mußte, weil keine Mittel vorhanden sind, also der finanziellen Auswirkungen wegen. Hier ist demnach dokumentiert, daß die Anträge der Opposition sachlich begründet und konstruktiv waren.
Ich möchte Sie bitten, lieber Kollege Glombig -ich sagedeshalb „lieber Kollege Glombig", weil ich weiß, daß Sie für diese Probleme engagiert sind; deshalb verstehe ich Ihre Polemik nicht; sie war völlig unnötig -, einmal einen Blick in den Rückspiegel, in die eigene Oppositionszeit 'der SPD- Fraktion zu werfen. Bitte, beurteilen Sie dann einmal unsere Tätigkeit und . vergleichen Sie unsere Anträge und deren Volumen mit den Anträgen, die Sie seinerzeit gestellt haben. Man hat Ihnen sicherlich nicht den Vorwurf der Unseriosität gemacht.
Kollegen, die lange Zeit im Bundestag waren, haben mir gesagt, damals, als die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der Regierungsverantwortung gestanden habe, sei man stärker als heute auf die Anliegen der Opposition eingegangen. Ich möchte diesen Vorwurf allgemein erheben, aber anerkennend sagen, daß es uns in unserem Ausschuß gelungen ist - und dies nicht zum erstenmal -, auch eigene Initiativen zum Tragen zu bringen. Unseren Ausschuß möchte ich also ausdrücklich davon ausnehmen, weil es uns mehrfach gelungen ist, mit Initiativen durchzukommen.
Aber, meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Diese Anträge der Opposition waren keine Luftschlösser.
Ich habe hier eine ausführliche Stellungnahme der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände zum Heimgesetz. Obwohl in dieser Stellungnahme ,das Sozialhilfegesetz im Grunde nicht angesprochen ist, bringen die Träger der Sozialhilfe noch einmal das Anliegen vor, das Kollege Geisenhofer eben so deutlich vorgetragen hat, und sagen: Unter den Finanzproblemen der Altersheime --worauf wir hingewiesen haben - bereitet namentlich in den Pflegeheimen die wachsende Diskrepanz zwischen der Rentenentwicklung und den steigenden Pflegekosten, die die Rentenempfänger außerstande setzt, den eigenen Unterhalt aus Renteneinkünften abzudecken, die größten Schwierigkeiten. Wenn also die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände dies an den Herrn Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, Herrn Kollegen Hauck, ausdrücklich noch einmal mitteilt, dann kann man doch nicht sagen, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier Luftschlösser zaubert.
Im übrigen beweist auch die Ausführlichkeit des Entschließungsantrags, daß im Gesamtbereich der Sozialhilfe - hier reflektiert sich vieles mehr; denn wer bei den Versicherungs- und Versorgungsleistungen durchfällt, der landet doch bei der Sozialhilfe -auf Grund der jetzigen Entwicklung mit Kosten- und Preissteigerungen ganz bestimmte Korrekturen nötig sind. Die Ausführlichkeit, der Umfang und die Qualität dieser Aufträge, die der gesamte Ausschuß der Bundesregierung erteilt, beweisen doch, daß hier im Grunde nur aus finanziellen Gründen ein gewisser Rahmen eingehalten werden muß und daß die soziale Notwendigkeit eine ganz andere Sache ist.
Nun, meine Damen und Herren, noch kurz einige Ausführungen zum Sozialhilfegesetz und zu einigen Problemen, die damit zusammenhängen.
Die Aufgabe der Sozialhilfe ist es das weiß das
Hohe Haus -, dem Empfänger die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Wir wissen, daß nach dem Bundessozialhilfegesetz der Hilfesuchende Leistungen zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen dann erhalten kann, wenn er sich selber nicht mehr helfen kann und wenn er auch keine Rechtsansprüche an Versicherungen oder Versorgungen stellen kann. Diese Besonderheit der Nachrangigkeit, aber auch die Chance einer Hilfe für den persönlichen Fall zeichnen dieses Sozialhilferecht besonders aus. Es ist, wie ich meine, sicherlich ein sehr modernes Gesetz. Aber gerade in dieser Stunde, in der wir uns mit den Auswirkungen der dritten Novelle befassen, sollte man sich auch fragen: Erfüllt es seinen Zweck noch ganz? Welche Entwicklungen bahnen sich an? Welche Möglichkeiten sind vorhanden? Ich darf noch einmal auf den Entschließungsantrag hinweisen, den wir gemeinsam konzipiert und angenommen haben. Hier steckt vieles drin, was Grund zum Nachdenken gibt.
Die Beratungen zu dieser Novelle das wurde
schon angedeutet - waren eine Gratwanderung. Einmal bestand die dringende Notwendigkeit zu sozialpolitischen Verbesserungen. Auf der anderen Seite zwang die Finanzausstattung insbesondere der Gemeinden, einen gewissen Rahmen einzuhalten. Denn seit dem Jahre 1971 - das ist leider Gottes Tatsache -- sind die Ausgaben in der Sozialhilfe besonders stark angestiegen. Dies ist. das Problem. Trotz wirtschaftlicher Prosperität, trotz Vollbeschäftigung und eines wohlausgebauten, dynamisierten Sozialleistungssystems stieg der Sozialhilfeaufwand im Jahre 1971 um 682 Millionen DM auf runde 4 Milliarden DM an. Das war erstmals in einem Jahr eine Steigerung von 20 °/o. Der Grund, meine Damen und Herren, kann nur darin zu suchen sein, daß trotz erhöhten allgemeinen Wohlstands die Bedürftigkeit bestimmter Gruppen der Gesellschaft zunimmt. Diese Entwicklung setzte sich auch im Jahre 1972 fort. Fast 5 Milliarden DM Sozialhilfe wurden im Jahre 1972 aufgebracht. Aus dem damaligen Bericht der Bundesregierung kann man entnehmen, daß jeder zweite der damals 1,5 Millionen Empfänger älter als 50 Jahre war. Rund 62 % der unterstützten Personen sollen Rentner gewesen sein.
Der Bundestag wird heute die Verbesserungen in der Sozialhilfe beschließen. Gerade aber in dieser Stunde müssen sich Bundesregierung und Bundestag im Interesse einer künftigen Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Chancengerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit fragen, wie es zu dieser Entwicklung in der Sozialhilfe kommen konnte. Der Arbeitskreis Soziale Fragen im Deutschen Landkreistag gibt dazu interessante Hinweise. Er weist auf drei große Gruppen hin, denen in der Sozialhilfe mit ihren Möglichkeiten nicht mehr Gerechtigkeit widerfahren kann. Es geht um das Schicksal der alten Menschen in Heimen; darüber hat Kollege Geisendörfer ausführlich gesprochen. Es geht um die Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten, und es geht um die Möglichkeiten und Grenzen der künftigen Ausgestaltung der Hilfe für Behinderte.
Kollege Geisendörfer hat ausdrücklich auf das Problem der älteren Menschen in Heimen hingewiesen. Ich möchte mir deshalb weitere Ausführungen ersparen. Aber dieser Entwicklung müssen wir, nachdem heute leider Gottes unser Antrag abgelehnt wurde, uns in den nächsten Jahren verstärkt annehmen. „Es will uns vom menschlichen Standpunkt aus nicht eingehen,", so schreibt dieser Facharbeitskreis des Deutschen Landkreistages, „daß alte Menschen, die ihr Leben lang für das Alter vorgesorgt haben, mehr und mehr der Fürsorge anheimfallen. Damit verliert die Eigenvorsorge ihren Sinn." Dies ist auch unsere Auffassung, und deshalb werden wir auch in der Zukunft nachdrücklich und beständig und zäh auf die Lösung dieses Problems dringen.
Der zweite Problemkreis ist die Ausbildungsförderung. An den Hochschulen und Fachschulen studieren immer mehr Arbeiter- und Angestelltenkinder; es liegen darüber klare Erhebungen der Studentenwerke vor. 320 000 Studierende erhalten Ausbildungsförderung, davon 40 % den vollen Satz von 420 DM. Eine Untersuchung des Studenten4674
werks ergab aber, daß durchschnittlich 584 DM im Monat notwendig sind, um die Kosten zu bestreiten. Deshalb wenden sich nun viele Studierende an das Sozialamt und beantragen ergänzende Hilfen. Eine Welle von Anträgen rollt auf die Sozialämter zu, die dadurch in ihrer Leiestungsfähigkeit gehemmt sind. Dies geschieht allein deshalb, weil das Bundesausbildungsförderungsgesetz eben nicht mehr zeitgemäße Sätze anbieten kann. Hier ist der Bundesgesetzgeber im Verzug. Bestimmte Leistungsgesetze garantieren nicht mehr die volle durchschnittliche Kostendeckung. Aus diesem Grunde wenden sich die Betroffenen an die Sozialhilfe.
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Und so, wie im Falle der Ausbildungsförderung, geschieht es ebenfalls im Familienlastenausgleich. Auch in diesem Bereich müssen wir mit Bedauern feststellen, daß die Zahl der kinderreichen Familien, die Anspruch auf Sozialhilfe haben, deshalb immer größer wird, weil das Kindergeld in den letzten Jahren nur ungenügend angehoben worden ist. So wirken sich nun die Versäumnisse des Bundesgesetzgebers wie ein Bumerang aus. Die öffentliche Hand spart nicht, sie muß leisten, weil der Anspruchsberechtigte sich dann an die Sozialhilfe wendet, wenn das Leistungsgesetz des Bundes ungenügend ausgestattet ist.
Nicht nur der Landkreistag, sondern auch andere kompetente Stellen weisen in diesem Zusammenhang auch auf die Hilfen für Behinderte hin. Das von der Ursache der Behinderung unabhängige Rehabilitationsleistungsgesetz ist heute bereits ein Anliegen aller im Bundestag vertretenen Parteien. Das Sozialhilferecht mit dem Prinzip der Nachrangigkeit und mit seinen Kostenbeiträgen kann in diesem Bereich keine endgültige Lösung bringen. Auch hier muß in absehbarer Zeit eine Entscheidung herbeigeführt werden.
Zusammenfassend möchte ich deshalb feststellen: Die erheblichen Ausgabensteigerungen im Bereich der Sozialhilfe sind auch dadurch bedingt, daß einmal Leistungsgesetze, wie die Ausbildungsförderung und der Familienlastenausgleich, ungenügend sind und zum anderen Aufgaben mit immer mehr versorgungsähnlichem Charakter, wie die Rehabilitation, die Leistungskraft der Träger überfordern. Die Bundesregierung muß diese Entwicklungen stärker als bisher berücksichtigen und in einer vorausschauenden Sozialplanung diese neuen Entwicklungen auffangen. Aus dem ausführlichen Entschließungsantrag geht auch hervor, daß der Ausschuß im Grunde dieser Meinung ist und der Bundesregierung diesen Auftrag gibt.
Zum Schluß darf ich noch einmal bestätigen, daß die Mitglieder unseres Ausschusses, der CDU/CSU- für sozial Gefährdete, der Verbesserung der besonderen Einkommensgrenze und der Verbesserung der Altenhilfe. Auch Anträge der CDU 'CSU haben eine Mehrheit gefunden, kamen zum Zuge.
Bundestagsfraktion, sich konstruktiv an den Beratungen beteiligt haben, die in großer Fairneß und mit genügender Zeit abgelaufen sind. Meine kritischen Bemerkungen erlauben es mir, trotzdem und gerade deshalb die Verbesserungen im Rahmen dieser Novelle zu begrüßen. Sie sind gut, und sie müssen als solche anerkannt werden. Sie liegen im Bereich der Eingliederungshilfe, der Erhöhung des Pflegegeldes, des Ausbaus der Hilfe
Es gelang leider nicht, die Vermögensbildung der Eltern von Behinderten, die diese für die Zukunftssicherung ihrer Kinder abgeschlossen haben, von der Anrechnung auf Einkommen und Vermögen freizustellen. Wir hatten diesen Antrag vor zwei Jahren schon bei der Verabschiedung des Vermögensbildungsgesetzes gestellt. Damals gab mir Kollege Schellenberg im Protokoll nachzulesen -den guten Rat, diesen Antrag nicht beim Vermögensbildungsgesetz zu stellen, sondern beim Sozialhilfegesetz. Dies habe ich getan, aber, Herr Kollege Schellenberg, auch Ihre guten Ratschläge werden gelegentlich in Ihrer Fraktion nicht befolgt. Der Antrag wurde abgelehnt. Aber ich meine, daß man auch hier in der Zukunft eine Regelung finden sollte, denn ich halte es für sinnvoll, daß sich Eltern bereitfinden, zugunsten ihrer behinderten Kinder vermögenswirksame Verträge abzuschließen, um für die Kinder in der Zukunft zu sorgen. Man sollte diese Einkommensteile nicht in die üblichen Berechnungen der Sozialhilfe hereinnehmen.
Meine Damen und Herren, kurz und klar: Die CDU/CSU sieht in dem heute zu verabschiedenden Gesetz trotz mancher ungelöster Probleme und trotz schwieriger Entwicklungen eine wesentliche Verbesserung für viele betroffene Mitbürger. Sie wird dem Gesetz zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Christ.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wenn wir heute die dritte Novelle zum Bundessozialhilfegesetz verabschieden, dann tun wir dies in dem Bewußtsein, daß wir nicht alle Wünsche erfüllen konnten. Aber die Koalitionsfraktionen, so meine ich, haben den erfolgreichen Versuch gemacht, über den Entwurf der Bundesregierung hinaus die notwendigen und auch die unabdingbaren Leistungsverbesserungen mit der dritten Novelle in das Bundessozialhilfegesetz einzufügen.
Dieses Haus - das sage ich an alle - muß sicherlich Verständnis dafür haben, wenn der Bundesrat bei seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Zustimmung beim zweiten Durchgang nur dann in Aussicht stellte, wenn im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine Verbesserung der Finanzausstattung der Länder wirklich in Aussicht steht. Meine Herren von der Opposition, ich will jetzt nicht unbedingt von Luftschlössern sprechen, aber es stellt sich immerhin die Frage: was würden Sie Ihren Parteifreunden in den Bundesländern erklären wollen, wenn Ihre Anträge im Ausschuß, die 120 Millionen DM zusätzlich ausmachen, hier im Plenum eine Mehrheit fänden. Wir hätten Schwierigkeiten, unseren Parteifreunden dies zu erklären; für Sie wäre es zweifellos nicht leichter.
Diese von den Ländern geforderte Verbesserung der Finanzausstattung wird nun durch den Entwurf eines dritten Änderungsgesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern kommen, den wir parallel in erster Lesung beraten. Die Bedenken der Länder dürften damit meiner Meinung nach im wesentlichen beseitigt sein, so daß der Bundesrat durchaus die Möglichkeit sehen müßte, dieser dritten Novelle auch in der Fassung des Ausschusses seine Zustimmung zu geben.
Aus der Vielzahl der Leistungsverbesserungen dieser dritten Novelle zum Bundessozialhilfegesetz möchte ich einige, die sich in zahlreichen Änderungen niedergeschlagen haben, besonders hervorheben. Für die Behinderten das wurde vom Kollegen Glombig bereits angesprochen - war dies wohl eine sehr wichtige Novelle. Unter anderem ist eine für die Behinderten wichtige Bestimmung die neue Vorschrift in § 39, wonach der Behinderte einen Anspruch auf Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft hat. Viele von Ihnen werden sagen: Wo ist eigentlich hier der Unterschied zur Eingliederung in die Gesellschaft? Diese Vorschrift aber, die von den Koalitionsfraktionen ergänzend zum Regierungsentwurf eingefügt worden ist, bedeutet für den Behinderten, daß Eingliederungsmaßnahmen in die Gesellschaft nicht nur gemessen werden an den Notwendigkeiten medizinischer oder beruflicher Rehabilitation, sondern künftig auch an dem allgemeinen menschlichen Bedürfnis des Behinderten nach einem intensiveren Kontakt mit seiner sozialen Umwelt.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir notwendig, auf den Antrag des Ausschusses unter II 4 hinzuweisen und gleichzeitig einen dringenden Appell an die Sozialhilfeträger zu richten, künftig die Vorschriften, die den Gesamtplan für den Behinderten fordern, wesentlich sorgfältiger zu beachten. Leider - das haben wir ja alle feststellen müssen - hat sich immer wieder ergeben, daß nur eine Minderheit der Behinderten für die unterschiedlichen Rehabilitationsmaßnahmen auch einen entsprechenden Gesamtplan vorweisen kann.
Was die Leistungsverbesserungen für die Behinderten betrifft, so sollten zwei Vorschriften nicht unerwähnt bleiben, die für behinderte Kinder nicht unwesentliche Verbesserungen bringen. Zum einen wurden heilpädagogische Maßnahmen für noch nicht schulpflichtige Kinder ausdrücklich in den Katalog der Eingliederungsmaßnahmen aufgenommen. Zum anderen wurden die Altersgrenzen bei den Vorschriften der §§ 43, 67 und 69 gesenkt, so daß künftig den dringenden Erfordernissen einer Frühbehandlung behinderter Kinder besser als bisher Rechnung getragen werden kann.
Es wäre an dieser Stelle zweifellos notwendig, sich mit dem Bericht der Bundesregierung nach § 126 c des Bundessozialhilfegesetzes zu beschäftigen und eingehend über das Problem der Meldepflicht von Behinderten bzw. der rechtzeitigen Erfassung für entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen zu diskutieren. Der Ausschuß hat jedoch vereinbart, diesen Problemkreis im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Angleichung für die Rehabilitationsleistungen zu diskutieren und dabei besonders die Frage der Meldepflicht - sowohl was die Haltung der Arzte dazu als auch was die Rolle des Gesundheitsamtes betrifft - eingehend zu prüfen. Es steht aber heute schon fest: Das völlig unbefriedigende Ergebnis dieses ersten Berichts wird dazu führen, daß der Bundestag hier entsprechende Konsequenzen fordern muß.
Ein Problem, das ebenfalls im Antrag des Ausschusses angesprochen wurde, ist der Zusammenhang zwischen Ausbildungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz und dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Gerade die unzureichenden Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge - das, glaube ich, ist unbestritten haben in den letzten Monaten dazu geführt, daß immer mehr Studenten über ihre Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hinaus eine Aufstockung ihrer Ausbildungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz beantragen und in vielen Fällen auch erhalten. Die Diskussion über den Bericht nach § 35 dieses Gesetzes wird dem Bundestag Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, ob nicht schon in diesem Jahr eine Verbesserung der Fördersätze und Freibeträge von der Bundesregierung gefordert werden muß. Die FDP-Fraktion wird auf jeden Fall im Rahmen ihrer Haushaltsberatungen nach Wegen suchen, nicht erst zum 1. Januar 1975 die entsprechenden Erhöhungen der Sätze im Bundesausbildungsförderungsgesetz vorzunehmen, sondern -- wenn irgendwie möglich - schon in diesem Jahr, vielleicht auch schon zum 1. August 1974. Das wäre jedenfalls unser Wunsch an die Bundesregierung.
Als weitere wichtige Verbesserung ist die Neufassung der Bestimmungen über die Altenhilfe in § 75 des Bundessozialhilfegesetzes von entscheidender Bedeutung. Danach kommen als Maßnahmen der Hilfe vor allem in Betracht Hilfen bei der Beschaffung und zur Erhaltung einer Wohnung, die den Bedürfnissen des alten Menschen entspricht, und Hilfe in allen Fragen der Inanspruchnahme altersgerechter Dienste. Wir wollen noch in diesem Halbjahr das Heimgesetz verabschieden. Die Beratungshilfe für eine beabsichtigte Aufnahme in ein Altenheim ist im Hinblick auf die juristischen und finanziellen Schwierigkeiten - ja Konflikte, müßte ich sagen -, die in diesem Zusammenhang entstehen können, von einer besonderen Schutzbedeutung für den alten Menschen.
Diese Hervorhebung einzelner Leistungsverbesserungen sollte nur einen kleinen Einblick geben in die Vielzahl von Reformschwerpunkten der dritten Novelle. Besonders wenn man an die Kostenbelastung denkt, die dabei auf Länder und Kommunen zukommt, werden wir alle wieder einmal daran erinnert, daß der Bund hier ein Gesetz verabschiedet, dessen Ausführung im wesentlichen allein Sache der Länder und der Gemeinden ist. Angesichts dieser Tatsache erscheint es mir durchaus angebracht, den Sozialhilfeträgern, insbesondere den Kommunen für ihre kooperative Haltung bei der Ausführung des Gesetzes unseren besonderen Dank abzustatten.
Schon bisher brachte manche großzügige Verwaltungspraxis der Sozialhilfeträger den Stein ins rol4676
len, wenn es um entsprechende Gesetzesänderungen des Bundessozialhilfegesetzes ging. Angesichts dessen, daß wir heute nicht alle Wünsche erfüllen konnten, bleibt im Interesse der betroffenen Sozialhilfeempfänger die Hoffnung, daß in ausgesprochenen Härtefällen die Sozialhilfeträger in den Kommunen durch eine großzügige Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen trotzdem in der Lage sind, eben in diesen wenigen Härtefällen die notwendige und unabdingbare Hilfe zu geben.
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Das Wort hat Frau Bundesminister Focke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum drittenmal soll unser Sozialhilferecht wesentliche Ergänzungen und Verbesserungen erhalten, und zwar auf der Grundlage des Entwurfs der Bundesregierung, erweitert durch die Beschlüsse des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit. Die Bundesregierung erfüllt damit ein Reformversprechen, das deshalb von besonderer Bedeutung ist, weil es denjenigen in unserer Gesellschaft hilft, die dieser Hilfe besonders bedürfen, wenn wir den sozialstaatlichen Auftrag des Grundgesetzes ernst nehmen.
Ganz im Vordergrund dieser dritten Novelle zum Bundessozialhilfegesetz steht die Verbesserung der Lage der Behinderten und Pflegebedürftigen sowie die Anpassung des Leistungsrechts der Sozialhilfe an die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Wir kommen dem Ziel, auch im Sozialhilfebereich das Leistungsrecht zu harmonisieren und das bestehende Gefälle zu beseitigen, ein beachtliches Stück näher. Ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Förderung der Rehabilitation der Behinderten wird getan.
So sah bereits der Regierungsentwurf eine wesentliche Erweiterung der Bestimmungen über die Eingliederungshilfe für Behinderte ausdrücklich als einen Schwerpunkt an. An die Stelle der jetzigen Aufzählung von Behinderungsarten, die immer noch einige Hilfebedürftige ausschließt, tritt eine Generalklausel. Das bedeutet, daß jeder, der wesentlich - nicht nur vorübergehend - behindert ist, gleichgültig, ob körperlich, geistig oder seelisch, und bei dem die sonstigen Voraussetzungen, d. h. Einkommens- und Vermögensvoraussetzungen, vorliegen, künftig einen Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe haben soll.
Bei einer Reihe von Maßnahmen der Eingliederungshilfe kommt, wenn der Behinderte im schulpflichtigen Alter ist, seit der zweiten Novelle von 1969 nur noch eine Heranziehung zu den Kosten des Lebensunterhalts in Betracht, während im übrigen die Hilfe ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen gewährt wird. Diese Regelung soll ausgedehnt werden auf alle Behinderten unter 21 Jahre und unter erleichterten Voraussetzungen auch über dieses Alter hinaus noch Anwendung finden. Ich freue mich, daß beide Absichten in den Ausschußberatungen uneingeschränkte Zustimmung gefunden haben.
Schließlich begrüße ich auch die Zustimmung zu dem Vorschlag der Bundesregierung, die Möglichkeit zur Heranziehung Unterhaltspflichtiger zum Ersatz der Aufwendungen der Sozialhilfe zu beschränken. Damit soll nicht nur den besonderen Bedürfnissen der Sozialhilfepraxis Rechnung getragen, sondern zugleich eine Regelung geschaffen werden, die es gerade den älteren Menschen erleichtern wird, Hilfen der Gesellschaft anzunehmen, Hilfen, auf die sie einen Anspruch haben - ich kann das gar nicht oft genug betonen -, z. B. die Hilfe zur Unterbringung in einem Heim, und bei denen sie nun nicht mehr befürchten müssen, daß ihre Enkelkinder zur Rückzahlung verpflichtet werden, ein psychologischer Grund, der bisher bestimmt eine wesentliche Barriere dargestellt hat.
Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch den neuen Katalog der Hilfen für ältere Menschen, der die bisherigen allgemein gehaltenen Regelungen konkretisiert und damit den örtlichen Trägern der Sozialhilfe Anregungen für geeignete Maßnahmen gibt, an denen sie ihr Handeln orientieren können - über das hinaus, was sie bisher schon getan haben, um unseren älteren Mitbürgern die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu erleichtern.
Die Regierungsvorlage hat in den Ausschußberatungen eine Reihe von begrüßenswerten Verbesserungen erhalten, die von der Bundesregierung ausdrücklich befürwortet und unterstützt werden. Daß dabei eine Reihe von weitergehenden Forderungen und Wünschen auch diesmal nicht erfüllt werden konnte, schmälert ,die sozialpolitische Bedeutung dieses Gesetzes nicht.
Ein sehr wichtiger neuer Akzent ist sicher die schon betonte Hilfe zur Pflege durch die vorgeschlagene Neufassung des § 69 und die Einfügung eines neuen Art. 2 in den Gesetzentwurf. Ich begrüße den von allen Fraktionen getragenen Vorschlag, die soziale Sicherung der Pflegepersonen mit dem Ziel gesetzlich zu verankern, damit gleichzeitig auch die Lage der Pflegebedürftigen zu verbessern. Die Gewährleistung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen wird dazu beitragen, die Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich zu erhöhen. - Für sachlich gerechtfertigt halte ich auch die Erweiterung des Kreises der Schwerbehinderten, die den Blinden gleichgestellt werden sollen.
Ein Punkt eingehender Diskussion im Ausschuß war das Verhältnis der Ausbildungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Leistungsvoraussetzungen waren bisher in den beiden Gesetzen unterschiedlich geregelt. Die vom Ausschuß beschlossene Änderung führt zu einer weitgehenden Anpassung dieser Leistungsvoraussetzungen, so daß für den Sozialhilfeberechtigten Ausbildungshilfe auch für diejenigen Teile des Bildungsganges eines jungen Menschen gewährt werden kann, für die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht oder noch nicht in Betracht kommen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Kosten dieses Gesetzes sagen. Der Bundesrat hat, wie Sie wissen, im ersten Durchgang bei Anerkennung der sachlichen Notwendigkeit der vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen auf die finanziellen Mehrbelastungen in den Ländern und Gemeinden hingewiesen. Der Bund kommt gerade wieder durch die Übertragung eines weiteren Anteils am Aufkommen aus der Umsatzsteuer an die Länder seiner Verpflichtung nach, die Länder in den Stand zu versetzen, den ihnen grundgesetzlich übertragenen Aufgaben besser nachzukommen. Dies wird, so hoffe ich, dem Bundesrat seine Zustimmung zu diesem Gesetz wesentlich erleichtern.
Wir sind der Meinung, daß sich die vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen einschließlich der einstimmig beschlossenen Vorschläge des Ausschusses im gebotenen Rahmen halten. Und es darf auch nicht außer acht gelassen werden - darauf ist hier schon mehrfach hingewiesen worden -, daß die Sozialhilfe durch zahlreiche Leistungsverbesserungen in anderen Bereichen in der Zwischenzeit erheblich entlastet worden ist. Zwar steigen die Summen insgesamt, aber das hat natürlich auch damit zu tun, daß unsere sozialstaatlichen Kriterien auch für die Bedürftigen in diesem Bereich höhere Ansprüche stipuliert haben.
Ich nenne hier z. B. die Leistungen des Bundes für die Ausbildungsförderung, die Einbeziehung der Sozialhilfeempänger in das Wohngeld, die Entlastungen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt etwa durch die Rente nach Mindesteinkommen und die bevorstehende Übernahme der Kosten der medizinischen Rehabilitation auch für mitversicherte Familienangehörige - also Kinder - durch die Krankenversicherung im Rehabilitationsanpassungsgesetz. Mit dem Heizölkostenzuschußgesetz hat die Bundesregierung im übrigen bewiesen, daß sie bei einer plötzlich akuten besonderen Notlage gezielt und rasch zu helfen bereit ist, wobei ich den Anteil des Bundestages an dieser Hilfe nicht vergessen will.
Man kann auch - das möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen - eine Sozialhilfedebatte nun gerade nicht vorwiegend mit fiskalischen Argumenten führen. Die Sozialhilfe darf nicht hinter die Entwicklung der übrigen Sozialleistungen zurückfallen, sonst hieße das Rückfall in die überwundene Armenpflege. Für die gemeinsame koordinierte Entwicklung des gesamten Sozialleistungsrechts aber hat der Bund die Gesamtverantwortung. Man muß nicht Prophet sein, um vorauszusehen, daß sich der schon jetzt zu beobachtende Trend weiter fortsetzen wird und an die Stelle von Leistungen der Sozialhilfe Leistungsverbesserungen in der Sozialversi cherung und nach besonderen Sozialleistungsgesetzen treten.
Die Sozialhilfe bekommt damit immer mehr die Chance der Konzentration ihrer organisatorischen, personellen und finanziellen Kräfte auf die Behebung individueller Notlagen, auf sozialstaatlich gebotene Hilfen für diejenigen, die in der Wohlstandsgesellschaft trotz aller Entwicklungen abseits stehen müssen oder ins Abseits gedrängt sind. Fürdiese Hilfen muß weiterhin strikt das Bedarfsdekkungsprinzip, das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe gelten. Jeder Vermischung mit Elementen der Versorgung - die für andere Leistungen des Sozialstaates ihren großen Wert haben wird sich die Bundesregierung deshalb im Bereich der Sozialhilfe auch weiterhin entgegenstellen.
Die 3. Novelle zum Bundessozialhilfegesetz enthält das, was jetzt sozialpolitisch erforderlich, notwendig und machbar ist; davon dürfen keine Abstriche gemacht werden. Ich schließe mich in diesem Zusammenhang ganz besonders auch dem Appell an, den der Kollege Glombig am Schluß seiner Ausführungen gemacht hat.
Ich danke dem Bundestag für seine Unterstützung des Regierungsentwurfs und dessen Weiterentwicklung, und ich hoffe, daß sich der Bundesrat dem Notwendigen nicht verschließen wird.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der dritten Beratung.
Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist in der dritten Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zu den Anträgen des Ausschusses unter II und III auf Seite 3 der Drucksache 7/1467. Ich gehe davon aus, daß darüber gemeinsam abgestimmt werden kann. Wer den Anträgen zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist der Entschließungsantrag in seiner Gesamtheit angenommen, und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben sind für erledigt erklärt.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der verbundenen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge ({0})
- Drucksache 7/179 Bericht und Antrag des Innenausschusses ({1})
- Drucksachen 7/1508, 7/1513 Berichterstatter: Abgeordneter Volmer
Abgeordneter Konrad
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Ich erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Volmer als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innenausschuß
des Deutschen Bundesoges hatte für das vorliegende Gesetz eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich am 14. März 1973 konstituierte und zunächst in zwei Sitzungen eine öffentliche Sachverständigenanhörung vorbereitete. Nach einer Grundsatzdiskussion im Innenausschuß hat die Arbeitsgruppe in sieben weiteren Sitzungen den vorliegenden Entwurf beraten. In der Arbeitsgruppe waren neben Mitgliedern des Innenausschusses auch Vertreter der mitberatenden Ausschüsse sowie die beteiligten Ministerien und der zuständige Bundesratsausschul3 vertreten. In der Arbeitsgruppe wurden die Probleme, die sich aus dem Gesetzentwurf ergaben, sehr gründlich diskutiert. Nach Behandlung des Entwurfs in der Arbeitsgruppe trat der Innenausschuß in mehreren Sitzungen kontinuierlich in die Einzelberatung ein und billigte in seiner Sitzung vom 5. Dezember 1973 einstimmig den Entwurf in der vorliegenden Fassung.
Gestatten Sie mir, daß ich in Ergänzung des schriftlichen Berichts noch einige mir wichtig erscheinende Fragen anspreche. Bereits bei der Festlegung des Geltungsbereichs machte der Ausschuß sichtbar, daß das Gesetz im Sinne einer Vorbeugung vor Umweltschäden schärfer gefaßt werden sollte. Er bezog ausdrücklich den Bau öffentlicher Straßen sowie den Bau von Eisenbahnen und Straßenbahnen in das Gesetz ein und regelte diese Fragen in einem eigenen Teil, auf den ich gleich noch einmal zurückkommen darf.
Bei der Beratung der Begriffsbestimmungen hat sich der Ausschuß sehr intensiv mit der Absicht befaßt, den etwas schillernden Begriff „Stand der Technik" zu präzisieren. Dabei ist eine Lösung gefunden worden, die uns zur Zeit optimal erscheint und insbesondere bei der Rechtsprechung zur Klarstellung beitragen kann. Wir haben mit Absicht davon abgesehen, von der Bewährung der vergleichbaren Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen auszugehen, sondern darauf abgestellt, daß sie mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind.
Beim Betreiben genehmigungsbedürftiger Anlagen haben wir in einem zusätzlichen § 5 a die Pflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen geregelt. Dabei ging es uns darum, daß für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen hervorgerufen werden können. Gegen die schädlichen Umwelteinwirkungen sollen Maßnahmen getroffen werden, die die Immissionen entsprechend dem Stand der Technik begrenzen. Die Reststoffe, die beim Betrieb der Anlage entstehen, sollen ordnungsgemäß und schadlos beseitigt werden, wenn sie nicht verwertet werden können. Zur Erreichung dieser Forderung wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates entsprechende Vorschriften zu erlassen. Bei der Einreichung von Unterlagen zum Genehmigungsverfahren sollen diese Unterlagen so dargestellt sein, daß es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sollen dabei selbstverständlich gewahrt bleiben.
Bei der Diskussion des Genehmigungsverfahrens spielten die sogenannten Masseneinwendungen eine wesentliche Rolle. Zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens wurde dieses Problem so geregelt, daß die einzelne Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann, wenn außer an den Antragsteller mehr als 500 Zustellungen vorzunehmen sind.
Bei wesentlichen Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen ist für die Entscheidung des Antrages eine Frist von sechs Monaten gesetzt worden, die zwar verlängert werden kann, jedoch die zuständigen Behörden zwingen soll, die Anträge in einer angemessenen Frist auch zu erledigen. Wenn sich vom Genehmigungsantrag im Laufe der Zeit Abweichungen ergeben, sind die Betreiber verpflichtet, dieses der zuständigen Behörde nach Ablauf von jeweils zwei Jahren mitzuteilen.
Neu ist auch ein Paragraph, in dem der Widerruf der Genehmigung geregelt ist. Dieser Widerruf ist möglich, wenn mit der Genehmigung Auflagen verbunden waren und diese nicht beachtet worden sind oder wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre, die Genehmigung zu versagen, und wenn ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde oder schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen sind.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz, das sich im wesentlichen mit genehmigungspflichtigen Anlagen befaßt, ist nicht gesagt, daß Betreiber nicht genehmigungspflichtiger Anlagen ohne Rücksicht auf das allgemeine Wohl im Sinne des Umweltschutzes schalten und walten könnten. § 20 verlangt vom Betreiber nicht genehmigungspflichtiger Anlagen, daß schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und die unvermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle sind ordnungsgemäß nach dein Abfallbeseitigungsgesetz zu beseitigen.
Der dritte Teil des Gesetzentwurfes befaßt sich mit der Ermittlung von Emissionen und Immissionen. Hier können die zuständigen Behörden aus besonderem Anlaß sowohl für genehmigungspflichtige wie nicht genehmigungsbedürftige Anlagen Messungen anordnen. Der Betreiber von genehmigungspflichtigen Anlagen kann im Belastungsgebiet die Auflage erhalten, über Art, Menge, räumliche und zeitliche Verteilung der Luftverunreinigungen eine sogenannte Emissionserklärung abzugeben. Aus dieser Erklärung dürfen Einzelangaben dann nicht veröffentlicht werden, wenn daraus Rückschlüsse auf die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse gezogen werden können.
Der Gesetzentwurf sah 'hier zunächst eine Regelung vor, nach der die Emissionserklärungen nicht veröffentlicht werden durften. Dieser Auffassung hat sich jedoch der Ausschuß nicht anschließen können. Die für die besonderen und kontinuierVolmer
lichen Messungen entstehenden Kosten tragt der Betreiber. Hier folgt der Ausschuß den Weg, den er auch beim Abfallbeseitigungsgesetz gegangen ist, nämlich dem Verursacherprinzip.
Zu Beginn meiner Ausführungen, meine Damen und Herren, konnte ich bereits darauf hinweisen, daß der Ausschuß der Auffassung war, die Beschaffenheit und der Betrieb von Fahrzeugen, der Bau und die Änderung von Straßen und Schienenwegen sollten ebenfalls in diesem Gesetz geregelt werden. Verständlicherweise hat diese Absicht des Ausschusses das Verkehrsministerium auf den Plan gerufen, das uns dann freundlicherweise mehrere sachkundige Beamte in die Arbeitsgruppe schickte. Das Beharrungsvermögen der Politiker und das Formulierungsbemühen der Beamten haben dann jedoch eine gemeinsame Basis gefunden, die in einem neuen Teil dieses Gesetzes ihren Niederschlag fand. Danach müssen Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge so beschaffen sein, daß durch ihre Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen festgesetzten Grenzwerte nicht überschritten werden. Entsprechende Einzelheiten werden durch Rechtsverordnung geregelt. Dabei nimmt das Gesetz Rücksicht auf zwischenstaatliche Vereinbarungen.
Von besonderer Bedeutung ist die mögliche Verkehrsbeschränkung bei austauscharmen Wetterlagen. In einer solchen Smogsituation können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung Gebiete festlegen, in denen der Kraftfahrzeugverkehr beschränkt oder verboten werden kann. Dabei ist die zeitliche Begrenzung zu regeln.
Beim Bau oder bei wesentlicher Änderung öffentlicher Straßen, Eisenbahnen und Straßenbahnen muß nach dem Gesetz sichergestellt werden, daß durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Wenn hier die festgesetzten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, hat der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage gegenüber dem Träger der Baulast einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, z. B. zur Einrichtung von Schallschutzmaßnahmen.
Aller Immissionsschutz hat nur dann Sinn, wenn im Bundesgebiet die Luftverunreinigung ständig überprüft und in Luftreinhalteplänen aufgezeichnet wird. Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben die Aufgabe, diese Feststellungen zu treffen und die für die Entstehung und Ausbreitung bedeutsamen Umstände zu untersuchen. Über die Meßobjekte, Maßverfahren und Meßgeräte sowie die Anzahl und Lage der Meßstellen und die Auswertung der Meßergebnisse erläßt der Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften. Für die Belastungsgebiete sollen die nach Landesrecht zuständigen Behörden ein Emissionskataster aufstellen, welches Angaben über Art, Menge, räumliche und zeitliche Verteilung und die Austrittbedingungen von Luftverunreinigungen enthält.
Lassen Sie mich zum Abschluß, meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Betriebsbeauftragten für Umweltschutz sagen. Der Ausschuß war übereinstimmend der Auffassung, daß ein solcher Beauftragter dringend notwendig ist. Seine Aufgaben sind in § 44 b geregelt. In den Betrieben gibt es inzwischen mehrere Betriebsbeauftragte, so für Arbeitsschutz, für Strahlenschutz, für Umweltschutz. Es besteht durchaus die Möglichkeit, diese verschiedenen Beauftragten in kleineren Betrieben in einer Person, im größeren in einer Abteilung zusammenzufassen. Es wird sicher notwendig sein, für diesen Umweltschutzbeauftragten ein Berufsbild zu entwickeln. Denn neben der rechtlichen Kenntnis aus den zuständigen Gesetzen wird von ihm Verständnis für die Betriebsabläufe und die wirtschaftliche Situation erwartet.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe wie auch die Mitglieder des Innenausschusses sind der Auffassung, daß das zur Verabschiedung anstehende Gesetz ähnlich wie das Abfallbeseitigungsgesetz geeignet ist, die Umwelt, in der wir leben, zu verbessern.
Der nach diesem Gesetz vorgesehene Bericht der Bundesregierung - jeweils ein Jahr nach dem ersten Zusammentritt eines Bundestages, d. h. also, den normalen Zeitablauf vorausgesetzt, 1977 - gibt diesem Hause dann die Möglichkeit, über die Qualität des Gesetzes zu befinden.
Für den Innenausschuß und die mitberatenden Ausschüsse bitte ich Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter und gebe dem weiteren Berichterstatter, dem Abgeordneten Konrad, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag wird heute mit dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge ein umfangreiches Gebiet regeln, das mit Recht als „Kernbereich des Umweltschutzes" bezeichnet worden ist und bezeichnet werden darf. Die Ihnen vorliegende Antragsdrucksache 7/1508 läßt erkennen, wie sehr der eingebrachte Entwurf, dem in der 6. Wahlperiode der sanfte Tod der Diskontinuität beschieden war und der in der 7. Wahlperiode, wohlverpackt in der ersten Sammelvorlage der Bundesregierung zur Wiedereinbringung, fröhliche Urständ feiern durfte, in den Beratungen des Innenausschusses und seiner Arbeitsgruppe ergänzt und entwickelt wurde. Der Herr Kollege Volmer hat die Einzelheiten so treffend hervorgehoben, daß ich mich auf einige wenige Grundlinien beschränken kann.
Es entspricht dem Hauptzweck des Entwurfes, durch eine grundlegende Neuordnung des Immissionsschutzrechtes bundeseinheitlich zu bewirken, daß der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und vor den von genehmigungsbedürftigen An4680 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Konrad
lagen ausgehender Gefahren durch die Pflicht ergänzt wird, dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen. Dieser tragende Gedanke der Vorsorge, in den beiden Anhörverfahren als Forderung sehr nachdrücklich geltend gemacht, durchzieht jetzt wirkungsvoll das ganze Gesetz. So findet er sich beispielsweise unter den Pflichten der Betreiber genehmigungspflichtiger Anlagen wörtlich, bei den Betreibern nicht genehmigungspflichtiger Anlagen und im neuen Vierten Teil des Gesetzes, das die Verkehrsemissionen zum Inhalt hat, dem Sinne nach wieder.
Der neu in den Katalog der Begriffsbestimmungen aufgenommene „Stand der Technik" lehnt sich zwar an die Praxis der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden an, die sich auf Grund der technischen Anleitungen zur Reinhaltung der Luft und zum Schutz gegen Lärm entwickelt hat; die in gründlichen Erörterungen gefundene, auf einem Kompromiß beruhende Fassung gestattet aber, die bisher sehr statische Handhabung der Prüfung der Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen der technischen Entwicklung und den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Ohne einem „Übermut der Ämter" das Wort zu reden, muß gegenüber der Industrie das Selbstbewußtsein der Behörden gestärkt werden, die mehr als in der Vergangenheit und gestützt auf ihre Sachkunde den Entwicklungsstand der Emissionsbegrenzung bestimmen können und bestimmen müssen.
Entschiedener Hervorhebung bedarf die Tatsache, daß der im Entwurf der Bundesregierung verankerte umfassende Immissionsschutz in den Beratungen aufrechterhalten wurde. Keine Quelle schädlicher Umwelteinwirkungen bleibt unerfaßt, mag sie hoheitlicher oder privater Natur sein, zum Verkehr oder zur Produktion gehören, den Bereichen des Gewerbes oder der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sein.
Nachdrücklich muß daran erinnert werden, daß die allseits beklagte mosaikartig zusammengesetzte Regelungsbefugnis des Bundes für den Immissionsschutz Anlaß zur Grundgesetzänderung gewesen ist. Es wäre deshalb ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen die selbständige konkurrierende Vollkompetenz gewesen, ordnungsgemäß land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke ausdrücklich aus dem Begriff der Anlagen, auf die das Bundes-Immissionsschutzgesetz Anwendung findet, herauszunehmen. Im Rahmen ordnungsgemäßer land-und forstwirtschaftlicher Nutzung gehören entsprechende Grundstücke ohnehin nicht zu den Anlagen. Für die sachgemäße, das Wohl der Allgemeinheit nicht gefährdende Düngung ist in § 15 des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 7. Juni 1972 eine Sondervorschrift enthalten. Die Sorgen der Landwirtschaft sind demnach in diesem Punkte unberechtigt und wenig verständlich. Andererseits können bei der zunehmenden Siedlungsdichte die von Anlagen der Land- und Forstwirtschaft ausgehenden Immissionen im Hinblick auf berechtigte Ansprüche der Bevölkerung nicht leicht genommen werden.
Eine nicht zu leugnende Lücke des Regierungsentwurfs ist - auch dies ein Ergebnis der Anhörungen -- dadurch geschlossen worden, daß die vom Verkehr in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ausgehenden Luftverunreinigungen und Lärmbelästigungen jetzt einer gesetzlichen Regelung zugeführt wurden, die wesentlich stärker als in der Vergangenheit im Sachinhalt und in der Zuständigkeit den Immissionsschutz neben die Anforderungen an Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs rückt. Wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Verkehrsministerium und die Zusammenarbeit beider mit den Länderministerien bei Erlaß der Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im Verkehrsbereich nur annähernd so gut und so erfolgreich sein wird wie bei der Gesetzesberatung, könnten schönste Hoffnungen berechtigt sein. Die Menschen unseres Landes aber werden dem Bau öffentlicher Straßen und Schienenbahnen mit geringeren Sorgen vor schädlichen Umwelteinwirkungen entgegensehen dürfen, die Baulastträger dagegen mit größeren Sorgen wegen der höheren Kosten der Trassierung oder für Lärmschutz und wegen möglicher Entschädigungen in Geld.
Das Verursacherprinzip, das das gesamte Umweltrecht durchziehen muß, ist im Immissionsschutzgesetz folgerichtig und zweckmäßig erweitert worden. Serienmäßig hergestellte Teile von Betriebsstätten und sonstigen ortsfesten Einrichtungen, Maschinen, Geräte, ortsveränderliche technische Einrichtungen, Stoffe und Erzeugnisse der verschiedensten Art, dazu 'Brenn- und Treibstoffe, unterliegen dem Gesetz. Damit ist, was sehr genau beachtet werden sollte, der Immissionsschutz auf die Produktions- oder Vertriebsstufe vorverlagert worden.
Mit dem Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz ist zwar nicht der erste Schritt in gesetzgeberisches Neuland getan worden, wie Herr Kollege Volmer zutreffend hervorgehoben hat; er hat gewisse Vorläufer. Aber die Rechtsstellung der in genehmigungsbedürftigen Anlagen von einer bestimmten Größe an für umweltfreundliche Verfahren und Erzeugnisse und für die Einhaltung des Gesetzes verantwortlichen Person ist umfassend und richtungweisend ausgestaltet. Die hier zu sammelnden Erfahrungen könnten für andere Gesetzgebungsbereiche, nicht nur die des Umweltschutzes, wertvoll werden.
Bliebe noch das leidige Kapital der Verstöße gegen den Immissionsschutz. Bußgelder bis zu 100 000 DM für Ordnungswidrigkeiten, abgestuft nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit und der Vorschrift, gegen die verstoßen wird, Geld- und Freiheitsstrafen treffen den Umweltsünder. Dabei entspricht es der gewandelten Auffassung vom Umweltschutz, daß bei der sogenannten abstrakten Gefährdung Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, bei der Gefährdung von Leben oder Gesundheit eines Menschen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren angedroht ist.
Diese sichtbaren Arbeitsergebnisse bemühter Abgeordneter schließen vielfach auszusprechenden Dank nicht aus. Er gebührt zuerst dem Herrn Innenminister, der den Entwurf dieses Gesetzes von seiner
Ankündigung in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 über das Sofortprogramm vom 17. September 1970 bis zum Umweltprogramm der Bundesregierung vom 14. September 1971 und zur Regierungserklärung vom 18. Januar 1972 angeregt, seine Wichtigkeit unermüdlich beteuert und ihn vorgelegt hat. Die Mitarbeiter seines Hauses sind in den Dank eingeschlossen. Sie haben sich in der Zeit der parlamentarischen Beratung von manchen Sachinhalten und Formulierungen trennen müssen, denen sie gesetzgeberischen Dauerwert zugedacht hatten. Diese Selbstprüfung haben sie ebenso bestanden, wie sie zahllosen Anforderungen von Formulierungshilfen für den neuen umweltpolitischen Gedanken willig und hilfreich entsprochen haben. Mag solche Unterstützung auch als selbstverständliche Pflicht angesehen werden, sie hat die Verhandlungen der Arbeitsgruppe wesentlich beschleunigt und den Innenausschuß entlastet.
Es wäre ungerecht, vom Dank für ministerielle Hilfe die Herren des Verkehrsministeriums auszunehmen, die am Anfang die fast furchterregende Zahl, mit der sie in die Arbeitsgruppensitzungen einfielen, womöglich für das stärkste Argument zur Verteidigung ihrer alleinigen Umweltzuständigkeit im Verkehrsbereich hielten. Als aber die parlamentarisch-ministeriale Front der inneren Verwaltung hielt, erwiesen sich die Spezialisten für Straßen-, Schienen- und Wasserfahrzeuge einschließlich der Straßen- und Eisenbahnbauer als eine einfalls- und hilfreiche schnelle Truppe, die auf Umweltgewinn im Fernstraßengesetz verzichtete und dazu beitrug, daß der große Bereich des Verkehrs mit seinen gefährlichen Quellen der Luftverunreinigung und der Lärmbelästigung von der raumbedeutsamen Planung bis zur Benutzung der Verkehrswege einem einheitlichen Immissionsschutzgesetz unterworfen wird.
Ohne die beiden öffentlichen Anhörungen vom 14. Juni 1971 und vom 22. Mai 1973 wäre der Gesetzentwurf gewiß nicht zu seiner heutigen Form entwickelt worden. Auch wenn nicht alles, was von umweltengagierten Bürgern und ihren Zusammenschlüssen, von Sachverständigen, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden vorgetragen wurde, Eingang in das Gesetz gefunden hat, kommt in unserer Bereitschaft, manchem Rat zu folgen, doch der Dank des Bundestages für die teils uneigennützig, teils in berechtigter Wahrnehmung menschlicher und wirtschaftlicher Interessen gewährte Unterstützung eines Gesetzes mit beträchtlichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die Wirtschaft zum Ausdruck.
Wie schon in früheren Fällen haben der Bundesrat und die Bundesländer die Arbeit der Bundestagsabgeordneten durch besonders sachkundige Beratung unterstützt. Die dem Innenausschuß bzw. seiner Arbeitsgruppe sehr willkomene und nirgendwo umschriebene Gemeinschaftsaufgabe der Förderung von für Bund und Länder gleichermaßen wichtigen Gesetzen hat ohne Streckung der Beteiligten und ohne Streit über Mitleistungsverpflichtungen Ergebnisse gezeitigt, die uns vom Bund her zu Dank verpflichten und hoffentlich bei der Ausführung des Gesetzes - vielleicht sogar schon durch Unterdrückung eines Vermittlungsbegehrens - Früchte tragen werden.
Das Schwergewicht der durch weitgehende Übereinstimmung in Grundsatzfragen gekennzeichneten Beratungen lag bei der Arbeitsgruppe. So muß es erlaubt sein, von dieser Stelle aus ihrem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Volmer, Anerkennung dafür zu zollen, daß er mit zügiger und sachkundiger Leitung viel zur zeitgerechten Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens beigetragen hat.
Und wiederum wäre es nicht gerecht, die Welle des Dankes vor dem Vorsitzenden des Innenausschusses verlaufen zu lassen. Sein Vertrauen, ein in der Sache schwieriges und in seiner Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen und die Entwicklung der Wirtschaft nicht zu unterschätzendes Gesetzgebungsverfahren auf Grund früherer Erprobungen in großen Teilen den Verhandlungen in der Arbeitsgruppe zu überlassen, läßt sich kaum durch schlichten Dank aufwiegen, vielleicht schon eher mit dem, was nun nur mit geringeren Spuren seiner ordnenden Hand und seiner lenkenden Erfahrung vorgelegt wird.
Es ist das Schicksal des Ausschußsekretariats, mit dem letzten und fast schon von Kurzatmigkeit geprägten Dank bedacht zu werden. Mögen Herzlichkeit und Aufrichtigkeit allen, denen er gilt, nicht verborgen bleiben!
Was unter so viel Beistand von sachkundiger und gutwilliger Hilfe das Licht der Gesetzeswelt erblicken soll, zeigt sich richtig erst einem Blick zurück. Er soll ohne Zorn, aber nicht ohne Kritik sein. Es hat lange, zu lange gedauert, bis - um ein Wort des angesehenen Rechtslehrers Savigny fast mißbräuchlich aufzugreifen - der „Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung" auf dem Gebiet des Umweltschutzes erkannt und ergriffen wurde. Heute tilgen wir endlich in einem nicht ganz kleinen Bereich ein Gemisch aus Bundes- und Landesrecht. Denken wir an die Novelle vom 22. Dezember 1959, mit der die damals schon fast hundert Jahre alte Gewerbeordnung nur teilweise und unter Beschränkung auf den gewerblichen Bereich für den Immissionsschutz geändert wurde. Das mutet aus heutiger Sicht fast als Mangel an gesetzgeberischem Weitblick, Konzept und Mut an. Irgendwie muß es damals ähnlich empfunden worden sein. Denn gleichzeitig wurde ein inhaltlich in späteren Jahren öfter wiederholter Entschließungsantrag an die Bundesregierung verabschiedet, „weitere gesetzliche und sonstige Maßnahmen vorzuschlagen, die geeignet sind, auch die Verunreinigung der Luft durch nicht gewerbliche Anlagen, z. B. Wohnhausfeuerungen und Kraftfahrzeuge, wesentlich einzuschränken". Mir scheint, daß die damaligen Kollegen vertrauensvoll die Aufgabe, die sie noch nicht lösen wollten oder konnten, an spätere parlamentarische Generationen weitergegeben haben. Sehen Sie es mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte einmal nach, wenn ich diesen Vorgang in einem Wort eines wenig bekannten Dichters zusammenfasse, der vor längerer Zeit in Eutin gelebt hat. Leopold Graf zu Stolberg läßt in seinem „Lied eines alten schwäbischen Ritters an seinen Sohn" diesen sagen: „Sohn, da hast
du meinen Speer." Hoffen wir, 14 Jahre später mit ihm auf der Scheibe des Umweltschutzes ins Schwarze getroffen zu haben!
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Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter hat rechtzeitig geendet, bevor jemand den erwähnten Speer ergriffen und auf diese Weise die Berichterstattung beendet hätte.
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Ich danke Ihnen, Herr Kollege Konrad. Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe die §§ 1 und 2 auf. Ich nehme Zustimmung an.
Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag vor. Zur Begründung des Änderungsantrags hat der Herr Abgeordnete Susset das Wort. Ich frage Sie, Herr Kollege: Wollen Sie den Änderungsantrag unter Ziffer 2 gleich mitbegründen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag Drucksache 7/1546 wurde im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten am 30. November 1973 von allen Fraktionen dieses Hauses einstimmig als Formulierungshilfe an den Innenausschuß überwiesen. Im Innenausschuß fand dieser Vorschlag dann keine Mehrheit. Er wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Herr Abgeordneter Susset, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schulte?
Ich habe den Antrag nicht ganz verstanden. Besagt er, daß der Misthaufen bleibt, wo er ist?
Ich glaube, wir brauchen hierauf im Moment nicht einzugehen, Herr Kollege Schulte.
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Wir haben damals den Antrag im Innenausschuß abgelehnt bekommen, obwohl der Obmann des Innenausschusses, unser Kollege Miltner, und die Vertreter der CDU/CSU diesem Antrag ihre Zustimmung gaben.
Nun, das Vorhaben des Bundestags, einen rationellen und effektiven Immissionsschutz zu schaffen, findet die grundsätzliche Zustimmung der Antragsteller. Aber ich meine, daß man bei allen Maßnahmen zur Verminderung oder Verhütung von Immissionen aller Art sowohl das allgemeine Wohl als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auch in den Einzelbestimmungen des Gesetzes wohlabgewogen berücksichtigen muß.
Nach § 2 des Entwurfs gelten die Vorschriften des Gesetzes für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen aller Art sowie für die verschiedenen Tätigkeiten, wie sie dort im einzelnen aufgeführt sind. § 2 Abs. 2 bringt die Ausnahmebestimmung für solche Anlagen, Geräte und Vorrichtungen, die nicht unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen sollen. Die Land- und Forstwirtschaft ist mit der Errichtung und dem Betrieb ihrer Unternehmen und ihrer beruflich unerläßlichen Tätigkeit nicht in diesen Ausnahmen aufgeführt. Wenn aber ein landwirtschaftlicher Betrieb eine Betriebsstätte im Sinne des
§ 3 Abs. 5 darstellt und die Landwirtschaft auf einem Grundstück betrieben wird, auf dem Stoffe gelagert sind oder Arbeiten durchgeführt werden, die Immissionen verursachen können, so handelt es sich auch da um Anlagen im Sinne des Immissionsschutzgesetzes. Und hier meinen wir, daß auch für die Land- und Forstwirtschaft der Grundsatz der Abwägung der Interessen zwischen allgemeinen Forderungen und den wirtschaftlichen Auswirkungen entsprechend angewandter gesetzlicher Bestimmungen gilt.
Um diesem Grundsatz in ausreichendem, aber notwendigem Umfang Geltung zu verschaffen, haben wir nun diesen entsprechenden Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag für den § 3 und einen neuen § 23 a zum vorliegenden Entwurf vorgelegt. Wenn der unveränderte Text des § 3 und der nicht ergänzte Inhalt des § 23 der Vorlage geltendes Recht würden, dann würden in Zukunft schon behördliche Eingriffe möglich sein, wenn die von einem Grundstück ausgehenden Emissionen für die Umgebung des Grundstücks im Sinne des Gesetzes schädlich sein können. Im Gegensatz zum vorliegenden Text des Entwurfs nahm das bisher für diese Materie allein zuständige gültige Abfallbeseitigungsgesetz auf die lebensnotwendigen Erfordernisse in der Landwirtschaft in vollem Umfang Rücksicht. Herr Kollege Konrad ist soeben auf dieses Abfallbeseitigungsgesetz eingegangen und hat erklärt, er könne nicht verstehen, daß nun aus der Landwirtschaft eine gewisse Sorge zu uns dringe, wenn in diesem Immissionsschutzgesetz nicht ähnlich verfahren werde. Wenn Herr Kollege Konrad erklärt, daß das nicht notwendig sei, dann frage ich mich, warum man sich dann so dagegen sträubt, wenn es nicht notwendig ist, es in das Gesetz aufzunehmen. Nach § 14 Abs. 1 des Abfallbeseitigungsgesetzes unterlag das übliche Maß der landwirtschaftlichen Düngung weder dem Gebot der umweltfreundlichen Beseitigung noch der behördlichen Überwachung nach dem Abfallbeseitigungsgesetz. Hier geht man davon aus, daß die Beseitigung der genannten Stoffe im Umfang des üblichen Maßes umweltfreundlich ist und daher einer behördlichen Regelung und Überwachung nicht bedarf.
Der uns vorliegende Entwurf zu einem Immissionsschutzgesetz sieht in seinem derzeitigen Text eine im Abfallbeseitigungsgesetz entsprechende Bestimmung nicht vor. Würde dies geltendes Recht, so würden in Zukunft, wie schon vorhin gesagt, behördliche Eingriffe möglich, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb die genannten Stoffe betriebsüblich und ordnungsgemäß lagert oder verwendet. Wann aber eine Immission schädlich ist, bleibt dabei ungewiß. Ohne eine gesetzliche Begrenzung könnte sie auch dann nachdem Immissionsschutzgesetz schädlich sein, wenn sie nach dem Abfallbeseitigungsgesetz
noch als eine umweltfreundliche Beseitigung von Abfällen anzusehen wäre. Um diesen Widerspruch zu beseitigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die Rechtssicherheit aufrechtzuerhalten, sollten die beiden Gesetze in Übereinstimmung gebracht werden. Diesem Anliegen Rechnung zu tragen ist Sinn und Ziel des Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschlags.
Wenn nun der landwirtschaftliche Unternehmer - das gilt für § 23 a, der übrigens im Ausschuß von unserem Kollegen Ronneburger eingebracht wurde und den wir dann im Ausschuß auch voll übernommen haben - mit seinen ordnungsgemäß genutzten Grundstücken nach dem Änderungsvorschlag zu § 3 in die Ausnahmen des Abs. 5 aufgenommen ist, so unterliegt er auch nicht der Bestimmung des § 23 des Entwurfs, der die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden bei genehmigungsbedürftigen Anlagen regelt. Dessenungeachtet soll dem Landwirt aber die Möglichkeit eröffnet werden, sich hinsichtlich seiner gewohnheits- und ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Tätigkeiten vor ungerechtfertigten Vorwürfen und Angriffen zu schützen, und er muß die Möglichkeit erhalten, sich freiwillig einer Überprüfung seiner Anlagen und seiner Tätigkeiten durch die für genehmigungsbedürftige Betriebe zuständige Behörde zu unterwerfen. Diesem Anliegen dient § 23 a.
Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft unterliegt den schärfsten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen innerhalb der EWG. Wir haben das schärfste Pflanzenschutzgesetz. Wir haben diese Dinge immer mit getragen, weil wir der Meinung sind, daß der Verbraucher ein Anrecht darauf hat. Aber in anderen Ländern kümmert man sich überhaupt nicht darum. Wenn nun dieses Immissionsschutzgesetz, wie heute vorgeschlagen, in Kraft träte, hätten wir eine weitere schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der deutschen Landwirtschaft. Dies bitte ich zu bedenken. Ich möchte nochmals daran erinnern: diese Änderungsanträge waren einstimmiger Beschluß des Ernährungsausschusses, und sie wurden auch von der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuß getragen. Ich bitte um die Zustimmung.
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Damit sind die Änderungsanträge auf der Drucksache 7/1546 begründet. Das Wort hat dazu der Herr Abgeordnete Konrad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können diesem Antrag von den Koalitionsfraktionen aus nicht zustimmen. Wir haben ihn im Innenausschuß gründlich nach allen Richtungen hin beraten. Ich kann dazu ganz kurz folgendes sagen.
Eine allgemeine Herausnahme der ordnungsgemäß land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke aus dem Begriff der Anlage kann nicht in Frage kommen. Das wäre eine einseitige Begünstigung. Dasselbe müßte dann auch für kleingärtnerisch genutzte Grundstücke und Anlagen gelten, und vielleicht wären, was überhaupt Immissionen anlangt, Kinderspielplätze ähnlich zu betrachten.
Worum es der Landwirtschaft wirklich geht, ist, keine Beeinträchtigung bei der Düngung zu erfahren. Das ist ein berechtigtes Anliegen, das durch § 15 des Abfallbeseitigungsgesetzes abgedeckt ist. Es steht fest, daß diese Spezialvorschrift dem Immissionsschutz vorgeht.
Der zweite Teil des Antrages zu § 23 würde Konsequenzen auslösen, die im Augenblick gar nicht zu übersehen sind. Denn diese Vorschrift dürfte ja nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe gelten. Richtig ist, daß nach der jetzigen Regelung, gleichgültig ob es gewerblicher, privater oder landwirtschaftlicher Sektor ist, das Immissionsschutzgesetz Anwendung findet. Aber soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, bleibt es beim bisherigen Rechtszustand. Die Bundesregierung wird durch Rechtsverordnung die Grenzen der Genehmigungspflicht festsetzen. Sie könnte die gegenwärtigen Grenzen bei bestimmten Formen der Massentierhaltung ändern, wenn dafür ein Bedürfnis besteht.
Wenn es aber ganz allgemein darum geht, Betriebe durch eine freiwillige Unterwerfung in das Verfahren für genehmigungsbedürftige Anlagen zu bringen, muß berücksichtigt werden, daß am Ende des Verfahrens der Schutz des § 14 des Gesetzes steht. Dieser Schutz kann wirklich nur den Großemittenten vorbehalten bleiben, nachdem sie das Verfahren durchlaufen haben. Mit einer Fülle von Verfahren für Betriebe, die gar nicht eine solche Gefährdung ausstrahlen, würden die Behörden hoffnungslos überlastet werden.
Unter diesen Umständen können wir, wie schon im Innenausschuß, dem Antrag nicht beipflichten. Im Innenausschuß ist auch der Antrag auf Einfügung eines § 23 a einhellig nicht angenommen worden.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer dem Antrag auf Drucksache 7/1546 unter Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über § 3 in der Ausschußfassung ab. Wer zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und zwei Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe auf §§ 5, 5 a, 6, 6 a, 7, 8, 9. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf §§ 11 bis 15, 15 a, 16 bis 19, 19 a, 20 bis 23. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir stimmen nunmehr über den Antrag der CDU/ CSU ab, hinter § 23 einen § 23 a einzufügen. Der
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Antrag ist bereits begründet worden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr die Paragraphen des Dritten Abschnitts auf, und zwar die §§ 24 bis 32, 32 a, 33, 35, 35 a bis f, 36 bis 44, 44 a bis f, 45 bis 48, 48 a, 49 bis 59, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Einstimmig
angenommen.
Damit ist das Gesetz in der zweiten Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich zu Anfang der Legislaturperiode zum Immissionsschutzgesetz auf eine harte Auseinandersetzung gefreut hatte, sieht sich enttäuscht. Schon die Berichterstattung hat teilweise so lyrische Elemente gehabt, daß man wirklich an den Zusammenhang zwischen Blumen und Immissionsschutz erinnert wird. Wir möchten am Ende der parlamentarischen Beratung dieses Gesetzes ausdrücklich auch den Kollegen der Opposition, soweit sie im Innenausschuß an dem Gesetz mitgearbeitet haben, für die gute Zusammenarbeit herzlich danken.
Das Gebiet, auf dem wir uns hier bewegen, zwingt zu Sachlichkeit und zu Nüchternheit. Das ist gut für die Sache, aber schlecht für die Publizität. Es ist von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden, daß hier ein Gesetz vorgelegt und verabschiedet wird, das wesentliche Neuerungen auf dem Gebiete des Immissionsschutzes enthält und eine echte und weittragende Reform darstellt. Noch vor wenigen Wochen war im Zusammenhang mit der Energiekrise die Vermutung - um nicht zu sagen: die Hoffnung - geäußert worden, daß es nun wohl mit dem Umweltschutz für absehbare Zeit vorbei sei, wenn zahlreiche Feuerungsanlagen von Öl oder Erdgas auf Kohle umgestellt werden müssen. Es wäre verhängnisvoll, wenn wir unter dem Eindruck aktueller Sorgen darauf verzichten, alles Notwendige zu tun, um die Lösung von Problemen vorzubereiten, die beginnen, die menschliche Existenz in den industrialisierten Ländern dieser Welt nicht nur zu beeinträchtigen, sondern ernsthaft zu gefährden - und dies unabhängig von der Wirtschaftsform und von dem System, in dem sich die einzelnen Staaten befinden.
Dieses Gesetz hatte mehrere Probleme zu lösen.
Erstens. Wir wollten uns im Bereich des Immissionsschutzes von der Gewerbeordnung trennen, und wir haben das gegen heftige Widerstände getan.
Zweitens. Wir wollten alle Emittenten von Lärm und Luftverunreinigung erfassen, gewerbliche ebenso wie private. Das kann zahlenmäßig eindrucksvoll begründet werden. Die Hälfte aller Emissionen von Luftfremdstoffen, nämlich 10 Millionen t im Jahr, stammen aus dem Bereich des Verkehrs, 7,8 Millionen t stammen von Kraftwerken, privaten Haushalten und anderen Feuerungsanlagen und 2,2 Millionen t, also „nur" 11 % der gesamten Emissionen, stammen aus Produktionsanlagen - übrigens ein Wert, der ständig abgenommen hat. Im Ruhrgebiet ist im Vergleich zu den Jahren 1963 und 1964, also in den letzten zehn Jahren, die Staubniederschlagsmenge um 122 000 t - das sind 39 % -zurückgegangen. Die Zeiten, in denen ein einziger Thomas-Konverter im Monat 2000 t Staub in die Luft wirbelte, so daß man für jeden Konverter besondere Reinigungskolonnen einrichten mußte, sind vorbei. Das öffentliche Bewußtsein muß zur Kenntnis nehmen, daß der berühmte Herr Jedermann als Umweltverschmutzer nun ebenbürtig neben die Betreiber großer Anlagen getreten ist.
Der dritte Punkt: Umweltschutz ist technisches Recht. Technische Grenzwerte können nicht im Gesetz, sondern müssen in Verordnungen festgesetzt werden. Die im Gesetz enthaltenen zahlreichen Ermächtigungen setzen ein erhebliches Vertrauen in die Exekutive voraus. Sie schieben ihr aber auch die Verantwortung dafür zu, daß dieses Gesetz nicht nur Papier bleibt, sondern mit Leben erfüllt wird. In dieser Verpflichtung müssen Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten.
Die wesentlichen Neuerungen dieses Gesetzes sind von den Berichterstattern hier schon vorgetragen worden. Ich will einige noch einmal nennen.
In erster Linie ist das Vorsorgeprinzip zu betonen. Umweltschutz soll nicht nur eine Reaktion auf entstandene Schäden und Gefahren, sondern ein planmäßiges Vorausschauen und Handeln sein. Es muß heute dafür gesorgt werden, daß morgen keine Umweltschäden eintreten.
Die Umweltschutzmaßnahmen der Unternehmen müssen sich nach dem jeweiligen Stand der Technik richten, den wir neu definiert haben, und zwar so, daß unter Umständen auch solche Maßnahmen gefordert werden können, die im Betrieb noch nicht eingesetzt worden waren. Das ist eine echte und progressive Neuheit. Mit dieser Formulierung soll verhindert werden, daß die Anwendung neuer Entwicklungen nur deswegen nicht vorgeschrieben werden kann, weil beteiligte Unternehmen noch nicht einsichtsvoll genug waren, solche Neuentwicklungen einmal auszuprobieren. Insbesondere der Herr Kollege Gruhl hatte diesen Gedanken stets betont.
Neu ist eine allgemeine Rechtspflicht der Betreiber gewerblicher Anlagen, keine schädlichen Umwelteinwirkungen auszulösen und auch die im Produktionsgang entstehenden Reststoffe zu beseitigen
Auch das Genehmigungsverfahren ist von Grund auf neu gestaltet worden. Wir haben es mit einem Maximum an öffentlicher Kontrolle ausgestattet und haben auch bei Masseneinwendungen an strengen rechtsstaatlichen Grundsätzen festgehalten. Dieses Problem hat uns lange beschäftigt. Wir erleichtern das Zustellungsverfahren bei Einwendungen wenn es sich um mehr als 500 Zustellungen handelt
Es müssen die Erfahrungen abgewartet werden, die mit diesem System der Behandlung von Masseneinwendungen gemacht werden. Sind sie unbefriedigend, werden wir auf das Institut der Verbandsklage zurückkommen müssen, das in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten zu brauchbaren Ergebnissen geführt haben soll.
Neu ist die Erleichterung der Möglichkeit nachträglicher Anordnungen auch bei solchen Anlagen, die Bestandsschutz genießen. Völlig neu ist die bundesrechtliche einheitliche Erfassung nichtgewerblicher Anlagen, zu denen die eben erörterte Landwirtschaft ebenso gehört, wie private Ölheizungen dazu gehören.
Ein besonderes Problem hat die Kontrolle der Emissionen dargestellt. Dabei will ich hier noch einmal besonders die Verpflichtung zur Abgabe von Emissionserklärungen, die in der Regel veröffentlicht werden können, sowie die Einrichtung von Emissionskatastern und Luftreinhalteplänen hervorheben.
Erstmals wird der Umweltschutz auch auf Produkte ausgedehnt sowie auch auf die Konstruktion serienmäßig hergestellter Anlageteile und die Zusammensetzung von Brennstoffen und anderen Stoffen.
Neu ist die Erfassung der Beschaffenheit und des Betriebs von Fahrzeugen aller Art, neu ist die Erfassung des Baus und der Änderung von Straßen und Schienenwegen. Abgesehen von der Trassenführung müssen solche Anlagen mit bestimmten
Schallschutzmaßnahmen versehen werden, sonst losen sie Entschädigungspflichten aus. Diese Regelungen werden für den zukünftigen Straßenbau von außerordentlicher Bedeutung sein. Die Umwelt wird vor allem in den Ballungsgebieten durch Verkehrsanlagen und Fahrzeuge schwer belastet. Die Unmenschlichkeit mancher unserer Großstädte beruht überwiegend auf dem Lärm und den Abgasen der Autos und dem Lärm der Straßenbahn. Die Kommunalpolitiker unter Ihnen werden mir in der Einschätzung der ungeheuren Kraftanstrengungen zustimmen, die bisher notwendig waren, wenn man beim Bau einer überregionalen Straße eine bestimmte Trassenführung zum Schutz der Landschaft oder der dort wohnenden Menschen erreichen wollte. Das wird durch dieses Gesetz erleichtert werden.
Schließlich ein paar Worte zu dem Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz: Wir haben bei dieser Einrichtung der Versuchung widerstanden, sie als eine öffentliche Kontrollinstanz auszustatten. Der Betriebsbeauftragte wird innerhalb des Betriebes mit Rechten und Pflichten versehen, die ihm eine gesicherte Rechtsstellung gewähren, und zwar im Interesse der Erfüllung seiner Aufgabe für ein fortschrittliches Umweltbewußtsein des Unternehmens, in dem er tätig ist, und dies auch dann, wenn die Unternehmensleitung gegenüber diesem Gedanken nicht von vornherein aufgeschlossen sein sollte. Der Betriebsbeauftragte in dieser Form ist ein Angebot an die Wirtschaft, eigenverantwortlich wirksamen Umweltschutz zu betreiben. Es kann nach unseren Beratungen kein Zweifel daran bestehen, daß die Befugnisse dieses Betriebsbeauftragten vom Gesetzgeber weiter ausgebaut würden, wenn die Erfahrungen zeigen sollten, daß die jetzige Regelung eine wirksame Arbeit dieses Immissionsschutzbeauftragten nicht sichert. Die Ausführung des Gesetzes liegt bei Bund, Ländern und Gemeinden; sie haben damit eine hohe Verantwortung. Wir erwarten, daß die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Verordnungen zügig und ohne schuldhaftes Zögern erlassen werden.
Der im Gesetz vorgesehene Bericht der Bundesregierung wird künftig jeweils am Beginn einer Legislaturperiode erstattet werden müssen, so daß für das Parlament dann ausreichende Möglichkeiten bestehen, aus diesem Bericht noch während der laufenden Legislaturperiode gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen.
Wir sind der Überzeugung, daß mit diesem Gesetz das erforderliche Instrumentarium geschaffen worden ist, um auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung und der Luftreinhaltung erhebliche Fortschritte zu erzielen. Jedes Instrument ist aber nur so gut wie derjenige, der es benutzt. Dazu ist die öffentliche Hand ebenso aufgerufen wie die private Wirtschaft.
Dieses Gesetz gehört zu den wesentlichen Reformwerken der sozialliberalen Koalition. Es gilt, nicht nur das zersplitterte und unübersichtliche Recht zusammenzufassen, sondern durch neue und großzügige Lösungen der schlichten Bedrohung unserer biologischen Existenz Herr zu werden. Der Bundesinnenminister und die Koalitionsfraktionen haben mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein weiteres Wahlversprechen eingelöst.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gruhl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die letzten Worte meines Kollegen Hirsch sogleich aufzugreifen, möchte ich daran erinnern, daß auch unter früheren Regierungen bereits Gesetze und vor allen Dingen Verordnungen sowie technische Anleitungen erlassen worden sind. Ich gebe aber den Kollegen recht, wenn sie sagen, daß das Problem im Laufe der letzten Jahre trotzdem immer dringlicher geworden ist. Infolgedessen hat sich die CDU/CSU- Bundestagsfraktion in der ersten großen Umweltdebatte dieses Hauses im Dezember 1970 für ein weitgehendes Umweltprogramm ausgesprochen, insbesondere auch für ein neues Gesetz gegen Luftverunreinigungen und Lärm.
Wir sind auch der Meinung, daß dieses Gesetz, das der Bundestag heute einstimmig beschließt, das wichtigste Gesetz aus dem Bereich „Umwelt" ist, das wir in den letzten Jahren beschlossen haben, und ich halte es für eines der dringlichsten und bedeutendsten Gesetze überhaupt, wenn man auch auf die technischen Einzelheiten hier in der Debatte nicht eingehen kann. Meine Kollegen haben bereits einige Schwerpunkte daraus hervorgehoben.
Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich nicht nur die Tatsache der Verabschiedung, sondern ganz besonders auch die vielen tiefgreifenden Verbesserungen dieses Gesetzes während der Ausschußberatungen. Gestatten Sie mir zum Beweis der besonderen Notwendigkeit dieses Gesetzes einige Ausführungen über den Stand der Gesundheit der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland.
Diese hat ihre schärfste Meßzahl in der Lebenserwartung der Menschen dieses Landes. Dazu bringt das Statistische Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1973 alarmierende Zahlen;
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diese haben allerdings in den benachbarten Industrieländern Parallelen. Die Lebenserwartung steigt
entgegen der weitverbreiteten Ansicht - nicht mehr; sie sinkt ganz einwandfrei schon seit vielen Jahren. Bei den Männern wurde der höchste Stand der Lebenserwartung Mitte der 60er Jahre erreicht, wo ein einjähriger Junge mit weiteren 68 Lebensjahren rechnen konnte. Bereits in den Jahren 1968 bis 1970 war die Lebenserwartung für alle lebenden Jahrgänge geringer, und zwar im Mittel um fast ein halbes Jahr.
Bei den Frauen liegt die Lebenserwartung von Natur aus schon immer im Durchschnitt höher. Sie betrug nach der deutschen Statistik fünf Jahre mehr. Nur in den ältesten Altersstufen ist die Differenz zu den Männern gering. Mit einer zeitlichen Verzögerung nimmt nun auch die Lebenserwartung der Frauen in der Bundesrepublik ab. Diese hatte in der Spitze in den Jahren 1967/68 etwa 74 Jahre erreicht und ist nun rückläufig. Dieser Umschlag in das Gegenteil trat bereits zu einer Zeit ein, als noch ganze Bataillone von Futurologen den Menschen eine sagenhafte Lebenszeit verkündeten. Mit der tatsächlichen Entwicklung befassen sich leider nur wenige wie z. B. Martin Urban in der „Süddeutschen Zeitung" vom 31. Dezember.
Die Ursachen für diese Wende sind nicht in allen Einzelheiten erforscht, doch in der Hauptsache können diese Gründe nur in der erhöhten Umweltbelastung liegen. Es wird doch wohl niemand behaupten wollen, daß die Medizin in den letzten Jahren nicht weitere Erkenntnisse gesammelt hätte, daß sie nicht weitaus bessere technische Einrichtungen für Diagnose und Behandlung einsetzen würde. Dementsprechend sind auch die Infektionskrankheiten weiter zurückgegangen.
Nähere Rückschlüsse über die Gründe der höheren Sterblichkeit erlauben die Todesursachen. Dabei haben Herz- und Kreislaufversagen sehr stark zugenommen, wobei auch die Frauen immer mehr an die Zahlen der Männer herankommen. Die Häufigkeit der Todesfälle durch Krebs nimmt für beide Geschlechter weiterhin stark zu. Daß die verschiedenen Gifte in der Luft einen bedeutenden Anteil an den Krebserkrankungen haben, beweisen wissenschaftliche Untersuchungen in Einzelfällen wie auch die statistisch festgestellten Unterschiede zwischen Stadt und Land. Luftverunreinigungen und Lärm üben auf den menschlichen Organismus einen Streß aus, der die Herz- und Kreislauferkrankungen immer häufiger hervorruft.
Zweifellos ist die industrielle Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die uns einerseits immer mehr materielle Güter gebracht hat, auf der anderen Seite schuld an der laufenden Verschlechterung unserer Umwelt. Darin liegt auch die Hauptursache dafür, wenn, trotz aller Fortschritte der Medizin, der Hygiene, besserer Wohnungen, der Förderung des Sports, heute die 5- bis 75jährigen Männer nicht einmal mehr eine so hohe Lebenserwartung haben wie in den Jahren 1949 bis 1951. Die 50- bis 65jährigen Männer müssen heute mit einer Verkürzung ihrer Lebenserwartung gegenüber 1949 um ein ganzes Jahr rechnen, - ich betone: im Vergleich zu der Zeit von 1949 bis 1951, also einer Zeit, für die man unterstellen kann, daß damals durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse noch nicht die allerbesten Voraussetzungen für die damals Lebenden gegeben war. Dies ist eine alarmierende Erkenntnis.
Nun könnte sich dieser oder jener auf den Standpunkt stellen, es sei richtiger, ein bißchen früher zu sterben, dafür aber um so besser gelebt zu haben.
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Dies ist aber keineswegs die Alternative, denn es geht nicht um den frühen Tod, sondern natürlich auch darum, daß die genannten Krankheiten u. a. in der Zeit vorher ebenfalls zugenommen haben. Das liegt in der Logik der Sache.
Dies bedeutet Schmerz und Leid, die nicht zu messen sind, aber auch die meßbaren Kosten steigen in großem Ausmaß. Die Aufwendungen für den Gesundheitsdienst sind ja statistisch ausgewiesen. Ihr- Ansteigen führte allerdings zu der falschen Annahme, daß sich der Mensch mit diesen höheren Aufwendungen ein längeres Leben erkaufe. Dies ist keineswegs der Fall, wie ich eben glaube nachgewiesen zu haben. Die steigenden Kosten sind hier genau das, was die Wirtschaftswissenschaft neuerdings „social costs", gesellschaftliche Kosten, nennt. Das sind die bisher vernachlässigten Kosten, die unsere Industrie verursacht und die wir alle auch privat verursachen, indem wir die Luft verunreinigen und mit Lärm erfüllen und Gewässer und Landschaften der Verderbnis aussetzen. Die Ausgaben, die durch diese Abwälzung auf die Umwelt vermieden worden sind, kommen als Krankheit und Tod auf uns zurück. Das ist der Preis des Fortschritts!
Einen weiteren Preis zahlen wir infolge der Verschlechterung der natürlichen Umwelt mit der Minderung der Lebensqualität. Wir sollten den Begriff „Lebensqualität" ganz streng auf die Qualität der natürlichen Umwelt beziehen. Jede andere Bedeutung, die man dem Wort heute unterlegt, halte ich für Larifari.
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Wir haben, wie ich an dieser Stelle schon vor drei Jahren sagte, die Quantität der Gütererzeugung über die Qualität unserer natürlichen Umwelt gestellt. Das ist ein Irrsinn. Auch um der Schau-Effekte der steigenden Zahlen willen ist nur die sichtbare,
materielle Produktion gewertet worden, nicht aber der meist unbemerkte Schaden. Diese Entwicklung führt geradewegs in die Todesstatistik.
Das muß hier so hart gesagt werden. Denn 'heute kommen schon wieder eine Menge Leute - es sind übrigens die gleichen, die das Wort „Umweltschutz" noch nie gerne gehört haben - und rufen: Was heißt hier Umweltschutz? Wir brauchen mehr Energie, wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum! Wozu sie das brauchen, erklären sie nicht, wahrscheinlich weil sie immer noch annehmen, daß ihre Forderung das Leben verschönert und verlängert, während es in Wirklichkeit verschlechtert und verkürzt wird.
Darum sind heute auf allen Gebieten Gesetze nötig, die den Kostenaufwand dorthin verlagern, wo der Schaden entsteht oder wo er durch Vorsorgemaßnahmen verhindert werden kann. Das Verursacherprinzip anzuwenden ist auch das Ziel des heute vorliegenden Gesetzes gegen Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und andere Vorgänge.
Dieses Gesetz bringt zweifellos allen Betroffenen neue Pflichten und neue Aufgaben. Das kann hier und da auch für die Landwirtschaft der Fall sein, obwohl deren Produktionsmethode normalerweise umweltfreundlich ist. Ich glaube, daß es nicht dieses Zusatzantrages bedarf, um die Landwirtschaft bei ihrer normalen Tätigkeit auch nach diesem Gesetz zu schützen und deren Ausübung zu garantieren. Wenn wir eine Sonderregelung für die Landwirtschaft aufgenommen hätten, dann wäre es auch nötig gewesen, irgendwelche Grenzen zu der Massentierhaltung zu ziehen, die ja industriellen Charakter hat. Dann wäre die Frage gewesen: Soll man die Grenze bei 100, bei 1 000 oder bei 10 000 Schweinen ziehen? Alle diese Probleme wären sehr schwierig gewesen. Ich glaube also, daß die Landwirtschaft nach diesem Gesetz im Rahmen ihrer normalen Betätigung keine Behinderungen zu befürchten hat.
Die noch zu regelnden Probleme sind so vielfältig, daß die Einzelheiten in einer großen Zahl von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften geregelt werden müssen. Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen. Mit anderen Worten, es hängt nun von der Schnelligkeit und Gründlichkeit der Regierung ab, wann das Gesetz praktisch wirksam wird. Die Verordnungen werden auch auf die künftige Entwicklung zielen müssen. So wartet die Automobilindustrie auf klare Daten, damit sie planen kann.
Wir haben in den Ausschußberatungen sichergestellt, daß auch der Verkehr diesem Gesetz unterworfen wird. Hier kann es zu weiteren Schwierigkeiten kommen. Die europäischen Regelungen könnten als Bremse einer zukunftweisenden Gesetzgebung wirken. Hier möchte ich den Herrn Innenminister an sein Wort erinnern, daß im europäischen Geleitzug nicht das langsamste Schiff die Geschwindigkeit bestimmen darf. Diese Aussage findet unsere volle Zustimmung.
Diese Aussage müssen dann allerdings auch andere Minister der Regierung beherzigen. Wenn nicht die gesamte Bundesregierung die Umweltpolitik ernst nimmt, werden die besten Gesetze nichts helfen.
Dies zu sagen, habe ich einen konkreten Anlaß. Im Bundeswirtschaftsministerium ist ein Referentenentwurf eines Gesetzes zur „Neuordnung des Rechts der Versorgung mit leitungsgebundener Energie"
- schwieriger Titel! - vor Monaten fertiggestellt worden. Darin stehen ganz erstaunliche Dinge. Wenn das Gesetz, das kurz „Energieversorgungsgesetz" genannt wird, so in Kraft träte, wäre der Bereich der Kraftwerke von diesem Immissionsschutzgesetz völlig befreit. Die Kraftwerke sind nun leider mit die bedeutendsten Luftverunreiniger, die wir haben. Das geplante Energieversorgungsgesetz sieht in § 12 ganz schlicht und ergreifend vor, daß
- und jetzt zitiere ich - „bei Vorhaben des Baues, der Erneuerung oder der Erweiterung von Energieanlagen" nicht das Immissionsschutzgesetz anzuwenden ist. Es soll vielmehr ein Planfeststellungsverfahren stattfinden, aber - man höre und staune - auch nur dann, wenn das Versorgungsunternehmen selber es beantragt hat oder wenn die zuständige Behörde das Verfahren für erforderlich hält.
Darüber hinaus ist vorgesehen, daß die Gerichte bei Anfechtungsklagen weder die energiewirtschaftliche Lage noch die Bestimmungen des Immissionsschutzgesetzes, sondern nur die Rechtmäßigkeit nach dem Energieversorgungsgesetz selbst zu prüfen haben. Somit liegt bei der Regierung schon heute ein Referentenentwurf, der das Immissionsschutzgesetz für umfangreiche Bereiche bereits wieder außer Kraft setzen will.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Erklärung habe ich darauf abgestellt, dem Hohen Hause deutlich zu machen, daß es verantwortungslos wäre, die im Grunde erst anlaufenden Bemühungen zum Schutz der Umwelt bereits wieder abzubremsen. Hier sind im Gegenteil verstärkte Bemühungen vonnöten. Sollte sich die wirtschaftliche Lage weiter ändern, dann besteht gerade im Bereich der Umwelt die Möglichkeit, freigewordene Arbeitskräfte wieder zu beschäftigen, z. B. bei der Durchführung dieses Gesetzes wie auch bei der Errichtung von Klärwerken und bei der Durchführung von Rekultivierungsmaßnahmen in der Landschaft.
Alle diese Arbeiten werden nicht die Masse der zur Verfügung stehenden Güter vergrößern. Sie werden aber dazu dienen, das eine und allerhöchste Gut, unsere Umwelt, zu erhalten, die Grundlage unseres Lebens überhaupt ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Schäfer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion darf ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Hirsch anschließen. Sie haben die Auffassung zu diesem Gesetz für die Koalitionsfraktionen wiedergegeben. Ich möchte zu einigen grundsätzlichen Fragen sprechen.
Dr. Schäfer ({0})
Ich darf zunächst als Vorsitzender des federführenden Innenausschusses sagen, daß wir eine Arbeitsmethode entwickelt haben, die sich, glaube ich, bewährt hat, nämlich daß wir nur die politisch entscheidenden Fragen im Ausschuß beraten und entschieden haben und das andere in intensiver Zusammenarbeit mit der Ministerialbürokratie vorgeformt haben.
Ich darf dankbar feststellen, daß es seit der großen Umweltschutzdebatte, auf die Sie, Herr Kollege Gruhl, hingewiesen haben, ein gemeinsames Bemühen in diesem Hause, ein gemeinsames Bemühen im Ausschuß ist, die bestmögliche Lösung zu finden, und ich begrüße es sehr, daß wir - wie aus Ihren letzten Ausführungen hervorging und wie nach der Ausschußberatung nicht anders zu erwarten war - auch dieses Gesetz gemeinsam beschließen werden.
Hier halte ich es nun für notwendig, nachdem wir uns vergegenwärtigt haben, was wir seit 1969 gemacht haben - das Fluglärmgesetz, das Gesetz über die Verminderung des Bleigehalts in Ottokraftstoffen, das Abfallgesetz und jetzt dieses Gesetz -, bei dieser Gelegenheit einmal deutlich zu machen, daß ein ganz neues Rechtsgebiet entstanden ist. Meine Damen und Herren, wir haben ein ganz neues Rechtsgebiet geschaffen und haben Grundsätze entwickelt. Ich möchte einige dieser Grundsätze hier darstellen in der Erwartung - ich sage das sehr betont -, daß sich die Rechtsprechung bei der Weiterentwicklung des Rechts an diesen Grundsätzen orientieren möge.
In früheren Gesetzen, z. B. im Genehmigungsverfahren nach dem berühmten § 16 der Gewerbeordnung, war an umweltschützenden Elementen einiges enthalten; es trug aber starken polizeirechtlichen Charakter. Das ist der wesentliche Unterschied zu dem neuen Recht. Die grundsätzliche Freiheit des einzlenen stand dort im Mittelpunkt der Überlegungen. Es wurden ihr Schranken auferlegt nur für den Fall, daß unmittelbare Nachteile für Nachbarn, für Arbeitnehmer oder für ein konkret betroffenes Publikum feststellbar waren. Auch später, als man in dieses Genehmigungsverfahren die Prüfung von Belästigungen einbezog, blieb man doch im wesentlichen im Rahmen der polizeirechtlichen Überlegungen.
Ein modernes Umweltschutzrecht, wie wir, das ganze Haus, es gestaltet haben und wie es mit den verabschiedeten Gesetzen deutlich wird, geht von einer anderen Konzeption aus: nämlich: der Umweltschutz ist ein Bereich, in dem sich das Bewußtsein unserer Bürger und der politisch Verantwortlichen dafür entwickelt hat, daß es Werte gibt, die planend und gestaltend zu bewahren und zu fördern unser aller Pflicht und unser aller Interesse ist. Umweltschutz heißt nicht, einen einzelnen oder eine kleine Gruppe vor Gefahren, Nachteilen oder Belästigungen zu schützen; Umweltschutz heißt vielmehr, alle Vorgänge unseres Wirtschafts- und Verwaltungslebens so zu planen und zu gestalten, daß der Gemeinschaft bestmögliche Umweltbedingungen erhalten bleiben können oder wieder verschafft werden. Sehr deutlich ist die Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes:
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissonen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
Das ist ein dem Polizeirecht fremder Begriff.
Es ist dies ein Rechtsgedanke, der nicht nur in der modernen Entwicklung auf dem Gebiet des Umweltschutzes Platz greift, sondern insbesondere auf all den Gebieten, in denen Planungsmaßnahmen notwendig sind, beschlossen werden können und in denen es Vorsorgemaßnahmen gibt. Genau in diesen Bereich sind die Gesetze einzuordnen, die ich angeführt habe.
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz in der jetzt vorliegenden Fassung wird diesen Ansprüchen gerecht. Die Ergänzung von § 1 des Regierungsentwurfs durch den Ausschuß, wonach dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen zur Pflicht gemacht wird, macht klar, welche Bedeutung dem Vorsorgecharakter als Rechtsverpflichtung beigemessen wird. Das ganze Genehmigungsverfahren ordnet sich dem Ziel unter, Umweltschädigungen von vornherein zu vermeiden, statt Maßnahmen erst zur Beseitigung bereits eingetretener Umweltschäden zu ergreifen.
Bei einem Vergleich von § 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit dem bisherigen § 16 der Gewerbeordnung wird deutlich, daß das Schwergewicht auf die Vorsorge für den Schutz der Umwelt und nicht mehr wie bisher auf die Abwehr von Belästigungen für einzelne Betroffene gelegt wird. Das gebietet eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen durch die Verwaltungsbehörden, denen der Vollzug obliegt, und durch die Rechtsprechung, die sicher oft angerufen wird, bis sich gefestigte Rechtsgrundsätze entwickelt haben werden.
Ich spreche hier noch einmal - ich glaube, im Namen des ganzen Hauses - die begründete Bitte an die Rechtsprechung aus, sich mit diesem neuen Gebiet zu befassen, sich die politischen Ziele klarzumachen und sich zu vergegenwärtigen, daß die Maßnahmen der Verwaltungsbehörden dem Erreichen dieser politischen Ziele dienen müssen.
Hier ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die Maßnahmen nicht ein für allemal getroffen werden. Die Maßnahme, die beim Genehmigungsverfahren zur Auflage gemacht wird, ist nicht endgültig. In dieser Hinsicht gibt es keinen Besitzstand, sondern je nach dem Stand der Technik muß dem Betrieb die Auflage gemacht werden können, neuere, bessere Maßnahmen zu treffen. Wenn also ein Betrieb genehmigt ist, dann bleibt er nicht unbedingt so stehen, dann nimmt man ihn nicht für alle Zeiten so in Kauf. Es ist auch schon gesagt worden, wie schwer es ist, das rechtsstaatlich einwandfrei zu ordnen. Ich hoffe, wir haben den richtigen Weg gefunden, die bisherige Rechtsprechung zur Frage des Standes der Technik einzufangen und dem Ministerium den Auftrag zu geben, den Stand der Technik laufend zu verfolgen und demgemäß Rechtsvorschriften zu schaffen. Es ist ein großes, schwieDr. Schäfer ({1})
riges Geschäft, das wir dem Innenministerium oder dem jeweils zuständigen Ministerium übertragen. Es soll die technische Möglichkeit in eine Verpflichtung desjenigen übersetzen, der einen Betrieb leitet oder betreibt.
Das bedeutet, meine Damen und Herren - darüber müssen wir uns klar sein; das ist das, was wir wollen -, daß die gesamte Tätigkeit auf diesem Gebiet nach einem Ziel ausgerichtet ist, dem näherzukommen die Aufgabe aller mit der Durchführung des Gesetzes beauftragten Stellen ist. Man nennt es hier zum Teil „technisches Recht". Ich weiß nicht, ob dieser Begriff richtig ist. „Recht der Technik" schiene mir richtiger zu sein.
Es wird hier ein Vorgang geschaffen, der für viele andere Bereiche seine Bedeutung haben wird. Gerade auf diesem Gebiet wird es der Rechtsprechung wiederum sehr schwer werden, dem laufend zu folgen. Aber um so notwendiger ist es, daß sich eine höchstrichterliche Rechtsprechung auf diesen Gebieten entwickelt.
Die Durchführung dieses Gesetzes wird in den Durchführungsverordnungen des Bundesministeriums geregelt, die Einzelausführungen sind in die Hand der Landesverwaltungen gelegt. Wir sind gewiß, daß die zuständigen Minister ihren Beamten den notwendigen politischen Rückhalt geben, damit sie dieses Gesetz gegen jedermann und ohne Ansehen der Person anwenden. Wir erwarten auch, daß es im ganzen Bundesgebiet einheitlich angewandt wird. Das ist aus den bekannten Gründen notwendig, nicht nur weil Konkurrenzverzerrungen einträten, sondern auch weil eine unterschiedliche Anwendung unerträglich wäre.
Wir erwarten, daß diese Entwicklung auf entsprechende Maßnahmen innerhalb der EWG gestützt wird. Dieses Haus ist sicherlich bereit, Herr Minister, Sie in Ihrem guten Bemühen in dieser Richtung zu unterstützen, damit wir im Laufe der nächsten Jahre dazu kommen, mit diesem neuen Instrument auf diesem neuen Rechtsgebiet eingetretene Schäden zu mindern und neue Schäden zu verhindern.
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Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, das dem Hohen Hause heute zur abschließenden Beratung vorliegt, ist eine weitere wichtige Etappe in unserem Bemühen um eine bessere Umwelt erreicht. Dieses Gesetz „zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge", wie es mit seinem vollen Namen heißt, ist ein Gesetz gegen Schmutz und Lärm jeder Art und jeder Herkunft. Es ist in dem großen Bündel der Umweltschutznahmen der Bundesregierung zu einem der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben dieser Legislaturperiode geworden.
Das Gesetz stellt künftig ein wirksames Mittel gegen die Gefahr einer immer stärker werdenden Luftverschmutzung und einer immer unerträglicher werdenden Lärmbelastung dar. Es ist ein „Anti-Schmutzund -Lärm-Gesetz" das zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit tief in die Wirtschaft, aber auch, was hier mit Recht schon hervorgehoben worden ist, tief in den privaten Bereich eingreift.
Für die notwendigen Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung schafft dieses Gesetz eine moderne, umfassende und zugleich bundeseinheitliche Rechtsgrundlage. Auf Teilgebieten schon bestehende gesetzliche Vorschriften werden geodnet, zahlreiche zersplitterte Vorschriften von Bund und Ländern vereinheitlicht.
Umweltschutz kann künftig von allen dafür verantwortlichen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland noch mehr als bisher aktiv und vorbeugend angepackt und betrieben werden. Auf der Grundlage dieses Gesetzes ist es möglich, für feste und mobile Anlagen oder, anders ausgedrückt, für ortsgebundene Industrie- und Gewerbebetriebe, für Heizwerke und Müllverbrennungsanlagen, aber auch für bewegliche Objekte wie beispielsweise Baumaschinen, Verkehrsfahrzeuge oder Rasenmotormäher schärfere, den Bürger wirksam schützende Verordnungen zu erlassen. Mit Hilfe der Anti-Smog-Bestimmungen des Gesetzes werden nunmehr alle Bundesländer in den Stand gesetzt, ohne eigene Gesetze und allein auf dem Verordnungsweg drastische Schutzmaßnahmen für die Allgemeinheit zu ergreifen.
Für uns alle geht es darum, die Forderung nach einer menschenwürdigen Umwelt, die Rücksicht auf eine mögliche Umweltgefährdung verbindlich zu machen, und zwar für jede Handlung, die den Zustand der Umwelt zum Schaden der Menschen verändern könnte. In diesem Sinne wird Umweltschutz in Zukunft ein umfassendes, prinzipielles Entscheidungskriterium sein, das insbesondere die Wirtschaft, aber auch Bund, Länder und Gemeinden bei allen umweltrelevanten Planungen zu berücksichtigen haben. Am Anfang jeder Planung muß künftig die Frage nach der Umweltverträglichkeit der geplanten Maßnahmen stehen. Erst wenn diese Frage positiv beantwortet ist, darf die Planung realisiert werden. Bei allen Vorhaben muß der Umweltschutz den Vorrang haben, Vorrang vor allem auch vor vermeintlichem privatem Nutzen.
Dieser Grundsatz beherrscht das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Es gibt deshalb die bisherige Beschränkung auf die reine Gefahrenabwehr, das Reagieren auf bereits eingetretene Fehlentwicklungen konsequent auf. Umweltschutz ist mit diesem Gesetz Vorsorge vor künftigen schädlichen Umwelteinwirkungen, ist Umweltplanung und Umweltgestaltung, ist die Anwendung des Grundsatzes der Umweltverträglichkeit, bevor Entscheidungen getroffen werden, die die Umwelt beeinträchtigen können.
Das neue Gesetz verfolgt ein anspruchsvolles Ziel. Es begnügt sich nicht damit, Schlimmeres zu verhüten, sondern es will eine sichtbare, meßbare,
nachweisbare Verbesserung der Umweltbedingungen herbeiführen. Es will die bisherige Entwicklung umkehren.
Umweltschutz als Umweltplanung und Umweltgestaltung erfordert die Ausschöpfung aller wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen. Es ist unerläßlich, daß alle Vorkehrungen zum Schutz von Umweltbeeinträchtigungen getroffen werden, die nach dem „Stand der Technik" möglich sind. Dieser wichtige Begriff des Umweltschutzrechts wird jetzt erstmalig gesetzlich definiert. Die Legaldefinition im Gesetz ist dynamischer und griffiger als die bisher verwandten Erklärungen dieses Begriffs. Damit wird angestrebt, die Zeit zwischen der technischen Neuentwicklung von Verfahren und Einrichtungen zum Schutz der Umwelt und ihrer Durchsetzbarkeit durch die Behörden erheblich zu verkürzen.
Die Wissenschaft bestimmt in entscheidendem Maße Inhalt und Tempo der Umweltpolitik mit. Ein Großteil der administrativen Umweltschutzmaßnahmen ist forschungsabhängig. Deshalb fördert die Bundesregierung durch Bereitstellung beträchtlicher Mittel schon seit Jahren nachdrücklich und erfolgreich die wissenschaftliche Forschung und die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien und Verfahren.
Besondere Verantwortung für das Gelingen einer auf Vorsorge für die Verbesserung der Umwelt ausgerichteten Politik trägt die Wirtschaft. Insbesondere den Großemittenten erlegt das Gesetz eine Reihe bindender Verpflichtungen auf: Errichtung und Betrieb ihrer Anlagen dürfen keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen; die Unternehmen müssen Vorsorge gegen Umweltbeeinträchtigungen treffen; sie sind grundsätzlich verpflichtet, die entstehenden Reststoffe ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten und nur, wo das technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, als Abfälle ordnungsgemäß zu beseitigen. Dieses gesetzlich eingeführte „Recycling" dient nicht nur vorbeugend dem Umweltschutz, sondern schont gleichzeitig auch durch eine bessere Ausnutzung die natürlichen Hilfsquellen und wirkt damit zugleich der Verknappung lebenswichtiger Rohstoffe und deren Folgen entgegen. Damit bewirkt das Gesetz auch eine behutsame und auf langfristiges Haushalten abgestellte Nutzung unserer natürlichen Hilfsquellen. So wird im Interesse einer möglichst frühzeitig einsetzenden Umweltvorsorge der Umweltschutz erstmalig in breiterem Umfang auch auf industrielle Produkte ausgedehnt und damit in der Verursacherkette vorverlegt. Größere Betriebe haben in Zukunft einen Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen, der insbesondere durch eigene Initiativen darauf hinzuwirken hat, daß umweltfreundliche Verfahren und Erzeugnisse eingeführt werden.
Alle diese Anforderungen verursachen Kosten. Umweltschutz hat seinen Preis, aber kein Umweltschutz, also der Verzicht auf Umweltplanung und Umweltvorsorge, wäre wesentlich kostspieliger und vor allem für die Menschen folgenschwerer. Den Preis für eine bessere Umwelt müssen wir alle zahlen, wenn wir in einer besseren Umwelt leben wollen.
Die Forderung nach besserer Vorsorge für unsere Umwelt richtet sich aber nicht nur an die Bürger, nicht nur an die Wirtschaft, sondern genauso an den Staat: an den Bund, die Länder, die Gemeinden und an alle anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.
Es geht nicht an, daß der Staat von seinen Bürgern Rücksicht auf die Umwelt verlangt und gleichzeitig selbst etwa Straßen und Eisenbahnen so plant und baut, daß die Anwohner von dem Lärm und den Abgasen, die diese Anlagen verursachen, krank werden. Deshalb ist der Umweltschutz in Zukunft für die Planung und den Bau von Straßen und Schienenwegen oberstes Entscheidungskriterium. Deshalb sind in Zukunft die Gemeinden gesetzlich verpflichtet, Wohngebiete und Industriegebiete so zu planen, daß in den Wohngebieten schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, daß menschenwürdiges Wohnen möglich ist.
Damit ist klargestellt: Umweltschutz ist keine Forderung, die sich nur an den Bürger richtet. Umweltschutz ist eine Forderung, deren Vorrang der Staat auch für sein eigenes Handeln ohne Einschränkung anerkennt.
Besonders danken darf ich heute der besonderen Arbeitsgruppe des Innenausschusses dieses Hohen Hauses, die einen wesentlichen Beitrag für die Fortentwicklung dieser „Magna Charta" der Luftreinhaltung geleistet hat. Das gleiche gilt für die Arbeit des Innenausschusses, und zwar für die Zusammenarbeit aller Fraktionen des Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, mit der heutigen Verabschiedung des Immissionsschutzgesetzes wird ein großer Schritt nach vorn getan. Das Gesetz ist die Grundlage für ein umfangreiches dynamisches Regelungswerk, das ständig der laufenden wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklung angepaßt werden muß, damit alle besser leben können. Das wird eine langfristig angelegte Arbeit sein, die in weiten Bereichen von den Ergebnissen der Forschung und der Weiterentwicklung des Standes der Technik abhängig ist. Das Gesetz gibt der Bundesregierung die Handhabe, auf der Grundlage jeweils neugewonnener Erkenntnisse im Bereich von Wissenschaft, Wirtschaft und Technik immer wieder schnell, richtig und unbürokratisch zu reagieren und die notwendigen Folgeregelungen und Vorschriften zu erlassen.
Das Gesetz ist so ausgestaltet, daß es mit seinem Inkrafttreten in vollem Umfang angewendet werden kann. Die bisher geltenden Vorschriften für den Bereich der genehmigungsbedürftigen Anlagen werden nahtlos übergeleitet. Die bereits begonnenen Genehmigungsverfahren werden nicht unterbrochen, sie sind vielmehr nach den dann geltenden Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu Ende zu führen. Weiterhin bleiben die zur Durchführung der Landesimmissionsschutzgesetze erlassenen Rechtsverordnungen aufrechterhalten, bis sie durch Rechtsverordnungen des Bundes abgelöst werden. Die Vorbereitung dieser Vorschriften hat im Bundesministerium des Innern schon während des
Gesetzgebungsganges begonnen, so daß die Beschlußfassung der Bundesregierung über die Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften schon im März 1974, also vor dem 1. April 1974, dem voraussichtlichen Termin des Inkrafttretens, beginnen kann.
Folgende Vorschriften werden im Laufe dieses Jahres kommen:
1. Die Verwaltungsvorschriften über Emissionsbegrenzungen für lärmintensive Anlagen, Betriebe, Maschinen und Maschinengruppen,
2. die Novelle zur „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft",
3. Verwaltungsvorschriften über ein Meßprogramm in Luftbelastungsgebieten sowie über Emissionskataster und Emissionserklärungen,
4. die Verordnung über die Begrenzung des Schwefelgehalts im leichten Heizöl und Dieselöl,
S. die Verordnung über chemische Reinigungsanlagen,
6. die Verwaltungsvorschrift über Krane,
7. die Verordnung über die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterliegenden Anlagen,
8. die Verordnung über Hausfeuerungen,
9. die Verordnung über Immissionsschutzbeauftragte,
10. die Verwaltungsvorschrift über Rasenmäher,
11 . die Verwaltungsvorschrift über Motorsägen und Gartenbaugeräte,
12. die Verwaltungsvorschrift über Druckluftwerkzeuge.
Die Bedeutung des Gesetzes wird auch dadurch unterstrichen, daß Verstöße mit harten Strafen bedroht sind. Die Strafvorschriften des Gesetzes sollen jedermann verdeutlichen, daß Umweltverschmutzung hierzulande nicht als eine läßliche Sünde, nicht als ein Kavaliersdelikt hingenommen wird, sondern daß der vorsätzliche Umweltverschmutzer dem kriminellen Charakter seiner Tat entsprechend behandelt wird. Das Gesetz sieht für schwerwiegende Verstöße Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren vor. Diese Strafdrohungen bedürfen keiner besonderen Rechtfertigung mehr. Wir wissen inzwischen, welche verhehrenden Folgen für Gesundheit und Leben aus Verstößen gegen den Umweltschutz entstehen können. Wir müssen deshalb alles tun, um das Umweltbewußtsein unserer Gesellschaft so weit zu entwickeln, daß auch ohne die Drohung mit harten Strafen überall die notwendige Rücksicht auf unsere Umwelt genommen wird. Es geht hier um ein soziales Verhalten. Das können wir letztlich gewiß nicht mit Strafen herbeizwingen, sondern allenfalls durch geduldige Aufklärung schrittweise erreichen. Dennoch müssen die Strafbestimmungen sein. Der Bürger erkennt so, daß die Verstöße gegen dieses Gesetz kriminelles Unrecht sind.
Das Gesetz über das heute entschieden wird, gehört zu den modernsten und weitestgehenden Gesetzgebungsvorhaben auf dem Gebiet des Umweltschutzes in der Welt. Es wird Erfolg haben, wenn wir alle die Herausforderung des Umweltschutzes annehmen und die vorbehaltlose Durchführung des Gesetzes gewährleisten.
Der Ring der Umweltschutzgesetzgebung wird sich schließen, meine Damen und Herren, wenn nach dem in der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Abfallbeseitigungsgesetz und nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz auch noch die Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz und die erforderliche Grundgesetzänderung beschlossen sein wird. Die zügige Aufnahme und Durchführung der Beratung hat der Innenausschuß des Deutschen Bundestages in seiner Arbeitsplanung sichergestellt. Der in diesem Zusammenhang wichtige Entwurf eines Abwasserabgabengesetzes wird im März von der Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden, so daß er im Zusammenhang mit der Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz beraten werden kann. Zum gleichen Zeitpunkt ist die Zuleitung des Entwurfs des Waschmittelgesetzes vorgesehen. Ich habe die Hoffnung, daß es möglich sein wird, auch diesen wichtigen Komplex mit der Zustimmung aller Fraktionen zu verabschieden.
Neben den Ausbau der nationalen Gesetzgebung treten zunehmend Entscheidungen über Umweltschutzvorschriften der Europäischen Gemeinschaft. Hier geht es - darauf ist mit Recht hingewiesen worden - vornehmlich darum, die weitgehenden deutschen Vorschriften in der Gemeinschaft durchzusetzen oder aber mindestens zu erreichen, daß deutsche Umweltanforderungen nicht auf niedrigeres Gemeinschaftsniveau zurückgenommen werden müssen. Hier gewinnt der in der Konferenz 1972 in Bonn zum erstenmal gefaßte und in der Ministerratssitzung 1973 bekräftigte Beschluß Bedeutung, daß Gemeinschaftsregelungen nicht weitergehende nationale Regelungen hemmen dürfen.
Meine Damen und Herren, wir werden Erfolg haben, wenn wir uns gemeinsam - und zwar nicht nur im eigenen Lande, sondern auf europäischer Ebene - der Herausforderung des Umweltschutzes stellen. Die Bürger nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in ganz Europa erwarten eine moderne und zukunftsweisende Umweltschutzgesetzgebung.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der dritten Beratung.
Wer dem vorgelegten Gesetzentwurf in der dritten Beratung zustimmt, bitte ich, sich zu erheben. -Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Gleichzeitig werden die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen mit Zustimmung des Hauses für erledigt erklärt.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte ({0})
- Drucksache 7/1483 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung der Regierungsvorlage hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines 17. Rentenanpassungsgesetzes soll weiterhin sichergestellt werden, daß die Rentner ihren gerechten Anteil an den Erträgen unserer Volkswirtschaft haben können.
Nach dem Entwurf sollen die laufenden Renten aus der Rentenversicherung zum 1. Juli dieses Jahres um 11,2 % angehoben werden. Dieser hohe Anpassungssatz, der dem Anstieg der allgemeinen Bemessungsgrundlage von 1973 auf 1974 entspricht, kommt rund 10,5 Millionen Rentenempfängern zugute.
In der gesetzlichen Unfallversicherung sollen vom 1. Januar 1975 an rund 1 Million Renten aus Unfällen vor dem 1. Januar 1973 und das Pflegegeld um 11,6 % angehoben werden. Diese Anhebung entspricht dem Anstieg der durchschnittlichen Bruttolohn- und -gehaltssumme von 1972 auf 1973.
Ihre Aufmerksamkeit darf ich darauf lenken, daß der Entwurf. des Gesetzes auch Vorschriften über eine Anpassung der Altersgelder aus der Altershilfe für Landwirte enthält. Damit werden schon die Folgerungen aus der erst vor kurzem von diesem Hohen Hause beschlossenen Dynamisierung der Altersgelder gezogen. Die Altersgelder sollen - wie in der Rentenversicherung - ebenfalls um 11,2 % angehoben werden, und zwar zum 1. Januar 1975. Die Erhöhung der Altersgelder bewirkt gleichzeitig auch eine Anhebung der Landabgaberenten. Diese Leistungsverbesserungen werden rund 585 000 Berechtigten zugute kommen.
Die 17. Rentenanpassung hat ein finanzielles Volumen von insgesamt rund 8,5 Milliarden DM. Davon entfallen allein knapp 8 Milliarden DM auf die Rentenversicherung. Aus dem gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf vorgelegten Rentenanpassungsbericht 1974 ergibt sich, daß die Finanzierung der 17. Rentenanpassung, soweit sie auf die Rentenversicherungsträger entfällt, gesichert ist. Die auf den Bund entfallenden Ausgaben sind durch entsprechende Ansätze im Haushaltsplanentwurf für 1974 und in der mittelfristigen Finanzplanung gedeckt.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen die Bedeutung, die die 17. Rentenanpassung für einen erheblichen Teil unserer Bevölkerung hat, verdeutlichen, indem ich sie in einen größeren Zusammenhang stelle. Vom 1. Juli 1974 an werden sich die Renten, bezogen auf das Jahr 1969, in dem die sozialliberale Koalition die Regierungsverantwortung übernahm, um 65 % erhöht haben. In dieser Zahl sind die strukturellen Leistungsverbesserungen, die die Rentenreform gebracht hat, nicht einmal berücksichtigt. Vor allem die Rente nach Mindesteinkommen hat die Einkommenssituation von rund 1 Million Empfängern von niedrigen Renten zum Teil erheblich verbessert. Auf Grund dieser Leistungsverbesserungen ist das Rentenniveau - vergleicht man die Renten mit den Nettoarbeitsentgelten der noch im Arbeitsleben stehenden Arbeiter und Angestellten - heute höher als je zuvor. Nach der 17. Rentenanpassung wird sich das Verhältnis zwischen Renten und Nettoarbeitseinkommen weiter zugunsten der Rentner verbessern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe diese Vergleiche nicht angestellt, weil ich etwa der Meinung wäre, daß es im Bereich der Rentenversicherung keine Probleme mehr gäbe. Ich weiß, daß es noch viel zu tun gibt, um die Sozialstaatlichkeit, die das Grundgesetz gebietet und auf die der Herr Bundeskanzler in seiner Ansprache zum Jahresende an die Bevölkerung hingewiesen hat, zu verwirklichen. Wir werden an diesem Ziel weiterarbeiten.
({0})
Damit ist die Vorlage der Bundesregierung begründet.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Franke ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe für die Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung zur Vorlage des 17. Rentenanpassungsgesetzes ab. Weil die Bundesregierung ihren Vorschlag, die Rentenanpassung zu automatisieren, zurückgenommen hat, muß sich der Bundestag heute mit dem 17. Rentenanpassungsgesetz beschäftigen.
Seit die CDU/CSU im Jahre 1957 die dynamische Rente eingeführt und 1972 gegen den Willen von SPD und FDP den Anpassungszeitraum um ein halbes Jahr vorverlegt hat, diskutieren wir im Grunde genommen über einen Routinevorgang.
Die CDU/CSU begrüßt natürlich die Anhebung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um 11,2 v. H. ab 1. 7. 1974. ,Daß das ab 1. 7. 1974 passiert, ist ausschließlich ein Verdienst der CDU/ CSU. Wir begrüßen natürlich die Anhebung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung um 11,6 v. H. ab 1. 1. 1975 und natürlich ebenso die Anhebung der Altersgelder für Landwirte ab 1. 1. 1975.
Kritisch sei hier allerdings angemerkt, daß die Kriegsopferrenten in diesem Jahr nicht, wie von der CDU/CSU gefordert, um ein halbes Jahr früher angepaßt werden. Die Kriegsopfer werden auf einen Stufenplan vertröstet, ,der ihnen allerdings im
Franke ({0})
Augenblick nicht einen Pfennig mehr bringt, und das angesichts einer Inflationsrate für 1974 von erwarteten 8 bis 10 %
Für die Rentner sind die 11,2 bzw. 11,6 % Rentenerhöhung jedoch zum größten Teil ebenfalls lediglich Ausgleich für den inflationsbedingten Kaufkraftverlust, ,der u. a. die Rentner am härtesten trifft. Wenn die Sachverständigen in ihrem vorletzten Jahresgutachten mit Recht feststellten, daß bei dem Verteilungskampf die Rentner das Schlußlicht darstellen, dann trifft das für 1974 mit der sicherlich höchsten Inflationsrate vermehrt zu.
Ein Vergleich der durchschnittlichen Jahresrente mit den aktuellen Bruttobezügen der abhängig Beschäftigten ergibt für 1973 ein Rentenniveau von 41,7 %. Herr Minister, als Sie noch ein auch von mir sehr geachteter Gewerkschaftsführer waren, haben Sie es in der öffentlichen Auseinandersetzung im Gegensatz zu Ihrer heutigen Auffassung immer abgelehnt, auf den Nettobezug der Renten abzustellen. Ich kann das im einzelnen jetzt nicht nachweisen, aber die Garde der Gewerkschaftsvertreter - und darin bin ich heute noch mit ihr solidarisch geht davon aus, daß nur die Bruttobezüge eine richtige Maßebene sind. Sie haben hier durch eine Änderung, die im letzten Jahr durchgezogen worden ist, den Bezug auf das Nettoniveau hergestellt. Ich finde, das ist nicht richtig; es ist selbstverständlich gesetzlich, aber politisch nicht ganz zulässig, insbesondere dann, wenn man Ihre damaligen Argumente noch in Betracht zieht.
({1})
Lassen Sie mich das, meine Damen und Herren, einmal in Zahlen ausdrücken. Das durchschnittliche Altersruhegeld für einen 65jährigen Beschäftigten, der dann Rentner geworden ist, betrug im Juli 1973 in der Arbeiterrentenversicherung 491,20 DM. Das durchschnittliche Altersruhegeld in der Angestelltenversicherung betrug mit 65 Jahren 812,40 DM, und das durchschnittliche Witwenrentengeld lag am 1. Juli 1973 bei 510 DM pro Monat.
Meine Damen und Herren, über die Höhe der Lebenshaltungskosten brauche ich in diesem Zusammenhang nichts zu sagen. Die Lebenshaltungskosten und die Zahlen, die ich eben gerade dagegengestellt habe, sprechen für sich. Das heißt also, die Rentner, die die durchschnittlichen Rentenhöhen erreichen, liegen mit den Geldleistungen, die sie erhalten, etwa auf dem Niveau der Sozialversicherung.
Das niedrige Rentenniveau von 41,7 0/o wäre nicht entstanden, wenn die Bundesregierung die von der CDU/CSU eingebrachte und 1972 gegen Ihren Willen durchgesetzte Rentenniveausicherungsklausel nicht geändert hätte. Unsere Niveausicherungsklausel hätte zusätzliche Rentenerhöhungen schon bei Lohn- und Gehaltssteigerungen von ca. 7 bis 8 % gebracht. Die von SPD und FDP geänderte Klausel - und hiermit setzten Sie die soziale Demontage seit der begonnenen Wahl fort - greift erst bei Lohn- und Gehaltserhöhungen von ca. 22 °/o, und so weit werden Sie es hoffentlich nicht treiben, daß die Gewerkschaften für Kaufkraftverluste solche Tariferhöhungen erzwingen müßten.
Nach dem Rentenanpassungsbericht entstehen für das Jahr 1974 Überschüsse von ca. 6 Milliarden DM. Diese Überschüsse sind zu Lasten der Rentner vorenthaltene Rentenerhöhungen. Daß wir mit dieser Meinung nicht allein stehen, zeigt ein Zitat aus einer Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministers für Wirtschaft. Dort wird am 19. Oktober 1973 - das ist also noch ganz frisch folgendes ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren - gesagt:
So sind beispielsweise Überschüsse infolge steigender Inflationsraten Ausdruck der Schlechterstellung von Rentenbeziehern im Vergleich mit den Arbeitnehmern. Bei Entscheidungen über die Verwendung solcher inflationsbedingten Überschüsse sollte berücksichtigt werden, daß erstens diese Überschüsse bei sinkendem Inflationstrend nicht mehr entstehen oder sich gar in Defizite verwandeln und daß zweitens mit solchen Überschüssen finanzierte Leistungen zugunsten künftiger Rentenbezieher letztlich auf eine Umverteilung zu Lasten der Rentenbezieher in der zurückliegenden Inflationsperiode hinauslaufen.
({2})
Will man vermeiden, daß die Rentner von gestern die Rentner von morgen subventionieren, so müßte der akkumulierte Betrag der errechneten inflationsbedingten Überschüsse zu Expost-Ausgleichszahlungen an die Bezieher von Bestandsrenten verwendet werden. Bei der Terminierung solcher Ausgleichszahlungen, soweit möglich, den stabilitätspolitischen Erfordernissen Rechnung getragen werden.
Meine Damen und Herren, dieser kritischen Anmerkung des wissenschaftlichen Beitrags des Bundesministeriums für Wirtschaft haben wir nichts hinzuzufügen.
Ich betone noch einmal: Wir werden selbstverständlich der Erhöhung der Rentenleistungen um 11,2 bzw. 11,6 v. H. in den Ausschüssen und hier im Plenum unsere Zustimmung nicht versagen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Debatte zum Umweltschutz vorhin verfolgt hat, konnte fast der Meinung sein, es sei so etwas wie Einverständnis und Frieden in diesem Bundestag eingekehrt. Wer aber jetzt den Kollegen Franke wieder gehört hat, der weiß, daß nicht nur er sich selbst treu geblieben ist, sondern daß auch die CDU/CSU nach wie vor auf Kollisionskurs geht
({0})
und Dinge bestreitet, die sie im Ernst gar nicht bestreiten kann. Allein der Urheberanspruch und der
Anspruch, für die Entwicklung, die die Rentner sozial besser gestellt hat, allein verantwortlich zu sein, machen das doch schon mit aller Deutlichkeit sichtbar.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die Vorlage des 17. Rentenanpassungsgesetzes, weil es insbesondere die Renten in der Rentenversicherung - Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftsrentenversicherung - als auch die Renten in der Unfallversicherung und das landwirtschaftliche Altersgeld mit der Landabgaberente erhöht. Dadurch werden die Bestandsrenten in der Rentenversicherung mit Wirkung vom 1. Juli 1974, wie der Herr Bundesminister für Arbeit vorgetragen hat, um 11,2 % erhöht. Auch hier, lieber Herr Kollege Franke, möchte ich, damit kein historischer Irrtum entsteht, sagen: Die sozialdemokratische Fraktion und die Koalitionsfraktionen haben dieser Vorverlegung des Anpassungsdatums zugestimmt. Ich sage das nur, damit das ganz klar und ganz deutlich herausgestellt wird.
({1})
Die Dynamisierung des Altersgeldes für die Landwirte, die zum ersten Male vorgenommen worden ist, ist eine eindeutige Leistung dieser Koalitionsfraktionen, genauso wie die gegen Ihren anfänglichen Widerstand durchgesetzte Dynamisierung der Kriegsopferrenten;
({2})
auch das muß der historischen Wahrheit wegen einmal herausgestellt werden. Wenn Sie sich jetzt allzusehr bei diesen Dingen aufplustern, sollten Sie an Ihre eigene Vergangenheit und an den Widerstand denken, den Sie allen Entwicklungen in dieser Richtung entgegengesetzt haben.
({3}) - Natürlich stimmt's! Die Unfallrente, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird ebenso wie das Altersgeld für die Landwirte ab 1. Januar 1975 erhöht. Dabei gilt für die Unfallrente eine um 11,6 % erhöhte Berechnungsgrundlage.
Bis zum 31. Dezember 1974 sollen nach dieser Vorlage die Leistungsverbesserungen auf keine anderen Sozialleistungen angerechnet werden.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß sich damit seit der Tätigkeit der sozialliberalen Koalition die Renten um 65 °/o erhöht haben.
({4})
- Selbst wenn man dabei die nicht zu leugnenden Preissteigerungen nicht übersehen kann,
({5})
Herr Kollege Franke, dann kommt unter dem Strich eine absolute, reale Einkommensverbesserung heraus, die bei den Rentnern zirka 35 v. H. beträgt. Diese amtliche statistische Zahl, die nicht zu bestreiten ist, sollten Sie sehen; man muß das nur sehen
wollen! Damit haben die Rentner gegenüber den aktiv tätig Versicherten einen etwas stärkeren Anteil an der allgemeinen realen Einkommensentwicklung. Diese Entwicklung wird sich sicher auch im Jahre 1974 fortsetzen, auch wenn man derzeit nichts Konkretes über die Lohnentwicklung dieses Jahres sagen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine zweite Feststellung möchte ich noch treffen: Durch die Rentenerhöhungen in dieser Zeit hat sich die Einkommensentwicklung bei den Rentnern im Verhältnis zu der Netto-Lohnentwicklung ebenfalls leicht gesteigert. Das Zurückliegen der Anpassungsjahre hat sich durch die starken Lohnsteigerungen in diesen Jahren nicht mehr negativ ausgewirkt, wie das in früheren Jahren, Herr Kollege Franke, unter anderen Regierungen oft der Fall war. Die Renten betragen heute etwas mehr als 75 % des jeweiligen Nettoeinkommens, mit dem sie nur verglichen werden können, wenn man sie in der heutigen Relation und in der heutigen Zeit sieht.
({6})
- Durch dieses 17. Rentenanpassungsgesetz, Herr Kollege Geisenhofer, werden auch die neu in die Rentenversicherung hineingenommenen Vorschriften über die Rentenniveausicherung nicht verletzt. Dies trifft auch für den ganzen Vorausberechnungszeitraum der nächsten 15 Jahre zu. Wenn Sie, Herr Kollege Franke, so schön mit Engelszungen darstellen, was sich bei Ihrer vorgeschlagenen Lösung ereignet hätte, dann wissen Sie doch so gut wie wir, weil wir das gründlich im Ausschuß beraten haben, daß diese Formel nicht anwendbar, nicht praktikabel gewesen wäre, weil sie nicht nur Lohnleitlinien geschaffen, sondern auch im Nachhinein einen Verwaltungswust, einen untragbaren Verwaltungsaufwand bedeutet hätte.
({7})
--- Nein, das ist einfach nicht möglich, im Oktober eines Jahres festzulegen, wie die Lohn- und Einkommenssteigerungen im allgemeinen sein werden, und daraus die Höhe der Renten zu berechnen.
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Rentnermehreinkommen umfaßt in der Rentenversicherung 7,9 Milliarden DM durch die Erhöhung nach dem 17. Rentenanpassungsgesetz. In der Unfallversicherung sind es 386 Millionen DM und in der Altershilfe für Landwirte über 168 Millionen DM. Von diesem Mehrbetrag in Höhe von 8,5 Milliarden DM müssen vom Bundeshaushalt allein 779 Millionen DM aufgebracht werden, und diese sind im Haushaltsvolumen eingeplant.
Mit der Festlegung der künftigen Dynamisierung des Altersgeldes für Landwirte, der Dynamisierung der Lastenausgleichsrenten und, Herr Kollege Franke, der Dynamisierung der Kriegsopferrenten und dazu noch mit dem Stufenplan für die frühere Auszahlung der Kriegsopferrenten einschließlich
der strukturellen Verbesserungen und anderer Leistungen hat diese Bundesregierung ihre Politik der sozialen Sicherung unbeirrt fortgesetzt, um den Menschen, die auf ein Renteneinkommen angewiesen sind, auch eine volle Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung der aktiv Tätigen zu sichern. Das ist die tatsächliche Entwicklung, nicht die von Ihnen behauptete.
Der Sozialbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat dieser Erhöhung zugestimmt, so daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung den Gesetzentwurf zügig beraten und zum Abschluß bringen kann. Mit diesen und mit vielen anderen materiellen Verbesserungen, aber auch durch die Verbesserung der Sozialgesetze im allgemeinen, insbesondere durch das Gesetz zur flexiblen Altersgrenze, das Gesetz zur Schaffung einer Mindestrente,
({9})
das Gesetz zur Lohnsicherung bei Konkursen, das Gesetz über die Betriebsrenten, die Verbesserung des Krankenversicherungsrechts und eine Reihe anderer Gesetzesvorhaben hat die Bundesregierung ihren Willen zur sozialen Sicherung bewiesen, den sie in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 wie folgt umrissen hat:
Moderne Sozialpolitik handelt nicht mehr nur davon, die Furcht vor materieller Not und sozialem Abstieg zu beseitigen. Sie strebt nach mehr Gerechtigkeit, und sie will bewirken, daß in unserer Gesellschaft mehr reale Freiheit herrscht.
Diesen Willen hat die Bundesregierung in die Tat umgesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer der Auffassung ist, daß man alles das, was die CDU/CSU hier beantragt hat, auf einmal verwirklichen kann, dein muß man doch einmal ganz deutlich sagen: „Wir dürfen bei der Rentenanpassung, die wir Jahr für Jahr vornehmen sollen, nicht nur von der gegenwärtigen Finanzlage ausgehen. Wir müssen an die Zukunft denken. Wir wollen dafür sorgen, daß die Renten in der heutigen Höhe auch für alle Zukunft gewährleistet bleiben. Das ist unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung. Das sollte auch Ihre Sorge, auch die Sorge der Opposition sein. Ich bin fest davon überzeugt, daß uns die Rentner dankbar sind, wenn wir durch eine verantwortungsvolle Rentenpolitik dafür sorgen, daß die Renten in dieser Höhe auf die Dauer bezahlt werden können, und zwar ohne daß die Einkommen der Erwerbstätigen über Gebühr belastet werden. Das sollte man doch der Opposition einmal sagen".
({10})
- Herzlichen Dank für diesen Einwurf. Was ich Ihnen hier gerade vorgetragen habe, ist nämlich nicht meine Meinung, das war vielmehr die Meinung Ihres Kollegen Ruf, und zwar bei der Rentendebatte im Jahre 1960.
({11})
Man kann heute jede Debatte bis zum Jahre 1969 nachschlagen, und es finden sich die gleichen Worte in der gleichen Weise. Erst seit 1969, seit Sie die Regierungsverantwortung nicht mehr tragen, überschlagen sich Ihre manchmal unverantwortlichen Vorschläge für soziale Verbesserungen, die Augenauswischerei sind und nur nach außen vorgetragen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird diesen Entwurf eines 17. Rentenanpassungsgesetzes im Ausschuß zügig mitberaten, damit das Gesetz bald in Kraft gesetzt werden kann.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP habe ich folgende Erklärung abzugeben. Aber gestatten Sie auch mir zunächst eine Vorbemerkung. Herr Kollege Franke, Sie haben zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Katalog sozialer Demontage aufzulegen versucht. Bis zum heutigen Tag haben Sie in diesen Katalog sicher nicht eine Zeile schreiben können; es sind nach wie vor weiße Blätter. Auch Ihr Versuch, jetzt im Rahmen der Kriegsopferrenten dort zur Feder zu greifen, sollte von vornherein keine Spuren hinterlassen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle deutlich machen: Diese Regierung, diese Koalition haben die Kriegsopfer nicht etwa auf einen Stufenplan vertröstet, sondern dieser Stufenplan ist beschlossen. Wir haben die Kriegsopferrenten am 1. Januar 1974 um 11,4 % erhöht, wir werden sie zum 1. Oktober dieses Jahres um 11,2 % erhöhen, und die nächste Erhöhung erfolgt zum 1. Juli 1975. Das sind nicht Vertröstungen, sondern blanke Tatsachen zugunsten dieser Regierung. Bemessen auf das Jahr 1974 machen die Erhöhungen umgerechnet einen Anstieg um 15 0/o aus. Ich glaube, daß wir uns auch bei den Kriegsopfern sehr gut sehen lassen können.
({0})
Noch eine Vorbemerkung. Herr Kollege Franke, Sie haben das Stichwort „Durchschnittsrenten 491 DM" in die Debatte geworfen. Ich glaube, auch das ist nicht geeignet, draußen den Eindruck redlicher Sozialpolitik zu erwecken. Die Zahl mag stimmen, Herr Kollege Franke. Nur sagt sie nichts über die tatsächlichen Einkünfte der Rentner aus, weil es z. B. Bezieher von Kleinrenten gibt, die noch andere Einkommen haben. Ich habe selbst in meiner Verwandtschaft Beamtenwitwen, die eine Arbeiterrente von durchschnittlich 200, 250 DM erhalten, aber daneben eine beachtliche Beamtenpension. Selbstverständlich drücken diese Arbeiterrenten den Durchschnitt in der Rentenversicherung. Der Durchschnitt allein sagt nichts aus. Aus der Sicht des Rentners sehen die Dinge sicher etwas anders aus.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zu der Erklärung namens der FDP-Fraktion kommen. Wir Freien Demokraten begrüßen die Vorlage der sozialliberalen Bundesregierung für ein 17. Rentenanpassungsgesetz. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zum 1, Juli 1974 um 11,2 % und die Unfallrenten zum 1. Januar 1975 um 11,6 % erhöht werden. Erstmals wird auch die Altershilfe für Landwirte in die Dynamisierung einbezogen. Die Altersgelder und die Landabgaberenten werden zum 1. Januar 1975 ebenfalls um 11,2 % erhöht. Diese Leistungsverbesserungen kommen mehr als 12 Millionen Empfängern zugute. Das Gesamtvolumen der Mehraufwendungen liegt bei rund 8,5 Milliarden DM. Die Rentenerhöhungen liegen damit in der Rentenversicherung geringfügig unter dem Steigerungssatz des Vorjahres, der die bisher höchste Rentenanhebung brachte, und deutlich über der vorjährigen Erhöhung der Unfallrenten. Die reale Zuwachsrate der Renteneinkommen wird damit auch 1974 wie schon in den Vorjahren über der Steigerung der Lebenshaltungskosten in Rentnerhaushalten liegen. Mit der jetzt vorgesehenen Anpassung steigen die Renten seit Bildung der sozialliberalen Koalition um 65 % Auch das möchte ich noch einmal unterstreichen. Ich meine: eine beachtliche Leistung. Gegenüber dem Rentenniveau von 1957 liegt sogar eine Steigerung um das Dreieinhalbfache vor.
Das alles ist möglich auf der Grundlage gesicherter Finanzen. Der Rentenanpassungsbericht 1974 hat bestätigt, daß die Renten bis 1988 ohne Beitragserhöhung finanziert werden können, obwohl sich das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern in diesem Zeitraum besonders ungünstig gestaltet. Daran wird deutlich, daß die Koalition die Entwicklung bei der Einführung der flexiblen Altersgrenze realistisch beurteilt hat. Die Finanzierung der Rentenversicherung ist auch langfristig gesichert. Die Gruppe der Rentner, aber auch die Beitragszahler können der künftigen Entwicklung beruhigt entgegensehen.
Gestatten Sie auch eine Anmerkung zu der von Ihnen, Herr Franke, wieder in die Debatte gebrachten Rentenniveausicherungsklausel, ohnehin ein sprachliches Monstrum, das draußen wohl kaum jemand versteht. Der Beitrag der CDU/CSU, vertreten durch Sie, Herr Kollege Franke, über die angebliche Verschlechterung der Situation der Rentner und die daraus abgeleitete Notwendigkeit einer neuen Rentenniveausicherung, geht wieder einmal an der Sache vorbei. Denn diese Ausführungen lassen die tatsächlichen Einkommensverhältnisse der Rentner außer acht. Zunächst erwecken sie den unzutreffenden Eindruck, als bildeten die Sozialversicherungsrenten für alle Rentner - ich sagte es schon - die alleinige Lebensgrundlage. Ferner geht es wirklich nicht an, daß frühere Bruttoeinkommen in Beziehung zur Rente gesetzt werden. Denn aus der Sicht des Arbeitnehmers interessiert ihn das, was er in der Lohntüte hat, und genauso interessiert den Rentner, was er effektiv in Händen hat. Deshalb müssen vielmehr die tatsächlich verfügbaren Einkommen, also das Nettoarbeitsentgelt des Arbeitnehmers mit der Rente des Rentners, verglichen werden. Dann ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild. So betrug das Rentenniveau 1973, gemessen am Nettoarbeitsentgelt, 60,5 %, im Jahre 1966 dagegen, als Sie von der CDU/CSU-Fraktion ressortmäßig die Verantwortung trugen, knapp 54 %.
Im übrigen - das ist wohl das Entscheidende - ist die von der CDU vorgeschlagene Niveausicherungsklausel, die nach einem vorauszuschätzenden Arbeitnehmerentgelt ermittelt werden soll, tatsächlich unpraktikabel. Es liegt auf der Hand, wie problematisch Schätzungen und Voraussagen über die Einkommensverteilung des nächsten Jahres sind. Verhängnisvoll wäre es aber, aus solchen Schätzungen unmittelbare gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, ganz abgesehen von den prozyklischen Wirkungen solcher Orientierungsdaten und der Gefahr einer Aushöhlung der Tarifautonomie. Hier sollte es nicht darum gehen, über fiktive mathematische Formeln zu streiten. Uns jedenfalls geht es darum, den Rentnern die Rentenerhöhungen zu verschaffen, die im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten vertretbar sind und auf die sie wegen der gestiegenen Löhne und Gehälter berechtigten Anspruch haben.
Wir Freien Demokraten werden alles daransetzen, daß das 17. Rentenanpassungsgesetz zügig verabschiedet wird, damit die erhöhten Renten pünktlich zum 1.. Juli 1974 ausgezahlt werden können.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke.
Meine Damen und Herren! Ich wollte nur noch einen Satz nachschieben, nachdem drei Vertreter der Koalition gesprochen haben. Gestatten Sie mir das noch.
Ich habe meine Durchschnittszahlen über die Rentenhöhe - Arbeiterrentenversicherung, Angestelltenversicherung und Witwenrenten - aus dem Rentenanpassungsbericht 1974 der Bundesregierung, mit der Unterschrift von Willy Brandt versehen. Ich habe nichts anderes getan, als hier ein Zitat aus dem Bericht gebracht, der diese Zahlen enthält.
({0})
Dazu habe ich keinerlei Ergänzungen zu geben - zu dem, was hier in diesem Rentenanpassungsbericht steht.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe nunmehr die Punkte 8 his 15 der heutigen Tagesordnung auf - es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe -:
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anderung des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaf t
- Drucksache 7/1366
Überweisungsvorschlag_ des Ältestenrates: Innenausschuß
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes
- Drucksache 7/1490 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Juni 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über den Verzicht auf die Legalisation von Urkunden
- Drucksache 7/1381
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung
- Drucksache 7/1443 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({0})
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien über Sozialversicherung
- Drucksache 7/1480 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzübereinkommen vom 26. Februar 1966 zum Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr vom 25. Februar 1961 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden sowie zu den Internationalen Übereinkommen vom 7. Februar 1970 über den Eisenbahnfrachtverkehr und über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr
- Drucksache 7/1453 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Januar 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia über die Einrichtung und den Betrieb eines Fluglinienverkehrs zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
- Drucksache 7/1484 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 25. Oktober 1972 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte
- Drucksache 7/1485 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr ({1}) Rechtsausschuß
Das Wort wird nicht begehrt.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats bitte ich aus der Tagesordnung zu entnehmen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der verbundenen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Haushaltsausgabe beim Beitrag zum Haushalt der Europäischen Gemeinschaften ({3})
- Drucksachen 7/1087, 7/1444 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens
({4})
Der Herr Berichterstatter begehrt das Wort nicht. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht begehrt.
Wer der Vorlage zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 17 und 18 der Tagesordnung auf:
17. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer 22 ha großen Teilfläche des bundeseigenen Geländes in Wiesbaden-Freudenberg an die Landeshauptstadt Wiesbaden
- Drucksache 7/1478 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
18. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Bundeseigenes Grundstück in Berlin-Spandau; Veräußerung an das Land Berlin
- Drucksache 7/1479 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Das Wort wird nicht begehrt. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie bitte aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 14 des Petitionsausschusses ({5}) über Anträge zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis 31. Dezember 1973 eingegangenen Petitionen
- Drucksache 7/1486 Ich bitte, die in der Sammelübersicht enthaltenen Anträge des Petitionsausschusses anzunehmen, und frage zunächst, ob das Wort begehrt wird. - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Petitionsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 20 auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung
der Verordnung ({8}) Nr. 170/71 hinsichtlich der Abgrenzung des Begriffs „Erzeuger"
- Drucksachen 7/964, 7/1386 -Berichterstatter: Abgeordneter Schonhofen ({9})
- Ein sehr schwieriges Problem.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht begehrt. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke.
({10})
- Es ist ein landwirtschaftliches Problem, Herr Abgeordneter Wehner. ({11})
Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, die Sie ausgeharrt haben. Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. Januar, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.