Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich darf Ihnen zunächst einige amtliche Mitteilungen machen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen:
1. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines einmaligen Heizölkostenzuschusses
Drucksache 7/1395 -
a) Bericht des Haushaltsauschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1431
Berichterstatter: Abgeordneter Carstens ({1})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({2})
- Drucksache 7/1430 Berichterstatter: Abgeordneter Braun ({3})
2. Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({4}) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ({5})
- Drucksache 7/1432 - Berichterstatter: Senator Dr. Heinsen
3. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Hilfe für die afrikanischen Dürregebiete
- Drucksache 7/1436
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß ({6}),
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Haushaltsausschuß
Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit ist die Erweiterung ,der Tagesordnung beschlossen.
Es liegt Ihnen weiter eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Bericht über die Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 25. September bis 2. Oktober 1973 in Straßburg
- Drucksache 7/1102 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Bericht über das vom Ausschuß für Kultur und Erziehung
der Beratenden Versammlung des Europarates vom
29. bis 30. Juni 1973 in Florenz veranstaltete Kolloquium -- Drucksache 7/1137 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zum derzeitigen Stand der Entwicklung zur Wirtschafts- und Währungsunion
- Drucksache 7/1331
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({7}) Finanzausschuß
Haushaltsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Betr.: Bericht der Bundesregierung über Nachfrage und Angebot bei Studienplätzen
- Drucksache 7/1340 zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments zu der vom Gemischten Parlamentarischen Ausschuß EWG-Türkei am 10. September 1973 in Instanbul angenommenen Empfehlung
- Drucksache 7/1377 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung dem Bundestag Vorlagen zugeleitet, die in der Ihnen ebenfalls vorliegenden Liste bezeichnet sind und die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden sollen:
1. Vorlage des Bundesministers der Finanzen
betr. Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 6005 - Bundeshilfe für Berlin
- Drucksache 7/1341
2. Vorlage des Bundesministers der Finanzen
betr. Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 2302 Tit. 686 24 ({8})
- Drucksache 7/1343
3. Vorlage des Bundesministers der Finanzen
betr. Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 3. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1973
- Drucksache 7/1312 Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr hat mit Schreiben vom 11. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lemmrich, Stücklen, Dr. h. c. Wagner ({9}), Dr. Jobst, Biehle, Engelsberger, Dr. Kunz ({10}), Spranger, Dr. Fuchs, Dr. Wittmann ({11}), Niegel, Kiechle, Dr. Waigel, Dr. Zimmermann und Genossen betr. Bundesfernstraßenbau in Bayern - Drucksache 7/1197 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1408 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr hat mit Schreiben vom il. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Jobst, Dr. Jenninger, Niegel, Dr. Waffenschmidt, Schulte ({12}), Dr. Kunz ({13}), Dr. Waigel, Spranger, Dr. Fuchs, Engelsberger, Dr. Zimmermann, Milz, Seiters, Dr. Ritz und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Bundesfernstraßenbau - Drucksache 7/1196 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1409 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 10. Dezember 1973 die Kleine
4372 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Köhler ({14}), Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Riedl ({15}), Dr. Franz, Frau Hürland, Dr. Hornhues, Dr. Waigel, Dr. Probst, Dr. Stavenhagen und Genossen betr. Verbesserung des Mutterschutzes im Bereich der künstlerischen Berufe - Drucksache 7/1291 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1414 verteilt.
Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 12. Dezember 1973 das vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 8. November 1973 beschlossene Siebenundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({16}) bestätigt. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1433 verteilt.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Ey, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr, Stavenhagen, Schröder ({17}), Frau Dr. Walz, Weber ({18}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Patent- und Lizenzpolitik - Drucksache 7/1173 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1429 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Gölter, Dr. Riedl ({19}), Werner, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Köhler ({20}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kürzungen in den Etats der Rundfunk- und Fernsehanstalten - Drucksache 7/1127 ({21}) - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1435 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogel ({22}), Dr. Müller-Hermann, Erhard ({23}), Dr. Lenz ({24}), Kunz ({25}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Gleichwertigkeit der Juristenausbildung in Bremen mit der Juristenausbildung nach II 5, 5 a des Deutschen Richtergesetzes ({26}) - Drucksache 7/1292 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1437 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lattmann, Dr. Meinecke ({27}), Frau von Bothmer, Engholm, Dr. Glotz, Dr. Lohmar, Dr. Schweitzer, Vogelsang, Dr. Wichert, Wüster, Frau Schuchardt, Möllemann, Hoffie und Genossen betr. Fernunterricht - Drucksache 7/1195 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1438 verteilt.
Meine Damen und Herren, damit treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Steuerreformgesetzes
hier: Vermögensteuergesetz, Bewertungsgesetz und Gewerbesteuergesetz
- aus Drucksache 7/78 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({28}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1426 - Berichterstatter: Abgeordneter Leicht
b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({29})
- Drucksachen 7/1358, 7/1389 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker
({30}) Abgeordneter Halfmeier
({31})
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerlicher Vorschriften
- Drucksache 7/1003 Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({32})
- Drucksache 7/1358 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker
({33}) Abgeordneter Halfmeier
({34})
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob das Wort gewünscht wird? - Herr Abgeordneter Becker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages beschäftigte sich seit Juni dieses Jahres in neun Sitzungen mit den heute zur Entscheidung vorliegenden Entwürfen zur Vermögensteuer, zum Bewertungsgesetz, zum Gewerbesteuergesetz, zum Einkommensteuergesetz über Ermittlungen des Gewinns aus der Land-und Forstwirtschaft, zur Änderung der Einfamilienhausverordnung, zum Lastenausgleichsgesetz und zu einer Änderung grundsteuerlicher Vorschriften zur Förderung des Wohnungsbaus. Zusammengefaßt sind alle diese Gesetze in der Drucksache 7/1358.
Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand ein Entwurf der Fraktionen der SPD und FDP zu einer grundsätzlichen Änderung der Vermögensteuer, die im Jahre 1974 nach bisherigem Recht rund 4 Milliarden DM erbringen würde.
Koalition und Opposition gaben in den Verhandlungen ihren Auffassungen Ausdruck, daß die Ungerechtigkeiten bei der Bewertung des Grundvermögens gegenüber anderen Vermögenswerten beseitigt werden müssen.
Zu diesem Zweck sieht der Entwurf der Koalition eine endgültige Regelung ab 1. Januar 1975 mit Übergangsbestimmungen für das Jahr 1974 vor, während die CDU/CSU-Fraktion - in Übereinstimmung mit dem Bundesrat - ein Vorschaltgesetz mit Wirkung ab 1974 zur Anpassung der Einheitswerte einbrachte. Nach dem Entwurf der Koalition soll das Grundvermögen ebenso wie bei der Erbschaftsteuer mit 140 v. H. der neuen Einheitswerte 1964 bewertet werden. Der persönliche Freibetrag wurde auf Antrag der SPD und FDP einstimmig auf 70 000 DM erhöht.
Da nach den Vorstellungen der Koalition die Vermögensteuer ab 1. Januar 1975 bei der Einkommensteuer nicht mehr abzugsfähig sein soll, wurde der Steuersatz bei natürlichen Personen auf 0,7 v. H. gesenkt, während er bei juristischen Personen mit 1 v. H. unverändert bleibt. Für die Übergangszeit soll dieser hinsichtlich der persönlichen und juristischen Personen ebenfalls mit 0,7 v. H. erhoben werden. Auf Vorschlag der CDU/CSU wurde zur weiteren Verwaltungsvereinfachung die neue Veranlagungsgrenze bei der Vermögensteuer einstimmig auf 150 000 DM erhöht.
Kontrovers waren die Auffassungen über die vermögensteuerliche Behandlung der gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen. Die Opposition nahm den Vorschlag des Bundesrates auf, nach dem die Steuerfreiheit ausgeschlossen ist, wenn die Geschäfte nicht sozialen Zwecken im Sinne des Wohnungsbaugemeinnützigkeitsgesetzes dienen. Die Mehrheit des Ausschusses nahm den vorliegenden neu formulierten Text von § 3 Nr. 13 an, der eine ähnliche Tendenz verfolgt.
Einigkeit bestand über die Aufrechterhaltung der 50 % igen Ansetzung des Vermögens von EnergieDr. Becker ({0})
unternehmungen. Damit folgte der Finanzausschuß einem Vorschlag des Wirtschaftsausschusses vor allem im Hinblick auf die Energiekrise. Diese Regelung gilt bis Ende 1977.
Die Opposition stimmte wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit der noch nicht verabschiedeten Einkommensteuerreform und der Höherbesteuerung um rund eine Milliarde DM gegen den Koalitionsentwurf des Vermögensteuergesetzes.
Von besonderer Bedeutung ist der Beschluß des Ausschusses über die Gewerbesteuer. Einstimmigkeit bestand über die von der Koalition vorgeschlagene Erhöhung des Grundsteuerfreibetrages. Ab 1. Januar 1975 sollen die ersten 15 000 DM gewerbeertragsteuerfrei bleiben. Eine solche Anhebung des Freibetrages wurde von der CDU/CSU schon seit dem Jahre 1969 gefordert. Im Finanzausschuß wurde daran erinnert, daß der frühere Abgeordnete Schulhoff diese Forderung immer wieder erhoben hatte. Der Ausschuß geht mit der Bundesregierung einstimmig davon aus, daß der Einnahmeausfall von rund 785 Millionen DM im Rahmen einer Novellierung des Finanzausgleichs zugunsten der Gemeinden ausgeglichen werden soll.
Wichtig war auch der einstimmige Beschluß des Ausschusses, die Vorschriften der EinfamilienhausVerordnung im Sinne der Wahrung der Aufkommensneutralität durch Herabsetzung des Vervielfältigers auf 1 vom Hundert zu korrigieren.
Im übrigen verweise ich auf den vorliegenden ausführlichen Bericht.
Namens des Ausschusses bitten die Berichterstatter, die Gesetzesvorlage in der Fassung der Ausschußbeschlüsse anzunehmen.
({1})
Vielen Dank, Herr Berichterstatter.
Damit treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Halfmeier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Mitberichterstatter habe ich dem, was Herr Dr. Becker eben vorgetragen hat, nichts hinzuzufügen.
Für die SPD-Fraktion jedoch möchte ich unsere Genugtuung darüber zum Ausdruck bringen, daß mit dem vorliegenden Vermögensteuerreformgesetz dem Anliegen des Bundesrates, das mit dem Entwurf eines Vermögensteuervorschaltgesetzes auf der Drucksache 7/1003 vorgebracht wurde, in der Sache voll Rechnung getragen wurde. Diesem Anliegen wird jetzt in einer derart umfassenden Weise Rechnung getragen, wie es die Antragsteller selber nach ihrer eigenen Aussage nicht einmal zu träumen wagten. Die Umstellung des Steuerrechts auf die Einheitswerte von 1964 wird ab 1. Januar 1974 lückenlos sein.
Doch dieses Gesetz bringt darüber hinaus weit mehr. Es schließt das Gesetzgebungsverfahren des sogenannten Zweiten Steuerreformgesetzes ab und realisiert damit in diesem bedeutenden Teilbereich
der Steuerreform ein wichtiges Reformziel, nämlich mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen. Die ungerechte, verfassungswidrige und ungleiche Besteuerung von Grundvermögen einerseits und Kapital- und Barvermögen andererseits wird dadurch beseitigt, daß ab 1. Januar 1974 allen einheitswertabhängigen Steuern die zeitnäheren Einheitswerte von 1964 zugrunde gelegt werden und diese außerdem durch einen Zuschlag von 40 % den inzwischen weiter gestiegenen Verkehrswerten so weit wie zur Zeit möglich angeglichen werden.
Darüber hinaus wird die Steuerlast auch gerechter verteilt. Die kleinen und mittleren Vermögen werden spürbar entlastet, und die starken Schultern werden in durchaus zumutbarer Weise stärker belastet. Die Motive dafür sind rein sachlicher Natur. Neidkomplexe oder ähnliches, wie manchmal unterstellt wird, spielen dabei überhaupt keine Rolle. Es wird vielmehr in vernünftiger Weise dafür Sorge getragen, daß die Steuerpolitik der Vermögenspolitik nicht im Wege steht. Es ist doch das erklärte Ziel aller in diesem Hause vertretenen Parteien, eine breit gestreute Vermögensbildung zu fördern. Dieses Reformgesetz nun stellt aber erst sicher, daß die Vermögensteuer kein Hindernis mehr auf dem Wege zu einer breit gestreuten Vermögensbildung ist. Dies geschieht insbesondere durch die bedeutende Anhebung aller wichtigen Freibeträge und die Vervielfachung derselben mit der Zahl aller zusammen veranlagten Personen. So erreichen die Freibeträge insgesamt eine Höhe, die alle kleinen und mittleren Vermögen und auch eine allein auf Vermögensbildung abgestellte Altersvorsorge weitgehend von der Vermögensteuer befreit.
Ein weiteres Reformziel ist die Vereinfachung des Steuerrechts und der Steuerverwaltung. Diese beiden Ziele der Steuerreform, mehr Steuergerechtigkeit einerseits und Vereinfachung der Steuergesetze andererseits, stehen aber in einem ständigen Spannungsverhältnis zueinander, wie wohl inzwischen allgemein bekannt sein dürfte. Beide Grundsätze schließen sich manchmal bis zu einem gewissen Grade gegenseitig aus. Das ist auch bei der Vermögensteuer nicht anders. Dabei hat für uns zwar die Steuergerechtigkeit Priorität. Trotzdem wird es die Steuerverwaltung dankbar begrüßen, daß durch dieses Gesetz sichergestellt wird, daß die Umstellung auf die neuen Einheitswerte ab 1. Januar 1974 lückenlos sein wird und nirgendwo mit unterschiedlichen Einheitswerten nebeneinander gearbeitet werden muß. Das erleichtert die Arbeit der Finanzämter wesentlich. Außerdem wird aber auch die Zahl der Vermögensteuerpflichtigen überhaupt durch dieses Gesetz spürbar verringert, was ebenfalls angesichts der Gesamtbelastung unserer Finanzämter allgemein begrüßt werden wird. - Sie lachen, Herr Kollege, aber Sie werden mir das nicht bestreiten wollen.
Herr Kollege, es gibt viele Quellen der Heiterkeit in diesem Hause.
Meine Damen und Herren, ich will auch noch ein Wort zu den Steuersätzen sagen.
Neben den für das Übergangsjahr 1974 vorgesehenen Sätzen werden auch die endgültigen ab 1. Januar 1975 geltenden Steuersätze durch dieses Gesetz festgelegt. Die Opposition, die bei der Einzelberatung den meisten Regelungen dieses Gesetzes zugestimmt hat, glaubt jedoch, wegen der endgültigen Festlegung der Steuersätze ab 1975 diesem Reformgesetz insgesamt ihre Zustimmung nicht geben zu können. Dafür habe ich durchaus Verständnis.
Die Opposition hat zu Recht darauf hingewiesen, daß zwischen Vermögensteuerreform und der Reform der Steuern vom Einkommen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Die Opposition unterscheidet sich jedoch von der Koalition grundsätzlich darin, daß sie nach ihren eigenen Einlassungen hier in diesem Hause nicht daran glaubt, daß die Steuerreform, wie von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen geplant, zum 1. Januar 1975 realisiert sein wird. Ich verstehe, daß ihr das schwerfällt nach den Erfahrungen, die sie selber mit ihren eigenen Bundeskanzlern gemacht hat, die in ihren Regierungserklärungen der fünfziger und sechziger Jahre die Steuerreform immer wieder angekündigt hatten, dann aber keinen Finger mehr rührten, um sich ihre Finger nicht zu verbrennen.
Herr Abgeordneter Halfmeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0}) ?
Bitte schön!
Herr Kollege Halfmeier, können Sie dafür garantieren, daß die Steuerreform, einschließlich der Einkommensteuer, auch wirklich bis zum 1. Januar 1975 durchgeführt wird?
Herr Dr. Becker, wer kann schon hier auf Erden etwas garantieren!
({0})
Aber ich kann Ihnen garantieren, daß wir, die Koalitionsfraktionen,
({1})
nicht nur die Absicht haben, sondern auch schon ein Konzept vorgelegt haben und uns gegenwärtig bemühen, dieses Konzept zu realisieren.
({2})
Es kommt sehr darauf an, ob sich die Kräfte aus der Opposition - ob hier in diesem Hause oder im Bundesrat, wo die Mehrheitsverhältnisse im Plenum bekanntlich ein wenig anders sind als hier - dem nicht entgegenstellen.
Nun, meine Damen und Herren, ich sagte, daß das damals, in den 50er Jahren, so war. Ich kann deshalb durchaus verstehen, daß die Opposition auch heute nicht glauben kann, daß wir so
({3})
fleißig und so konsequent sein könnten, daß wir den Mut haben könnten, das zu tun, was die Regierungen vorher nicht wagten, um sich nicht die Finger zu verbrennen.
Wir, meine Damen und Herren, haben ein Konzept, und wir haben auch den Gesamtzusammenhang. Unser Konzept - das Gesamtkonzept für eine Steuerreform im 3. Steuerreformgesetz - liegt erkennbar für jedermann auf dem Tisch; ein solches Konzept habe ich allerdings von der Opposition bis heute nicht gesehen, jedenfalls kein erkennbares Konzept, auf das sich alle verschiedenen Gruppen der Opposition geeinigt hätten. So gesehen ist also das Verhalten der Opposition durchaus verständlich und sogar auch konsequent, aber eben aus demselben Grunde auch ist die Reformpolitik der Koalition und der Bundesregierung konsequent. Wir haben, wie ich schon sagte, diese Gesamtkonzeption, und wir haben auch diesen Gesamtzusammenhang immer gesehen und dieses Vermögensteuergesetz fugenlos in die Gesamtkonzeption eingepaßt. Wir haben auch eine mehrfache Verzahnung mit dem 3. Steuerreformgesetz hergestellt, und zwar sowohl durch die Übernahme der einheitswertabhängigen Teile des dritten Pakets als auch durch die bewußt einkalkulierte Interdependenz im Bereich der finanziellen Auswirkungen der gesamten Steuerreform.
Wir können, meine Damen und Herren, dieses Vermögensteuergesetz wegen der Dringlichkeit der Einführung der neuen Einheitswerte nicht bis 1975 auf Eis legen, bis zu dem Zeitpunkt also, wo auch die gesamte übrige Steuerreform in Kraft treten soll. Wir haben deshalb für 1974 eine Übergangsregelung geschaffen, aber wir haben den Sachzusammenhang zwischen dem 2. und dem 3. Steuerreformgesetz gewahrt und dieses Gesetz in erster Linie auch deshalb jetzt gemacht, um die Hände frei zu haben für die Beratungen eben des 3. Steuerreformgesetzes.
Wir unterstreichen damit nachdrücklich unseren Willen, die Steuerreform, wie geplant - wenn auch unter großer Kraftanstrengung, besonders im Finanzausschuß -, zu Ende zu bringen. Dieses Bemühen kennzeichnet auch schon die Beratungen dieses Gesetzes. Am 17. Oktober nahm der Finanzausschuß die Beratungen auf, und heute liegt dieses Gesetz bereits dem Hohen Hause vor. Das zeugt von einer Gangart, meine Damen und Herren, die nicht alltäglich ist, und ich erkenne ausdrücklich an, daß die Opposition dieses Tempo im Ausschuß auch mitgegangen ist.
({4})
- Dies war kein schlafmütziger Trott, meine Damen und Herren, sondern eine bemerkenswerte Leistung, die auch nicht dadurch abgewertet wird, daß noch nicht jeder Poet in Deutschland dies heute schon richtig begriffen hat.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen, weil damit ein bedeutendes Teilstück der gesamten Steuerreform vollendet wird.
Inzwischen liegt Ihnen auch noch ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor; es ist die
Drucksache 7/1411. Wie schon im Bericht ausgeführt worden ist, gehen sowohl Ausschuß als auch Bundesregierung davon aus, daß durch die Erhöhung der Freibeträge bei der Gewerbesteuer die den Gemeinden ab 1975 entstehenden Steuermindereinnahmen durch einen Finanzausgleich ausgeglichen werden. Die Gemeinden werden also dadurch nicht geschädigt sein. Dies noch zu betonen und gewissermaßen festzuklopfen ist der Sinn dieses Entschließungsantrags.
Ich gehe davon aus, da wir auch im Ausschuß darüber einig waren, daß das Hohe Haus diesem Antrag insgesamt zustimmen wird.
({5})
- Vielen Dank!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Häfele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon lange das Anliegen der CDU/CSU, daß die neuen Einheitswerte von 1964 ab 1974 auch für die Vermögensteuer in Kraft gesetzt werden. Dies ist notwendig aus Gründen der Verfassungsgemäßheit - sämtliche Vermögensarten sollen gleichbehandelt werden -, aber auch aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit. Diese Linie vertreten wir seit der ersten Lesung in diesem Hohen Hause am 22. Februar 1973 und ha-
) ben im Finanzausschuß am 14. März 1973 einen entsprechenden Antrag gestellt, man möge doch durch ein aufkommensneutrales Vorschaltgesetz diese Absicht verwirklichen. Diesen Antrag hat die Koalition damals leider abgelehnt. Am 5. Juni 1973 haben wir schließlich im Finanzausschuß einen Gesetzesantrag entsprechend dem Gesetzentwurf des Bundesrates auf Erlaß eines aufkommensneutralen Vorschaltgesetzes vorgelegt. Diesen Antrag hat die Koalition am 3. Oktober 1973 im Finanzausschuß leider abgelehnt.
Aber, meine Damen und Herren, es ist dem Druck der Opposition zuzuschreiben, daß in diesem Jahr überhaupt noch die Reform der Vermögensteuer verabschiedet werden kann. Denn die Koalition wollte ursprünglich in diesem Jahr die Vermögensteuer gar nicht mehr beraten oder gar verabschieden, vor allem nicht die FDP. Es war vor allem die Absicht der FDP, in diesem Jahr nur die Reform der Grundsteuer und der Erbschaftsteuer zu verabschieden, wohingegen die Vermögensteuer noch Zeit habe bis 1975, womöglich gar bis 1976.
Als dann die Praktiker der Bundesländer uns im Finanzausschuß sehr eindringlich nachwiesen, daß das draußen in der Praxis einfach nicht möglich sei., und als immer deutlicher wurde, daß wir unter dem Druck einer möglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehen, ist dann schließlich in der Koalition eine Vereinbarung zustande gekommen, man wolle doch in diesem Jahr verabschieden, und zwar mit endgültigem Charakter ab 1975 und einer Übergangslösung für 1974. Kurz vor Torschluß blitzte es im Finanzausschuß ganz schnell einmal so
auf, als ob Frau Funcke das Gesetz zwar endgültig verabschieden, es aber erst im Laufe des nächsten Jahres in Kraft setzen wolle.
({0})
Mindestens hatten wir den Eindruck. Es war nicht immer so klar, wie manches bei dieser Gesetzgebung, Frau Funcke. Schließlich galt dann doch wieder ,die alte Vereinbarung: Verabschiedung jetzt schon für 1975 und Übergangslösung für 1974. Alles in allem: Von einem wohlüberlegten Kurs in Sachen Vermögensteuerreform kann man nicht sprechen.
Nun kann die Koalition niemandem einen Vorwurf machen, wenn sie im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat Schwierigkeiten erhält. Seit nahezu einem Jahr, seit der ersten Lesung, aber schon in der letzten Legislaturperiode, haben wir gewarnt, daß wir nicht bereit sind, etwas anderes als eine aufkommensneutrale Lösung mit zu verabschieden, weil eben die Verbindung mit der Einkommensteuerreform gewahrt werden muß. Die Koalition selbst ist einzig und allein verantwortlich, wenn sie jetzt diese Schwierigkeiten bekommt. Ich erinnere daran, daß der Bundeskanzler vor wenigen Wochen, als er vor diesem Hohen Hause die dritten Eckwerte erklärte, einen Appell an das ganze Haus gerichtet hat, man möge doch die Steuerreform zu einem Gemeinschaftswerk werden lassen, und alle Kräfte sowohl in diesem Hause wie im Bundesrat sollten gemeinsam dazu beitragen, daß etwas Vernünftiges zustande kommt. Wenn die Bundesregierung das will, muß sie auch die Bereitschaft haben, auf Anregungen oder Einwendungen der Opposition und der Bundesratsmehrheit einzugehen. Sonst braucht sie sich nicht zu wundern, wenn sie am Schluß einen Reinfall erlebt.
({1})
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion ist für ein aufkommensneutrales Vorschaltgesetz, um den Zusammenhang mit der Steuerreform insgesamt zu sichern. Wir sind dagegen, daß jetzt schon eine Vermögensteuer mit Geltung ab 1. Januar 1975 verabschiedet wird, die im Jahre 1975 ein Mehraufkommen von rund 1 Milliarde DM erbringt, ein Mehraufkommen, das dann in den folgenden Jahren stark - womöglich um mehr als 30% pro Jahr - ansteigt. Man kann das auch nicht gegen die Erleichterungen auf dem Felde der Gewerbesteuer aufrechnen, einmal deshalb, weil es nicht der gleiche Betrag ist, und vor allem deswegen, weil es in den Folgejahren bei der Gewerbesteuer längst nicht eine Entlastung geben wird, die dem Ansteigen bei der Vermögensteuer entspräche.
({2})
- Sehr richtig, natürlich sind auch die Betroffenen andere,
({3})
aber das kann man ja im Wege des Finanzausgleichs regeln.
Wir sind auch deswegen dagegen, weil außerhalb der Problematik der Aufkommensneutralität nun
einmal die enge Verbindung zwischen Vermögensteuer-, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerreform sowie den Vermögensbildungsvorhaben, die die Bundesregierung hat, besteht und gewährleistet bleiben muß. Diese enge Verbindung ist nicht gesichert, wenn man so vorgeht, wie die Bundesregierung und die Regierungskoalition es nun wollen. Daß hier eine enge Verbindung besteht, ersieht man schon daraus, daß etwa das Problem der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer besteht. Zu dem, was wir im Ausschuß selbst anhand zweier Formulierungshilfen, die dann in das Gesetzeswerk eingegangen sind, zu den Durchschnittssätzen für die Landwirtschaft oder zum Problem selbstgenutzter Einfamilienhäuser, was beides die Einkommensteuer betrifft, festgestellt haben, steht zu Recht im Bericht des Berichterstatters, daß wir diese Probleme bei der Beratung über das Dritte Steuerreformgesetz erneut zu prüfen hätten. Mit anderen Worten, es besteht eine so enge Verbindung, daß das jetzt verabschiedete Gesetz insoweit schon nach zwei oder drei Monaten im Finanzausschuß erneut beraten werden muß.
({4})
Daß diese Verbindung besteht, hat die frühere Bundesregierung allein schon terminologisch anerkannt, indem - das waren noch goldene Zeiten der Steuerreform! - der damalige Bundesfinanzminister Möller unter dem Zweiten Steuerreformgesetz immer die Einkommensteuerreform, die Vermögensteuerreform, die Reform der anderen einheitswertabhängigen Steuern und ebenso die Körperschaftsteuerreform verstand. Das hieß damals: Zweites Steuerreformgesetz. Nomen est omen! Indem man die Einkommensteuer - den Hauptteil - aus dein zweiten Gesetz herausgenommen und zu einem Dritten Steuerreformgesetz verselbständigt hat, hat man diesen von Natur aus bestehenden inneren Zusammenhang gelöst.
Dabei geht es auch um die Frage der Belastung insgesamt. Man kann diese Bereiche einfach nicht voneinander trennen. Einkommensteuer, Vermögensteuer, Körperschaftsteuer und Vermögensbildungsabgabe werfen das Problem der Belastbarkeit insgesamt auf. Meine Damen und Herren, Sie werden - ich glaube, das ist inzwischen von allein Seiten erkannt - im nächsten Jahr und womöglich in den nächsten Jahren in Deutschland das Problem der Investitionsbereitschaft haben. Und zu einem solchen Zeitpunkt nehmen Sie ab 1. Januar 1975 eine Belastung vorweg, ohne den Zusammenhang mit den anderen Vorhaben gewährleistet zu haben. Es ist jetzt noch viel deutlicher als schon vor Monaten -unser Standpunkt ist, glaube ich, durch die Entwicklung noch mehr bestätigt worden; die neuere wirtschaftliche Entwicklung zeigt es -, daß man heute eine Vermögensteuerreform mit Mehreinnahmen des Staates ab 1975 nicht isoliert verabschieden darf. Kein Mensch kann heute seriös sagen, was 1974 oder 1975 steuerlich notwendig sein kann. Sie haben im Mai dieses Jahres Steuerhöhungen stabilitätspolitisch begründet, Sie begründen diese Steuererhöhungen jetzt mit der Steuerreform. Werden Sie
im nächsten oder übernächsten Jahr neue oder andere Steuererhöhungen vielleicht wachstumspolitisch begründen, oder werden Sie sie fiskalisch begründen?
Frau Funcke hat am 6. April 1973, also in diesem Jahr, einen beachtlichen Satz gesagt; sie spricht viele beachtliche Sätze, aber dies scheint mir ein ganz besonders beachtlicher Satz zu sein. Ich darf ihn wörtlich zitieren. Sie haben diesen Satz am 6. April 1973 in Bad Godesberg bei der Bundestagung des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels gesagt. Der Satz heißt - wörtlich zitiert -: „Denn wenn der Staat erst einmal die Mehreinnahmen aus der Vermögensteuer vereinnahmt hat, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß er nachher bei der Einkommensteuer ... noch Entlastungen zugesteht."
({5})
Meine Damen und Herren, wir können Ihnen darin nur zustimmen, und genau deswegen kann die Opposition die Hand nicht reichen zur Verabschiedung einer isolierten, nicht aufkommensneutralen Vermögensteuer.
({6})
Wir wollen die Einheit der Steuerreform gesichert haben. Das ist eben nur durch ein gemeinsames Verabschieden möglich. Nur dann ist die Aufkommensneutralität gewährleistet. Oder aber: Einzelteile müssen als solche aufkommensneutral sein. Sonst werden eben Einnahmen „verfrühstückt" - das ist genau das, was Sie gemeint haben -, die dann bei der Hauptmahlzeit nicht mehr zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, beim Zweiten Steuerreformgesetz haben wir zur Grundsteuer ja gesagt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Halfmeier?
Ja.
Herr Dr. Häfele, es ist Ihnen nach der vorliegenden Konzeption der Steuerreform - einschließlich des Dritten Steuerreformgesetzes - doch bekannt, daß das Ganze nicht nur aufkommensneutral sein wird, sondern insgesamt etliche Milliarden Mark an Steuerentlastung bringen wird. Das ist Ihnen doch bekannt?
Herr Halfmeier, Sie begehen immer den Fehler, daß Sie die nunmehr dritten Eckwerte - es gab einmal erste, dann zweite, wieder revidierte, dritte Eckwerte - heute schon als ein Jus scriptum ansehen, als ob das von diesem Hohen Haus schon verabschiedet worden sei. Es muß doch heute jedermann - völlig unpolemisch gesprochen - nüchtern sehen, daß - Sie haben es vorhin selbst bestätigt - nächstes Jahr etwas auf uns zukommen kann, daß Sie so von der Entwicklung überrollt werden, daß Sie keine Garantie abgeben könDr. Häfele
nen, was 1975 steuerlich notwendig wird. Und diesen Zusammenhang wollen wir gewährleistet haben.
({0})
Herr Kollege, dann war die Zwischenfrage nach den Richtlinien zu lange. - Aber bitte!
Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich gar nicht vorstellen können - was Sie ja eben wieder bezweifelten -, daß man erstens zu dem steht, was man sich einmal vorgenommen hat, und daß man zweitens niemals niemals, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft - in der Lage sein wird, mit Sicherheit vorauszusagen, was in zwei, drei Jahren sein wird.
Herr Halfmeier, zu dem stehen, was man einmal vereinbart hat! Sie haben einmal erste Eckwerte aufgestellt, dann zweite Eckwerte, anschließend dritte Eckwerte. Sie haben von der Regierung eine Kraftfahrzeugsteuerreform mit drei Klassen vorgelegt; inzwischen deckt die Fraktion nicht einmal mehr den eigenen Regierungsvorschlag. Sie wollen vier, fünf oder gar sechs Klassen einführen. Wozu stehen Sie denn überhaupt? Diese Frage wird in den nächsten Monaten zu beantworten sein.
({0})
Meine Damen und Herren, wir haben im Rahmen des Zweiten Steuerreformgesetzes ja zur Grundsteuerreform gesagt, obwohl dadurch eine Mehreinnahme von rund 800 Millionen DM im nächsten Jahr fällig wird, was nicht ohne Problem für die Hauseigentümer und für die Mieter sein wird. Wir hätten zur Erbschaftsteuerreform ebenfalls ja gesagt, wenn Sie auf unsere hier vorgebrachten vier Anliegen eingegangen wären, wenn Sie vor allen Dingen bei den Freibeträgen mitgemacht hätten. Wir würden ebenso zu einer aufkommensneutralen Verabschiedung eines Vorschaltgesetzes zur Vermögensteuer ja sagen. Aber wir können zu einer isolierten, eben nicht aufkommensneutralen Verabschiedung der Vermögensteuer nur nein sagen.
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Meine Damen und Herren, eine Steuerreform darf - und das haben Sie auch immer versprochen -keine reine Folge von Steuererhöhungsgesetzen sein, und darum geht es doch im Augenblick. Das Beispiel der Mineralölsteuererhöhung vom Mai letzten Jahres im Rahmen der sogenannten Stabilitätsgesetze zeigt doch, wie reformfeindlich vorgezogene Steuererhöhungen sind. Sie haben im Mai gegen unseren Widerstand die Erhöhung der Mineralsteuer um fünf Pfennig durchgesetzt, hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer; das ergibt also 5,6 Pfennig. Inzwischen haben Sie den Kraftfahrzeugsteuerentwurf mit drei Klassen vorgelegt, aber nun steht die SPD nicht einmal mehr hinter diesem Regierungsentwurf.
Sie sehen, wie Sie sich durch diese Steuererhöhungen bei der Reformarbeit selbst im Wege stehen. Von einer Jahrhundertreform, die Sie vor ein paar Jahren noch angekündigt haben, kann weiß Gott nicht mehr die Rede sein.
Meine Damen und Herren, im Rahmen dieses Gesetzes ist auch eine Änderung der Gewerbesteuer beschlossen worden. Zu dieser Änderung sagen wir ja. Es geht um die Anhebung der Freibeträge; die halten wir für überfällig. Sie entspricht wiederholten Gesetzesanträgen aus dem Lager der CDU/CSU in beiden vorangegangenen Legislaturperioden. Am 23. April 1970 hat der damalige Bundesfinanzminister Möller im Finanzausschuß - nachzulesen im Protokoll - die Zusage gegeben, daß er ab 1. Januar 1971 auf die Forderungen der CDU/CSU insoweit eingehen wolle, indem er dies in die mittelfristige Finanzplanung aufnehme. Man kann also sagen, was wir jetzt verabschieden, geschieht bei der Gewerbesteuer mit vierjähriger Verspätung, entgegen den damaligen Zusagen von Bundesfinanzminister Möller. Es ist sehr die Frage, ob angesichts der inflationären Entwicklung ein Freibetrag von 15 000 DM, wie wir ihn jetzt beschließen, ab 1975 überhaupt noch der Wirklichkeit entspricht, ob dies bis dahin nicht durch die inflationäre Entwicklung längst überrollt worden ist.
Um eine echte Gewerbesteuerreform handelt es sich hierbei allerdings nicht. In der Europäischen Gemeinschaft gibt es kaum einen Staat mit einer vergleichbaren Steuer. Eine echte, eine wirkliche Gewerbesteuerreform kann nur im Abbau dieser Steuer bestehen, um die Wettbewerbsverfälschung innerhalb der EG zum Verschwinden zu bringen.
Von Herrn Halfmeier ist vorhin mit Recht gesagt worden - wir unterstützen diese Resolution -, daß ab 1975 natürlich ein Finanzausgleich notwendig sein wird, weil die Gemeinden, die ohnedies von allen öffentlichen Gebietskörperschaften durch die Inflation am stärksten betroffen werden, diesen Ausfall nicht einseitig tragen können.
Meine Damen und Herren, zum Schluß noch eine Bemerkung zum Beratungsstil im Finanzausschuß. Die Koalition kann sich nicht beklagen, und sie hat dies ausdrücklich anerkannt - freundlicherweise nicht nur im Finanzausschuß, sondern auch heute -, daß auch die Opposition alles getan hat, daß dieses Gesetz noch in diesem Jahr im Bundestag verabschiedet werden kann. Wir haben Überstunden gemacht, wir haben in den letzten Monaten immer am Freitag, auch während der Plenarsitzungen, getagt. Die Verhandlungen standen unter einem Zeitdruck, und es ging nicht ohne Hast ab. So etwas ist nur ausnahmsweise vertretbar. Wir haben das mitgemacht, etwa im Mai bei der Verabschiedung der Stabilitätsgesetze es ist ganz klar, daß dies eilbedürftig war -, bei der Verabschiedung des Energiesicherungsgesetzes, und wir haben es auch hier für gerade noch hinnehmbar gehalten, weil wir eben unter dem Verfassungsdruck stehen, daß ab 1974 alle einheitswertabhängigen Steuern auf dem Boden der neuen Einheitswerte berechnet werden müssen.
Meine Damen und Herren, ich sage dies in aller Ruhe, eine echte Reform - Sie sprechen ja immer von einer großen Reform -, eine echte Reform bedarf der ruhigen und gründlichen Arbeit im Ausschuß. Eine wirkliche Reform muß reifen, und die Betroffenen müssen die Gelegenheit haben, Stellung zu nehmen, und zwar zu jeder Änderung, die da beschlossen wird. Deswegen als Anregung: überlegen Sie sich einmal in aller Ruhe während der Weihnachtspause, was im nächsten _Jahr steuerlich machbar ist und was nicht machbar ist. Sie können doch nicht daran vorübergehen, ,daß die Steuerreform weitgehend durch die Inflation der letzten Jahre einfach den Boden entzogen bekommen hat und daß die neue wirtschaftliche Entwicklung - wir kommen in eine klassische Stagflation hinein, womöglich, wie der Herr Bundeskanzler sagt, mit Minus-Wachstum - die Voraussetzungen erst recht verschlechtert hat. Meine Damen und Herren, je früher Sie sich auf den Boden der Realität begeben, desto geringer wird der Reinfall sein, den Sie am Schluß erleben werden. Überlegen Sie sich daher, was Sie machen können und was Sie nächstes Jahr nicht machen können, um einen Reinfall zu verhindern.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Vohrer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Endlich verstehe ich, warum die CDU/ CSU bei der Steuerreform von einer „sogenannten Steuerreform" spricht; denn wenn Herr Häfele eine „rechte Reform" von uns erwartet, hat er in der Tat recht, auch zukünftig noch von einer „sogenannten Reform zu sprechen. Eine „rechte Steuerreform" werden wir jedoch nicht machen.
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Noch eines bei den Ausführungen von Herrn Häfele war für mich interessant: er wertet den Zeitdruck, je nachdem, woher er kommt, einmal positiv und einmal negativ. Wenn nämlich der Zeitdruck von der Opposition kommt, dann ist er gut. Wenn aber die Koalitionsparteien zu Mehrarbeit und zu intensiverer Arbeit im Ausschuß drängen, dann ist es ein unerträglicher Druck, der von der Opposition abgelehnt wird.
Und danach kritisierten Sie die Eckwerte: erster, zweiter, dritter Eckwert! Herr Häfele, wir sind uns bei den Prinzipien der Steuerreform einig und haben die Werte lediglich so angepaßt, daß sie in die jeweilige gesamtwirtschaftliche Landschaft passen.
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Das heißt, wir haben im Jahr 1971 nicht damit rechnen können, daß die Geldentwertung so schnell voranschreitet. Deshalb haben wir die Werte nunmehr so angepaßt, daß sie der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen und daß sie - das ist ganz wichtig, und da gehen Sie doch hoffentlich mit - zumindest aufkommensneutral bleiben. Im übrigen wissen Sie, daß sie in ihrer jetzigen Ausgestaltung in ihrer Gesamtheit sogar einen entlastenden Effekt haben.
Insofern brauchen wir uns, wenn wir bei der Steuerreform jetzt Halbzeit machen, von der Opposition keine Kabinenpredigt anzuhören. Wir können mit dem, was wir hier vorlegen, vor die Öffentlichkeit treten. Wir haben - gegen Ihre Ängste und Befürchtungen - jetzt einen gemeinsamen Einheitswert für die drei einheitswertabhängigen Steuerarten: Grundsteuer, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer. Wir haben damit die Doppelarbeit mit einem Vorschaltgesetz vermieden. Das Anliegen der FDP - das sehen Sie ganz richtig, Herr Häfele -, nämlich die sachliche Einheit der Steuerreform sicherzustellen, wurde dadurch gewahrt, daß für das Jahr 1974 alle drei einheitswertabhängigen Steuern aufkommensneutral gestaltet wurden. Das ist ein Anliegen der FDP, und wir haben uns deshalb bei der Tarifgestaltung einiges einfallen lassen, um draußen die sachliche Einheit sauber darstellen zu können.
Wir haben noch etwas klargestellt - weshalb auch die Opposition gar keinen berechtigten Grund hat, das Gesetz abzulehnen -, wir haben nämlich in den Ausschußberatungen in aller Deutlichkeit immer wieder betont: wir wollen auch bei den neuen Sätzen ab 1975 - mit 0,7% für natürliche Personen und 1 % für juristische Personen - eine stete Anpassung dieser Sätze, wenn die Einheitswerte sich verändern. Das heißt im Klartext: wir wollen kein überproportionales Ansteigen der Vermögensteuer bei Veränderungen der zukünftigen Ausgangswerte.
Was die Freigrenzen betrifft, die wir von 20 000 DM auf 70 000 DM hochgeschraubt haben, erstaunt es mich, daß Sie Ihre Rechenkünstler heute gar nicht ans Podium geschickt haben. In der letzten Runde haben Sie doch eigens Herrn Bremer hier heraufgeschickt, um uns vorzurechnen, daß es auch einige - konstruierte - Beispiele gibt, in denen die neue Erbschaftsteuer zu Mehrbelastung führt. Heute haben Sie jene Rechenkünstler nicht aufgeboten; denn es wäre Ihnen verhältnismäßig schwergefallen, bei den Anhebungen der Freibeträge ein Beispiel zu konstruieren, in dem solche Mehrbelastungen entstehen würden.
Da Sie in diesem Hohen Hause immer den Sparer zitieren, sollten sie auch einmal den Mut haben, ein Beispiel vermögensteuerlicher Entlastung von Sparern durchzurechnen, die heute - bei einer Familie mit zwei Kindern-einen Freibetrag von 324 000 DM in dem Gesetz zugebilligt bekommen. Das ist eine Erhöhung des Freibetrages um 222 000 DM. Wenn Sie den bisherigen Steuersatz von 1 % zu Grunde legen, dann bedeutet es eine Steuerersparnis von jährlich 2 220 DM. Es soll in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt bleiben, daß wir die Weichen in Richtung auf eine breitere Vermögensbildung gestellt haben.
Jene Regelung paßt somit auch zu dem, was wir mit der Körperschaftsteuer vorhaben, wo wir nämlich die Doppelbelastungen abschaffen wollen und mit dem Anrechnungsverfahren auch hier vorschauend die steuerlichen Regelungen für ein Vermögensbildungsmodell treffen.
Was die Gewerbesteuer anbetrifft - und daran sehen Sie, daß sie zu Unrecht einen ersten, zweiten und dritten Eckwert kritisierten -, so haben wir auch hier die Eckwerte geändert, indem wir den Freibetrag nicht, wie ursprünglich vorgesehen, von 7 200 DM auf 12 000 DM, sondern auf 15 000 DM erhöht haben. Das müßte doch eigentlich in Ihrem Sinne gewesen sein. Insofern verstehe ich die Vorwürfe nicht, mit denen Sie die Anpassung der Eckwerte kritisieren.
Darüber, daß der Einnahmeausfall den Gemeinden über den Finanzausgleich wieder zugeführt werden soll, sind sich alle Parteien einig. Wir möchten noch darauf hinweisen, daß die Kürzung des Gewerbeertrags um 1 % des Einheitswertes der Betriebsgrundstücke auf jetzt 1,2 % eine gewisse Gleichstellung für Eigenbetriebe mit Pachtbetrieben bedeutet.
Die Opposition ging auch in diesem Punkt weiter. Herr Häfele deutete nämlich an, daß die Gewerbesteuer eigentlich ganz abgeschafft werden sollte. Damit kann man natürlich draußen Sympathien gewinnen. Wir glauben aber, daß jene Art, Politik nach dem Grundsatz zu machen: die Ausgaben hoch, die Steuern runter, nicht übermäßig seriös ist; denn wir stellen immer wieder fest, daß damit in der Bevölkerung lediglich gewisse Erwartungen geweckt werden, die Sie genausowenig erfüllen könnten wie wir,
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es sei denn, Sie würden entsprechend den Vorschlägen zur europäischen Steuerharmonisierung die Mehrwertsteuersätze in einer Weise erhöhen, die wir aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit nicht für vertretbar halten.
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Die Opposition hat schon 1969 die Gewerbesteuersenkung gefordert. Komischerweise haben Sie dies erst zu einem Zeitpunkt gefordert, als Sie in der Opposition waren. Das sollte man hier nicht verschweigen.
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Meine Damen und Herren, Sie sehen - und damit komme ich zum Schluß -, die Steuerreform ist ein Beweis dafür, daß der gemeinsame Nenner zwischen den Koalitionsparteien keineswegs so klein ist, wie es die Opposition draußen immer wieder darstellt. Ich teile den Optimismus von Herrn Halfmeier, daß wir die Einkommensteuerreform 1975 vorlegen und 1976 auch die Körperschaftsteuer miteinander in dem Sinne regeln werden,
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wie wir es jetzt vorgesehen haben. Insofern kann die FDP mit einiger Zufriedenheit feststellen, daß wir glaubhaft und für alle Bürger deutlich die sachliche Einheit der Steuerreform gewahrt haben. Die FDP stimmt daher dem vorliegenden Vermögensteuergesetz zu.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Bundeskanzler Willy Brandt hat in der Regierungserklärung - davon gehen wir immer aus - am 18. Januar folgendes zur Steuerreform gesagt:
Die in der vergangenen Legislaturperiode begonnene Arbeit an der Steuerreform, die früher schon so oft angekündigt worden war, wird nach den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit und der Vereinfachung des Steuersystems zügig fortgesetzt.
Er führte dann weiter aus:
Unter Beachtung der Ausgewogenheit soll das Ziel verfolgt werden, die Belastungs- und Entlastungswirkungen insgesamt zeitlich nicht auseinanderfallen zu lassen.
Danach haben Regierung und Koalitionsfraktionen gehandelt. Wer heute noch von Eckwerten redet, ist hinter der Zeit, ist nicht auf der Höhe der Zeit; denn heute wird nicht über Eckwerte, sondern über Gesetzentwürfe beschlossen.
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In der vergangenen Woche haben wir das Erbschaftsteuergesetz beschlossen, und heute beschließt der Bundestag die Vermögensteuerreform. Nach der Reform der Grundsteuer im Frühjahr dieses Jahres und der Erbschaftsteuerreform in der vergangenen Woche wird mit der Reform der Vermögensteuer und der Verbesserung der Gewerbesteuer die Beratung des gesamten Zweiten Steuerreformgesetzes abgeschlossen. Würde es sich um sozial- und bildungspolitische Gesetze von gleichem Rang handeln, hätten wir Grund, das Ergebnis am Ende dieses Jahres zu feiern. Bei Steuergesetzen kommt solche Stimmung aber nicht auf.
Rund ein Viertel aller Güter und Dienstleistungen, die in unserer Volkswirtschaft erarbeitet werden, werden für öffentliche Aufgaben zur Verfügung gestellt: für Krankenhäuser und Schulen, für Zwecke der Verteidigung und für den Straßenbau, für soziale Sicherheit, Forschung, regionale Wirtschaftsförderung, Rechtspflege. Dies sind nur wenige Beispiele der staatlichen, der öffentlichen Aufgaben. Der Anteil aller Steuern am Sozialprodukt, also der in Geld ausgedrückte Wert aller Güter und Dienstleistungen, die wir erwirtschaften, macht knapp 25 % aus, beträgt im Jahre 1974 also rund 250 Milliarden DM Steuern bei einem Sozialprodukt von ungefähr 1 000 Milliarden DM.
Von vielen Seiten werden Forderungen an die Gemeinden, die Länder und den Bund nach zusätzlichen öffentlichen Leistungen gestellt. Auf die Dauer können diese öffentlichen Leistungen nur bezahlt werden, wenn unser Steuersystem von einer großen Mehrheit als gerecht empfunden wird. Zweck der Steuerreform ist es deswegen, neben der Vereinfachung und neben der besseren Überschaubarkeit
der Steuergesetze vor allem ein gerechteres Steuersystem zu schaffen. Darum geht es auch bei der Grundsteuer-, der Vermögensteuer- und der Erbschaftsteuerreform. Entlastung bei kleinen und mittleren Vermögen, höhere Belastung bei Großvermögen, Beseitigung und Abbau von Steuervergünstigungen und Privilegien werden zwar seit jeher gefordert - auch von der Opposition -, aber entsprechend gehandelt haben frühere konservative Mehrheiten nicht.
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Im Zusammenhang mit dieser Vermögensteuerreform werden auch wesentliche Verbesserungen des Gewerbesteuergesetzes beschlossen werden. 800 000 von rund 1 600 000 Gewerbebetrieben sind künftig von der Gewerbesteuer nicht mehr betroffen. Die CDU/CSU sagt ja zum Inhalt des Gesetzes, lehnt das Gesetz aber ab. Sie lehnen auch diese Verbesserung für die kleinen und kleinsten Gewerbebetriebe ab.
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- Natürlich, wir werden in der Abstimmung ja sehen, wie Sie sich verhalten werden. Man kann zum Inhalt von Gesetzen nicht ja sagen und sie am Schluß dann ablehnen.
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Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0})?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Opposition der Gewerbesteuernovelle im Finanzausschuß zugestimmt hat?
All diese Bestimmungen, die Sie vor anderthalb und mehr Jahren abgelehnt und als Steuervorschläge vor allem der SPD und der Bundesregierung kritisiert haben, mit denen der ganze Mittelstand enteignet, den Bauern ihre Höfe genommen und all jene, die sich ein Haus, eine Eigentumswohnung erspart hätten
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- ich habe das alles noch in den Ohren -, einer kalten Sozialisierung, einer sukzessiven Enteignung unterworfen würden, all diese Bestimmungen, die Steuersätze, die Freiträge bei der Erbschaftsteuer und bei der Vermögensteuer sind ja heute nicht mehr umstritten. Trotzdem lehnen Sie den Gesetzentwurf ab.
Die CDU/CSU unterschätzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger, wenn sie nach der Ablehnung der Erbschaftsteuerreform in der vergangenen Woche nun auch die Vermögensteuerreform ablehnt. Das zeigt, daß die CDU/CSU auch weiterhin soziale Steuergesetze bekämpft, wenn auch mit anderen Begründungen als früher. Die CDU/CSU hat niemals ein eigenes Steuerreformkonzept vorgebracht
({1})
und kann ihre Begründungen und Ablehnungen deshalb beliebig wechseln. Die CDU/CSU will nur ein Vorschaltgesetz. Darin drückt sich aus, daß die Handlungsfähigkeit, ja, der Wille der Opposition, sozial gerechtere Steuern zu schaffen, nicht vorhanden sind. Herr Häfele, die Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft wird durch sozialere Steuergesetze nicht gefährdet.
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- Sie hatten das eben gesagt.
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Die CDU/CSU bemäntelt Privilegien von Minderheiten mit der Behauptung, es handle sich um das allgemeine Wohl.
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Ja, Sie verteidigen geradezu Vorrechte mit dem Vorwand, es gehe um das Gemeinwohl.
Das Aufkommen aus der Vermögen-, der Erbschaft- und der Grundsteuer zusammen macht nicht einmal 10 Milliarden DM aus, also weniger als 4 % des gesamten Steueraufkommens.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wagner?
Herr Staatssekretär Porzner, da Sie von sozialer Steuerpolitik gesprochen haben, frage ich Sie: Können Sie irgendeinen nennenswerten Bereich anführen, wo die Wohltätigkeit, die diese Regierung durch irgendwelche steuerlichen Vorteile gegenüber breiten Bevölkerungsschichten üben wollte, wie sie es versprochen hatte, wirksam geworden wäre, statt daß zusätzliche Belastungen gebracht worden wären?
Herr Dr. Wagner, wir sind eben dabei, einen Beschluß für ein Gesetz zu fassen, durch das z. B. der Freibetrag pro Person von 20- auf 70 000 DM erhöht wird. Demnach hat eine Familie mit zwei Kindern einschließlich des Kapitalfreibetrags von 10 000 DM je Person einen Vermögensteuerfreibetrag von 320 000 DM. Das bedeutet, daß bei einer Familie mit zwei Kindern das Vermögen der Vermögensteuer nur unterliegt, soweit es über 320 000 DM hinausgeht, und zwar mit einem Satz von 0,7 %. Ich will es ganz deutlich sagen: Wenn eine Familie mit zwei Kindern ein Vermögen von 350 000 DM hat, dann werden ihr 30 000 DM mit 0,7 % Vermögensteuer belastet. Wer dagegen - und deswegen ist die Opposition dagegen und hat früher nie etwas getan, um diese Gesetze zu ändern
- ein zigfaches Millionenvermögen besitzt, muß zwar künftig auch nur 0,7% Vermögensteuer zahllen, aber diese ist dann nicht mehr wie bisher als
Sonderausgabe bei der Einkommensteuer abzugsfähig, sondern sie fällt tatsächlich an. Das ist der eigentliche Grund, weswegen frühere Mehrheiten diese Gesetze nicht geändert haben.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0})?
Herr Präsident, ich darf dann bitten, daß die Zeit, die für die Zwischenfragen und ihre Beantwortung gebraucht wird, nicht von meiner Redezeit abgezogen wird.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß die CDU/CSU im Jahre 1965 die Iinitiative zur Änderung des Bewertungsgesetzes ergriffen hatte, so daß die Koalition heute die Möglichkeit hat, auf dieser Basis neue Steuersätze vorzuschlagen?
Herr Dr. Becker, darauf komme ich noch zu sprechen.
Ich sagte eben - damit will ich den Zusammenhang wiederherstellen -, daß die einheitswertabhängigen Steuern - Erbschaft-, Vermögen- und Grundsteuer - zusammen weniger als 4 % des gesamten Steueraufkommens ausmachen.
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Die Vermögensteuer selbst wird in diesem Jahr voraussichtlich 3,5 Milliarden DM bei einem Gesamtsteueraufkommen von 200 bis 250 Milliarden DM erbringen.
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- Herr Dr. Häfele, niemand hier im Haus hat Sie während Ihrer Rede in der Art gestört, wie Sie das hier tun.
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- Sie können ja zustimmen! Dann können wir in diesem Haus auch anders darüber reden. Wenn Sie nicht zustimmen, muß ich sagen, weswegen die Regierung und die Koalitionsparteien diese Gesetze für richtig halten und weswegen sie zustimmen.
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Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis: Zwischenrufe sind parlamentarisch, aber wenn sie ständig erfolgen und den Redner stark behindern, müßte ich von der Geschäftsordnung Gebrauch machen und eingreifen.
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Trotzdem enthalten die einheitswertabhängigen Steuern wegen der völlig überholten Bewertung des Grundbesitzes hohe Steuervergünstigungen, enthalten Verzerrungen zwischen verschiedenen Vermögensarten. Grundbesitz wird heute nur noch mit rund 10 °/o des Verkehrswerts zur Vermögen- und Erbschaftsteuer herangezogen. Das bedeutet im Ergebnis eine Steuervergünstigung von 90 °/o.
Es kommt hinzu, daß Schulden und Lasten, die mit diesem Grundbesitz in unmittelbarem Zusammenhang stehen, z. B. Hypotheken, in voller Höhe abzugsfähig sind und damit auch zur Freistellung anderer Vermögenswerte von der Vermögen- und Erbschaftsteuer führen. Denn bei der Ermittlung der Vermögen ist eine Verrechnung der negativen Werte mit den positiven Werten möglich. Diese Wirkung war bekannt und von früheren konservativen Mehrheiten auch gewollt. Diese Vergünstigungen bieten einen starken Anreiz zum Erwerb von Grundstücken. Sie erhöhen nicht nur die Nachfrage, sondern behindern das Angebot an Grundstücken. Mit der Anwendung der neuen Einheitswerte für 1964 werden diese Vergünstigungen verringert.
Wenn und solange es eine Vermögensteuer gibt, müssen alle Vermögensarten gleich zur Steuer herangezogen werden. Deswegen wird die Bundesregierung ein neues Bewertungsgesetz vorbereiten, weil auch die Einheitswerte des Jahres 1964 längst nicht mehr den heutigen Grundstückswerten entsprechen. Selbstverständlich müssen dann auch die Besteuerungsmaßstäbe bei der Grund-, Erbschaft- und Vermögensteuer geändert werden, weil diese ertragsunabhängigen Steuern nicht ungebührlich wachsen dürfen.
Im Laufe der Jahre ist übrigens wiederholt - jetzt komme ich auf Sie zu sprechen, Herr Dr. Becker - der Versuch unternommen worden, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Neubewertung des Grundbesitzes zu schaffen. So lag dem Deutschen Bundestag bereits im Jahr 1956 ein entsprechender Gesetzentwurf - wer Lust hat nachzulesen, kann sich die Drucksache II/2544 anschauen - mit dem Ziel einer Neubewertung zum 1. Januar 1957, vor. Der Gesetzentwurf wurde jedoch nicht verabschiedet.
1959 wurde ein neuer Gesetzentwurf vorbereitet. Er blieb bereits als Kabinettsvorlage stecken. Ein dritter im Jahre 1963 vorgelegter Gesetzentwurf wurde erst im Jahre 1965 verabschiedet, nachdem die Besteuerung der nicht Buch führenden Landwirte, die ebenfalls nach dem Einheitswert erfolgt, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war und sich damit auch aus diesem Grund eine Neubewertung als unumgänglich erwies.
Der Zeitpunkt der Anwendung der neuen Einheitswerte ist jedoch offengeblieben. Die damalige Regierung Erhard hatte die hierfür nötigen Gesetzesänderungen bei den einheitswertabhängigen Steuern nicht vorgelegt. Erst jetzt haben wir eine politische Mehrheit, die von einem gerechten Steuersystem und der Beseitigung von Steuervergünstigungen nicht nur redet, sondern die entsprechend handelt.
CDU und CSU bleiben bei ihrer bekannten Haltung aus den 50er und 60er Jahren. Sie lehnen die Gesetze ab, und das, obwohl in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs aus dem Jahre 1956 wörtlich zu lesen ist - Herr Präsident, ich darf diese Stelle zitieren -:
Infolge der geänderten Wertverhältnisse ist eine nicht länger vertretbare Diskrepanz zwischen den wirklichen Werten und den Einheitswerten eingetreten. Eine neue allgemeine Feststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes erscheint daher zur Beseitigung von Ungleichmäßigkeiten und zur Heranführung der bisherigen Einheitswerte an die neuen Wertverhältnisse als Grundlage einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung unerläßlich.
Für unerläßlich hielt das die Regierung Adenauer schon 1956! Aber getan wurde nichts.
Der Bundesfinanzhof hat in der Begründung zu einem Urteil im Jahre 1964 folgendes ausgeführt:
Es ist gerichtsbekannt, daß das Scheitern der Bemühungen um eine Reform der Einheitswerte auf den Wunsch interessierter Kreise zurückzuführen ist.
Meine Damen und Herren, der Bundestag sollte mit Gesetzen nicht warten, bis oberste Gerichte oder gar zu erwartende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Handeln zwingen. Die Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer muß am 1. Januar 1974 in Kraft treten. Ich bitte den Deutschen Bundestag um seine Zustimmung.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe die Art. 1, 4, 5, 5 a, 5 b, 5 c, 5 d, 5 e, 5 f, 7 und 9, Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. -Danke. Gegenprobe! ({0})
- Meine Damen und Herren, das Präsidium ist sich völlig einig.
({1})
Es bedarf keiner Aufmunterung. - Das Gesetz ist damit in der zweiten Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht,
den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegen- (1 probe! - Stimmenthaltungen? - Mit den Stimmen von SPD und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU mit großer Mehrheit angenommen.
Wir müssen nunmehr über den Gesetzentwurf des Bundesrates unter Punkt 7 b der Tagesordnung abstimmen. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3, 4 und 5, Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Damit ist der Gesetzentwurf in der zweiten Beratung abgelehnt. Eine dritte Beratung findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung nicht statt.
Wir haben noch über den Antrag des Ausschusses unter Nr. 3 abzustimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich schlage vor, daß wir gleichzeitig damit über den Entschließungsantrag Drucksache 7/1411 abstimmen, wenn Ihnen das recht ist. - Sie sind einverstanden. Wer den beiden Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit sind der Ausschußantrag unter Nr. 3 und der Entschließungsantrag Drucksache 7/1411 einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Sitzung auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung zur Durchführung von Fraktionssitzungen um 11 Uhr für eine Stunde unterbrochen wird.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 10 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films
- Drucksache 7/974 Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({2})
- Drucksache 7/1388 Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber ({3})
Herr Abgeordneter Schmidhuber, ich erteile Ihnen das Wort zur Ergänzung Ihres Schriftlichen Berichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ergänzend zu meinem Schriftlichen Bericht darf ich auf folgende Gesichtspunkte hinweisen. Der vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films ist in der grauen Zone zwischen Wirtschaftspolitik und Kulturpolitik und damit im Grenzbereich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder angesiedelt. Das Filmförderungsgesetz ist als ein Wirtschaftsförderungsgesetz konzipiert. Anders ist eine Zuständigkeit des Bundes nicht zu begründen. Es wurde aber in diesem Hause überwiegend von den Bildungspolitikern bearbeitet und beeinflußt. BeSchmidhuber
richte über dieses Gesetzgebungsverfahren finden sich deshalb nicht im Wirtschaftsteil, sondern im Feuilleton der Tageszeitungen. Diese Gemengelage von Hilfsmaßnahmen für einen bedrängten Wirtschaftszweig und kulturpolitischen Zielvorstellungen hat die Ausschußberatungen über diesen Entwurf weitgehend geprägt.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ausschußmehrheit und Ausschußminderheit konzentrierten sich im wesentlichen auf zwei Themenkreise, nämlich auf die Zusammensetzung der Organe der Filmförderungsanstalt und auf die Frage, ob man die Möglichkeit der Erhebung einer Fernsehabgabe im Gesetz vorsehen soll. Es ergab sich die nicht gerade selbstverständliche Situation, daß die Opposition die Vorlage der Bundesregierung verteidigte, während die Koalitionsmehrheit mit ihren Änderungsanträgen das Konzept des Bundeswirtschaftsministers in entscheidenden Punkten veränderte, um, wie es ein Abgeordneter der Koalition ausdrückte, ein Stück sozialliberaler Reformpolitik zu verwirklichen.
Hinsichtlich der Organe der Filmförderungsanstalt setzte die Ausschußmehrheit eine Vergrößerung von Verwaltungsrat und Präsidium durch, um bisher nicht berücksichtigten, am Filmschaffen interessierten Gruppen wie z. B. den Filmjournalisten oder den Besitzern von Filmkunsttheatern eine Vertretung im Verwaltungsrat zu ermöglichen. Die Ausschußminderheit hat sich dem erfolglos widersetzt, weil sie in der Vergrößerung des Verwaltungsrats eine Beeinträchtigung seiner Funktionsfähigkeit sieht. Außerdem hält sie es für problematisch, die Filmjournalisten zu beteiligen, die mit den filmwirtschaftlichen Belangen bestenfalls am Rande befaßt sind. Die Ausschußminderheit sieht in solchen Regelungen gefährliche Ansatzpunkte, um der Vorlage den Charakter eines lupenreinen Wirtschaftsförderungsgesetzes abzusprechen.
Der zweite wesentliche Differenzpunkt war die Frage der Einführung einer Fernsehabgabe von 20 000 DM pro ausgestrahlten Spielfilm. Die Ausschußmehrheit vertrat die Auffassung, daß das Kooperationsangebot der Fernsehanstalten, das im übrigen nicht Gegenstand der Beratungen des Wirtschaftsausschusses war, hinreichend konkret ist, um auf eine gesetzliche Regelung verzichten zu können. Es muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die Regierungsvorlage eine Ermächtigung der Bundesregierung vorsah, die Erhebung der Abgabe insoweit auszusetzen, als in anderer Weise, nämlich auf privatrechtlicher Grundlage, eine angemessene Beteiligung der Rundfunkanstalten am filmwirtschaftlichen Ausgleich sichergestellt ist. Die Ausschußminderheit war der Auffassung, daß eine Aufrechterhaltung der Vorschrift der Regierungsvorlage über die fakultative Erhebung einer Fernsehabgabe einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiß über die Beteiligung des Fernsehens beschleunigt hätte. Durch die vom Wirtschaftsausschuß beschlossene Streichung der Fernsehabgabe könnte leicht der Eindruck entstehen, daß der Gesetzgeber vor der Drohung der Fernsehanstalten mit einer Verfassungsklage zurückgewichen sei.
Die Vorlage enthält außerdem in Art. 2 a und Art. 2 b noch zwei Regelungen, die nicht im Zusammenhang mit der Filmförderung stehen; sie sind erst in der abschließenden Beratungsphase von der Koalition nachgeschoben worden. Zu ihnen konnte von den mitberatenden Ausschüssen nicht mehr Stellung genommen werden. Es 'handelt sich um die Aufhebung der Vorlagepflicht für importierte Filme nach dem Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961. Die Ausschußminderheit sah sich mangels ausreichender Sachinformation nicht in der Lage, dieser Bestimmung zuzustimmen.
Außerdem wurden durch Art. 2 b einige Bestimmungen des Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens vom 5. Juni 1953 geändert.
Im übrigen darf ich auf meinen Schriftlichen Bericht auf Drucksache 7/1388 und den darin gestellten Antrag verweisen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor, die der Kollege Wohlrabe begründen wird. Herr Kollege, wollen Sie die Anträge gleichzeitig begründen?
({0})
- Ja, Herr Kollege, die allgemeine Aussprache findet vor der dritten Beratung statt; im Augenblick sind wir in der zweiten Beratung. Ich habe Art. 1 aufgerufen, zu dem die dazu vorliegenden Änderungsanträge begründet werden müßten. Wer wünscht dazu das Wort?
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-- Ja, Herr Abgeordneter Waigel. Ich rufe also sämtliche Änderungsanträge auf den Drucksachen 7/1402 und 7/1427 auf. Sie können sie alle geschlossen begründen; das vereinfacht das Verfahren.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Verabschiedung des Änderungsgesetzes zum Filmförderungsgesetz ergibt sich eine paradoxe Situation: Die Opposition verteidigt die Grundzüge des vom Bundesminister für Wirtschaft vorgelegten Gesetzentwurfs, während die Koalitionsfraktionen gegen den Rat der Filmwirtschaft, der Filmförderungsanstalt und der bisher beteiligten gesellschaftlichen Gruppen Änderungen durchboxen wollen, die den Rahmen eines Wirtschaftsgesetzes verlassen und in einzelnen Punkten ohne sachlichen Bezug sind. SPD und FDP verlassen mit ihren Änderungsvorschlägen jenen
schmalen verfassungsrechtlichen Grat, der zwischen wirtschaftlichen Gesamtaspekten, Publikumsinteresse, Erfolg an der Kasse und wünschenswerten Qualitätserfordernissen hindurchführt.
Die Rechtsgrundlage des Art. 74 Nr. 11 des Grundgesetzes ist eine verfassungsmäßige Barriere gegen jene, die in erster Linie oder gleichrangig kulturpolitische Zielsetzungen verfolgen. Die Förderung wertvoller Filme ist Sache der Länder; das hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. Januar 1966 eindeutig festgestellt. Die Länder wären die Adressaten der medienpolitischen Filmvorstellungen von SPD und FDP. Es nimmt daher wunder, daß nicht längst in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder anderen SPD-regierten Ländern das Filmexperiment sozialdemokratischer Medienvorstellungen erprobt wird.
Kulturelle Gesichtspunkte können für die Annahme eines staatlichen Förderungsinteresses nicht außer Betracht bleiben. Die Qualitätsförderung ist jedoch ein inhärenter Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Bezugs; dies mag man zu Recht bedauern. Nur, wer eine umfassende Revision der Filmförderung und eine inhaltliche Neugestaltung wünscht, darf dies nicht über diese Rechtsgrundlage versuchen.
Die Opposition stimmt der im Regierungsentwurf vorgesehenen Konzeption der Projektförderung zu, die in Gestaltung und Zielsetzung eine geeignete Grundlage für die Förderung des deutschen Films in Verbindung mit einer rechtlich noch zulässigen Qualitätsförderung darstellt. Mit ihren Änderungsanträgen versucht die CDU/CSU im wesentlichen die ursprüngliche Regierungsvorlage wiederherzustellen, deren Konzeption verfassungsrechtlich korrekt als ein tragfähiger Kompromiß zwischen Filmwirtschaft, gesellschaftlich interessierten Gruppen und allen politischen Parteien angesehen werden konnte.
Die beiden ersten Änderungsanträge betreffen die Zusammensetzung und Größe von Präsidium und Verwaltungsrat. Wir sehen keinen schlüssigen Zusammenhang zwischen der von SPD und FDP vorgeschlagenen Vergrößerung dieser Gremien und einer Stärkung der deutschen Filmwirtschaft oder gar einer Qualitätsverbesserung. Eine weitere Vergrößerung insbesondere des Verwaltungsrats mindert nur die Effizienz dieses Gremiums.
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- Da bin ich nicht sicher, Herr Kollege Meinecke. Bisher waren schon ziemlich viele Vertreter der SPD in diesem Gremium. Mich wundert, daß hier nicht mehr Kreativität möglich war. Ich habe Ihre sachliche Mitarbeit in diesem Gremium immer geschätzt.
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- Herr Dr. Glotz, für diesen Zwischenruf bin ich Ihnen sehr dankbar. Den werden wir uns merken. Ich bedanke mich.
Unerfindlich bleibt es auch, wieso nicht auch künftig die Bundestagsabgeordneten als Vertreter des öffentlichen Interesses fungieren sollen. Es ist
auch ein Widerspruch gegen die propagierte Pluralität, die immer wieder von Ihnen gerade bei der Zusammensetzung dieser Gremien gefordert wird, wenn Sie bei den Filmschaffenden die Bundesfachgruppe innerhalb der DAG nicht berücksichtigen und hier ausschließlich dem DGB einen weiteren Sitz zubilligen.
Wir sehen auch, wie der Berichterstatter vorhin schon angedeutet hat, keinen sachlichen Grund für die Einbeziehung von Berufsverbänden mit berufsständischem Interessenbezug in dieses Gremium, zumal hier eine eindeutige Interessenkollision von interner geheimer Beratung und öffentlicher Pflicht zur Kritik bei den betreffenden Journalisten gegeben ist. Auf dieses Problem hat ja ein Journalist aus Ihrer Fraktion klar hingewiesen. Ich bedauere, daß Sie sich dieser begründeten Kritik nicht anschließen konnten. Hier wird - das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden - offensichtlich der Versuch gemacht, in diesem Bereich linke Mehrheiten zu konstruieren. Da die Koalitionsfraktionen hier keinerlei Entgegenkommen gezeigt haben, stellen wir den Antrag auf Streichung dieser neuen Vorschrift.
Ziffer 3 des Änderungsantrages ist dann die konsequente Folge aus dem vorher Gesagten. Auch bei der Zusammensetzung der Projektkommission und ihrer Wahl gilt das Entsprechende.
Ziffer 4 unseres Änderungsantrages beinhaltet die im Regierungsentwurf vorgesehene Filmabgabe des Fernsehens. Die Opposition hat bei den Beratungen in den Ausschüssen deutlich gemacht, daß sie einem Abkommen zwischen Fernsehen und Filmwirtschaft gegenüber einer Zwangsabgabe den Vorzug gibt.
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Dieses Abkommen wäre nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 des Regierungsentwurfs durch eine Aussetzungsermächtigung ohne jeden Zeitdruck auch später möglich gewesen. Obwohl die Regierungsvertreter in den Ausschüssen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Bestimmung betont haben und dafür Gutachten aller beteiligten Ministerien vorliegen, läßt die Koalition jetzt diese Vorschrift fallen, ohne daß dem Bundestag oder der Filmwirtschaft seitens des Fernsehens offiziell ein befriedigendes Angebot vorliegt.
Die echten Absichten der Koalition bei der Novellierung dieses Gesetzes werden durch die Neufassung des § 18 Abs. 2 deutlich. Die Einnahmen aus einem eventuellen Fernsehabkommen sollen zusätzlich der Projektförderung zugeführt werden. Damit wird eindeutig die Projektförderung zum zentralen Instrument der Filmförderung innerhalb dieses Wirtschaftsgesetzes. Eine solche Ausgestaltung steht nicht mehr im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen. Es ist eine unzulässige Verteilung einer parafiskalischen Abgabe, und ein Verfassungsstreit, den Sie durch die Streichung der Fernsehabgabe vermeiden wollten, steht Ihnen damit ins Haus.
Ziffer 5 des Änderungsantrags: Wir vermissen hier den Zusammenhang zum Filmförderungsgesetz. Es ist uns unerklärlich, warum ohne Gegenseitigkeit und ohne Gegenleistung jedweden Filmwerken aus
dem Ostblock bei uns die Tore geöffnet werden, während für uns das gleiche dort nicht gilt.
Das Gesetz enthält noch einige andere Ungereimtheiten. Der Kollege Wohlrabe wird darauf zu sprechen kommen. Ich denke hier insbesondere an die Einbeziehung der Wochenschau in die finanzielle Regelung, die hier ohne sachlichen Bezug mit hineingebracht worden ist.
Unsere Änderungsvorschläge betreffen lediglich die Schwerpunkte. Die Koalition trägt die Verantwortung, wenn in dieser parteipolitisch nicht relevanten Frage erstmals kontrovers entschieden wird und wenn der größere Teil der deutschen Filmwirtschaft dieses Gesetz ablehnt. Sie trägt auch die Verantwortung für künftige Verfassungskonflikte in dieser Frage. Die unnötige Änderung des Regierungsentwurfs kann auch den Anlaß für einen Einspruch des Bundesrates darstellen, der in der Konsequenz zu einer Verzögerung der Verabschiedung des Gesetzes führen würde.
Ich habe die Sorge, daß, wenn Sie dieses Gesetz so, wie Sie es vorgeschlagen haben, durchziehen, die Filmexperten der SPD das gleiche Schicksal erleiden werden wie die Artisten in der Zirkuskuppel: sie werden ratlos sein.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes ist natürlich Anlaß, zu sehen, daß wir ein Wirtschaftsförderungsgesetz machen, das deshalb notwendig wurde, weil die Länder - jedenfalls bis jetzt - ihrer kulturpolitischen Aufgabe, eine kulturpolitische Förderung des Filmes zu betreiben, noch nicht voll nachgekommen sind. Das muß man hier deshalb einmal klarstellen, weil das natürlich auch ein Kriterium für die Beurteilung ist, die der Bundesrat dann diesem Vorschlag, den wir ihm jetzt zuleiten müssen, wird zuteil werden lassen. Man kann also schlecht, Herr Waigel, damit drohen, daß der Bundesrat nun auch noch dieses Gesetz zu Fall bringen werde; denn dann muß man natürlich fragen: Ist der Bundesrat überhaupt für Filmförderung? Ich meine, daß das eine sehr schlechte Optik wäre. Wir sehen der Entscheidung des Bundesrates sehr gelassen entgegen.
Wir hoffen allerdings, daß dieses Gesetz, das ja einen Übergang von nur fünf Jahren hat, Gelegenheit gibt, in diesem Zeitraum dafür Sorge zu tragen, daß sich Bund und Länder zu einer einvernehmlichen Förderung durchringen können, die dann auch neben- der sehr massiven Förderung, die in anderen EG-Ländern vorhanden ist, Bestand haben kann.
Die von Ihnen hier vorgetragenen Änderungsanträge sind unserer Meinung nach nicht förderlich, und sie sind auch nicht in sich schlüssig. Die Erweiterung des Verwaltungsrates durch gesellschaftlich
relevante Gruppen erscheint uns dringend geboten. Es wurde hier schon durch Zwischenrufe angedeutet, daß man gerade aus diesem Bereich eine Fülle von neuen Anregungen erwartet. Wir werden sehen, wie der neue Verwaltungsrat arbeitet. Aber die Begrenzung des Verwaltungsrates auf 29 Mitglieder - wie bisher - ist natürlich kein ehernes Gesetz. Ob 29 oder 33, das ist nicht die entscheidende Frage, sondern es scheint uns viel wesentlicher zu sein, ob die vier Mitglieder mehr für eine Belebung im Bereich der Ideen und der Wirksamkeit dieses Verwaltungsrats sehr entscheidend sein werden. Wir nehmen an, daß das so sein wird.
Herr Waigel, ich verstehe Ihre Befürchtungen, die darauf beruhen, daß die Formulierung, die bisher gegolten hat und nach der fünf Abgeordnete des Deutschen Bundestages im Verwaltungsrat Sitz und Stimme haben sollen, nun dahin gehend geändert wurde, daß diese Mitglieder vom Deutschen Bundestag gewählt werden können, also nicht Abgeordnete sein müsse n. Ich verstehe Ihre Befürchtungen, die vielleicht persönlicher Art sind - ich weiß nicht, ob Ihre Fraktion dann noch bereit sein wird, Abgeordnete aus Ihrem Bereich zu entsenden -, aber das liegt im freien Ermessen Ihrer Fraktion. Sie kann ja wie bisher zwei tüchtige Vertreter in den Verwaltungsrat schicken. Ob das jede Fraktion machen wird, soll man denen überlassen, die darüber zu entscheiden haben. Wir wollten hiermit nur die Möglichkeit schaffen, daß auch andere vom Deutschen Bundestag in diesen Verwaltungsrat geschickt werden können.
Zur Fernsehabgabe zwei Aspekte! Es gab bisher ein scharfes Konkurrenzverhalten zwischen Fernsehen und Filmwirtschaft, und zwar ein bißchen zu Lasten der Filmwirtschaft, wie wir alle aus den rückgängigen Besucherziffern gemerkt haben, die die Kinos aufzuweisen haben. Wir meinen, daß es wünschenswert ist, zu einer Koordinierung und zu einem kooperativen Verhalten dieser beiden Medien zu kommen. Das kann man sicher nicht dadurch erreichen, daß man neue Rechtsstreitigkeiten provoziert und damit eine Verhärtung des Klimas eintreten läßt. Das ist ein sehr wesentlicher Grund dafür, daß wir einem Abkommen, das außerhalb dieses Gesetzes beschlossen werden soll, den Vorzug geben. Das Fernsehen sollte sich in der Tat an der Finanzierung, an der Aufbringung der Mittel, die für die Filmförderung notwendig sind, beteiligen. Daß das zu geschehen hat, wissen Sie genauso gut wie wir .
Im Verlauf der nächsten fünf Jahre werden wir sehen können, wie sich die Zusammenarbeit einspielen wird, ob sie sinnvoll und förderlich sein wird oder ob man andere Wege gehen muß. Aber die Möglichkeit dazu sollten wir nicht von vornherein dadurch verbauen, daß wir jetzt eine gesetzliche Regelung schaffen. Sie meinen, daß man sie dann in dritter Lesung für verzichtbar erklären kann. So etwas sollte dieses Haus nicht machen.
Sie haben gesagt, daß bei diesem Filmförderungsgesetz eine linke Tendenz deutlich sei. Dazu muß ich folgendes sagen. Ich habe - wenn Sie das mit links und rechts bezeichnen wollen - gerade aus
Haase ({0})
dieser Ecke auch eine Anzahl von kritischen Stimmen gehört, die mit diesem Gesetz gar nicht einverstanden waren. Das spricht eigentlich nur dafür, daß wir, Herr Waigel, kein politisches Gesetz gemacht haben. Das muß man festhalten. Wir bemühen uns, mit diesem Gesetz ein Gesetz für die Filmwirtschaft, für die Filmförderung zu machen, nicht ein Gesetz mit Tendenzen. Und das wollen Sie hier bitte auch nicht so darstellen; denn das wäre, glaube ich, eine schlechte Sache und eine schlechte Optik.
Wir wissen aber auch - lassen Sie mich das sagen -, daß es vom „Großen Fressen" über den „Schulmädchen-Report" und andere Reporte, die etwa noch kommen, bis zum Schlüsselloch und ähnliche Dinge eine breite Skala von Filmthemen und -inhalten gibt. Alle diese Filme haben eines gemeinsam: sie sind Produkte der Filmwirtschaft, sie sind Filmstreifen mit Tonbandbegleitung. Auch im Rahmen eines solchen Wirtschaftsgesetzes sollten wir nicht die Herstellung jeder Produktion fördern, sondern sollten ein Mindestmaß an Qualität voraussetzen. Deshalb meine wir, daß vor allen Dingen die Bewertungskriterien - sowohl im organisatorischen wie im formellen Bereich wichtig sind. Auch von der organisatorischen Form der Projektförderung versprechen wir uns eine Qualitätsverbesserung des Films. Ebenso kann die Kooperation zwischen Fernsehen und Film zu einer Verbesserung der Filmqualität führen. Ein Anreiz für junge Regisseure und Drehbuchautoren liegt auch darin, nicht immer nur auf das Einspielergebnis achten zu müssen. Deshalb in § 8 der Abs. 2 a mit den 12,5 %, dem ja auch Sie zugestimmt haben. Schließlich drückt sich das auch in unserer Diktion aus, daß in Zukunft der gute Film ein Bewertungsmaßstab sein soll. Wir meinen, daß das auch im Rahmen eines Wirtschaftsförderungsgesetzes durchaus möglich ist.
Zur Zensur sage ich ganz klar nein; keine „Aktion saubere Leinwand" über diese Hintertür - darüber sind wir uns klar , doch auch keine Förderung von Porno und Gewaltkriminalität so nach dem Motto, wie man es übrigens jetzt auch schon im Fernsehen zu sehen bekommt, daß man etwa Krokodile dadurch angelt, daß man kleine Kinder in die Flüsse wirft. Das gibt es also nicht nur beim Film. Ich wollte nur sagen, daß so etwas sicher nicht darunter zu verstehen ist. Die FFA hat bisher eine gute Spruchpraxis gehabt. Wir meinen, daß sie sie auch in Zukunft an den neuen Kriterien entwickeln wird. Wir trauen ihr das durchaus zu und haben Grund zu der Annahme, daß dieses Vertrauen berechtigt ist.
Lassen Sie mich abschließend sagen, daß die von Ihnen gestellten Anträge uns nicht weiterführen können. Was den Antrag zu § 15 Abs. 2 - Abgabe des Fernsehens an die FFA - angeht, so ist er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt: falls darauf nicht verzichtet werden kann. Das ist keine konsequente Haltung. Insoweit können wir auch nicht sagen, Herr Kollege Waigel, daß das, was Sie hier vorgetragen haben, ernsthaft zu prüfen ist. Es ist eigentlich nur ein Verfahrensvorschlag, der über die dritte Lesung nicht hinausgehen wird und wohl auch nur so zu verstehen war. Zu den anderen Anträgen habe ich bereits gesagt, was wir davon halten.
Unser eigener Ergänzungsantrag, der Ihnen auch vorliegt, beinhaltet eine statistische Erhebung im Bereich der Filmwirtschaft. Wir meinen, daß das für neue Förderungsgesetze hilfreich sein kann, die nach dem Zeitpunkt des Auslaufens dieses Gesetzes zur Diskussion stehen. Wir meinen auch, daß das für die Filmwirtschaft selbst hilfreich sein kann, und wir meinen schließlich, daß die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, was sich in dieser Branche tut und wie sie sich entwickelt.
Meine Damen und Herren, wir schaffen mit diesem Gesetz sicher kein Jahrhundertgesetz. Das ergibt sich schon aus der zeitlichen Begrenzung, das ergibt sich sicher auch aus dem Inhalt. Wir meinen aber, daß es immerhin eine Verbesserung gegenüber dem ist, was wir bisher hatten. In Anbetracht der schwierigen Situation des Bundes, der nur ein Wirtschaftsförderungsgesetz macht, handelt es sich hier um eine klare und deutliche Sache. Wir von den Koalitionsfraktionen meinen, man kann diese Gesetzesnovelle zusammen mit den Änderungsanträgen, die wir dazu gestellt haben, und unter Ablehnung der Anträge der CDU/CSU-Fraktion beschließen.
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Meine Damen und Herren, zu den Anträgen wird das Wort nicht weiter begehrt.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über die Anträge auf Drucksache 7/1402 abstimmen und zwar als erstes über den Antrag unter Ziffer 1:
Artikel 1 Nr. 2 erhält folgende Fassung:
,2. In § 5 Abs. 1 wird das Wort „sieben" durch das Wort „acht" ersetzt.'
Wer ,dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Antrag unter Ziffer 2 auf: „Artikel 1 Nr. 2 a wird gestrichen." Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. -Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt den Antrag Ziffer 3 der Drucksache 7/1402, betreffend Art. 1 Nr. 10, auf. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? -Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Jetzt rufe ich noch den Antrag unter Ziffer 4 der Drucksache 7/1402 auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr rufe ich den Antrag Ziffer 1 der Drucksache 7/1427 auf, der eine Neufassung der Nr. 12 des Art. 1 betrifft. Ich nehme an, es findet allgemeine Zustimmung, wenn ich vorschlage, gleichzeitig über die Einfügung der Nr. 12 a in Art. 1 gemäß dem
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Antrag unter Ziffer 2 der aufgerufenen Drucksache abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Beide Anträge sind mit großer Mehrheit angenommen.
Ich stelle nunmehr den Art. 1 in der durch die Annahme der Änderungsanträge auf der Drucksache 7/1427 geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer dem Art. 1 in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Art. 1 ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor gebilligt.
Ich rufe Art. 2 auf. Keine Änderungsanträge. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Art. 2 a! Hierzu liegt auf Drucksache 7/1402 unter Ziffer 5 der Antrag vor, ihn zu streichen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Art. .2 b, Art. 3, Art. 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Glotz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Kollegen, die sich in den letzten Jahren in diesem Haus um Filmgesetze gekümmert haben, gleichgültig von welcher Fraktion, standen vor der gleichen Schwierigkeit, die auch der Berichterstatter, Herr Schmidhuber, mit dem Begriff „Graue Zone zwischen Film und Kultur" hervorgehoben hat. Mir hat im Wirtschaftsausschuß, als wir diskutierten - zwei Stunden, drei Stunden - einer der Kollegen so dazwischen gesagt: Die Zeit, die Ihr zum Film braucht, - da steuern wir eine ganze Konjunktur! Das zeigt das Interesse, auf das - wie ich sogar gut verstehe - das Thema Film bei den Fachleuten etwa im Wirtschaftsausschuß treffen muß. Das zeigt auch unsere Kompetenzprobleme, die wir alle miteinander haben, wenn wir ein solches Filmgesetz machen; das Interesse ist gering.
Trotzdem sollte man in diesem Haus jetzt in der dritten Beratung darauf hinweisen: Film ist - wie Fernsehen, wie Literatur - eines der Medien, in denen sich Gesellschaft ausdrückt, in denen sich diese deutsche Gesellschaft ausdrücken sollte und mit denen auch auf diese Gesellschaft eingewirkt wird. Wir sollten nicht zulassen, daß dieses Medium durch unsere Schuld, vielleicht durch ein falsches Förderungssystem, statt der deutschen Wirklichkeit nichts anderes als eskapistische Tagträume, nichts anderes als das Profitinteresse der jeweiligen Produzenten oder nichts anderes als einen heruntergekommenen Begriff von Unterhaltung spiegelt.. Das dürfen wir nicht zulassen.
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Dabei anerkennen wir: dies ist ein Wirtschaftsgesetz, mit diesem Instrumentarium müssen wir jetzt noch arbeiten. Wir sollten künftig unsere Filmpolitik aber auf zwei Beine stellen, sollten also gemeinsam versuchen, die Länder dazu zu gewinnen -- worauf der Kollege Haase hingewiesen hat -, nun auch eine kulturelle Filmförderung einzuleiten.
Lassen Sie mich nur zwei Feststellungen dazu treffen. Die erste: nicht nur durch die Länder, sondern auch durch die Kommunen insgesamt werden über 600 Millionen Mark im Jahr an Theatersubventionen ausgegeben. Das, was von allen Seiten für den Film ausgegeben wird, ist, verglichen damit, beschämend gering.
Eine zweite Feststellung. Manchmal hatten wir in den Gesprächen mit den Ländern - wahrscheinlich über die Fraktionen hinweg - den Eindruck, daß die Länder zwar auf ihre kulturellen Kompetenzen pochen, wenn es um den Film geht, daß sie aber, wenn man ihnen sagt: ihr habt die Kompetenzen, nun macht etwas damit, fördert den Film!, erwidern: das wollen wir nicht!, oder: das können wir nicht! - Auch das sollte nicht ewig so bleiben.
Wir sollten also gemeinsam versuchen, die Länder dazu zu bewegen, sozusagen ein zweites „Bein' für die Filmförderung zu schaffen und im Laufe der nächsten fünf Jahre, in denen dieses Wirtschaftsgesetz noch gilt, dafür zu sorgen, daß neben die wirtschaftliche Förderung, die ruhig beibehalten werden kann, eine kulturelle Förderung gesetzt wird. Nur dann haben wir eine international vergleichbare Förderung in Italien und in Frankreich wird viel mehr gefördert als bei uns -, und nur dann können wir wieder einen international wirklich konkurrenzfähigen deutschen Film bekommen, was wir uns sicherlich alle wünschen.
Ich stelle noch einmal nachdrücklich fest, Herr Kollege Wohlrabe -- Sie werden ja gleich für Ihre Fraktion sprechen -: die Projektförderung ist für uns eine wirtschaftliche Frage und nicht ein kulturelles Instrument in einem wirtschaftlichen Instrumentarium. Das, was wir hier an Projektförderung treiben, ist wirtschaftliche Projektförderung. Aus diesem Grunde sehen wir verfassungsrechtliche Bedenken oder rechtliche Bedenken überhaupt, wie sie Herr Kollege Waigel vorgetragen hat, nicht.
Allerdings begrüßen wir - das sage ich deutlich - dieses Instrument, weil es uns die Möglichkeit gibt, gezielt und überlegt zu fördern und nicht nur mit der großen Gießkanne der automatischen Grundförderung Geld über diejenigen Filme auszugießen, die einen bestimmten Kassenerfolg gehabt haben. Die Rechnung, Herr Kollege Wohlrabe, die manch einer aufgemacht hat und die da lautete: die 5 Millionen DM, die wir in die Projektförderung stecken wollen, müssen wir eben vom Fernsehen bekommen; alles Geld, das aus den Kinokassen kommt, muß in den großen Topf der Grundförderung
nach dem Kassenerfolg fließen!, haben der Bundes4388
tag und auch diese Bundesregierung nie mitgemacht, und daran wollen wir uns auch künftig nicht beteiligen. Das, was ich immer wieder von der Filmindustrie gehört habe, nämlich wir müßten die Besitzstandswahrung gewährleisten, hat mich ein wenig skeptisch gemacht.
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Ich bin damit einverstanden, meine Damen und Herren, wenn wir miteinander versuchen - wir haben es schon versucht -, weil es sich um Geld, um eine parafiskalische Abgabe aus der Filmwirtschaft handelt, uns mit ihr so weit wie möglich zu einigen. Alle Fraktionen sollten aber auch feststellen, daß wir nicht die Urkundsbeamten der Filmwirtschaft und nicht gezwungen sind, in einem solchen Gesetz jeden Wunsch jedes kleinen Verbandes zu erfüllen. Das sollte auch einmal gesagt werden.
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- Das gilt für diesen genauso wie für irgend jemand anders.
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- Soll ich einmal fragen, wer Sie maßgeblich beeinflußt hat, Herr Wohlrabe?
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- Ich will Ihnen nur folgendes sagen. Was mich - und vielleicht auch Sie - erstaunt hat, ist die Tatsache, daß diese kleine Industrie - es handelt sich dabei ja wirklich nicht um eine potente, starke Industrie, sondern um eine international bedeutungslose Industrie - eine ungeheuer mächtige Lobby auf allen Seiten entfalten konnte, um dieses Gesetz nach ihren Maßstäben zu reglementieren. Das war verwunderlich und manchmal einer Kritik würdig.
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Jetzt noch ein paar Sätze zu der Frage, warum wir den Verwaltungsrat in dieser Weise geändert haben. Lassen Sie mich einen Satz aus einer Protestschrift zitieren, die uns erst gestern noch einer der Verbände auf den Tisch gelegt hat, nämlich der Kinobesitzerverband oder ein Teil desselben; der Präsident dieses Verbandes hat diese Petition jedenfalls nicht unterschrieben, sondern nur sein Stellvertreter.
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- Ja, Herr Kollege Zimmermann, das ist wieder einmal eine echte Begründung!
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- Dann muß man den Verband fragen, warum er den Präsidenten gewählt hat, Herr Kollege Zimmermann. Das ist doch nicht das Problem des Bundestages! Ich stelle nur fest, daß es offensichtlich auch in diesem Verband Streit darüber gibt; denn sein
Präsident, der ihn bisher immer vertreten hat, hat diese Petition nicht unterschrieben.
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Das ist eine Tatsache, an der auch Sie nicht vorbeikommen, Herr Zimmermann.
Jetzt möchte ich Ihnen einen Satz aus dieser wunderbaren Petition, die Sie so sehr verteidigen, Herr Zimmermann, vorlesen. Dieser Satz lautet, daß das jetzige Gesetz die Förderung von Filmen befürchten läßt - jetzt zitiere ich wörtlich -, „die weitgehend am Geschmack elitärer und politisch engagierter Cineasten orientiert ist". Wenn ein Kinobesitzerverband gegen eine elitäre Haltung argumentiert - nun gut! Herr Kollege Benz, wir sollten allerdings die Resolution eines Kinobesitzerverbandes, in der der Begriff „politisch engagiert" so gewertet wird, wie es hier geschieht, in der also einer, der Filme macht und dabei politisch engagiert ist, negativ gewertet wird, gemeinsam ablehnen. Ich glaube, daß Sie von der Opposition doch ebenso wie wir von SPD und FDP, daß also wir alle darauf angewiesen sind, daß draußen in dieser Gesellschaft politisches Engagement vorhanden ist. Wir sollten den Verbänden raten, sich keine Ghostwriter anzuschaffen,
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die politisches Engagement als etwas Negatives betrachten.
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Nun noch ein paar Bemerkungen zu dem, was der Herr Kollege Wohlrabe zu diesem Thema schon vorweg veröffentlicht hat. Ich gehe dabei auf die kleinen Bosheiten von Ihnen, Herr Wohlrabe, nicht ein. Aber ich habe auch gar nichts gegen diese Bosheiten, denn dann kann man immer schön Gegenbosheiten äußern. Herr Kollege Wohlrabe, Sie schreiben am Anfang Ihrer Presseerklärung den schönen Satz:
Wer bisher annahm, Film habe
- jetzt kommt eine Begriffskette von Ihnen etwas mit Erbauung, Entspannung, Harmonie und Unterhaltung zu tun, der wurde eines Besseren belehrt.
Herr Kollege Zimmermann, ich habe nie daran gezweifelt, daß Sie als Konservativer Harmonie automatisch und a priori für etwas Gutes halten. Wir allerdings halten auch vom Konflikt etwas. Davon sollten Sie auch etwas halten. Wir treiben hier gerade Konflikt, der eingeplant ist und den wir doch offensichtlich alle wünschen.
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- Aber Herr Kollege Zimmermann, das sollten Sie nach dem, was der Herr Strauß in Oberbayern und Fürstenfeldbruck leistet, doch wirklich nicht uns entgegenhalten.
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Wenn wir einen Parteivorsitzenden hätten, der seine eigenen Minister so fertigmacht, wie das Herr Strauß bei der CSU tut, würden wir uns schön umgucken.
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Lassen Sie mich zum Film und auf die vier Begriffe, auf die Sie, Herr Wohlrabe, Ihre Kritik aufbauen, zurückkommen. Ich will diese Begriffe gar nicht von vornherein negativ bewerten. Auch das, was diese Begriffe umschreiben, ist etwas, was im Film zum Ausdruck kommen soll: Erbauung, Harmonie usw. Herr Kollege Wohlrabe, man könnte allerdings genauso sagen: Film sollte beispielsweise etwas mit Konflikt zu tun haben, vor allem aber mit Realität, mit Kritik, vielleicht sogar mit Katharsis. Auch das wäre denkbar. Ich warne davor, die Beurteilung von Filmen ausschließlich von den vier Begriffen, den Erbauungs- und Harmoniebegriffen, die Herr Wohlrabe in seiner Presseerklärung zitiert hat, abhängig zu machen.
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Ich sage: Selbstverständlich ist Unterhaltung legitim, und auch dieses Filmförderungsgesetz muß unterhaltende Filme fördern. Ich füge allerdings hinzu, Herr Kollege Wohlrabe: Es gibt Unterhaltung, die Entspannung und Anregung bietet, ohne von den wirklichen Problemen abzulenken. Wir wollen keine Filme machen, in die man den Arbeitnehmer abschiebt, damit er in zwei Stunden billiger Illusion möglicherweise vergißt, was ihm in seinem Leben widerfährt, was er an einem möglicherweise unzureichenden Arbeitsplatz erlebt. Diese Art von Illusionsfilmen wollen wir nicht.
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Vernünftige Unterhaltung ist deshalb gleichzeitig Erweiterung des Erfahrungshorizonts und Information. Dafür gibt es Beispiele: die Stummfilmgrotesken der 20er Jahre, der italienische Neorealismus und vieles andere. Ich sage: wir müssen ein Filmförderungsgesetz schaffen, das diesem Begriff von guter, vernünftiger Unterhaltung Rechnung trägt. Das ist unsere Aufgabe.
Deswegen glauben wir den Verwaltungsrat um einige wenige Leute ergänzen zu müssen. Wir glauben, daß die alte Besetzung des Verwaltungsrates, in dem sicher viele vernünftige und kompetente Leute sitzen, aber eben auch viele Interessenten,
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diesem neuen Begriff von Film und Unterhaltung, wie ich ihn gerade dargestellt habe, nicht gerecht werden kann. Deswegen haben wir diesen Verwaltungsrat geändert, und deswegen war das auch notwendig.
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Herr Kollege Wohlrabe, ein weiteres. Es gibt keine unpolitische Unterhaltung. Auch und gerade die billigste Klamotte, in der das Wort „Politik" überhaupt nicht vorkommt, macht Politik. Sie bestätigt konservative Gesellschaftsbilder. Deswegen
will Herr Wohlrabe den Verwaltungsrat nicht geändert haben. So ist es.
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Das haben wir erkannt. Deswegen sind Ihre Scheinargumente gegen die Ergänzung des Verwaltungsrats von uns abgelehnt worden.
Herr Kollege. gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Waigel?
Herr Kollege Glotz, würden Sie auch diejenigen Mitglieder Ihrer Partei und Ihrer Fraktion, die diesem Gesetz ebenfalls mit großen Bedenken begegnen, unter die Kategorie „konservativ" einordnen?
Herr Kollege Waigel, erstens muß ich Ihnen sagen, daß in unserer Fraktion die Gelegenheit bestand, über dieses Gesetz wie über alle Gesetze offen zu diskutieren. Wir haben darüber offen diskutiert. Das Ergebnis ist dieses Gesetz, das hier auf dem Tisch liegt. So ist es und nicht anders. Im übrigen habe ich auch bei Ihnen schon einmal erlebt, daß der eine oder andere in Ihrer Fraktion anderer Meinung war als die Fraktionsmehrheit. Das ist wohl auch schon bei Ihnen passiert.
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- Ich habe nur noch zwei Minuten. Aber wenn es von meiner Redezeit nicht abgezogen wird, bin ich gern bereit, auf eine weitere Zwischenfrage einzugehen. Wir müssen dann aber damit Schluß machen.
Bitte, Herr Abgeordneter Wohlrabe!
Herr Kollege Glotz, würden Sie so gut sein, uns mitzuteilen, welche Meinung der Kollege Kahn-Ackermann zu den von Ihnen eben geäußerten Auffassungen hat, den Ihre Fraktion, die SPD-Fraktion, ja in das entsprechende Filmgremium entsandt hat?
Herr Kollege Wohlrabe, erstens bitte ich Sie, sich die Meinung, die Herr Kahn-Ackermann hat, von ihm selber sagen zu lassen.
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Zweitens haben wir - wir halten das für ein wichtiges Prinzip, und da bin ich anderer Meinung als Sie - bewußt keinen Kollegen, der im Verwaltungsrat sitzt, gebeten, dieses Gesetz im Bundestag im einzelnen durchzuziehen, und wir haben diejenigen, die es gemacht haben, bewußt nicht in den Verwaltungsrat geschickt. So ist es, meine Damen und Herren!
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Ich möchte noch etwas zum Verbringungsverbot sagen. Da haben Sie, Herr Kollege Wohlrabe, weil wir jetzt den Zustand beenden wollen, daß gerade Filme aus dem Ostblock nicht eingeführt werden
dürfen oder darüber das Bundesamt fur gewerbliche Wirtschaft zu entscheiden hat, gesagt, da folgten wir einer modischen Attitüde. Ich antworte darauf, Herr Kollege Wohlrabe: Da folgen wir nicht einer modischen Attitüde, sondern der Ostpolitik dieser Bundesregierung, der im Herbst des letzten Jahres zu Ihrem Leidwesen die Mehrheit des deutschen Volkes zugestimmt hat.
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Wir haben gegen dieses Verbringungsverbot verfassungsrechtliche Bedenken. Vor allem aber glauben wir, Herr Kollege Wohlrabe, daß es keinen Sinn hat, den Bürgern eines freien Landes von seiten des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft Vorschriften darüber zu machen, welche Filme sie sehen dürfen und welche nicht. Darin liegt kein Sinn.
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Ich stelle fest, daß alle Vorwürfe, diese Bundesregierung habe ihren eigenen Gesetzentwurf nicht verteidigt, falsch sind. Früher war das ein Gesetzentwurf, der aus der Mitte dieses Hauses kam. Es war von vornherein klar, daß beispielsweise die Zusammensetzung und die Änderung des Verwaltungsrats nicht von der Bundesregierung vorgenommen werden würde, sondern daß die Bundesregierung das dem Parlament überlassen würde. Ich bedanke mich im Namen der Koalitionsfraktionen ausdrücklich für die Kooperation mit dem Bundeswirtschaftsministerium bei diesem Gesetz. Danke schön!
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Schlußbemerkung: Bisher - ich denke da nicht nur an gestern und vorgestern, sondern langfristig zurück - gab es in der Tat ein Kartell von etablierter Filmindustrie und - bitte beziehen Sie das nicht auf die CDU/CSU! - rechter Gesellschaftspolitik. Bitte beziehen Sie das jetzt nicht auf Parteipolemik! Ich meine das historisch für die zurückliegende Zeit. Wissen Sie, die ersten Kapitalzuschüsse für Filme kamen aus der Kasse der obersten Heeresleitung, von Herrn Ludendorff.
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1928 wurde die Ufa, wie Sie vielleicht noch wissen, von Herrn Hugenberg aufgekauft.
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Dann kam Goebbels. Und darüber sollten Sie nicht lachen, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU.
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Anschließend kam der sogenannte Problemfilm der fünfziger Jahre, in dem auf konservative Tränendrüsen gedrückt wurde. Dann kam ein Wirtschaftsgesetz, für das Verschiedene aus diesem Haus verantwortlich waren und das leider auch sehr viel Kartell von konservativer Gesellschaftspolitik und etablierter Filmindustrie gebracht hat.
Wir wissen, daß wit dieses Kartell mit dein Wirtschaftsgesetz, wie wir es jetzt geändert haben, sicherlich nicht aufbrechen werden. Aber wir wissen, daß wir das Kartell ein wenig angekratzt haben.
Ich bedanke mich für die vorzügliche Kooperation gerade auch für die zwischen den Regierungsfraktionen, bei diesem Gesetz und verspreche Ihnen eins, Herr Wohlrabe - weil Sie so gefragt haben, ob das denn nun sozusagen ein Modellfall für künftige Medienpolitik sei -, daß wir in dieser guten Kooperation zwischen FDP und SPD, die wir hier praktiziert haben, noch wesentliche andere medienpolitische Vorhaben in dieser Legislaturperiode über die Bühne ziehen werden.
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Meine Damen und Herren, wie ich Ihnen vorhin schon mitgeteilt habe, unterbreche ich jetzt die Sitzung des Deutschen Bundestages bis 12.00 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Kollegen Glotz zu Beginn persönlich entgegenhalten: Ich will keine Rede nach dem Motto halten: „Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Plenum", sondern ich möchte versuchen, einmal unsere Auffassung darzulegen und zum anderen zu Ihrer Rede wie folgt Stellung nehmen.
Ich halte es für falsch, bei einem Wirtschaftsförderungsgesetz filmphilosophische Überlegungen anzustellen. Ich bin nicht im Grundsatz dagegen, Herr Dr. Glotz. Nur glaube ich, der Rahmen, den wir hier gesteckt haben, ist klar: Wirtschaftsförderungsgesetz. Dieser Rahmen ist, wie wir meinen, durch Ihre Initiativen und durch Initiativen der Fraktionen der SPD und der FDP erheblich gesprengt worden.
Zweitens. Bei uns tritt niemand für Besitzstandswahrung ein. Das möchte ich Ihnen deutlich sagen. Darin- besteht Einigkeit. Wir sind auch nicht die Lobbyisten irgendeiner Gruppe der deutschen Filmwirtschaft, sondern wenn überhaupt, sind wir nur Lobbyisten des Entwurfs der Bundesregierung; denn den wollen wir wiederherstellen, und von dem sind Sie abgerückt, meine Damen und Herren.
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Ich habe aber den Verdacht - man möge mir das bitte nicht übelnehmen -, daß Sie ein sehr starker Lobbyist für eine gewisse Gruppe der deutschen Filmwirtschaft sind - soweit man diese zur FilmWohlrabe
Wirtschaft zählen kann - und deshalb nun in das andere Extrem verfallen. Das aber würden wir nicht gutheißen.
Schließlich drittens zu Ihrer Konflikttheorie, zum „konservativen Stempel", zum anderen Extrem. Wer heute die Presse liest, stellt fest, daß che Journalistenunion der IG Druck und Papier - diese soll ja in Zukunft auf Antrag der SPD/FDP im Verwaltungsrat vertreten sein ({1})
in ihrem eigenen Vorstand die kommunistische Unterwanderung fürchtet und ihre Sitzungen als „Narrenposse" und als „Gelaber" bezeichnet. So eigene Ausdrücke dieser Gewerkschaft. Ich frage mich, ob es für eine sachgemäße Beratung sinnvoll ist, in Zukunft derartige Herren in das Gremium des Verwaltungsrates der Filmförderungsanstalt hineinzuholen
({2})
und dabei den Vorschlag der CDU/CSU abzulehnen, nicht zwei Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sondern je einen der Deutschen Angestelltengewerkschaft und des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu berücksichtigen, was Sie durch Ihren Antrag leider verhindert haben.
herr Abgeordneter Wohlrabe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?
Ja bitte.
Ich bitte Sie um Entschuldigung, sehr verehrter Herr Kollege Wohlrabe. Es ist schon eine Weile her, weswegen ich fragen will; ich wurde übersehen, wie es üblich ist. Weil Sie gesagt haben, diese Organisation sei unterwandert, frage ich: Darf man annehmen - und sich entsprechend darauf vorbereiten --, daß Sie entsprechende Schlußfolgerungen auch in bezug auf die SPD selbst ziehen, die ja in den Ihnen nahestehenden Blättern als „völlig unterwandert" bezeichnet wird?
Das ist nicht die Frage, Herr Kollege Wehner, zu der ich hier spreche. Ich spreche zu der Frage, ob es richtig ist, eine Gruppierung in einer unabhängigen Vereinigung zu berücksichtigen, von der heute schon im eigenen Kreise bezweifelt wird, daß alle in ihr tätigen Funktionäre noch verfassungsgemäß sind. Davon habe ich gesprochen, von keinem anderen Punkt.
({0})
Aber ich bin gern bereit, mich an anderer Stelle mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei Ihnen alle verfassungsgemäß sind oder nicht. Nur möchte ich jetzt beim Thema bleiben und das deshalb heute nicht tun. Es bietet sich sicher dazu im Hause bald einmal Gelegenheit.
Herr Abgeordnetter Wehner, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie in der Vorbereitung der Behandlung der weiteren
Punkte dieses Hauses soeben übersehen habe. Aber üblich ist es nicht, daß die Präsidenten oder sonst irgend jemand in diesem Hause gerade Sie übersieht.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Glotz!
Herr Kollege Wohlrabe, wollen Sie mit den Äußerungen, die Sie vorhin auf Grund einer indirekten Zitierung in der Zeitung „Die Welt" über die Deutsche Journalistenunion getan haben, ernsthaft die zweitgrößte deutsche .Journalistenorganisation in dieser Form abwerten, wie Sie das soeben getan haben?
Ich werte nicht die Organisation ab, sondern ich zitiere aus dieser Organisation. Das ist ein Unterschied, Herr Dr. Glotz. Den bitte ich doch zur Kenntnis zu nehmen.
({0})
Ich hätte mich eben gefreut - wenn ich das in diesem Zusammenhang noch anfügen darf -, wenn Ihr Anspruch doch so viel Freiheit besessen hätte, daß Sie die Deutsche Angestelltengewerkschaft auch berücksichtigt hätten, nicht nur den DGB, diesen aber gleich mit zwei Sitzen. Gleichheit für alle, auch wenn die einen kleiner sind - das räume ich ein -, hätte Ihnen und Ihrer Fraktion an dieser Stelle sehr gut angestanden.
({1})
Aber lassen Sie mich zum deutschen Film einige Worte sagen. Wir, die CDU/CSU, sehen heute den deutschen Film im wesentlichen in drei Gruppen eingeteilt, zwischen denen es - das schließe ich nicht aus - Übergänge gibt. Das eine sind die sogenannten - ich sage bewußt immer „sogenannten" -Altfilmer, die zum Teil jünger sind als die Jungfilmer, das andere sind sogenannte Jungfilmer, für deren Förderung ich mich namens der CDU/CSU-Fraktion und auch persönlich nachdrücklich aussprechen möchte - damit hier kein falscher Zungenschlag entsteht -, und das dritte sind einige unterschiedliche Gruppierungen, die wirtschaftlich kaum in Erscheinung treten, die beim Publikum, wie die Besucherzahlen zeigen, wenig Resonanz finden, die dafür jedoch politisch besonders stark motiviert sind. Ich habe nun einmal den Eindruck, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß insbesondere die Konzeption und die Rede des Kollegen Dr. Glotz sehr unter dem Einfluß dieser Gruppierungen gestanden haben.
({2})
Die CDU/CSU gehört zu keiner dieser Gruppen; darauf haben wir Wert gelegt; wir sind nicht Lobbyisten - ich wiederhole es - für den einen oder anderen Kreis,
({3})
sondern wir stehen dafür ein, daß der Entwurf der
Bundesregierung, so wie er in seinen Grundzügen
vorgetragen ist, erhalten bleibt. Wir verfolgen das
Ziel, einen guten Unterhaltungsfilm zu schaffen, der künstlerisch den Anspruch „Wertvoll" erheben kann und der auch gleichzeitig 'beim Publikum ankommt; denn was nützt es, einen Film zu machen, den sich niemand anschaut!
({4})
Darüber hinaus meinen wir, daß es wichtig ist, bei diesem Massenmedium „Film" darauf zu achten, daß der Punkt der Unterhaltung erhalten bleibt und daß eine politische Motivierung dieses Mediums ausbleibt und die damit verbundene beabsichtigte politische Motivierung von Bevölkerungsgruppen ebenfalls nicht stattfindet.
({5})
Wir haben manchmal den Verdacht, daß dieser Grundsatz, zu dem wir uns früher alle gemeinsam bekannt haben - dieses Filmförderungsgesetz ist ja zum dritten Male 'hier im Plenum; wir haben es früher immer einstimmig verabschiedet -, heute in den drei Fraktionen nicht mehr so gesehen wird. Denn nur so kann ich mir erklären, daß z. B. die Kollegen von der SPD-Fraktion, die früher in dieser Sache federführend tätig waren - wie der Herr Kollege Dr. Meinecke, er sitzt hier vorn, oder der Kollege Kahn-Ackermann -, nunmehr in dieser Debatte in der Aussage doch überlagert werden - nicht von denen, die die SPD-Fraktion z. B. in die Gremien der Filmförderung entsandt hat, sondern von denen, die sich als besonders „progressive" Medienpolitiker - ich sage das einmal so - in der Partei als solche hervortun.
Herr Abgeordneter Wohlrabe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke? - Bitte sehr!
Herr Kollege Wohlrabe, können Sie dem Hause sagen, warum Sie diese Deutung hier erneut als Ihre Meinung vortragen, obwohl durch den Beitrag des Kollegen Glotz bereits eindeutig klargemacht wurde, daß wir eine Vermischung von Legislative und denjenigen, die von der Legislative in die Exekutive der Anstalt hineingesandt sind, hier nicht haben wollten und darum Kompetenzabgrenzungen vorgenommen haben und Ihre Deutung ein Mißverständnis ist?
Ich weiß nur eines, Herr Dr. Meinecke, daß Sie als Mitglied des Verwaltungsrates der Filmförderungsanstalt den Beschlüssen dieses Verwaltungsrates, wenn ich richtig orientiert bin und die Protokolle richtig gelesen habe, im wesentlichen zugestimmt haben.
({0})
Ich weiß darüber hinaus, daß diese Beschlüsse einstimmig gefaßt worden sind und daß Sie hier eine Meinung in der SPD-Fraktion mittragen, die diesen Beschlüssen nicht entspricht; das ist der Tatbestand, Herr Dr. Meinecke.
({1})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke.
Das ist die Schlußfrage, Herr Kollege Wohlrabe. Darf ich Sie fragen, ob Sie jetzt zugeben, daß Sie falsch informiert sind, wenn ich Ihnen sage, daß gerade der 'betreffende Beschluß, der hier umstritten ist, im Verwaltungsrat nicht einstimmig gefaßt worden ist.
Ich kann Ihre Äußerung nur zur Kenntnis nehmen; fest steht, daß die Einstimmigkeit überall ausgewiesen und erklärt wird und ,daß ich von Ihnen bisher keine gegenteilige Erklärung gehört habe, es sei denn, diese ist als solche zu werten; das allerdings würde ich bedauern.
In diesem Zusammenhang darf ich auch einmal an folgendes erinnern. Dieses Gesetz, diese Initiative ist im Jahre 1967 von unserem ehemaligen CDU/CSU-Kollegen Dr. Toussaint im Bemühen aller Fraktionen überhaupt erst geschaffen worden, um eben eine vernünftige, abgewogene, wirtschaftliche - dieses Wort ist hier besonders wichtig - Konsolidierung des deutschen Films zu erreichen und um den Verleihern, den Produzenten, den Filmtheatern eine bessere Basis für ihre Arbeit zu geben. Das war der Sinn, unter dem wir angetreten sind, als dieses Gesetz gemacht wurde. Auch international sollte der deutsche Film besser bestehen können, weil wir wissen, daß im Ausland für die Filmförderung viel mehr getan wird als bei uns.
Es kam also darauf an, meine Damen und Herren, im Rahmen einer Selbsthilfe der deutschen Filmwirtschaft Mittel aufzubringen, die es ermöglichten, einen guten Unterhaltungsfilm und damit einen möglichst künstlerisch wertvollen Film zu erzielen. Ich räume ein - ich habe das auch an anderer Stelle immer wieder getan -, daß wir am Anfang diesem Ziel nur schwerlich nähergekommen sind und nicht den notwendigen Erfolg gehabt haben. Ich habe dies immer - zusammen auch mit unserer Fraktion - bedauert. Dies lag aber daran, daß es gerade in den ersten Jahren um das Sammeln von Erfahrungen ging und daß es keine sogenannte Minderwertklausel gab, die ausgeschlossen hätte, daß Filme gefördert wurden, die nicht in eine Förderung gehören, auch nicht im Rahmen einer Selbsthilfe, und die leider - das füge ich hinzu - diese Filmförderung teilweise berechtigt in Mißkredit gebracht haben. Seit ungefähr drei Jahren wird von Vertretern aller Fraktionen, des Ministeriums und der Filmwirtschaft selbst alles getan, um diesen Mißkredit zu beseitigen, was heute recht weitgehend erreicht worden ist.
Daß diese Förderung teilweise in Mißkredit gekommen ist, darf nicht dazu führen, nun in das andere Extrem zu verfallen. Der Filmwirtschaft kann nur dann geholfen werden und sie kann sich auch nur dann selbst helfen, wenn die Hilfe zur Selbsthilfe voll fortbesteht und wenn man dabei nicht ein imaginäres Ziel der Bewußtseinsveränderung anstrebt, sondern für das Publikum einen guten Unterhaltungsfilm machen will, d. h. das Publikum im Auge hat. An ihm müßten wir uns orientieren,
denn der Mitbürger soll es auch sein, der durch sein Eintrittsgeld für das Kino die Mittel aufbringt, die dann zum Wohle des deutschen Films verteilt werden sollen.
({0})
Wer redlich an dieses Thema herangeht, muß akzeptieren, daß seit drei Jahren diese Minderwertsklausel existiert und daß seitdem die Förderung schlechter und minderwertiger Filme nicht stattgefunden hat. Ich sage hier auch deutlich - und Herrn Kollegen Meinecke darf ich vielleicht als Zeugen anrufen, weil er der Vorsitzende dieser kleinen Kommission ist, in der die Filmförderung stattfindet -, daß seit Bestehen dieser Minderwertsklausel kein Schund- und auch kein Pornofilm mehr gefördert wurde. Ich sage das einmal hier als Sachmitteilung, weil allzu oft der Eindruck entsteht, dort würden nur Schund- und Pornofilme gefördert werden. Das ist nicht so.
Darüber hinaus verweise ich darauf, daß der Entwurf der Bundesregierung, um den es in der Urvorlage ging, sich streng an der Verfassungslage orientiert. Wir möchten uns dafür beim Bundesminister der Wirtschaft bedanken, und wir fragen uns - ({1})
- Das ist traurig, wenn er nicht mehr zustimmt. Dann ist er der Umfunktionierung seines eigenen
) Referates zum Opfer gefallen. Ich kann mir nach dem Verständnis, das wir von ihm als deutschen Politiker haben, nicht vorstellen, daß Herr Dr. Friderichs, wenn er die Sache einmal genau betrachtet, das heute so haben möchte; sonst wäre ich zumindest sehr enttäuscht, wenn ich das so sagen darf.
({2})
Wir führen diese Debatte deshalb, meine Damen und Herren - beim letzten Mal haben wir gar keine führen müssen -, weil paradoxerweise einige besonders engagierte Kollegen der SPD und FDP eine parlamentarische Möglichkeit erhalten haben, hier ihre eigenen Vorstellungen zu plazieren, und weil vielleicht auch andere Kollegen, die bisher dieses Thema zusammen mit dem Wirtschaftsministerium bearbeitet haben, resigniert haben. Dies ermöglichte es, den Regierungsentwurf an zehn entscheidenden Punkten umzufunktionieren, d. h. ihm zu seinem Ursinn der Wirtschaftsförderung nun einen neuen Sinngehalt mit auf den Weg zu geben und damit die Gefahr anzuzeigen, daß wir in das andere Extrem fallen könnten. Wir, die CDU/CSU, lehnen eine Ideologisierung und kulturpolitische Akzentuierung eines Wirtschaftsgesetzes ab. Wir meinen, daß dadurch die Verfassungsgemäßheit des Filmförderungsgesetzes in Frage gestellt werden könnte, und sind auch deshalb nicht bereit, diesen Weg mitzugehen.
Zum anderen - das Vorblatt zum Gesetz weist dies aus - ist bekannt, daß keine Steuermittel hier verwandt werden. Es geht auch nicht um Subventionen aus Haushaltsmitteln, sondern es geht einzig
und allein darum, daß Filmproduktion, Filmverleih und Filmtheater eine von ihnen aufgebrachte wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ausgleichsabgabe selbst verteilen. Charakteristisch, Herr Dr. Glotz - auf diesen Punkt sind Sie gar nicht eingegangen, und deshalb möchte ich das ihnen doch einmal entgegenhalten -, für eine derartige parafiskalische Abgabe ist, daß durch die Selbstverwaltung festgelegt wird, nach welchen Grundsätzen und Schwerpunkten innerhalb des jeweiligen Wirtschaftszweiges verfahren werden soll. Das ist bis heute herrschende Meinung. Mit anderen Worten, die hier aufgebrachten Mittel können nur für diesen Zweck - nicht für dritte Ziele, über die man in anderem Rahmen durchaus sprechen kann; das will ich gar nicht bestreiten - ausgegeben werden. Das hat die Bundesregierung erkannt, und sie hat dies deshalb in ihrem Urentwurf auch zum Ausdruck gebracht. Wir bleiben dabei, daß dies richtig war, und sind der Auffassung, daß die jetzige Haltung der SPD und der FDP diesen Grundsatz aus den Augen verliert.
Damit kann sich die Gefahr ergeben, daß eine reine Wirtschaftsförderung durch ideologisierte kulturpolitische Nebenziele überlagert wird, wenn sie nicht gar in einer Grundsubstanz und in ihren Grundgedanken so stark verschoben wird, daß Verfassungsjuristen oder denen, denen das Gesetz nicht paßt, die Möglichkeit gegeben wird, gegen Mehrheitsbeschlüsse dieses Hause anzugehen und dabei gegegenenfalls das Gesetz als ganzes in Frage zu stellen.
Ihre Rede, Herr Dr. Glotz, ruft in mir den Gedanken hervor, daß wir auf diesem falschen Wege sind. Ihre Rede gibt dafür eine Reihe von Ansatzpunkten. Und bitte, wundern Sie sich dann nicht, wenn andere - nicht wir - Ihnen dies, was Sie hier heute gesagt haben, eines Tages entgegenhalten werden und Sie dabei unterliegen.
({3})
Diese Gefahr haben Sie durch Ihre Rede heraufbeschworen, weil Sie den Rahmen des Gesetzes verkannt oder bis heute nicht erkannt haben; aber 'das möchte ich Ihnen nicht unterstellen, ich möchte vielmehr meinen, Sie haben das, was Sie hier sagten, wohl abgesprochen mit einigen interessanten - ({4})
- Sie haben modische Anpassung betrieben - das ist der richtige Ausdruck -, die nicht zum Wohle der deutschen Filmwirtschaft sein kann. Und warum wendet sich - Sie haben es selbst angesprochen - der Hauptverband der Filmtheater heute schon dagegen? Ich will diese Resolution aus Zeitgründen hier gar nicht mehr vortragen. Die Interessenten, diejenigen, die betroffen sind und die die Mittel selbst aufbringen, stehen schon heute gegen dieses Gesetz auf, und ich bin sicher, das wird auch weitergehen.
({5})
Ich wiederhole deshalb: Wir sind für die Förderung des deutschen Films, und wir sind auch für ein vernünftiges Filmförderungsgesetz. Wir stellten
heute deshalb unsere Änderungsanträge, weil wir den Regierungsentwurf in seiner Urfassung als verfassungskonform ansehen und weil wir gegen die Veränderungen, die von SPD und FDP im Wirtschaftsausschuß mit Mehrheit beschlossen worden sind, ernsthafte Bedenken haben, wie es auch bereits die Kollegen Schmidhuber und Waigel vorgetragen haben.
In diesem Gesetz - ich wiederhole es, meine Damen und Herren - geht es in erster Linie um guten Unterhaltungsfilm, der ein breites Publikum ansprechen soll. Wir wissen, daß rein künstlerische Gesichtspunkte allein hier nicht immer berücksichtigt werden. Das mag man bedauern, aber die Fakten bei einem Wirtschaftsförderungsgesetz sind nun einmal so. Daß aber gerade die Regierungsparteien SPD und FDP am Publikum vorbei operieren, ist mir besonders unverständlich. Es läßt nur den Schluß zu, daß dem Bürger in Zukunft vorgeschrieben werden soll, in welchen Film er gehen soll. Diese Einengung seines persönlichen freiheitlichen Entscheidungsrahmens mitzumachen sind wir auch an dieser Stelle falsch verstandener Medienpolitik nicht bereit!
({6})
Es wäre deshalb besser gewesen, wenn der Gesetzentwurf so, wie er vorgelegt wurde, geblieben wäre und wenn nicht Medienpolitikern, die ideologisch eingefärbt operieren, eine derartige Möglichkeit zur Einflußnahme gegeben worden wäre. Besonders erstaunlich ist - Herr Kollege Dr. Hirsch, Sie werden mir ja gleich antworten -, daß sich die FDP-Fraktion einem derartigen Vorhaben angeschlossen hat, nachdem ein vernünftiger, sachgerechter und verfassungskonformer Gesetzentwurf aus dem Hause des FDP-Ministers Dr. Friderichs vorlag.
Unsere Änderungsanträge haben erreichen wollen, diesen Entwurf wiederherzustellen, und sie sollen dazu beitragen, daß dieses Wirtschaftsförderungsgesetz nicht zu einem Testfall linker Medienpolitik gemacht wird. Das kann nicht unsere Absicht sein, meine Damen und Herren!
({7})
Ich appelliere deshalb an die Kollegen der Koalitionsparteien, sich ihr Vorhaben, dieses Gesetz so zu machen, noch einmal zu überlegen und in den Abstimmungen in dritter Lesung dazu beizutragen, eine Regelung zu finden, die dem Regierungsentwurf entspricht. Uns liegt es fern, an diesem Punkt eine politische Kontroverse auszutragen. Wir müßten alle das gleiche Anliegen haben, nämlich für ein breites Publikum einen guten Unterhaltungsfilm zu machen. Es kann aber nicht angehen, daß ideologische Gesichtspunkte ein Wirtschaftsförderungsgesetz überlagern, und es kann auch nicht sein, daß solche Gesichtspunkte in Zukunft Leitschnur für die deutsche Filmwirtschaft sein sollen.
Weil wir diese Meinung nicht teilen und weil wir deses Gesetz nicht zum Testfall linker Medienpolitik werden lassen wollen - Herr Dr. Glotz hat dies in seiner Rede fast erkennen lassen, indem er ankündigte, daß man auch noch auf anderen Mediengebieten kräftig zulangen wolle -, sondern Wirtschaftsförderung im wohlverstandenen Sinne wünschen, bitten wir Sie, die Regelung so zu treffen, wie sie in der Urform des vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Entwurfs vorgesehen war. Bleiben Sie bei den Vorstellungen, die Sie vorgetragen haben, bleibt uns leider -- ich sage bewußt: leider - keine andere Wahl, als diesem Gesetz in der von Ihnen nun geänderten Fassung nicht zuzustimmen.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit - ich muß sagen - wachsendem Befremden, aber auch mit wachsender Gelassenheit verfolgt, wie versucht worden ist, die Beratung dieses Gesetzes in zunehmendem Maße ideologisch aufzuladen. Diese Versuche sind von den verschiedensten Seiten gekommen. Beide Koalitionsfraktionen haben gemeinsam diesen Versuch mit Erfolg abgewehrt und ein Ergebnis vorgelegt, wie es im Rahmen eines Wirtschaftsförderungsgesetzes richtig ist. Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß wir im Laufe der Beratungen den ursprünglich vorgelegten Gesetzentwurf verändert haben. Ich muß, Herr Kollege Wohlrabe ---- Sie kennen die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes -, doch betonen, daß wir unter Zeitdruck standen und daß im Laufe der Beratung ständig Besprechungen und Verhandlungen auch mit den Vertretern der Filmwirtschaft stattgefunden haben. Ich sehe überhaupt nichts Negatives darin, die Ergebnisse der Beratungen in das Gesetz einfließen zu lassen.
Sie, Herr Kollege Wohlrabe, haben sich natürlich mit großem Fleiß daran beteiligt, aus einem Wirtschaftsförderungsgesetz den Versuch eines ideologischen Testfalles zu machen. Sie schreiben hier von einem „Testfall linker Medienpolitik". Ich empfehle Ihnen, wenigstens einmal zu versuchen, den Gesetzestext vorurteilsfrei und unvoreingenommen zu lesen. Das gilt insbesondere auch für Ihre Ausführungen über die Änderung des Gesetzes über das Verbringungsverbot. Lesen Sie es einmal, Herr Kollege Wohlrabe! Ich muß annehmen, daß Sie es bisher nicht gelesen haben. Kenntnis des Gesetzes erleichtert die Rechtsfindung.
({0})
Nun, diese mit unverständlicher Heftigkeit hier und im vorparlamentarischen Raum geführte Auseinandersetzung um ein Wirtschaftsförderungsgesetz, bei dem es um ein Gesamtvolumen von 23 Millionen DM im Jahr geht - also wirklich nicht um eine epochale Geldsumme -, zeigt nur, wie wirtschaftlich schwach die deutsche Filmindustrie unter der bisherigen Wirtschaftsförderung geworden ist.
Wir sehen cien Sinn dieses Gesetzes nicht etwa in einer Art filmwirtschaftlicher „Aktion Sorgenkind". Es geht hier nicht darum, nur eine Geldsammlungs und Geldverteilungsaktion zu beginnen, sondern es
geht doch darum, die Sanierung der Filmwirtschaft durch eine Qualitätsanhebung des deutschen Films zu erreichen. Zur Wirtschaftsförderung allgemein ist zu sagen, daß es in der Wirtschaft keinen gesicherten Besitzstand gibt. Es ist also auch in Deutschland ein Leben ohne deutschen Film denkbar, so bedauerlich das sein mag.
Es ist richtig, daß die Entwicklung der Filmwirtschaft nicht ohne die Entwicklung des Fernsehens zu sehen ist. Die Zahl der Besucher von Kinos ist umgekehrt proportional zur Zahl der Zulassungen von Fernsehapparaten. - Sie schütteln den Kopf, Herr Kollege, aber das ist zahlenmäßig exakt nachweisbar. Man macht es sich allerdings zu einfach, wenn man darin den einzigen Grund sieht. Der eigentliche Grund liegt doch darin, daß es die Filmwirtschaft unterlassen hat, sich auf die Kokurrenz Fernsehen in richtiger Weise einzustellen. Das Fernsehen befriedigt das Bedürfnis nach aktueller filmischer Information. Das führt zur Krise der Wochenschau. Das Fernsehen befriedigt das Bedürfnis nach dem Betrachten beweglicher Bilder. Also besteht doch die Zukunftschance des Films nicht darin, nur schlichte Unterhaltung zu bieten. Eine Zukunftschance des Films kann vielmehr nur darin liegen, daß sich der Film selbst auf seine Eigenschaft als ein künstlerisches Medium, als ein künstlerisches Ausdrucksmittel besinnt. Das heißt, daß eine Wirtschaftsförderung darauf eingehen muß. Es ist für mich einfach unverständlich, daß der Widerstand der Opposition gerade bei den Versuchen beginnt, die Wirtschaftsförderung des Films nicht nur durch die Verteilung von Geld zu betreiben, sondern durch die Begünstigung von Qualität. Wir wollen nicht den Wettbewerb der Subventionen, sondern wir wollen den Wettbewerb von Filmen, und das auch im internationalen Raum. Das jetzige Filmförderungssystem hat zu bedauerlichen Ergebnissen geführt. Wir brauchen uns ja nur, Herr Kollege Wohlrabe, einmal die Titel der Filme in Erinnerung zu rufen, die wir beide gemeinsam, sofern Sie da waren, im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt betrachten konnten: „Immer Arger mit Hochwürden", „Kompanie der Knallköppe", „Klein Erna auf dein Jungfernstieg", „Außer Rand und Band am Wolfgangsee".
({1})
Man muß doch sagen, daß wir einmal von diesem Niveau der Förderung von Plotten wegkommen müssen.
({2})
- Ihnen!
({3})
-- Ich sage das im Augenblick Ihnen und Herrn Wohlrabe, weil ja doch immer der Versuch unternommen wird, die Förderung von Qualität als einen Verstoß gegen die Verteilung von Zuständigkeiten nach dem Grundgesetz darzustellen.
({4})
- Bitte, Herr Kollege.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Herr Kollege Hirsch, man kann es Ihnen an sich nicht verübeln, weil Sie damals nicht im Bundestag waren, aber ich frage Sie trotzdem, ob Ihnen bekannt ist, daß bei der ersten Fassung des Gesetzes alle Versuche der CDU/CSUFraktion, dafür Sorge zu tragen, daß Klauseln eingebaut werden, die eben das verhindern, von Ihnen und der SPD-Fraktion blockiert und unmöglich gemacht wurden.
({0})
Herr Kollege Wörner, ich will überhaupt nicht in die Vergangenheit dieser Gesetzgebung hineingehen.
({0})
Die Minderwertsklausel ist, wie ich meine, von allen gemeinsam verabschiedet worden.
({1})
Wenn dein so wäre, wie Sie sagten, dann frage ich Sie, warum denn nun hier und heute ein verzweifelter Widerstand, offenbar getrieben von Interessenten, geleistet wird, um die stärkere Betonung von Qualitätsmerkmalen bei der Filmförderung zu verhindern.
({2})
Ich habe Ihnen so lange zugehört, Herr Wohlrabe. Sie hätten es ja sagen können; aber dazu habe ich von Ihnen bisher kein Wort gehört.
Wir glauben, daß die Filmförderung auf Dauer nur vernünftig organisiert werden kann, wenn die kulturelle Komponente einbezogen wird, also gemeinsam von Bund und Ländern. Das ist der Grund, warum die Laufzeit dieses Gesetzes erneut auf fünf Jahre beschränkt wird. Das ist auch der Grund, warum wir die Pflicht zu statistischen Angaben durch dieses Gesetz einführen wollen, um für einen Umbau der Filmförderung und eine Novellierung des Gesetzes vernünftiges und verläßliches Material zu bekommen. Die Instrumente der Qualitätsförderung liegen auf dem Tisch, einmal die Öffnung von Zusatz- und Grundförderung für den guten, aber nicht erfolgreichen Film, dann die Erleichterung des Ausschlusses minderwertiger Filme, dann das ganze System der Projektförderung, insbesondere bezogen auf die Herstellung und den Absatz guter Filme, auf den Ausbau der Kinos und auf die Nachwuchsförderung. Dazu gehört die Erhöhung der Filmabgabe, und dazu gehört schließlich auch die hier so heftig bekämpfte Veränderung des Verwaltungsrates, Veränderung deswegen, damit eben nicht nur wirtschaftlich unmittelbar Interessierte über die Verteilung dieser Geldmittel zu entscheiden haben. Dazu gehört auch die Nichteinführung des Zwanges zur Fernseh4396
abgabe, deswegen nämlich, weil es sinnlos wäre, Film und Fernsehen in einen Gegensatz zu bringen, und weil es notwendig ist, beide im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung zusammenarbeiten zu lassen.
({3})
- Ja, von der Notwendigkeit, verehrter Herr Kollege, diesen Gegensatz aufzuheben.
Vorhin ist gesagt worden, es liege kein Angebot auf dem Tisch. Das ist nicht richtig. Es liegt ein Angebot zum Abschluß einer Vereinbarung zwischen den beiden Fernsehanstalten einerseits und der Filmförderungsanstalt andererseits verbindlich auf dem Tisch. Das ist der Weg, wie man beide Medien - Fernsehen und Film - zusammenbringen muß in der Hoffnung, daß dann gemeinsam etwas Besseres bewirkt werden kann, als es durch das bisherige System der Filmförderung möglich war.
Wir wehren uns gegen die ideologische Aufladung dieser Diskussion. Wir glauben, daß der Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste aus der gegenwärtigen Situation macht. Ich bedanke mich bei den Kollegen der Koalitionsfraktionen für die faire und verständnisvolle Zusammenarbeit bei der Formulierung unserer Änderungswünsche. Ich bin sicher, Herr Kollege Glotz, daß wir im Laufe der kommenden fünf Jahre etwas schneller und etwas rechtzeitiger gemeinsam ein System der Filmförderung entwickeln werden, das dann der deutschen Filmwirtschaft insgesamt zugute kommen wird.
({4})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Damit kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Offenbar keine Enthaltungen. Mit Mehrheit angenommen.
Dann müssen wir noch über den Antrag abstimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Hilfe für die afrikanischen Dürregebiete
- Drucksache 7/1436
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Auswärtigen Ausschuß federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe den dritten Zusatzpunkt auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines einmaligen Heizölkostenzuschusses
- Drucksache 7/1395 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/1431 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens
({1})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({2})
- Drucksache 7/1430
Berichterstatter: Abgeordneter Braun ({3})
Ich danke den Berichterstattern für ihre Berichte. Ist eine Ergänzung notwendig? -- Bitte, Herr Abgeordneter Braun.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Der federführende Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung eines einmaligen Heizölkostenzuschusses befaßt. Da schriftliche Ausschußberichte sicherlich nicht zu den am meisten und intensivsten gelesenen Drucksachen des Hohen Hauses gehören, darf ich im Auftrage des Ausschusses eine ergänzende Bemerkungen machen.
Problematik und Zielsetzung des Gesetzentwurfs sind gestern eingehend und ausführlich behandelt worden. Uns ging es bei der Beratung im Ausschuß nicht nur darum, den Gesetzentwurf schnell zu beraten, sondern wir haben auch Wert darauf gelegt, die Formulierungen so zu wählen, daß nicht erst ein Kommentar abgewartet werden muß, um das Gesetz anwenden zu können. Wo trotzdem Auslegungsschwierigkeiten auftreten könnten, soll der vorliegende Ausschußbericht weiterhelfen und hoffentlich Klarheit bringen. Ich wäre daher dankbar und hielte es für nützlich, wenn die Stellen in den Städten und Gemeinden, die mit diesem Gesetz arbeiten müssen, nicht nur den Gesetzestext, sondern in diesem Falle auch die wesentlichen Teile des Ausschußberichts erhielten. Dies ist gerade wichtig für den § 2 Abs. 1. Dort heißt es:
Den Zuschuß erhalten alleinstehende Personen und Haushaltsvorstände ...
In diesem Punkt hat der Ausschuß besonderen Wert auf die Feststellung gelegt, daß zu den Alleinstehenden auch diejenigen gehören, die in Gemeinschaftsunterkünften oder Altenheimen wohnen und im übrigen die Voraussetzungen des § 2 erfüllen. Durch diese Feststellung im Ausschußbericht konnte dem Anliegen der CDU/CSU entsprochen werden, die auch die Bewohner von Altenheimen bei der Bezuschussung berücksichtigt wissen wollten.
Eine zweite Anmerkung zur Kostenverteilung. Zwei Drittel der durch dieses Gesetz entstehenden Kosten übernimmt der Bund. Hier ist festzustellen, daß keine Belastung der Sozialhilfeträger, also in erster Linie der Städte und Gemeinden, erfolgt, sondern daß sich der Bund bei diesem Gesetz mit zwei Dritteln der Kosten beteiligt.
Schließlich eine letzte Anmerkung zur Finanzierung. Nach Auffassung des Ausschusses hält sich die Belastung der öffentlichen Haushalte in einem vertretbaren Rahmen. Mit Genugtuung hat der Ausschuß darüber hinaus festgestellt - ich darf das hier noch einmal betonen -, daß die erforderlichen Bundesmittel - wie ich soeben sagte: zwei Drittel der Gesamtkosten - den ursprünglichen Einzelplan 15 nicht belasten und nicht belasten dürfen, sondern daß es sich hier auch nach dem Vorschlag des Haushaltsausschusses um einen durchlaufenden Posten handelt, so daß also die Maßnahmen, die im Einzelplan 15 vorgesehen sind, durch dieses Gesetz nicht berührt oder gar in Frage gestellt werden.
Meine Damen und Herren, nach der Beratung und den vorgenommenen Änderungen sowie den im Ausschußbericht getroffenen Feststellungen war der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit der Auffassung, daß nunmehr die Voraussetzungen geschaffen sind, um unbürokratisch und schnell zu helfen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter auch für die Ergänzung.
Wie ich höre, ist interfraktionell vereinbart worden, daß die allgemeine Aussprache zu Beginn, also schon in der zweiten Lesung, stattfinden soll. - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile dem Abgeordneten Hauck das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt mit Genugtuung fest, daß es innerhalb von gut 24 Stunden möglich war, dieses Gesetz zu verabschieden. Damit wird erneut unter Beweis gestellt, daß das Parlament in besonderen Situationen durchaus in der Lage ist, im Interesse der Bürger zu schnellen Entscheidungen zu kommen. Ich danke allen Beteiligten für die zügige Beratung und knüpfe daran die Hoffnung, daß auch der Bundesrat am 20. Dezember 1973 diesem Gesetz zustimmt, damit es baldmöglichst in Kraft treten kann.
Da in dem Gesetz der betroffene Personenkreis klar abgegrenzt ist, konnte auf eine Verordnungsermächtigung verzichtet werden. Wir gehen davon aus, daß auch die Bereitstellung und Zuweisung der Bundesmittel unverzüglich erfolgt, so daß der Auszahlung durch die zuständigen Stellen nichts mehr im Wege steht.
Als meine Fraktion darüber beriet, wie man den durch die Preissteigerung auf dem Heizölsektor entstandenen Belastungen wirtschaftlich und sozial
schwacher Bevölkerungsgruppen entgegenwirken kann, waren wir uns darüber klar, daß es sich nur um eine schnelle Maßnahme handeln konnte, die man als Symptombehandlung bezeichnen kann. Den Ursachen dieser unbefriedigenden Preisentwicklung auf dem Ölsektor muß mit anderen politischen Mitteln begegnet werden. Daher mußte dieses Gesetz auch Kriterien erfüllen, die seinen besonderen Charakter als einmaliges Entlastungsgesetz für besondere Bevölkerungsgruppen ausweisen. Diese Kriterien sind erfüllt. Im einzelnen bedeutet das: Mit diesem Gesetz werden keine anderen Lösungsvorschläge verbaut. Eine schnelle Entlastung der Betroffenen wird erreicht. Der Verwaltungsaufwand ist minimal, und die finanzielle Belastung der öffentlichen Hand ist vertretbar. Mit diesem Gesetz unterstreichen Bund und Länder ihre Verantwortung für die besonders schwer betroffenen Bevölkerungsteile. Diese einmalige Hilfe kann nur begrenzt sein. Sie ist aber dringend geboten. Daher sollte man bei dieser Gelegenheit und an dieser Stelle auch an die Verantwortung jener appellieren, die Öl fördern, verarbeiten, verkaufen und den Ölpreis festsetzen,
({0})
ihren Teil dazu beizutragen, die Situation nicht weiter zu verschärfen, sondern sie, so wie wir es hier in diesem begrenzten Bereich tun, weiter zu entlasten. Die SPD stimmt diesem Gesetz zu.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion gab es insbesondere drei Gesichtspunkte, unter denen wir dieses Gesetz beurteilt haben. Wir waren erstens der Auffassung, daß alle einkommensschwachen Gruppen berücksichtigt werden sollten und daß auch die Beträge, die als Zuschuß gewährt werden, einen echten Ausgleich darstellen sollten.
Zweitens waren wir der Auffassung, daß unbürokratisch und schnell geholfen werden sollte. Wir haben uns gestern deshalb auch noch einmal bemüht, die Paragraphen unter dem Gesichtspunkt zu durchforsten, daß sie möglichst einfach und klar sind, also klar ausdrücken, was wir wollen.
Unsere dritte Forderung war, daß diese neuen Belastungen nicht auf dem Rücken der Gemeinden, die sowieso stark belastet sind, ausgetragen werden sollten.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf entspricht in vollem Umfang diesen unseren Anliegen. Wir werden ihm deshalb zustimmen.
Wir hatten gestern einen besonderen Punkt noch einmal zur Diskussion gestellt. Er betraf die Bewohner von Altersheimen. Gestern hatten wir hier an dieser Stelle dargestellt und ausgeführt, daß wir auch diesen Personenkreis berücksichtigen wollten. Weil gerade diese Menschen von der Kostenlawine der letzten Jahre besonders betroffen worden sind, wollten wir sie nicht von den Leistungen dieses
Gesetzes ausnehmen. Gestern nachmittag ist es im Ausschuß in einer gründlichen, fairen, sauberen Diskussion gelungen, auch diesen Punkt klarzustellen. Ich glaube, wir haben im Schriftlichen Bericht hinreichend klargelegt, daß auch die Bewohner von Altersheimen in den Genuß dieser Zuschüsse kommen können. Ich hoffe, daß die Festlegungen im Schriftlichen Bericht und die gemeinsame Auffassung des Ausschusses und auch des Plenums heute die Verwaltungsstellen in die Lage versetzen, auch den Bewohnern von Altersheimen diese Zuschüsse gewähren zu können.
Als letzten Punkt hatte ich gestern noch einmal die Finanzierung angesprochen. Herr Kollege Wehner, Sie hatten mich gestern freundlicherweise aufgefordert, mich gründlich zu informieren. Ich hatte mich sehr gründlich informiert. Der Titel wird nun tatsächlich im Einzelplan 15 ausgewiesen. Wir sind aber gemeinsam der Auffassung - ich möchte das heute noch einmal nachdrücklich unterstreichen daß wegen dieses Titels und des Ausgleichs im Rahmen des Gesamthaushaltes keine Positionen im Einzelplan 15, also im Einzelplan des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit gekürzt werden dürfen. Wir haben diesen Titel so angesetzt, daß die Aufgaben damit erfüllt werden können, Kürzungen irgendeiner Position könnten wir aber unter gar keinen Umständen hinnehmen.
Meine Damen und Herren, wir haben an diesem Gesetzentwurf konstruktiv mitgearbeitet. Wir haben gestern in gemeinsamen Anstrengungen durch ein Entgegenkommen der Koalition auch eine gute Lösung für die Bewohner von Altersheimen finden können. Dafür danke ich.
Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Als Freie Demokraten sind wir erfreut darüber, daß es gelang, eine Lösung zu finden, die angemessene und unbürokratische Hilfe denen zuteil werden läßt, die durch die Heizölpreisentwicklung in Notsituationen geraten sind oder in der Zukunft geraten können. Wir sind auch sehr froh, daß darüber hinaus in § 4 eine Härteregelung enthalten ist, die besonders gelagerte Fälle noch einmal ausdrücklich abstützt.
Als wesentlich betrachten wir, daß durch dieses Gesetz eine Entlastung der Sozialhilfeträger erfolgt, die weit über das hinausgeht, was der Bund normalerweise tut, aber auch ein Grund dafür sein dürfte, daß der Bundesrat diesem Gesetz nicht widerspricht, sondern zustimmt, da gerade die Glieder der Länder, nämlich die Gemeinden und Kreise, durch dieses Gesetz wesentliche Entlastungen erfahren werden.
Wir haben mit diesem Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Beweis geliefert, daß auch in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat schnell gehandelt werden kann, wenn rasche Hilfe für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen notwendig ist, dies um so eher und um so schneller, wenn sich Regierung, Koalition und Opposition in der Zielrichtung einig sind. Denn dann geht es nur noch um die praktikableren Lösungen. Diese haben wir im Ausschuß gefunden, und sie sind auch im Ausschußbericht zum Ausdruck gekommen.
Die Freien Demokraten stimmen dem Gesetzentwurf im vollen Inhalt zu.
({0})
Das Wort hat die Frau Minister.
Ich will nur einen einzigen Satz des Dankes im Namen der Bundesregierung für diese ganz ungewöhnliche Kooperation und die Fähigkeit aussprechen, innerhalb von 24 Stunden ein solches Gesetz hier durchzuziehen, zu beraten und zu verabschieden. Mehr als diesen Dank will ich nicht sagen, damit wir bis ein Uhr tatsächlich fertig sind.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung. lch rufe §§ 1 bis 10 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Die allgemeine Aussprache hat bereits stattgefunden. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir haben noch über den Antrag II des Ausschusses abzustimmen, den Antrag der Fraktion der CDU CSU Drucksache 7/1346 für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittaqspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.
({0})
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir treten ein in Punkt 1 der Tagesordnung, in die
Fragestunde
- Drucksachen 7/1380, 7/1412
Wir haben zwei dringliche Fragen aus dein Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen soVizepräsident Frau Funcke
wie aus dein Geschäftsbereich des Bundesminitsters für Wirtschaft vorliegen. Ich rufe zunächst die dringliche Frage des Herrn Abgeordneten Ey aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf:
Wird die Bundesregierung angesichts drohender großer Wertberichtigungen ({0}) bei der Hessischen Landesbank Sofortmaßnahmen ergreifen oder veranlassen, um von der öffentlichen Hand und von zahlreichen Sparern Schäden abzuwenden, und, wenn ja, welche Maßnahmen sind gegebenenfalls im einzelnen von der Bundesregierung vorgesehen?
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung. Bitte schön.
Herr Abgeordneter, der Bund ist für die Hessische Landesbank nur im Rahmen der Bankenaufsicht, nicht jedoch als Eigentümer zuständig. Deshalb und im Hinblick auf § 9 des Kreditwesengesetzes über die Schweigepflicht ist mir die Mitteilung von Einzelheiten nicht möglich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die Aufsichtsfunktion bei öffentlichen Banken als ausreichend gesichert an, insbesondere in Fällen der Personalunion von öffentlich-politischen Ämtern und solchen der Bankenaufsicht?
Ich weiß nicht, auf welche Fälle Sie anspielen. Das müßte mir näher erläutert werden. Die Bundesregierung sieht jedenfalls die Aufsichtmöglichkeiten und die Aufsichtspflicht gegenüber den Banken als gesichert an.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für möglich, daß eine konkursreife öffentliche Bank dadurch am Leben bleibt, daß andere öffentliche Banken diese stützen?
Ich halte dies für eine theoretische Frage. Aber warum sollte das nicht möglich sein?
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die zweite dringliche Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf:
Hält die Bundesregierung die vom Fachverband Tankstellen in Essen allen Tankstellen durch Rundschreiben vorgeschlagenen Maßnahmen für berechtigt, wonach Stammkunden-Ausweise eingeführt und der bisher kostenlose Service, wie zum Beispiel Prüfung des Reifendruckes, die Batterie-Kontrolle u. a., künftig berechnet werden sowie eine eigenmächtige Rationierung eingeführt werden soll, und wird die Bundesregierung gegen dieses Vorgehen Maßnahmen ergreifen?
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Bitte schön!
Herr Kollege, der nordrhein-westfälische Landesverband des Tankstellengewerbes, der Fachverband Tankstellen, Service-Stationen und Garagen Essen e. V., hat seinen Mitgliedern durch Rundschreiben vom 20. November diesen Jahres empfohlen, die Abgabe von Treibstoffen zu rationieren und für den Fall, daß keine spürbare wirtschaftliche Entlastung des Tankstellengewerbes durch Maßnahmen der Ölgesellschaften und des Staates erfolgen sollte, Selbsthilfemaßnahmen wie die Einführung von Stammkundenausweisen und die Berechnung von bisher kostenlosen Zusatzleistungen zu ergreifen.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat daraufhin die Vertreter der Bundesvereinigung des Tankstellengewerbes in einem Gespräch am 24. November 1973 darauf hingewiesen, daß eine Beschränkung der Treibstoffabgabe durch die Tankstellen von der Versorgungslage her nicht gerechtfertigt ist und daß die angekündigten Maßnahmen kartellrechtlich nicht zulässig sind. Die beanstandeten Maßnahmen sind deshalb unterblieben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich die Antwort auf einen weiteren Halbsatz meiner Frage nicht erhalten habe wo ich gefragt habe, ob der bisher kostenlose Service wie z. B. Prüfung des Reifendruckes, Batteriekontrolle und anderes künftig nicht mehr kostenlos sein wird, sondern bezahlt werden soll - frage ich: Wird das von seiten der Regierung gebilligt? Denn ich bin der Auffassung, daß das unter Ausnutzung eines Ausnahmezustandes eine versuchte versteckte Preiserhöhung ist.
Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen kartellrechtlich von Bedeutung sein könnten, daß wir die Verbände darauf aufmerksam gemacht haben und daß deshalb die Maßnahmen unterblieben sind.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie werden unterstellen, daß ich Gründe habe für die etwas eindringliche Frage, die ich soeben gestellt habe. Wird die Bundesregierung im Falle, daß weitere dieser Gedanken zutage treten, Maßnahmen dagegen ergreifen, und wird sie insbesondere die Verbraucher darauf aufmerksam machen, daß diese Machenschaften unzulässig sind?
Ganz selbstverständlich, Herr Kollege. Das ist insbesondere die Aufgabe des Bundeskartellamtes. Aber auch wir vom Bundeswirtschaftsministerium sehen es als eine Verpflichtung an, uns in allen solchen Fällen, die uns zu Ohren kommen,
unmittelbar einzuschalten. Die gesetzliche Grundlage für solche Eingriffe ist das Kartellrecht, die zuständige Behörde das Bundeskartellamt.
({0})
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäfstbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Thürk auf:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß der Bundeskanzler Informationsreisen in die Wahlkreise unternimmt, während die Abgeordneten durch das Sonntagsfahrverbot 50 % ihrer Informationstätigkeit in ihrem Wahlkreis an den Wochenenden einbüßen, und stimmt sie der Erkenntnis zu, daß das Sonntagsfahrverbot grundsätzlich die Legislative - insbesondere die jeweilige Opposition in Bund und Ländern - stark behindert, während die Exekutive ihre volle Handlungs- und Bewegungsfreiheit behalten hat, so daß die demokratische Machtverteilung im Staat eine ungewollte und nicht zu rechtfertigende Verschiebung zugunsten der Exekutive erlangt hat?
Herr Kollege Thürk, ich nehme an, daß Sie sich in Ihrer Anfrage auf den Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Saarbrücken am Dienstag, dem 4. Dezember, dem Sankt-Barbara-Tag, beziehen. Der Herr Bundeskanzler folgte bei diesem Besuch seiner vor Monaten gegebenen Zusage, an der Jubiläumsfeier der Saarbergwerke AG teilzunehmen. Auch bei den Besuchen in anderen Bundesländern in diesem Monat folgte der Herr Bundeskanzler Einladungen, die schon lange vorlagen. Er reiste dann fast ausschließlich mit der Bundesbahn und hielt sich ohne Ausnahme an das Sonntagsfahrverbot. Ein Nachteil für die Legislative ist also so nicht gegeben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, abgesehen davon, daß Sie über Ihre Antwort selbst lächeln müssen, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung es mit dem Energiespargebot für vereinbar hält, daß der Herr Bundeskanzler für seine Informationsreisen, die nicht nur nach Saarbrücken gingen, einen Sonderzug mit allem Komfort benutzt hat, statt ein billigeres Reisemittel zu benutzen?
Sie verwechseln hier Energie und Preis, Herr Kollege. Erstens verbraucht eine Lokomotive vor einem Sonderzug nicht mehr Energie als vor einem normalen Zug. Zweitens glaube ich, Sie stimmen mit mir überein, daß der Herr Bundeskanzler Brandt wie jeder andere Bundeskanzler vor ihm während seiner Reisen in der Bundesrepublik Deutschland jederzeit erreichbar sein muß. Dies ist nur dann sichergestellt, wenn er einen Sonderzug benutzt, in dem ein Nachrichtenabteil und solche Dinge mitlaufen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Abgesehen davon, Herr Staatssekretär, daß mehr Energie verbraucht wird, wenn ein Sonderzug benutzt wird, als wenn ein normaler Reisezug benutzt wird, der ohnehin läuft - davon war hier schon die Rede -, und es genügend Pkws mit Telefonanschluß gibt, darf ich fragen, ob die Bundesregierung der Feststellung zustimmen kann, daß die Nichteinladung des Ministerpräsidenten und des Landtagspräsidenten, also der Spitzen des Landes, aber auch der Spitzen der Parteien, unter anderem des FDP-Landesvorsitzenden, in der Bevölkerung des Saarlandes den Eindruck erwekken konnte, daß es sich hier weniger um eine Informationsreise des Kanzlers als um eine Werbereise des SPD-Vorsitzenden gehandelt hat?
Herr Thürk, der Herr Bundeskanzler ist einer Einladung der Saarbergwerke AG gefolgt. Sie war die Einladende, nicht der Bundeskanzler. Ihre Frage müssen Sie an den Vorstand der Saarbergwerke AG und nicht an mich richten.
Keine Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Reddemann auf:
Welcher Beamte oder leitende Angestellte einer Bundesbehörde hatte außer dem ehemaligen Chef des Bundeskanzleramts, Ehmke, Kontakt mit dem V-Mann im Axel-Springer-Dienst, Göbel, und wer wertete die von Göbel unter Verletzung seines Arbeitsvertrags herausgeschmuggelten Informationen für die Bundesregierung aus?
Herr Reddemann, mit Ihrer Frage wollen Sie erfahren, ob einer der insgesamt 114 300 Beamten oder zirka 3 700 leitenden Angestellten des Bundes mit dem ehemaligen Mitarbeiter des Axel-SpringerDienstes Herrn Göbel Kontakt hatte. Ich nehme an, daß es Ihnen darum geht, zu erfahren, wer von den mit der Sache - und hier handelt es sich um das Ermittlungsverfahren wegen der Veröffentlichung zweier geheimer Fernschreiben des deutschen Botschafters in Washington in der Presse - befaßten Bediensteten der obersten Bundesbehörden Kontakt mit Herrn Göbel hatte. Dieser Personenkreis wurde befragt, mit negativem Ergebnis. Der Chef des Bundeskanzleramtes hat bereits in der Fragestunde am 18. Oktober 1973 ausgeführt, daß der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Professor Dr. Ehmke, zweimal mit Herrn Göbel telefoniert hat. Ich wiederhole, daß Herr Göbel an Herrn Minister Ehmke keine Unterlagen geliefert hat. Schriftliche Unterlagen hatte Herr Minister Ehmke lediglich einmal vom damaligen Bundesgeschäftsführer der SPD, Herrn Wischnewski, erhalten. Diese Unterlagen - auch das muß ich wiederholen - sind der ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft auf deren Anfordedung durch den Sicherheitsbeauftragten des Bundeskanzleramtes zugeleitet worden. Die Auswertung war und ist Angelegenheit der Ermittlungsbehörde der Länder, nicht des Bundes.
Nach einer Pressemitteilung Ihrer Fraktion, Herr Kollege, vom 6. Dezember 1973 haben Sie erklärt:
- Es besteht der dringende Verdacht, daß der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Horst Grabert den Bundestag nicht über den ganzen Umfang der trüben Affäre informiert hat, um den Skandal zu vertuschen, daß die Bundesregierung eine Redaktion ausforschen ließ.
Ich muß diese Verdächtigung, diese Unterstellung
mit allem Nachdruck auf das schärfste zurückweisen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Ravens, ohne auf Ihre Wertung eingehen zu wollen, möchte ich Ihnen die Frage stellen: Wollen Sie damit vor dem Deutschen Bundestag erklären, daß der Leiter der Inlandsabteilung des Bundespresseamts, Müller, nicht mit Herrn Göbel in dieser Angelegenheit zusammen gewesen ist?
Ich kann Ihnen nur die Erklärung abgeben, daß nach Ihrer Frage alle leitenden Herren, die mit diesem Vorgang beschäftigt waren, gehört worden sind und daß alle erklärt haben, sie hätten mit Herrn Göbel keine Kontakte gehabt, keine Gespräche geführt, keine Unterlagen von ihm erhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie dann bitte gezielt noch einmal Herrn Müller befragen und mir in absehbarer Zeit eine entsprechende Antwort geben?
Ich will ihm gern diese Frage stellen. Ich wäre Ihnen nur dankbar, Herr Reddemann, wenn Sie, sofern Sie über Informationsmaterial in dieser Frage verfügen - und Sie scheinen ja über hervorragendes Material zu verfügen -, dieses der Bundesregierung oder, besser noch, den Ermittlungsbehörden zustellten.
({0})
Denn sonst müßte ich im Laufe des nächsten Jahres auf jeden einzelnen Namen im Zusammenhang mit einer Frage zurückkommen, nehme ich an.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Heyen.
Herr Staatssekretär, könnte es nicht sein, daß das besondere Interesse des Herrn Reddemann für diesen Fall auf dessen enge Verbindung und Bindung zu diesem erwähnten Dienst zurückzuführen ist?
({0})
Herr Kollege, Wertungen und Auswertungen dieser Art möchte ich den Ermittlungsbehörden überlassen, d. h. der Bonner Staatsanwaltschaft.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Ich wollte mir nur die Frage erlauben, ob diese Frage eben zulässig war.
Fragen in der Fragestunde sind an die Herren der Regierung, nicht an den Präsidenten zu richten.
({0})
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Kunz ({1}) auf:
Ist Bundesminister Bahr im Rahmen der Zuständigkeiten für auswärtige Beziehungen nach der Neuregelung der Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung jetzt für die Wahrnehmung der Beziehungen zu den sozialistischen Staaten zuständig, und nach welchem Umfang bemißt sich diese Zuständigkeit?
Herr Kollege Kunz, die in Ihrer Frage unterstellte Neuregelung der Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung hat es nicht gegeben. Bundesminister Bahr ist nicht für die Wahrnehmung der Beziehungen zu den sozialistischen Staaten zuständig. Die Frage nach dem Umfang erledigt sich dadurch von selbst.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie angesichts der ständig zunehmenden Zuständigkeitsverwirrung fragen, welche Zuständigkeiten Herr Bundesminister Bahr überhaupt hat?
Herr Bundesminister Bahr ist Minister für besondere Aufgaben beim Herrn Bundeskanzler. Er nimmt das Amt des Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin wahr. Er unterstützt den Herrn Bundeskanzler in Fragen der Ost-, der Außen- und der Deutschlandpolitik und kümmert sich um die Fragen der Kooperation mit Staatshandelsländern. Dies habe ich hier im Bundestag übrigens in der vorigen Woche einem Kollegen schriftlich mitgeteilt. Sie können das nachlesen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie verhalten sich die Koordinierungszuständigkeiten von Herrn Sonderminister Bahr zu den Außenhandelskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft seit dem 1. Januar 1973 und verstärkt ab 1. Januar 1974?
Wir haben noch eine ganze Reihe von Fragen, die sich aus Kooperationen ergeben, welche nicht un4402
mittelbar in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft fallen, z. B. die Frage, wie solche Kooperationsmodelle aussehen und entwickelt werden können. Sie werden hier im wesentlichen behandelt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Böhm.
Herr Staatssekretär, versteht die Bundesregierung unter „Staatshandelsländern" die sogenannten sozialistischen Länder oder z. B. auch faschistische Staaten und andere, die ihren Handel auf staatlicher Ebene organisieren?
In diesem Fall sind die osteuropäischen Länder damit gemeint.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Klein.
Herr Staatssekretär, wie verhalten sich die von Ihnen soeben erwähnten Koordinationszuständigkeiten des Herrn Bundesministers Bahr zu den Zuständigkeiten anderer Ressorts der Bundesregierung, insbesondere den Ressorts für Auswärtiges, für Wirtschaft, Finanzen und Entwicklungshilfe?
Die Zuständigkeiten der übrigen Ressorts sind davon nicht berührt und werden davon nicht berührt. Die Koordinierungsaufgabe ist in Übereinstimmung mit den beteiligten Ressorts herbeigeführt worden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, trifft es zu - auch unter Bezugnahme auf ein Gespräch im Bundestagsausschuß für innerdeutsche Beziehungen -, daß Herr Bundesminister Bahr nunmehr u. a. auch zuständig ist für die Kreditzahlungen an Staaten des COMECON-Bereichs?
Nein, er ist für Fragen dieser Art nicht zuständig; die bleiben in der Zuständigkeit des jeweiligen Ressortministers.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, hat der Bundesminister Bahr in diesem Zusammenhang Kooperationsbefugnisse auch bezüglich des innerdeutschen Handels?
Er nimmt in diesem Falle die Aufgabe wahr, zwischen den Ministerien die Verbindung herzustellen; er berät sie in diesen Fragen aus seinen Kenntnissen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, würden Sie es nicht für ratsam halten, die Abgeordneten darüber zu unterrichten, welchen Ursprung die Bezeichnung „Staatshandelsländer" in den verschiedenen Regierungen der Bundesrepublik seit langem hat? Das wäre doch wohl für eine Entideologisierung dieser Frage nützlich, oder irre ich mich?
({0})
Ich glaube, Herr Kollege Wehner, Sie haben recht. Ich bin gerne bereit, dies zu tun und darauf zu verweisen, daß es sich aus den ersten Verhandlungen über Handelsabkommen und Handelsverträge und aus Verhandlungen anderer Art ergibt, in denen der Unterschied zwischen der auf einer freien Marktwirtschaft stehenden Wirtschaft und einer, die ausschließlich alles über den Staat laufen läßt, darzustellen versucht worden ist.
({0})
- Dieser Begriff geht auf das Ende der 50er Jahre zurück.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Dollinger auf:
Wie ist die Haltung von Staatssekretär Gaus zu verstehen, der in seiner mehrstündigen Unterhaltung mit Herrn Nier keinen Anlaß gesehen hat, das Thema der Erhöhung der Geldumtauschquote um 100 % anzuschneiden, obwohl Weihnachtsbesuche von Hunderttausenden von Bundesbürgern und Berlinern in der DDR und Ost-Berlin vor der Türe stehen?
Herr Kollege Dollinger, Herr Staatssekretär Gaus hat bei seiner Verhandlung mit dem steilvertretenden Minister Nier am 28. November 1973 von einer Behandlung der Frage des erhöhten Mindestumtausches abgesehen, weil zur gleichen Zeit ein Gespräch zwischen einem Vertreter des Senats von Berlin und einem Vertreter der DDR-Regierung zum selben Thema terminiert war; dieses Ergebnis sollte zunächst abgewartet werden. Nachdem dies geschehen ist, wird Herr Gaus auch das Thema Mindestumtausch in seine Gespräche mit Herrn Nier einbeziehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht besser gewesen, wenn diese Frage von seiten des Bundeskanzleramtes aufgeworfen worden wäre, auch im Hinblick auf die Zeit, die bis Weihnachten noch zur Verfügung steht?
Die Frage ist von uns aufgeworfen worden. Es war mit den Berliner Behörden so abgestimmt, daß daParl. Staatssekretär Ravens
zwischen deren Gesprächsrunde zunächst eingeleitet werden sollte und wir dann in unseren Gesprächen weiter nachfassen.
Hat man bei diesen Verhandlungen darauf abgestellt, unter Umständen insbesondere für Sozialrentner und ähnliche Personenkreise zumindest eine Ermäßigung zu erzielen?
Wir gehen die ganze Skala der Möglichkeiten durch.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in den Erklärungen des Staatssekretärs Gaus, wonach er keinen Anlaß sehe, das Thema erneut anzuschneiden, eine Unterstützung der Bemühungen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, seinerseits Verhandlungen über die Rücknahme dieser Willkürmaßnahmen zu führen?
Sie wissen - ich sagte es bereits -, daß diese Verhandlungen terminiert waren. Ich habe Ihnen die Gründe genannt, warum im ersten Gespräch zwischen Herrn Gaus und Herrn Nier über dieses Thema nicht gesprochen worden ist.
({0})
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, man kann damit aber doch festhalten, daß die Bundesregierung in dieser Sache bisher nichts getan hat?
Das können Sie nicht festhalten. Sie hat in dieser Sache nicht nichts getan, sondern sie hat sich in diesen Fragen intern darüber abgestimmt, welchen Ablauf man hier wählen muß.
Eine Frage des Herr Abgeordneten Dr. Klein.
Herr Staatssekretär, ist die für jedermann erkennbare renitente Haltung der DDR in den derzeitigen Verhandlungen zwischen den Herren Gaus und Nier für die Bundesregierung erkennbar auf Erscheinungen im Bereich der Transitwege - ich denke insbesondere an Fluchthilfe und die daran anschließenden Prozesse - zurückzuführen?
Herr Kollege, ich vermag die Motivation der Regierung der DDR hier nicht in vollem Umfang im Rahmen einer Fragestunde darzulegen. Ich denke, dieses sollte man einmal in der ganzen Breite im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen miteinander besprechen. Soweit ich weiß, hat es darüber ja auch schon Gespräche in diesem Ausschuß gegeben. Aber einen unmittelbaren Zusammenhang ausschließlich mit diesem Vorgang vermag ich nicht zu sehen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, würden Sie den heute im Bonner „General-Anzeiger" zum Ausdruck gebrachten Verhandlungsverlauf zwischen dem Senat und dem Sprecher der DDR, wonach der Herr Ministerpräsident Sindermann nur mit dem Satz geantwortet hat: „Die Haltung der DDR in dieser Frage ist dem Senat bekannt", ohne weiter darauf einzugehen, als Anlaß nehmen, weitere Verhandlungen von Herrn Gaus anzuregen?
Ich hatte schon gesagt, daß Herr Gaus die Gespräche weiter führen wird.
Eine Frage des Abgeordneten Böhm.
Herr Staatssekretär, falls keine befriedigenden Ergebnisse bei den Gesprächen mit der DDR erzielt werden können, frage ich Sie, welche finanziellen Hilfen die Bundesregierung für die Rentner vorsieht, die in die DDR reisen und dort von den dortigen Behörden im Wege des Zwangsumtausches finanziell ausgeplündert werden.
Herr Kollege Böhm, Sie werden sicher von mir nur eine Antwort erwarten können, nämlich die, daß die Bundesregierung ihre Kraft darauf konzentriert, eine befriedigende Lösung herbeizuführen.
({0})
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten ihrer Bemühungen, eine Rückgängigmachung dieser Erhöhung des Zwangsumtausches entweder ganz oder wenigstens partiell für die Weihnachtszeit herbeizuführen?
Herr Abelein, soll ich hier vor dem Deutschen Bundestag, indem ich die Frage so oder so beantworte -
({0})
Wir bemühen uns.
Keine Zusatzfrage.
Vizepräsident Frau Funcke
Dann rufe ich die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}) auf:
Trifft es zu, daß es nicht gelungen ist, im DGB-Jugendmagazin „ran" als redaktionelle Beiträge aufgemachte Inserate des Bundesministeriums der Verteidigung zu veröffentlichen, welches sind hierfür gegebenenfalls die Gründe, und welches finanzielle Volumen sollte die geplante Aktion haben?
Herr Kollege Kunz, die Firma, die für das Jugendmagazin „ran" Anzeigen aquiriert, hatte Interesse für einen Anzeigenauftrag des Presse- und Informationsamtes gezeigt, wobei in einer kleinen redaktionell gestalteten Anzeigenserie über Sinn und Zweck der Bundeswehr informiert werden sollte. Die Gesamtkosten einschließlich Satzkosten und Autorenhonorar beliefen sich auf rund 20 000 DM für die drei Anzeigenseiten.
Auf Grund des Auftrages des Presse- und Informationsamtes erschien die erste Anzeige vereinbarungsgemäß in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift. Die beiden weiteren Anzeigen wurden nicht veröffentlicht. Der Auftragnehmer teilte dem Presse- und Informationsamt Anfang November mit, daß die Auftragsabwicklung wegen des Einspruchs der Redaktion der Zeitschrift nicht möglich sei.
Anhaltspunkte für die ablehnende Entscheidung gibt ein in der November-Ausgabe veröffentlichter Leserbrief, der bemängelt, daß nicht zu erkennen gewesen sei, wer die Anzeige aufgegeben habe. Dabei ist festzustellen, daß der Auftrag lautete - ich darf zitieren -, jeweils eine Seite als Anzeige des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung zu veröffentlichen. Wenn der Auftragnehmer dennoch erklärte, den Auftrag nicht zu Ende führen zu können, so hat das Presse- und Informationsamt diese Entscheidung des Presseorgans zur Kenntnis genommen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Wie ist der gegenwärtige Stand der Verwirklichung des Briefwechsels vom 8. November 1972 über Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR einschließlich der der dazu abgegebenen Erklärungen zu Protokoll?
Frau Präsidentin, ich darf um Entschuldigung bitten, wenn die Antwort ein bißchen länger wird.
Herr Kollege, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Nach Inkrafttreten des Briefwechsels am 21. Dezember 1972 sind die beiderseitigen Delegationen zu sieben Gesprächrunden zusammengetreten. Dabei sind auf einzelnen Gebieten Fortschritte erzielt worden. Die Verwirklichung des Briefwechsels, der den Journalisten das Recht zur Ausübung des Berufs und zur freien Berichterstattung zusichert, ist jedoch noch nicht in vollem Umfange erreicht.
Zuerst zu den Arbeitsmöglichkeiten der DDR-Journalisten in der Bundesrepublik Deutschland: Die Arbeitsmöglichkeiten der ständig in Bonn tätigen DDR-Korrespondenten sind außer durch eigene Zurückhaltung durch nichts eingeschränkt. Diese Journalisten können ihren Beruf als Korrespondent ausüben wie jeder andere auch. Auch die Teilnahme an der Bundespressekonferenz wäre ihnen möglich, denn die Bundespressekonferenz e. V. stünde Anträgen auf Mitgliedschaft oder auf Erlangung des Gastrechtes positiv gegenüber. Nachdem sich die DDR-Korrespondenten am 30. Mai 1973 beim Presse-und Informationsamt der Bundesregierung angemeldet haben, wie dies bei ständigen Korrespondenten aus anderen Staaten üblich ist, erhielten sie von der Pressestelle des Deutschen Bundestages den Dauerausweis der Bonner Parlamentskorrespondenten. Wie Ihnen bekannt ist, hat der Verein der ausländischen Presse in der Bundesrepublik Deutschland e. V. unlängst seine Satzung geändert. Bis dahin war es nur Ausländern gestattet, Mitglieder dieses Vereins zu werden. Nach der Satzungsänderung vom 4. Dezember 1973 ist das Aufnahmekriterium nunmehr die Herkunft aus einem anderen Staat, nicht mehr eine ausländische Staatsangehörigkeit.
Nun zu den Arbeitsmöglichkeiten unserer Journalisten in der DDR: Seit Inkrafttreten des Briefwechsels haben insgesamt 35 Redaktionen von Presse, Funk und Fernsehen um eine Akkreditierung in der DDR nachgesucht; von ihnen erhielten inzwischen 13 Redaktionen eine Zusage. Da die DDR zwischen der Akkreditierung eines Organs und der Akkreditierung eines Korrespondenten unterscheidet, werden derzeit noch Gespräche zwischen Redaktionen und den zuständigen Stellen der DDR über die Akkreditierung von ständigen Korrespondenten geführt. Diese Gespräche sind unterschiedlich weit gediehen. In fünf Fällen haben sie zu dem gewünschten Ergebnis geführt; Korrespondenten der „Deutschen Presse-Agentur", der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", des „Vorwärts", des „Spiegel" und der „Westfälischen Rundschau" haben mittlerweile ihre Arbeit in Ost-Berlin aufgenommen. Die Bundesregierung rechnet damit, daß in Kürze weitere Redaktionen ihre Korrespondenten nach Ost-Berlin entsenden werden.
Unsere Delegation hat in den Gesprächen vor allen Dingen die näheren Einzelheiten zu klären gesucht, unter deren Voraussetzung unsere Journalisten Arbeitsmöglichkeiten in der DDR erhalten. Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, daß die Arbeitsmöglichkeiten der genannten fünf Korrespondenten noch nicht voll zufriedenstellend sind. Neben durchaus verständlichen Anfangsschwierigkeiten ist die Praxis teilweise auch von einer restriktiven Haltung der zuständigen DDR-Organe gekennzeichnet. Wir drängen auf Verbesserung.
Beide Delegationen haben sich auch gegenseitig darüber informiert, wie die beiden Staaten die Korrespondenten der jeweils anderen Seite besteuern, wie Angelegenheiten der Kranken- und der KfzHaftpflichtversicherung geregelt sind usw. Dies wären z. B. einige der Details, die sozusagen schon erledigt sind.
Was Reisekorrespondenten angeht, so muß man objektiv feststellen, daß es eine Reihe positiver Beispiele dafür gibt, daß die Behandlung einzelner AnParl. Staatssekretär Ravens
träge von solchen Reisekorrespondenten zügig vorgenommen wird und die Berichterstattung einwandfrei durchgeführt werden kann. Andererseits gibt es auch noch eine große Zahl von Fällen, in denen sich Unregelmäßigkeiten und Unüberschaubarkeiten für die Durchführung journalistischer Vorhaben bemerkbar machen. Die Bundesregierung wird auch in den weiteren Gesprächen auf der vollen Verwirklichung des Briefwechsels bestehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Jäger.
Herr Staatssekretär, gibt es seitens der DDR-Regierung eine zahlenmäßige Obergrenze für die Akkreditierung von Journalisten aus der !Bundesrepublik, und hält die Bundesregierung, falls das zutreffen sollte, eine derartige zahlenmäßige Begrenzung für vereinbar mit dem Briefwechsel zwischen den Staatssekretären Bahr und Kohl?
Es gibt keine zahlenmäßige Obergrenze. Deswegen entfällt der zweite Teil Ihrer Frage.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich die weitere Frage stellen, was die Bundesregierung tun wird, um angesichts der, wie sich aus Ihrem Bericht ergibt, außerordentlich schleppenden Behandlung der Anträge westdeutscher Redaktionen dafür einzutreten, daß endlich die volle Anwendung und strikte Einhaltung dieser Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und der DDR sichergestellt wird?
Das habe ich Ihnen dargestellt. Die Bundesregierung wird auch in den weiteren Verhandlungen darauf drängen, daß die Verfahren möglichst beschleunigt werden. Sie geht davon aus, daß nunmehr, nachdem die ersten Akkreditierungen ausgesprochen worden sind und sich die ersten Korrespondenten in der DDR befinden, das Verfahren auch beschleunigt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, welche möglichen Auswirkungen sehen Sie in bezug auf den Einspruch von Mitgliedern des Vereins der Auslandspresse gegen die Aufnahme von DDR-Journalisten in diesen Verein?
Herr Kollege Hansen, dies vermag ich von hier aus nicht zu beurteilen. Der Verein der Auslandspresse in Deutschland ist ein eingetragener Verein, der seine Vereinsinterna zunächst einmal allein klären muß. Die Bundesregierung hat sich bisher in das
Verhalten des Vereins der Auslandspresse nicht eingemischt, und sie möchte das auch in Zukunft nicht tun. Diese Aufgabe muß der Verein alleine lösen.
Eine Zusatzfrage des Hern Abgeordneten Dr. Klein.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung die derzeitige Handhabung der Vereinbarung vom 8. November vergangenen Jahres über den Journalistenaustausch für eine Erfüllung der Verträge nach Geist und Buchstaben, wie sie von der DDR ja verschiedentlich zugesichert wurde?
Ich habe eben gesagt, daß die Bundesregierung das jetzige Verfahren für noch nicht voll zufriedenstellend hält und daß wir auf Verbesserungen drängen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, rechnet die Bundesregierung damit, daß alle, die einen Antrag auf Zulassung journalistischer Arbeit in Ost-Berlin gestellt haben, diesen Antrag auch genehmigt bekommen?
Wir werden uns darum bemühen, daß alle die Genehmigung bekommen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Ich rufe Frage 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, und die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für Frage 98 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({1}).
Ich rufe die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Dr. Beermann auf. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 100 und 101 der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister sollen auf die Bitte der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Gelten die in der Erklärung der neun Regierungen der Europäischen Gemeinschaft am 13. Oktober 1973 vertretenen Prinzipien nur für die von Israel besetzten Gebiete oder sind sie in der Erkenntnis angesprochen worden, daß sie allgemein und für alle Völker beachtet werden müssen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, die Erklärung der neun Staaten der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Oktober 1973 enthält einen Aufruf an die Parteien des vierten Nahostkrieges zur Feuereinstellung. Sie spricht die Erwartung aus, daß eine Feuereinstellung den Weg zu wirksamen Verhandlungen in einem geeigneten Rahmen öffne, um eine Konfliktregelung entsprechend allen Bestimmungen der Sicherheitsratsentschließung Nr. 242 vom 22. November 1967 zu erreichen.
Vermutlich bezieht sich Ihre Frage jedoch auf die zweite Nahosterklärung der neun Staaten der Europäischen Gemeinschaft vom 6. November 1973. In Ziffer 3 nennt diese Erklärung vier Punkte, auf denen eine Friedensvereinbarung insbesondere beruhen sollte. Darin werden mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit des Gebietserwerbs durch Gewalt, auf die Verpflichtung zur Achtung der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit und der Unabhängigkeit eines jeden Staates sowie auf das Recht, innerhalb sicherer Grenzen zu leben, auch Prinzipien angesprochen, die allgemein gelten.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wenn ich davon ausgehe, daß ich in der Tat die letzte Nahosterklärung meine, möchte ich Sie fragen: Geht diese Erklärung der EG-Außenminister von dem Prinzip aus, daß das Recht der angestammten Bevölkerung zur Ausübung der Selbstbestimmung auf dem angestammten Heimatboden zu wahren ist?
Herr Abgeordneter, die Erklärung der Außenminister ist umfangreich und bedarf keiner zusätzlichen Interpretation. Es wird hier von den legitimen Rechten der dort wohnenden Menschen gesprochen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, entspricht die von Bundeskanzler Brandt vorgestern in Prag wieder verkündete Formel, wir Deutschen gäben im Zusammenhang mit den Ostverträgen nichts auf, was wir nicht schon vorher verloren hätten, den Prinzipien der Nahosterklärung, die Sie eben zitierten? Müßte nicht die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Partnern in der EG den Palästinensern nach dieser Logik vielmehr erklären, sie könnten in ihre Heimatgebiete nicht mehr zurückkehren oder diese selbst verwalten, weil sie diese bereits verloren hätten?
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Herr Abgeordneter, Sie haben eine zweite Frage, die dieses Thema anspricht. Aber ich unterstelle einmal - ich kenne im Augenblick
nicht genau den Text, den Sie hier zitiert haben -, daß der Bundeskanzler von der Tatsache ausgeht, daß das Deutsche Reich am 8. Mai 1945 die totale Kapitulation erklären mußte, weil die Führer, die damals seine Führer waren, es in diese Lage getrieben haben - mit allen Folgen, die für das deutsche Volk daraus entstanden sind.
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Eine Zusatzfrage, Herr Sperling, bitte schön!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß Volksgruppen, die angestammte Rechte haben, auf keinen Fall das Recht haben, gegeneinander Krieg zu führen?
Das Prinzip der Gewaltlosigkeit ist in jedem Fall zu wahren. Eine friedliche Entwicklung wird nicht dadurch eingeleitet, daß man die Vergangenheit möglicherweise tausend Jahre zurück gegeneinander aufrechnet und daraus Rechte etwa auf einen Krieg herleitet. Das ist ja das Problem, welches sich im Nahen Osten in anderer Form gestellt hat.
Deswegen hat die UNO mit Zustimmung aller in dem Krieg befindlichen Parteien diese Resolution gefaßt, auf die sich die neun Staaten beziehen. Die neun Staaten tun nichts anderes, als das zu verstärken, was die Betroffenen selbst aus zunehmender Einsicht getan haben.
Eine Frage des Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß diese Entschließung auf der zwingenden Völkerrechtsnorm beruht, daß eine unter Verletzung des Willens der betroffenen Bevölkerung vorgenommene Gebietsveränderung rechtswidrig ist und dem verletzten Staat ein Rückforderungsrecht gibt?
Herr Abgeordneter, ich habe schon auf meine Antwort auf die nächste Frage verwiesen, die hier zu geben ist. Wenn Sie allgemeine Völkerechtsgrundsätze zitieren, ist es natürlich nicht ganz einfach, in einer Fragestunde die gesamte deutsche und europäische Geschichte unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.
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Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Kann insbesondere „ein gerechter und dauerhafter Friede" nur im Falle der Palästinenser durch „Wahrung ihrer legitimen Rechte" erreicht werden, oder ist die Bundesregierung vielmehr der Überzeugung, daß auch die „legitimen Rechte" der aus ihrer angestammten Heimat vertriebenen Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Sudetendeutschen um eines „gerechten und dauerhaften Friedens" willen gewahrt werden müßten?
Herr Abgeordneter, es hat sich inzwischen die Überzeugung durchgesetzt, daß eine Friedensregelung im Nahen Osten, die von Bestand sein soll, auch das Problem der Palästinenser einbeziehen muß. Die in Ihrer Frage enthaltene Parallele kann so nicht gezogen werden. Weder ist die heutige Situation der deutschen Heimatvertriebenen mit der der Palästinenser vergleichbar noch können die ganz verschiedenen historischen Wurzeln der gegebenen Tatbestände zueinander in Beziehung gesetzt werden, ohne der Geschichte Gewalt antun zu wollen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, billigt die Bundesregierung den ursprünglich 15 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, dem Sudetenland und aus den Südostgebieten zu, daß auch sie ähnlich wie die Palästinenser über legitime Rechte verfügen, welche durch die Vertreibung, durch die Ermordung von nahezu 2 Millionen Menschen und durch die Enteignung eines Gesamtvermögens in Höhe von etwa 350 Milliarden DM verletzt worden sind?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat bei der Ratifikation der Ostverträge zu all diesen Fragen in ausführlicher Weise Stellung genommen. Sie hat diesen Stellungnahmen nichts hinzuzufügen.
Ich darf nur an einen Satz aus dieser Stellungnahme erinnern. Hier ist gesagt worden, daß diese Politik, die der Friedenssicherung in der Zukunft dienen sollte und die auf dem Prinzip des Verbots der Gewaltandrohung und der Anwendung von Gewalt beruht, nichts mit einer etwa nachträglichen Legitimierung von Unrecht, wo immer es geschehen sein sollte und von welcher Seite es ausgegangen sein sollte, zu tun hat.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, daß die legitimen Rechte der Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Sudetendeutschen dann gewahrt werden, wenn man das ihnen angetane Unrecht hinter die Mauer des Schweigens stellt, die deutschen Namen ihrer Heimatgebiete von den Landkarten streicht, oder ist sie nicht vielmehr genau wie im Falle der Palästinenser der Überzeugung, daß ein dauerhafter Frieden nur auf der Basis der Wiedergutmachung allen Unrechts möglich ist?
Herr Abgeordneter, ich wäre jetzt wieder gezwungen, eine sehr ausführliche Antwort zu geben. Von einer Schweigsamkeit in diesen Fragen kann ja wohl keine Rede sein, wenn wir sie öffentlich in diesem Parlament behandeln.
Wenn Sie in Europa anfangen wollen, jede Art von geschichtlicher Entwicklung neu aufzurechnen, dann allerdings, glaube ich, würde die nächste halbe Stunde dazu nicht ausreichen.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sperling.
Herr Staatssekretär, ist für die Verwirklichung von Rechten nicht die Voraussetzung, daß Frieden herrscht, und muß darum nicht die Friedenssicherung geradezu vorangetrieben werden, damit überhaupt Chancen bestehen, einmal Rechte in ihrem Kern überhaupt wirksam machen zu können?
Herr Abgeordneter, die in Ihrer Frage liegende Wertung wird sicher von niemandem bestritten. Ich möchte aber die Kollegen in diesem Hause doch auf folgenden Tatbestand aufmerksam machen: Der Unterschied zwischen dem 20. Jahrhundert, einschließlich der Erfahrungen, die wir im Jahre 1973 mit historischen Abläufen haben, und gewissen Zeiten des 19. und vor allem des 18. Jahrhunderts liegt darin, daß heute hoffentlich in diesem Hause niemand mehr einen Krieg mit dem Epitheton „gerecht" bezeichnen wird, weil es nur noch sinnlose Kriege gibt und keine gerechten Kriege mehr, wie sie einmal in der Geschichte geführt worden sind.
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Eine Frage der Frau Abgeordneten von Bothmer.
Herr Staatssekretär, ist nicht der Vergleich zwischen der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten und der der Palästinenser etwas an den Haaren herbeigezogen? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß diese Vertreibungen nicht unbedingt einander gleichgesetzt werden können, und ist es dann, wenn man schon den Vergleich zieht, nicht hier wie dort das Gegebene, eine friedliche Lösung zu suchen und nicht auf „legitimen" Rechten als solchen zu beharren, die, wenn sie als solche verfolgt werden, zu nichts anderem als zu neuen Kriegsverwicklungen führen können?
Frau Abgeordnete, ich habe auf den Tatbestand als solchen in der ersten Antwort auf die Fragen des Kollegen Dr. Becher verwiesen. Ich hoffe, es ist unbestritten, daß nur in einer friedlichen Entwicklung die Rechte der Menschen überhaupt gewahrt werden können, gleichgültig, welcher Minderheit sie jeweils angehören. Wenn aus gewissen Fragen der Eindruck entstanden sein sollte, daß irgend jemand in Europa die Rückkehr zu Nationalstaaten wünscht, die es in reiner Form niemals gegeben hat und niemals geben
konnte, würde dies den Anfang einer neuen Unglücksserie bedeuten.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, gewinnen Sie aus solchen Fragen, wie sie die Opposition stellt, nicht mit mir den Eindruck, daß die Opposition hier ihren Kampf gegen eine Entspannungs und Friedenspolitik der Bundesregierung mit anderen Mitteln weiterführt, trotz gegenteiliger verbaler Versicherungen, z. B. mit dem Mittel von krampfhaften, unzulässigen historischen Vergleichen?
Herr Abgeordneter, ich habe weder die Fragen der Opposition noch die der Vertreter der Regierungskoalition hier zu werten, aber ich werde mir erlauben, mir jeweils meine eigenen Gedanken zu machen, was natürlich von den Umständen abhängt.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die überwiegende Mehrheit
der Vertriebenen aus ihrem Schicksal andere Erkenntnisse und Konsequenzen gezogen hat, als sie offensichtlich im Bewußtsein des Abgeordneten Becher vorhanden sind, und daß die Vertriebenen durch ihr praktisches Verhalten konkrete Beiträge zu einer Verständigung der europäischen Völker leisten wollen?
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Herr Abgeordneter, ich kann die Frage nicht beantworten, weil ich in das Bewußtsein von Abgeordneten nicht eindringen darf.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, erfordert die eben debattierte Friedenssicherung nicht vorweg die Beachtung und die Verwirklichung der zwingenden Normen - der wenigen zwingenden Normen - des Völkerrechts in allen Fällen, die dadurch betroffen sind, nicht historischer Parallelen, sondern die Verwirklichung der zwingenden Normen des Völkerrechts auch in Vertreibungsfragen?
Herr Abgeordneter, so hätte es immer gewesen sein müssen, aber es war leider nicht immer so.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Geßner.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir zustimmen, daß es dem Ansehen der Heimatvertriebenen außerordentlich abträglich ist, wenn einer ihrer organisierten Sprecher die Heimatvertriebenen mit den Palästinensern auf eine Stufe stellt, die bekanntlich, zum Teil jedenfalls, die militärische Lösung anstreben?
Ich habe den letzten Teil der Frage nicht verstanden.
Herr Kollege, ich glaube, dieses erfordert eine Wertung durch den Herrn Staatssekretär, die nicht vorgesehen ist. Ich glaube, wir sollten ihm die Frage erlassen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Wieviel Tage dauert bei Hilfsmaßnahmen für politisch Verfolgte in Chile durchschnittlich das Verfahren deutscher Stellen vom Eingang des Asylgesuchs bei der deutschen Botschaft in Santiago über erste Sicherheitsüberprüfung durch den Beauftragten des Bundesinnenministeriums, Übermittlung der Sicherheitsüberprüfung an das Bundesinnenministerium nach Bonn, zweite Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesinnenministerium in Bonn, Übermittlung des Überprüfungsergebnisses nach Santiago, Anfertigung des Ausreisegesuchs bis Abgabe des Ausreisegesuchs bei der Militärjunta im Vergleich zu der Dauer des Entscheidungsverfahrens der Militärjunta, und in wie vielen konkreten Fällen hat das Entscheidungsverfahren der deutschen Behörden länger gedauert als das der chilenischen Stellen?
Herr Abgeordneter, das Verfahren deutscher Stellen aus Anlaß unserer Hilfsaktion für die in Chile politisch Verfolgten hat bisher vom Beginn der Befragung des Aufnahmebewerbers bis zum Eingang der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundesministers des Innern etwa zweieinhalb Wochen gedauert. Hierzu muß man noch einige Tage hinzuzählen, die von der Aufnahme des Verfolgten in der Botschaft bis zur Befragung durch die Vertreter der inneren Ressorts, die am 9. November 1973 in Santiago eintrafen, vergangen sind. Die für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen innerdeutschen Stellen werden sich bemühen, das Verfahren noch weiter abzukürzen.
Der Antrag auf Erteilung des Geleitscheins - also des Salvo-conducto - der chilenischen Regierung wird unmittelbar nach der Befragung des Schutzsuchenden gestellt. Bei den am 7. und 8. Dezember 1973 in der Bundesrepublik Deutschland eingetroffenen ersten Gruppen von insgesamt 62 Personen lag bei Abschluß des deutschen Entscheidungsverfahrens noch in keinem Fall der Geleitschein der chilenischen Regierung vor. Die ersten Geleitscheine gingen Anfang Dezember bei der Botschaft ein. Es sind keine Fälle bekannt, in denen das Entscheidungsverfahren der deutschen Behörden länger als das der chilenischen Behörden gedauert hätte.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die erste Namensliste des Auswärtigen Amtes an die Junta vom 15. November dieses Jahres stammt und, wenn ja, warum ist das so spät geschehen?
Das ist nicht richtig. Die erste wurde am 13. November übergeben. Die Antwort im einzelnen müßte ich jetzt einmal nachprüfen. Sie wissen ja, daß wir zunächst ein anderes Verfahren für die Ausreise hatten.
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- Die Übernahme in andere Botschaften nämlich, nicht direkt über uns. Ich bin gerne bereit, das schriftlich zu beantworten.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sperling!
Herr Staatssekretär, ist nicht die Sicherheit des Lebens der politischen Flüchtlinge stärker gefährdet als die Sicherheit einiger christdemokratischer Regierungen hier im Lande, so daß eine solche Menge von Sicherheitsüberprüfungen, wie sie zur Zeit vorgesehen werden, überflüssig sein müßte?
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Herr Abgeordneter, die Zeitdauer der Überprüfung ist kürzer, als es sonst, in anderen Fällen üblich ist.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung bereit war, der Republik Chile zur Zeit der Präsidentschaft von Herrn Allende eine erhebliche Menge von Weizen zu liefern, diese jedoch nicht geliefert wurde, weil die Regierung in Chile sich seinerzeit weigerte, in dem dafür erforderlichen Vertrag die Berlin-Klausel zu akzeptieren?
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet: nein.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, es hat auch keine Bemühungen oder Gespräche gegeben, und sei es auch nur auf der Ebene der Botschaft damals in Chile, die derartige Erkenntnisse, wie sie hier erfragt werden, zulassen?
Doch, das hat es gegeben. Deswegen hat es auch länger gedauert, bis wir ein Einvernehmen gefunden haben. Der Notenaustausch
hat am 1. August stattgefunden, also noch zu der Zeit der Regierung Allende, mit einer Berlin-Klausel, die uns befriedigt hat.
Keine weitere Zusatzfrage? - Doch. Bitte schön!
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir das mal zustellen könnten.
Ich kann Ihnen das auch ausführlich beantworten, Herr Abgeordneter, ich bin darauf vorbereitet; aber ich dachte, Sie kennten den Tatbestand ohnedies.
Ich wäre dankbar, wenn Sie es mir zuschickten; dann ist die Sache hier erledigt.
Ich bin gerne bereit.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die rückläufige Zahl der Aussiedler aus dem Bereich der Volksrepublik Polen im Jahr 1973, für das ein Monatsdurchschnitt unter 600 angesetzt werden muß, während es noch 1972 im Monatsdurchschnitt über 1000 und im Jahr 1971 im Monatsdurchschnitt über 2000 gewesen sind?
Der Rückgang der Umsiedlerzahlen, Herr Abgeordneter, beruht nach Auffassung der Bundesregierung darauf, daß die administrativen Erschwernisse zur Erteilung der Ausreisegenehmigungen, die, wie ich hier schon wiederholt ausgeführt habe, seit Herbst 1971 bestehen, bisher nicht beseitigt wurden. Diese Erschwernisse bestehen vor allem in den Wojewodschaften Oppeln, Kattowitz und Allenstein, in denen der überwiegende Teil der Ausreisebewerber wohnt. Allerdings erwarten wir auf Grund der jüngsten deutsch-polnischen Gespräche, daß sich diese Situation jetzt ändern wird, und zwar zugunsten der Umsiedlungswilligen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, zeigt nicht dieser Stau im .Jahre 1973 auffallende Parallelen zu dem Stau im Jahre 1970, als über den Warschauer Vertrag verhandelt wurde und die polnische Regierung die Aussiedler offenbar als Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen zurückhalten wollte?
Herr Abgeordneter, es ist nicht möglich, Wertungen oder eine Motivforschung
dieser Art vorzunehmen. Ich habe hier die Zahlenvergleiche seit 1950. Dabei fällt auf, daß die Zahlen immer sehr unterschiedlich waren.
Vielleicht können Sie diesen Zahlen entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die niedrigste Zahl seit langem im Jahre 1970 mit 5600 Aussiedlern und die zweitniedrigste Zahl ausgerechnet 1973 zu verzeichnen ist.
Das ist jetzt noch nicht abschließend zu bewerten. Im Jahre 1968 z. B. war die Zahl außerordentlich niedrig. Ich habe bereits gesagt, daß für das Jahr 1974 eine präzise polnische Zusage vorliegt. Sie haben sie der Presse entnommen; ich glaube, ich brauche sie nicht zu wiederholen. Der polnische Außenminister hat dazu eine Erklärung abgegeben.
Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 108 der Abgeordneten Frau von Bothmer auf:
Welche Haltung nehmen die Beauftragten der Bundesregierung bei den vorbereitenden Gesprächen zur Genfer Konvention 1974 in der Frage des Verbots von Napalm als Kampfwaffe ein, und treffen Hinweise zu, denen zufolge Bestrebungen insbesondere skandinavischer Regierungen zur Achtung von Napalm auf den Widerstand bestimmter Regierungen stoßen?
Frau Abgeordnete, vom 20. Februar bis 29. März 1974 wird in Genf die Staatenkonferenz über Neubestätigung und Weiterentwicklung des in bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts stattfinden. Auf dieser Konferenz wird auch ein Verbot solcher Waffen erörtert werden, die unnötige Leiden verursachen oder unterschiedslos neben militärischen Zielen auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in einer vor kurzem gefaßten Resolution, die vor allem auf die Initiative Schwedens zurückging, vorgeschlagen, daß die Konferenz in diesem Zusammenhang auch die Frage untersucht, wie die Anwendung von Napalm- und anderen Brandwaffen durch völkerechtliche Regeln verboten oder eingeschränkt werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieser Resolution zugestimmt. Die Bundesregierung beabsichtigt konstruktiv zur Lösung der hier angesprochenen Probleme beizutragen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage darf ich bemerken, daß sich eine Reihe von Staaten in den Vereinten Nationen bei der Abstimmung über die erwähnte Resolution der Stimme enthalten haben, da sie eine Behandlung der angeschnittenen Fragen durch die Staatenkonferenz nicht für sinnvoll halten.
Eine Zusatzfrage.
Ist mein Eindruck richtig, daß sich die Vertreter der Supermächte gegen eine zügige Behandlung dieses Themas sträuben, und welchen Grund könnte man dafür anführen?
Frau Abgeordnete, Ihr Eindruck ist insofern zutreffend, als es sich um 18 Staaten handelt, die sich der Stimme enthalten haben. Es war keine Widerrede, sondern, wie gesagt, eine Stimmenthaltung. Darunter befinden sich Staaten unterschiedlicher Größenordnung und unterschiedlicher Einflußmöglichkeit, und zwar einige Mitglieder der NATO sowie alle Staaten des Warschauer Paktes mit Ausnahme Rumäniens. Zu den NATO-Mitgliedern gehören Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA.
Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 109 der Abgeordneten Frau von Bothmer auf:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die südafrikanische Regierung Bürgern der Bundesrepublik Deutschland die Einreise nach Namibia verweigert hat, und um welche Personen hat es sich gegebenenfalls dabei gehandelt?
Frau Abgeordnete, der Bundesregierung sind solche Fälle bekanntgeworden. Es handelt sich um Angehörige der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen, die auch in Namibia/Südwestafrika tätig ist. Besuchervisa wurden bisher den Pastoren Groth und Menzel verweigert. Ein Antrag auf einen Wiedereinreisesichtvermerk wurde dem theologischen Dozenten Eichholz abschlägig beschieden. Auch Erstausreisende in die Missionsarbeit sind von der Ablehnung von Sichtvermerken betroffen worden. Es handelt sich um mindestens drei Fälle.
Die Bundesregierung bedauert diese Erschwerung der Arbeit der Vereinigten Evangelischen Mission.
Eine Zusatzfrage?
Hat die Bundesregierung irgendwelche Schritte eingeleitet, um der südafrikanischen Regierung deutlich zu machen, daß man einer Behinderung der Mission auf internationalem Gebiet zumindest entgegenwirken könnte?
Die Bundesregierung hat diese Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit und, wie ich schon sagte, mit Bedauern beobachtet. Sie hat jedoch in der Sache wenig Einwirkungsmöglichkeiten auf die Behörden, welche Sichtvermerke für Namibia/Südwestafrika erteilen. Wie Ihnen bekannt ist, haben wir anläßlich unseres Beitritts zu den Vereinten Nationen erklärt, daß sich die Bundesregierung der überwiegenden Mehrheit der Staatengemeinschaft anschließt, wonach die weitere Anwesenheit von Südafrika auf dem Territorium von Namibia/Südwestafrika völkerrechtlich keine Rechtsgrundlage mehr hat.
Wir haben in den vorerwähnten Fällen südafrikanische Stellen von unserer Verwunderung über diese Maßnahmen in Kenntnis gesetzt und auf ihre Beseitigung hingewirkt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie wertet die Bundesregierung andererseits die Tatsache, daß südafrikanische Bürger, z. B. Mitglieder der South-Africa Foundation, mit der gezielten Absicht in die Bundesrepublik einreisen, Propaganda für die Apartheid-Politik ihrer Regierung zu machen?
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung ist von jeher, was die Freiheit der Meinungsäußerung ausländischer Staatsbürger nach allen Seiten hin angeht, großzügig. Ich hatte diese Woche ein Gespräch mit einem Vertreter südafrikanischer Politik, der sicherlich nicht zu der Gruppe gehört, die Sie eben genannt haben, und der sich in meinem Heimatwahlkreis durchaus öffentlich und, wie ich meine, sehr seriös geäußert hat. Ich glaube nicht, daß es irgend jemandem helfen würde, wenn wir restriktive Maßnahmen einer Regierung mit entsprechend restriktiven Maßnahmen beantworteten, solange nicht die Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar getroffen sind, d. h. solange hier nicht zur Gewalt oder Anwendung von Gewalt aufgerufen wird. An diesem Punkt wäre allerdings die Grenze unserer Toleranz sicherlich erreicht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Bemerkung über die Großzügigkeit der Bundesregierung in bezug auf die freie Meinungsäußerung ausländischer Staatsbürger entnehmen, daß Sie auch hinsichtlich der Einreise von Mandel zu neuen Erkenntnissen kommen werden?
Ich habe auf diesem Gebiet keine Erkenntnisse und somit auch keine neuen Erkenntnisse zu sammeln. Ich möchte Sie, Herr Abgeordneter, bitten, darauf zu achten, daß die Begründung für eine Einreiseverweigerung unter anderem darin liegt, daß manche Einreiseersuchende keineswegs Abstand davon nehmen, Gewalt zu predigen oder Gewaltanwendung zu verlangen oder - wie in diesem Fall - eine bestimmte Ideologie zu vertreten. Ich glaube, das muß man sich deutlich vor Augen führen.
Jeder, der die Einreise verweigert bekommt, hat im übrigen die Gelegenheit, hier eventuell entsprechende gerichtliche Schritte zu unternehmen. Es liegen auch ganz eindeutige Gerichtsurteile vor. Ich habe mich hier in der Antwort auf die Frage der Frau Kollegin von Bothmer auf unser Ausländerrecht bezogen. Der Kollege Beermann hatte eine entsprechende Frage gestellt - deswegen bin ich darüber gut informiert; das will ich gerne zugeben -; er ist leider nicht hier gewesen. Sonst hätte ich Ihnen hier gern vorgetragen, wie es in der Schweiz aussieht; die Schweiz werden Sie ja sicher als demokratischen Staat ansehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen dann zu Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Holtz. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage 110 ebenso wie die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dr. Holtz schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch!
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Welche Überlegungen stellt die Bundesregierung im Hinblick darauf an, daß im Zuge der allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h bzw. 100 km/h und zur Einschränkung des Benzinverbrauchs eine Benutzung kleinerer Kraftfahrzeuge dadurch gefördert werden könnte, daß eine entsprechende Gestaltung des Kraftfahrzeugsteuertarifs die Benutzung solcher Kraftfahrzeuge begünstigt, die in Leistung und Benzinverbrauch auch den energiepolitischen Intentionen der Bundesregierung entgegenkommen?
Herr Kollege Sperling, Ihnen ist sicherlich bekannt, daß die bestehende Kraftfahrzeugsteuer bereits so gestaltet ist, daß solche Kraftfahrzeuge geringer besteuert werden, die wenig Benzin verbrauchen. Auch die von der Bundesregierung vorgeschlagene neue Kraftfahrzeugsteuer ist so konstruiert, daß die Wagen mit dem geringsten Benzinverbrauch in der niedrigsten Steuerklasse sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, unterscheidet sich das geltende Kraftfahrzeugsteuerrecht von dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen neuen Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht dadurch vorteilhaft, daß die Wagen mit dem niedrigsten Benzinverbrauch bei dem geltenden Recht günstiger wegkommen als bei dem vorgeschlagenen neuen Recht?
Dies ist nur zum Teil so. Wir brauchten keine Kraftfahrzeugsteuerreform vorzulegen, wenn die Schlußfolgerung, die Sie ziehen, richtig wäre. Im übrigen halte ich es, Herr Kollege Sperling, jetzt nicht für angebracht, hier über die Kraftfahrzeugsteuerreform zu reden, zumal die Reformvorlage, in der die Auffassung der Regierung dargelegt ist, dem Parlament vorliegt. Sie haben also in der Debatte hier im Parlament und im Ausschuß Gelegenheit, Ihre Auffassung darzulegen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie meine Meinung entgegennehmen, daß ich es für durchaus ehrenhaft halte, wenn die Bundesregie4412
rung angesichts neuer Umstände noch einmal nachdenkt und möglicherweise zu neuen Folgerungen kommt?
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Ich nehme Ihre Meinung gern entgegen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei ihren Überlegungen über die Milderung der Folgen der Heizölpreisverteuerungen zu prüfen, ob die Mehrkosten für Heizöl, die einen bestimmten Durchschnittspreis je Liter übersteigen, als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen sind?
Herr Abgeordneter, der Deutsche Bundestag hat in dieser Woche ein Gesetz über die Gewährung eines einmaligen Heizkostenzuschusses beraten. Mit diesem Gesetz soll Bürgern mit niedrigem Einkommen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Dieser Weg erscheint der Bundesregierung als der sozial wirksamste. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, darüber hinaus Mehrkosten für Heizöl, die einen bestimmten Durchschnittspreis übersteigen, als außergewöhnliche Belastung nach j 33 des Einkommensteuergesetzes zu berücksichtigen.
Zusatzfrage.
Sind Sie nicht auch der Meinung, daß trotz dieser Auffassung für viele Familien, deren Verhältnisse oberhalb der Grenze des jetzt behandelten Gesetzes liegen, eine zusätzliche, und zwar außergewöhnliche Belastung nach den Kriterien des Einkommensteuergesetzes vorliegt?
Nicht nach den Kriterien des Einkommensteuergesetzes! Aber daß eine außergewöhnliche Belastung vorliegt, wird nicht bestritten. Deshalb haben wir ja den entsprechenden Gesetzentwurf hier eingebracht.
Zusatzfrage.
Ich darf vielleicht einmal die Kriterien ansprechen. Meinen Sie nicht auch, daß sich nur ein Teil der Haushalte Heizöl beschaffen konnte, daß die Beschaffung aber jetzt zwangsläufig war, weil der Winter vor der Tür steht, und daß die Belastung auch deswegen außergewöhnlich ist, weil kein Steuerbürger damit rechnen konnte, daß er den Brennstoff im Herbst nicht mehr zu den vorherigen Preisen erwerben kann?
Herr Kollege Niegel, ich habe nicht bestritten und bestreite auch nicht, daß hier
eine stärkere Belastung eingetreten ist. Deshalb hat die Bundesregierung gehandelt und den heute im Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf vorgelegt, gerade um außergewöhnliche Belastungen zu verhindern oder rückgängig zu machen.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Von welchen jährlichen Verbrauchsmengen jeweils gesondert für leichtes und schweres Heizöl, Benzin und Dieselkraftstoff ist bei der Berechnung der Umsatzsteuermehreinnahmen von insgesamt 60 Millionen DM bezogen auf 1 Pf/Ltr. Preisanhebung, auszugehen, und wie verteilen sich die 60 Millionen DM Umsatzsteuermehreinnahmen auf die einzelnen Produkte?
Herr Abgeordneter, bei der Berechnung der Umsatzsteuermehreinnahmen aus dem Mineralölverbrauch wurde der Endverbrauch für 1972 zugrunde gelegt. Der Mineralölverbrauch in der gewerblichen Wirtschaft ist in der Berechnung nicht enthalten, weil die Mehrwertsteuer für diese Produkte als Vorsteuer absetzbar ist. Aus diesem Grund ist auch das schwere Heizöl, das fast ausschließlich in der gewerblichen Wirtschaft verwendet wird, nicht in die Berechnung einbezogen worden.
Der Endverbrauch betrug bei leichtem Heizöl 43,6 Milliarden Liter, bei Benzin 17,2 Milliarden Liter, bei Dieselkraftstoff 0,6 Milliarden Liter.
Eine Preisanhebung um 1 Pf pro Liter würde demnach rein rechnerisch folgende Umsatzsteuermehreinnahmen erbringen: leichtes Heizöl 43,3 Millionen DM, Benzin 17,0 Millionen DM, Dieselkraftstoff 0,6 Millionen DM. Diese Beträge ergeben zusammen die Ihnen bereits genannten rund 60 Millionen DM.
Zusatzfrage.
von Alten-Nordheim ({0}) : Herr Staatssekretär, wenn 1 Pf Preisanhebung je Liter 60 Millionen DM Mehrwertsteuermehreinnahmen erbringt, stimmt es dann, daß - wenigstens rein rechnerisch - 9 Pf Mineralölsteuererhöhung, die Erhöhungen von 1972 und 1973, 540 Millionen DM ausmachen?
Ich kann das im Augenblick nicht übersehen. Aber ich nehme an, daß es stimmt.
Zweite Zusatzfrage.
von Alten-Nordheim ({0}) : Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß sich die genannten Mengen auf das Jahr 1972 beziehen. Sind Sie der Ansicht, daß 1973, zumindest in den ersten elf Monaten, noch eine Steigerung zu verzeichnen ist?
Das ist durchaus möglich.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Worauf gründet sich die Annahme, daß durch die Preissteigerungen und auch durch die beiden Mineralölsteuererhöhungen bei leichtem und schweren Heizöl sowie Benzin und Dieselkraft-stuff „sich tatsächlich keine zusätzlichen Umsatzsteuermehreinnahmen ergeben werden", und bei welchen anderen Verbrauchsgütern sollen „zwangsläufig Minderausgaben" entstehen?
Herr Abgeordneter, die Tatsache, daß Mehrausgaben für Mineralölprodukte zwangsläufig Minderausgaben bei anderen Verbrauchsgütern gegenüberstehen, gründet sich bei mir auf folgende Überlegung.
Unter der Vorauassetzung, daß eine bestimmte Summe für Verbrauchsausgaben zur Verfügung steht, bewirken Mehrausgaben für ein Produkt finanzielle Einschränkungen bei anderen Produkten. Insgesamt wird aber immer ein gleich hoher Betrag ausgegeben, so daß sich die Grundlage für die Umsatzsteuerberechnung nicht ändert. Bei welchen anderen Gütern sich der Verbraucher einschränkt, wird individuell sehr verschieden sein und von den Lebensgewohnheiten und -bedürfnissen des einzelnen abhängen.
Ein höheres Umsatzsteueraufkommen würde sich im wesentlichen nur dann ergeben, wenn der Verbraucher die Mehrausgaben für ein Produkt aus Spargeldern finanziert, statt sich bei anderen Produkten einzuschränken.
Zusatzfrage.
von Alten-Nordheim ({0}): Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir nicht zu, daß dies eine sehr hypothetische Annahme ist und daß diese Annahme für die ersten elf Monate dieses Jahres sicher nicht zutrifft?
Ich würde nicht sagen, daß das eine hypothetische Annahme ist, sondern daß es im Normalfall so sein wird. Nach dem erwarteten Konjunkturverlauf kann jedenfalls heute nicht mit einem höheren Umsatzsteueraufkommen gerechnet werden.
Zweite Zusatzfrage.
von Alten-Nordheim ({0}) : Herr Staatssekretär, bestehen bei der Bundesregierung Überlegungen, diese ungewöhnlichen Steuergewinne weiteren besonderen Hilfen und gezielten Maßnahmen zuzuführen und, wenn ja, welchen, und bekommt schließlich die Bundesregierung nicht ein ungutes Gefühl, wenn sie aus einer so außerordentlichen Krisensituation derartig ungeheure Einnahmen erzielt?
Herr Abgeordneter, das ist eine falsche Betrachtungsweise. Es ist durchaus möglich, daß die Mehrwertsteuer in bestimmten Punkten steigt. Aber es gibt auch keinen Zweifel, daß bei einem Rückgang in der Wirtschaft die Steuereinnahmen generell, und zwar sehr wesentlich, sinken werden, so daß sich das Ganze wieder aufhebt. Wir haben ja von Ihnen eine Reihe von Anträgen vorliegen, die auch mit einem Mehr an Umsatzsteuer nicht zu finanzieren wären.
Keine weitere Zusatzfrage.
Nunmehr rufe ich die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch das Inkrafttreten des neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts zum 1. Januar 1974, wonach der Grundbesitz mit 140 % der neuen Einheitswerte ({0}) bewertet wird, bei den Notaren ein bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu bewältigender Arbeitsanfall durch Beurkundung von Erbschaft- und Schenkungsverträgen eingetreten ist, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, in den Fällen, in denen Verträge wegen der Arbeitsüberlastung der Notare vor dem 1. Januar 1974 nicht mehr beurkundet werden können, eine Nachfrist zu gewähren?
Herr Abgeordneter, nach § 35 des vom Bundestag beschlossenen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ist das neue Recht auf schenkungsweise ausgeführte Zuwendungen nach dem 31. Dezember 1973 anzuwenden. Die Bundesregierung sieht bei dem eindeutigen Gesetzeswortlaut keine Möglichkeit, die Anwendung des Erbschaftsteuerreformgesetzes, dessen Aufkommen und Verwaltung im übrigen allein bei den Ländern liegt, hinauszuschieben.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung bereits in den Eckwertbeschlüssen zur Steuerreform vom 11. Juni 1971 erklärt hat, daß sie den Gesetzgebungsorganen vorschlagen werde, ab 1. Januar 1974 die gegenwärtige Unterbewertung des Grundbesitzes mit den längst überholten Einheitswerten 1935 durch den Ansatz der Einheitswerte 1964, beim Grundvermögen mit einem Zuschlag von 40 v. H., abzulösen. Diese Regelungen sind im Zweiten Steuerreformgesetz enthalten, das die Bundesregierung bereits im März 1972 dem Bundesrat zugeleitet hat, über das seit Mai dieses Jahres im Bundestag beraten und jetzt beschlossen wurde.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gilt Ihre Antwort auch angesichts der Tatsache, daß die Notare selber erhebliche Regreßansprüche gegen sich befürchten, weil sie einfach keine Termine mehr bis zum Jahresende geben können?
Sie gilt auch für diesen Fall.
Herr Staatssekretär, wäre es möglich gewesen, von seiten der Bundesregierung in der Öffentlichkeit noch deutlicher auf diesen Termin hinzuweisen?
Vielleicht wäre das möglich
gewesen. Nur, wir haben mit einer solchen Reaktion von Grundstückseigentümern, die außerdem noch vielfach unter der falschen Annahme erfolgte, die Steuerbelastung würde sich in jedem Fall erhöhen, nicht rechnen können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weber.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Verabschiedung des Zweiten Steuerreformgesetzes gerade in diesem Punkte die Versäumnisse der Opposition in früheren Zeiten aufgedeckt hat, diese Steuergesetze in einem gerechten Sinne zu einem Ziel zu führen?
Das hatte ich als bekannt vorausgesetzt, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Wird zur Wahrung der Schutzpflicht für die Grundrechte der Deutschen der Wert des Eigentums der Aussiedler aus den OderNeiße-Gebieten, das sie ohne Gegenleistung dein polnischen Staat übereignen müssen, besonders erfaßt, nachdem die Aussiedler - zum Unterschied zu der rechtswidrigen Konfiskation des Eigentums der Deutschen während der Massenvertreibung unmittelbar nach dem Kriege - nunmehr noch selbst entschädigungslos ihr Eigentum dem polnischen Staat zedieren und dafür auch noch die Kosten bezahlen müssen, und wenn ja, wie hoch ist der Wert des bisher von den deutschen Aussiedlern unter solchem Zwang dem polnischen Staat übereigneten Eigentums, und wie hoch ist die Gesamtsumme der diesem Personenkreis entstandenen Kosten für die Übereignungsformalitäten?
Herr Abgeordneter, Aussiedler, die im Zusammenhang mit der Aussiedlung ihre Vermögenswerte entschädigungslos übereignen müssen, erhalten in gleicher Weise wie alle Vertriebenen aus den Vertreibungsgebieten hierfür Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz. Alle Anträge auf Schadensfeststellung werden beim Bundesausgleichsamt statistisch erfaßt.
Eine getrennte Erfassung der Schäden der Aussiedler erfolgt jedoch nicht, weil Aussiedler Vertriebene im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes sind und Unterschiede bei der Entschädigung nicht gemacht werden. Der Gesamtwert des von den Aussiedlern übereigneten Vermögens kann deshalb nicht beziffert werden.
Die Kosten, die den Aussiedlern im Zusammenhang mit der Übereignung ihres Vermögens entstehen, werden nach den „Richtlinien des Bundesministers des Innern über die Verrechnungsfähigkeit der Kosten der Rückführung" in der Neufassung vom 1. Oktober 1973 bis zu einem Betrag von insgesamt 100 DM je Familiengemeinschaft erstattet. Da diese Leistungen nicht vom Bund, sondern von den Flüchtlingsbehörden der Länder gewährt werden, liegen dem Bund keine zusammenfassenden Statistiken über die den Aussiedlern durch die Übereignung entstandenen Kosten und die ihnen hierfür gewährten Leistungen vor.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht doch bestätigen, daß die Rechtsposition gegenüber dem polnischen Staat bei denjenigen Vertriebenen, die nicht haben verzichten müssen, weil sie schon in den Jahren 1945 und 1946 geflohen waren, anders ist als bei denjenigen, die gezwungen wurden, einen Rechtsverzicht auf ihr Eigentum auszusprechen, und daß es für diesen betroffenen Personenkreis in irgendeinem von uns nicht zu übersehenden Zeitpunkt von Bedeutung sein könnte, daß diese ihre unterschiedliche Rechtsposition und ihre unterschiedliche materielle Forderungssituation gegenüber dem polnischen Staat festgehalten wird?
Ich bin mir nicht ganz sicher, wo Sie mit Ihrer Frage genau hinwollen. Sicher gibt es Unterschiede in den Rechtspositionen. Dies bestreite ich überhaupt nicht. Aber in der Entschädigungsposition werden beide gleich behandelt. Deshalb sehe ich nicht ganz, wohin Sie mit dieser Frage wollen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, durch das Lastenausgleichsgesetz erfolgt ja keine Entschädigung für das Eigentum, sondern nur eine Entschädigung für den Nutzungsverlust. Das Eigentum ist doch allein eine individuelle Position der Betroffenen gegenüber irgendeinen Partner, sei es der polnische Staat, sei es später eine andere Staatengemeinschaft oder wer auch immer. Hier entsteht doch eine unterschiedliche Rechtsposition der einzelnen Individuen, die meines Erachtens auch festgehalten werden muß.
Ich muß Ihnen sagen, daß ich kein ausgesprochener Entschädigungsexperte bin und mich deshalb hier so sachkundig, wie Sie das gern möchten, wahrscheinlich nicht äußern kann. Ich bin gern bereit, diesen Punkt noch einmal zu überprüfen und Ihnen dann eventuell eine Nachricht zukommen zu lassen, falls Sie dies wünschen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht angebracht, daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit darüber aufklärt, in welcher Weise sie jetzt nachträglich noch Entschädigungsleistungen aufbringen muß, nur weil die Aussiedler ihr Eigentum daheim übergeben müssen, ohne daß sie einen Gegenwert dafür erhalten?
Ich kann nicht übersehen, inwieweit der zuständige Minister - das ist der BunParl. Staatssekretär Hermsdorf
desminister des Innern - bereits mit dieser Aufklärungsarbeit beschäftigt ist. Ich würde Sie bitten, daß Sie diese Frage an den zuständigen Minister richten.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, würden Sie bei der zugesagten Prüfung freundlicherweise auch überprüfen lassen, ob unter Beachtung der Präambel zum Lastenausgleichsgesetz behauptet werden kann, daß die Schutzpflicht nach Art. 14 des Grundgesetzes, die das Bundesverfassungsgericht für alle deutschen Staatsangehörigen verbindlich festgestellt hat, erfüllt ist oder ob nicht zur Erfüllung dieser Schutzpflicht weitere Schritte als die im Lastenausgleichsgesetz enthaltenen und in der Präambel bezüglich der Entschädigung festgelegten notwendig sind?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die Bundesregierung, die das Lastenausgleichsgesetz seinerzeit erarbeitet 'hat, hier ein Versäumnis hat zuschulden kommen lassen. Aber ich werde auch das gern nachprüfen, falls Sie dies wünschen.
Keine Zusatzfrage. - Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Spitzmüller auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Frage zu prüfen, ob angesichts der kritischer werdenden Energieversorgung die Einführung einer uni eine Stunde versetzten „Sommerzeit" in der Bundesrepublik Deutschland und den übrigen Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft sinnvoll erscheint und deshalb Untersuchungen sofort in Angriff genommen werden sollen, um eventuell schon eine Umstellung für den Sommer 1974 zu ermöglichen?
Diese Bereitschaft, Herr Kollege, besteht sowohl bei der Bundesregierung wie bei den Partnerstaaten der Gemeinschaft. Einige Länder der Gemeinschaft haben die Sommerzeit bereits wieder eingeführt, Italien 1966. Das Ziel ist u. a., den Stromverbrauch für die Beleuchtung zu verringern sowie Erleichterung und höhere Sicherheit für den Straßenverkehr zu schaffen.
Um die zweimal jährlich auftretenden Umstellungsprobleme zu vermeiden, aber auch, um die Einsparungsergebnisse zu erhöhen, erwägen Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und Spanien sogar, die „Sommerzeit" für das ganze Jahr einzuführen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß in der EG die Verhandlungen dahin gedeihen, daß man, wenn man im Sommer 1974 durch die EG-Staaten fährt, nicht ständig die Uhr vor- und zurückstellen muß, sondern daß wir zu einer einheitlichen Zeit kommen?
Das wird ,das Ziel der Verhandlungen sein, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, biegen Ihnen Angaben darüber vor, wie groß die Energieeinsparung für den Fall ,der Einführung der Sommerzeit wäre?
Das wird Gegenstand meiner Antwort auf die zweite Frage des Herrn Kollegen Spitzmüller sein.
Ich rufe dann die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Spitzmüller auf:
Verfügt die Bundesregierung über Untersuchungsergebnisse oder Schätzungen, die Auskunft geben über die dadurch eintretende Energieeinsparung vor allem im Bereich der elektrischen Energieversorgung?
Nach ersten Abschätzungen können in der Bundesrepublik Deutschland durch Einführung der Sommerzeit in den Monaten April bis September für Beleuchtungszwecke rund 300 Millionen Kilowattstunden - das sind etwa 100 000 t Steinkohleneinheiten - oder 0,1 bis 0,2 % des gesamten Strombedarfs eingespart werden. Von dieser Menge entfällt etwa die Hälfte auf den Monat September.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in der Beantwortung der vorigen Frage davon sprachen, daß die anderen europäischen Staaten die Einführung einer generellen Sommerzeit, wie wir sie schon einmal in Kriegszeiten hatten, erwägen, frage ich: Wie groß wäre die Einsparung an Energie für die Monate Oktober bis April, also für die Winterzeit, in der dann auch „Sommerzeit" herrschen würde?
Herr Kollege, ich bin leider nicht in der Lage, Ihnen diese Zahlen zu liefern. Aber ich werde das gerne nachprüfen lassen und Ihnen Ihre Frage schriftlich beantworten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dürr auf:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, wenn zahlreiche Vermieter in den vergangenen Wochen von Mietern unter Hinweis auf gestiegene Heizölpreise eine Erhöhung der Vorauszahlungen für Heizungskosten verlangen, die oft um etwa 100 % über den bisher zu leistenden Vorschußzahlungen liegen, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls Möglichkeiten, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen sicherzustellen, daß überhöhte Zahlungen nicht verlangt werden?
Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich auf die mietrechtliche Situation eingehen. Nach der geltenden Rechtslage kann der Vermieter von Wohnraum, soweit keine abweichenden vertraglichen Abmachungen bestehen, bei gestiegenen Heizölpreisen die erhöhten Kosten auf den Mieter umlegen. Dabei sind auch erhöhte Vorauszahlungen auf den voraussichtlichen Umlegungsbetrag zulässig. Die Vorschußzahlungen dienen auch dem wohlverstandenen Interesse des Mieters, der am Ende der Heizperiode nicht mit umfangreichen Nachzahlungen belastet werden soll. Die rechtliche Sicherung des Mieters vor überhöhten Forderungen besteht darin, daß Heizkostenerhöhungen grundsätzlich genau begründet, berechnet und in einer Schlußabrechnung nachgewiesen werden müssen. Ein Höchstbetrag für die Umlage ist nicht festgesetzt. Dies empfiehlt sich auch nicht, da dann nachteilige Auswirkungen für die Instandhaltung, Modernisierung und langfristig auch für den Bau von Mietwohnungen möglich wären.
Mit dem letzten Satz bin ich gleichzeitig auf den zweiten Teil Ihrer Frage eingegangen. Ich will hierzu noch auf die Erleichterungen für die Bezieher von Heizöl in bestimmten Einkommensgruppen hinweisen, die wir heute hier verabschiedet haben. Die Erhöhung der Heizölkostenumlage wird einer der Tatbestände sein, an denen die Zahlung des Heizölkostenzuschusses für die Beheizung von Wohnraum mit leichtem Heizöl anknüpft. So wird mit diesem Gesetz, das wir heute hier in dritter Lesung verabschiedet haben, ein Ausgleich für einen großen Teil der Mitbürger geschaffen werden, um deren Situation es Ihnen bei der Frage ging.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, den Städten und Gemeinden Empfehlungen zu geben, wie sich in diesen konkreten Fällen die von möglicherweise ungerechtfertigten Heizkostenforderungen betroffenen Mieter einerseits und städtische Ämter andererseits, die Kontrollmöglichkeiten haben, am zweckmäßigsten verhalten sollen?
Herr Kollege, diese Möglichkeit besteht auf dem Wege über eine Empfehlung an die Länder, mit denen wir ja in diesen Fragen in einem sehr engen und ständigen Kontakt stehen. Ich werde diese Anregung gern aufgreifen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten, daß sich durch das Fahrverbot an Sonntagen und die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h bzw. 100 km/h die Zahl der Unfälle erheblich vermindern wird, und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Weitergabe der damit eintretenden Kostensenkung von den Versicherungsgesellschaften an die Kraftfahrzeugbesitzer zu gewährleisten?
Ich habe bereits in meiner Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Hoffie am 28. November 1973 erklärt, daß sich die tatsächlichen Auswirkungen des Sonntagsfahrverbots und der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf die Schadenshäufigkeit und auf die Schadensaufwendungen erst in einiger Zeit werden überblicken lassen. Wir werden diese Entwicklung jedoch sehr sorgfältig beobachten.
Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß die Versicherungsunternehmen bereits nach der geltenden Rechtslage gehalten sind, technische Überschüsse der Kraftfahrtversicherung den Versicherungsnehmern nach bestimmten Modalitäten auszuschütten. Ich füge hinzu, daß wir zu gegebener Zeit Verhandlungen mit den Versicherungsunternehmen darüber führen werden, welche Konsequenzen zugunsten der Versicherungsnehmer gezogen werden können, wenn sich eine nachhaltige Verbesserung des Schadensverlaufs herausgestellt hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ihre möglichen Vorhaben in diesem Zusammenhang sehr bald beschließen und bekanntgeben, damit auch die Versicherungsgesellschaften schneller rechnen können und von daher statt einer Rückvergütung eine echte Prämienermäßigung so schnell wie möglich in Gang gesetzt werden kann?
Ich kann Ihnen versichern, daß wir hier mit der größtmöglichen Schnelligkeit vorgehen werden. Allerdings muß einfach die Zeit abgewartet werden, in der eine solche Prognose über den Schadensverlauf einigermaßen zuverlässig getroffen werden kann.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 46 soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag von Prof. Dr. Werner Peters, Bergbauforschung GmbH Essen, aus Kohle Heizöl zu gewinnen, und ist die Bundesregierung bereit, kurzfristig verstärkt Forschungs- und Investitionsvorhaben zur Gewinnung von Heizöl aus Kohle, zur Kohlevergasung und zur Kohleverflüssigung finanziell zu fördern?
Die bisher kostenbedingte hohe Unwirtschaftlichkeit einer Benzinherstellung aus heimiParl. Staatssekretär Grüner
I scher Kohle in der Bundesrepublik ist Ihnen, nicht zuletzt auf Grund der von diesem Hohen Hause in Auftrag gegebenen und seit 1971 vorliegenden Studie der Professoren Pichler und Krüger von der TH Karlsruhe, bekannt. Andererseits ist die Notwendigkeit einer verbesserten Substitutionselastizität zwischen den einzelnen Energieträgern, insbesondere zwischen Mineralöl und Kohle, bereits im Energieprogramm der Bundesregierung angesprochen und durch die aktuellen Ereignisse bestätigt worden.
Einen ersten Ansatzpunkt hierfür sieht die Bundesregierung in einer Umstellung der Raffineriefahrweise in dem Sinne, daß die Raffinerien zu Lasten des bisher relativ hohen Ausstoßes an schwerem Heizöl, nämlich 28 % der Produktion, in erhöhtem Umfange leichtere Produkte wie Benzin, Diesel und leichtes Heizöl erzeugen, und in einer entsprechend stärkeren Heranziehung der Kohle als Substitut für schweres Heizöl.
Inwieweit hierbei neben einem direkten Ersatz von Heizöl durch Kohle die Umwandlung von Kohle in ein dem schweren Heizöl vergleichbares „Kohleöl", wie es Herr Professor Peters kürzlich vorgeschlagen hat und wie es vom Verfahren her sehr naheliegend und durchaus erfolgversprechend erscheint, helfen kann, wird eingehend geprüft werden.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie und der Bundeswirtschaftsminister erarbeiten zur Zeit gemeinsam und in enger Kontaktnahme mit Forschungs- und Entwicklungsstellen der Industrie ein Programm für die Intensivierung der Energieforschung im nichtnuklearen Bereich. Die Bundesregierung beabsichtigt, hierfür in den nächsten vier Jahren erhebliche Mittel bereitzustellen.
Kohlevergasung und Kohleverflüssigung werden - neben Aktivitäten im Bereich der Bergbautechnik - Schwerpunkte der intensivierten Forschung sein mit dem Ziel, die heimische Kohle optimal zu nutzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, in weichem Zeitraum könnten nach dem Vorschlag von Professor Peters entsprechende Anlagen errichtet werden, und um welche Mengen von Kohleöl könnte es sich handeln?
Eigene Erkenntnisse, Herr Kollege, liegen der Bundesregierung hier nicht vor. Aber nach der Meinung von Herrn Professor Peters selbst würde man, falls die Forschungen auf diesem Gebiet intensiviert werden, in vier bis fünf Jahren darangehen können, solche Extraktionsanlagen in Auftrag zu geben, und Ende der 70er Jahre könnten dann solche Anlagen zur Herstellung von Kohleöl gebaut werden.
Über die Mengen, die auf diese Weise erreicht werden könnten, läßt sich auch nach Auffassung von Herrn Professor Dr. Peters im Augenblick eine auch nur annähernd zuverlässige Aussage nicht machen.
Eine zweite . Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auf die internationalen Mineralölkonzerne einwirken, schweres Heizöl nicht vom deutschen Markt zu nehmen und es eventuell eher weiter aufzubereiten?
Wir haben in dieser Hinsicht schon Gespräche mit der Mineralölindustrie aufgenommen, und diese Gespräche werden mit großer Intensität fortgeführt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, sind in Ihrem Hause schon klare Vorstellungen darüber vorhanden, welche Forschungsvorhaben, die sich mit Kohlevergasung und -verflüssigung befassen, kurzfristig besonders gefördert werden sollen, und welche Summen sollen hier zur Verfügung gestellt werden?
Ich kann Ihnen hier zu den Summen nichts sagen, sondern lediglich darauf hinweisen, daß es erhebliche Summen sein werden, die hier eingesetzt werden müssen. Es läßt sich hier auch nicht über einzelne Verfahren im Detail sprechen, weil hier Detailkenntnisse Voraussetzung wären, die ich selber nicht besitze.
Wir haben jedenfalls sehr klare Vorstellungen, in welchen Bereichen - eines dieser Verfahren ist gerade eben angesprochen worden - wir relativ rasch vorankommen können. Die Tatsache, daß aber auch bei diesem Verfahren nach der derzeitigen Schätzung wohl erst Ende der 70er Jahre in die Produktion gegangen werden könnte, macht den Zeithorizont deutlich, mit dem solche Möglichkeiten im Augenblick von uns betrachtet werden - sicher mit der Hoffnung, daß durch Intensivierung der Forschung auch noch eine zeitliche Beschleunigung möglich wird.
Keine Zusatzfrage? - Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, in § 2 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vorn 19. November 1973 sämtliche Dienstfahrzeuge des Bundes und der Länder generell vom Sonntagsfahrverbot auszunehmen?
Das Sonntagsfahrverbot zielt darauf ab, den Treibstoffverbrauch in der Bundesrepublik durch ein Verbot von Fahrten, die ausschließlich privaten Zwecken dienen, einzuschränken. Der Berufsverkehr sowie der Verkehr in Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sollten daher von dem Fahrverbot ausgenommen bleiben, um Eingriffe in
das Wirtschaftsleben soweit wie möglich zu vermeiden.
Übertragen auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung führt diese Konzeption zwangsläufig zu einer entsprechenden Ausnahmeregelung für Dienstfahrzeuge, die im Rahmen der Verwaltungstätigkeit eingesetzt sind. Die Bundesregierung hat im übrigen für die in ihrem Bereich tätigen Ministerien, Behörden und Dienststellen durch verwaltungsinterne Anweisungen und Maßnahmen sichergestellt, daß der Einsatz von Dienstfahrzeugen an den Sonntagen, für die das Fahrverbot besteht, auf das unerläßlich notwendige Maß beschränkt wird. Zugleich hat die Bundesregierung ihre Erwartung ausgesprochen, daß bei den übrigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften in gleicher Weise verfahren wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung in der Bevölkerung auf Verständnis zu stoßen, wenn sie in der von ihr erlassenen Rechtsverordnung die Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot in § 2 konkret umreißt, sich jedoch in Abs. 1 Nr. 4 generell einen Blanko-Fahrschein ausstellt?
Herr Kollege, Sie konnten meiner Antwort wohl entnehmen, daß von einem Blankoscheck für die öffentliche Verwaltung überhaupt keine Rede sein kann, sondern daß im Gegenteil diese Möglichkeit zur Benutzung öffentlicher Dienstfahrzeuge an Sonntagen mit Fahrverbot auf die dringend notwendigen Fälle beschränkt und die Einhaltung dieser Beschränkung durch Verwaltungsanweisung sichergestellt ist. Es ist der Bundesregierung auch nicht bekanntgeworden, daß in der Öffentlichkeit Kritik an dem Einsatz von Dienstfahrzeugen geübt worden wäre. Es zeigt sich, daß diese Einschränkung von den öffentlichen Behörden auch tatsächlich praktiziert worden ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, war der Bundesregierung bei Abfassung der Verordnung bekannt, daß die Präsidentin dieses Hauses mit gutem Beispiel vorangegangen ist und im Einvernehmen mit den Fraktionen keine Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot für Abgeordnete beantragt hat, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, daß dies in der Bevölkerung wohl kaum auf Verständnis stoßen würde?
Das war der Bundesregierung bekannt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, bei weiter anhaltendem Fahrverbot für den privaten Bereich in revierfernen Gebieten, wo die Ersatz-, d. h. die Massenverkehrsmittel oder öffentlichen Verkehrsmittel nicht zur Verfügung stehen, eine Lockerung auszusprechen, um Besuche im Krankenhaus oder sonstige Fahrten in privaten, aber unbestreitbar als dringlich anzusehenden Geschäften zu ermöglichen?
Herr Kollege, wir sind der Meinung, daß die bisher ermöglichten Fahrten auch bei künftigen Fahrverboten ausreichend sind. Für die von Ihnen angedeuteten Notfälle ist in jedem Falle eine Fahrmöglichkeit gegeben, wenn diese Notfälle den kontrollierenden Polizeibehörden nachgewiesen und glaubhaft gemacht werden können.
Eine Frage des Herr Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, inwieweit sind Ihrem Hause Zahlen darüber bekannt, daß auch unabhängig vom Sonntagsfahrverbot bzw. der Einschränkung bei Behörden spürbare Einsparungen vorgekommen sind?
Herr Kollege, ich habe diese Zahlen nicht zur Verfügung, und die Einsparungen sind natürlicherweise auch nicht exakt zu beziffern. Aber es besteht der Eindruck, daß durch das Sonntagsfahrverbot und das damit verbundene gesteigerte Bewußtsein in der Bevölkerung für die Notwendigkeit zur Einsparung auch ein erheblicher Rückgang im Fahrverkehr und insbesondere eine Änderung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer an den übrigen Tagen, an denen das Auto benutzt werden kann, eingetreten sind mit der entsprechenden Einsparung an Benzin.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, bekanntzugeben, welche Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretäre und beamtete Staatssekretäre für dienstliche Zwecke und - getrennt - für parteipolitische Zwecke bisher an den Sonntagen, wo Fahrverbot bestand, gefahren sind und am nächsten Sonntag fahren werden?
Herr Kollege, ich habe keinen Zweifel, daß darüber, wenn das Hohe Haus es wünscht, auch Auskunft erteilt wird. Ich meine nur, dann müßte der Kreis derer, die in diese Offenlegung einbezogen würden, auch weiter ausgedehnt werden und mindestens auch noch die Oppositionsabgeordneten mit umfassen.
({0})
Keine Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 49 der Abgeordneten Frau Huber auf:
Ist es bisher durch die Lieferungspolitik der Mineralölgesellschaften zu Diskriminierungen von Mineralölhändlern und Tankstellen gekommen, und wenn ja, was hat die Bundesregierung dagegen unternommen bzw. was gedenkt sie dagegen zu tun?
Im Ministerium und bei den Kartellbehörden ist eine Anzahl von Beschwerden über Diskriminierungen bei der Belieferung mit Mineralölprodukten eingegangen. Z. B. soll die Belieferung von Handels- und Tankstellenunternehmen mit Kraftstoffen davon abhängig gemacht worden sein, daß diese Unternehmen auch ihren Bedarf an Schmierstoffen und -fetten bei dem betreffenden Kraftstofflieferanten decken .
Derartige Koppelungsgeschäfte werden von den Kartellbehörden unter den Gesichtspunkten des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot, der mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und der mißbräuchlichen Ausschließlichkeitsbindung geprüft. Ein Teil dieser Fälle ist inzwischen bereingt.
Die Kartellbehörden gehen auch Beschwerden nach, nach denen freie Tankstellen bei der Belieferung mit Kraftstoffen preislich diskriminiert werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie demnach Befürchtungen des freien Mineralölhandels, nach denen nach starker Reduzierung der Liefermengen in den nächsten Monaten der Handel schon im Sommer völlig zum Erliegen kommen kann, nicht für gerechtfertigt halten?
Ich möchte die Besorgnisse des freien Mineralstoffhandels angesichts der gegenwärtigen Marktsituation, die ja durch einen gespaltenen Markt gekennzeichnet ist und die unterschiedliche Möglichkeiten für Tankstellen, die an Markenraffinerien angeschlossen sind, und für Tankstellen, die auf dem freien Markt zu wesentlich höheren Preisen einkaufen müssen, bietet, nicht als unbegründet betrachten. Ich kann nur versichern, daß das Bundeskartellamt und auch die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tun werden, um sicherzustellen, daß hier nicht mit Mitteln, die nach dem Kartellrecht unzulässig sind, Existenzen gefährdet werden.
Die zweite Zusatzfrage.
Können Sie sich außer kartellrechtlichen auch noch andere Maßnahmen vorstellen, die zur Sicherung der Existenz gerade jener Kreise dienen, die bisher den Wettbewerb auf diesem Gebiet verbessert und die Bevölkerung besonders preisgünstig beliefert haben?
Ja, wir haben einen ständigen Kontakt insbesondere mit dem Mineralölwirtschaftsverband und haben eine Clearingstelle, die praktisch allen Beschwerden in dieser Richtung nachgeht. Und es ist bisher gerade auch in einem Kontakt mit den Mineralölgesellschaften - insbesondere auch mit den internationalen Gesellschaften - gelungen, sicherzustellen, daß solchen Beschwerden abgeholfen wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, die Lieferungspolitik dieser Mineralölgesellschaften, wie sie Frau Huber eben ansprach, in der Öffentlichkeit anzuprangern und die Namen dieser Gesellschaften der Öffentlichkeit einmal klar zu nennen?
Herr Kollege, es handelt sich hier um außerordentlich komplizierte Tatbestände,
({0})
deren Behandlung in einer Situation wie der gegenwärtigen, die durch eine Mangellage bestimmt ist, ungewöhnlich schwierig ist. Es scheint mir ausreichend zu sein, daß es der Bundesregierung nicht nur in der jetzigen Situation, sondern auch bei früheren Gelegenheiten gelungen ist, die Existenz des freien Mineralölhandels, soweit er etwa durch Wettbewerbspraktiken bedroht war, sicherzustellen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, welche zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten über die kartellgesetzlichen Möglichkeiten hinaus sehen Sie, um einen Verdrängungswettbewerb der Großen gegen Mittlere und Kleinere zu unterbinden, und welche Instrumente haben Sie gegebenenfalls dafür?
Die zusätzlichen Möglichkeiten, die uns in der jetzigen Situation gegeben sind, liegen in der Markttranparenz, die wir mit ,den Mineralölgesellschaften vereinbart haben. Die entsprechenden Unterlagen, die uns vorgelegt werden, versetzen uns in die Lage, einen klaren Überblick über die vorhandenen Vorräte zu gewinnen, und sie versetzen uns deshalb auch in die Lage, etwaigen Einwendungen, Belieferungen seien nicht möglich, entgegenzutreten. Das stärkt die Position der Regierung in dieser Frage.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mahne.
Herr Staatssekretär, wie will die Bundesregierung denn - über die Verhandlungen mit den Mineralölgesellschaften hinaus - für die
Zukunft sicherstellen, daß die freien Mineralölhändler ihre Kunden zu gleichen Preisen, zu denen zur Zeit die Vertragshändler liefern, mit leichtem Heizöl bedienen können? Da wir ja zur Zeit doch nicht einen freien Markt und einen freien Wettbewerb haben, sind die freien Händler in diesem Fall ausschließlich auf die Importe angewiesen und können nur zu so hohen Preisen liefern, daß die Kunden gezwungen sind, 25 % mehr zu zahlen.
Herr Kollege, es ist nicht die Absicht der Bundesregierung sicherzustellen, daß die freien Händler zu gleichen Preisen wie die internationalen Gesellschaften liefern können, sondern es ist das Ziel der Bundesregierung, wieder zu Marktverhältnissen zu kommen, in denen diese freien Händler zu günstigeren Preisen liefern können, was sie ja in diesem Markt durch den freien Wettbewerb groß gemacht hat.
In der jetzt gegebenen Ausnahmesituation allerdings, in welcher der Markt nicht oder nur eingeschränkt funktioniert, haben wir, wie gerade von mir dargelegt, dafür zu sorgen, daß die freien Händler überleben können.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Tillmann.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob der Verdacht unbegründet ist, daß in der augenblicklichen Situation die großen Mineralölgesellschaften versuchen, sich von unliebsamen Wettbewerbern zu befreien?
Herr Kollege, es ist immer sehr zweckmäßig, mit äußerstem Mißtrauen am Markt zu operieren, wenn man sich mit Gesellschaften konfrontiert sieht, die eine große Marktmacht ausüben. Insofern würde ich sagen: Ein solcher Verdacht wird sicher immer berechtigt sein; er ist allerdings nicht nachweisbar.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, halten Sie es im Blick auf ganz bestimmte Wirtschaftszweige nicht für bedenklich, daß zu diesen schlechter und teurer belieferten Verteilern auch etwa die Raiffeisengenossenschaften gehören?
Ich bin über die Einkaufsmöglichkeiten der Raiffeisengenossenschaften leider nicht informiert, Herr Kollege.
Keine Zusatzfragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich weise darauf hin, daß die Fragen A 86 und B 8 zurückgezogen sind und die übrigen nicht mehr
beantworteten Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Das Wort hat der Abgeordnete Seiters.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In der heutigen Fragestunde des Bundestages sind Fragen der CDU/CSU nach den Verhandlungen der Bundesregierung mit der DDR behandelt worden, u. a. wegen der Behinderung des Reiseverkehrs. Dabei ist auch die Rolle der Zuständigkeiten des Sonderministers Bahr im Rahmen dieser Verhandlungen zur Sprache gekommen.
Die Beantwortung dieser Fragen ist nach unserer Auffassung nicht ausreichend und unbefriedigend gewesen, insbesondere da nach den Antworten der Bundesregierung der Eindruck entstanden ist, als habe sie nichts gegen die Behinderungspolitik der DDR unternommen. Wir halten daher eine weitere Behandlung dieser Fragen hier im Plenum für erforderlich. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion beantrage ich eine Aktuelle Stunde.
({0})
Es ist eine Aktuelle Stunde beantragt und ausreichend unterstützt. Wir haben aber gleichzeitig für diesen Zeitpunkt die Behandlung des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses vorgesehen. Wie ich höre, ist interfraktionell vereinbart, Berichterstattung und Abstimmung über diesen Punkt vorziehen und die Aktuelle Stunde sofort anzuschließen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ({1})
- Drucksache 7/1432 Berichterstatter: Senator Dr. Heinsen Herr Senator Heinsen, bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für den Vermittlungsausschuß darf ich Ihnen folgenden Bericht erstatten.
Der Bundesrat hatte in seiner 399. Sitzung vom 30. November gegen das Wohnungsbauänderungsgesetz 1973 den Vermittlungsausschuß angerufen, und zwar mit vier Begehren:
Erstens wollte der Bundesrat die ursprüngliche Fassung des Bundesratsinitiativgesetzes insoweit wiederhergestellt wissen, als die zehnjährige Bindung öffentlich geförderter eigengenutzter Wohnungen mit einer freiwilligen vorzeitigen Rückzahlung der öffentlichen Mittel allgemein sofort erlöschen sollte. Betroffen sind davon eigengenutzte Wohnungen in Eigenheimen, Kaufeigenheimen oder Kleinsiedlungen und eigengenutzte EigentumswohSenator Dr. Heinsen
nungen. Der Bundestag hatte demgegenüber dieses Erlöschen nur auf Antrag und nur bei einer Wohnungsaufgabe aus berechtigten Gründen eintreten lassen wollen. Der Vermittlungsausschuß hat sich der Auffassung des Bundesrates angeschlossen, daß diese Lösung verwaltungsmäßig zu kompliziert sei. Er hat daher die ursprüngliche Fassung der Bundesratsinitiative wiederhergestellt.
Zweitens wollte der Bundesrat bei bestimmten älteren Förderungsjahrgängen eine weitere Zinsanhebung für die öffentlichen Mittel erreichen. Meine Damen und Herren, daß dies notwendig ist, hat auch dieses Hohe Haus in einer Entschließung ausdrücklich anerkannt. Es hat nur den jetzigen Zeitpunkt aus konjunkturpolitischen Gründen als unpassend angesehen. Der Bundesrat hat in seinem zweiten und vierten Anrufungsbegehren, die zusammen gelesen werden müssen, den Bedenken des Bundestages dadurch Rechnung getragen, daß er die vorgeschlagene Zinserhöhung erst zum 1. Januar 1975 in Kraft treten lassen will. Diesem Kompromißvorschlag hat auch der Vermittlungsausschuß zugestimmt.
Drittens hat der Bundesrat ein weiteres Begehren aufgegriffen, das auch dieses Haus bereits erkannt hatte, das man aber aus rechtssystematischen Gründen nicht verwirklichen zu können glaubte. Es handelt sich um die Möglichkeit, Grundsteuermehrbelastungen auf Grund der Reform des Grundsteuerrechts noch rückwirkend auf die Mieter umlegen zu können. Der Vermittlungsausschuß hat durch Aufnahme eines ergänzenden Formulierungsvorschlags der Bundesregierung die rechtssystematischen Bedenken ausgeräumt und auch in diesem Punkt dem Begehren des Bundesrates voll Rechnung getragen.
Der Vermittlungsausschuß hat schließlich beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Punkte 2 und 4 sowie über Punkt 3 und die eben zitierte Ergänzung wegen des Sachzusammenhangs jeweils gemeinsam abgestimmt werden sollte.
Ich darf Sie bitten, diesen Vorschlägen des Vermittlungsausschusses zu folgen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes, wie er gerade vorgetragen worden ist. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten ein in die
Aktuelle Stunde
Das Wort hat der Abgeordnete Abelein.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Aktuelle Stunde hat sich mit dem Thema der Erhöhung der Zwangsumtauschsätze beschäftigt, die gegen die Verträge verstößt, die die Bundesregierung mit der Regierung der DDR geschlossen hat. Dies hat auch die Bundesregierung eingeräumt. In der Beurteilung des Vorgehens der Regierung der DDR sind wir mit der Bundesregierung völlig einer Meinung. Doch die Frage, die heute gestellt wurde, lautete: Welches sind denn die Ergebnisse der Verhandlungen der Bundesregierung und ihrer Vertreter mit der DDR? Wie ist denn die Situation jetzt vor Weihnachten? Gibt es denn überhaupt Erfolgsaussichten für eine Herabsetzung wenigstens für die alten Leute, oder müssen jetzt die alten Leute und die kleinen Leute auch die Zeche der Deutschlandpolitik bezahlen, die diese Bundesregierung betrieben hat?
({0})
Die Ausführungen, die die Bundesregierung heute dazu gemacht hat, sind in hohem Maße unbefriedigend. Diese Bundesregierung mindert aber selber die Erfolgsaussichten ihrer Verhandlungen dadurch, daß sie Rechtsauffassungen vertritt, die die Gegenseite sicher nicht ermuntern, ihre Haltung zu korrigieren.
({1})
Herr Bahr spricht davon, hier handele es sich um eine Verletzung des Geistes, aber nicht des Buchstabens; die ganze Sache stehe in der Gebührenhoheit der DDR. Was gilt denn nun überhaupt zu diesen Dingen? Die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, den Buchstaben so zu formulieren, daß diese ganzen Streitigkeiten von vornherein ausgeschlossen gewesen wären, wage ich schon fast gar nicht mehr zu stellen.
({2})
Angesichts dieser Situation finde ich es auch empörend, wenn der jetzige Unterhändler, der Herrn Bahr ersetzt hat, in einem Gespräch im WDR auf die Frage, ob denn das Thema Geldumtausch überhaupt besprochen worden sei, sagt, dazu habe kein Anlaß bestanden.
({3})
Welcher Anlaß zu Verhandlungen, die diese Bundesregierung gegenwärtig mit den Vertretern der DDR drüben führt, besteht denn überhaupt?
Aber wir erleben ja auch sonst eine Reihe von merkwürdigen Dingen, bei denen die Bundesregierung sich selbst den Boden ihrer Verhandlungsposition entzieht. Wir haben gestern eine Kostprobe vom Zustand dieser Bundesregierung erhalten. Diese Bundesregierung hat eine Deutschlandpolitik unter der großen Überschrift „Erleichterung für die Menschen" betrieben. Jetzt erleben wir, daß von maßgeblichen Mitgliedern dieser Bundesregierung Rechtspositionen bezogen werden, die die Menschenrechte ihrem Abkommen, nämlich dem Transitabkommen, hintenanstellen. Gestern haben wir zu unserer Beruhigung gehört, daß der für die Interpretation der Verfassung zuständige Minister dieser Bundesregierung, Herr Genscher, eine ganz eindeutige Aussage gemacht hat, nämlich die, daß das Grundgesetz und daß die Grundrechte und daß das
Menschenrecht der Freizügigkeit diesen Verträgen vorgeht. Das verstehen auch wir so.
({4})
Die Frage aber, die sich uns stellt, lautet, ob das Herr Bahr, Herr Wehner und auch Herr Brandt ebenfalls so verstehen. Hier haben wir große Zweifel.
({5})
Lassen Sie mich noch einmal sehr eindeutig auf das hinweisen, was das Bundesverfassungsgericht zu diesem ganzen Fragenkomplex gesagt hat. Es spricht in einer sehr klaren Weise aus, daß der Grundlagenvertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage - und ich sage: Verpflichtung - dafür abgibt, daß die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer grundsätzlichen Pflicht alles ihr Mögliche tut, um die unmenschlichen Verhältnisse an der Grenze - das Bundesverfassungsgericht sagt, dazu gehören die Mauer, der Stacheldraht, der Todesstreifen und der Schießbefehl - zu ändern. Hiermit stimmt überhaupt nicht überein, wenn Mitglieder der Bundesregierung Fragen nach einer Beseitigung der Mauer als unseriös abtun,
({6})
und hiermit stimmt auch in keiner Weise überein, wenn Herr Wehner wiederholt darauf hinweist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes habe nur rein interne Bedeutung. Das Urteil selbst hat ausgesprochen, daß es auch für die Haltung der Bundesregierung bei den zwischenstaatlichen Verhandlungen Bedeutung hat. Was gilt denn? Das ist die Frage, die wir stellen: Steht diese Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zur Verfassung oder nur ein Teil?
({7})
Das Wort hat Herr Bundesminister Bahr.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Frage kann ich zuerst beantworten. Auch wenn man nicht ein Minister ist, der von sich behauptet, er könne das Grundgesetz nicht immer under dem Ärmel tragen, kann ich doch sagen, daß diese Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zum Grundgesetz steht.
({0})
- Ich habe gesagt: auch wenn man nicht ein Bundesminister ist, der die Erklärung abgibt, er könne nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.
({1})
Jetzt zu den anderen Fragen, nämlich dem Zwangsumtausch! Zunächst einmal darf ich folgendes sagen. Die Bundesregierung hat kein Verständnis für diese
empfindliche Erschwerung des Reisens in die DDR. ( Sie bedauert nachdrücklich, daß die DDR keinen Versuch unternommen hat, ihre Entscheidung in den laufenden Gesprächen oder in einer der Kommissionen vorher zu erörtern. Betroffen sind vor allem die Menschen, die ihre Verwandten und Freunde besuchen wollen. Ich darf aber hier sagen, daß ich nicht erst am 22., sondern bereits am 8. November dieses Thema mit Herrn Staatssekretär Kohl erörtert habe. Bekanntlich ist die Maßnahme der DDR am 5. 11, eingeführt worden, - ohne Konsultation, wie es möglich und wünschenswert gewesen wäre.
({2})
Im Rahmen des Grundlagenvertrages ist die Vereinbarung erfolgt, daß sich beide Regierungen in den gegenseitig interessierenden Fragen konsultieren wollen, insbesondere in den Fragen, die die Sicherung des Friedens angehen. Ich kann nur bedauern, daß die DDR von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.
({3})
Dies ist der DDR in eindeutiger Form am 8. November gesagt worden.
Die DDR hat in diesen Gesprächen ihre Maßnahme im wesentlichen wirtschaftlich motiviert. Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, daß die Bundesregierung diese Motivierung nicht als ausreichenden Grund für Maßnahmen anerkennen kann, die in ihrem Ergebnis das Gegenteil von dem bewirken, was im Verkehrsvertrag vereinbart wurde.
Ich habe diese Fragen anläßlich einer Begegnung mit Herrn Minister Kohl am 22. November abermals besprochen. Ich hatte schon am 8. keinen Zweifel daran gelassen, daß für uns dieses Thema nicht beendet ist, sondern daß wir es weiterverfolgen werden, weil wir uns mit einer derartigen Maßnahme nicht abfinden wollen.
Daß Herr Staatssekretär Gaus das Thema bei seiner ersten Begegnung in Ost-Berlin nicht angesprochen hat, lag allein daran, daß gleichzeitig ein vorher verabredetes Gespräch darüber zwischen einem Vertreter des Senats und einem Vertreter der DDR stattfand.
Ihre Frage, Herr Abelein, was wir für dieses Weihnachtsfest zu erwarten haben, möchte ich dahin gehend beantworten, daß ich im Augenblick keine Chance sehe, von diesen Maßnahmen bis Weihnachten wegzukommen.
({4})
Ich unterstreiche, daß ich natürlich nicht in der Lage bin, Ihnen etwas darüber zu sagen, was Herr Gaus im Laufe dieses Tages in Ost-Berlin besprochen hat. Er hat dieses Thema heute selbstverständlich wieder aufgenommen.
Abschließend darf ich folgendes sagen. Wenn sich die DDR nicht an Abkommen hält, dann können wir alle das der DDR vorhalten. Wenn statt dessen die
Opposition die Bundesregierung anklagt, dann finde ich das schändlich.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Barche.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem sich die Aufregung in der Opposition gelegt hat,
({0})
möchte ich noch einmal auf die Äußerungen von Herrn Professor Abelein zurückkommen. Wer in diesem Hause die Frage stellt, ob diese Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zur Verfassung steht, oder wer in Frage stellt, daß diese Bundesregierung vollinhaltlich zu den Begriffen von Menschenrechten und Menschenwürde steht, der taktiert meiner Meinung nach unter der politischen Gürtellinie.
({1})
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie meinen heute Leute anklagen zu müssen, die in ihrer politischen Vergangenheit mit ihrem Leben für den Bestand der Demokratie eingetreten sind.
({2})
Einen solchen Beweis müssen Sie erst noch erbringen.
({3})
Hoffentlich brauchen Sie das nicht.
({4})
Ich werde auch nicht das Gefühl los, daß es Herrn Professor Abelein darauf ankam, mit dieser Aktuellen Stunde heute das nachzuholen, was in den Arbeitskreis- oder Ausschußsitzungen wahrscheinlich wegen mangelnder Präsenz der CDU/CSU nicht durchgeführt werden kann.
({5})
Niemand in der Öffentlichkeit kann Verständnis dafür haben,
({6})
daß hier im Bundestag auf dem Wege über Pressemitteilungen Aktuelle Stunden über Probleme heraufbeschworen werden, über die in den zuständigen Arbeitskreisen und Ausschüssen sehr eingehend gesprochen worden ist.
({7})
Zum anderen, so meine ich, sollten Sie auch einmal überlegen, ob es sehr zweckmäßig ist, das Klima der Verhandlungen, die zur Zeit von Herrn Staatssekretär Gaus wegen der Geldumtauschquote geführt werden - ich unterstelle, daß Sie dies wissen -, durch solche Aktuellen Stunden zu gefährden.
({8})
Meine Damen und Herren, es kommt Ihnen - das merke ich aus Ihrem Protest - doch sicher nur auf folgendes an. Sie versuchen immer wieder, dieser Bundesregierung etwas zu unterstellen, was Ihnen die Öffentlichkeit draußen nicht abnimmt.
({9})
Wir sind uns in diesem Hause doch sicher in der Verurteilung dessen, was mit der Geldumtausch-quote geschehen ist, einig. Darüber gibt es doch keinen Zweifel. Eine Änderung ist aber nur auf dem Wege über Verhandlungen möglich. Wir hier im Bundestag können der DDR, so wie es eben erwähnt wurde, doch nicht sagen: Ihr müßt dieses oder jenes tun. Wir können, wenn die DDR nach unserer Meinung gegen den Geist der Verträge verstoßen hat, nur versuchen, auf dem Weg über Verhandlungen die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Eine andere Möglichkeit gibt es doch - leider! - nicht. Das sollte man in diesem Hause endlich einsehen.
Man braucht uns, der sozialliberalen Koalition, doch nicht zu unterstellen, daß wir uns über die Methoden und die Politik der DDR nicht im klaren seien. Die sozialliberale Koalition ist sich sehr wohl klar darüber, mit welch schwierigem Partner sie es zu tun hat und daß mit diesem Partner immer wieder verhandelt werden muß. Ich glaube, meine Damen und Herren von der Opposition, solange wir hier in diesem Bundestag zusammen sitzen, werden wir immer wieder vor neue Situationen gestellt werden. Wir werden auch immer wieder zu überprüfen haben: Was haben wir auf diesem Wege nach dem Abschluß der Verträge erreicht?
({10})
In dieser Hinsicht ist ja wohl nicht nur weniges, sondern viel erreicht worden, und auf diesem Wege heißt es ja wohl weiterzugehen und weiterzuarbeiten. Wir sind nicht bereit, wieder den Weg, der von der SED verfolgt wird und - wie man aus der Art, wie Sie hier im Bundestag argumentieren und Ihre Aktuellen Stunden bestreiten, entnehmen kann - auch von Ihnen verfolgt wird, zurück in den kalten Krieg zu beschreiten, den Weg zurück in die Konfrontation zu gehen.
({11})
Wir werden weiterhin darum bemüht sein, den Weg der Entspannung zu gehen, der von dieser Bundesregierung eingeschlagen worden ist. Es tut mir sehr leid, wenn Sie mit dazu beitragen, daß in der Öffent4424 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Barche
lichkeit der Eindruck verstärkt wird, daß dieses Haus sich in der Entspannungspolitk nicht einig, sondern in sich zerrissen ist. Sie werden es selber zu verantworten haben, wenn die Bevölkerung draußen auf Ihre Aktuellen Stunden und Ihre Argumentation hier im Bundestag nicht so reagiert, wie Sie es erwarten, sondern im entgegengesetzten Sinne reagiert.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Institut der Aktuellen Stunde sollte nicht leichtfertig zur Beschaffung von Auftrittserlebnissen mißbraucht werden.
({0}) Aber nun zur Sache:
({1})
Es ist in der Tat bedrückend, daß die DDR ihre Abgrenzungspolitik ausgerechnet auf dem Rücken der Rentner praktiziert. Den Rentnern hat man mit dem neuen Umtauschsatz, der ihnen in voller Höhe auferlegt ist, praktisch das Recht auf Einreise in die DDR genommen.
({2})
Dieser sozialschwachen Gruppe wird verwehrt, was allen Berliner Bürgern - unabhängig vom Einkommen - im Viermächteabkommen eingeräumt wurde.
({3})
Die DDR nennt sich stolz den ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden. Welche Ironie liegt damit in dieser Maßnahme,
({4})
die mit einer Verdoppelung der Umtauschquote die Zahl der menschlichen Begegnungen halbieren will und dabei die Einnahmen auf der alten Höhe erhalten möchte! Ein fürwahr beschämender Vorgang!
({5})
Meine Damen und Herren, die Regierung der Sowjetunion ist als eine der Signatarmächte verpflichtet, bei der DDR darauf hinzuwirken, daß von dort das Abkommen nicht mit diesem inhumanen Mittel unterlaufen oder ausgehöhlt wird. Die DDR bleibt deshalb aufgefordert, die Erhöhung der Umtauschquote zu revidieren.
({6})
Die Bundesregierung hat in dem zuständigen Parlamentsausschuß und in der Öffentlichkeit versichert, daß sie darauf mit Nachdruck drängen wird. Ich kann nicht an der Ernsthaftigkeit dieser Erklärung
und dem Willen zweifeln, auch tatsächlich auf eine Änderung hinzuwirken.
({7})
Und doch habe ich es 'begrüßt, zur Kenntnis nehmen zu können, daß sich die Bundesregierung wieder stärker, als bisher immer geschehen, unterstützend in die Bemühungen des Senats von Berlin eingeschaltet hat.
({8})
Es ist erfreulich, daß Staatssekretär Gaus heute in Ost-Berlin die Verhandlungen zu dieser Frage wieder aufgenommen hat.
Meine Damen und Herren, diese Bemühungen der Regierung zu unterstützen hat gewiß Aufgabe des Parlaments zu sein. Ob dies aber immer in Plenarveranstaltungen geschehen muß, wage ich zu bezweifeln.
({9})
Im zuständigen Ausschuß haben wir unsere Verpflichtung auch sehr ernst genommen, nachdem sich das Parlament in der Aktuellen Stunde am 8. November in der Sache bereits politisch eindeutig geäußert hatte.
Meine Damen und Herren von der Opposition, manchmal drängt sich der Eindruck auf, daß Sie die Aktuellen Stunden nötig haben, um die offenkundig gewordenen persönlichen Rivalitäten in Ihren Reihen auf diesem Wege abzubauen.
({10})
Wir sollten uns nicht länger in dieser Methode üben. Meine Damen und Herren, Sie sagen „Bahr" und meinen „Abelein".
({11})
Unterlassen wir den Streit im eigenen Hause! Geben wir der Regierung Rückendeckung und Flankenschutz bei ihren Verhandlungen mit der DDR und den anderen Ostblockstaaten! Die Verdoppelung der Umtauschquote muß jedenfalls vom Tisch!
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Jäger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung zu dem machen, was Herr Minister Bahr eben am Schluß seiner Rede ausgeführt hat.
Herr Minister Bahr, lassen Sie sich sagen: Sie sind unter den Mitgliedern der Bundesregierung und dieses Hauses der letzte, dem das Recht eingeräumt werden kann, sich über das Verfassungsverständnis von Mitgliedern des Bundestages in der Weise zu äußern, wie Sie es getan haben.
({0})
Jäger ({1})
Herr Bahr, Ihre eigene dürftige Kenntnis des Grundgesetzes und vor allem das, was Sie hier vorhin im letzten Satz gesagt haben, worin Sie uns das Demokratieverständnis, das Ihnen offenbar eigen ist, vorgeführt haben, beweisen: „Mehr Demokratie" bedeutet nach Ihrer Meinung offensichtlich, daß die Opposition andere Regierungen angreifen darf, aber nicht mehr die Bundesregierung, die hier verantwortlich vor diesem Parlament sitzt.
({2})
Herr Kollege Hoppe, eine Bemerkung zu dem, was Sie zur Frage der Erklärungen im Plenum gesagt haben: Es ist richtig: Im Innerdeutschen Ausschuß haben wir über diese Probleme geredet. Aber dieser Ausschuß steht nun einmal unter verschiedenen Kautelen der Geheimhaltung, und das deutsche Volk hat einen Anspruch, Klarheit darüber zu haben, wie es um diese innerdeutschen Dinge bestellt ist. Darum haben wir außerhalb des Ausschusses das Recht, diese Fragen hier im Parlament anzusprechen.
({3})
Auch der heute in der Fragestunde angesprochene Komplex des Journalistenaustausches zwischen der Bundesrepublik und der DDR zeigt uns wieder einmal deutlich, wie eklatant die Regierung der DDR Degen getroffene Vereinbarungen verstößt und welch klägliche Früchte die leisetreterische Politik dieser Regierung im Bereich der menschlichen Erleichterungen gezeitigt hat. Ein Jahr und ein Monat ist die Vereinbarung über den Austausch von Journalisten nunmehr in Kraft; denn sie trat bereits am 8. November des letzten Jahres in Kraft.
({4})
Am 14. Mai 1973 - Herr Kollege Heyen, ich bin mitten drin im Thema - hat der Herr Staatsratsvorsitzende Honecker in einem Interview erklärt:
Wir treten dafür ein, daß abgeschlossene Verträge nach Buchstaben und Geist erfüllt werden, damit sie ihrem Sinn gemäß zur Sicherung des Friedens und zur Entspannung voll wirksam werden können.
Das hat offensichtlich in der Frage des Journalistenaustausches, die uns seinerzeit von dieser Regierung als eine ganz entscheidende Errungenschaft der Ostpolitik gepriesen worden ist, nur dazu geführt, daß jetzt nach 13 Monaten auf 35 Anträge westdeutscher Redaktionen 13 Zusagen und ganze fünf tatsächlich eingerichtete Niederlassungen drüben da sind. Wenn man dazu ein ganzes Jahr und einen Monat nach Inkrafttreten gebraucht hat, dann frage ich mich, wie diese Ausführungen des Herrn Staatsratsvorsitzenden Honecker überhaupt noch mit der Wirklichkeit in Einklang gebracht werden können.
({5})
Die Bundesregierung hat sich für ihren Teil dieser Verpflichtung an die Abmachung gehalten. Aber was die DDR getan hat, zeigt einen alarmierenden Stand, der es nicht rechtfertigt, daß jetzt wieder Beschönigungen vorgebracht werden, wie das der Herr Staatssekretär Ravens heute in der Fragestunde getan hat. Woher nimmt denn, so frage ich, angesichts dieser tatsächlichen Situation die Bundesregierung ihre Zuversicht, daß in nächster Zukunft dieser Vertrag und diese Abmachung wirklich in die Tat umgesetzt werden?
Und was tut in diesem Zusammenhang der dafür doch eigentlich mit zuständig gewesene Herr Minister Bahr? Herr Minister, Sie haben jetzt eine neue Zuständigkeit, wie wir in der Fragestunde gehört haben. Statt sich nun mit ganzer Kraft in die Verwirklichung der geschlossenen Vereinbarungen hineinzuknien und alles zu tun, daß sie in die Realität umgesetzt werden, halten Sie nach neuen Ufern Ausschau, an denen die bewährte Fähigkeit, Vorleistungen zu erbringen, wiederum ein neues Wirkungsfeld finden kann. Das ist der Stil dieser Bundesregierung.
({6})
Lassen Sie mich ein Letztes sagen zu Ihrer Einstellung zur Opposition. Eine kluge Bundesregierung würde die Vorstöße und Interpellationen der Opposition in sinnvoller Weise benutzen.
({7})
Anstatt durch dauernde Selbstrechtfertigung gegenüber der Opposition zu zeigen, welch schlechtes Gewissen Sie in dieser Frage Ihrer Ostpolitik haben,
({8})
wäre es besser, unsere Vorstöße aufzunehmen, als Hilfestellung zu benutzen und dem Verhandlungspartner drüben zu zeigen, daß dieses Parlament endlich Taten sehen will.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aktuell an dieser Stunde ist das Datum, der 13. Dezember. Am 13. Dezember vor sieben Jahren, im Jahre 1966, hat hier der Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger seine Regierungserklärung für eine Regierung, getragen von CDU/CSU und SPD, vorgetragen. Wenn Sie die Güte haben wollen - es ist ja noch Zeit bis zu den Feiertagen; es ist eine zu profane Literatur, als daß ich sie Ihnen für die Feiertage selbst zumuten will -, so lesen Sie bitte in den Protokollen nach! Dann werden Sie finden, wie sich am 16. Dezember - der steht noch bevor -der damalige Minister für gesamtdeutsche Fragen - der steht hier, Herbert Wehner - zu verteidigen hatte und die damalige Regierung zu verteidigen hatte - jawohl, Herr Barzel, Sie saßen damals auch ungefähr dort, wo Sie jetzt sitzen, aber als Fraktionsvorsitzender - gegen den ungerechtfertigten Vorwurf, sie sei schuld, daß erstmals nach soundsoviel Jahren keine Berlin-Passierscheine gegeben wurden.
({0})
- Nicht „aha"!
({1})
- Nein, nein, das war ein ganz klar nachzuschlagender Vorgang. Denn die Vorgängerregierung der Regierung von Herrn Dr. Kurt Georg Kiesinger, der ich angehörte, die Regierung des Professors Erhard, hatte, weil sie der Meinung war, in einem Punkte verlange die DDR etwas, das wir nicht zugestehen könnten - ich war, obwohl damals Oppositionssprecher und amtierender Vorsitzender der Fraktion der SPD, der Meinung gewesen, wir könnten das, ohne dabei Schaden zu nehmen -, es nicht gewollt. Sie wußte es besser. Die Passierscheine waren damit erledigt, und es blieb nur noch eine Härtefallregelung, allerdings eine, von der man, wenn man die menschlichen Schicksale betrachtet und nicht nur auf ihnen herumtrommelt, immerhin froh sein mußte, daß wenigstens sie bestehenblieb. - Ich will Ihnen damit sagen, meine Damen und Herren: Mir widerstrebt es, daß hier übereinander hergezogen und hergefallen wird, statt zu prüfen und so weit wie möglich Voraussetzungen schaffen zu helfen, diese Streitfragen hinsichtlich der Mindestumtauschgebühren durch Verhandlungen positiv zu lösen.
({2})
- Weil es Sie schon juckt, will ich Ihnen folgendes sagen. Der damalige Sprecher der Opposition und im Amte des gesamtdeutschen Ministers mein Vorgänger, Herr Dr. Mende, der jetzt in Ihren Reihen sitzt, damals ein Sprecher ebenso wie hier Herr Hoppe von der FDP
({3})
- ja, sicher, so wechseln die Gestalten -, griff mich damals ebenso forsch an. Ich bitte Sie, lesen Sie das nach! Lesen Sie das bitte nach, dann werden Sie finden, daß Ursachen und Wirkungen komplizierter sind, als Sie sie heute aktualisieren möchten.
Wenn Sie fragen, was denn eigentlich erreicht sei, wozu die Verträge geführt hätten - das hat Herr Dr. Abelein gefragt -: dazu haben sie geführt, meine Damen und Herren, daß wir eine rechtliche, nämlich die vertragliche Grundlage haben, um Streitfragen zu regeln. Statt hier aufeinander loszugehen und übereinander herzufallen, was ansonsten auch ich gern sehe - das wissen Sie - und auch gern übe, sollten wir in einer Frage, die das nicht verträgt, überlegen und Voraussetzungen schaffen helfen -, und dann stolz sein, sie mitgeschaffen zu haben -, daß diese Streitfragen durch Verhandlungen positiv gelöst werden. Ich halte die Tatsache - ({4})
- Sie müssen sich noch üben in Zwischenrufen, Herr neuer Oppositionsführer! Entschuldigen Sie, das konnte ich besser, als ich Oppositionsführer war.
({5})
Sie, meine Damen und Herren, müssen daran denken, daß es in einem Punkte eine Übereinstimmung
gibt, aber schon nicht in den Motiven. Ich halte die Maßnahmen der DDR-Regierung für eine miese Maßnahme.
({6})
- Was wollen Sie denn, Dame, zeigen mit dem Finger! Das haben auch andere Leute schon gemacht. Das ist ein Problem, das man nicht durch Fingerzeigen und Hier-aufeinander-Eindreschen regeln kann.
({7})
Das können wir nur regeln, indem wir versuchen, Verhandlungen zu bekommen. Herrn Gaus Vorwürfe zu machen oder Herrn Bahr Vorwürfe zu machen, dies ist zu billig, als daß es lohnt, Ihnen dieses Blech zurückzugeben; das sage ich Ihnen.
({8})
Das können Sie sich an Ihren Christbaum hängen, dieses gestanzte Blech.
Weil Sie hier „Weihnachten" geschmolzen haben: Ich bin ebenfalls für Weihnachten. Deswegen habe ich daran erinnert, wie das an jenem 13. Dezember, Herr, war und an jenem 16. Dezember vor dem Weihnachten vor sieben Jahren. Und das Bundesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, ist weder Mauerbrecher noch Ersatz für Politik. - Ich danke, daß Sie immerhin so viel Geduld hatten.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Mahnungen zur Versöhnlichkeit, die Mahnungen, nicht aufeinander einzudreschen, hören wir vom Herrn Kollegen Wehner bezeichnenderweise in einem Augenblick, wo unsere Angriffe die Regierung offensichtlich in Verlegenheit versetzen.
({0})
Nach den uns heute in der Fragestunde gegebenen Antworten können wir uns des Eindrucks schwer erwehren, daß zwischen der verschärften Abgrengungspolitik der DDR einerseits und den unzureichenden Energien, die die Bundesregierung auf die Abwehr entsprechender Maßnahmen verwendet, andererseits ein innerer Zusammenhang besteht.
({1})
Denn das Grundübel der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung und der Koalition ist es doch, daß gewisse Kräfte innerhalb dieser Koalition geradezu in einen Wettbewerb darum eingetreten zu sein scheinen, wer der anderen Seite die besten Argumente liefert.
({2})
Da ist der Staatssekretär Grabert, der das Problem der Fluchthilfe erst hochspielt; da ist der Kollege Wehner, der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundvertrag als einen bloß internen
Vorgang abwertet und den Karlsruher Spruch als eine Belastung des Vertrages bzw. den Versuch, daran herumzumanipulieren, darstellt; da ist der Bundesminister Bahr, der einen Vorrang des Transitabkommens vor dem Grundgesetz behauptet und dadurch beweist, daß er dieses Grundgesetz ständig unter dem Arm und im Kopfe trägt, so wie er das versteht. Und da ist schließlich nicht zu vergessen, meine Damen und Herren, auch der Herr Bundeskanzler, der ja mit Herrn Wehner darin einig ist, sich nicht zum Gefangenen juristischer Formeln machen zu lassen,
({3})
dem, wie er schon 1970 gesagt hat, die bloße Juristerei zum Halse heraushängt und der sich bei der gleichen Gelegenheit zu der Aussage hinreißen ließ, die Juristerei in der Deutschlandfrage habe nur bestimmten Selbstbefriedigungsansprüchen genügen können.
({4})
Unter dieser Geringschätzung des Rechts im allgemeinen und klar formulierter Vertragsbestimmungen im besonderen leidet heute die Deutschlandpolitik dieser Regierung.
({5})
Dies um so mehr, als ganz offensichtlich das rechtliche Verständnis des Vertrages und seines Beiwerks nicht nur zwischen der Bundesregierung und der DDR, sondern auch innerhalb der Bundesregierung und der Koalition kontrovers ist.
({6})
Wie anders wäre es denn sonst zu verstehen, daß der Herr Bundesminister des Innern gestern auf Fragen des Kollegen Abelein sich in einer Weise geäußert hat, die schlechterdings unvereinbar ist mit dem, was etwa die Herren Bahr und Wehner vorher gesagt hatten?! Ist es denn nicht ein Skandal, daß der Verfassungsminister dieser Regierung wenige Monate, nachdem das Urteil ergangen ist, eines der Mitglieder dieser Regierung und die es stützenden Kräfte in der größeren Koalitionspartei an die Verbindlichkeit des bundesverfassungsgerichtlichen Spruchs erinnern muß?
({7})
Der Vorgang, meine Damen und Herren, enthüllt eben einmal mehr in einer zentralen Frage nicht nur der Deutschlandpolitik, sondern unseres Selbstverständnisses als demokratischer Rechtsstaat den Zustand innerer Zerrissenheit, in dem sich die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien befinden.
({8})
Die wachsende Renitenz der DDR in den laufenden Verhandlungen beweist, daß die DDR die Handlungsfähigkeit dieser Regierung und insbesondere die Entschlossenheit, namentlich der für die Deutschlandpolitik zuständigen Personen, sich für die Grundrechte aller Deutschen einzusetzen, gering einschätzt - wie ich fürchte, mit Recht.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Jäger hat hier vorhin dazu aufgefordert, die Regierung möge doch die Vorstöße der Opposition auffangen, sie sozusagen in eigene Vorstöße gegen die DDR umwandeln. Ich frage mich allerdings, Herr Kollege Jäger, wie Sie das eigentlich meinen können. Denn wenn ich einmal versuche, nachzuvollziehen, was von der Opposition heute hier gesagt worden ist, dann sind hier nicht Vorstöße gegen die DDR, sondern gegen die Bundesregierung ausgesprochen worden.
({0})
Die Frage, Herr Kollege Jäger, ob denn diese Bundesregierung oder die sie tragenden Koalitionsfraktionen etwa ein schlechtes Gewissen in der Frage ihrer Deutschlandpolitik hätten, kann ich nur mit einem ganz entschiedenen Nein beantworten. Wenn Sie, meine Damen und Herren, an die Zahlen denken, die für die Erfolge dieser Politik sprechen, dann ist von einem schlechten Gewissen keine Rede.
Ich frage mich, Herr Kollege Professor Klein, was wir als Koalition eigentlich an Ihren Angriffen auffangen sollten. Sie haben hier von einem inneren Zusamenhang zwischen der Politik der DDR und der Politik dieser Regierung gesprochen. Dazu verweise ich nur auf das, was mein Kollege Hoppe hier mit Recht über Sinn und Inhalt - auch Kollege Wehner hat es in sehr deutlichen Äußerungen wiederholt ({1})
dieser Maßnahme gesagt hat. - Ich begrüße die Gelegenheit, mich in dieser Frage auf den Kollegen Wehner berufen zu können. Herr Professor Klein, treten Sie hier gegen Äußerungen auf, in denen von Juristerei die Rede war. Meine Damen und Herren von der Opposition, lassen Sie sich einmal an eine Äußerung Ihres Altbundeskanzlers Adenauer in der Saar-Debatte er. innern, in der er gesagt hat, man könne Deutschlandpolitik nicht mit den Maßstäben eines preußischen Grundbuchrichters machen; ich stimme ihm in dieser Frage völlig zu.
({2})
Das, worum es in dieser Aktuellen Stunde geht, meine Damen und Herren, ist die Frage: Wie können wir tatsächlich gemeinsam Vorstöße in Richtung auf eine verfehlte Politik der DDR unternehmen? Das ist jetzt, Herr Professor Klein, nicht etwa mit der Unterstellung zu verbinden, dies würde in einer Situation gesagt, in der sich die Regierung oder die Koalition etwa in einer schlechten Position befände. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich in den wenigen Äußerungen, die ich bisher in diesem Hause tun konnte, auf diese Zusammenhänge
und auf diese Bitte um die Gemeinsamkeit in einer Frage, in der die Zielsetzung nun fürwahr gemeinsam sein sollte, immer wieder hingewiesen habe - und nicht etwa erst seit heute in dieser Auseinandersetzung im Rahmen der Aktuellen Stunde.
({3})
Verhandlungen und Vorstöße werden nicht gefördert, wenn unsere Verhandlungspositionen - und die Verhandlungen sind ja, wie Herr Bahr, sehr deutlich mit Daten belegt, hier ausgeführt hat, im Gange -, auch der DDR gegenüber, dadurch geschwächt werden, daß wir unsere Argumente und Möglichkeiten auf offenem Markt darlegen. Insofern, Herr Kollege Jäger, ist es eben doch eine Frage, ob nicht ein Unterschied zwischen den Verhandlungen im innerdeutschen Ausschuß und dem Versuch besteht, in einer Aktuellen Stunde das auf offenem Markt auszutragen, was an diffizilen Verhandlungsgegenständen von uns und von der andren Seite vorgebracht werden kann.
({4})
Ich meine, es sollte hier Einigkeit über die Motive, die hinter den Maßnahmen der DDR stehen, bestehen, aber es sollte auch Einigkeit darüber bestehen, daß die Fortsetzung der positiven Entwicklung der Besucherzahlen - ja wohl unbestritten m beiden Richtungen, wenn auch in unterschiedlichen absoluten Zahlen gemeinsames Ziel sein sollte. Eine feste, aber vom ganzen Hause getragene Haltung - meine Damen und Herren, auch von der Opposition - wäre dazu der beste Weg.
Es gibt ein sehr deutliches Beispiel dafür, daß das nicht ohne Erfolg zu bleiben braucht. Ich weise auf die Äußerungen von Herrn Honecker über die Frage der Bindungen West-Berlins an die Bundesrepublik ,hin. In dieser Frage hat es auf Grund unserer entschiedenen Haltung eine sehr deutliche Veränderung der Positionen der DDR gegeben. Ich meine, es kommt darauf an, daß wir mit deutlich zitierbaren Äußerungen; gar keine Frage - auch in der Frage der Erhöhung der Umtauschgebühr und möglicher anderer Behinderungen im zusätzlichen Reiseverkehr in einer gemeinsamen festen Haltung den Standpunkt vertreten, der dann auch zu Erfolgen führen wird.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Kunz ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute in der Aktuellen Stunde höchst unbefriedigende Antworten unter anderem auf die Frage nach dem Zuständigkeitskatalog des Herrn Sonderministers Bahr gehört. Ich kann nur sagen: diese Zuständigkeitsverwirrung wird jeden Tag größer.
({0})
Ich möchte deshalb, damit diese Zuständigkeitsverwirrung nicht unmittelbar auch noch eine Rechtsverwirrung wird sie ist ohnehin in hohem Maße
schon da -,
({1})
mir erlauben, eine Empfehlung zu geben. Ich würde Ihnen, Herr Sonderminister Bahr, empfehlen, sich in besonderer Weise mit dem Grundgesetz zu befassen.
({2})
Ich möchte Ihnen diese Empfehlung um so dringlicher geben, als Sie es sind, der bei jedweder Interpretation ausgerechnet die findet, die unseren Vertragspositionen am wenigsten optimal gerecht wird.
({3})
Diese Ihre Kunst hat sich nahezu zur Virtuosität gesteigert. In diesem Zusammenhang muß ich sagen: dieser Kunst muß, damit wir die Möglichkeit finden, wieder zu Gemeinsamkeiten zu kommen, endgültig Einhalt geboten werden.
({4})
Als, Herr Kollege Wehner, die Verträge abgeschlossen wurden, hatten Sie das Wort gefunden: „Wir brauchen die Opposition nicht." Jetzt, wo der Anspruch zwar immer noch gewaltig ist, die Ergebnisse aber schlechthin erschüttert sind, finden Sie wieder zur Gemeinsamkeit. Wir sind dazu sicherlich im Interesse der Sache bereit, aber nicht auf der Basis von Interpretationen, die zur Relation des Grundgesetzes führen.
({5})
Lassen Sie mich sagen, daß wir uns auch hier nicht mit Unterstellungen befassen, sondern mit Tatsachen.
({6})
Tatsache ist, daß sich der Besuchsverkehr nahezu halbiert hat und das sich die Deviseneinnahmen der DDR fast noch erhöhen und daß insbesondere eine Ordnung, ,die sich zum Schaufenster der Sozialität erhebt, nicht zu schamlos ist, um vor allem, wie mein Kollege Böhm hier gesagt hat, die Rentner auszuplündern. Ihre Politik, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist an dem Punkt angelangt, daß menschliche Erleichterungen kaum noch realisiert werden.
({7})
Sie ist an einem Punkt angelangt, wo der Regierende Bürgermeister von Berlin sich bemüht, angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfestes, Herr Kollege Mattick, das durchzuführen, was notwendig ist. Es waren aber gerade die Äußerungen von Herrn Bahr, die Berlin und den Interessen seiner Bürger in den Rücken fallen.
({8})
Wie soll man es denn sonst verstehen, wenn jemand sagt, über Gebühren könne man nicht verhandeln? Das sagt jemand, der doch wissen muß, daß eine unbefristete Erklärung der DDR vorliegt, wonach die damaligen Mindestumtauschgebühren so etwas wie
Kunz ({9})
eine Geschäftsgrundlage, und zwar im förmlichen Sinne - füge ich hinzu - darstellen.
({10})
Dies sind die Kompetenzen, die wir Ihnen wünschen, und wir wünschen, daß die Kompetenzen umgehend und unverzüglich so genutzt werden, daß der Herr Gaus nicht keinen Anlaß hat, sondern allen Anlaß, diese Angelegenheit so zu verhandeln, daß diese Willkürmaßnahme gänzlich rückgängig gemacht wird.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Geßner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann als Mitglied des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen bestätigen, daß die Regierung dort Auskunft über ihre Bemühungen gegeben hat, die Geldumtauschquote wieder zu senken. Wir haben heute nachmittag in der Fragestunde meiner Auffassung nach ebenfalls erschöpfende Auskunft über die Maßnahmen der Bundesregierung erhalten.
({0})
Trotzdem hat die Opposition eine Aktuelle Stunde beantragt. Ich kann vor dem Hintergrund dessen, was ich eben ausgeführt habe, nicht verstehen, daß diese Aktuelle Stunde dennoch beantragt worden ist. Ich sehe das als Zeichen dafür an, daß es der Opposition nicht um die Aufklärung von Sachverhalten geht, sondern um die Diskreditierung unserer Politik. Das ist das Motiv dieser Aktuellen Stunde heute!
({1})
Wir bedauern auch auf das tiefste, daß der Besucherstrom durch die Erhöhung der Geldumtauschquote schwächer geworden ist. Aber ich muß im gleichen Atemzug feststellen, daß das, was heute an Besuchern in die DDR hinüberfährt, noch das Fünfhis Sechsfache dessen ist, was in den besten Zeiten der CDU/CSU überhaupt möglich gewesen ist.
({2})
Und das zeigt ganz deutlich, meine Damen und Herren, daß es einfach ungerecht und unfair ist, ausschließlich über negative Punkte zu sprechen. Man muß vielmehr auch über die positiven Seiten unserer Politik reden, ob Ihnen das paßt oder nicht.
({3})
An dieser Stelle - um Ihren Zwischenruf zu beantworten - möchte ich dem Haus einige Zahlen zur
Kenntnis geben. Es handelt sich um Besuchsreisen von Bewohnern der DDR in dringenden Familienangelegenheiten. 1972 kam überhaupt niemand in die Bundesrepublik. Im August 1973 waren es 3223, im September 3507 und im Oktober 5191 Personen. Dies ist ein positiver Trend, und ich hoffe, Sie wissen das entsprechend zu würdigen. Man kann nun sagen: Was ist das schon, wenn 5000 Leute herüberkommen? Da kann ich nur erwidern: Dahinter stehen mehr als 5000 Schicksale, und auch an die muß man denken.
({4})
Ich habe den Eindruck, daß sich hinter der Debatte auch die Tatsache verbirgt das ist mein Eindruck, ich mag mich irren -,
({5})
daß es hier um das Abreagieren von Profilneurosen innerhalb der CDU/CSU geht, und da bin ich doch der Meinung - ich nehme an, alle Vernünftigen stimmen da zu , dazu sollte ein Parlament zu schade sein.
Die Bundesregierung wird alles Erdenkliche tun, daß diese Maßnahme der DDR rückgängig gemacht wird. Aber wer jemals die Hoffnung haben sollte, daß wir uns in eine Situation des kalten Krieges hineinprovozieren lassen würden, der wird sich getäuscht sehen. Der kalte Krieg ist für uns ad acta gelegt, ob das der Opposition paßt oder nicht.
({6})
Wir haben heute und auch in den vergangenen Tagen sehr häufig spüren müssen, daß die Opposition die Bemühungen der Bundesregierung in Frage stellt. Sie tut so, als geschehe nichts, und sie fragt: was ist denn geschehen? Und der Herr Kollege Abelein fragt: was können wir denn vor Weihnachten noch erwarten? Ich frage mich nur, wie weich er eigentlich die Kommunisten einschätzt.
({7})
-- Entschuldigen Sie bitte, Sie haben nicht zugehört. Herr Bahr hat gesagt, er sieht keine Chance, wenn Sie das gehört haben.
({8})
- Nein, nein! Das ist der Punkt, auf den es ankommt.
Ich wollte nur folgendes sagen. Wer die Absichten der Bundesregierung in Frage stellt, ermuntert die andere Seite, weiter so zu verfahren,
({9})
und das, meine Damen und Herren, nennen Sie Patriotismus! Ich bin der festen Überzeugung, wenn in den früheren Jahren - unter Ihrer Ägide -bessere und aktivere Politik gemacht worden wäre, wäre auch heute für diese Bundesregierung manches leichter. Ich bin auch der festen Überzeugung - und die Fakten und Daten beweisen das -, daß in den wenigen Jahren der sozialliberalen Koalition für die Bevölkerung in Ost und West mehr getan worden ist als in 20 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Ablauf der Fragestunde und auch der Aktuellen Stunde hat uns erschreckend deutlich gezeigt, wie groß inzwischen die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Politik der Bundesregierung im geteilten Deutschland geworden ist.
({0})
Die These der Bundesregierung war doch, man könne die Teilung nicht überwinden, man könne sie nur erträglicher machen. Heute zeigt sich: Die Bundesregierung hat die Teilung ein Stück weiter festgeschrieben - oder wie sie es nennt: normalisiert -, sie aber keineswegs erträglicher machen können.
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Die Hoffnungen von Millionen Menschen hüben und drüben werden zunehmend enttäuscht. Die sogenannten menschlichen Erleichterungen - in Wahrheit etwas weniger Unmenschlichkeit ({2})
seien Gegenleistungen, so hat man gesagt, für unsere Zugeständnisse. Mit großem Wahlkampfgetöse wurden im vorigen Herbst vom Bundeskanzler Verlobte aus der DDR auf Großkundgebungen als Kronzeugen für seine Ostpolitik vorgeführt. Heute sind die innerdeutschen Schlagzeilen ganz anderen Inhalts. Der Verkehrsvertrag und die Abmachungen im Zusammenhang mit dem Grundvertrag haben, wie sich immer deutlicher zeigt, der DDR die Möglichkeit gegeben, die Besuchskontakte willkürlich zu steuern.
Diese Maßnahmen höhlen den Sinn und den Inhalt der Verträge doch immer mehr aus. Bürger aus der Bundesrepublik können nur noch auf Antrag von Verwandten aus der DDR dort einreisen, und dabei wird auf die DDR-Bürger zunehmend Druck ausgeübt, solche Anträge nicht zu stellen.
({3})
DDR-Bürger brauchen für Besuche bei uns Genehmigungen ihrer Sicherheitsbehörden. Die Verdoppelung des Mauerzolls - von Klaus Schütz völlig zutreffend eine „frühkapitalistische Geldschneiderei" genannt - hat zu einer weiteren Drosselung, zu einer Halbierung der Kontakte geführt. Auf diesem Wege kann die DDR die Besuchskontakte willkürlich behindern, ja verhindern, ohne daß die Bundesregierung etwas Wirksames dagegen tut.
({4})
Für Angehörige der Volksarmee sind Briefkontakte mit dem Westen völlig verboten. Briefe aus dem Westen werden vor Aushändigung geöffnet und gelesen. Briefkontakte zwischen den Menschen aus der Bundesrepublik und der DDR werden erschwert und behindert. Ganze Belegschaften werden verpflichtet, solche Kontakte abzubrechen. Briefträger müssen die Empfänger von Westpost der SED melden.
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In dieser Woche, meine Damen und Herren, war der 25. Jahrestag der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, in denen die Freizügigkeit aller Menschen erklärt wird. Mitglieder der Bundesregierung haben sich in Reden und Erklärungen zu diesem Tag geäußert. Da war von Griechenland die Rede, von Chile - die DDR kam meistens überhaupt nicht vor, und wenn, dann ohne eine Spur der Anklage.
Wann wird die Bundesregierung endlich der UNO das einst von SPD-Kollegen geforderte Memorandum über die Lage der Menschenrechte in Deutschland vorlegen?
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Wie lange wird sie zu den fortdauernden Morden an Mauer und Stacheldraht noch schweigen?
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Wenn mit Erleichterungen im Besuchsverkehr zu Weihnachten nicht mehr zu rechnen ist, möge doch der Herr Bundeskanzler bitte den Menschen hüben und drüben eine Weihnachtsfreude bereiten: Er möge den hauptverantwortlichen Sonderminister Bahr entlassen!
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Herr Kollege Geßner davon sprach, seiner Meinung nach gehe es der Opposition offensichtlich mehr darum, diese Politik zu diskriminieren, als zur Sache etwas zu sagen, wurde mit sehr viel Freude von vielen Kollegen der Opposition gerufen: „Ja, sicher!" Das war ein sehr entlarvendes Geständnis, weil es deutlich machte, daß es eben nicht darum geht,
({0})
mit einer solchen Aktuellen Stunde die Möglichkeiten, die wir haben, Positionen zu unterstützen und auszubauen, sondern daß es darum geht, hier immer wieder in. Zweifel zu ziehen, ob es überhaupt sinnvoll ist, mit der DDR zu verhandeln.
({1})
Damit schaden Sie den Interessen aller in der Bundesrepublik.
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Hier ist soeben vom Herrn Kollegen Windelen davon gesprochen worden, daß in immer größerem Maße der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich werde. Daß wir den Anspruch nicht
zu tief ansetzen, war ja Ihre Forderung; daß wir den Anspruch nie zu hoch angesetzt haben, weil wir wußten, wie schwierig, wie langwierig das Ganze ist, das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen. Eins ist allerdings sicher: wenn wir Ihrer Politik gefolgt wären, hätten wir keinen Anlaß, eine Aktuelle Stunde durchzuführen, dann gäbe es überhaupt keine Begegnungen, dann wäre das alles nicht möglich.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist gesagt worden, es gehe darum, deutlich zu machen, wo Probleme seien. Der Hinweis auf den zuständigen Ausschuß wurde als nicht richtig bezeichnet, denn dieser Ausschuß stehe doch unter besonderen Kautelen. Das heißt doch schlichtweg, ,es geht nicht darum, im zuständigen Fachausschuß zu prüfen, welche Vorschläge, welche Überlegungen man in die Diskussion einbringen kann, sondern es geht Ihnen darum, ein Spektakulum ohne Rücksicht darauf zu inszenieren, was dabei herauskommt.
({4})
Denn sonst wäre der Hinweis auf die Vertraulichkeit, daß man das nicht alles ausbreiten könne, doch nicht verständlich.
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Sie haben hier bezweifelt, daß von uns versucht wird, das zu tun, was möglich ist. Sie haben eine genaue Aufschlüsselung der Daten bekommen. Natürlich wäre es uns lieber, wenn der Verhandlungspartner, der Vertragspartner der gleiche wäre, wie wir das bei anderen Verhandlungen erleben. Wir haben ihn nicht erfunden, Sie haben ihn nicht erfunden; doch eines wissen wir: wir werden auf Dauer - wie der Hinweis auf die Erklärung Honeckers zu der Frage des Berlin-Abkommens deutlich macht - nur mit einer sachgerechten, zielbewußt auf die Verbesserung der Situation ausgerichteten Politik weiterkommen, aber niemals mit dem Versuch, die andere Seite als einen Nichtverhandlungspartner, als einen Nichtgesprächspartner zu behandeln, wie Sie es tun.
({6})
Wenn Sie diesen Weg weitergehen, werden Sie auch das nicht erreichen, was wir bisher erreichen konnten.
({7})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde.
Zu einer persönlichen Bemerkung gemäß § 35 der Geschäftsordnung hat sich der Kollege Höcherl gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Herrn Bundessonderminister Bahr wurde die Gretchenfrage vorgelegt, wie er es denn mit der Verfassung und mit der Verfassungskraft des großen Urteils des Bundesverfassungsgerichts halte. Er hat es für richtig befunden, sich hier auf meine Kosten zu entlasten. Anstatt eine anständige Antwort zu geben und hier ein Bekenntnis zu dieser Verfassung abzulegen, meinte er, er könne sich auf eine Bemerkung von mir aus meiner Zeit als Innenminister berufen.
Herr Bundesminister Bahr, auch wenn Sie nur Sonderminister sind, verlange ich von Ihnen, daß Sie hier informiert auftreten und sich, bevor Sie die Ehre eines Kollegen angreifen, vorher etwas erkundigen.
({0})
Weit ist es schon von diesen Vorgängen. Sie sind ja ganz jung im Geschäft - obwohl eine viel größere Verantwortung hinzukam, als Ihr Rang das verlangte -, und deshalb will ich Ihnen einmal erklären, wie das war.
Das war im Jahre 1964. Da hat ein Massenblatt die Behauptung erhoben, das Bundesamt für Verfassungsschutz würde abhören. Der heutige Vorsitzende des Innenausschusses, Professor Schäfer, ging dann in seiner Phantasie so weit, zu sagen, auch das Parlament würde abgehört. Daraufhin habe ich in einem privaten Telefongespräch mit einem Journalisten erklärt, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe folgende Aufgaben: Links- und Rechtsradikale zu beobachten, vor allem die Abwehr von Spionage zu betreiben und Persönlichkeiten mit wichtigen Am-tern zu überprüfen. Dann habe ich diesem Journalisten erklärt: Natürlich haben die Links- und Rechtsradikalen nicht die Liebenswürdigkeit, ihre Absichten in das Haus zu tragen; wir müssen uns also gewisser Leute bedienen, die nicht mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen. Diese Leute - ({1}) - So war es!
Herr Bahr, wenn Sie glauben, so verfahren zu können, - ich halte das für eine grobe Ehrabschneidung, und wenn Sie einen Funken Ehre im Leibe haben, entschuldigen Sie sich hier.
({2})
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes ({0})
- Drucksache 7/1328 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({1}) Innenausschuß
Rechtsausschuß
Vizepräsident Frau Funcke
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Bundesminister von Dohnanyi!
({2})
- Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie die Fortsetzung der Beratung dadurch erleichtern könnten, das Sie entweder hier bleiben oder hinausgehen, aber bitte nicht stehend die Beratung behindern.
({3})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast vier Jahre dauert jetzt die Debatte um eine Rahmengesetzgebung des Bundes für die Hochschulen in unserem Land. Noch immer sind alle Parteien, Länder und Bund einig, daß wir ein solches Gesetz brauchen, und noch immer scheinen sich die hochschulpolitischen Fronten unversöhnbar gegenüberzustehen.
Der scharfe Ton, mit dem die Opposition in der vergangenen Woche von dieser Stelle aus die Hochschulpolitik des Bundes kritisiert hat, wird jedoch von der Bundesregierung ausdrücklich nicht aufgenommen werden. Ich will auch der Versuchung widerstehen, mich, wie dies die Opposition in der vergangenen Woche getan hat, mit dem Schicksal des ersten Hochschulrahmengesetzes der Regierung Brandt/Scheel im 6. Deutschen Bundestag lange zu beschäftigen.
({0})
Entscheidend ist allein, welches Gesetz wir heute wollen.
Nur eine historische Korrektur sei mir erlaubt. Wenn Herr Kollege Gölter in der vergangenen Woche meinte, die Opposition habe die sozialliberale Koalition daran gehindert, ein verfassungswidriges Gesetz zu verabschieden, so hätte er diesen Maßstab auch an das damalige Hochschulgesetz Baden-Württembergs, Herr Kollege Hahn, und wohl auch an das noch heute geltende Hochschulgesetz von Rheinland-Pfalz, Herr Kollege Vogel, anlegen müssen. Herr Gölter, seien wir doch in diesen Fragen keine Pharisäer! Aber dies war schon fast zu viel über die Vergangenheit. Denn die Vorlage der ersten Regierung Brandt/Scheel hat zwar in einer Reihe von Landesgesetzen und Entwürfen tiefe Spuren hinterlassen, auch ohne Gesetzeskraft zu erlangen; aber der Entwurf, den die Regierung heute einbringt, ist mehr als eine Neuauflage der Vorlage aus dem Jahre 1970. Zwei bedeutsame Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie die Erfahrungen der Hochschulen und der Hochschulpolitik seit 1970 führten zu einem neuen und, wie ich meine, auch einem besseren Entwurf. Die hier kritisch gemeinte Bemerkung der Opposition, die Bundesregierung habe offenbar dazugelernt, ist für uns ein Kompliment. Ich wünsche mir nur, die Regierung könnte dieses Kompliment bald auch an die Opposition zurückgeben.
({1})
Natürlich haben wir gelernt, sicherlich haben wir in der Vergangenheit nicht immer recht gehabt. Wenn die Opposition allerdings von sich meint, sie habe immer recht gehabt, dann bleibt uns wenig Hoffnung.
({2})
- Es ist gut, Herr Kollege Gölter, daß Sie das nicht behaupten. Ich nehme das zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, Bevölkerung und Hochschulen erwarten gerade vom Bund entscheidende Beiträge zur Erneuerung der Hochschulen. Aber die Probleme der Hochschulen sind ebenso umfassend, wie die Handlungsgrundlagen des Bundes auf dem Hochschulsektor schmal sind; denn die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Bundes erstreckt sich im wesentlichen auf die Beteiligung an Neubau und Ausbau, auf den Erlaß von Rahmenvorschriften über die „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens", auf die Forschungsförderungskompetenz und auf die Mitverantwortung des Bundes im Bereich der Bildungsplanung nach Art. 91 b des Grundgesetzes. Die Zuständigkeiten sind also nicht nur verschiedenartig, sondern auch begrenzt; aber die Verantwortung ist unbegrenzt.
Weil die Hochschulpolitik unter diesen Umständen von Bund und Ländern gemeinsam gemacht werden muß, hat die Bundesregierung dieses Gesetz als ein zustimmungspflichtiges Gesetz eingebracht, obwohl eine Rahmengesetzgebung des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens an sich nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Bundesregierung sucht damit also ausdrücklich den Konsens mit den Ländern in dieser wichtigen Frage der Bildungs- und Wissenschaftspolitik.
Hochschulpolitik ist Bildungspolitik und Wissenschaftspolitik. Die Hochschulen sind als Ausbildungsstätten dabei vom übrigen Bildungswesen nicht zu trennen; sie sind ein Bestandteil desselben wie die Berufsbildung, wie die Schulen. Die Bundesregierung hat deswegen, Herr Kollege Gölter, in der vergangenen Woche bei der Debatte über die quantitativen Probleme unserer Hochschulen darauf hingewiesen, daß die Probleme der Hochschulen nicht isoliert gelöst werden können, ja, daß ihre erfolgreiche Bewältigung untrennbar ist von der Neuordnung des ganzen Bildungswesens. Ich habe das bereits in der Debatte im Januar 1970 vor dem Deutschen Bundestag gesagt und möchte die Opposition hier noch einmal eindringlich bitten, sich mit der Notwendigkeit einer geschlossenen bildungspolitischen Konzeption für ihre Hochschulpolitik auseinanderzusetzen. Eine solche Konzeption ist notwendig auch für die Regelung von Einzelfragen im Hochschulbereich.
({3})
- Dies zu sagen, Herr Kollege Probst, ist keine Ausflucht, wie die Opposition offenbar irrtümlich meint, sondern der Versuch, in diesem Hause das breite bildungspolitische Fundament zu schaffen, das wir für die Erneuerung unserer Hochschulen benötigen.
({4})
Ich habe in diesem Zusammenhang in der vergangenen Woche einige Fragen an die Opposition gestellt.
Von ihrer Beantwortung wird die Möglichkeit eines Konsenses abhängen.
({5})
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung geht bei ihrer Hochschulpolitik davon aus, daß Hochschulbildung eine Vielzahl sozialer Vorteile und damit natürlich auch sozialer Verantwortungen vermittelt. Deswegen ist sie der Auffassung, daß bei allen Fragen des Hochschulzugangs der Aspekt der Chancengleichheit eine zentrale Rolle spielen muß; denn auch ein sinnvolles Leistungsprinzip, wie wir es alle wollen, ist ohne Chancengleichheit unerträglich. Regierung und Opposition haben sich über das Ziel der Chancengleichheit bisher nicht gestritten, allerdings um so heftiger über sinnvolle Wege dorthin.
Wohl niemand in diesem Hause will die Weichen für den Hochschulzugang wieder, wie dies in der Zeit vor der Weimarer Grundschulreform der Fall war, durch unterschiedliche, vertikal gegliederte Vorschulklassen zu Gymnasien und Volksschule stellen. Weil wir uns - das hoffe ich jedenfalls - wohl alle in diesem Hause gegen jede Einführung von Zugangsprüfungen zum Gymnasium bei den 10jährigen wenden würden, müssen wir eben darüber debattieren, wann und auf welche Weise die Weichen für die Chancen zum Hochschulstudium gestellt werden sollen. Die Bundesregierung meint dazu, solange das Schulsystem den Hochschulzugang in erster Linie an das Gymnasium bindet und die Entscheidung zwischen Gymnasium einerseits und Realschule bzw. Hauptschule andererseits bei den 10jährigen getroffen wird, kann Chancengleichheit im Hochschulzugang kaum geschaffen werden, es sei denn, man wolle alle 10jährigen zunächst in das Gymnasium übernehmen - eine sicherlich ebenso unbeabsichtigte wie unzweckmäßige Form der Verwirklichung der Gesamtschule.
Ich wiederhole hier also meine Voraussage: So lange wir nicht in der Lage sind, glaubhaft zu machen, daß die Chancen für einen Hochschulzugang eher am Ende der Schulpflichtzeit als zu Beginn der Mittelstufe verteilt werden und daß diese Chancen auch in der Oberstufe für Absolventen beruflicher Bildungswege wenigstens offenbleiben, so lange können wir die Expansion in Richtung auf immer mehr Gymnasialabiturienten nicht aufhalten und so lange werden sich die Probleme an den Übergängen zwischen Schulabschluß und Hochschule verschärfen. Die Bundesregierung verfolgt auch aus diesem Grunde - ich unterstreiche dies als ein Element ihrer Hochschulpolitik - das Ziel einer schrittweisen und pragmatischen Verwirklichung der Gesamtschule, die die gesamte Vollzeitschulpflicht umfassen muß. Sie vertritt ebenso die Auffassung, daß die Berufsbildung ein Teil der Sekundarstufe II sein muß oder, anders gesagt, daß die Berufsbildung in das allgemeine Bildungssystem integriert werden muß.
({6})
- Herr Kollege Probst, dies mögen für Sie Sprüche sein, wenn wir von der Gleichwertigkeit der beruflichen und der allgemeinen Bildung sprechen. Von uns ist das ernst gemeint.
({7})
Auch hier, Herr Probst, überschneiden sich gesellschaftspolitische und bildungspolitische Argumente. Es erscheint uns undenkbar, eine wirklich gleichwertige berufliche Bildung herzustellen, wenn diese nicht Teil der staatlichen Verantwortung für eine umfassende Sekundarstufe II ist. Es erscheint uns hoffnungslos, eine sinnvolle und gerechte Verteilung der beruflichen Chancen in der Oberstufe und vor dem Hochschulzugang zu erreichen, wenn diese Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Schulbildung nicht verwirklicht wird.
Diese Probleme stehen heute nicht unmittelbar zur Debatte. Und doch kann die Neuordnung des Hochschulwesens, die wir hier diskutieren, nur im Zusammenhang mit einer umfassenden bildungspolitischen Konzeption realisiert werden.
Auch die forschungspolitische Funktion der Hochschulen muß auf einem allgemeinen Hintergrund gesehen werden, denn die Hochschulen sind nicht nur Teil des Bildungswesens; sie sind in gleicher Weise ein unverzichtbarer Bestandteil von Wissenschaft und Forschung in unserem Lande. Der Vorwurf, den wir von der CDU/CSU auch im Bundesrat haben hören müssen, der Entwurf vernachlässige die Forschungsaufgaben der Hochschulen, ist ungerechtfertigt. Meine Damen und Herren, ich kenne jedenfalls kein Landesgesetz, das sich mit gleicher Intensität der Probleme in der Hochschulforschung annimmt. Ich wäre daher dankbar, wenn dieser Vorwurf in diesem Hause nicht wieder erhoben würde. Er lenkt nur von den wirklichen Aufgaben ab.
({8})
Die Bundesregierung sieht allerdings die Forschungsaufgaben der Hochschulen als einen Aspekt, der alle Hochschulen berührt. Der Entwurf sieht daher für alle Hochschulen - gleich, ob klassische, wissenschaftliche Universitäten oder Fachhochschulen -- einen sinnvollen Zugang zur Forschung vor, und die Gesamthochschule soll dies fördern.
Die Formel von der Einheit von Forschung und Lehre müssen wir inhaltlich ohnehin neu begreifen. Daß sich die Anteile von Forschung und Lehre in den Universitäten zugunsten der Lehre verschieben, ist unvermeidlich. Diese Tendenz wird sich fortsetzen. Man kann nicht nahezu ein Viertel eines Jahrgangs in den Hochschulen ausbilden und davon ausgehen, daß die Forschung den gleichen Anteil an Personal und Mitteln fortschreiben wird, den sie zu einer Zeit innehatte, als lediglich 2 bis 4%eines Jahrgangs die Hochschulen besuchten. Die Folge der Schwerpunktverschiebung in Richtung auf die Lehre müssen eine Differenzierung der Dienstaufgaben an den Hochschulen und die Konzentration der Forschung sein. Wir werden unterscheiden müssen, wo Forschung an unseren Universitäten, Fachhochschulen und Gesamthochschulen kreative Wissenschaft mit der dafür notwendigen, oft kostspieliger
Ausstattung sein kann und wo Forschung in erster Linie eine umfassende Möglichkeit der wissenschaftlichen Fortbildung des lehrenden Hochschulpersonals und des forschenden Lernens der Studenten darstellt. Die Qualität unserer Hochschulen jedenfalls wird nicht dann am besten sein, wenn wir die Forschungsmittel auf einen für Ausbildungszwecke wesentlich vergrößerten Lehrkörper ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgaben gleichmäßig und damit am Ende zu dünn verteilen.
Wir brauchen also, so scheint mir, ein neues Selbstverständnis unserer Hochschulen in der Erfüllung der Forschungsaufgaben. Die Hochschulen sind Stätten sowohl der Berufsbildung als auch der Forschung. Das Gewicht der Berufsbildung in den Hochschulen hat zugenommen und wird weiter zunehmen. Einer mit der Wissenschaftlichkeit der Hochschule begründeten pauschalen Forderung, alte Gewohnheiten und alte Rechte in neue Hochschulaufgaben unbesehen zu übernehmen, kann nicht nachgegeben werden.
({9})
Die Abstimmung von Forschungsschwerpunkten innerhalb des Hochschulsystems und mit der Forschung außerhalb der Hochschulen ist unerläßlich. Forschung muß dabei konzentriert und Forschungs- und Lehraufgaben müssen nach Befähigung zugeordnet werden.
Dennoch sind Lehre und Forschung gleichwertige und gleichberechtigte Aufgaben an unseren Hochschulen. Sie dürfen nicht im Prestige und auch nicht in der Besoldung derart unterschieden werden, daß derjenige, der mehr Forschungsmittel und mehr Forschungszeit zur Verfügung hat, zwangsläufig als der bessere und deswegen immer auch als der höher besoldete Hochschullehrer angesehen wird. Nur wenn wir die Gleichwertigkeit von Forschung und Lehre an unseren Hochschulen prinzipiell herstellen, können wir guten Gewissens denjenigen, die eine besondere Befähigung für die Forschung haben, die dafür erforderlichen besonderen Bedingungen einräumen. Und daß dies wiederum erforderlich ist, wenn wir die Qualität unserer Hochschulen behalten oder wiederherstellen wollen, daran kann kein Zweifel bestehen.
Meine Damen und Herren, ich habe die Einbettung unserer Hochschulpolitik in die allgemeine Bildungs-und in die Forschungspolitik verdeutlicht. Ich komme nun zu einigen umstrittenen Einzelheiten der Vorlage. Gestatten Sie mir aber zuvor eine Zwischenbemerkung.
Bildungspolitik ist in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer Geheimwissenschaft, Hochschulpolitik zu einer Art Organisationsschach für Fortgeschrittene geworden.
({10})
Man muß hier daran erinnern, daß Hochschulpolitik nicht für Hochschulpolitiker, sondern für Hochschule und Gesellschaft gemacht wird.
({11})
Als Ausgangspunkt für die Behandlung der Regierungsvorlage sollten deswegen nicht immer wieder in abstrakter Ablösung von den Realitäten der Hochschullandschaft Modelle der Organisation zur Debatte gestellt werden. Ausgangspunkt sollten vielmehr die Sorgen und Fragen der Hochschulen selbst sein.
({12})
- So, Herr Kollege Probst, wurde die Regierungsvorlage erarbeitet. Ich wäre dankbar, wenn wir hier auch so debattieren könnten.
Das drängendste aktuelle Problem der Hochschulen ist ihre Überfüllung. Ein unseliger Teufelskreis ist zwischen inneren Reformen und quantitativer Überlastung entstanden. Der aus den Schulen kommende Abiturientendruck erschwert einerseits die inneren Reformen in den Hochschulen oder macht sie gar unmöglich, andererseits verstärkt wiederum der Mangel an innerer Reform, darunter insbesondere das Ausbleiben der Studienreform, die quantitativen Probleme. Kapazitätsregelungen sind daher für die Hochschulpolitik von entscheidender Bedeutung. Wir dürfen die Qualität der Hochschulen nicht in einem quantitativen Überdruck ersticken.
In der vergangenen Woche wurden in diesem Hause die Bauleistungen von Ländern und Bund behandelt. Ich glaube, Bundestag und Öffentlichkeit haben Klarheit darüber gewonnen, daß seit 1970 durch Länder und Bund mehr Studienplätze gebaut wurden, als bei Beginn der sozialliberalen Koalition von irgendeiner Seite angenommen oder versprochen wurde.
Allerdings müssen in Zukunft die Bauentscheidungen noch rationeller an Richtwerten und Ausbauzielen gemessen werden. Der vierte Rahmenplan für den Aus- und Neubau der Hochschulen, den Länder und Bund gegenwärtig vorbereiten, wird die erforderlichen Zielsetzungen enthalten. Billigeres und zweckmäßigeres Bauen und ein Abschied von überflüssigem Luxus werden uns dabei noch intensiver zu beschäftigen haben. Ebenso ist es wichtig, daß die geschaffenen Kapazitäten besser genutzt werden. Der Regierungsentwurf legt in den §§ 29 f. Grundsätze für die Ermittlung vorhandener Kapazitäten fest. Dabei möchte ich besonders darauf hinweisen, daß bei jeder Begrenzung von Hochschulplätzen nach § 30 auch ein Nachweis der auf jeder wissenschaftlichen Planstelle während der letzten Jahre erbrachten Lehrleistungen erforderlich ist. Anlaß dazu war uns die gemeinsame Einsicht von Ländern und Bund, daß einerseits trotz deutlicher Verbesserungen der Planstellen fast immer Personalengpässe für die Begrenzung der Studienplätze geltend gemacht werden, andererseits aber das vorhandene Lehrpersonal oft überlastet ist, aber oft auch nicht einmal die vorgeschriebene Lehrleistung erbringt.
Ich verweise hierzu auf den Bericht des Präsidenten des Rechnungshofes Baden-Württembergs vom 12. November 1973. Danach haben an einer Universität z. B. die Akademischen Räte trotz eines Lehrdeputats von 14 Wochenstunden tatsächlich nur 5,4 Wochenstunden gelehrt. Das ließe sich fortsetzen für andere zur Lehre Verpflichteten. In diesen Tagen
hat der Bayerische Oberste Rechnungshof in seinem Bericht für das Jahr 1971 festgestellt, daß ein Drittel der Professoren an der Universiät München weniger lehrt, als vorgeschrieben ist; so jedenfalls eine seriöse Zeitungsmeldung. In 45 °/o der beanstandeten Fälle wurde bis zu drei Wochenstunden gelehrt, während der Mindestumfang der Lehrverpflichtungen sechs Wochenstunden beträgt.
Mir ist klar, daß die Selbstverwaltung heute oft starke Ansprüche an die Hochschullehrer stellt. Aber das darf kein Alibi werden.
({13})
Der Entwurf versucht im übrigen, die Gremienarbeit zu straffen und zu beschleunigen.
({14})
Die Übersicht über die wirklichen Kapazitäten und ihre sinnvolle Ausnutzung ohne erdrückende Überbelastung sind ein wesentliches Ziel der entsprechenden Vorschriften des Entwurfs. Ohne diese Voraussetzung wird alles, was wir über die inneren Reformen an den Hochschulen sagen, Makulatur.
Seit letzter Woche ist nun klar, daß alle Seiten des Hauses die Begrenzung des Hochschulausbaus entlang den Zielwerten der Bund-Länder-Kommission unterstützen. Nur ein Illusionist kann jedoch glauben, daß sich dieses Ziel mit dem reibungslosen Mechanismus von Angebot und Nachfrage erreichen läßt. Es wird schon auf mittlere Frist nicht nur mehr Studienberechtigte, sondern auch mehr Studienbewerber als Studienplätze für die meisten Fächer geben. Das aber zwingt uns zum rechtzeitigen Überdenken der Regelungen des Hochschulzugangs.
Wir sollten die Studienplätze schon heute nicht mehr, aber wir können sie auf die Dauer ganz sicherlich nicht in erster Linie nach dem Schulnotendurchschnitt verteilen Wir wissen doch alle, wie wenig vergleichbar die Noten von Land zu Land, von Schule zu Schule, von Lehrer zu Lehrer sind. Wir wissen, daß sie oft wenig über die Eignung zu einem Studium oder einem Beruf aussagen.
Wir kennen die Folgen für unsere Schule: Fächerwahl nach opportunistischer Chancenarithmetik und ungewollte Verschärfung des Leistungsdrucks bis in die mittleren Schuljahrgänge hinein. Wir kennen die Folgen noch nicht für die Berufswelt. Aber ich will noch einmal betonen: Die Ärzte in unserem Land sind bereits besorgt über einen Nachwuchs, der sich im wesentlichen aus Spitzenlernern rekrutiert.
Wir können es auch nicht länger verantworten, Wartezeiten als solche bei der Zulassung zu honorieren. Wir wissen doch alle, daß wir durch die Berücksichtigung von Wartezeiten in den Hochschulen das Wartestudium auf Kosten anderer Studienbewerber fördern und so die Zulassungsbeschränkungen von Fach zu Fach weiterwälzen. Der Regierungsentwurf zeigt mit der Berücksichtigung vor allem beruflicher Tätigkeiten einen nach unserer Auffassung sinnvolleren Weg auf: Den abgewiesenen Studienbewerbern werden Alternativen zum Studium gezeigt und frühzeitig Berufsmöglichkeiten für den Fall eröffnet, daß sie ihren Studienwunsch endgültig aufgeben müssen.
Der Regierungsentwurf sieht aber mit der Entwicklung eines Hochschuleingangsverfahrens und dem Schulgutachten ein Zugangssystem vor, das auf längere Sicht gewährleisten kann, daß die für ein Studium wahrscheinlich am besten Geeigneten auch wirklich zugelassen werden. Wir können, so meine ich, doch nicht an den positiven Erfahrungen anderer Länder mit Hochschuleingangsverfahren und - ich unterstreiche das - auch mit dem Schulgutachten einfach vorbeigehen. Ich hoffe daher sehr, daß der Bundestag einmütig das Ansinnen der Bundesratsmehrheit ablehnt, man möge es in der Frage des Hochschulzugangs beim Staatsvertrag belassen.
({15})
An zweiter Stelle der Sorgen in den Hochschulen stehen die Studieninhalte und die Organisation der Studiengänge. Bei der Neuordnung der Studiengänge sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer stärkeren Betonung der berufsbezogenen, praxisorientierten Seite des Hochschulstudiums. Hierin die Gefahr einer „Verschulung" zu sehen, wie dies auch im Bundesrat angeklungen ist, halte ich für unbegründet. Wer heute Studenten in den ersten Semestern und Hochschullehrer nach den Zielen einer Studienreform fragt, wird mit großer Eindringlichkeit auf die Notwendigkeit einer klareren Ordnung der Studiengänge in den ersten Semestern, ja, ihrer stärkeren „Verschulung" im guten Sinne dieses Wortes hingewiesen.
Über die Studienreform ist in den vergangenen Jahren viel debattiert worden. Aber man ist darin einig, daß sie kaum begonnen hat. Fehlte es am guten Willen, daß sie nicht wirklich in Gang kam? Ich glaube, kaum. Die Regierung ist nach sorgfältiger Analyse zu dem Ergebnis gekommen, daß die Studienreform nur dann zügig in Gang gesetzt werden wird, wenn in der Rahmengesetzgebung die Frage entschieden wird, ob die zeitliche Länge der einzelnen Studiengänge vorzugeben sei oder ob die Studienlänge das Ergebnis der Studienreformüberlegungen sein sollte.
Wir haben uns hier klar entschieden: Der Entwurf geht davon aus, daß die Festsetzung von Studienzeiten für bestimmte Studiengänge zwar an Hand von Erfahrungen, Studienzielen und internationalen Vergleichen erfolgen sollte, daß jedoch eine derartige Begrenzung letztlich immer eine bildungspolitische Entscheidung sein muß. Jeder Studiengang läßt sich nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auch auf die doppelte Länge sogar der heute üblichen Studienzeiten erstrecken, ohne daß das Studium damit inhaltslos oder redundant werden müßte.
Die Regierung geht aber auch davon aus, daß eine Studienreform nur dann in Gang kommen wird, wenn diese Studienzeiten bildungspolitisch vorgegeben werden. Sie hat deswegen im § 74 Abs. 2 festgesetzt, daß zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zunächst diejenigen Studienzeiten als Regel4436
studienzeiten gelten sollen, die heute in den Prüfungsordnungen verankert sind.
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- Bildungspolitisch vorgegeben, hatte ich gesagt. - Der Entwurf erlaubt - entgegen vielen Mißverständnissen - ein differenziertes System von Studienzeitlängen: sowohl weniger als drei Jahre als auch mehr als fünf Jahre. Drei oder vier Jahre sollen allerdings nach der heute gegebenen Erfahrung die Regel sein - aber auch nicht mehr als die Regel. Ich bitte: auch hier keine Legenden!
Regelstudienzeiten ohne Konsequenzen hinsichtlich der Nutzung der Hochschuleinrichtungen wären ohne Bedeutung. Die Regierung hat daher an die Einhaltung der Regelstudienzeiten bestimmte und, wie sie meint, faire Konsequenzen geknüpft. Der Zwang zur Einhaltung der Regelstudienzeiten wird aber zum erstenmal für die Studienanfänger des Jahres 1976 bestehen - ich unterstreiche: die Studienanfänger 1976 -, wenn das Hochschulrahmengesetz im Sommer 1974 verabschiedet wird. Die Regierung ist der Auffassung, daß in dieser von ihr gesetzten Zweijahresfrist die bestehenden Studiengänge so gestrafft, reorganisiert und „entrümpelt" werden können, daß - auch ohne Vollendung der „Daueraufgabe Studienreform" - die Einhaltung der Regelstudienzeiten für alle Studienanfänger des Jahres 1976 möglich wird. Insofern bleibt es bei dem Grundsatz: Erst Studienreform und dann Regelstudienzeiten. Allerdings muß die Konsequenz der Regelstudienzeiten für einen bestimmten Zeitpunkt angekündigt werden, wenn die Impulse für den Anfang der Studienreform ausreichen sollen.
Die Bundesregierung wird im übrigen durch Modellversuche und andere Forschungsvorhaben Ländern und Hochschulen versuchen zu helfen, die im Rahmengesetzentwurf festgelegten Bedingungen zu erfüllen. Sie hat im Entwurf die Studienreform zur Aufgabe der Hochschullehrer gemacht, um auch auf diese Weise Kräfte für die Aufgabe der Studienreform freizusetzen.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Studienreform in erster Linie Aufgabe der Hochschulen sein muß. Zwar sollen überregionale Studienreformkommissionen die Studienreform in einer gewissen Einheitlichkeit vorantreiben. Die Bundesregierung überschätzt jedoch nicht die Bedeutung dieser Einheitlichkeit: Unser Land ist nicht so klein, daß es sinnvoll wäre, uneingeschränkt vergleichbare Studiengänge an allen Hochschulen über einen Leisten zu schlagen. Bei Einhaltung gemeinsamer Grundsätze ist vielmehr eine gewisse Vielfalt auch für die Fortentwicklung des Studiensystems in unserem Lande sinnvoll. Nichts scheint mir dagegen einzuwenden zu sein, wenn bei der Einstellung eines Hochschulabsolventen auch zukünftig mit dem Abschluß an einer bestimmten Hochschule besondere inhaltliche und qualitative Erwartungen verbunden werden können.
Die Bundesregierung ist zwar der Auffassung, daß den Hochschulen eine führende Rolle in der Studienreform zukommt, sie ist aber andererseits der Meinung, daß alle Studiengänge in die Studienreform einbezogen werden müssen. Und das heißt, daß auch die mit staatlichen Prüfungen abschließenden Studiengänge einzubeziehen sind. Weil aber den Hochschulen ein so entscheidendes Gewicht in der Studienreform zukommt, soll die übergreifende Studienreformkommission, in der die allgemeinen Grundsätze geregelt werden, unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte und unter Stimmbeteiligung insbesondere der staatlichen Mitglieder stattfinden.
Ich komme nun, meine Damen und Herren, zum dritten Bereich der Sorgen unserer Hochschulen: Organisationsstruktur und Entscheidungsprozesse. Die Bundesregierung ist hier der Auffassung, daß die Hochschulen noch immer unter einer völlig unzureichenden Unterstützung durch fachkundige Verwaltung leiden. Hochschulen sind heute nun einmal Großunternehmen mit Jahreshaushalten bis zu einer halben Milliarde DM. Hier kann nicht mit engagierter, aber letztlich doch dilettantischer, weil von Jahr zu Jahr wechselnder Verwaltungsspitze gearbeitet werden.
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- Herr Kollege Gölter, über die Kriterien beim Präsidenten werden wir noch einmal sprechen. Bei den Beratungen im Ausschuß wurde -ganz klar, daß bei Ihren Kriterien selbst ein bildungs- und wissenschaftspolitisch versierter Bundestagsabgeordneter niemals Hochschulpräsident werden könnte.
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Ich komme nun zu der am meisten umstrittenen Organisationsfrage der Hochschulpolitik, von der ich allerdings meine, daß sie vielfach im luftleeren Raum debattiert wird. Ich meine die Frage der Mitbestimmung.
Im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage ist in der Öffentlichkeit vielfach erneut die sogenannte und mit diesem Wort ja wohl auch gelegentlich geschmähte Gruppenuniversität in Frage gestellt worden. Eines müssen wir klar sehen: Diese sogenannte Gruppenuniversität ist die logische Fortsetzung der Hochschulautonomie in einer demokratischen Gesellschaft. Den Sachverstand von Asistenzprofessoren und Studenten z. B. in Forschungsfragen heute dort zu bestreiten, wo früher uninteressierte Kollegen aus ganz anderen Disziplinen mitstimmen konnten, ist doch wenig überzeugend.
Ich bin zwar persönlich der Meinung, daß in den sechziger Jahren eine von starker staatlicher Hand geleitete Hochschulreform, die den Hochschullehrern ihre Pflichten deutlich gemacht und damit ihre zentrale Verantwortung für die Hochschule unterstrichen hätte, wahrscheinlich schneller zu einer Reform in dem von uns gewünschten Sinne geführt hätte. Heute könnten wir dann in eine so reformierte Hochschulstruktur auch die von uns gewünschte Mitbestimmung erfolgreicher einbringen. Der Staat hat aber in den sechziger Jahren diese seine VerantworBundesminister Dr. von Dohnanyi
tung nicht wahrgenommen. Anstelle einer klar vom Staat geführten Hochschulreform wurden die schwierigen Fragen der strukturellen und der inhaltlichen Reformen letztlich einem Stoßtrupp reformfreudiger Studenten und einer Minderheit engagierter Hochschullehrer überlassen und zwar in allen Ländern.
({19})
Aber lohnt es sich heute wirklich noch, über die Gruppenuniversität zu debattieren? Ist es realistisch, Alternativen ins Auge zu fassen? Liegt nicht vielmehr, Herr Kollege Gölter, unsere Aufgabe darin, die Gruppenuniversität, die sich inzwischen auch in allen Landesgesetzen durchgesetzt hat,
({20})
funktionsfähig zu machen? - Das ist übrigens ein Irrtum, Herr Kollege Probst.
Ich bin der Meinung, wir haben schon zu lange über Organisationsfragen debattiert.
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Die Entscheidungen müssen jetzt fallen. Die Organisationsfragen sind auch überschätzt worden. Wenn sie gefallen sein werden, wird sich nämlich zeigen, daß damit allein die wirklichen Probleme in keiner Weise gelöst werden, so wichtig organisatorische Probleme sind.
Meine Damen und Herren, ich bin sogar der Meinung, daß wir mit einer verbesserten und funktionsfähigen Mitbestimmung, wie sie der Entwurf vorsieht, allein die Probleme in den Hochschulen noch nicht grundsätzlich verändern werden. Denn mindestens ebenso wichtig wie die Änderung der Organisation ist die Veränderung der Mentalität, die die Gruppen in unseren Hochschulen heute haben.
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- Ja, der Mentalität. Gleichheit läßt sich zwar durch Gesetze unterstützen, aber nicht überall schaffen, jedenfalls dort nicht, wo gewisse Ungleichheiten vorgegeben sind. Hochschullehrer und Studenten können nicht in allen Fragen der Hochschulpolitik mit gleichem Sachverstand urteilen. Hierüber zu streiten ist müßig.
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Dies bedeutet jedoch nicht, daß Studenten nicht in der Lage wären, in einer Vielzahl von Punkten auch erfahrenen Hochschullehrern Wichtiges zu sagen. Insbesondere muß man die Erfahrungen der Studenten und ihre Interessen in der Mitbestimmung zur Geltung bringen. Auch hierüber sollte kein Streit bestehen.
In der Vergangenheit hat aber die Einstellung vieler Hochschullehrer, sie allein verfügten über Urteil und Sachverstand in Hochschulfragen, wesentlich dazu beigetragen, daß die Polarisierung an den Hochschulen zugenommen hat. Gerade weil unbestreitbar ist, daß die Hochschullehrer die entscheidende Verantwortung für die Hochschulen tragen,
muß auf ihrer Seite die Veränderung der Einstellung beginnen, wenn die Polarisierung abgebaut werden soll.
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Wer wie ich z. B. in ,den Vereinigten Staaten studiert hat, in denen es damals und heute kein für unsere Verhältnisse vergleichbares Mitbestimmungsrecht der Studenten gab oder gibt, der weiß, daß dort schon vor Jahren die Gleichberechtigung der Studenten ein weit höheres Maß erreicht hatte, als dies bei uns im Augenblick wohl selbst durch Gesetze möglich ist. Die Fähigkeit der Professoren, mit den Studenten auf gleicher Ebene zu diskutieren, deren Kritik entgegenzunehmen und ihre eigene Position zu überdenken, war für die angelsächsischen Hochschulen in diesen Jahren ein Segen. Und ich bin deswegen ,der Meinung, daß alle unsere Gesetze zur Mitbestimmung nur sehr begrenzt helfen werden, bevor wir nicht auch hier uns eine Veränderung der Mentalität bei einer Mehrheit der Hochschullehrer herbeiführen.
Unsere Hochschulpolitik will die Mitbestimmung aller, gerade auch der Studenten. Aber dies bedeutet nicht, daß die studentische Jugend aufgefordert wäre, ihre kritische Auffassung ohne Einsicht in die unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortungen an den Hochschulen zu vertreten. Manche Studenten müssen erkennen, daß nicht alles, was ihnen neu ist, in dieser Welt wirklich neu ist. Und manche müssen lernen, daß sie heute selbst in Gefahr sind, durch taktischen und intellektuellen Opportunismus Reformen durch Phrasen zu ersetzen.
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Diese Entwicklung wurde jedoch, Herr Gölter, nicht von den Studenten verursacht. Staat und Hochschulen haben die Studenten in ihren berechtigten Sorgen und Bedürfnissen - und da schließe ich die Mitbestimmung ausdrücklich ein - zu lange allein gelassen.
Lassen Sie mich wegen der gestrigen Kabinettsentscheidung hier eine Bemerkung einfügen: Das gilt auch für die sozialpolitische Seite. Wir haben zwar z. B. den Studentenwohnraumbau von 27,8 Millionen DM im Jahre 1969 auf 112 Millionen DM im Jahre 1973 gesteigert.
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Aber wir können dennoch den Mangel an Wohnraumplätzen, den wir vorgefunden haben, nicht so schnell ausgleichen, wie dies notwendig wäre.
Auch im Bereich der Ausbildungsförderung hat die öffentliche Hand finanzielle Leistungen erbracht. Die Mittel von Bund und Ländern für die Studenten allein stiegen von 443 Millionen DM im Jahre 1969 auf etwa 1,2 Milliarden DM in diesem Jahr; und für alle zusammen, also einschließlich der Schüler, stiegen sie bis auf etwa 1,9 Milliarden DM in diesem Jahr.
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Diese Leistungssteigerungen, die über die mittelfristige Finanzplanung deutlich hinausgingen, müssen berücksichtigt werden, wenn man die gestrige Entscheidung des Kabinetts, die Erhöhung der Sätze zunächst erst ab 1. Januar 1975 vorzusehen, hier beurteilt.
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- Ausnahmsweise stimme ich persönlich mit Ihnen überein, Herr Kollege Pfeifer.
({29})
Jedermann weiß, daß angesichts der allgemeinen konjunkturellen Lage die Haushaltsrisiken für 1974 heute schwerer überschaubar sind; wir haben über den Termin nicht endgültig abgestimmt, sondern zunächst den 1. Januar 1975 vorgesehen. Ich selber bin davon überzeugt, daß es mir gelingen wird, im Rahmen des Einzelplans 31 trotz dieser Unüberschaubarkeiten relativ bald nachzuweisen, daß wir mindestens einen Teil der Leistungen in 1974 vorziehen können. Ich bitte in diesem Sinne gerade die reformengagierten Studenten um Geduld.
Ich verweise also ausdrücklich auf diese Zusammenhänge, wenn ich hier feststelle, daß sich auch als Folge unzureichender Hochschulpolitik nun sogar kriminelle Gruppen, die z. B. offenbar im Bereich des KSV operieren, einnisten konnten. Aber wir müssen uns dann auch selbst an die Brust schlagen, anstatt nur auf die Studenten zu schimpfen. Allerdings kann kein Zweifel bestehen, daß gegen I die kriminellen Gruppen wirkungsvoller durchgegriffen werden muß.
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Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum früheren Regierungsentwurf um Prüfung gebeten, ob allgemeine Grundsätze über das sogenannte Ordnungsrecht in das Gesetz aufgenommen werden sollten. In seiner Stellungnahme zum neuen Regierungsentwurf hat er dieses Thema nicht mehr angesprochen, was dafür spricht, daß auch die Länder in dieser Frage eine bundesgesetzliche Regelung nicht für sinnvoll halten.
Das Ministerium prüft jedoch unabhängig von dieser Frage seit geraumer Zeit, ob bei Vorliegen einer schwerwiegenden strafbaren Handlung die Gerichte durch eine Novellierung des Strafgesetzbuchs in die Lage versetzt werden können, bestimmte Maßnahmen als strafrechtliche Nebenfolgen anzuordnen.
({31})
Wir brauchen, meine Damen und Herren, Sanktionen gegen Kriminelle, die die Hochschulreform an den Hochschulen gefährden.
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Eine solche Regelung hätte den Vorteil, daß für entsprechende Sanktionen von vornherein nur auf ein rechtsstaatlich gesichertes Verfahren zurückgegriffen würde.
Meine Damen und Herren, die Hochschulgesetzgebung des Bundes ist ein bedeutendes Vorhaben. Lassen Sie uns jedoch nicht diese Gesetzgebung in ihrer Wirkung auf die Hochschulreform überschätzen. Lassen Sie uns nicht von der Illusion ausgehen, daß die Lösung von Organisationsfragen schon die Lösung unserer Hochschulprobleme mit sich bringen wird. Die Bundesregierung meint, daß der von ihr vorgelegte Entwurf ein gutes Gesetz werden kann, sie meint jedoch nicht, daß mit der Verabschiedung des Gesetzes schon die Aufgabe der Hochschulreform bewältigt wäre. Bei aller Autonomie für die Hochschulen bedarf es zur Verwirklichung der neuen Strukturen auf der Grundlage eines neuen Hochschulgesetzes klar verstandener staatlicher Verantwortung; Mitbestimmung ersetzt sie nicht. Hier sind angesichts der Zuständigkeitsverteilung in erster Linie die Länder aufgerufen.
Aber bei aller Einsicht in die Grenzen, die dem Bund in der Hochschulpolitik gezogen sind, müssen wir unsere Aufgaben hier in diesem Hause jetzt erfüllen. Die Regierung ist offen für bessere Vorschläge, aber ein taktisches Hin und Her für unzweckmäßige Kompromisse und für die Wahrung von Gesichtern auf der einen oder der anderen Seite kann nicht in unserem Sinne sein. Ich unterstreiche: Der Ausgang der Bundestagswahlen im November 1972 hat der Mehrheit der sozialliberalen Koalition in diesem Haus als Verpflichtung die Verabschiedung eines wirksamen Reformgesetzes aufgegeben. Wir müssen alle gemeinsam eine Situation vermeiden, in der sich Bundestag und Bundesratsmehrheit unversöhnbar gegenüberstehen würden. Meine Damen und Herren von der Opposition, machen Sie uns Verbesserungsvorschläge, sagen Sie uns aber auch, wo Sie bereit sind nachzugeben, denn wir müssen im kommenden Jahr ein Hochschulrahmengesetz verabschieden. Ich danke für Ihre Geduld.
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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung möchte ich mit einer grundsätzlichen Beschreibung unserer Position beginnen. Die Reformposition der CDU/ CSU in der Hochschulpolitik und in der Hochschulgesetzgebung ist klar in den Grundsätzen, eindeutig in der Argumentation, im Unterschied zur Bundesregierung seit Jahren kontinuierlich und orientiert an den Anforderungen, die unser Staat und unsere Gesellschaft an die Hochschulen stellen.
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Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein Gesetz, das dem einzelnen chancengerecht optimale Ausbildungs- und Bildungsmöglichkeiten eröffnet, das die Freiheit von Forschung, Lehre und Studium sichert, das die Qualität und Leistung der Hochschulen steigert, das die Studienreform und die Reform der Personalstruktur als zentrale Reformanliegen
voranbringt und das die künftigen Hochschulstrukturen für eine dynamische Entwicklung offenhält.
Diese Maximen der Hochschulreformpolitik der CDU/CSU haben wir in Bund und Ländern konsequent und zielstrebig verfolgt, seit in der Bundesrepublik überhaupt über Hochschulreform gesprochen wird, und nicht nur das: in cien Ländern, in denen CDU und CSU Hochschulreform verwirklichen, haben wir diese Ziele in erfolgreiche Hochschulpolitik und anerkannte Landesgesetze umgesetzt.
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SPD und FDP sind in den letzten Monaten nicht müde geworden in der Wiederholung ihrer Behauptung, das Hochschulrechtsgesetz sei in der 6. Legislaturperiode am Widerstand von CDU und CSU gescheitert. Obwohl davon heute in der Begründung durch die Bundesregierung nicht mehr die Rede war, möchte ich doch hierzu zwei Dinge feststellen: Verantwortlich für das Scheitern des Gesetzentwurfs in der letzten Periode war -- so sehe ich es wenigstens - zunächst, daß von Januar bis Juni 1972 die Beratungen im Wissenschaftsausschuß nicht abgeschlossen werden konnten, weil die Mehrheit dieses Ausschusses über Monate hinweg nicht in der Lage war, zu Kernpunkten des Gesetzes, etwa zur Mitbestimmung oder zum Verhältnis von Hochschule und Staat, abschließende Formulierungen vorzulegen,
({2})
was ausschließlich auf die Auseinandersetzung innerhalb der SPD-Fraktion zurückzuführen ist, die, wie meist, auch hier keine Konzeption, sondern viele Konzepte vertritt.
({3})
Hieraus ist für die Zukunft eine Lehre zu ziehen: Solange die SPD nicht in der Lage ist, sich in der Hochschulpolitik intern auf ein gemeinsames Konzept zu einigen, solange beispielsweise Herr Minister von Dohnanyi hier im August einen Gesetzentwurf für ein Hochschulrahmengesetz präsentiert und dann im Oktober der sozialdemokratische Wissenschaftsminister und die sozialdemokratische Landtagsfraktion im größten deutschen Bundesland Thesen zur Novellierung des Hochschulgesetzes und des Gesamthochschulgesetzes von Nordrhein-Westfalen vorlegen, die in Kernpunkten, nämlich bei der Personalstruktur und bei der Mitbestimmung, gänzlich andere Wege gehen als dieser Rahmengesetzentwurf, werden Sie, Herr Minister, mit Ihrem Gesetz immer wieder scheitern und, meine ich, auch scheitern müssen. Denn welchen Schluß sollen wir aus diesem Vorgang - oder auch aus dem Beitrag, der von Herrn Wichert heute in einer großen deutschen Tageszeitung veröffentlicht worden ist überhaupt ziehen, wenn nicht den, daß es in Ihren Reihen eine ganze Zahl von maßgeblichen Bildungspolitikern gibt, die dieses Rahmengesetz überhaupt nicht wollen, weil es ihre landesgesetzgeberische Zukunft hemmend festlegt?
({4})
Dieser Vorgang in Nordrhein-Westfalen zwingt uns, hier am Anfang der Gesetzesberatungen ohne jede Schärfe, aber mit aller Deutlichkeit eines zu sagen: Klären Sie, Herr Minister, zunächst einmal die Dinge im eigenen Hause, und versuchen Sie nicht länger, sich selbst mit der Erklärung, das Hochschulrahmengesetz sei bisher an der CDU/CSU gescheitert und drohe wieder an der CDU/CSU zu scheitern, über die Tatsache hinwegzutäuschen, daß in Ihren eigenen Reihen mehr als nur einer ganz offensichtlich das Scheitern Ihres Gesetzentwurfes - und ich habe den Eindruck, nicht nur des Gesetzentwurfes - gar nicht ungern sähe.
({5})
Meine Damen und Herren, es gibt noch eine zweite Ursache für das Scheitern des Rahmengesetzes in der letzten Periode. Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben im 6. Deutschen Bundestag eine Reihe von gemeinsamen Beschlüssen im Innenausschuß und im Rechtsausschuß erlebt. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat diese gemeinsamen Beschlüsse im federführenden Wissenschaftsausschuß vertreten. SPD und FDP haben sie in diesem federführenden Ausschuß meist nicht befürwortet und als indiskutabel abgelehnt. Und selbst Kompromißformulierungen, die von Ihrer Seite vorgeschlagen worden waren und die wir beantragt haben, haben Sie mit einer Handbewegung vom Tisch gefegt!
({6})
In der Schlußphase der Gesetzesberatung in der 6. Legislaturperiode hat sich eindeutig der linke Flügel der SPD-Fraktion durchgesetzt. Die Fraktion hat dies nicht verhindert; der Minister war zu schwach, um es zu verhindern. Ich sage Ihnen eines: Wenn dies diesmal wieder so wird, dann wird es kein Hochschulrahmengesetz geben, denn - davon bin ich überzeugt die Mehrheit dieses Hauses, und zwar weit über die Zahl der Abgeordneten von CDU und CSU hinaus, will kein Hochschulrahmengesetz, wie es beispielsweise Herr Kollege Wichert heute in seinem erwähnten Beitrag in einer deutschen Tageszeitung fordert.
({7})
Meine Damen und Herren, im übrigen will ich aber auch dies sagen: Sowohl der Regierungsentwurf als auch der von der Mehrheit des Wissenschaftsausschusses verabschiedete Entwurf aus der letzten Legislaturperiode waren eindeutig verfassungswidrig.
({8})
Sie hätten beide einen Prozeß in Karlsruhe, der ja ins Haus stand, nicht überlebt.
({9})
Ich finde es schlichtweg grotesk und unverständlich, wenn Bundesregierung, SPD und FDP, nachdem sie hier in der letzten Periode einen verfassungswidrigen Gesetzentwurf vertreten haben, uns jetzt verübeln, daß dieser Entwurf nicht auch noch Gesetz geworden ist.
Ich stelle die Frage, weil sie für die Beratungen in dieser Periode von Bedeutung sein wird: Wäre
Ihnen denn das Inkrafttreten eines verfassungswidrigen Gesetzes lieber gewesen?
({10})
Oder, anders gefragt: Ist Ihnen das Durchsetzen Ihrer politischen Ziele inzwischen wichtiger geworden als die verfassungsrechtliche Absicherung der hochschulpolitischen Zielsetzung dieses Hauses?
({11})
Meine Damen und Herren, im Augenblick will ich deshalb folgendes feststellen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in der letzten Legislaturperiode des Bundestages als einzige Fraktion dieses Hauses bis zu den Schlußberatungen im Wissenschaftsausschuß einen Gesetzentwurf vertreten, der den Grundsätzen und Maßstäben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1973 entsprochen hat. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird auch in dieser Legislaturperiode darauf bestehen, daß nur ein Gesetz verabschiedet wird, das diesen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts glasklar und unzweideutig entspricht.
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Wir sind um so entschiedener für diesen Grundsatz eingetreten und werden dies auch in Zukunft tun, weil dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts doch überhaupt nur notwendig wurde, nachdem in einigen SPD-regierten Bundesländern die sozialdemokratische Hochschulgesetzgebung und Hochschulpolitik immer mehr zum Spielball und Vollstrecker linksradikalen Drucks geworden ist.
Die Protestbewegung an den Hochschulen war weltweit, aber in keinem Land der freien Welt hat man während dieser Protestbewegung radikalen Gruppen den Zugang zu den Entscheidungsgremien der Hochschulen in solchem Maße geöffnet wie in einigen sozialdemokratischen Hochschulgesetzen. In keinem Land der freien Welt sind deshalb als Folge dieser Protestbewegung Leistungsfähigkeit und Freiheit von Forschung und Lehre durch radikale Gruppen auch nur annähernd so bedroht wie in manchen Fachbereichen in Berlin, Bremen, Niedersachsen oder Hessen, wo man zum Teil selbst den absurdesten Forderungen nachgegeben hat.
({13})
- Sehen Sie, der Unterschied ist eben der: In Baden-Württemberg gibt es einen Kultusminister, der in solchen Dingen auf der Seite der Sicherung der Freiheit steht. Ich habe den Eindruck, daß das in manchen anderen Ländern nicht der Fall ist.
({14})
Ich erinnere beispielsweise an die drittelparitätische Besetzung von Konzil und Konvent in Berlin und Hessen, was zur Folge hat, daß Personen wie Johano Strasser zum Hochschulpräsidenten gewählt werden, obwohl der Berliner Wissenschaftsenator Stein zuvor festgestellt hat, daß eine Übernahme Strassers in das Beamtenverhältnis aus zwingenden Gründen nicht möglich ist.
Ich erinnere z. B. an jenen § 6 des hessischen Universitätsgesetzes, der jeden Studenten ausdrücklich ermächtigt, die Öffentlichkeit gegen ihm unliebsame Hochschullehrer aufzuwiegeln unter dem Vorwand mangelnden gesellschaftlichen Bezugs seiner Forschungsarbeiten. Ich erinnere z. B. an die Zusammensetzung von Prüfungskommissionen in Berlin, die - ich zitiere hier zwei Mitglieder der SPD, die Herren Professoren Winkler und Schwan - teilweise zu katastrophalen Prüfungsverhältnissen geführt hat - ein Urteil, das niemanden wundert, wenn, um auch nur ein Beispiel zu nennen, in einer Prüfung, in der es um die Gewerkschaft in der DDR ging, bei der Frage eines Prüfers, was der Prüfling vom Streikverbot der DDR halte, die beiden anderen Prüfer mit dem Bemerken intervenierten, diese Frage sei innerhalb einer Prüfung für das Vordiplom wohl zu schwer.
({15})
Dies alles ließe sich beliebig verlängern und führt zu dem Schluß: In vielen Hochschulbereichen, für welche SPD-Minister und SPD-Mehrheiten die Verantwortung tragen und in denen die Mitbestimmungsfragen zur zentralen Frage der Hochschulreform hochstilisiert wurden, wurde in Wahrheit mit schematischen Paritäten zuallererst die Gruppenpolarisierung gefördert und als Folge davon qualifizierte wissenschaftliche Forschung und Lehre durch politische Engstirnigkeit und Aufblähung der Universitätsbürokratie abgelöst.
In manchen Universitäten bestehen heute mehr als 150 Selbstverwaltungsgremien. Dies macht doch wohl deutlich genug, daß aus mehr Demokratie nichts anderes wurde als mehr Bürokratie. Das macht allerdings auch deutlich, daß an die Stelle von wissenschaftlich qualifizierten, sachlich legitimierten und demokratisch orientierten Autoritäten zum Teil neue Autoritäten getreten sind, die in ihrer Intoleranz und ihrem Herrschaftsanspruch alles Bisherige in den Schatten stellen.
({16})
Wen wundert es da, wenn angesehene Wissenschaftler den Universitäten in diesen Bundesländern den Rücken kehrten und dies mit deutlichen Worten begründeten? Zur Begründung zitiere ich beispielsweise Professor Nipperdey beim Verlassen der Freien Universität Berlin:
Der Anspruch der Gesellschaft auf freie, effiziente Forschung und Lehre bleibt - in dieser Universität - unerfüllt. Statt dessen wird ein roter Elfenbeinturm, wird der Kampf gegen die Gesellschaft in der Universität organisiert, und der Steuerzahler muß die Machtansprüche ideologischer Cliquen mit horrend steigenden Beiträgen finanzieren.
Es ist bezeichnend, daß vom Präsidenten der Freien Universität Berlin in einer Stellungnahme dieser Begründung von Herrn Nipperdey als ein „nicht besonderes Vorkommnis in der fortschreitenden Reformentwicklung der Freien Universität" bezeichnet worden ist.
Meine Damen und Herren, zu dieser Gesamtentwicklung hat der Kongreß des Internationalen Rates
„Universität in Not" in diesem Oktober in Venedig folgendes Resümee gezogen, das ich hier doch zitieren möchte:
Wir sind besonders besorgt und erschrocken über die Zustände in Deutschland und Dänemark, wo die gesetzgebenden Körperschaften Vorschriften für die Leitung und Verwaltung der Universitäten erlassen oder gebilligt haben, die, wenn sie lange genug in Kraft sind, diese Länder nach unserer Meinung zu geistiger Enthauptung verurteilen.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Entwicklung, die man in ihren Details noch weiter schildern könnte, sind wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Kultusministern von Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland dankbar, daß sie mit dem Willen zur Reform gleichzeitig auch die Grenzen der Reform markiert haben, daß sie sich jeder Bewegung nicht nur verbal, sondern auch in der Tat widersetzt haben, welche Institutionen der Forschung und Lehre zu Basen für den politischen Kampf gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung umfunktionieren will, und wir sind ihnen dankbar dafür, daß sie ihre Hochschulpolitik ausschließlich und mit Erfolg am System der Freiheit und der Leistung und an der Verantwortung des Staates für die Hochschulen und deren freiheitliche Grundstruktur orientiert haben.
({17})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Meinecke?
Einen Moment bitte! - Daß heute für einen angesehenen Wissenschaftler ein Ruf nach München, Mainz, Freiburg, Kiel oder Saarbrücken attraktiver ist als ein Ruf nach Berlin, Bremen, Niedersachsen oder Hessen, ist die Bestätigung dafür, daß die Politik der Kultusminister von CDU und CSU nicht nur richtig, sondern auch erfolgreich gewesen ist. - Herr Meinecke!
({0})
Herr Kollege Pfeifer, darf ich Sie fragen, ob Sie in der nächsten Viertelstunde noch beabsichtigen, zu dem Gesetz an sich zu kommen, ob Sie meinen, daß es der Sinn einer ersten Lesung ist, eine Landschaft zu beschreiben und nicht über den Gesetzentwurf zu sprechen?
({0})
Meine Damen und Herren, der Sinn einer ersten Lesung ist der, deutlich zu machen, wie wenig ein solches Gesetz in eine solche Landschaft paßt.
({0})
Meine Damen und Herren, wir werden nur einem Hochschulrahmengesetz zustimmen können, das diesen Kultusministern die Fortsetzung ihrer Politik erlaubt, das Sicherung von Freiheit und Leistung in den Mittelpunkt stellt. Wir werden nur einem Hochschulrechtsrahmengesetz zustimmen können, das in Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen zur Umkehr in den schwerwiegendsten Fehlentwicklungen führt. Wir werden keinem Hochschulrechtsrahmengesetz zustimmen, das uns die Verhältnisse von Berlin, Bremen, Niedersachsen und Hessen auch noch in Mainz, Freiburg, München, Kiel oder Saarbrücken beschert.
({1})
Meine Damen und Herren, ich habe mir beim Formulieren dieser Passagen überlegt, ob eine solche Position nicht letztlich zur Ablehnung dieses Gesetzentwurfes durch die CDU/CSU-Fraktion führen muß. Ich sage das ganz klar: Wir wollen ein Hochschulrechtsrahmengesetz, das unseren Grundsätzen von Freiheit, Leistung, Qualität und Verantwortung entspricht. Dies ist der Maßstab für unsere Zustimmung oder Ablehnung, und dies bedeutet, daß die verfehlten Grundsätze sozialdemokratischer Hochschulpolitik, deren Auswirkungen wir konkret täglich in Berlin, Bremen, Marburg und anderswo erleben, durch dieses Gesetz nicht auf die gesamte Bundesrepublik ausgedehnt werden dürfen.
Sosehr wir ein Scheitern bedauern würden, es würde sich dann eben weiterhin eine unterschiedliche Entwicklung an den Hochschulen der einzelnen Länder fortsetzen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, daß sich dabei die Hochschulentwicklung in den von der CDU/CSU regierten Bundesländern durch mehr Leistung und mehr Freiheit auszeichnen wird.
Diese unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Ländern wäre jedenfalls eher zu ertragen. Nicht zu ertragen wäre, wenn über dieses Gesetz die Grundsätze einiger sozialdemokratischer Hochschulgesetze in der gesamten Bundesrepublik verbindlich würden.
Ich glaube aber gar nicht, daß diese Positionsbeschreibung, die ich eben dargestellt habe, zum Scheitern dieses Gesetzes führen muß. Denn dieser Gesetzentwurf signalisiert - und das möchte ich anerkennen - doch zum Teil selbst das Desaster der Hochschulgesetze von Bremen, Berlin, Hessen und Niedersachsen. Wenn ich beispielsweise die vorgeschlagenen Bestimmungen zur Studienreform und zur Studienzeitverkürzung in den Hochschulprogrammen der SPD und in den Hochschulgesetzen der eben genannten Länder mit dem vergleiche, was jetzt im Regierungsentwurf für das Hochschulrechtsrahmengesetz steht, dann bin ich von einem überzeugt: hätte die SPD einige dieser Grundzüge dieses Entwurfs bereits früher zum Ausgangspunkt ihrer Hochschulpolitik genommen, ein Teil des Schadens, den die Hochschulen genommen haben und der wahrscheinlich nur schwer wiedergutzumachen sein wird, hätte vermieden werden können. Diese Umkehr, Herr Minister, begrüßen wir. Die Umkehr darf aber nicht auf halbem Wege haltmachen. Deshalb sind Korrekturen dieses Gesetzentwurfes notwendig.
Nun versucht der Bundeswissenschaftsminister, uns und der Öffentlichkeit diesen Gesetzentwurf besonders mit dem Hinweis darauf schmackhaft zu machen, daß die mit ihm initiierte Studienreform eine Grundvoraussetzung zur Beseitigung des Numerus clausus sei. Lassen Sie mich hierzu eine Bemerkung vorweg machen. Wir sind mit Ihnen einer Meinung, daß neben der Reform der Personalstruktur die Studienreform das wichtigste Anliegen dieses Gesetzentwurfes ist und daß dazu auch eine Verkürzung überlanger Studienzeiten gehört. Es ist in der Tat unerträglich, wenn Studenten durch überlanges Besetzen von Studienplätzen einen Studienplatz denen nehmen, die vor den Hochschulen auf einen Studienplatz heute .labre warten müssen. Aber was den Zusammenhang von Studienreform und Numerus clausus angeht, muß ich doch vor einem warnen, nämlich davor, daß wir allein mit der Studienreform den Abbau des Numerus clausus versprechen, oder davor -- wie es der Herr Minister bei einer Pressekonferenz einmal getan hat -, daß diese Studienreform und dieses Hochschulrechtsrahmengesetz gar zum Allheilmittel gegen den Numerus clausus hochstilisiert werden.
Wir haben absoluten Numerus clausus in den Fächern Architektur, Biochemie, Biologie, Chemie, Lebensmittelchemie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin. Sagen Sie mir von diesen genannten Fächern - abgesehen von Psychologie - ein einziges Fach, in welchem die Studienreform in den letzten Jahren versäumt worden wäre und in welchem es nicht so etwas wie eine Regelstudienzeit gibt! Trotz dieser positiven Ergebnisse der Studienreform hat sich wegen der zunehmenden Zahl der Bewerber in allen diesen Fächern der Numerus clausus von Jahr zu Jahr verschärft. Dies zeigt, daß die Studienreform in gewissen Grenzen dazu beitragen kann, daß sich der Numerus clausus nicht weiter verschärft. Aber die vorn Wissenschaftsminister angekündigte Wunderwaffe gegen den Numerus clausus ist sie nicht. Zur Minderung des Numerus clausus sind meines Erachtens andere Maßnahmen erforderlich. Wir haben sie am letzten Donnerstag genannt. Sie haben unseren Antrag leider abgelehnt. Ohne dies alles noch einmal wiederholen zu wollen, möchte ich doch auf zwei Punkte besonders hinweisen. Für mich gehört zu den entscheidendsten Ursachen des Numerus clausus nicht die Expansion im Sekundarschulbereich und die damit zusammenhängende Steigerung der Abiturientenquoten. Diese halte ich nach wie vor für notwendig und gerechtfertigt. Aber entscheidende Ursache für den Numerus clausus war und ist, daß diese Expansion im Sekundarbereich fast ausschließlich, nämlich zu 95 %, auf die Spitze der Bildungspyramide, auf die Universitäten zugeleitet wird, statt, wie es in anderen europäischen Ländern der Fall ist, den Abiturienten attraktive Berufswege neben dem Hochschulstudium und vor allem ein breites Angebot kürzerer und praxisorientierter Studiengänge im Fachhochschulbereich anzubieten.
({2})
Das Fachhochschulstudium ist für Absolventen der
Sekundarstufe II einfach nicht attraktiv, solange
beispielsweise Besoldungsstrukturen immer wieder zementiert werden, welche dem Absolventen der Fachhochschule in einem langen Berufsweg allenfalls einen Aufstieg in die Besoldungsgruppe erlauben, in welcher der Universitätsstudent nach dem Studium überhaupt erst beginnt, und dies, obwohl sich beispielsweise heute schon in vielen Ingenieurbereichen die Funktion und der Verantwortungsbereich des Fachhochschulingenieurs in nichts mehr von der Funktion und dem Verantwortungsbereich des Diplomingenieurs unterscheiden. -- Diese Bundesregierung trägt die Verantwortung für die Verschärfung des Numerus clausus nicht zuletzt deshalb, weil sie sich seit Jahren als absolut unwillig in der Entwicklung moderner, dem Fortschritt der Bildungsreform angepaßter Berufs- und Besoldungsstrukturen erwiesen hat.
({3})
Meine Damen und Herren, die Parole in diesem Gesetzentwurf heißt statt Durchlässigkeit im Beruf Durchlässigkeit im Studium durch integrierte Studiengänge, mit dem Ergebnis, daß sich nur noch mehr Bewerber um die wenigen Plätze an der Spitze der Bildungspyramide streiten werden. Solange Sie, wie in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen, die Durchlässigkeit über integrierte Studiengänge forcieren und gleichzeitig die bestehenden Berufs- und Besoldungsstrukturen zementieren, so lange trägt dieser Hochschulrechtsrahmengesetzentwurf nicht zur Minderung, sondern zur Zementierung des Numerus clausus und zur Etablierung eines neuen Numerus clausus innerhalb der integrierten Gesamthochschulen bei.
Eine zweite Ursache für den Numerus clausus nachdem Sie, Herr Minister, hier darauf eingegangen sind, muli ich es doch etwas ausführlicher machen, als ich es ursprünglich vorgehabt hatte und für andere Erscheinungen der gegenwärtigen Hochschulmisere sehe ich darin, daß mit dem Ausbau der bestehenden Hochschulen zu Mammutgebilden von 15 000, 20 000 oder 25 000 Studenten diese immer unüberschaubarer, immer mehr zu reformunfähigen „Sauriern" geworden sind. Während in Frankreich die Sorbonne in 13 Teiluniversitäten geteilt worden ist, während man sich in England, Skandinavien und anderswo bemüht hat, Universitäten möglichst nicht über 8 000 bis 12 000 Studenten anwachsen zu lassen, und, statt bestehende Universitäten auszubauen, lieber neue Universitäten gegründet hat, entstanden bei uns riesige Universitäten, in denen mehr als ein Student dem Hochschullehrer, der ihn prüft, zum erstenmal in der Prüfung in einem Gespräch direkt gegenübersitzt und in denen man mit der Errichtung von Parallellehrstühlen unter Etablierung eines neuen Mittelbaus den in der Lehre dargebotenen Lehrstoff erheblich ausgeweitet und dadurch die Studienzeiten verlängert hat.
Statt hier konsequent gegenzusteuern, legt die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf vor, der noch größeren, noch weniger überschaubaren und noch unbeweglicheren Hochschulorganismen das Wort redet; denn die integrierten Gesamthochschulen sind doch im Grunde genommen nur noch giganPfeifer
tischere, aber sicher nicht effizientere Bildungseinrichtungen.
({4})
----- Wir reden hier nicht über Zwergschulen, sondern wir reden über Modelle, die sich in Frankreich, England und anderen europäischen Ländern bewährt haben.
({5})
Meine Damen und Herren, dies alles zeigt: die Regelstudienzeit dieses Gesetzentwurfs ist nur eine und dazu nicht einmal die wichtigste Maßnahme zur Minderung des Numerus clausus. Dennoch teilen wir das Anliegen der Bundesregierung, durch die Studienreform eine kürzere Studienzeit zu erreichen. Uns ist dabei wesentlich, daß die jungen Menschen früher aus dem Studium heraus in den Beruf finden, damit sich nicht zunehmend mehr junge Menschen in unserem Land mit einem wesentlichen Teil ihres kreativen Lebensabschnitts im Studium verzetteln oder verlieren. Wir wünschen, daß der kreative Lebensabschnitt des 25- bis 35jährigen Akademikers wieder verbunden wird mit dem Hineinwachsen in die Verantwortung des Berufs, in die Verantwortung für den Staat und die Gesellschaft und damit der Selbstverwirklichung seines eigenverantwortlichen, individuellen Lebensweges nutzbar wird.
({6})
Dies ist der Grund, warum wir für kürzere Studienzeiten sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluß des Kapitels Regelstudienzeit noch einen Appell an die Bundesregierung richten; denn der Beschluß, den die Bundesregierung gestern zum Bundesausbildungsförderungsgesetz gefaßt hat, ist völlig inakzeptabel. Ich halte es für unmöglich, wenn die Bundesregierung auf der einen Seite der Verkürzung des Studiums über Regelstudienzeiten das Wort redet und auf der anderen Seite durch die Verweigerung der Anpassung der Ausbildungsförderung an die inflationäre Entwicklung täglich mehr Studenten zur Ferienarbeit zwingt. Heute sind es bereits fast 50 °/o der Studenten. Solange die Bundesregierung ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Studenten so wenig gerecht wird, wie dies im Augenblick der Fall ist, so lange ist der Wille zur Studienzeitverkürzung wenig glaubwürdig. Ich appelliere deshalb an die Bundesregierung, die Ausbildungsförderung endlich der inflationären Entwicklung anzupassen und nicht Regelstudienzeiten einführen zu wollen, ohne gleichzeitig den Studenten die sozialen Voraussetzungen für ein geregeltes Studium zu erhalten bzw. wieder zu verschaffen.
({7})
Im übrigen halten wir die Regelung des Entwurfs über die Berufung und Zusammensetzung der Studienreformkommission für unbefriedigend. Mein Kollege Dr. Schäuble wird zur Studienreform noch einiges hinzufügen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung stellt die Studienreform seit Monaten als Kernstück ihres Gesetzentwurfes heraus. Dies bestärkt uns in unserem Eindruck, daß dieser Entwurf in erster Linie aus den Belangen der Lehre heraus formuliert worden ist und daß er die Belange der Forschung zuwenig im Auge behalten hat. Wir meinen demgegenüber, daß gerade die Belange der Forschung wieder in den Vordergrund der Hochschulgesetzgebung treten müssen, zumal die Qualität der Lehre immer durch die Qualität der Forschung bestimmt wird und nicht umgekehrt. Qualität der Forschung und damit Qualität der Lehre setzen aber in erster Linie Erhaltung von Leistung, Wettbewerb und Konkurrenz in den Hochschulen voraus. Wo Leistung, Konkurrenz und Wettbewerb an den Hochschulen abgebaut werden, wird Mittelmaß zum dominierenden Moment der Hochschulentwicklung. Mittelmaß können wir uns in Deutschland aber unter keinen Umständen leisten, zumal man sich überall in Europa und in der Welt - ich verweise hier ganz bewußt auf Osteuropa jede nur erdenkliche Mühe gibt, um das Leistungsniveau der Hochschulen zu erhöhen.
({8})
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat an vielen Stellen den Abbau von Leistung, Konkurrenz und Wettbewerb zum Inhalt. Würde er Gesetz, so wären Niveauminderung und Niveauverlust die Folge. Dies ist ein harter Vorwurf, den ich in vier Punkten begründen will.
Erstens. Nach diesem Entwurf soll künftig nur noch ein Drittel der Studienplätze auf Grund der Leistung in der Sekundarstufe vergeben werden, zwei Drittel dagegen nach anderen Kriterien wie Wartezeit oder soziale Stellung des Elternhauses. Bei aller Berechtigung der Diskussion über die Relation von Abiturnoten und Studienerfolg eine solche Abwertung des Abiturs und der in der Sekundarstufe erbrachten Leistungen werden wir nicht mitmachen.
({9})
Dies steht im übrigen auch in eindeutigem Gegensatz zu dem von der Bundesregierung nach Verabschiedung des Hochschulrechtsrahmengesetzes unterschriebenen Inhalt des Bildungsgesamtplans.
({10})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Pfeifer, würden Sie mir zugestehen, (1013 die heutige Wertung des Abiturs beim Hochschuleingang dazu führt, daß schon in der Sekundarstufe II und, wenn das so weitergeht, noch weiter unten ein Leistungsdruck und eben nicht eine Leistungsmotivation in der Schule entsteht, durch den eine vernünftige Schulausbildung erschwert wird?
Das gebe ich Ihnen durchaus zu. Deswegen habe ich ja gesagt: Man kann
über diese Dinge diskutieren. Aber man kann nicht den Schluß daraus ziehen, auf Leistung und Leistungskriterien beim Hochschulzugang überhaupt zu verzichten. Das ist der entscheidende Punkt.
({0})
Zweitens. Dieser Gesetzentwurf enthält eine Diskriminierung der Habilitation. Er macht die Habilitation nicht zu einer Berufungsvoraussetzung neben anderen. Das wäre ja vertretbar und entspräche dem, was an deutschen Hochschulen immer gegolten hat. Dieser Gesetzentwurf verbietet in § 47 ausdrücklich, die Habilitation zur Berufungsvoraussetzung zu machen. Dies wird auch nochmals in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates deutlich. Meine Damen und Herren, eine solche Diskriminierung der Habilitation werden wir nicht vertreten.
Drittens. Solange die Bundesregierung diese Diskriminierung der Habilitation nicht durch eine positive Aussage ersetzt, sind alle ihre Beteuerungen über die Aufrechterhaltung einer hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Hochschullehrers schlechthin Lippenbekenntnisse.
({1})
Dieser Gesetzentwurf läßt eine einzige wissenschaftliche Leistung, nämlich eine hervorragend bewertete Promotion, als Nachweis der wissenschaftlichen Qualifikation eines Hochschullehrers ausreichen, und zwar im Regelfall ausreichen. Dies ist eine Minimierung der Qualifikationserfordernisse an den Hochschullehrer, die wir - wenn ich mir die Thesen der SPD von Nordrhein-Westfalen ansehe, dann offenbar nicht nur wir - für unvertretbar halten, weil nichts für die Erhaltung von Qualität der Forschung und der Lehre in den Hochschulen entscheidender ist als die hervorragende Qualifikation der Hochschullehrer.
({2})
Ein viertes Beispiel. Dieser Gesetzentwurf enthält keinerlei Qualifikationsvoraussetzungen für einen Hochschulpräsidenten. Auch das ist unvertretbar; denn der Hochschulpräsident ist doch heute das Scharnier, in welchem sich die gemeinsame Verantwortung von Hochschule und Staat für die Hochschulreform repräsentiert, und er ist zugleich verantwortlich an der Spitze der größten wissenschaftlichen, ökonomischen und sozialen Organismen, die unser Staat überhaupt kennt. Hier kann und darf der Gesetzgeber nicht darauf verzichten, wenigstens einige Mindestkriterien für die Qualifikation des Hochschulpräsidenten im Gesetz vorzusehen.
({3})
- Sie sagen: Vorschlagen! Es ist von uns in der letzten Legislaturperiode beantragt worden.
Meine Damen und Herren, wir können angesichts der internationalen Tendenz der Leistungssteigerung vor der mit diesem Gesetzentwurf verbundenen Gefahr des Leistungsabfalls und des dann folgenden
Leistungsdefizits in Forschung und Lehre nicht genug warnen; denn niemand in diesem Land wird auf die Dauer um die Einsicht herumkommen, daß die Studenten in den einzelnen europäischen Ländern morgen nicht mehr nur der Konkurrenz ihrer im nationalen Raum mit ihnen zusammen ausgebildeten Kommilitonen gewachsen sein müssen. Die Konkurrenz hat nicht nur in den Administrationen der Europäischen Gemeinschaften längst begonnen, nationale Grenzen zu übersteigen.
({4})
- Zum Nachteil der Deutschen, sehr richtig. - Deshalb müßte ein latentes Leistungsgefälle zwischen den deutschen und den übrigen Hochschulen in Europa sehr schnell zu geringeren Berufs- und Zukunftschancen für die nachwachsende Generation unseres Landes führen. Deshalb müssen endlich auch die Frage nach Qualität, die Frage nach Leistungsniveau, die Frage nach Leistungssteigerung in der Forschung und die Frage des Ausbildungsniveaus und der Ausbildungsqualität wieder zu Kardinalfragen unserer Hochschulgesetzgebung gemacht werden.
({5})
Meine Damen und Herren, aus alledem ergibt sich ein zentraler Punkt für unsere Beurteilung dieses Gesetzes im gesamten künftigen Gesetzgebungsverfahren. Die CDU/CSU-Fraktion wird nur einem Hochschulrahmengesetz zustimmen, das dazu beiträgt, Qualität und Niveau von Forschung und Lehre in unseren Hochschulen zu steigern. Die CDU/CSU-Fraktion wird nur einem Hochschulrahmengesetz zustimmen, das dazu beiträgt, die Ausbildungsqualität und das Studium zu verbessern. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird nur einem Hochschulrahmengesetz zustimmen, das die Freiheit von Forschung und Lehre sichert, weil es ohne Freiheit Qualität nicht gibt.
({6})
Freiheit ist für uns zuerst immer die Freiheit des einzelnen, nicht die Freiheit des Kollektivs. Die Etablierung kollektiver Freiheitsrechte und kollektiver Verantwortung, welcher sich der einzelne unterzuordnen hat, lehnen wir entschieden ab. Aus diesem Grund kommt für uns eine Zustimmung zu dem in § 3 des Gesetzentwurfs enthaltenen Vorschlag, die in Art. 5 Abs. 3 GG garantierte Freiheit von Forschung und Lehre müsse der Verantwortung vor einer nicht näher definierten Gesellschaft untergeordnet werden, überhaupt nicht in Frage.
({7})
Natürlich muß jeder Wissenschaftler die Konsequenz und die Auswirkung seiner Forschung und Lehre bedenken. Aber dies ist eine an die Selbstkontrolle des Wissenschaftlers zu richtende Aufforderung. Bei der von der Regierung vorgeschlagenen Generalklausel wäre dagegen ständig die Gefahr gegeben, daß diese Klausel zum Vehikel für Wissenschafts- und Forschungskontrolle oder zur Statuierung eines politischen oder kollektiven Primats über Wissenschaft und Forschung verwendet wird.
Genau hierzu werden wir denen, die das anstreben, nicht auch noch einen gesetzlich formulierten Vorwand geben.
({8})
Zur Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre gehört die Erhaltung der Autonomie der Hochschulen. Aber Autonomie ist nicht Selbstzweck, sondern Autonomie ist Mittel zum Zweck, ist institutionelle Form zur Sicherung der Freiheit. Deshalb sind wir legitimiert, von den autonomen Hochschulen die Sicherung von Freiheit in Forschung und Lehre, aber nicht nur die, sondern auch die Sicherung der demokratischen Grundordnung und der demokratischen Rechte des einzelnen zu verlangen. Wo Autonomie mißbraucht wird, um all das zu verweigern, da hat der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, kraft seiner Ordnungsfunktion, die vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte und die demokratischen Grundrechte des einzelnen wiederherzustellen und zu sichern. Dementsprechend muß auch das Verhältnis von Hochschule und Staat gestaltet werden.
In diesen Zusammenhang gehört schließlich die Behandlung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1973 in diesem Gesetzentwurf. Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzt Maßstäbe für die Regelung der Mitbestimmung an den Hochschulen, und zwar ausdrücklich als minimale Voraussetzungen zur Sicherung von Freiheit für Forschung und Lehre. Wir hätten erwartet, daß die Bundesregierung nach diesem Urteil einen Gesetzentwurf vorlegt, der unzweifelhaft Geist und Buchstaben dieses Urteils entspricht.
({9})
Statt dessen bekommen wir eine Vorlage auf den Tisch, die das Urteil mit einem Trick zu unterlaufen versucht. Hierzu wird mein Kollege Professor Klein noch im einzelnen Stellung nehmen. Aber eine solche Austricksung des Bundesverfassungsgerichtsurteils werden wir nicht mitmachen.
({10})
Ich möchte einen letzten Punkt anschneiden. Ich begrüße es ausdrücklich, daß die Bundesregierung mit der Ankündigung der Einführung einer Graduiertenphase II in der Reform der Personalstruktur jetzt auf unsere Linie einzuschwenken beginnt. Sie steht unserer Forderung heute offensichtlich nicht mehr ablehnend gegenüber, nach der Promotion eine zweite Qualifizierungsphase vorzusehen.
({11})
- Nun, aus der einen oder anderen Andeutung, die wir auch zwischen den Zeilen zu lesen verstehen. ({12})
Ich hoffe, daß das letztlich auch zu einer allmählich wieder positiver werdenden Einstellung der Bundesregierung zur Habilitation führen wird.
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Wenn die Bundesregierung aber über eine solche zweite Qualifikationsphase und über die Formulierungen des § 47 hinaus die wissenschaftlichen Qualifikationsvoraussetzungen des Assistenzprofessors tatsächlich auf die Ebene des Professors anzuheben bereit ist, wenn also zur Berufung des Hochschullehrers in aller Regel ein über die Promotion hinausgehender lind in der zweiten Qualifizierungsphase zu erbringender zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungsnachweis die Regel werden soll - was ich für richtig halte -, erhebt sich natürlich die Frage, Herr Minister, ob wir mit dem Assistenzprofessor, der dann praktisch dem früheren Privatdozenten entspräche, im Grunde das alte Nichtordinarienproblem in neuer Form schaffen und ob es nicht besser wäre, auf den Assistenzprofessor überhaupt zu verzichten.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr möchte ich für diesen Verzicht plädieren. Das wäre eine saubere, der Zukunft gerecht werdende Personalstruktur und hätte dazu noch den Vorteil, daß wir bei der Regelung der Mitbestimmung keine verfassungsrechtlichen Probleme mehr hätten. Denn dann müßten die Professoren auf Lebenszeit als Hochschullehrer mindestens 51 % der Sitze in den Gremien erhalten, und die anderen 49 % wären auf den Mittelbau und auf die Studenten zu verteilen. Wir werden das bei den weiteren Beratungen des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen konkretisieren. Ich möchte aber ankündigen, daß wir uns nach dem Lernprozeß der letzten Jahre durchaus eine Personalstruktur vorstellen können, die auf den Assistenzprofessor überhaupt verzichtet.
Ich fasse zusammen. Aus alledem ergibt sich, daß wir den vorliegenden Gesetzentwurf für alles andere als für einen gelungenen großen Wurf halten. Dennoch lehnen wir ihn nicht von vornherein ab. Er muß aber, wenn er Gesetz werden soll, einige grundlegende Korrekturen erfahren. Zu diesen erforderlichen Korrekturen gehört neben den anderen bereits bezeichneten Punkten insbesondere:
Erstens. Das Hochschulrahmengesetz muß zur Erhaltung und Steigerung der Qualität und Leistung von Forschung und Lehre und Studium an den Hochschulen beitragen. Das heißt konkret: Für den Zugang zur Hochschule und für den Zugang zum Amt des Hochschullehrers müssen Leistungsvoraussetzungen entscheidende Kriterien bleiben. Das Abitur darf nicht ausgehöhlt werden, sondern muß zentrale Voraussetzung des Zugangs zur Hochschule auch in der Zukunft bleiben.
({14})
Die Diskriminierung der Habilitation muß durch positive Aussagen zur Habilitation ersetzt werden. Die Personalstruktur muß als Kernstück von Leistungsnachweis, Wettbewerb und Konkurrenz und nicht von behäbigem Laufbahndenken bestimmt sein.
({15})
Auswahl und Ernennung des Hochschulpräsidenten müssen an konkrete Qualifikationsmerkmale gebunden werden.
Zweitens. Das Hochschulrechtsrahmengesetz muß Freiheit von Forschung und Lehre sichern. Das heißt konkret: Keine Unterordnung des Art. 5 Abs. 3 des
Grundgesetzes unter eine Verantwortung vor einer nicht definierten Gesellschaft, keine Möglichkeiten des gesellschaftlichen Zugriffs auf die Drittmittelforschung, klares und unzweideutiges Festhalten an den Grundsätzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. Mai 1973 sowie eine Regelung des Verhältnisses von Hochschule und Staat, das in jedem Fall Sicherung und Erhaltung freier Universitäten gewährleistet.
Drittens. Das Hochschulrechtsrahmengesetz muß die Studienreform voranbringen. Das heißt konkret:
inhaltliche Reform der Studiengänge und Studieninhalte sind wichtigste Reformanliegen. Regelstudienzeiten müssen dieser inhaltlichen Reform angepaßt sein und dürfen nicht pauschal oder gar politisch vorgegeben werden. Die Berufung und Zusammensetzung der Studienreformkommissionen müssen gewährleisten, daß durch die Studienreform das Studium nicht zur ideologischen Indoktrinierung mißbraucht werden kann.
Viertens. Das Hochschulrechtsrahmengesetz muß künftige Hochschulstrukturen der Dynamik der Entwicklung offenhalten und im Interesse des kooperativen Föderalismus dem von Bund und Ländern abgeschlossenen Bildungsgesamtplan entsprechen. Dies heißt konkret: keine Priorität für die integrierte Gesamthochschule im Gesetz;
({16})
kooperative Gesamthochschule und das Zusammenwirken rechtlich selbständiger Hochschuleinrichtungen sind als gleichwertige Strukturalternativen vorzusehen.
Fünftens. Das Hochschulrechtsrahmengesetz muß sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenz des Bundes halten. Das heißt konkret: z. B. keine Regelung der Studienreformkommissionen des Bundes, keine Regelung einer Bundeshochschulkonferenz.
Meine Damen und Herren, dies alles sind keine unerfüllbaren Bedingungen. Dies sind aber Grundvoraussetzungen dafür, daß die Länder ein Hochschulrechtsrahmengesetz erhalten, das ihnen erlaubt, Leistungsfähigkeit und Freiheit unserer Hochschulen zu sichern sowie die Qualität des Studiums zu verbessern, und das dort zur Umkehr zwingt, wo als Folge einiger Hochschulgesetze der letzten Jahre Leistungsfähigkeit und Freiheit ins Wanken gekommen sind. Nur ein derart korrigiertes und verbessertes Gesetz und nicht der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird in der Lage sein, einen Beitrag zur Gesundung unserer Universitäten zu leisten.
({17})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann. Für ihn hat die Fraktion der FDP eine Redezeit von 45 Minuten beantragt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Pfeifer hat, wie nicht anders zu erwarten war, das Lied vorn Bund Freiheit der Wissenschaft gesungen und dabei seine Aussagen mit einer Reihe von Fabeln angereichert,
die mich an eine andere fabelhafte Geschichte erinnert haben und mich beinahe wie den Lehrer in der „Feuerzangenbowle" hätten rufen lassen: „Pfeifer, setzen Se sich, Se sind ein öbler Schöler." Aber dies nur vorweg.
Ihre Argumentation, Herr Pfeifer, und die der CDU überhaupt in bildungspolitischer Hinsicht erinnert mich in letzter Zeit sehr häufig fatal an Gina Lollobrigida: sie ist ziemlich kurvenreich, aber von Tag zu Tag leider weniger hinreißend.
({0})
--- So ist eben, Herr Wörner, alles sehr relativ. Wir werden uns darüber noch einigen können, was Sie und was ich attraktiv finden.
Der vorliegende Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes verdeutlicht das Bemühen der sozialliberalen Koalition, zu einer bundeseinheitlichen Regelung für eine strukturelle und inhaltliche Reform des Hochschulwesens zu gelangen. Meine Fraktion begrüßt es, daß die komplexe Gesetzesvorlage so schnell erarbeitet wurde und daß sie nunmehr auch in den Fraktionen dieses Hauses erörtert werden kann. Sie dankt dem Minister und seinen Mitarbeitern für den kooperativen Stil der bisherigen Zusammenarbeit.
({1})
Im folgenden möchte ich den Versuch unternehmen, darzulegen, worin wir die besondere Notwendigkeit, zentrale Anliegen und auch für uns noch offene Fragen einer mit diesem Gesetz zu beschleunigenden Hochschulreform sehen. Dabei möchte ich in einigen Schwerpunkten auf die Voten des Bundesrates, der Opposition hier im Hause sowie maßgeblicher betroffener Gruppen und Organisationen aus dem Hochschulbereich eingehen, wobei ich mir sicher bin, Herr Kollege Dr. Probst, daß unter „maßgeblichen Gruppen" wir beide sehr Unterschiedliches verstehen; Sie haben dafür ein schlagendes Beispiel geliefert.
Es darf durchaus als eine kritische Einstellung nicht nur zur Opposition verstanden werden, wenn ich meine, daß dieser neue Versuch, den Erfordernissen einer echten Reform des Hochschulwesens auch bundesweit Rechnung zu tragen, gemessen an den tatsächlichen Entwicklungen in unserem Hochschulwesen spät kommt, dies selbst unter der Voraussetzung, daß es im kommenden Halbjahr zu einer Verabschiedung kommt. Der Opposition kommt hierbei trotz gegenteiliger Beteuerungen lediglich das besondere Verdienst zu, in der letzten Legislaturperiode das Wirksamwerden dieses Reformgesetzes verhindert zu haben.
({2})
Wenn ich die Voten der CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat, wenn ich die Ausführungen der CDU durch Herrn Pfeifer jetzt hier im Bundestag richtig verstanden habe, bin ich mir aber gar nicht so sicher, ob nicht auch dieser Anlauf der sozialliberalen Koalition von Ihnen zu Lasten des Hochschulwesens gestoppt werden soll. Ihre Aussagen, Herr Pfeifer, bestätigen für mich nur die ebenso unDeutscher Bundestag 7. Wahlperiode Möllemann
erfreuliche wie dauerhafte Tatsache, daß edite Hochschulreform mit dieser Opposition nicht zu machen ist.
({3})
Schon an dieser Stelle möchte ich klarstellen: Wenn Gemeinsamkeit mit der Opposition zwecks beschleunigter Beratung und Verabschiedung des Gesetzes nur über faule Kompromisse oder über das Akzeptieren illiberaler bildungspolitischer Vorstellungen zu erreichen sein sollte, dann wird die Koalition eben die anderen sich bietenden Möglichkeiten ergreifen müssen.
({4})
Wir werden dieses Gesetz, das viele positive Neuerungen enthält, jedenfalls nicht zum Verschnitt bayerischer Prägung machen lassen, und wir werden auch dafür Sorge tragen, daß reformerische Ansätze in fortschrittlichen Bundesländern weiterentwickelt werden können.
({5})
Wenn ich vorhin feststellte, daß dieser Reformansatz, gemessen an den Entwicklungen im Hochschulwesen, relativ spät kommt, dann gehe ich von der Tatsache aus, daß die wesentlichen Grundzüge einer inhaltlichen und strukturellen Veränderung, wie wir sie wollen, schon seit langem vorgezeichnet sind, daß Forderungen, Vorschläge und Anregungen immer wieder formuliert und mit mehr oder weniger Geschick und Überzeugungskraft der Öffentlichkeit vorgetragen worden sind. Sicherlich landeten sie auch kiloweise auf den Tischen der Abgeordneten hier im Bundestag, im wesentlichen beginnend wohl mit der 4. Legislaturperiode, ohne daß dies im Bund besondere Konsequenzen gehabt hätte. Dafür war meines Erachtens zunächst insbesondere der Mangel an Bundeskompetenz verantwortlich, der auf liberales Drängen hin zum Teil beseitigt wurde. Wir werden hier auch weiter drängen.
({6})
Danach war es der Versuch der Konservativen in diesem Land, wieder einmal mit allen Mitteln überfällige Reformen zu verhindern, wie sie z. B. im Entwurf eines Hochschulgesetzes der FDP im Jahre 1968 vorgesehen waren.
Daß hierbei die Konservativen und Reaktionäre in Politik und Hochschule eng kooperierten, war nichts Neues und dafür haben wir auch heute wieder einmal ein schlagendes Beispiel erlebt. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft kennzeichnet diesen Gesamtzusammenhang treffend, wenn er im allgemeinen Teil der Begründung ausführt - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -:
({7})
Nicht zuletzt das Unvermögen der alten Universitäten gegenüber den Anforderungen einer
demokratischen Gesellschaft und Versäumnisse
des Staates bei einer diesen Anforderungen gerecht werdenden organisatorischen Gestaltung
und Finanzierung der Hochschulen haben diese
trotz unbetrittener Leistungen - zu einem Krisenherd werden lassen; ...
({8})
- Herr Kollege Probst, ich bin gerne bereit, die Diskussion mit Ihnen intensiver zu führen; wir werden gleich noch Gelegenheit dazu haben.
Schon 1966 stellte Margherita von Brentano in einer Analyse für den Bereich der Hochschulreform vereinfachend und typisierend drei Tendenzen fest, die mir mit gewissen Veränderungen auch heute noch gegeben zu sein scheinen und die ich deshalb kurz wiedergeben will: erstens eine konservativ-reformatorische Tendenz, deren Motto „Bewahren und Ergänzen" lautet - sie wurde und wird im wesentlichen von den Universitäten selbst, jedenfalls von deren offiziellen Organen und der Mehrzahl ihrer Professoren, vertreten -, zweitens eine funktionalistische Tendenz, die die Universitäten leistungsfähig für die bestehende Gesellschaft haben und primär auf diese Leistung verpflichten will; diese Tendenz wurde und wird im wesentlichen von der Wirtschaft, aber auch von Politikern vertreten; quer zu diesen drittens eine radikal-progressive Tendenz, Wissenschaft und Hochschulen sowohl selbst zu demokratisieren als auch aus ihrer Verantwortung für die Demokratisierung, Humanisierung und Rationalisierung der Gesamtgesellschaft zu begreifen und zu erneuern. Sie wurde vor allem von studentischen Gruppen, aber auch von Hochschullehrern und Politikern befürwortet.
Wenn in diese dritte These die positiven Elemente der beiden ersten aufgenommen werden, wenn gewährleistet wird, daß unter ihrer Zielsetzung nicht die Freiheit von Forschung, Lehre und Studium durch eine neue Unfreiheit unter den Zeichen von Intoleranz und totalitärem Machtanspruch sozusagen neuer Art beseitigt wird, dann scheint mir dieser Ansatz für die Hochschulreform am ehesten geeignet zu sein.
Gestatten Sie mir, von dieser allgemeinen Vorbemerkung ausgehend unsere Überlegungen zur Zielsetzung und zu den einzelnen Schwerpunkten des Gesetzes darzulegen.
Die Freien Demokraten begrüßen die im Gesetz formulierte allgemeine Zielsetzung und leiten aus ihr auch die Ansprüche an die Einzelregelungen ab. Dabei erscheint es uns notwendig, auf einige Gesichtspunkte hinzuweisen, die bei den Auschußberatungen besonders berücksichtigt werden sollten.
Erstens: Struktur der Hochschule.
Bildungspolitik in der demokratischen Gesellschaft hat von dem Grundsatz des Bürgerrechts auf Bildung auszugehen. Die Hochschulreform muß daher zu einer Struktur der Hochschule führen, die jedem Bürger eine von Einkommen und Bildungsgrad der Eltern unabhängige, seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechende Bildungs- und Berufschance eröffnet.
So heißt es im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung; wir stimmen dem voll zu. Denn eine Grundforderung liberaler Politik besteht darin, daß Wissenschaft sowohl der Selbstverwirklichung des einzelnen als auch der Demokratisierung der Gesellschaft dienen muß. Eine wissenschaftliche Ausbildung ohne Sackgassen, flexible Studiengänge mit horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit sowie individuelle Schwerpunktsetzungen, die zu verschiedenen Abschlüssen führen können, sind Voraussetzungen für eine optimale Förderung des einzelnen und den Aufbau kritischen Reflexionsvermögens.
Wenn Forschen, Lehren und Studieren in der Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft geschehen, dann ist die dauerhafte Verbindung mit der Praxis eine wichtige Voraussetzung. Dementsprechend muß, wie im Entwurf geschehen, das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis dahin gehend verändert werden, daß der Praxisbezug des Lehrangebots deutlicher erkennbar ist, andererseits aber eine ausschließliche Orientierung an der praktischen Verwertbarkeit verhindert wird. Oder anders ausgedrückt: Die stärkere Hinwendung zur Berufsbezogenheit darf Zielsetzungen wie Kritikfähigkeit, Mündigkeit und Wissenschaftlichkeit nur ergänzen, nicht aber verdrängen.
Diese Position, Herr Kollege Pfeifer, ist es, die unseres Erachtens die Einführung der integrierten Gesamthochschule zwingend notwendig macht; dies um so mehr, als es heute in allen Berufsfeldern Tätigkeiten gibt, die wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen und wissenschaftlicher Arbeits- und Verhaltensweisen bedürfen. Dabei ist die Qualität wissenschaftlicher Betätigung nicht von Berufsfeldern abhängig. Insofern sind unseres Erachtens grundsätzlich alle Studiengänge gleichrangig, unterschiedliche Hochschultypen nicht gerechtfertigt.
Wesentliche Schwerpunkte bei der Strukturreform in Richtung auf die integrierte Gesamthochschule sind der durchgängige Forschungsbezug in Lehre und Ausbildung, eine einheitliche Lehrkörperstruktur, eine einheitliche Studentenschaft, eine aufgabengerechte Organisationsstruktur unter Überwindung überlieferter Organisations- und Rechtsunterschiede verschiedener Hochschultypen sowie eine einheitliche Selbstverwaltung in allen Gesamthochschulen unter Beteiligung aller Mitgliedsgruppen.
Wir glauben - im Gegensatz zur Opposition bzw. zu den CDU/CSU-regierten Ländern -, daß diese Zielpunkte richtig sind und sich nur im System der integrierten Gesamthochschule, nicht aber in dem der kooperativen Gesamthochschule dauerhaft erreichen lassen; auch der Gesetzentwurf geht letztlich hiervon aus. Allerdings ist zu prüfen, ob nicht noch deutlicher gemacht werden muß, daß Zielvorstellungen allein die integrierte Gesamthochschule und nicht irgendein anderes Gebilde ist.
Zweitens: Studium und Lehre. Aufgabe der Lehre an ,der integrierten Gesamthochschule als einer offenen Hochschule, wie wir sie uns vorstellen, ist es, Grundlagen, Methoden und Ergebnisse der Forschung zu vermitteln sowie wissenschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge darzustellen.
Durch die Notwendigkeit der Darstellung, durch Diskussion und Kritik wirkt die Lehre auf die Forschung zurück. Aufgabe des Studiums ist es unseres Erachtens, auf diejenigen Tätigkeiten in allen Berufsfeldern vorzubereiten, die der wissenschaftlichen Erfahrung und des wissenschaftlichen Verhaltens bedürfen. Dabei gehen wir von Prinzip des forschenden Lernens aus, in dem die Studenten frühzeitig eigene Initiativen entwickeln und in Projektgruppen mitarbeiten sollen, die an der Forschung orientiert sind. Denn es geht natürlich nach unserer Auffassung beim Studium nicht nur um die Vorbereitung auf eine Tätigkeit in einem Berufsfeld, sondern auch um die Möglichkeit, kritisches Bewußtsein, gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse, zu bilden und zu verstärken.
Im bildungspolitischen Programm meiner Partei - hierauf muß und will ich mich beziehen heißt es:
Die offene Hochschule
- die integrierte Gesamthochschule ermöglicht jedem Studierenden, seinen Studiengang bis zu jedem gewünschten Abschluß selbständig zusammenzustellen. Eine umfassende und individuelle Beratung hilft ihm, seine Fähigkeiten auf diese Weise optimal zu entfalten und zu nutzen. Neben herkömmliche Verfahren von Zwischen- und Abschlußprüfungen sollen in der Offenen Hochschule neue Methoden der Leistungsmessung treten, die erprobt werden müssen. Dabei ist insbesondere an den wiederholten Nachweis erfolgreicher Mitarbeit in Forschungsprojektgruppen und speziellen Informationsveranstaltungen zu denken. Kollektive Prüfungen sind nur dann möglich, wenn die individuellen Anteile erkennbar sind. Ob die für den Studienabschluß nachzuweisenden Kenntnisse und Fähigkeiten in der Offenen Hochschule erworben sind, ist nicht ausschlaggebend. Die Anforderungen an einen ersten berufsfähigenden Studienabschluß sind in einem Katalog verbindlicher Mindestleistungen zu definieren. Darüber hinaus ist das erforderliche Leistungsniveau in selbstgewählten Schwerpunktbereichen zu bestimmen.
Diese Aussagen verdeutlichen ebenso wie der Gesetzentwurf die Notwendigkeit einer Studienreform. Der Gesetzentwurf räumt diesem unbestrittenen Reformziel seinen notwendigen zentralen Platz ein und trägt damit der Auffassung Rechnung, daß der inhaltlichen Neugestaltung eine ebenso große Bedeutung zukommt wie der strukturellen.
Bedauerlicherweise muß man allerdings heute feststellen, daß von allen Reformansätzen in der Hochschule der der Studienreform trotz weniger begrüßenswerter Initiativen am wenigsten entwikkelt ist. Dafür gibt es unseres Erachtens zwei Gründe: einmal die lange Zeit stark hierarchische Struktur der Hochschule und andererseits das mangelnde Instrumentarium. Daß das Beharrungsvermögen der Hochschulen gerade gegenüber den immer wieder artikulierten Notwendigkeiten einer Studienreform
stärker war als alle Verbesserungsvorschläge, war wohl zunächst nur möglich durch die OrdinarienUniversität, durch die durch nichts zu rechtfertigende Privatmacht des einzelnen Ordinarius. Da diese Gruppe sich zu erheblichen Anteilen auch gegen andere Ansätze einer demokratischen Hochschulreform ständig sperrte, erscheint die nachfolgend zitierte Feststellung der „Deutschen Universitätszeitung" vom Juli 1968 durchaus verständlich:
Wenn je ein mit Sachverstand, besonderen Funktionen oder besonderer Verantwortung begründbarer moralischer Anspruch auf elitärautoritäre Alleinführung der Hochschulen durch die Ordinarien bestanden hätte, mit ihrer Unfähigkeit, über den Schatten der eigenen Interessen springend die überfälligen Reformen zu betreiben, mit ihrem Versagen gegenüber den Problemen der Gegenwart hätten die Ordinarien diesen Anspruch verwirkt.
Professor Schelsky, der neuerdings als Protagonist der CSU zu sehen ist,
({9})
- freuen Sie sich nicht zu früh! - umschreibt diesen Sachverhalt wie folgt:
Das Versagen der Professoren kann man auf die Begriffe Verwaltungsunfähigkeit, Reformunfähigkeit und Politikunfähigkeit bringen.
Dem möchte ich zustimmen.
Schon deshalb muß der Staat eine Veränderung der Rahmenbedingungen und Entscheidungskompetenzen vornehmen, die eher die Gewähr für die Erreichung der notwendigen Verbesserungen bietet. Damit wird nicht für einen Eingriff des Staates in die inhaltliche Kompetenz der Hochschulen plädiert, auch nicht bei der Studienreform. Wir sprechen uns strikt gegen jede Fachaufsicht aus.
Deshalb meinen wir mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, daß als Grundlage jeder Studienreform die inhaltliche Neubestimmung der Curricula und die didaktische Reform von Lehre, Studienarbeit und Studienorganisation Vorrang haben müssen.
({10})
- Daß Sie das nicht wissen, Herr Probst, erstaunt mich gar nicht. - Daher erscheinen vorherige globale organisatorische und rationalisierende Maßnahmen so problematisch, und daher spricht vieles dagegen, daß die Festlegung von Studienzeiten und Studiengängen generell vor der Neufestsetzung von Ausbildungs- und Lernzielen, Qualifikationsschwerpunkten und Studieninhalten geschieht.
Wir treten dafür ein, daß an die Stelle der verhältnismäßig starren Regelstudienzeiten - mit der Konsequenz der Zwangsexmatrikulation bei Überschreiten der Höchststudiendauer - Richtstudienzeiten treten, die nach der Studienreform festgelegt werden, die empfehlenden Charakter haben und die sich vor allem an den Ergebnissen der inhaltlichen Studienreform orientieren.
Die von uns in der vergangenen Woche hier angesprochene positive Wirkung der Studienreform auf die durchschnittliche Verweildauer - die wir ja nicht absolut gesetzt haben und von der wir auch nicht behauptet haben, sie sei ein Allheilmittel - wird meines Erachtens dadurch nicht verhindert, da der Großteil der Studierenden in aller Regel ohnehin bemüht ist, so bald wie möglich das Examen zu erreichen. Im Hinblick auf die Ausbildungsförderung wird die endgültige Festlegung in Sachen Regelstudienzeiten jedenfalls Auswirkungen haben, die wir bei der Novellierung des BAFÖG berücksichtigen müssen; da stimme ich Ihnen zu. Wir gehen mit dem Wissenschaftsminister davon aus, daß Studienreform in erster Linie Aufgabe der Hochschulen ist, die diese in ihren Fach- oder Studienbereichen zu leisten haben.
Wir begrüßen darüber hinaus die geplante Errichtung von Studienreformkommissionen. Hierbei wird insbesondere deren Zusammensetzung und Entstehungsmodus im weiteren Verlaufe der Beratungen zu prüfen sein. Für mich ist einerseits die Frage, ob Vertreter des Staates - und wenn ja, wie viele
- in diesen Kommissionen stimmberechtigt mitwirken sollen, noch nicht überzeugend beantwortet; zum anderen spricht auch vieles dafür, die Kommissionen bei Landes- bzw. Bundeshochschulkonferenzen sozusagen anzubinden. Auf jeden Fall wollen wir verhindert wissen, daß auf dem Wege über die Studienreformkommissionen doch die Fachaufsicht des Staates etabliert wird.
Drittens: Forschung. Nach Meinung der Freien Demokraten ist es die Aufgabe der Forschung in der integrierten Gesamthochschule, die wissenschaftliche Erkenntnis zu vermehren und zu vertiefen, aber auch die Erscheinungsformen der Gesellschaft kritisch zu analysieren und Innovationen anzuregen. Wir gehen davon aus, daß alle Wissenschaftsbereiche in der Gesamthochschule Forschung betreiben, wobei diese die traditionelle Abgrenzung der Fächer überschreitet und enge Bezüge zur Praxis herstellt.
Zum Fragenkomplex der Drittmittelforschung möchte ich bemerken, daß wir prüfen wollen, ob nicht doch die Fachbereichsgremien über die Durchführung von Forschungsprogrammen und -projekten dann entscheiden sollen, wenn sie die dem einzelnen für seine Forschungen eingeräumte Arbeitszeit und die zur Verfügung gestellten Sachmittel überschreiten. Im Rahmen solcher Projekte würden die Fachbereichsgremien dann auch die Verwendung von Mitteln kontrollieren, die von Dritten zur Verfügung gestellt wurden.
Nun meinte zwar der Kollege Dregger, der sich zu besseren Zeiten noch des öfteren mit Hochschulfragen befaßt hat, damit zitiere man sozusagen - ich zitiere das - „Wissenschaftler vor Tribunale roter Revolutionäre, um sie dann moralisch und physisch zu vernichten." Und weiter: Schon die Informationspflicht sei gleichbedeutend mit der Einführung der Inquisition.
({11})
- Diese Auffassung ist nicht nur unwahr, wie Sie, Herr Kollege Probst, richtig feststellen, sondern sie
ist unserer Meinung nach ditch nicht überzeugend,
und das nicht nur deshalb, weil die Tribunale der
Inquisition nicht rot, sondern schwarz gewesen sind.
({12})
Das, worum es uns eigentlich geht, ist, folgendes deutlich zu machen: Forschung im Auftrag Dritter kann natürlich die Arbeit der Hochschule in verschiedener Hinsicht bereichern - allerdings nicht nur die Arbeit. Diese Drittmittelforschung darf jedoch weder die Freiheit wissenschaftlicher Arbeit noch die Erfüllung der Aufgaben der Hochschule oder die sinnentsprechende Verwendung der ihr gewährten Finanz-, Sach- und Personalmittel beeinträchtigen. Unseres Erachtens liegt hier eine der wesentlichen Kompetenzen der demokratisch legitimierten Selbstverwaltungsorgane.
Zu weiteren spezifischen Fragen der Forschung wird gegebenenfalls mein Kollege Hoffie noch Stellung nehmen, der der Sprecher unserer Fraktion für diesen Problembereich ist.
Viertens: Zugang zur Hochschule. Die FDP begrüßt es, daß der Staatsvertrag über den Hochschulzugang durch die rahmengesetzliche Regelung dieses Bundesgesetzes abgelöst werden soll. Wir haben bereits in der vergangenen Woche verdeutlicht, daß wir aus verfassungsrechtlichen und politischen Überlegungen etwas dagegen haben, daß Entscheidungen in unserem Lande in sogenannten grauen Zonen der Demokratie getroffen werden, in denen die gewählten Vertreter kaum Einflußmöglichkeiten haben. Angesichts der Tatsache, daß hinter der Aussage, das Parlament entscheide stellvertretend für das Volk in allen politisch relevanten Fragen, ohnehin ziemlich dicke Fragezeichen stehen, sollten wir alles dafür tun, daß wenigstens dieser Mißstand bald beseitigt wird. Das geht eben nur über klare Kompetenzverteilungen.
Daneben habe ich in der vergangenen Woche eine Frage angeschnitten, die hier noch einmal aufgegriffen werden muß, insbesondere deshalb, weil sich der Kollege Pfeifer hier, wie ich meine, unzutreffend geäußert hat. Die Frage war: Wie sollen Studienplätze da vergeben werden, wo Engpässe bestehen? Der Regierungsentwurf nimmt eine Drittelung vor: Notenschnitt, Wartezeit und soziale Aspekte. Die beiden letzteren sind voll vertretbar, insbesondere die Koppelung der Wartezeit mit einer dem gewünschten Studium verwandten Berufstätigkeit. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Minister diese neue Perspektive eingebracht hat.
Die Verteilung der Studienplätze nach Notenschnitten erscheint allerdings äußerst fragwürdig. Ich muß noch einmal das aufgreifen, was der Bundesminister hier schon gesagt hat. Nicht nur, daß jeder weiß auch Sie, Herr Pfeifer, wissen es ja , wie sehr von Lehrer zu Lehrer, von Schule zu Schule und von Land zu Land die Leistungsanforderungen und Beurteilungen mit Noten differieren - nein, jedermann ist auch bewußt, wie wenig der Notenschnitt über die Qualifikation zum Studium bestimmter Fächer aussagt. Wer von Ihnen kann denn die Frage schlüssig beantworten, welche
Durchschnittsnote et was über die Qualifikation eines künftigen Arztes, Lehrers oder Juristen aussagt? Eine überzeugende Antwort darauf habe ich nicht gehört.
Darüber hinaus führt dieses Verfahren in der Tat zu einem unerträglichen und dem Ziel kritikfähiger Bildung abträglichen Leistungsdruck, der zur Aneignung reinen Paukwissens zwingt. Bei der Setzung der Abiturnoten bringt es darüber hinaus die Lehrer in schwere Konfliktsituationen. Es entsteht ein Klima, das rezeptives Aufnehmen geratener erscheinen läßt als kritisches Lernen, ein Klima, das ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern nicht begünstigt. Professor Roellecke, der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, hat am Montag in der „Frankfurter Rundschau" in einer sehr kritischen Stellungnahme zum Hochschulrahmengesetzentwurf im Hinblick auf dieses Thema Leistungsdruck formuliert - ich möchte das hier aufnehmen :
Ich bin der letzte, der etwas gegen das Leistungsprinzip hat. Aber ich habe sehr viel dagegen, daß das Leistungsprinzip so unmittelbar auf das platteste Nützlichkeitsdenken bezogen wird, daß der primitivste Egoismus legalisiert wird, daß Kategorien wie Wahrheit, Sportlichkeit und Dienst an der Sache keine Rolle mehr spielen.
Aufbauend auf dieser Überlegung plädiere ich dafür, daß wir in der weiteren Beratung des Gesetzes einen Weg suchen, der dieser Problematik gerecht wird.
Zum Abschluß meiner Überlegungen zu diesem Punkt möchte ich anmerken, daß wir uns für die Streichung des Schulgutachtens einsetzen werden, da dieses nicht nur eine Überforderung der Schule darstellt, sondern eher noch unsachgemäßen Kriterien Tür und Tor öffnet.
Fünftens: Mitgliedschaft und Mitwirkung, die Mitbestimmung in den Hochschulen. Die nach demokratischen Prinzipien sich vollziehende Mitwirkung aller Hochschulangehörigen an den ihren Arbeitsbereich betreffenden Entscheidungsprozessen ist .das zweite zentrale Anliegen dieses Gesetzes. „Wir können nicht zulassen, daß sich in unserem demokratischen Staatswesen Bereiche bilden, in denen dessen Prinzipien außer Kraft gesetzt werden", erklärte der Kollege Dregger zum Thema Hochschulreform, als sich sein segensreiches Wirken noch im hessischen Landtag vollzog.
({13})
Wir Freien Demokraten stimmen dem voll zu, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, von dem ich hier spreche.
Die Freien Demokraten, Herr Kollege Pfeifer, sind in dem von mir bereits erwähnten Gesetzentwurf von 1968 in der Tat von einer nahezu durchgängigen Drittelparität ausgegangen. In unserem Programm heißt es jetzt:
Die Vertreter der Mitgliedsgruppen wirken an
allen Entscheidungen der Fach- und Gesamtgremien gleichberechtigt mit. Dabei können die
Gremien verschiedener Ebenen je nach ihrer Aufgabe verschieden zusammengesetzt sein. Wahl und Funktionsausübung dieser Gremien vollziehen sich nach den Regeln der parlamentarischen Demokratie.
Die FDP wäre dementsprechend sicherlich bei den Beratungen dieses Gesetzentwurfs für die Drittelparität in den meisten Organen eingetreten, wenn dieser Weg nicht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Vorschaltgesetz unmöglich gemacht worden wäre. Wir respektieren dieses Urteil, wir halten uns daran. Dennoch möchte ich deutlich machen, wie problematisch uns die Konsequenzen erscheinen. Ich halte auch nichts davon, hier jetzt einen Gedanken so schlankweg zu verteufeln, der lange Zeit sehr ernsthaft diskutiert worden ist und in dessen Zeichen sehr viele Mitglieder der Hochschulen sehr ernsthafte Arbeit geleistet haben.
Gestatten Sie mir bitte eine persönliche Zwischenbemerkung. Ich selbst habe zu einem Zeitpunkt als AStA-Vorsitzender gearbeitet, als Studenten in den Hochschulgremien nur Gäste sein konnten. Ich habe den längeren Weg von diesem Nullpunkt bis hin zur vollen Drittelparität mitgemacht, und zwar in Münster. Diese Drittelparität hat funktioniert, und zwar nicht nur so, daß die Hochschule sehr wohl weiterhin ihren Aufgaben nachkam, nein, sie erfüllte zusätzlich auch die wesentliche Aufgabe, die Erörterung und Entscheidungsfindung über alle relevanten Fragen in die Arbeit der Hochschulgremien zu integrieren. Da alle Gruppen an der Entscheidungsfindung gleichberechtigt beteiligt waren, gab es auch nicht den bei eindeutigen Unterparitäten eher verständlichen Versuch, Entscheidungen dieser Gremien auf Nebenkriegsschauplätzen zu revidieren oder außer Kraft zu setzen.
Der Senat der Hochschule in Münster, dem nun wahrlich nicht nur Linke oder gar Linksradikale, sondern, wie man manchmal fast annehmen möchte, eher mehr zur anderen Richtung tendierende Mitglieder angehören, hat unter dem Eindruck dieser positiven Entwicklung, an der Rechte wie Linke, Bund Freiheit der Wissenschaft wie Bund demokratischer Wissenschaftler, RCDS wie Spartakus ihren Anteil hatten, folgende Stellungnahme zu den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts abgegeben. Ich darf noch einmal zitieren, weil mir dieses wesentlich erscheint:
Die PH Westfalen-Lippe hat während der vergangenen drei Jahre im Rahmen ihrer demokratischen Verfassung konstruktive Arbeit in Forschung nud Lehre geleistet. Die drittelparitätische Zusammensetzung ihrer Selbstverwaltungsgremien förderte eine rationelle und sachlich geführte Auseinandersetzung in allen wesentlichen Fragen. Die gleichberechtigte Mitarbeit der Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Beteiligung der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter in allen Angelegenheiten haben das Verantwortungsbewußtsein der Mitglieder der Hochschule für deren Aufgaben und Probleme erheblich gesteigert. Die PH Westfalen-Lippe ist in ihrer hochschulpolitischen und wissenschaftlichen Praxis von den Regelungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zentral betroffen. Der Senat bedauert diese durch das rechtsverbindliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts unabwendbare Entwicklung. Er befürchtet, daß die Reduzierung der Mitbestimmungsrechte von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studenten und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern die Hochschulreform erschwert und zu einer Polarisierung führt, die bislang - nicht zuletzt auf Grund der geltenden Paritätenregelung - vermieden werden konnte.
Ich teile diese Auffassung und füge hinzu, daß mir persönlich die Argumentation des Minderheitenvotums des Bundesverfassungsgerichts schlüssiger erscheint. Ich weiß, Herr Kollege Klein, daß es unterschiedliche Entwicklungen an unterschiedlichen Hochschulen gegeben hat. Wenn man das weiß, ist es aber, wie ich glaube, nicht sehr sinnvoll, für jene unterschiedlichen Entwicklungen diese Regelung verantwortlich zu machen, denn ich mache ja diese Regelung auch nicht dafür verantwortlich, daß die Hochschule, die ich zitiert habe, so positive Entwicklungen durchgemacht hat.
Nun, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Mitbestimmung ist ein Rahmengesetz, von dem die Paritätenregelung eindeutig auszugehen hat. Wir setzen uns für die völlige Ausschöpfung der Möglichkeiten ein, die uns das Urteil läßt. Deshalb werden wir wiederum im Gang des Gesetzgebungsverfahrens festzulegen haben, ob hierfür die vorgeschlagene Regelung des vorliegenden Entwurfs, eine Modifizierung dieses Entwurfs oder aber doch die Fixierung einer drittelparitätischen Regelung mit Entscheidungsquoren analog den Festlegungen des Urteils besser geeignet ist. In dieser Frage nehmen wir eine Festlegung erst vor, wenn das Anhörungsverfahren zu Beginn des nächsten Jahres gelaufen ist.
Lassen Sie mich allerdings darauf hinweisen, daß unseres Erachtens Hochschulgremien durchweg öffentlich tagen sollten,
({14})
um jedem Hochschulangehörigen die Möglichkeit zu geben, sich über Entscheidungsprozesse und über die Arbeit der gewählten Vertreter zu informieren.
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- Ja, Herr Kollege Probst, Sie sagen jetzt: Spartakus und der KSV müssen dazukommen. Der Minister hat in dankenswerter Klarheit zum KSV Stellung genommen. Ich hatte nicht vor, das hier zum Gegenstand der Erörterung zu machen. Aber jetzt muß ich es einfach mal tun. Ich halte es für einen bedauerlichen Vorgang, daß Sie als Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft sich weigern, einen Mehrheitsbeschluß dieses Ausschusses durchzuführen, der besagt, daß wir schriftliche Unterlagen und Stellungnahmen aller im Hochschulbereich tätigen Organisationen anfordern wollten. Dazu zählen in der Tat nach unserer Auffassung
4452 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 71. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1973
auch der Verband der Deutschen Studentenschaften, der SHB und der Spartakus, und von den dreien war hier die Rede. Ich kann mich inhaltlich ganz anders von diesen Gruppen absetzen, als Sie es durch diese organisatorische Maßnahmen für nötig halten. Ihr Demokratieverständnis jedenfalls ist in einem sehr eigentümlichen Licht, wenn ich das dazu sagen darf.
({16})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pfeifer?
Herr Kollege Möllemann, könnten Sie mir erklären, warum das Demokratieverständnis eines demokratisch legitimierten Parlamentariers in einem zweifelhaften Licht ist, wenn er es ablehnt, verfassungsfeindliche Organisationen hier im Parlament anzuhören?
({0})
Ich halte es fast für müßig, die Diskussion über die Verfassungsfeindlichkeit jetzt hier zu beginnen. Ich will Ihnen aber folgendes klar sagen: so wenig wie Sie entscheide ich darüber, wer verfassungsfeindlich ist und wer nicht.
({0})
Dies gilt auch für alle anderen Mitglieder hier in diesem Hause. Für die Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit von Organisationen sind nach meinem Empfinden die zuständigen Gerichte verantwortlich. Sie. haben jedenfalls bisher weder den VDS noch den SHB noch den Spartakus für verfassungsfeindlich erklärt; diese sind auch nicht verboten. Deshalb habe ich diese Ausführungen gemacht.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Klein?
Herr Kollege Möllemann, wären Sie bereit, einmal einen Blick in das Vereinsgesetz zu werfen und sich dort darüber zu informieren, daß beispielsweise für ein Verbot des KSV, wie es jetzt von Herrn Roellecke gefordert worden ist, der Bundesinnenminister oder allenfalls die Landesinnenminister zuständig sind?
Ja, dieser Hinweis ist richtig.
({0})
- Ich kann doch ohne weiteres hier zugeben, daß dies richtig ist und daß ich dies auch weiß. Vielleicht hätte ich mich präziser ausdrücken sollen. Ich meine: kein Mitglied des Parlaments in seiner Eigenschaft als Abgeordneter. Ich weiß natürlich, daß ein Innenminister dies tun könnte. Das ist bislang aber nicht erfolgt. Und da dies nicht erfolgt ist - aus den bekannten Gründen -, kann dies auch nicht auf dem Weg einer Ersatzvornahme durch den Herrn Vorsitzenden unseres Ausschusses geschehen. Das war das, was ich sagen wollte.
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- Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch weiter auf Ihre Argumente eingehen soll. Ich wollte eigentlich fortfahren. Ich bitte dafür Verständnis zu haben.
Die Öffentlichkeit sollte nur in Sonderfällen und mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen werden können. Nichtöffentlichkeit sollte lediglich im Bereich des Persönlichkeitsschutzes sowie bei Bau- und Grundstücksangelegenheiten bestehen.
Beim Wahlmodus halten wir die Urnenwahl für sinnvoll. Generelle, d. h. ausschließliche Briefwahl verursacht nach unseren Erfahrungen einen riesigen Personal- und Mittelaufwand, erzielt aber nicht die gewünschte Wirkung einer spürbar höheren Wahlbeteiligung. Der Grund für die bei Hochschulwahlen oft sehr niedrige Wahlbeteiligung zwischen 35 und 50 % liegt meines Erachtens in der relativen Häufigkeit von Wahlen, in der unterschiedlichen Einschätzung der Bedeutung der Gremien und ihrer Arbeit sowie nicht zuletzt darin, daß die Hochschulangehörigen ihr, wenn ich so sagen darf, normales Wahlverhalten nur schwer auf die Hochschule übertragen können. Das hat seinen Grund in der politischen Zielsetzung der Gruppen, die bei solchen Wahlen kandidieren. Der RCDS steht weit rechts.
({2})
- Sehen Sie, ich kam in der vergangenen Woche in meinen Wahlkreis und las dort die Ankündigung, daß der RCDS-Vorsitzende sprechen werde. Da habe ich mir gedacht: Herr Langguth wird einen bildungspolitischen Vortrag halten. Weit gefehlt! Die Meldung lautet: „Gerd Langguth spricht vor dem Wirtschaftsrat der CDU zum Thema ,Universität - Kaderschmiede oder Revolutionäre'."
({3})
Kein Mensch an den Universitäten würde der Feststellung, daß der RCDS weit rechts steht, widersprechen. Ich verstehe aber Ihr Mißfallen.
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SHB und Spartakus stehen weit links. Die große Mitte, wie ich sie sehe, ist weitgehend verwaist, wenn ich einmal vom LHV, dem Liberalen Hochschulverband, absehe, der aber noch zu schwach ist.
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- Der Trend kann auch für den LHV, wie für unsere Partei, unaufhaltsam nach oben gehen. Wer weiß? Hier liegt jedenfalls eine Aufgabe für die sozialliberale Koalition, insbesondere für unseren Koalitionspartner, der sich konsequenterweise vom SHB getrennt, die Lücke, die dadurch entstanden ist, aber noch nicht wieder geschlossen hat.
Da wir nun schon bei den studentischen Organisationen sind, möchte ich gleich einige Gedanken zum Thema Studentenschaft anfügen. Wir begrüßen mit Nachdruck den Willen der Bundesregierung, die uneingeschränkte Aufrechterhaltung der unabhängig verfaßten Studentenschaft als Teilkörperschaft der
Hochschule zu sichern. Im Hinblick auf die Beitragsregelung des Entwurfs erscheint es uns allerdings sinnvoll, wie bislang meist praktiziert, den Einzug der Studentenschaftsbeiträge bei der Einschreibung durch die Hochschulverwtaltung vornehmen zu lassen.
Nun haben die CDU/CSU-Länder im Bundesrat mit Unterstützung Berlins in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf deutlich gemacht, daß sie die Absicherung der verfaßten Studentenschaft in diesem Entwurf nicht wollen; dies übrigens im Gegensatz zur CDU in Nordrhein-Westfalen, die unlängst extra ein Gesetz zu diesem Thema eingebracht hat und die Studentenschaft absichern will. Aber diese Diskussion gibt es zu anderen Themen auch in anderen Parteien. Kultusminister Maier aus Bayern hat in seinem Land auch bereits gesetzliche Konsequenzen gezogen. Die Frage nach den Motiven für diese Haltung lohnt sich, wie ich glaube. Wer einmal in einer studentischen Selbstverwaltung gearbeitet hat, wer die breite Palette der Gegenstände kennt, die in den Studentenparlamenten behandelt, die von den Allgemeinen Studentenausschüssen bearbeitet werden, der weiß, daß die Beibehaltung und Absicherung dieser studentischen Selbstverwaltungsorgane durchaus notwendig ist, jedenfalls im Interesse der Studenten.
Was ist denn der eigentliche Grund für diesen und andere Versuche, die Studentenschaften abzuschaffen? Entscheidender Grund ist doch wohl die Tatsache, daß sich diese studentischen Organe in der Hochschule und auf zentraler Ebene im Verband Deutscher Studentenschaften auch mit Fragen befassen, deren unmittelbarer Bezug auf die Hochschulen kaum erkennbar ist, Fragen, die allgemeinpolitischer Natur sind. In diesem Zusammenhang wird als Begründung für den Stopp von Beitragszahlungen, als Begründung für darüber hinausgehende Maßnahmen bis hin zur Auflösung der verfaßten Studentenschaft diese Inanspruchnahme eines politischen Mandats genannt, und dies, obwohl niemand in der Lage ist, den Grenzbereich etwa zwischen der Hochschulpolitik und der Sozialpolitik oder aber zwischen diesen beiden und der Haushalts- und Wirtschaftspolitik halbwegs genau zu markieren, dies, obwohl Studentenschaften sich zu allen Zeiten mit Fragen politischer Natur befaßt und ihre Meinung dazu artikuliert haben, dies, obwohl sie von Politikern aller Couleurs dazu immer wieder aufgefordert wurden, und dies auch, obwohl diese studentischen Organe alle durch demokratische Wahlen auf der Grundlage durchweg politischer Programme zustande gekommen sind.
Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat darlegen, warum es meines Erachtens falsch ist, dieses politische Engagement abzublocken, und welchem Irrtum Leute wie Herr Maier aufsitzen, wenn sie diese Haltung vertreten. Ich darf zitieren:
Eine Hochschule, so meinen sie,
- die Leute, die die verfaßte Studentschaft abschaffen wollen die sich mit Politik befasse, müsse daran zugrunde gehen. Nicht umsonst sei gerade Berlin
zum Ausgangspunkt der späteren linksextremen Politisierung der deutschen Universitäten geworden. Eine solche Auffassung übersieht, daß die abendländische Universität in allen Etappen des Kampfes um die geistige und politische Freiheit eine unersetzliche Rolle gespielt und damit einen spezifischen Beitrag zu der einzigartigen Dynamik des Westens geleistet hat. Sie übersieht die unumstrittene Tradition politischer Debatte und damit demokratischer Einübung in den Student Unions der angelsächsischen Universitäten.
Sie übersieht vor allem, daß der studierenden Jugend das Bedürfnis natürlich ist, über die fachliche Ausbildung hinaus sich in Gesellschaft und Staat zu orientieren und den Zusammenhang der eigenen künftigen Berufswahl mit dem gesellschaftlichen Ganzen
- die Relevanz des Fachstudiums also zu erfassen. Wenn die Heranführung der Studenten an die akademische, d. h. sachliche, kritikoffene und tolerante Diskussion politischer Fragen ein Wagnis ist, das scheitern kann, so ist der Versuch, sie während der wichtigsten formativen Jahre auf reines Fachstudium zu beschränken, eine künstliche Einengung, die scheitern muß.
Dieses Zitat stammt von Professor Richard Löwenthal, der an der Freien Universität in Berlin tätig
und Mitglied im Bund Freiheit der Wissenschaft ist.
({6})
Vielleicht ist es wirklich angebracht, auch zu verdeutlichen, was denn der wirkliche Grund für die von mir vorhin dargelegte Ablehnung des politischen Engagements der Studentenschaft ist. Der wirkliche Grund liegt doch wohl darin, daß mehr und mehr Studentenparlamente, Allgemeine Studentenausschüsse und infolgedessen auch der Verband Deutscher Studentenschaften mehrheitlich von linken, linksextremen und chaotischen Gruppen besetzt werden.
({7})
Dieses Novum in der Geschichte der Hochschule, das seit einigen Jahren mit geringen Akzentverschiebungen zu verzeichnen ist, hat natürlich Konsequenzen für Art und Inhalt der mehrheitlich vertretenen Meinungen, die in aller Regel von den hier im Parlament vertretenen Parteien kaum akzeptiert werden können. Nur ist es eben ein absoluter Trugschluß, zu glauben, man könne politisch verlorenes Terrain an den Hochschulen etwa mit administrativen Maßnahmen zurückgewinnen.
Im Prinzip ist es sogar noch mehr. Es ist eine Bankrotterklärung, die verdeutlicht, daß man es offenbar für unmöglich hält, mit der Überzeugungskraft besserer Argumente unter den mehr als 700 000 Studierenden andere Mehrheiten zu schaffen. Dies ist um so erstaunlicher, als diese Haltung einer Partei, nämlich der CDU/CSU, eigen ist, zu deren Wählerkreis der größere Teil jener Mittel4454
und Oberschichten zählt, aus denen mit erwiesenermaßen mehr als 80 % der größte Anhängerkreis der linken und linksextremen Gruppen stammt. Sollte die Abschaffung der verfaßten Studentenschaft vollzogen werden, wäre meines Erachtens eine allgemeine Radikalisierung die Folge, wie sie heute nur partiell und in kleinem Rahmen auftritt. Dies sollten wir im positiven Sinne verhindern.
Mit einigen Überlegungen zum Verhältnis von Hochschule und Staat möchte ich meine Ausführungen hier beschließen. Meine Kollegin, Frau Schuchard, wird zu weiteren, noch nicht angesprochenen Detailbereichen in der nächsten Runde Stellung nehmen.
Die Gesamthochschule als offene Hochschule kann unseres Erachtens ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn ihr eine weitgehende Autonomie eingeräumt wird und bleibt. Die Einheitlichkeit der Entwicklung des Hochschulwesens wird dabei durch die Zusammenarbeit der Hochschulen in Bundes- und Landeshochschulkonferenzen zu gewährleisten sein. Wir begrüßen es also, daß auch in diesem Entwurf die Aufsicht des Staates auf die Rechtsaufsicht beschränkt bleibt, da unseres Erachtens die Sachkompetenz für Angelegenheiten der Hochschulen vorwiegend bei deren Mitgliedern liegt. Darüber hinaus verbietet auch das Grundrecht auf Freiheit von Forschung, Lehre und Studium hier ein Eingreifen des Staates.
Da die derzeitige Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Hochschulwesen und darüber hinaus für das Bildungswesen nicht ausreicht, um die Bundesländer auf ein ausreichendes einheitliches Konzept für das Hochschulwesen in der Bundesrepublik zu verpflichten sowie eine Bundeshochschulkonferenz ins Leben zu rufen, fordern wir erneut die konkurrierende Gesetzgebung für den Bund im Hochschulbereich.
Wenn ich sagte, daß wir die Einengung der staatlichen Einflußnahme auf die Rechtsaufsicht begrüßen, so gilt das auch für den bewußt vorgenommenen Verzicht auf ein Ordnungsrecht. Ich hätte mir sogar eine Bestimmung gewünscht, die diesen Verzicht auch für die Ländergesetzgebung verbindlich macht. Vielleicht können wir das noch einbauen.
({8})
- Herr Präsident, ich bitte, diesen Gedanken zu Ende führen zu dürfen.
Vizepräsident von Hassel: Ich gebe Ihnen infolge der Zwischenfragen, die gestellt worden sind, drei Minuten zu. Ich bitte Sie, damit auszukommen.
Unser Appell geht an die Mitglieder des Bundes Freiheit der Wissenschaft, doch zu überprüfen, ob nicht gerade ihr konservatives Beharren die Ursache für die Heftigkeit manches Reformanspruches ist. Unser Appell geht aber auch an die große Zahl der Studenten und Assistenten, sich nicht 'um eines partiellen Fortschrittes willen vor den Karren von Leuten spannen zu lassen, deren politische Gesamtzielsetzung alles andere als fortschrittlich ist, die Ziele und Werte wie Toleranz und Gewaltlosigkeit in Frage stellen. Wir müssen aus einem Teufelskreis herauskommen, in dem sich rechte und linke Reaktionäre gegenseitig hochschaukeln, wobei einer den anderen als Existenzberechtigungsnachweis benötigt. Dies kann unseres Erachtens nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller wirklich reformerischen Kräfte in den Hochschulen geschehen, die weitermachen müssen und die Unterstützung der vielen bisher Passiven brauchen.
Durch ein reformerisches Hochschulrahmengesetz wollen wir diese Grundlage schaffen. Die Mitglieder der Hochschule werden diesen Rahmen entsprechend der Aufgabe, die im allgemeinen Teil der Begründung formuliert ist, inhaltlich füllen müssen. Gerade die Hochschulen haben die Aufgabe, in Lehre und Forschung über den jeweils erreichten Stand der ökonomischen, technischen, sozialen und geistigen Entwicklung hinauszuweisen und Alternativen zu entwerfen. Dabei wollen die Freien Demokraten die Hochschulen unterstützen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Wichert. Für ihn ist keine besondere Redezeit beantragt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich für die sozialdemokratische Fraktion hier die politisch notwendigen Bemerkungen machen, die in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs angebracht sind.
Ich begrüße die erneute Vorlage ,des Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes, das ich für bildungspolitisch unabdingbar notwendig halte. Ich erkläre, daß die sozialdemokratische Fraktion mit der Koalitionsfraktion dafür sorgen wird, daß der Gesetzentwurf in den Ausschüssen ausführlich und sorgfältig behandelt und beraten wird, daß jeder Verband, der gegenüber dem Ausschuß seine Meinung darstellen will und den wir hören wollen, auch die Möglichkeit erhalten soll, dort gehört zu werden, daß wir den Zusammenhang zwischen Hochschulrahmengesetz und Bundesratsentwurf zur Hochschullehrerbesoldung wahren und diesen Gesetzentwurf bis zur Sommerpause verabschieden wollen.
({0})
An und für sich könnte ich mich in der ersten Lesung auf diese notwendigen Bemerkungen beschränken, wenn nicht der Sprecher der Opposition einige Äußerungen gemacht hätte, die politisch korrigiert werden müssen.
Herr Pfeifer, es ist eine irrige Auffassung - die in der CDU offensichtlich sehr weit verbreitet ist und die von Herrn Vogel auf der Bundesratsbank bis zu Ihnen reicht -, daß der Regierungsentwurf und die Ausschußvorlage aus der vergangenen Legislaturperiode verfassungswidrig und realitätsfern gewesen seien. Ich habe Ihnen durch Zwischenruf schon zu ,denken geben wollen und Sie zu einer
Überprüfung dieser Aussage aufgefordert, weil weder die Regelung zur Mitbestimmung noch die Regelung zur Personalstruktur im Widerspruch zum Verfassungsgerichtsurteil steht. Zu diesem Schluß müssen Sie kommen, wenn Sie beides sorgfältig lesen und erwägen. Das verfassungspolitisch Bedenkliche, das wir Ihnen im Ausschuß mühsam haben ausreden müssen, war Ihre irrige Auffassung, die Freiheit des Studiums sei nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt. Das ist jetzt durch ein Verfassungsgerichtsurteil bestätigt worden.
Ich bin auch deswegen der Auffassung, daß wir den Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes erneut behandeln und verabschieden müssen, weil wir die Stellungnahme des Bundesrats nicht teilen, daß dieses Gesetz in ganzen Teilen überflüssig oder in einzelnen Bereichen nicht notwendig sei oder daß kein Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung bestehe. Sie, die Sie eine solche These vertreten, müßten uns einmal darstellen, wie Sie nach dem mit so großem Beifall aufgenommenen Staatsvertrag zum Hochschulzugang erstens diesen Vertrag sinnvoll korrigieren und zweitens nach dem gescheiterten Versuch, einen Staatsvertrag zur Studienreform zustande zu bringen, mit den Ländern dafür sorgen wollen, daß die Studienreform vorangetrieben wird. Ich sehe dafür außer dem Rahmengesetz keinen politisch sinnvollen Ansatz. Aus diesem Grunde werden wir die Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes sehr nachdrücklich forcieren.
Wenn man die gegenwärtige politische Lage an den Hochschulen und das Interesse des Parlaments und der politischen Öffentlichkeit an einem solchen Vorhaben zur Kenntnis nimmt, sieht man, daß unter dem quantitativen Expansionsdruck des Hochschulsektors, unter den unmittelbaren und mittelbaren finanziellen Auswirkungen, wie Ausbildungsförderung und Besoldung, ein Druck auf das Rahmengesetz entsteht, der dazu führen könnte, den Hochschulbereich ausschließlich unter technokratischquantitativen Gesichtspunkten zu sehen.
Wir Bildungspolitiker müssen dafür sorgen, daß
die Hochschulen - das werden wir mit diesem
Gesetz tun - ein demokratisierter Selbstverwaltungskörper werden und bleiben, daß der Sinn von Freiheit von Forschung und Lehre und Studium nicht verlorengeht und daß sich die Studienreform nicht überwiegend und ausschließlich auf die Verweildauer an den Hochschulen bezieht. Die Absicht der Bundesregierung und die Zielsetzung ihres Reformentwurfes ist daher in der Tendenz richtig, genauso wie sie in der Personalstrukturreform richtig ist. Die Koalitionsfraktionen - jedenfalls die Sozialdemokraten - werden auch an deren Kernpunkt festhalten, daß der Assistenzprofessor Hochschullehrer ist und bleiben soll.
({1})
Es hat mich gerade merkwürdig und rührend angemutet, daß Sie, Herr Pfeifer, von der Konkurrenz im Rahmen von Forschung und Lehre sprechen, die ja eine der Vorbedingungen für eine qualitative
Entfaltung sein soll, wenn ausgerechnet Sie im Hochschulbereich dafür plädieren, daß vom Graduierten bis zum H 4-Professor eine einheitliche, durch Regelbeförderung geschaffene Laufbahn entstehen soll.
({2})
- Das ist doch die Konsequenz der Ausführungen von Herrn Pfeifer.
({3})
Außerdem wurde durch seine Kritik der irrige Eindruck erweckt, als ob durch diese Bundesregierung mit dem Graduiertenförderungsgesetz und dem Hochschulrahmengesetz, das die Assistenten und Assistenzprofessoren aus der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit befreit, nicht einer der wesentlichen Beiträge zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen geleistet wurde.
Wenn wir also an dieser Personalstruktur und ihrem Kern festhalten, werden wir auch überlegen müssen, wie und in welchem Umfang wir die Mitbestimmungsregelungen einer sinnvollen Personalstruktur anpassen und aus ihr entwickeln. Wenn besonders Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, gegen eine solche Regelung überwiegend standespolitische Interessen von Hochschulorganisationen aufnehmen und weiter vertreten,
({4})
dann müßten auch Sie einmal einsehen, daß dies ein unzureichender Boden für eine Reform ist.
({5})
Wir unterstreichen und unterstützen auch einen weiteren Kernpunkt dieses Gesetzes: den Hochschulzugang nicht so zu lassen, wie ihn der Staatsvertrag der Länder geschaffen hat. Wenn die CDU/CSU-Länder diese Regelung im Bundesrat ablehnen und sich vorwiegend darauf beziehen, daß das Abitur in seiner Berechtigung abgebaut wird, wenn man dazu noch zur Kenntnis nimmt, daß der Arbeitgeberverband bei seiner Stellungnahme zum Hochschulrahmengesetz diesen Punkt auch für einen der gefährlichsten hält, dann macht einen doch mißtrauisch, daß hier ein soziales Schichtenprivileg auf alle Zeiten zementiert werden soll und nicht gesehen wird, daß die Regelung des Staatsvertrages jede Lernmotivation an den Schulen zerstört und eine vernünftige Schulreform an der Sekundarstufe II unmöglich machen wird. Genauso wollen Sie damit verwehren, daß diejenigen, die über den zweiten Bildungsweg, über eine berufliche Qualifikation und einen beruflichen Abschluß an die Hochschule wollen, dorthin kommen und durch ihre Berufserfahrung auch einen qualitativen Beitrag zur Studienreform leisten können.
({6})
Wir halten die Ansätze zur Regelung des Numerus clausus des Regierungsentwurfs für sozial gerechter, und wir werden im Gesetzgebungsverfahren darüber beraten, wie man sie noch präzisieren kann. Andere Verfahren als das vorgeschlagene, die diese Richtung unterstützen, kennen wir bisher nicht.
Wir werden also - ich fasse diese Argumente zusammen - in einem konstruktiven Dialog mit dem zuständigen Ministerium, mit allen Kräften, die an der Reform der Hochschulen interessiert und sich nicht nur für die Verteidigung von Standesprivilegien engagieren, mit denen, die mehr als den bildungspolitischen Status quo sichern und zementieren wollen, auf der Grundlage dieses Regierungsentwurfs nach Lösungen suchen. Es wird an Ihnen liegen, ob Sie mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat einen Gesetzentwurf blockieren wollen oder ob Sie sich zu einer konstruktiven Mitarbeit entschließen oder uns nötigen, nach anderen Wegen zu suchen, wie wir die Hochschulreform vorantreiben können.
({7})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Staatsminister Vogel.
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden gewiß Verständnis dafür haben, ja, es vielleicht sogar erwarten, daß sich verantwortliche Kultusminister in diesem Hohen Hause bei einer Gesetzesvorlage zu Wort melden, deren Gegenstand mehr als viele andere die Bundesländer beschäftigt und betrifft.
Hochschulpolitik und die gesetzlichen Grundlagen der Hochschulreform haben die Länder in den letzten Jahren ungewöhnlich stark in Anspruch genommen. Kein Thema war in den Länderparlamenten ähnlich umstritten, kein Thema ist so heiß und leidenschaftlich diskutiert worden wie die Hochschulgesetzgebung. Die Brisanz der Aufgaben hat ihre Spuren ganz deutlich hinterlassen. Wie ein roter Faden zieht sich die Diskussion um Hochschulgesetze durch die politische Landschaft der Bundesrepublik, von den heiß umstrittenen Gesetzen in Berlin und Baden-Württemberg bis zur Verabschiedung des bayerischen Gesetzes vor wenigen Tagen.
Es ging darum, angesichts umfassender sozialer Wandlungen die wissenschaftlichen Bedingungen zu schaffen und zu sichern, die Freiheit, Verantwortlichkeit und Leistung in Forschung und Lehre und Studium sichern, und, wo sie in Frage stehen, sie wiederherzustellen und gleichzeitig unter dem Prinzip einer qualifikationsbezogenen und gestuften Mitwirkung der Hochschulmitglieder die Hochschulstruktur zu reorganisieren. Es ging darum, die hergebrachte Autonomie der Hochschulen einer heute zeitgemäßen Definition anzupassen und die Zuordnung von Hochschulen und Staat neu zu überdenken.
Die Landesparlamente haben sich diesen Problemen gestellt, aber mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Wir haben Jahre härtester und schwierigster Auseinandersetzungen hinter uns. Die Resultate, die Hochschulgesetze der elf Länder, liegen Ihnen vor, und Sie können sie miteinander vergleichen. Keines dieser Hochschulgesetze und keines der Länder kann für sich beanspruchen, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben.
({8})
- Keines. - Dennoch sind die Ansätze, den Hochschulen aus der Krise herauszuhelfen, sichtbar unterschiedlich geglückt.
({9})
Das ist überprüfbar von Berlin bis Freiburg, zwischen Hamburg und München, in Bremen, Trier oder Kaiserslautern. Man kann sehr wohl sehen, was sich bewährt hat, und es ist auch zu beurteilen, was falsch war.
Überdies hat das höchste deutsche Gericht mehrfach zu dieser Sache gesprochen, etwa indem es den niedersächsischen Versuch einer Hochschulreform in vierfacher Hinsicht als mit der Verfassung unvereinbar bezeichnet hat. Und, Herr Bundestagsabgeordneter Wichert, auch die Gesetzesvorlage des 6. Deutschen Bundestages ist in einigen Punkten klar verfassungswidrig gewesen. Als Beleg das Motto: Keine Gruppe darf allein in den Gremien eine Mehrheit haben!
({10})
Dies stimmt mit dem Urteilsspruch nicht überein.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wichert?
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Gerne.
Herr Minister, darf ich Ihnen die Zwischenfrage stellen, ob Sie es nicht auch im Sinne des Verfassungsgerichtes für ausreichend halten, wenn in dem Gesetz zweierlei vorgesehen ist: erstens, daß die Gruppe der Hochschullehrer bis zur Hälfte der Sitze eines Organes haben kann, und zweitens eine Sicherungsklausel, daß die Mehrheit für eine Entscheidung auch die Mehrheit der Stimmen der Hochschullehrer enthalten muß.
({0})
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Abgeordneter Wichert, wenn das Text der Vorlage der Bundesregierung gewesen wäre, hieße meine Antwort ja, nachdem der Text aber anders gelautet hat, muß sie nein heißen.
Ich habe dieses angeführt, weil ich glaube, daß der Bundesrat imstande war, zu dem heute hier in Rede stehenden zweiten Versuch der Bundesregierung zu einem Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes von sich aus Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, die auf nicht unerheblicher Erfahrung in den Ländern fußen. Der Bundesrat hält seine Zustimmung zu diesem Entwurf dann für möglich,
Landesminister Dr. Vogel
wenn die Bereitschaft besteht, an einigen, allerdings wesentlichen Punkten Änderungen vorzunehmen.
Als der Bundesrat am 19. Oktober zu dem vorliegenden Regierungsentwurf Stellung nahm, hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft seiner Erwartung Ausdruck gegeben, Bund und Länder könnten jetzt miteinander - wie er sich ausdrückte - die vielleicht ungewöhnlich günstige Lage nutzen, um zu einem solchen Gesetz zu kommen - gemeinsam nutzen. Ich und wir alle entnahmen diesen Worten, daß die Bundesregierung auf Kooperation und nicht auf Kollision mit der Länderkammer setzen würde.
Nun, nachdem wir die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates vorliegen haben, muß die Erfolgschance leider geringer eingeschätzt werden. Von den Änderungswünschen, die wir vorgebracht haben, ist nur akzeptiert worden, daß Kollegialorgane nicht prinzipiell öffentlich tagen müssen. Alle anderen essentiellen Forderungen des Bundesrates weist die Regierung in ihrer Gegenäußerung, zum Teil beschwichtigend, zum Teil rigoros, ab.
({1})
Die Bundesregierung läßt damit jede Kompromißbereitschaft vermissen und unternimmt von sich aus keinen Verständigungsversuch, um mit uns zu einer Gemeinsamkeit zu kommen. Sollte sie wirklich bei dem bleiben - was ich nicht hoffe und auch noch nicht abschließend glaube -, was sie in ihren Gegenäußerungen vorträgt, dann, meine Damen und Herren, täten wir in der Tat besser daran, die Akten über diesen Entwurf zu schließen, noch ehe Sie sich der Mühe neuerlicher eingehender Beratungen im Bundestag unterziehen.
({2})
Kritisch anmerken muß ich dabei zunächst, daß die Bundesregierung uns noch immer nicht die Kosten des Gesetzes mitgeteilt hat ein Vorwurf, der um so schwerer wiegt, als nicht sie selbst, sondern Dritte, nämlich die Länder, im wesentlichen für diese Kosten werden aufkommen müssen.
({3})
Mehr als 9 Milliarden DM haben die Hochschulen 1972 in der Bundesrepublik Deutschland gekostet; fast 7,5 Milliarden DM, also mehr als 80 %, davon haben die Länder getragen. Niemand kann sich ein Bild darüber machen, welche Kosten durch das vorliegende Gesetz zusätzlich entstehen werden. Die Bundesregierung besitzt anscheinend noch nicht einmal grobe Schätzwerte;
({4})
denn im Deckblatt hat sie sich mit der ungemein aussagekräftigen Umschreibung beholfen, es entstünden den Ländern „gewisse Kosten".
({5})
Im Bundesrat hat der nordrhein-westfälische Finanzminister Wertz als Sprecher des Finanzausschusses
moniert, daß sich die Länder mit vagen Angaben nicht begnügen könnten. Ich möchte diesem Votum von Herrn Wertz betreten.
({6})
Die Hochschulreform, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann man nicht dadurch befördern, daß man die Basis der Hochschule, nämlich die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre, in Frage stellt, wie das der Entwurf in § 3 Abs. 1 vorsieht. Nur im Bewußtsein ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber dürfen nach diesem Satz Professoren zukünftig diese Freiheit noch wahrnehmen. Damit wird der Wissenschafts- und Forschungskontrolle Tür und Tor geöffnet.
Die Bundesregierung beteuert zwar in ihrer Gegenäußerung, die Gefahr einer Einschränkung der Grundrechte nach Art. 5 bestünde nicht; aber wir trauen einer solchen Versicherung nicht über den Weg, solange mit dieser Formulierung des Entwurfs jener unselige Art. 6 aus dem Hessischen Universitätsgesetz zu decken ist, der alle Mitglieder der Hochschule verpflichtet, die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis mit zu bedenken, um dann jeden Studenten ausdrücklich zu ermächtigen - mit Berufung darauf -, die Öffentlichkeit gegen unliebsame Forscher aufzuwiegeln. Wenn diese Generalklausel, mit der man vor dem Zeitgeist zu kapitulieren droht, keine Forschungskontrolle ermöglichen soll, wie man sagt, dann, meine ich, kann man nur auf ihn verzichten,
({7})
zumal mit dieser Verantwortung vor der Gesellschaft auch jene peinliche Kopie der Präambel unseres Grundgesetzes vermieden wäre, wo es heißt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott ..." Der neue Gott soll nun offensichtlich „Gesellschaft" heißen.
({8})
- Ja, geschmacklos ist die Übernahme dieser Formulierung aus der Präambel, Herr Abgeordneter.
Der Bundesrat begehrt die Streichung der integrierten Studiengänge, weil damit faktisch die integrierte Gesamthochschule als Regelfall für die Neuordnung des Hochschulwesens unterschoben wird. Jedes Bundesland, das die integrierte Gesamthochschule für den entschiedenen Reformschritt hält, mag seine Hochschulen zu integrierten Gesamthochschulen umformen; andere Länder mögen geeignete Hochschulen als integrierte Gesamthochschulen organisieren oder davon absehen. Die integrierte Gesamthochschule - übrigens, wie vorhin schon angemerkt wurde, ein deutsches Unikum; in der Welt draußen geht man völlig andere Wege - soll nach unseren Vorstellungen eine der drei gleichwertigen Strukturalternativen neben der kooperativen Gesamthochschule und dem Zusammenwirken rechtlich selbständiger Hochschulen sein. Der Bildungsgesamtplan hat diesen Kompromiß gefunden; wir sollten ihm auch im Gesetz treu bleiben.
({9})
Landesminister Dr. Vogel
Die Integration der Studiengänge - ihr folgen die Integration der Hochschularten, des Lehrkörpers und der Studenten wird nach allen bisher vorliegenden Erfahrungen zu nichts anderem als zu einer Niveausenkung der deutschen Wissenschaft führen. Denn sowohl die Leistungen der Lehrenden wie die der Lernenden werden in der integrierten Gesamthochschule von deren Minimalanforderungen bestimmt sein. Der Mini-Professor, den der Entwurf kreiert mit einer guten Promotion und zwei weiteren Aufsätzen sind Sie als Professor dabei! -,
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paßt in diesen Rahmen. Aus der Universität, meine Damen und Herren, droht eine Schule zu werden. Das ist nicht deswegen schlimm, weil Schule schlimm wäre; aber Schule ist etwas anderes als Universität, und das muß beachtet bleiben.
Auf breite Ablehnung bei den Ländern und bei gewichtigen Gesprächspartnern, wie etwa der Westdeutschen Rektorenkonferenz, stößt die Bundeshochschulkonferenz, und zwar vor allem, weil sie keine Vertretung der Leiter der Hochschulen sein wird, wie es beispielsweise die WRK ist, sondern weil sie hälftig aus weiteren Hochschulvertretern bestellt werden soll. So kann man dieser Bundeshochschulkonferenz, wenn sie so ins Leben träte, schon heute vorhersagen, daß sie mit Sicherheit zu einer weiteren Paralysierung der Verantwortung führen müßte.
Bei den Vorschriften über die Studienreformkommissionen hat der Bundesrat zwei entscheidende Punkte zu verändern gewünscht: Zum einen macht er geltend, daß die Studienreformkommission nicht über solche Studiengänge befinden könne, die mit Staatsprüfungen abgeschlossen werden; zum anderen - und das ist mir das Wichtigere - möchte er auch Fachvertreter aus der Berufspraxis an den Studienreformkommissionen beteiligt sehen.
({11})
Die Bundesregierung hat beide Vorschläge abgelehnt. Wenn die inhaltliche Studienreform jedoch nicht mißlingen soll, müssen in den Studienreformkommissionen auch Leute sitzen, die Berufserfahrung haben, sonst usurpieren abstrakte Gesellschaftstheoretiker das Feld für konkrete Orientierungen an der Berufspraxis.
({12})
Bei der Regelstudienzeit, meine Damen und Herren, mit der man einverstanden sein kann, seit die FDP zwischen Vorentwurf und Regierungsentwurf eine konsekutive Zuordnung von Studienreform und Regelstudienzeit durchgesetzt hat,
({13})
hat sich die Bundesregierung bemüht, in ihrer Stellungnahme zum Bundesrat die Schraube wieder um eine Drehung fester anzuziehen. Wer das tut, muß auch dafür sorgen, daß während des Studiums in der Regel studiert werden kann. Der jüngste Kabinettsbeschluß hinsichtlich der Förderungsmeßbeträge und vor allem hinsichtlich der Freibeträge für Studenten nach dem sogenannten BAFÖG paßt nicht zu den
mannhaften Worten über eine Studienzeitbeschränkung.
({14})
Die sogenannte Drittmittelforschung, meine Damen und Herren, sollte bei der Beratung im Bundestag aus der vorgeschlagenen Kontrolle des Fachbereiches herausgenommen werden. Einzige Schranke für die Drittmittelforschung darf sein, ob die Rechte anderer durch derartige Forschungsvorhaben beeinträchtigt werden. Solange dies nicht geschieht, ist nicht einzusehen, warum Drittmittel, die die Hochschule finanziell entlasten, nicht der Forschung sollten zugute kommen dürfen. Nicht Auftragsforschung, sondern Forschungskontrolle durch einen Fachbereich, der die ominöse gesellschaftliche Verantwortung aktualisiert, ist heute das, was man fürchten muß.
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Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat zu dem Wunsch des Bundesrates, das ganze zweite Kapitel, das Kapitel über den Zugang zur Hochschule zu streichen, nein gesagt. Man mag dies vor allem ihrer mangelnden Erfahrung in dieser Frage zurechnen und, wenn Sie wollen, auch zugute halten. Der Bundenstag hat hier erst vor wenigen Tagen die Debatte über den Numerus clausus geführt. Ich hoffe, Sie haben sich dabei ein Bild von der prekären Situation machen können, die die Länder bewältigen müssen, insbesondere hinsichtlich des Personals. Man kann über den Staatsvertrag, meine Damen und Herren, nicht jenseits dieser konkreten Situation des Wintersemesters 1973/74 debattieren.
Abgesehen davon, meine ich, sollte dieses Parlament nicht außer acht lassen, daß immerhin elf Länderparlamente diesem Staatsvertrag nach ausführlicher Beratung zugestimmt haben und daß alle Fraktionen hier in diesem Hohen Hause in Länderparlamenten Fraktionen als Partner haben, die diesen Staatsvertrag vor wenigen Monaten erst verabschiedet haben. Wenn man ihn mit dem zweiten Kapitel des Regierungsentwurfs vergleicht, dann bietet dieser Staatsvertrag, der weiß Gott nicht ohne Fehler ist, vor allem hinsichtlich des Auswahlverfahrens die bei weitem gerechtere und praktikablere Verteilung des vorhandenen Mangels. Die Regelungen im Staatsvertrag sind leistungsbezogener, besser nachprüfbar und objektiver als das, was der Entwurf der Bundesregierung vorschlägt. Wer nur ein Drittel der Studienplätze nach Leistung zu vergeben plant, öffnet dem Mißbrauch der Zulassung Tür und Tor.
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Aus diesem Grund muß der Bundesrat auf der Streichung des zweiten Kapitels beharren. Obwohl wir uns alle darübr klar sind, daß wir noch lange mit einem Numerus clausus an den Hochschulen werden leben müssen, sollte andererseits doch auch einsichtig sein, daß genau diese Materie, weil sie eine Anomalie betrifft, nicht im Hochschulrahmengesetz geregelt werden sollte. Wenn aus diesem Gesetz etwas ausgegliedert werden kann, dann sind es die Vorschriften, mit denen die Zulassungsbeschränkung geregelt werden soll.
Landesminister Dr. Vogel
Unabhängig davon bleibt an diesem zweiten Kapitel zu beanstanden, daß es Vorschriften für den Zugang zur Hochschule enthält, die der Schule die Verleihung der Studienberechtigung faktisch entziehen und ein besonderes Eignungsverfahren an den Hochschulen entwickeln, die das Abitur aushöhlen und vor allem - das ist ja die klar erkennbare Zielrichtung - das Gymnasium schädigen und schwächen möchten.
Wenn das Hochschulrahmengesetz nicht sofort nach seiner Verabschiedung durch eine Vielzahl von Prozessen vor dem Bundesverfassungsgericht wieder lahmgelegt werden soll, dann scheint es uns nötig, den Professoren in Fragen der Berufung und der Forschung tatsächlich den ausschlaggebenden Einfluß zuzumessen, den ihnen das Bundesverfassungsgericht auf Grund ihrer Funktion und Qualifikation zugesteht. Die Zusammenfassung von Professoren und Assistenzprofessoren zu einer Übergruppe bleibt ein untauglicher, wenn auch trickreicher Versuch, diesen Einfluß sicherzustellen,
({17})
denn die Assistenzprofessoren haben eine andere Interessenlage als die Professoren - sie wollen erst noch werden, was die Professoren bereits sind -, und von einer Homogenität von Professoren und Assistenzprofessoren kann keine Rede sein.
({18})
Allerdings gewinnen diese Argumente ihre volle Überzeugungskraft erst dann, wenn der Professor, den der Entwurf hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen bis zur Ununterscheidbarkeit dem Assistenzprofessor annähert, auf jenem Anforderungsniveau angesiedelt wird, das der Bundesrat vorschlägt. Die Abwertung der Habilitation, die ja praktisch als etwas möglichst Vermeidenswertes dargestellt wird, beleuchtet übrigens die Vorstellung von Wissenschaft, die der Entwurf an dieser und an einigen anderen Stellen signalisiert.
Produktive, in Freiheit und gegenseitigem Ansporn sich entfaltende Wissenschaft, die forschungsintensiv zu neuen Erkenntnissen unterwegs ist, wird es, wenn der Regierungsentwurf unkorrigiert Gesetz wird, nicht mehr geben.
({19})
Statt dessen ist der Exitus von Wissenschaft und die innerdeutsche Auswanderung der Wissenschaftler auf andere Positionen zu befürchten.
({20})
-- Wissen Sie, die Sache ist uns aus der täglichen Erfahrung des Abwanderns der Professoren in studentenferne Zonen zu ernst, als daß wir das nur als Sprüche bezeichnet sehen möchten.
({21})
Wissen Sie, die Monat für Monat stärker werdende
Abwanderung der Professoren in Gebiete außerhalb
der Hochschule schwächt und schädigt das Ansehen
der deutschen Hochschule in der Welt zu sehr, als daß wir das nur als Sprüche bezeichnen könnten.
({22})
-- Ich habe den Eindruck, es wäre gelegentlich ein gewisser Gedankenaustausch zwischen den Erfahrungen des Abgeordneten und denen des Kultusministers nicht schädlich, Herr Abgeordneter.
({23})
Vizepräsident von Hassel: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Präsident, ich darf erst noch auf den Zwischenruf antworten. Ich möchte sagen, ein gegenseitiges Informieren über Erfahrungen und Situationen braucht keine Belehrung zu sein, und ich glaube sogar, es ist eine nützliche Sache, daß' wir die Möglichkeit des Austausches haben.
Und ich möchte es zur Abwanderung der Wissenschaftler aus der Hochschule eben nicht bei dem Zwischenruf, das seien Sprüche, bewenden lassen, sondern möchte Sie nachdrücklich darauf hinweisen, daß es gut wäre, dies einmal anhand vorliegender Zahlen zu beobachten.
({24})
Vizepräsident von Hassel: Bitte schön, Herr Abgeordneter Möllemann!
Herr Minister, können Sie sich vorstellen, daß Ihre Ausführungen von dem einen oder dem anderen Kollegen als Sprüche und auch nicht als sonderlich nützlich deshalb empfunden werden,
({0})
weil sie zwar auf einiges hinweisen, was Ihnen nicht gefällt, beispielsweise beim Zugang zur Hochschule auf Grund der Zulassung nach Noten, hier aber keinen einzigen konstruktiven Gegenvorschlag bringen?
({1})
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Wenn Sie die Absicht haben, hier jetzt eine Debatte über die Abschlüsse der Schule zu führen, bin ich zu einer längeren Ausführung über entsprechende Vorschläge gern bereit. Da das aber wohl nicht Ihre Absicht ist, möchte ich es bei der Feststellung bewenden lassen, daß die Schule am Ende von neun
Landesminister Dr. Vogel
Jahren wohl ein ausgewogeneres Urteil wird fällen
können als die völlig überlastete Hochschule nach
einer einstündigen oder eintägigen Schnellprüfung.
({2})
Statt der Vorschläge des Bundesrats zur Personalstruktur, die wir vorgetragen haben, hat die Regierung nun vor, die Qualifikationsanforderungen für den Professor noch einmal abzusenken; denn in der Gegenäußerung der Regierung liest man, daß die Anerkennung mehrjähriger berufspraktischer Tätigkeit als wissenschaftliche Befähigung stärker als bisher berücksichtigt werden soll. Ich sehe dahinter zumindest die Gefahr, daß ähnlich abschätzig wie über die Habilitation nun auch noch über die Promotion als Voraussetzung für .das Amt eines Professors gedacht werden könnte. Ich möchte vor dieser Art der Beurteilung warnen.
Daß die Regierung nicht willens sein würde, die Aufsicht des Landes über die Hochschulen unmißverständlich und zweifelsfrei auch über die Rechtsaufsicht hinaus zu ermöglichen, war fast zu erwarten. Obwohl viele Mitglieder der Hochschule durch eine Entlastung von der falschen Allzuständigkeit längst gern wieder größeren Freiraum für ihre eigentlichen Aufgaben in Wissenschaft und Forschung gewinnen würden, gibt es eine Minderheit, die hartnäckig an einer schrankenlosen und fehlinterpretierten Autonomie festhalten möchte.
Ein letzter und für den Bundesrat wichtiger Punkt ist die Änderung bei der Bestellung der Hochschulleitung unserer Hochschulen. Der Entwurf läßt den
Staat bei der Bestellung dieser Leitung nicht wirklich mitentscheiden. Die öffentliche Verantwortung für die Gestaltung der Hochschule erfordert aber, daß der Katalog des Zusammenwirkens von Staat und Hochschule um diesen Punkt erweitert wird. Es wäre töricht, meine Damen und Herren, den Konflikt zwischen Hochschule und Staat dadurch zu institutionalisieren, daß dem Staat jede entscheidende Mitwirkung bei der Wahl und Bestellung der Hochschulspitze vorenthalten 'bleibt. Kooperation muß die Regel sein, und nicht der Konflikt darf zur Regel des Umgangs zwischen Staat und Hochschule werden.
({3})
Das gilt übrigens auch für das Verhältnis zwischen den Gesetzgebungsorganen des Bundes. Auch hier sollte die Kooperation und nicht der Konflikt die Maxime unseres Handelns bestimmen, weil nur auf diese Weise ein Gesetz zustande kommen kann, mit dem die Länder produktiv zu arbeiten imstande sind. Ich glaube, nirgendwo sonst ist die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wichtiger und notwendiger als bei der Hochschulgesetzgebung und diesem bedeutsamsten Teil der Kulturpolitik, in dem wir zusammenzuwirken haben. Ich möchte deswegen ausdrücklich als ein Sprecher der Länderseite an alle Fraktionen dieses Hauses appellieren, doch gemeinsam jede Anstrengung zu unternehmen, in diesem Anlauf tatsächlich zu einem Hochschulrahmengesetz zu kommen. Wenn wir hier gegeneinander arbeiten, statt mit dem Willen zur Zusammenarbeit anzutreten, wenn wir uns den Konflikt leisten, wo er
tunlichst vermieden oder eben dann ausgetragen ( und bestanden werden müßte, stünden wir am Ende ohne ein Hochschulrahmengesetz da. Das nützt niemandem, schadet aber allen.
({4})
Wer den Hochschulen helfen will, kann sich aus dieser gemeinsamen Verantwortung, die Bund und Länder miteinander wahrnehmen müssen, nicht lösen. Ich greife ausdrücklich auch den Appell der Westdeutschen Rektorenkonferenz auf, doch eine Lösung zu finden, die von allen Beteiligten in Bund, Ländern und Hochschulen und von einer breiten Mehrheit getragen wird. Wer - wie Gerüchte wissen wollen und wie vorhin auch in einem Halbsatz anklang - mit der Überlegung spielt, notfalls zur gegebenen Zeit einen neuen Entwurf zum Hochschulrahmengesetz einzubringen, und zwar dann aus der Mitte dieses Hauses und ohne zustimmungspflichtige Teile, der muß wissen, meine Damen und Herren: es hat von der Sache her keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, an der Zustimmung der Länder vorbeizukommen. Dies ist nicht nur so, weil es zu einem rechtlichen Schiffbruch führen müßte; wichtiger ist der sachliche Einwand, daß Sie dann an den Ländern vorbei, und das heißt zuletzt auch an den Hochschulen vorbei, dieses Gesetz für die Hochschulen machen würden. Was das für den Gesetzesvollzug bedeuten würde, brauche ich, glaube ich, nicht ausführlich darzustellen. Deswegen noch einmal: Wir sind auf diesem Feld, wenn die Hochschulen nicht noch weiteren und noch größeren Schaden leiden sollen, zur Zusammenarbeit genötigt und, wenn Sie wollen, sogar verdammt. Deswegen sollte der Bundestag die Vorschläge des Bundesrates sehr ernsthaft bedenken und auf den Bundesrat tatsächlich zugehen, damit der Bundesrat seinerseits die Möglichkeit erhält, den Weg zur Zustimmung zu finden. Trotz allem Streit, meine Damen und Herren, geht es bei dieser Frage um zu viel: es geht um die Zukunft unserer Hochschulen, um die Zukunft von Wissenschaft, Forschung und Lehre, und sie kann nicht aus der jetzigen Konfliktsituation heraus bewältigt werden, sondern nur, wenn von beiden Seiten ernsthaft der Versuch gemacht wird, für Länder und Bund zusammen eine Basis zu finden, um die von allen angestrebte Reform tatsächlich zu erreichen. Hierum möchte ich Sie herzlich bitten, weil niemand verantworten kann, schuld daran zu sein, daß wir diese gemeinsame Basis in dieser Frage nicht finden.
({5})
Vizepräsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Probst. Für ihn hat die Fraktion der CDU/CSU eine Redezeit von 30 Minuten beantragt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu der schon fortgeschrittenen Stunde nicht mehr sehr tief in die Ausführungen der Kollegen aus den Koalitionsfraktionen eingehen. Im sachlichen Bereich werden wir uns im Ausschuß unterhalten. Bei den Teilen, wo Si.e gesellschaftsrelevante Dinge
angesprochen haben, möchte ich es mir einfach verkneifen, denn diese pseudosoziologischen Verbalismen kann man mit der Zeit nicht mehr hören.
({0})
Ich möchte aber auf den einen massiven Vorwurf eingehen, den mir der Herr Kollege Möllemann gemacht hat, und zwar deshalb, weil ich bis jetzt die Studentenverbände Spartakus, SHB und VDS nicht aufgefordert habe, Stellungnahmen zum Hochschulrechtsrahmengesetz abzugeben. Der Ausschuß hat den Beschluß gefaßt, daß das geschehen soll, und ich möchte hier mit Nachdruck betonen, daß ich diesen Beschluß auf das tiefste bedauere. Ich weiß nicht, ob der SPD und der FDP eigentlich genügend klar geworden ist, was das bedeutet.
Wie ist der Sachverhalt, meine Damen und Herren? Der Herr Bundesinnenminister, die Bundesregierung, hat auf drei Kleine Anfragen eindeutig erklärt, daß sowohl Spartakus als auch SHB als auch VDS verfassungsfeindliche Organisationen sind. Dennoch möchten Sie diese verfassungsfeindlichen Organisationen formal in ein demokratisches Gesetzgebungsverfahren einbeziehen.
({1})
Wissen Sie, was das bedeutet? 'Das ist unter der Würde des deutschen Parlaments und widerspricht meines Erachtens zumindest dem Geist der Verfassung, was die Gesetzgebung angeht.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Bitte schön!
Ich möchte jetzt nicht auf das hinweisen, was wir vorhin in dem Dialog mit Herrn Klein klargestellt hatten, daß eben der Vorgang nicht erfolgt ist. Die Frage, die ich habe, ist, ob Sie künftig alle Beschlüsse des Ausschusses, die Sie bedauern, nicht ausführen werden.
({0})
Herr Möllemann, dazu kann ich nur sagen, daß Sie davon ausgehen können, daß meine Freunde genauso wie ich alle legalen Mittel benutzen werden, um Verfassungsfeinde davon auszuschließen, Anteil an der Gesetzgebung in diesem Hohen Hause zu haben.
({0})
Lassen Sie mich dann zu dem eigentlichen Thema, nämlich der ersten Lesung des Hochschulrechtsrahmengesetzes, kommen. Ich möchte nicht mehr auf die Vorgeschichte zu Ihrem Ministeramt, Herr Bundesminister von Dohnanyi, eingehen. Ich möchte nicht darauf eingehen, daß ein Minister das Weite
gesucht hat, daß zwei Staatssekretäre und eine Staatssekretärin nicht mehr in Ihrem Hause sind,
({1})
daß ein wesentlicher Bildungspolitiker, Herr Lohmar, sich nunmehr auf dem Gebiete der Technologie betätigt.
({2})
Erfolge der SPD-Regierung in der Frage der Bildungspolitik sind äußerst bescheiden geworden. Sie vor allen Dingen, Herr von Dohnanyi, stehen vor der schwierigen Aufgabe, ein Hochschulgesetz zu konzipieren. Einerseits unterliegen Sie dabei dem Basisdruck Ihrer Partei - ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß unsere Beurteilung so ist -: Sie sollen möglichst progressiv sein, d. h. die demokratisierte Universität einrichten, und das unter den durch das Karlsruher Urteil wesentlich eingeengten Bedingungen. Auf der anderen Seite - wir haben gerade ein Beispiel dafür gehabt stehen Sie unter dem Druck aus den Ländern und von Fachleuten und Fachverbänden, die ja die Erfahrungen mit Ihrer Hochschulpolitik heute schon gemacht haben.
Was die Zustände an den deutschen Hochschulen angeht, muß man zwei Dinge sehr scharf voneinander unterscheiden: den Teil, den man mit Reform umschreibt, d. h. die Verbesserungsnotwendigkeiten, um mit den neuen Problemen, insbesondere mit dem Massenproblem fertigzuwerden es ist keine Frage, daß dies selbstverständlich Eingriffe in die Hochschulorganisation, in die Hochschulstruktur erforderlich macht , zweitens aber den Teil an den Hochschulen, den man mit Politisierung umschreiben könnte und der mit der Frage der Hochschulreform nur bedingt etwas zu tun hat. Es gibt namhafte Vertreter der deutschen Hochschulpolitik, die der Meinung sind, daß die Politisierung und Radikalisierung aus allgemeinen politischen Gründen von außen in die Hochschulen hineingebracht worden sind.
({3})
Lassen Sie mich zunächst zum ersten Teil, zur Reform der Universität, kurz etwas ausführen. Es ist klar, daß sich die heutige Universität von der ursprünglichen sehr stark dadurch unterscheidet, daß sie im wesentlichen damit befaßt ist, junge Menschen für einen Beruf auszubilden. Nur für den Teil, der später in der Forschung bleibt, ist nicht unmittelbar ein klares Berufsziel sichtbar. Für den weit überwiegenden Teiel jedoch ist die definierte berufliche Qualifikation das Ziel.
({4})
Vizepräsident von Hassel: Darf ich um ein bißchen mehr Aufmerksamkeit bitten!
Die Humboldt-Universität war gar nicht darauf ausgerichtet, zunächst für einen Beruf auszubilden; das hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Heute bei dem großen
Ansturm auf die Universitäten ist die Frage der beruflichen Qualifikation von allergrößter Bedeutong. Die Universität braucht deshalb zunächst Studienreformen und, daraus entwickelt, auch Regelstudienzeiten.
Wenn der Bereich der beruflichen Ausbildung auch eine erhebliche Rolle an der Universität spielt, so darf nicht übersehen werden, daß natürlich nach wie vor die Forschung, und zwar auch die Forschung im Humboldtschen Sinne, genügend Raum braucht, d. h. Forschung im pluralen Sinne in Freiheit und nicht unmittelbar auf das Tagesgeschehen gezogen.
({0})
Diesen beiden wichtigen funktionalen Erfordernissen hat eine Hochschulreform Rechnung zu tragen. Nur wenn sie von diesen beiden Grundproblemen ausgeht, kann sie Erfolg haben.
Auf keinen Fall darf sich Hochschulreform in der Entwicklung und Durchführung von Demokratisierungsmodellen erschöpfen; denn Demokratisierungsmodelle müssen langfristig zum Scheitern verurteilt sein, wenn sie den beiden genannten Funktionen der Universität nicht Rechnung zu tragen in der Lage sind. Es gibt Hochschulreformbeispiele, die zum weit überwiegenden Teil von der Demokratisierung der Hochschule ausgegangen sind. Manche von ihnen muß man bereits heute in ihrer Leistungsfähigkeit nahezu völlig oder doch in weiten Teilen abschreiben.
({1})
--- Man braucht nicht unbedingt von der Universität Bremen auszugehen, die wohl die erste sozialistische Universität Westdeutschlands sein dürfte,
({2})
wo Pluralismus in Forschung und Lehre weitgehend unterbunden wird, wo sich Wissenschaft als Weltschau durch das geistige Guckloch der Konflikttheorie und des sozialistischen Klassenkampfes versteht.
({3})
Nehmen wir die Freie Universität Berlin - fast möchte man sagen: die einst freie; denn was sich gerade in den jüngsten Tagen und Wochen dort abspielt, kann einem schon Zweifel am Funktionieren des demokratischen Systems in unserem Staate kommen lassen. Wie weit es mit der Freien Universität gekommen ist, wird am deutlichsten dadurch sichtbar, daß die Feier zur 25jährigen Gründung dieser Universität nicht etwa in der Universität selbst stattfinden konnte. Im Auditorium Maximum hatte der Kommunistische Studentenverband zu einem Kongreß eingeladen. Die Feier fand im Berlin-Museum statt.
Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Bitte schön!
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, wann Sie zuletzt an einer Lehrveranstaltung der Universität Bremen teilgenommen haben.
Ich habe noch nie an einer Lehrveranstaltung in Bremen teilgenommen.
({0})
Geradezu erschütternd liest sich der Beitrag von Richard Löwenthal in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 5. Dezember 1973, in dem er die Zustände und die Zukunftsaussichten der Universität analysiert. Nur folgendes Zitat:
Die durch Gesetz von 1969 geschaffene „demokratisierte" Universität hat weder die inhaltliche Reform des Studiums geleistet noch die Integration der Extremisten verwirklicht
({1})
noch auch nur den äußeren Frieden. Befriedigend ist dieser Stand der Dinge nur für die unmittelbaren Nutznießer, die Funktionäre der kommunistisch kontrollierten Gruppen.
Unter der Überschrift „Nur die Gesinnung zählt" schildert er den wissenschaftlichen Leistungsverfall, die fortschreitende Machtübernahme linksradikaler Gruppen und das Absinken des Prüfungsniveaus. Nicht sehr viel anders sieht es in verschiedenen Bereichen der Technischen Universität Berlin oder auch der Universität Marburg aus.
Systemveränderer und Kommunisten nehmen für sich unter dem Vorwand der Wissenschaftlichkeit den Freiraum der autonomen Universität als Agitationsfeld für ihre antidemokratische Ziele voll in Anspruch.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege, könnten Sie mir vielleicht einmal den Widerspruch erklären, der sich aus dem von Ihnen angedeuteten Zusammenhang zwischen linker Ausrichtung und Absinken der Prüfungsleistungen sowie der Tatsache ergibt, daß ausgerechnet die organisierten linken Studenten durchschnittlich die besten Abschlüsse hervorbringen?
({0})
Sie müssen zwischen den cleveren Agitatoren der linken Gruppen, die hervorragend sind, und dem unterscheiden, was sie politisch durchsetzen wollen, nämlich die Zerstörung der Universität mit der systematischen Zerstörung
der Leistung, weil die Leistung letztendlich die Gleichheit und die Nivellierung verhindert.
({0})
Das Wintersemester 1973/74 hat mit einer Serie von Gewaltakten an den deutschen Universitäten begonnen. Der VDS macht seine Drohung wahr, die er auf der 105. Sitzung der Westdeutschen Rektorenkonferenz ausgesprochen hat, er werde im Wintersemester Störpotential bereitstellen, um die Vollziehung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu verhindern. Die Zusammenstellung der öffentlich bekanntgewordenen Gewaltaktionen seit Oktober 1973 ergibt allein in zwei Monaten einen Katalog von über 40 Fällen. Betroffen sind die Universitäten in Berlin, Bonn, Braunschweig, Bremen, Frankfurt, Heidelberg, Münster, Tübingen, Köln und Bochum.
({1})
Die Aktionen richten sich gegen Prüfungen, unliebsame Professoren, die abgeschossen werden sollen, gegen studentische Konkurrenzgruppen und ihre Veranstaltungen, gegen hochschulinterne Wahlen und gegen Zeugen, die in Prozessen gegen linksradikale Gewalttäter aussagen oder die durch Fotografieren Gewalttäter identifizieren wollen. Aus der Reihe der Beispiele sei nur eines erwähnt. Braunschweig, 14. November: 200 Studenten versuchen eine planmäßig angesetzte Prüfung im Fach Baugeschichte zu verhindern. Zum Schutz der Prüfung fordert der Rektor ein fast Bleichstarkes Polizeiaufgebot an, das knapp eineinhalb Stunden benötigt, um den Prüflingen den Eingang freizukämpfen.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke?
Bitte sehr!
Herr Kollege Probst, Herr Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, können wir uns nicht dahin gehend einigen, daß wir hier eine anständige erste Lesung des Gesetzentwurfes durchführen und nur zu dieser Materie reden?
({0})
Herr Dr. Meinecke, diese Frage haben Sie heute abend schon einmal meinem Kollegen Pfeifer gestellt. Die hochschulpolitische Landschaft und die Tatsache, daß Sie vor den Realitäten dieser Landschaft die Augen verschließen, gehören unbedingt in die erste Lesung dieses Hochschulrahmengesetzes. Das möchte ich mit Nachdruck sagen.
({0})
- Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen ,das gar nicht angenehm ist, was 'hier ausgeführt wird.
({1})
Meine Damen und Herren, es gibt ähnliche Fälle in Bochum, wo 50 Polizisten eingesetzt wurden, ebenso in Berlin. Ich habe Ihnen die Namen der Universitäten aufgezählt. Ich möchte es mir ersparen, die Beispiele, die nahezu beliebig angeführt werden könnten, alle zu bringen.
Angesichts dieser Auseinandersetzungen bleiben selbstverständlich die notwendigen Reformen liegen. Qualifizierte Hochschullehrer wandern von sogenannten reformierten Universitäten ,ab, gerade die besonders für eine vernünftige Studienreform engagierten Hochschullehrer. Das Wort vom positiven Sortiereffekt, von Senator Stein Anfang 1970 geprägt, wird nicht wieder gebraucht. Beispiele für die Abwanderung prominenter Wissenschaftler von sogenannten reformierten Universitäten sind etwa der Sozialdemokrat Professor Nipperdey, der nach München gegangen ist, der Sozialdemokrat und ehemalige Staatssekretär in einer SPD-Landesregierung Prof. Dr. Hermann Lübbe, der nach Zürich ging, der Zoologe Dr. Martin Lindauer, der als Nobelpreisanwärter gilt, dem der politisierte Fachbereich an der Universität Frankfurt - man höre! - ganze 500 DM Verfügungsfonds für die Beschaffung wissenschaftlicher Geräte beließ. Lindauer ist nach Würzburg gegangen.
Von Bedeutung ist, daß gerade junge Wissenschaftler inzwischen aufgeben, sofern sie an wissenschaftlicher Leistung und qualifizierter Lehre interessiert sind. Einmalig in der deutschen Hochschulgeschichte ist der Fall des heute 29jährigen Werner Heise, der zunächst wegen seines Engagements für eine Reformuniversität in Oldenburg einen Ruf nach München abgelehnt hatte, nach einem Jahr Kampf gegen ein zweites Bremen über die TU München bat, den zunächst ausgeschlagenen Ruf zu erneuern.
Meine Damen unid Herren, genauso einmalig ist der Fall Schelsky, der vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister unter Mitnahme seines Lehrstuhls nach Münster berufen wurde, weil diesem international renommierten Wissenschaftler in Bielefeld keine sinnvolle Arbeitsmöglichkeit mehr gewährt werden konnte.
({2})
Soll ich noch anführen, daß sich in der Zwischenzeit die Presse sehr skeptisch über die Zustände äußert? Ich will auch nicht näher auf die Frage eingehen, wie der Verfassungsschutz die Aktivitäten der linksradikalen Gruppen an den Hochschulen beurteilt oder was die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung von unseren Hochschulen heute hält. Wichtig ist nur noch, festzuhalten, wie das westliche Ausland die Zukunft unserer Hochschulen sieht.
Lassen Sie mich nur eine Stimme, nämlich die des amerikanischen Historikers Dennis Bark zitieren. Er schreibt:
Die deutsche Universität, jahrhundertelang eine der angesehensten der Welt, ist heute zu einer selbständigen politischen Institution geworden, und zwar mit erschreckenden Ergebnissen.
Meine Damen und Herren, das ist, soweit es die Politisierung und die Demokratisierung anlangt, die hochschulpolitische Landschaft.
Was machen die verantwortlichen Sozialdemokraten angesichts dieser Probleme in unserem Land?
({3})
Herr Minister von Dohnanyi hat heute sehr markige Worte dazu gesprochen, daß selbstverständlich kriminelle Gruppen aus der Hochschule entfernt werden müßten oder daß gegen sie mit harten Maßnahmen vorgegangen werden sollte. Was soll das denn bedeuten, wenn der Sozialistische Hochschulbund im gleichen Atemzug durch die Stimmen der SPD im Haushaltsausschuß 88 000 DM im nächsten Jahr für sich zur Verfügung gestellt bekommt?
Der Sozialistische Hochschulbund hat am 14. November eine Sitzung der Philosophischen Fakultät in Bonn zusammen mit dem Spartakus gesprengt. Ist das kriminell oder nicht, Herr Minister? Das gleiche hat der MSB Spartakus in Münster getan. Er hat eine RCDS-Versammlung gesprengt. Es gab Verletzte. Ein Fotograf wurde verletzt und mußte sich in ärztliche Behandlung geben. Ist das kriminell?
Was tun Sie wirklich, Herr Minister? Diese Verbände laden Sie zu einem Anhörungsverfahren in Ihr Ministerium ein, weil sie offenbar wesentliche Beiträge zur Verbesserung Ihres Hochschulrechtsrahmengesetzes leisten werden.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?
Herr Kollege Möllemann hat schon so viele schlechte Zwischenfragen geboten, daß ich keine mehr zulasse.
({0})
Meine Damen und Herren, dazu kommt auch noch die offizielle Verharmlosung durch die verantwortlichen sozialdemokratischen Politiker. Z. B. hat Herr von Dohnanyi im Mai dieses Jahres in der „Süddeutschen Zeitung", wo er den Radikalismus an den Hochschulen von heute den Verhältnissen von Weimar gegenüberstellt
({1})
- nein, das ist schon die richtige -, ausgeführt:
Man mag politische Forderungen der linken Studenten ablehnen, ihr grundsätzliches demokratisches Engagement sollte man nicht in Zweifel ziehen.
Wissenschaftsminister Rau sagte angesichts der Gewaltwelle, die derzeit - etwa seit Oktober in unserem Land herrscht, laut der „Frankfurter Allgemeinen" vom 4. Dezember, es gebe weder Terror noch Gewalt, sondern eine Welle von in der Regel gewaltlos ablaufenden Versammlungen und Demonstrationen.
({2})
Der Herr Bundeskanzler selber - weit entrückt - sieht die Gefahr gar bei rechten Provokateuren. In einer Presseerklärung vom 10. Dezember des vergangenen Jahres führte er u. a. aus:
An den Hochschulen und darüber hinaus formiert sich eine neue Konfrontation mit beträchtlichen Teilen der jungen Generation, diesmal stark gefördert durch Provokateure von rechts.
Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich glaube schon, daß es in unserem Land eine rechte Gefahr gibt. Allerdings ist sie bis dato nur eine latente rechte Gefahr. Doch besteht kein Zweifel, daß es zu einer rechten Bewegung in Deutschland kommt - davon bin ich felsenfest überzeugt -, wenn es nicht gelingt, die linksradikalen Ausschreitungen gerade an den Universitäten unter Kontrolle zu bekommen. Sie, meine Damen und Herren, die Sie dieser Entwicklung nur verbal und verharmlosend gegenübertreten, werden dafür gegebenenfalls eine schwere Verantwortung zu tragen haben.
({4})
Herr Minister, Sie sollten Schluß machen - ({5})
- Ach, wenn es Ihnen gar nicht gefällt, kann ich das gerne noch ein bißchen ausdehnen. Ich habe noch einen ganzen Katalog ,da. Ich kann mir vor- I stellen, daß Ihnen das nicht gefällt, was ich Ihnen sage.
({6})
Herr Minister, sie sollten Schluß machen mit Ihrem Opportunismus gegenüber dem Basisdruck der Linken in Ihrer Partei.
({7})
- In Ihrer Partei, betone ich. - Sie wissen ja, daß Ihr Ministerkollege Vogel der Meinung ist, daß dieser Basisdruck sehr erheblich ist.
({8})
- Der Parteifreund und Ministerkollege! ({9})
Er hat erst in dieser Woche ausgeführt, daß man schon eine Reihe aus der Partei hinauswerfen müsse, daß aber 50 000 wohl zuviel seien.
({10})
Behalten Sie das im Hintergrund.
Die hier aufgezählten Fakten sind meiner Meinung nach für die Beratung des Gesetzes und für die Findung des Standortes von größter Bedeutung. Es braucht nicht extra betont zu werden, daß wir uns über Hochschulreformen nicht mehr zu unterhalten
brauchen, wenn wir unsere deutschen Hochschulen erst einmal in einem Zustand wie in Bremen oder in Berlin haben.
({11})
Da sind Reformen nicht mehr möglich, da geht es um mehr, nämlich um die Freiheit überhaupt, nicht mehr nur um die Freiheit von Forschung und Lehre.
Doch was tut die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf? Herr Bundesminister, was ist in Ihrem Gesetz hierfür enthalten? Eine Analyse zeigt: Nichts. Den entscheidenden Ansatz, den Ihnen erst das Bundesverfassungsgericht aufgezwungen hat, versuchen Sie gar noch auszuhöhlen. Ihr Gesetzentwurf verdient deshalb die Note „äußerst mangelhaft".
({12})
-- Lachen Sie nicht zu früh.
Ein ähnliches Urteil können Sie auch in der „Frankfurter Rundschau" vom 10. Dezember 1973 nachlesen,
({13})
wo sich der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, Roellecke, in einer vernichtenden Kritik mit Ihrem Gesetzentwurf auseinandersetzt. Es wäre zu hoffen, daß Sie nicht in der Manier, wie Sie die Einwendungen des Bundesrates vom Tisch gefegt haben, im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft mit sich über eine wesentliche Verbesserung des Entwurfes reden lassen.
Eines dürfen Sie auf alle Fälle von uns nicht erwarten:
({14})
daß wir einem Hochschulrahmengesetz zustimmen werden, das die Verhältnisse von Berlin oder Marburg auf die noch funktionierenden Universitäten in Bayern,
({15})
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder sonstwo zwangsweise überträgt. Wir brauchen ein Gesetz, das die kranken Universitäten gesundet und die noch funktionierenden verbessert und effizienter macht. Wir werden darüber in den Beratungen zu sprechen haben. Unsere Vorschläge liegen klar auf dem Tisch.
({16})
Lassen Sie mich zusammenfassen.
({17})
Erstens. Die Universität bildet heute zum weit überwiegenden Teil für einen Beruf aus. Deshalb ist die Erarbeitung neuer Studienordnungen ein Kernstück der Hochschulreform. Studienreformen sind Voraussetzungen, um Regelstudienzeiten einführen zu können. Ich glaube, daß wir in dieser Grundhaltung übereinstimmen können.
Zweitens. Darüber hinaus muß die Universität der Zukunft genügend Raum für Forschung auch im Humboldtschen Sinne haben. Ein Absinken des wissenschaftlichen Niveaus würde sehr schnell zu einer Verschulung der Hochschule führen.
Drittens. Die Mitwirkung an der Universität hat nach Funktion und Qualifikation und nicht nach einem leistungsnivellierenden und sachfremden Demokratisierungsprinzip zu erfolgen. Das Demokratisierungsprinzip an den Hochschulen
({18})
kann an den deutschen Universitäten mindestens als gescheitert betrachtet werden.
({19})
Viertens. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil muß nicht nur dem Buchstaben nach, sondern auch dem Sinne nach beachtet werden.
Fünftens. Wir brauchen die Bereitschaft, zu erkennen, daß der Radikalismus nicht durch verschleppte Hochschulreformen zu erklären ist, sondern durch die zunehmende politische Ideologisierung, die in den Hochschulen am deutlichsten sichtbar wird. Den Reformmangel nutzen die radikalen kommunistischen 'Bewegungen in ihren Spielarten nur als Vehikel für ihre eigentlichen politischen Ziele.
Sechstens. Wir brauchen die Sicherung von Freiheit für Forschung und Lehre, d. h. Leistung und Effizienz an unseren Universitäten durch rechtsstaatliche Einengung der antidemokratischen Freiräume in den Universitäten.
Siebtens. Wir brauchen eine entschiedene Haltung - und das ist besonderes wichtig - von Regierung und Parlament für Recht, Freiheit und Toleranz. Dies ist von allergrößter Bedeutung, weil erst sie den oft verschreckten demokratischen Kräften an den Universitäten Rückhalt und Mut gibt, sich für Freiheit, Recht und Toleranz entschieden zu engagieren.
({20})
Meine Damen und Herren, in der Tatsache, daß der Herr Kollege Probst zweieinhalb Minuten unter der angemeldeten Redezeit geblieben ist, sehe ich einen hoffnungsvollen Beginn für die weitere Abwicklung des Abends.
Das Wort hat Frau Kollegin Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, wir haben soeben den Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft gehört. Ich meine, man sollte das vorwegschicken, weil Unbefangene auf diesen Gedanken nicht kommen würden.
({0})
Es ist doch hoffentlich inzwischen nicht vergessen, daß es immer noch um die Einbringung des Entwurfs des Hochschulrahmengesetzes geht. Ich kann nur hoffen, daß diese Vorstellung hier kein Einstieg in die Ausschußberatungen war und daß es uns in den Ausschußberatungen gelingt, uns tatsächlich am Gesetzentwurf zu orientieren.
Am Anfang einer solchen Debatte muß meiner Meinung nach der Gedanke stehen, daß Bildungspolitik in einer demokratischen Gesellschaft von dem Grundgesetz auszugehen hat, dem Bürger ein Recht auf Bildung zu geben. Die Hochschulreform - so heißt es auch in der Begründung zu dem Entwurf am Anfang - muß daher zu einer Struktur der Hochschulen führen, die jedem Bürger eine vom Einkommen und Bildungsgrad der Eltern unabhängige, seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechende Bildungs- und Berufschance eröffnet. Hierbei ist zu betonen, daß von Berufschance und Bildungschance die Rede ist. Ich weise deshalb darauf hin, weil man sich in letzter Zeit allzu sehr daran gewöhnt hat, sich mit dem Gedanken abzufinden, daß das einzige Kriterium, an dein sich Kapazitätserweiterung künftig orientieren sollten, die Nachfrage am Arbeitsmarkt ist.
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Wenn wir nicht die Bildungschance in ungerechtfertigter Weise der Berufschance völlig unterordnen wollen, ist es für meinen Begriff überhaupt nicht einzusehen, daß die Bildungschancen, die durch die Hochschulen angeboten werden, nur denjenigen in erster Linie zugute kommen, die auch bessere Berufschancen haben.
Nun meint der Bundesrat, die Hochschulen sollten nur noch auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten. Er begründet dies damit, daß das Studienziel nicht allgemein auf die Befähigung zu wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeit ausgerichtet sein dürfe. Ich meine, daß eine derartige inhaltliche Verarmung der Ziele nicht gleich am Anfang stehen darf. Mit einer solchen Einstellung zum Studium züchtet man gerade die Vorstellung, daß ein langes Studium in erster Linie zu besseren Verdienstmöglichkeiten berechtigt. Daß dies nicht im Sinne einer Hochschulausbildung sein kann, hatten wir bereits während der Debatte zum Numerus clausus festgestellt.
Der heute zur Debatte stehende Entwurf des Hochschulrahmengesetzes baut auf den Erfahrungen der einzelnen Hochschulgesetze in den Ländern auf und ist durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum niedersächsischen Vorschaltgesetz in Fragen der Mitbestimmung in einen ganz bestimmten Rahmen gesetzt. Wir werden dafür Sorge tragen - Herr Möllemann hat dies bereits gesagt - und ich möchte es noch einmal unterstreichen -, daß dieses Gesetz den verfassungsmäßigen Anfechtungen standhält - und der Entwurf tut es unserer Meinung nach - und daß andererseits das Bundesverfassungsgerichtsurteil voll ausgeschöpft wird; auch dieser Versuch wird in dem Entwurf unternommen. Für uns ist Mitbestimmung keine Spielwiese.
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Entscheidend ist, daß die einzelnen Gruppeninteressen in den jeweiligen Gremien mit dem ihnen angemessenen Gewicht auch tatsächlich vertreten sind.
Wenn schon heute die Verfassungsmäßigkeit dieses Entwurfs angezweifelt wird, handelt es sich in
erster Linie wohl nicht um eine wirklich begründete, tiefe Sorge, sondern um einen Aufhänger für die Verteidigung von Privilegien einer ganz bestimmten Gruppe, nämlich der Hochschullehrer.
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Der Entwurf des Hochschulrahmengesetzes stellt den Versuch dar, in den Bereichen, in denen bundeseinheitliche Regelungen erforderlich sind, diese auch tatsächlich zu schaffen. Aus der Stellungnahme des Bundesrates hingegen kann man wohl ableiten, daß die dort die Mehrheit bildenden Länder am liebsten ohne ein solches Rahmengesetz leben bzw. es inhaltlich möglichst so verarmen würden, daß wir darauf auch verzichten könnten. Man muß sich fragen, was die CDU/CSU im Mai 1969 wohl dazu bewogen haben mag, dem Bund durch Änderung des Grundgesetzes eine Rahmenkompetenz zu geben, wenn heute die CDU und die CSU über den Bundesrat nach Kräften zu verhindnern suchen, daß diese Rahmenkompetenz inhaltlich auch tatsächlich ausgestaltet wird.
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Ich möchte an Hand einiger Beispiele aufzeigen, wie verwaschen das Hochschulrahmengesetz aussehen würde, ginge es nach dem Willen des Bundesrates.
Der Bundesrat macht bereits in seinem Wunsch nach Änderung der Überschrift des Gesetzes deutlich, was er wirklich von diesem Gesetz erwarten will. Wir bemühen uns, im europäischen Rahmen vergleichbare Hochschulabschlüsse zu schaffen und für deren gegenseitige Anerkennung zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu grotesk, wenn eine nur bundesweite Studienreform vom Bundesrat verhindert werden soll und die Bestimmungen über die Hochschulgrade aus dem Hochschulrahmengesetz gar gestrichen werden sollen, beides mit der Begründung, die Zuständigkeit solle bei den Ländern bleiben.
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Nicht nur das Kernstück der Hochschulreform, nämlich die Studienreform, sondern auch die Organisationsreform einschließlich der Mitbestimmungsregelungen, sollen nach dem Willen des Bundesrates durch Länderrecht näher geregelt werden. Der Hochschulzugang soll laut Bundesrat überhaupt nicht in dieses Hochschulrahmengesetz einfließen. Die Begründung, 'daß dieses keine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sei und auch kein Bedürfnis für bundesgesetzliche Regelungen bestehe, kann man doch nicht aufrechterhalten.
Es ist heute gerade von seiten der CDU/CSU, auch dann, wenn es sich um Vertreter der Länder handelt, gesagt worden, daß das Bundesverfassungsgericht für uns so wichtig ist. Dann muß man aber auch einmal auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Numerus clausus hinweisen, wo steht, es sei in erster Linie Sache des Bundes, hier unter Ausnutzung der ihm gegebenen legislativen und verwalFrau Schuchardt
tungsmäßigen Möglichkeiten das Notwendige zu tun. Wir schlagen dies vor.
Wer um die Auseinandersetzungen um den Staatsvertrag der Länder weiß, dem kann dieser Vorschlag des Bundesrates, den Staatsvertrag doch so zu belassen, nur als Zynismus erscheinen.
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Wir Freien Demokraten werden uns dafür einsetzen, daß dieses Gesetz hochschulpolitisch ein Gewinn werden wird. Alle Änderungen und Ausführungen, die diesem Ziel entgegenstehen, werden wir zu hindern versuchen, und wir werden allen Änderungen, die diesen Entwurf noch verbessern können, zustimmen.
Ich möchte ein Beispiel geben, wo wir uns Verbesserungen wünschen können: Im Gegensatz zur Bundesregierung bin ich der Auffassung, daß die im Entwurf vorgesehenen Regelstudienzeiten nicht den gewünschten Effekt, durch die zeitliche Begrenzung mehr Studienplätze zu schaffen, haben werden.
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Sie sollten deshalb herausgenommen werden. Es ist völlig klar, daß wir heute ständig Kollisionen mit dem Recht auf einen Studienplatz auf der einen Seite und dem Recht an einem Studienplatz auf der anderen Seite erleben.
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Dieser Konflikt läßt sich aber sachgerechter durch zügiges Vorantreiben u. a. auch der Studienreform lösen. Ich meine jedenfalls, daß die Bestrafung derer, die am wenigsten Einfluß auf die Studienreform haben, nicht ganz angemessen ist.
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Unserer Meinung nach werden folgende Bereiche für die inhaltliche Reform von zentraler Bedeutung sein. Es wurde hier bereits gesagt, daß die integrierte Gesamthochschule nicht der Wunsch der CDU/CSU ist. Das überrascht uns nicht. Aber wir wollen auch nicht verschweigen, 'daß die FDP gesteigerten Wert darauf gelegt hat, daß dieser Gesetzentwurf bereits die integrierte Gesamthochschule formuliert.
Wesentliches Merkmal dieser integrierten Gesamthochschule, wie wir sie wollen, ist die Verbindung der gegenwärtig von Hochschulen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung wahrgenommenen Aufgaben wie Forschung, Lehre und Studium und ebenso die Verbindung von Lehrkörpern und Studenten. Gerade diese Definition soll aber auf Wunsch des Bundesrates gestrichen werden. Dies ist natürlich ganz eindeutig eine Absage an die Gesamthochschule überhaupt. Die FDP hat bei der Erarbeitung dieses Gesetzes auf diesen Begriff der Gesamthochschule Wert gelegt und wird versuchen, ihn zu erhalten.
Wir haben im Rahmen der Debatte über den Numerus clausus bereits feststellen müssen, daß die Attraktivitäten von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen nicht vorhanden sind und daß ihre Abschlüsse nicht als gleichwertig akzeptiert werden und auch nicht sind und auch langfristig nicht als eine wirkliche Alternative angesehen werden. Daher ist es besonders wichtig, daß wir zur integrierten Gesamthochschule kommen. Denn: Auch wenn uns wiederum von der CDU gesagt wurde, wir sollten doch 'die Fachhochschulen noch ausweiten, werden wir weiterhin den fragwürdigen Erfolg haben, daß 40 % der Abgänger von den Fachhochschulen in unsere Hochschulen hineinstreben,
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und zwar einfach deshalb, um mehr Aufstiegschancen, mehr Chancengleichheit und mehr Verdienstmöglichkeiten zu haben.
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Integrierte Gesamthochschule bedeutet für uns nicht eine große Uni alten Stils. Ich halte es deshalb für wichtig, darauf hinzuweisen, daß wesentliche Bildungsangebote der Fachhochschulen in den Gesamthochschulen erhalten bleiben müssen. Es ist deshalb wichtig, daß in den Gründungsgremien zu Gesamthochschulen eben auch der Einfluß von Fachhochschulangehörigen besonders deutlich wird. Nur wenn die anwendungsbezogenen Studiengänge innerhalb einer Gesamthochschule tatsächlich auch die entsprechende Breite haben werden, werden wir es verhindern, daß wir langfristig z. B. wieder die Ingenieurschulen alten Stils schaffen.
Wir haben uns sehr stark für die Hereinnahme der Hochschulkonferenzen bereits in diesen Entwurf eingesetzt. Natürlich ist es für die Länderregierungen sehr einfach, nicht ein Sprachrohr von Hochschulen zu haben, sondern verschiedene Sprachrohre, nämlich jede Hochschule für sich einzeln. Es ist für eine Landesregierung sehr viel einfacher, sich aus dem unterschiedlichen Meinungsbild, das sich dann naturgemäß ergibt, das Beste herauszuholen. Dieses, meinen wir, ist aber nicht im Sinne vernünftiger Hochschulpolitik, und wir sollten auf Landes- und auch auf Bundesebene diese Hochschulkonferenzen schaffen. Daß natürlich der Bundesrat einer Bundeshochschulkonferenz entgegensteht, ist völlig verständlich; damit wächst natürlicherweise der Einfluß des Bundes, und das kann natürlich nicht im Sinne der Länder sein, auch dann nicht, wenn es für die Angehörigen der Hochschulen sinnvoll wäre.
Zur Personalstruktur möchte ich nur kurz einiges sagen. Wir haben uns bereits vor Jahren zu den vier Gruppen an den Hochschulen bekannt: einmal zu den Hochschullehrern, 'und zwar zu einer ungeteilten Hochschullehrerschaft, dann zur Studentenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts, zum wissenschaftlichen Personal und zum technisch-verwaltungsmäßigen Personal.
Herr' Pfeifer hat hier wieder einmal angeführt, daß die Habilitation langfristig schlicht und einfach vermieden werden soll und daß dieses Gesetz dafür bereits die Grundlagen legt. Ich muß daran erinnern, daß die Habilitation - so steht es dort 4468
weiterhin eine Möglichkeit des Nachweises wissenschaftlicher Qualifikation ist
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und ,daß sie insoweit in die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten eingereiht List, wie man wissenschaftliche Qualifikation auch tatsächlich beweisen kann. Die Habilitation nun so hochzujubeln, als ob das die einzige Möglichkeit wäre, ist natürlich inzwischen schlicht und einfach an der Realität vorbeigedacht.
Die Assistenzprofessoren werden unserer Meinung nach bei der Auseinandersetzung im Ausschuß eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Wir haben uns zwar zu den Assistenzprofessoren bekannt, wissen alber auch um die Schwierigkeiten, die z. B. in Berlin aufgetreten sind. Sie sind in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die große Anzahl von Assistenzprofessoren geschaffen wird, die keineswegs die Chance haben, als Lebenszeit-Professoren irgendwo unterzukommen. Ich meine, daß man deshalb nicht die ganze Konstruktion in Frage stellen sollte, wenngleich ich keinen Hehl daraus mache, daß wir für bessere Lösungen jederzeit aufgeschlossen sind. Wir hoffen, daß sie kommen, falls sie aus den Reihen der CDU kommen sollten.
Auch hier ist es wichtig - insofern ist die Anregung des Bundesrates meiner ,Meinung nach dankbar aufzunehmen -, daß sich bereits innerhalb des Personalkörpers deutlich macht, daß auch der Fachhochschul-Professor eine entsprechende Bedeutung innerhalb dieses Systems 'hat und daß gerade ,die außeruniversitäre Erfahrung hier eine wesentliche Rolle spielt.
Der Bundesrat möchte nun den alten wissenschaftlichen Assistenten wieder einführen, indem er auf Verlangen Lehrveranstaltungen von ihm erwartet. Ich meine, daß wir uns dem widersetzen sollten; denn das würde die Reform der Personalkörperstruktur voll in Frage stellen.
Ich möchte nur noch ganz kurz auf den Zugang zu den Hochschulen zurückkommen und darauf, daß es aus mehrerlei Gründen wichtig ist, diesen Staatsvertrag abzulehnen. Für uns war es von Anfang an klar, daß er nur eine Übergangsform ist und daß er so schnell wie möglich abzulösen ist durch ein Bundesgesetz. Falls dieses Hochschulrahmengesetz scheitern sollte, werden wir jetzt schon ganz eindeutig die politische Aussage treffen, daß wir losgelöst davon eine bundesgesetzliche Regelung für den Hochschulzugang hier durchzusetzen versuchen werden. Der Staatsvertrag hat sich im wesentlichen an den Parlamenten vorbeientwickelt. Daß dies graue Zonen des Parlamentarismus sind, liegt in allererster Linie daran, daß die Parlamente nur noch akzeptieren konnten, was ihnen von der Verwaltung ausgearbeitet war.
An einem Beispiel, wo auch der inhaltliche Mangel erheblich ist, am Beispiel der Zensuren, die auch heute wieder wesentlich im Mittelpunkt standen, möchte ich einmal aufzeigen, wie wichtig es gerade ist, daß die Tendenzen des Hochschulrahmengesetzes eindeutig verwirklicht werden. Es wird von der Entwertung des Reifezeugnisses gesprochen, meine Damen und Herren, und das, obwohl wir gerade vor
wenigen Wochen Malus-Probleme hatten. Es wird von den Zensuren gesprochen, obwohl wir wissen, daß die Qualifikation eines Mediziners z. B. überhaupt nichts zu tun hat mit den Abiturdurchschnittsnoten. Nicht zuletzt sind die negativen Rückwirkungen in die Sekundarstufe II ganz erheblich. Wenn Bildungspolitiker dies leugnen, kann ich nur sagen, dann haben sie sich bisher nur mit Hochschulpolitik befaßt. All dies hält den Bundesrat aber nicht davon ab, weiterhin zu meinen, daß der Staatsvertrag die einzig mögliche gute Lösung sei.
Meine Damen und Herren, wir scheuen uns als Freie Demokraten nicht, zu versuchen, ein vernünftiges Gesetz zu verabschieden. Wir scheuen uns auf der anderen Seite aber auch nicht, einem Gesetz nicht zuzustimmen, das so weit verarmt ist, daß es sich nicht einmal mehr lohnt verabschiedet zu werden, und wir werden uns auch nicht scheuen, falls es zu einem Scheitern kommt, dies besonders in den Landtagswahlkämpfen anzubringen, wo wir die Mehrheiten im Bundesrat kippen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schweitzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte zwar ursprünglich 25' Minuten beantragen lassen, aber angesichts der fortgeschrittenen Zeit und insbesondere angesichts der Tatsache, daß wir von der SPD-Fraktion noch eine abendliche Sitzung durchführen wollen, möchte ich mich kurz fassen. Ich sage dies gleich zu Anfang zu der großen Gemeinde meiner Fraktionsfreunde, die sicherlich, genüßlich in ihren Zimmern sitzend, über die Lautsprecheranlage hier zuhören werden.
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Wir Redner zum Punkt 14 der Tagesordnung sind jetzt wohl mehr oder weniger zusammen mit unseren unmittelbaren Sympathisanten unter uns, wenn ich das einmal so formulieren darf. Daß unser eigener unermüdlicher Fraktionsvorsitzender noch anwesend ist, bedarf eigentlich kaum einer Erwähnung.
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Ich möchte nun aber vorab namens meiner Fraktion nochmals ausdrücklich dem zuständigen Minister und seinem seit Monaten strapazierten Mitarbeiterstab ein Lob spenden für die geleistete Arbeit, nicht zuletzt für eine gedankliche und sprachlich glänzende Begründung zu diesem Entwurf. Ich sage dies um so lieber, weil ich sogleich hinzufügen möchte, was an sich selbstverständlich ist, aber doch offenbar immer wieder falsch ausgelegt wird, daß natürlich auch von unserer Fraktion zu einzelnen Punkten in den Ausschußberatungen Änderungsanträge gestellt werden. Ich habe gar nicht verstanden, wie der Kollege Pfeifer hier aus solchen Intentionen und anderen Äußerungen konstruieren konnte, daß innerhalb der SPD-Fraktion oder innerhalb der SPD
überhaupt Meinungsverschiedenheiten größeren Ausmaßes vorherrschen.
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Ich kann Ihnen versichern, daß wir hier im Deutschen Bundestag, Herr Kollege Gölter, dieses Gesetz mit den Koalitionsparteien bis zum Sommer 1974 verabschieden werden. Jeder, der glaubt annehmen zu müssen, daß das nicht so laufen würde, wird sich ganz gewaltig irren.
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Mich persönlich hat, wenn ich das sagen darf, die Art und Weise, wie die maßgeblichen Sprecher der Opposition hier vor acht Tagen und auch heute die Debatte angelegt haben, ein wenig enttäuscht. Die Opposition stellte offensichtlich mit ihrer ganzen Argumentationslinie immer wieder parteitaktische Erwägungen über die Sache selber. Dies ist zwar in gewissem Umfang das Recht jeder Opposition, weil sie ja versuchen muß, in der Bevölkerung insgesamt einen Stimmungsumschwung zu ihren Gunsten herbeizuführen
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mit dem Ziel, die jeweils amtierende Regierung abzulösen. Die Staatsraison sollte aber meines Erachtens solchen Versuchen immer wieder enge Grenzen setzen. Herr Kollege Probst, ich muß auch wirklich sagen, Ihre und des Kollegen Pfeifer Vergangenheitsbewältigung in Sachen Hochschulrahmengesetz heute führt eigentlich, davon bin ich überzeugt, in der Sache, die hier ansteht, nicht weiter; das möchte ich einmal ganz eindeutig betonen.
Ich persönlich, meine Damen und Herren, bin davon überzeugt,
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- das kommt gleich -, daß die Hunderttausende von Mitbürgern, die vom Thema unserer heutigen Debatte berührt werden, das Sie im wesentlichen gar nicht angesprochen haben, kein Verständnis mehr für engstirnige Regional- und Parteipolitik bei der Regelung der anstehenden Probleme aufbringen würden.
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Deshalb meine ich, daß von allen Seiten dieses Hauses spätestens in den Ausschußberatungen der ernsthafte Versuch gemacht werden müßte, in dieser für unser Volk lebenswichtigen Frage zu einer echten Verständigung zu kommen.
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- Ihre Äußerung, Herr Kollege Gölter, zum Numerus clausus vor acht Tagen war auch nicht gerade dazu angetan, uns einer solchen Verständigung näherzubringen.
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- Diese abschließende Abstimmung zu Ihrem Resolutionsentwurf damals war nur die Folge davon, daß seinerzeit mit völlig falschen Argumenten - völlig falsch programmiert von dem Kollegen Gölter - in die Debatte eingetreten worden war.
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Ich spreche hier von Verständigung, meine Damen und Herren. Auch der Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz hat ja in seinem Beitrag dankenswerterweise diese Vokabel ein wenig anklingen lassen. Verständigung kommt bekanntlich von Verstand, und ich glaube wirklich, der Verstand, die Vernunft zwingt uns im Interesse der Sache, um die es geht, ganz unabhängig von einem völlig gerechtfertigten Vertrauen in gesicherte Abstimmungsverhältnisse in diesem Bundestag auf der einen Seite und von den verfassungsrechtlich sehr komplizierten Problemen des Ausmaßes an Zustimmungsbedürftigkeit eines solchen Gesetzes durch den Bundesrat auf der anderen Seite zu der Erkenntnis, daß Bundestag und Bundesrat in der Tat gemeinsam - Herr Kollege Vogel, so habe ich es hier auch stehen - zum Erfolg oder Mißerfolg in dieser Sache verurteilt sind.
Ich möchte auch namens unserer Fraktion die beiden anwesenden Vertreter des Bundesrates, die beiden Kultusminister von der Seite der CDU, ansprechen und sagen: Nach unserer und meiner ganz persönlichen Überzeugung wird gerade das Abstimmungsverhalten des Bundesrates im Sommer zeigen, ob diese unsere zweite Kammer in der Lage ist, über parteitaktische Schatten zu springen, deren Existenz allen grundgesetzlichen Zielvorstellungen zum Trotz immer wieder behauptet wird.
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- Jawohl, beide. Sie haben den Bundestag angesprochen, und ich erlaube mir, das zurückzugeben,
weil die Vertreter des Bundesrates anwesend sind.
Wir sollten uns, meine Damen und Herren, bei dieser ersten Lesung des Hochschulrahmengesetzes in Form einer Grundsatzdebatte gemeinsam fragen, was der Deutsche Bundestag mit einem solchen Gesetzesvorhaben von den Zielvorstellungen her eigentlich erreichen will. Ohne mich bei meinen weiteren Ausführungen auf einen Prioriätenkatalog festlegen zu wollen und nicht zuletzt auch motiviert von dem Versuch, einen bei der ganzen Auseinandersetzung bisher immer wieder zutage tretenden teutonischen Dogmatismus und Fanatismus zu vermeiden, möchte ich in diesem Zusammenhang auf einige solcher Zielvorstellungen hinweisen.
Für entscheidend halte ich erstens das Erfordernis einer größtmöglichen Bundeseinheitlichkeit hochschulgesetzgeberischer Regelungen. Ich habe von dieser Stelle aus schon einmal auf die Gefahren aufmerksam gemacht, daß unsere Hochschulen, in welchem Bundesland auch immer, bei einem weiteren Ausbleiben klarer bundeseinheitlicher Regelungen der anstehenden Fragen von Chaos bedroht sind, vom Chaos unterschiedlicher politischer Einfärbun4470
gen, unterschiedlicher Anforderungen, Berufungspraktiken und Prüfungsverfahren und nicht zuletzt auch vom Chaos eines sich möglicherweise selbst aufgebenden Pluralismus, d. h. der Vielfalt wissenschaftlicher Ansätze und Aussagen, die nun einmal zum Kern unserer geistig-politischen Kultur gehört. Um dem zu begegnen, wird der Deutsche Bundestag versuchen müssen, hier ein Höchstmaß an Bundeseinheitlichkeit zu verwirklichen. Um dem zu begegnen, werden möglicherweise einzelne Länder ganz unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung Abstriche von eigenen hochschulpolitischen Zielvorstellungen machen müssen.
Zweitens sollte es uns gemeinsam darum gehen, die bedrohte Effizienz und Funktionstüchtigkeit unserer Hochschulen zu stärken, sie von überholten Fesseln des 19. Jahrhunderts zu befreien und dazu zu befähigen, die Aufgaben. des ausgehenden 20. Jahrhunderts besser zu bewältigen. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Pfeifer, habe ich überhaupt kein Verständnis gehabt für Ihre Äußerungen; ich habe sie geradezu als unseriös empfunden. Ich muß wirklich sagen: Der Entwurf des Bundeswissenschaftsministeriums ist ja gerade in der Qualifikationsfrage außerordentlich eindeutig, wenn Sie z. B. an die sehr hohen Anforderungen denken, die an den künftigen Assistenzprofessor gestellt werden.
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- Doch, davon bin ich überzeugt. Wir werden uns im Ausschuß darüber noch weiter aussprechen können, Herr Dr. Probst.
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Das werden wir dann klären können.
Drittens erfordern eben diese Aufgaben einen besseren, auf jeden Fall aber einen deutlicheren Praxisbezug in der wissenschaftlichen Ausbildung unserer Studenten. Unter solchen Gesichtspunkten ergibt sich die entscheidende Bedeutung des Abschnitts über die Studienreform im Gesetzentwurf. Darauf ist hier schon wiederholt hingewiesen worden.
An dieser Stelle muß ich auch einflechten, daß die Presseerklärung des Kollegen Pfeifer zu Beginn der vorigen Woche mit ihrer indirekt an den Bund gerichteten Forderung, sich um eine möglichst schnelle Verwirklichung der Studienreform zu bemühen, Fachleute außerordentlich seltsam anmuten mußte. Schließlich waren für ein Ausbleiben von durchschlagenden Studienreformen bisher vor allem die Länder verantwortlich, die erst in allerjüngster Zeit durch Novellierungen ihrer Hochschulgesetzgebung dem Beispiel gefolgt sind, das der Bund schon mit seinem Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz in der vorigen Legislaturperiode gegeben hatte. Besonders grotesk werden solche Forderungen natürlich dann, wenn dem Bund gleichzeitig die Kompetenzen für gesetzliche Regelungen auf diesem Gebiet immer wieder bestritten werden. Wir halten Inhalt und Begründung der Bestimmungen des Regierungsentwurfs zur Studienreform für ein
Glanzstück der Gesetzesinitiative der Bundesregierung.
Der Minister verdient das ungeteilte Lob dieses Hauses für den Mut, mit dem er das Problem der sogenannten Regelstudienzeiten angegangen ist und mit dem er an dieser Konzeption trotz der massiven Kritik festgehalten hat, die sofort einsetzte. Ich freue mich, daß sich diesem grundsätzlichen Lob auch die Westdeutsche Rektorenkonferenz angeschlossen hat. Auf diese Weise werden wir auch einen, wie ich glaube, notwendigen Druck auf die Hochschulen ausüben können, endlich ihrerseits mit der überfälligen Studienreform ernst zu machen.
Es wird ferner an dem Gedanken festzuhalten sein, daß Studiengänge nicht verbindlich geplant werden können, ohne in die Planungen auch die Prüfungen, d. h. sowohl die hochschuleigenen als auch die staatlichen, einzubeziehen. Daß entgegen allen bisherigen Erfahrungen gerade diese Konzeption von gewisser Seite im Bundesrat kritisiert worden ist, ist mir unverständlich. Ich darf in diesem Zusammenhang allerdings dem anwesenden Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz eine gewisse, von uns natürlich sehr begrüßte Fortschrittlichkeit attestieren.
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Viertens gilt es, die Härten, ja die Absurditäten des derzeitigen Zulassungsverfahrens unter dem Gesichtpunkt einer noch besseren Chancengleichheit zu beseitigen, andererseits aber durch eine stärkere Integration und Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung von der Oberstufe der Gymnasien bis hin zu den Hochschulen selber neue Berufsfelder zu entwickeln. Von hier aus ergeben sich unsere sozialdemokratischen Forderungen nach integrierten Gesamtschulen und integrierten Gesamthochschulen. Letztere, meine Damen und Herren von der Opposition, sind, wie auch die Bundesregierung festgestellt hat, für uns ein bildungspolitisches Mittel, jedoch kein Selbstzweck. Schon gar nicht ist ihre zeitliche Verwirklichung für uns ein Dogma. Wir sollten gerade dieses wichtige Problem pragmatisch angehen und es getrost dem Urteil der Geschichte in den nächsten Jahren überlassen, wer hier mit seinen Zielvorstellungen recht behält: die Reigerungsparteien oder die Oppositionsparteien. Wir sind deswegen sehr zuversichtlich, weil schließlich auch aus anderen Ländern genügend positive Erfahrungen in dieser ganzen Frage vorliegen.
Ich glaube auch, daß der Minister mit seinem Hause ein weiteres Lob für den Mut und für die Initiative verdient, erstmalig neue Auswahlkriterien für die Zulassung zum Studium entwickelt zu haben, die sich im Ausland seit Jahrzehnten bewährt haben. Das sollte man nicht vergessen.
Fünftens geht es um das so entscheidende Problem des Hochschullehrernachwuchses, das von der Personalstruktur her neu zu regeln ist. Die entsprechenden Abschnitte des Regierungsentwurfes dürften in den Ausschußberatungen besonders kontrovers sein, wie ich das sehe. Ich gestehe ganz ehrlich, nachdem die Frau Kollegin Schuchardt dies ebenfalls angesprochen hat, daß auch nach meiner
Auffassung ,dem Ministerium an dieser Stelle der große Wurf noch nicht gelungen ist. Ich kann nur hoffen, daß er uns von der Legislative her gelingen wird.
Den derzeitigen Lösungsvorschlag in Sachen Personalstruktur halte ich auch unter sozialen Gesichtspunkten nicht unbedingt für befriedigend, da ja ein Assistenzprofessor mit sehr hohen Qualifikationen geschaffen werden soll, ohne daß er gleichzeitig eine relative Sicherheit hat, endgültig in den Hochschuldienst übernommen zu werden. Das Berliner Beispiel, obwohl nicht in allen Punkten auf den Entwurf des Ministeriums anwendbar, sollte hier schrecken.
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- Jawohl. - Hinter der vorgehaltenen Hand sagen einem viele Hochschulexperten in der Bundesrepublik, daß der künftige Assistenzprofessor so nicht konzipiert werden kann. Wir werden also darüber sicherlich noch eingehend beraten.
Schließlich geht es sechstens und abschließend um das Stichwort von der notwendigen weiteren Demokratisierung der Hochschulen, das von den einen zu einem absoluten Wert hochstilisiert, von den anderen verteufelt wird. Unser gelegentlicher teutonischer Übereifer verbaut uns offensichtlich auch in dieser Beziehung immer wieder den klaren Blick hin zur Mitte. Einerseits müssen, darüber dürften sich alle einig sein, keine überholte hierarchische und standespolitische Strukturen und Ordnungsvorstellungen an unseren Hochschulen weiter abgebaut und Lernprozesse ermöglicht werden, die die jungen Menschen unserer Zeit dazu befähigen, die Probleme von Staat und Gesellschaft kritisch zu durchdenken und sich von einem geschulten Engagement her zur Bewältigung theoretischer und praktischer Aufgaben in Teamarbeit zu üben. Andererseits dürfen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und meinen, Entscheidungsstrukturen an den Hochschulen auf der Basis von Gleichheitsmodellen für Mitbestimmung schaffen zu können, die in unseren Betrieben mehr als überfällig sind, sich aber auf den Hochschulbereich in Reinkultur nicht in jeder Weise anwenden lassen. Eine solche Naivität könnte dann geradezu gefährlich werden, wenn wir uns Kräften gegenübersehen, die unter der Flagge der Hochschulreform das Schiff der Bundesrepublik Deutschland in einen ganz anderen verfassungsrechtlichen Hafen einfahren wollen.
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Dies werden wir alle gemeinsam zu verhindern wissen, Herr Kollege Probst, gemeinsam!
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Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unsere gemeinsame Beurteilung des kommunistischen Studentenbundes, des KSV, zu dem sich gestern auch die Westdeutsche Rektorenkonferenz in einer Form geäußert hat, die auch meine Fraktion nur voll unterstreichen kann. Andererseits müssen sich aber diejenigen, die, vom anderen Ende der Skala her operierend, echte Reformansätze durch ein Hochstilisieren von Radikalismusgefahren zu verhindern
trachten, ins Stammbuch schreiben lassen, daß uns Politiker und Hochschullehrer wie die überwältigende Mehrheit aller Bürger dieses Landes kleine extreme Minderheitengruppen nicht in unserem freiheitlich-demokratischen Selbstvertrauen erschüttern konnten und, Herr Kollege Probst, auch nicht erschüttern werden.
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In diesem Lichte, Herr Kollege Probst, ist der mehrheitlich gefaßte Beschluß unseres Ausschusses zu sehen, auch diejenigen einzuladen, die an den Hochschulen von der studentischen Seite her im Augenblick den maßgeblichen Einfluß ausüben. Sie sollten, Herr Kollege Probst, ganz abgesehen von den verfahrensrechtlichen Problemen, zusammen mit Ihrer gesamten Fraktion mehr Gelassenheit an den Tag legen und die Dinge so ausführen, wie das mehrheitlich beschlossen worden ist.
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In Amerika,- das darf ich eben noch sagen - wäre das vollkommen selbstverständlich.
Ich bin sofort fertig; aber wenn Sie noch eine Zwischenfrage stellen wollen, lasse ich sie gern zu.
Herr Kollege Schweitzer, sind Sie nicht der Meinung, daß es sehr bedenklich ist, wenn man Gruppen, die von der Bundesregierung als verfassungsfeindlich festgestellt sind, formal zu einem demokratischen Gesetzgebungsverfahren als Berater hinzuzieht?
Herr Kollege Probst, ich habe schon einmal versucht, Ihnen klarzumachen - ich werde das immer wieder tun -, daß ein Unterschied zwischen verfassungsfeindlich und verfassungswidrig zu machen ist. Ich kann Ihnen nur als Hochschullehrer sagen, der VDS repräsentiert im Augenblick die Mehrheit der ASten. Wir können das nicht ignorieren. Wir haben als Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Pflicht, uns auf schriftlichem Wege ein Bild darüber zu machen, wie es um die Zielvorstellungen dieser Gruppen der Studentenschaft bestellt ist.
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- Das können wir, indem wir sie schriftlich auffordern, hier ihre Ansichten darzulegen.
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- Ich rate Ihnen ja, Herr Kollege Probst, zeigen Sie mehr Selbstvertrauen, schauen Sie nach Amerika und Großbritannien, da wäre so etwas völlig selbstverständlich. Ich rate Ihnen also ganz dringend von dieser Stelle aus, Ihre Haltung zu revidieren.
Ich darf zum Abschluß kommen. Gefahren des Radikalismus in der Bundesrepublik Deutschland können, wenn sie aus Angst oder parteitaktischen Erwägungen heraus überdimensioniert an die Wand gemalt werden, auf Wohlmeinende, auf schlecht Differenzierende oder auf reine Parteitaktiker zurückfallen. Den Schaden, Herr Kollege Probst, hätten
wir alle gemeinsam zu tragen, nämlich den Schaden, ein neues Weimar herbeigeredet zu haben.
Ich möchte abschließend an die Opposition mit großem Ernst appellieren, hier das Augenmaß zu bewahren und von einem undifferenzierten Herumhantieren mit innen- und außenpolitischen Untergangsparolen Abstand zu nehmen. Wir brauchen zur Bewältigung der in den Hochschulen vor uns liegenden Aufgaben keine verbalen Kraftakte, meine Damen und Herren von der Opposition, sondern Vernunft und Augenmaß, damit endlich, ich wiederhole es noch einmal für unsere Koalitionsparteien, bis zum Sommer 1974 unsere Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland das Hochschulrahmengesetz bekommen, auf das sie seit langer Zeit einen Anspruch haben.
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Das Wort hat Herr Staatsminister Hahn vom Land Baden-Württemberg.
Dr. Hahn, Minister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Mahnung, mich jetzt zum Schluß dieser langen Debatte kurz zu fassen, will ich wirklich beherzigen; ich habe infolgedessen mein wohlvorbereitetes Konzept beiseite gelegt und will nur einige wenige Punkte herausgreifen,
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die mir doch wichtig erscheinen. Mein Kollege Vogel und ich sind hierhergekommen als Kultusminister aus den Ländern, weil in der Tat die Länder am stärksten von dem betroffen werden, was hier im Bundestag beschlossen wird. Denn nicht der Bund hat Hochschulen, sondern die Länder haben die Hochschulen, und die Länder haben die unmittelbare Verantwortung. Sie haben auch die größten Erfahrungen. Sie müssen infolgedessen auch das, was dann beschlossen wird, wirklich ausbaden.
Wir haben uns in den Ausschüssen des Bundesrats - und dann natürlich auch im Bundesrat selbst
gründlich mit der Vorlage befaßt. Wenn wir beide hierhergekommen sind, so möchte ich damit zum Ausdruck bringen, daß wir zur Kooperation bereit sind, allerdings unter der Voraussetzung, daß es zu einem echten Gespräch zwischen dem Bund und den Ländern in dieser Frage kommt und daß auch die Bedenken der Länder wirklich ernst genommen werden. Wenn es gerade zwei CDU-Kultusminister sind, die hierhergekommen sind, die nun sehr deutlich das zum Ausdruck bringen, was sie meinen, und wenn die SPD-Kultusminister weggeblieben sind, so dürfte ich wohl sagen, daß sie wahrscheinlich mit einer gewissen Distanz diesen ganzen Fragen in dem Gespräch gegenüberstehen, weil sie auch über mehr Erfahrungen als der Bund verfügen und weil sie die Schwierigkeiten kennen, die gerade bei den Vorschlägen, die hier gemacht werden, für die Länder bei der Durchführung nachher auftreten.
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Daß ,die FDP ¡den langen Prozeß nicht mitgemacht hat, das haben die beiden Sprecher sehr deutlich gezeigt. Die FDP .hat ja auch keine Kultusminister, nur in Hamburg einen, der aber von der FDP selbst nicht mehr mit getragen wird, weil er die unmittelbaren Erfahrungen hat und infolgedessen kritisch zu der Situation an den Hochschulen steht. 'Das ist natürlich eine Situation, mit der wir einmal rechnen müssen.
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Wir stehen an sich vor einer völlig neuen Lage. Die Schönwettersituation ist 'vorbei, in der man die ganzen schönen Träume an die Wand malen konnte. Ich habe von dieser Stelle in den vergangenen Jahren, am deutlichsten im Jahr 1970 nach der Vorlage des Bundesbildungsberichts, hier Kritik daran geübt, daß man in dieser Schönwetterperiode allen die größten Versprechungen machte und gesagt hat, was nun an Träumen in Erfüllung gehen würde, und den Erwartungshorizont bis zum letzten aufgerissen hat. Nun stehen wir vor der Situation, daß diese Erwartung erfüllt werden müßte. Jetzt, wenn die Schönwetterperiode vorbei ist, wird das nicht mehr möglich sein. Wir werden vor den ganz großen Schwierigkeiten stehen, wenn wir jetzt erfüllen sollen, was da gewesen ist. Allein die Tatsache, wer alles vor den Hochschulen 'steht, ist klar. Der Realismus ist ganz dringend notwendig. Zu diesem Realismus kehren wir zurück. Ich darf auch Ihnen, Herr Kollege von Dohnanyi, bescheinigen, daß Sie einen großen Schritt auf uns zugegangen sind, nämlich zum Realismus. Der Entwurf 'des Hochschulrahmengesetzes I war sehr viel unrealistischer als das, was wir jetzt heute 'hier sehen. Sie Sind uns ein großes Stück entgegengekommen. Sie haben vieles daraus gelernt, aber, ich glaube, noch nicht genug gelernt, und Sie werden noch mehr auf den Boden der Tatsachen kommen müssen. Wenn wir uns auf dem Boden der Tatsachen finden, arbeiten wir selbstverständlich mit; denn wir haben gemeinsam die Verantwortung für die Hochschulen und damit für ein großes Stück der Zukunft unseres Landes.
Meine Damen und Herren, nur zu wenigen Punkten einige Stichworte; denn ich will es wirklich kurz machen. Zunächst einmal zu der Frage der Zulassung. Wir sind keineswegs der Meinung, daß das, was im Staatsvertrag gefunden worden ist, etwas Ideales wäre. Aber wenn man alles auslotet, was es an Vorschlägen hierzu gibt, müssen wir feststellen, daß es relativ unendlich viel besser ist als das, was in diesem völlig unausgereiften, unausgegorenen Vorschlag hinsichtlich der Zulassungsbedingungen vorgelegt worden ist. Ich glaube, jeder, der mit diesen Dingen täglich - vielleicht sogar seit Jahrzehnten - zu tun hat, wird Ihnen sagen, daß es so, wie es in dem vorliegenden Entwurf des Hochschulrahmengesetzes vorgeschlagen ist, jedenfalls nicht geht; denn dieser ist, wie gesagt, nicht ausgereift. Das Abitur ist keineswegs so aussagekräftig, daß es allein die erforderlichen Maßstäbe setzen könnte. Gerade die Kultusminister haben ständig dafür gekämpft, daß die Zulassung, die lediglich auf die Abitursnote abstellt, möglichst eingeschränkt werden sollte und andere 'Kriterien von seiten der Hochschulen in den Vordergrund gerückt werden sollten.
Landesminister Dr. Hahn
Gerade Sie hatten doch den Wunsch, die Alleinverwaltung der Hochschulen so weit wie möglich auszudehnen. Es sind aber ,die Hochschulen gewesen, die das Abitur ständig in den Vordergrund gerückt haben, und zwar als einziges Zulassungskriterium. Auf der anderen Seite ist aber jede Hochschuleingangsprüfung eine punktuelle Prüfung,
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bei der man den einzelnen überhaupt nicht kennt. Sie wird durch die Assistenten durchgeführt, durch Leute, die noch keinerlei pädagogische Erfahrung haben. Dabei wird der Student unendlich viel schlechter wegkommen, als es heute der Fall ist.
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Ich kann es bei dieser kurzen Bemerkung hierzu bewenden lassen.
Ein Wort zum Ordnungsrecht. Meine Damen und Herren, der große geistige, politische Prozeß, der an unseren Hochschulen im Gange ist, läßt sich selbstverständlich nicht durch ein Ordnungsrecht in Ordnung bringen.
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Das ist ein geistiger Prozeß, der von uns allen durchgekämpft werden muß. Eines gehört aber bestimmt dazu, nämlich daß man endlich mit den Beschwichtigungen und mit der nur verbalen Bekämpfung des Radikalismus aufhören muß.
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Man muß die Gefahr, die von 'unseren Hochschulen ausgeht, wirklich so sehen, wie sie ist.
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Aber, meine Damen und Herren, auf der anderen Seite gilt für das Ordnungsrecht - ich habe wirklich Erfahrungen damit ({8})
- ja, ich habe Erfahrungen damit - folgendes: man muß die Schwelle des Risikosgegenüber den Randalierern höher setzen. Hier ist mehrfach Heidelberg erwähnt worden. Seit wir durch die Novellierung des baden-württembergischen Hochschulgesetzes ein neues Ordnungsrecht haben, halten sich die Hauptrandalierer, die „Hauptkommunisten", zurück, weil sie wissen, daß ,es sie etwas kosten kann. Bisher kostete eis sie gar nichts;
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sie konnten jedes Grundrecht mißachten und verachten. Es geht doch in der Tat um nichts ,anderes als darum, daß die Grundrechte an unseren Hochschulen wieder geachtet werden müssen.
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Ein Gesetz, das ,der Bund, der die Verantwortung für unsere Hochschulen mit trägt, erläßt, muß diese Grundrechte sichern helfen. Das gehört zu den allerwichtigsten Dingen.
Noch ein dritter Punkt, den ich als letzten erwähnen will. - Nein, zuvor darf ich noch einen anderen einschalten. Ich mache es ganz kurz. Ich glaube die beiden Punkte werden Sie noch anhören.
Die Bundesrahmenhochschulkonferenz, meine Damen und Herren, bedeutet nichts anderes, als daß Sie einen staatsfreien, parlamentarisch nicht kontrollierten Raum schaffen, und zwar für ein Standesparlament, das nur aus eigenen, egoistischen Gesichtspunkten heraus
({11}) Fragen der Hochschulen klären möchte. ({12})
Genau das wird damit geschaffen. Das widerspricht der Verfassung unseres 'Staates und der demokratischen Kontrolle, die in allen Bereichen unseres Lebens notwendig ist.
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Der vierte Punkt ist die Frage der Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung. Wo es um die berufliche und allgemeine Bildung geht, wo die volle Integration vertreten worden ist, wie es vorhin auch Herr von Dohnanyi getan hat, ist dies auf Kosten der beruflichen Bildung geschehen.
Jetzt noch ein kurzes Wort zu den Prinzipien, nach denen sich unsere !Bildungsdebatten und unsere Bildungsreformen in Zukunft richten müssen. Bisher haben wir nur einen einzigen Weg gekannt, nämlich die vertikale Durchlässigkeit zu den Hochschulen und möglichst zu einem akademischen Grad zu schaffen. Wir haben damit alle praktischen Berufe vor allen Dingen im Sozialprestige abgewertet. Infolgedessen gibt es nur einen Trend nach oben, nämlich zum Akademiker. Dies ist eine absolut unsoziale Situation, die wir geschaffen haben. Es muß wieder zu einer horizontalen Durchlässigkeit kommen, d. h. wir müssen das ganze Bildungswesen zu gleicher Zeit auf die beruflichen Qualifikationen und auf die viel frühere Hineinführung in die praktischen Berufe ausrichten. Wir müssen all das völlig neu durchdenken. Meine Damen und Herren, dies ist die Stunde, in der das Schönwetter zu Ende geht, in der wir die gesamte Bildungspolitik der letzten Jahre neu durchdenken müssen und zu neuen Lösungen kommen müssen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, daß ich zu so später Stunde doch noch einmal das Wort ergreife. Es ist hier aber eine Reihe von Bemerkungen gemacht worden, die ich an diesem Abend nicht unbeantwortet lassen kann.
Zunächst zu Ihhnen, Herr Kollege Hahn. Wenn meine sozialdemokratischen Kollegen aus den Ländern heute nicht hier sind, so deswegen, weil sie Vertrauen in die Mehrheit dieses Hauses hatten.
Das hatten Sie offenbar nicht; deswegen mußten Sie kommen.
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- Herr Gölter, können Sie nicht einmal jemanden hier ausreden lassen. Ich weiß, daß Sie nicht in der Lage sind, zuzuhören, aber vielleicht können Sie es heute abend doch einmal versuchen.
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Zu einer zweiten Legende, die sich hier eventuell bilden könnte und die man gleich widerlegen muß: Herr Hahn, es ist nicht richtig, daß wir Versprechungen im Hinblick auf eine Schönwetterperiode gemacht hätten. Lesen Sie einmal nach, was ich in der Debatte im Januar 1970 gesagt habe. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß wir die Probleme nicht bewältigen werden, wenn wir nicht das ganze Bildungswesen im Auge haben. Jetzt sagen Sie, wir hätten alles falsch gemacht; wir müßten beginnen, über alles neu nachzudenken. Ich finde, es ist eine gute Öffnung, Herr Kollege Hahn, daß Sie das endlich einsehen. Es war offenbar Ihre Schönwetterperiode, nicht unsere. Wir haben die Gefahren gesehen.
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Die dritte Legende ist die von der Bedrohung durch die angeblich kollektivistische Formulierung „in der Verantwortung vor der Gesellschaft". Herr Kollege Vogel, wir gehen nicht davon aus, daß allein diese Formulierung die Probleme der Einbettung der Hochschule in ihre gesellschaftliche Verantwortung regelt. Wir gehen aber davon aus, daß eine solche Formulierung eine bestimmte Richtung zum Ausdruck bringen sollte. Wenn das Gesetz im übrigen an allen Stellen diese Richtung zum Ausdruck bringt, ist diese Formulierung bestimmt nicht der essentielle Teil.
In diesem Zusammenhang möchte ich gern an Ihre Adresse, Herr Kollege Probst, eine Berner-kung machen. Man sollte mit bestimmten Feststellungen doch sehr vorsichtig sein. Sie haben behauptet, die Bundesregierung hätte festgestellt, daß der VDS verfassungsfeindlich sei. Diese Formulierung ist nicht richtig. Die Formulierung lautet: Die Bundesregierung muß weiterhin. erhebliche Zweifel daran haben, daß die Zielsetzung des VDS mit den Prinzipien der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Die Bundesregierung hat also die Verfassungsfeindlichkeit als solche nicht festgestellt; sie hat lediglich gewisse Zweifel in dieser Hinsicht festgestellt.
Ein weiterer Punkt, Herr Kollege Vogel, der Sie nachdenklich machen sollte: Das Bundesverfassungsgericht hat den VDS zu Anhörungen, z. B. im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungsurteil, eingeladen, hat von ihm eine Stellungnahme erbeten und hat diese Stellungnahme offenbar auch mit verarbeitet.
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- Wenn Sie jetzt davon ausgehen, Herr Kollege Probst, daß nun auch der Präsident Benda in das Zwielicht gerät, in Kooperation mit Verfassungsfeinden tätig zu sein, ist das natürlich sehr bedauerlich. Sie sollten hier aber nicht so leichtfertig mit unseren Auffassungen von Demokratie umgehen.
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Die nächste Legende ist die von den Mammutuniversitäten, die sich als Gesamthochschule bilden.
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Ich möchte Ihnen kurz einmal sagen, wie die Planung aussieht. Die integrierten Gesamthochschulen Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen haben für 1977 Planungen in der Größenordnung zwischen 5 000 und knapp 10 000 Studenten. Die Universität München hat 'heute etwa 35 000 .Studenten und ist keine Gesamthochschule. Was soll also die Legendenbildung, daß die Gesamthochschule notwendigerweise besonders groß werden müsse?
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Die vierte Legende ist das Märchen von der Niveausenkung. Das Abitur als entscheidendes Instrument für die Zulassung zur Hochschule wirft gewisse Leistungsminderungsprobleme in den Schulen selber auf. Wenn man mit Schülern heute spricht, die keine Hoffnung haben, die Numerus-claususGrenze zu erreichen, dann merkt man, daß sie häufig völlig aufgeben. Sie sagen: Was soll das Ganze; das alles zählt ja doch nicht mehr; was hier für mich übrigbleibt, ist eigentlich ur noch mitzumachen; denn diese Barriere kann ich sowieso nicht nehmen!
Das pädagogische Niveau wird natürlich nicht dadurch besser, daß man die Schüler auf das bloße Lernen bimst.
Hier möchte ich zu den Kollegen Vogel und Hahn bemerken: Es ist eine Legende, wenn Sie sagen, daß wir in dem Entwurf zum Hochschulrahmengesetz die Schule von der Beteiligung am Urteil in der Hochschulzulassung ausschließen wollten
schuleingangsverfahren wird die Schulen ausdrücklich einbeziehen. Aber wir wollen tun, was die Bund-Länder-Kommission beschlossen hat und was im Bildungsgesamtplan steht: Daß nämlich in den Fällen, in denen wir eine begrenzte Zahl von Studienplätzen haben, auch andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen als nur die notwendige Bedingung der Studienberechtigung durch das Abitur. So steht es im Bildungsgesamtplan. Das werden wir ja beraten können.
Das gleiche gilt bezüglich der angeblichen Niveausenkung beim Hochschullehrer und beim Hochschulpräsidenten. Hier möge mal einer eine Formulierung finden, Herr Kollege Pfeifer! Das ist in der letzten Legislaturperiode versucht worden: Wir haben dann festgestellt, daß ein Mann wie Präsident Fischer-Apellt gar nicht als Präsident hätte zugelassen werden können.
Die fünfte Legende ist die von dem angeblichen Trick, mit dem wir hier versucht hätten, das BunBundesminister Dr. von Dohnanyi desverfassungsgerichtsurteil in der Frage der Mitbestimmung zu umgehen. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir uns in diesem Zusammenhang ganz klar auf das Urteil selber stützen können. Nach dem Urteil, Herr Kollege Gölter, sind z. B. Privatdozenten Hochschullehrer. Das Verfassungsgericht sagt ausdrücklich: Hochschullehrer sind auch solche, die keine Habilitation haben. Das Gericht läßt ganz deutlich und ganz unbestreitbar Dozenten, die nicht promoviert sind, als Hochschullehrer an Pädagogischen Hochschulen zu. Wenn das der Fall ist, dann können wir nicht einsehen, warum der nach unserer Ansicht hochqualifizierte Assistenzprofessor nicht auch unter dieser Kategorie zugelassen werden kann. Hier ist also kein Trick versucht worden, sondern hier haben wir das Urteil sachkundig interpretiert.
Die sechste Legende ist die von der angeblichen Widersprüchlichkeit zwischen Regelstudienzeit und unserer Politik mit dem Ausbildungsförderungsgesetz. Eines muß man doch wenigstens festhalten: Die Regelstudienzeiten würden auch nach unserer Vorstellung zum erstenmal für die Studienanfänger von 1976 gelten. Zwischen dem, was wir für 1974 bisher nicht leisten können, aber für 1975, - so wie die Dinge heute stehen, gilt das dann auch 1976 -, zu leisten bereit sind, sollte man keine künstlichen Widersprüche herstellen.
Meine Damen und Herren, ich bin nach dem Verlauf der Debatte besorgt, daß gegenseitige Fehleinschätzurigen der Positionen und auch der Möglichkeiten entstehen könnten, die es hier im Hause wirklich gibt. Die Gegenäußerung, die die Bundesregierung vorgelegt hat, Herr Kollege Vogel, war nicht ein Versuch, den Bundesrat zu brüskieren,
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sondern sie entstammt der konsequenten Konzeption, mit der wir das Gesetz entworfen haben. Erst die Verhandlungen im Ausschuß und dann die Verhandlungen im Bundesrat werden zeigen. können, was sich ändern läßt.
Ich möchte hier den Appell des Kollegen Vogel zur Notwendigkeit ,gemeinsamer Entscheidungen unterstreichen. Aber, meine Damen und Herren, das kann natürlich nicht nur an eine Seite gerichtet sein. Herr Vogel, Sie müssen diesen Appell ganz ausdrücklich auch an Ihre Parteikollegen hier im Hause richten.
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Herr Pfeifer sagte zu Beginn dieser Debatte: Wir machen ein Gesetz, das unseren Grundsätzen entspricht, und sonst keines. So geht es natürlich nicht. Die Mehrheit hier muß doch mindestens so viel Beachtung finden wie die Mehrheit im Bundesrat, eigentlich sogar ein wenig mehr; denn im Bundesrat sind es eigentlich sechs Länder, von denen das eine nicht mitstimmen kann, die auch ihre Erfahrungen aus der Länderpolitik einbringen; aber die Mehrheitsverhältnisse sind in diesen Fragen, wie Sie wissen im Bundesrat anders. Zweitens. Dieses Hochschulrahmengesetz ist eben im Grunde nicht
zustimmungspflichtig. Auch das muß man berücksichtigen.
({9}) - Das muß man feststellen.
Deswegen noch einmal: Der Kompromiß, der notwendig ist, muß von beiden Seiten eingegangen werden. Deswegen habe ich Ihnen, Herr Pfeifer, vorhin gesagt: Sie müssen auch sagen, wo Sie bereit sind, mit uns den Weg zur möglichen Reform zu gehen.
Wir müssen jetzt weg von den Gerüchten und Legenden und von den Anwürfen, die heute zum Teil gemacht worden sind. Die Arbeit, die vor uns liegt, darf nicht daran scheitern, daß Positionen bezogen wurden, die - Herr Kollege Gölter, das gebe ich zu -aufzugeben für manchen schwer sind. Aber wir müssen diese Arbeit durchstehen; denn wenn wir mit diesem neuen Entwurf scheitern, dann scheitert nicht die Regierung, sondern unsere Demokratie.
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Ich schließe die erste Beratung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend -, an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß - jeweils mitberatend - zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission
für einen Beschluß des Rates über die Einsetzung eines Ausschusses für Regionalpolitik für eine Verordnung des Rates über die Errichtung eines Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
für eine Haushaltsordnung zur Festlegung von Sonderbestimmungen für den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung
für eine Verordnung ({1}) des Rates über das Verzeichnis der mit Vorrang zu fördernden Agrargebiete und Gebietsteile nach der Verordnung ({2}) über die Finanzierung von Vorhaben durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen von Programmen zur Entwicklung von Agrargebieten, die mit Vorrang zu fördern sind
für eine Verordnung ({3}) des Rates über das Verzeichnis der Gebiete und Gebietsteile gemäß Verordnung ({4}) des Rates über die Errichtung eines Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
- Drucksachen 7/982, 71183, 7/1391 ({5}) - Berichterstatter: Abgeordneter Haase ({6})
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich gebe dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Haase ({7}), das Wort in der Hoffnung, daß wir diesen Tagesordnungspunkt schnell zu Ende bringen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich, da die Lampe schon aufleuchtet, sehr kurz fassen. Die Berichterstattung ist allerdings durch einen Nachbericht des Haushaltsausschusses notwendig geworden. Ich beziehe mich auf den Schriftlichen Bericht und füge nur einige mündliche Bemerkungen hinzu.
Der Bericht des mitberatenden Haushaltsausschusses stimmt in den wesentlichen Punkten mit dem des federführenden Wirtschaftsausschuses überein. Soweit das nicht der Fall war, haben wir in der Formulierung über Ziffer 5 a auf Drucksache 7/1391 ({0}) einen Kompromiß zwischen der Auffassung des Haushaltsausschusses und der des Wirtschaftsausschusses gefunden.
Die Problematik der Europäischen Regionalfonds ergibt sich aus nachfolgendem Gesichtspunkt. Dieser ist, knapp formuliert, so darzustellen, daß eine sinnvolle und wirksame Fondsgestaltung nur möglich ist, wenn eine europäische Solidarität oder besser gesagt: ein europäisches Verantwortungsgefühl für die Schwächeren in Europa das Motiv dafür ist, daß Entwicklungsgebieten in Irland, in Schottland, in Südfrankreich oder Sizilien geholfen werden kann.
Diese europäische Solidarität ist allerdings nicht darin zu sehen, daß einige Länder zahlen und die anderen sich auf diese Weise neue Einnahmequellen erschließen. Die Solidarität erweist sich vielmehr in den schnelleren Fortschritten bei der Schaffung der europäischen Währungsunion, bei einer europäischen Energiepolitik, Sozialpolitik und der Neuordnung der Agrarpolitik.
Die Kompetenzen des Europäischen Parlamentes müßten schneller ausgestaltet werden, und das Europäische Parlament müßte echte Mitwirkungsmöglichkeiten bekommen. Da dieser Fortschritt nur sehr begrenzt sichtbar ist, steht der Ausschuß auf dem Standpunkt, daß der Regionalfonds nur sehr skeptisch betrachtet werden kann. Das bedeutet, daß der Ausschuß mit dem Haushaltsausschuß der Meinung ist - entsprechend dem Kommissionsvorschlag -: Die Ausgestaltung des Fonds von 500 Millionen Rechnungseinheiten für das Jahr 1974, von 750 Millionen Rechnungseinheiten für das Jahr 1975 und von 1 Milliarde Rechnungseinheiten für das Jahr 1976 ist weit überhöht.
Wir haben darauf verzichtet, eine Darstellung unserer finanziellen Vorstellungen zu geben, weil wir meinen, daß das die Regierung in Verhandlungen in Brüssel klären sollte. Es ist aber die eindeutige Meinung der Ausschüsse, sowohl des Wirtschaftswie des Haushaltsausschusses, daß - und dazu fordern wir die Regierung auf - die Mittel deutlich unter den von der Kommission vorgesehenen Ansätzen bleiben müssen. Das bedeutet eine erhebliche Reduzierung der von der Kommission gemachten Vorschläge. Deshalb auch die Einfügung der Ziffer 5 a, die auf diese Bemerkungen ausdrücklich Bezug nimmt und nach der die Bundesregierung verpflichtet wird,
die zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages vorher zu unterrichten, sofern die im Bericht zum Ausdruck gebrachten Erwartungen über die Höhe des Fonds nicht erfüllt werden.
Meinen Dame und Herren, ich bitte, mir nachzusehen, daß ich dies hier noch zu so später Stunde vortragen mußte.
Wir wünschen der Regierung in Kopenhagen und Brüssel vollen Erfolg und uns damit ein gutes und vor allen Dingen ein gerechtes Ergebnis.
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Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Narjes.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ides europäischen Regionalfonds ist so wichtig, daß es auch in dieser späten Minute noch wenige Bernerkungen erfordert. Mit diesem Fonds werden nicht nur erhebliche Mittel bewegt werden und mit ihm wird nicht nur eine Entwicklung eingeleitet, die unsere Haushalte auf lange Sicht erheblich beeinträchtigen wird. Es wird auch erstmalig der Übergang von einer passiven lauf eine aktive europäische Regionalpolitik eingeleitet. Dazu sieben Punkte.
Ersten zum Zeitpunkt. Das Inkrafttreten der hier vorliegenden Verordnung ist auf der Gipfelkonferenz des letzten Jahres für den Beginn der zweiten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorgesehen worden. Jetzt stehen wir am Beginn einer zweiten Stufe der 'Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wenn sich die Bundesregierung gleichwohl entschließen sollte, schon jetzt diesen Fonds ins Leben zu rufen und mit den Leistungen zu beginnen, so könnten wir das nur billigen, wenn einer solchen Konzession entsprechende Gegenleistungen gegenüberstehen.
Zweitens. Bei der Regionalpolitik handelt es sich um eine Politik, die auch den Willen der Mitgliedstaaten zu europäischer Solidarität zum Ausdruck bringt. Die Disparitäten unter den Regionen sind seit 1958 unverändert so, daß das Verhältnis 1 :5 oder 1 :6 nicht abgebaut werden konnte. Um so notwendiger ist es, mit einer Entwicklung hin zu einer Änderung zu beginnen; denn es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß ohne einen Abbau dieser Disparitäten jeder Versuch einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion auf sehr hohe wirtschaftliche und auch soziale Hindernisse stoßen wird und daß eine Gemeinschaft auf lange Sicht nicht krisenfest sein kann, wenn sie dieses Problem nicht löst. In diesem Sinne bekennen wir uns ausdrücklich zur europäischen Solidarität.
Drittens. Diese Solidarität darf indessen keine Einbahnstraße sein. Sie ist auf die Dauer gegenüber denjenigen, die die Solidarität erweisen, nur zumutbar, wenn sie eingebettet ist in eine organiDr. Narjes
sche und demokratische Entwicklung der Gemeinschaft in allen Bereichen ihrer Politik und ihrer Verfassung, in denen sie nach Geist und Buchstaben ihrer Gründungsverträge zu entwickeln ist. Aus dieser Sicht ergeben sich einige Fragen und Bemerkungen zu dem vorliegenden Projekt.
Viertens. Was den sachlichen Inhalt dieses Projekts anlangt, kann ich mich auf alles beziehen, was der Herr Berichterstatter dazu einvernehmlich festgestellt hat. Wir betreten Neuland. Um so notwendiger ist es, eine periodische Überprüfung der Praxis zu organisieren und dabei insbesondere Methoden wirksamer Erfolgskontrolle auszuarbeiten.
Fünftens. Die Ausschüsse haben sämtlich mit Recht auf die Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle des Fonds hingewiesen. Dies gilt um so mehr, wenn einmal die Größenordnungen erreicht sein sollten, die der Kommission schon für die zweite Hälfte der 70er Jahre vorzuschweben scheinen. Ich möchte hierzu erklären, daß die Aufbringung und die Verwendung von etwa 1 Milliarde Rechnungseinheiten jährlich ohne die Kontrolle und Legitimation durch ein direkt gewähltes Parlament nicht vertretbar sind.
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Wir haben direkte Wahlen in den europäischen Verträgen bereits 1957 vereinbart. Wenn diese Bestimmung bis heute nicht verwirklicht worden ist, so kommt darin ein grobes Ungleichgewicht in der politischen Entwicklung der Gemeinschaft zum Ausdruck. Es darf deshalb niemanden wundern, wenn diese institutionellen Mängel zum Hemmschuh notwendiger wirtschaftlicher Entwicklung werden - in der Regionalpolitik und vielleicht auch in anderen Bereichen.
Was die Summen anlangt, die für den Fonds bereitgestellt werden sollen, dürfte sich die Vorstellung der Kommission schon aus diesem Grunde nicht ohne weiteres verwirklichen lassen. Aber auch ein anderes muß gesagt werden: Diese Summen haben eine Größenordnung, die einem europäischen horizontalen Finanzausgleich nahekommen, also der höchsten Form finanzpolitischer Solidarität etwa in einem Bundesstaat. Dem sind wir aber in den vergangenen Jahren nicht nähergekommen. Er wird uns nicht zuletzt von den Mitgliedstaaten verweigert, die sich auch den direkten Wahlen zum Europäischen Parlament widersetzen. Sie können sich deshalb nicht wundern, wenn in dieser unvollkommenen Gemeinschaft auch aus diesem Grunde der prinzipiellen Bereitschaft zur Solidarität, die ich wiederhole, in der Höhe der Beiträge deutliche Grenzen gesetzt sind. Institutionelle Fortschritte sind für uns ein unverzichtbarer Bestandteil des organischen und demokratischen Wachstums der Gemeinschaft.
Sechstens. Wir sollten aber gleichwohl die Zeit und die Mittel, die heute verfügbar sind, nutzen, um die Tauglichkeit der vorgeschlagenen Instrumente zu erproben und daraus Erfahrungen zu ziehen.
Siebentes und letztens darf ich zum dauerhaften Erfolg einer europäischen Regionalpolitik auch eine Bemerkung machen, die mir hilfreich zu sein scheint,
indem ich freimütig darauf hinweise, daß dieser Regionalpolitik nicht durch gewisse zynische Redewendungen gedient werden kann, wonach es im Grunde auf die fachlichen Einzelheiten der regionalpolitischen Maßnahmen gar nicht so sehr ankomme; entscheidend sei allein, daß ein Transfer von Mitteln zustande komme, durch den etwa Großbritannien oder Italien netto ebensoviel Zuflüsse erhalten, wie Frankreich aus der Agrarpolitik erhält. Dabei wird immer unterstellt, daß die Bundesrepublik selbstverständlich in jedem Fall der Mitgliedstaat sein soll, der jeweils die größten Beiträge aufbringt. Solche Betrachtungsweise, meine ich, ist geeignet, jedes Bemühen um eine europäische 'Solidarität auf die Dauer zu diskreditieren und sie Belastungsproben auszusetzen, denen sie mit Gewißheit nicht standhalten könnte.
Mit diesen Bemerkungen und Hinweisen, Herr Präsident, stimmt die Fraktion der CDU/CSU dem vorliegenden Antrag zu.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
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- Es ist mir nicht mitgeteilt worden, Herr Abgeordneter Bangemann, daß Sie noch das Wort nehmen möchten.
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- Entschuldigen Sie! Es war mir nicht mitgeteilt worden; ich nehme das für das Haus mit Dank zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache. Ich möchte noch einmal ausdrücklich fragen: Kann ich über alle Vorschläge geschlossen abstimmen lassen? - Jawohl. Dann schlage ich vor, über den Antrag des Ausschusses in der Gesamtfassung, also über die Ziffern 1 bis 5 abzustimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses insgesamt zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen.
- Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich freue mich, meine Damen und Herren, nun, wo wir am Ende der Tagesordnung stehen, hier noch die amtliche Mitteilung der Frau Präsidentin wiederholen zu können, daß die Präsenzpflicht für morgen, Freitag, den 14. Dezember, im Einvernehmen mit den Fraktionen aufgehoben worden ist. Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen, die uns durch die Zurückziehung ihrer Wortmeldungen in der Abwicklung der Tagesordnung unterstützt haben. Herzlichen Dank!
Wir stehen jetzt vor der Weihnachtspause, und ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr 1974.
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Januar 1974, ein; der genaue Zeitpunkt wird noch bekanntgegeben.
Die Sitzung ist geschlossen.