Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/9/1973

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung lassen Sie mich bitte einem großen Franzosen und einem großen Europäer zu seinem heutigen 85. Geburtstag Glückwünsche und Dank sagen: Jean Monnet. Sein ungewöhnliches Lebenswerk ist aufs engste mit der Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs, mit der Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die Gemeinschaft der europäischen Völker nach dem Kriege verbunden. Schon wie der erste deutsche Bundeskanzler im Pensionsalter stehend nahm er es auf sich, als Präsident der Hohen Behörde der Montanunion jene Wegmarken zu setzen, die die Gemeinschaft für Kohle und Stahl zwangsläufig zu dem erweiterten Verbund der Römischen Verträge des Jahres 1957 führten. Als sich die europäische Einigung in technischen Detailfragen zu verzetteln und den Blick für die große europäische Einigungsidee zu verlieren drohte, gründete er das Aktionskomitee für die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa, indem er die maßgeblichen Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens Europas zu gemeinsamem Handeln aufforderte. Als Präsident dieses Aktionskomitees rüttelt er seit Jahren das europäische Gewissen auf und warnt vor Resignation und Müdigkeit. Der Deutsche Bundestag kann ihm heute nichts Besseres wünschen, als daß sein Ruf gehört wird, und erweist dem Lebenswerk des 85jährigen seinen tiefen Respekt. ({0}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung ergänzt um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen: 1. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas ({1}) - Drucksache 7/1198 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/1222 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) - Drucksache 7/1221 Berichterstatter: Abgeordneter Russe ({4}) 2. Beratung der Sammelübersicht 10 des Petitionsausschusses ({5}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 7/1186 -Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Betarübensaatgut, über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut, über den Verkehr mit Getreidesaatgut und über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln, der Richtlinie vom 30. Juni 1969 über den Verkehr mit Saatgut von 01- und Faserpflanzen und der Richtlinie vom 29. September 1970 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut und über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie vom 9. April 1968 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben für eine Zweite Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut - Drucksachen 7/873, 7/1169 -Berichterstatter: Abgeordneter Kühlmann-Stumm 3. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten anderen benachteiligten Gebieten - Drucksachen 7/378, 7/1172 - Berichterstatter: Abgeordneter Büchler ({8}) Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 7. November 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny, Junghans, Kratz, Amling, Dr. Jens, Frau Lüdemann, Frau Schuchardt, Christ, Möllemann, Dr. Wendig und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Verbraucherpolitik - Drucksache 7/1091 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1207 verteilt. Der Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 5. November 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Weber ({9}), Schröder ({10}), Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kernenergieschiffe - Drucksache 7/1138 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/1220 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat: Verordnung ({11}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({12}) Nr. 827/68 sowie der Verordnungen 1009/67/ EWG, ({13}) Nr. 950/68 und ({14}) Nr. 2358/71 - Drucksache 7/162 3832 Präsident Frau Renger Verordnung ({15}) des Rates zur zweiten Änderung der Verordnung ({16}) Nr. 1388/70 über die Grundregeln für die Klassifizierung der Rebsorten - Drucksache 7/300 Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 146/ 67 /EWG hinsichtlich der Vorschriften für die Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für bestimmte geschlachtete Enten - Drucksache 7/473 -Verordnung ({17}) des Rates zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Intervention bei Rindfleisch - Drucksache 7/492 Verordnung ({18}) des Rates zur Ergänzung der Verordnung ({19}) Nr. 228/73 des Rates über die Festlegung allgemeiner Vorschriften für die Regelung der Ausgleichsbeträge im Sektor Obst und Gemüse hinsichtlich Blumenkohl und Tomaten - Drucksache 7/541 Verordnung ({20}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({21}) Nr. 185/73 über die Grundregeln für die Anwendung von Ausgleichsbeträgen für zugesetzte Zuckerarten bei Verarbeitungserzeugnissen aus Obst und Gemüse als Folge des Beitritts der neuen Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft -- Drucksache 7/542 Verordnung ({22}) des Rates zur Festsetzung einer Übergangsvergütung für die am Ende des Wirtschaftsjahres 1972/1973 vorhandenen Bestände an Weichweizen, Gerste zur Brotherstellung geeignetem Roggen und Mais - Drucksache 7/568 Verordnung ({23}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({24}) Nr. 2049/69 über die Grundregeln für die Denaturierung von Zucker für Futterzwecke - Drucksache 7/569 Verordnung ({25}) des Rates zur Festlegung von Sondermaßnahmen für zur Aussaat bestimmte Raps- und Rübsensamen und zur Anpassung des Schemas dieser Waren in den Verordnungen Nr. 136 /66 EWG, ({26}) Nr. 2358/71 und ({27}) Nr. 950/68 - Drucksache 7/572 Verordnung ({28}) des Rates zur Ergänzung der Verordnung ({29}) Nr. 235/73 zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Geflügelfleisch - Drucksache 7/574 Verordnung ({30}) Nr. 560/73 des Rates vom 26. Februar 1973 zur Änderung der Verordnung ({31}) Nr. 222/73 über die auf dem Agrarsektor für die Währungen der neuen Mitgliedstaaten anzuwendenden Umrechnungskurse Verordnung ({32}) Nr. 223/73 des Rates vom 31. Januar 1973 zur Aufstellung allgemeiner Regeln, die das gute Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker im Anschluß an den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten gewährleisten sollen. Verordnung ({33}) des Rates zur Änderung der Verordnungen Nm. 134 /67/ EWG und 137 /67/ EWG über die Einschleusungspreise und über das sogenannte „System von Leitund Folgeerzeugnissen" auf dem Schweinefleischsektor, insbesondere die Nomenklatur der Erzeugnisse Verordnung ({34}) Nr. 884/73 des Rates vom 27. März 1973 zur Änderung der Verordnung ({35}) Nr. 992/72 über die Grundregeln für die Gewährung der Beihilfe für Seidenraupen Verordnung ({36}) Nr. 1695/73 des Rates vom 25. Juni 1973 zur Bestimmung, inwieweit die für Rindfleisch anzuwendenden Währungsausgleichsbeträge wegen der niedrigeren Bewertung einer Währung höher sein können als die Belastung bei der Einfuhr aus Drittländern Verordnung ({37}) des Rates zur Festsetzung der Schwellenpreise für geschälten Reis und Bruchreis und des in den Schwellenpreis für vollständig geschliffenen Reis einzubeziehenden Schutzbetrags für das Wirtschaftsjahr 1973/1974 - Drucksache 7/926 Verordnung ({38}) des Rates zur Festlegung der Beihilfe für die Erzeugung von Hartweizen für das Wirtschaftsjahr 1973/74 - Drucksache 7/884 Verordnung ({39}) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zu den Preisen für Getreide und Mehl, Grütze und Grieß von Weizen oder Roggen für das Wirtschaftsjahr 1973/1974 - Drucksache 7/924 Verordnung ({40}) des Rates zur Anderung der Verordnung ({41}) Nr. 229/73 hinsichtlich der Beitrittsausgleichsbeträge und deren Koeffizienten für Getreide - Drucksache 7/923 Verordnung ({42}) des Rates zur Festlegung der im Sektor Getreide im Falle einer Störung anzuwendenden Grundregeln - Drucksache 7/922 Verordnung ({43}) des Rates zur Festlegung der Sonderbedingungen für die Abgabe von Weichweizen, der sich im Besitz der italienischen Interventionsstelle befindet - Drucksache 7/939 - Verordnung ({44}) des Rates betreffend die Ausfuhrlizenzen im Bereich der Ölsaaten und Ölkuchen - Drucksache 7/933 Verordnung ({45}) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zu den Preisen für Rohreis und geschälten Reis für das Wirtschaftsjahr 1973/1974 - Drucksache 7/927 - Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung ({46}) des Rates betreffend die Anwendung der Wirtschaftsregeln und der Regeln über die Überwachung des Internationalen Kakaoabkommens von 1972 - Drucksache 7/1109 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({47}), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über ein Kodifizierungsverfahren - Drucksache 7/1156 überwiesen an den Rechtsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({48}) des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1973/1974 - Drucksache 7/1157 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({49}) des Rates zur Änderung der Verordnungen ({50}) Nr. 237/73 lind Nr. 235/73 hinsichtlich der Festsetzung der als Ausgleichsbeträge anwendbaren Beträge für Eier und Geflügelfleisch - Drucksache 7/1158 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({51}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Aale der Tarifstelle ex 03.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs - Drucksache 7/1159 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({52}) des Rates zur Anwendung der Verordnung ({53}) Nr. 1055/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über die Mitteilung der Einfuhr von Kohlenwasserstoffen an die Kommission auf die Erdölerzeugnisse der Tarifnummern 27.10 und 27.11 A des gemeinsamen Zolltarifs Verordnung ({54}) des Rates über die Mitteilung der Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen nach Drittländern an die Kommission Verordnung ({55}) des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Konsultationsverfahrens über die Versorgung der Gemeinschaft mit Kohlenwasserstoffen Entscheidung des Rates über die Streichung bestimmter Erzeugnisse aus dem Anhang zur Verordnung ({56}) Nr. 2603/69 zur Festlegung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung Entscheidung des Rates über die Anwendung der Verordnung ({57}) Nr. 1025/70 auf die Einfuhren von Kohlenwasserstoffen aus Drittländern Verordnung ({58}) des Rates über die Anwendung der Verordnung Nr. 2603/69 auf die Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen in Drittländer - Drucksache 7/1180 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({59}), Ausschuß für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({60}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Baselnüsse, frisch oder getrocknet, auch ohne äußere Schalen oder enthäutet, der Tarifstelle ex 08.05 G des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in der Türkei - Drucksache 7/1178 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({61}) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis und zum Schwellenpreis für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1973/1974 - Drucksache 7/1179 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Präsident Frau Renger Verordnung des Rates Tiber das Verzeichnis der mit Vorrang zu fördernden Agrargebiete und Gebietsteile nach der Verordnung ({62}) über die Finanzierung von Vorhaben durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen von Programmen zur Entwicklung von Agrargebieten, die mit Vorrang zu fördern sind über das Verzeichnis der Gebiete und Gebietsteile gemäß Verordnung ({63}) des Rates über die Errichtung eines Europäischen Fonds für regionale Entwicklung - Drucksache 7/1183 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({64}), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({65}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben, in unmittelbaren Umschließungen mit 'einem Gewicht des Inhalts von 15 kg oder weniger, der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs - Drucksache 7/1190 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({66}) des Rates über Beihilfen für Olivenöl - Drucksache 7/1191 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({67}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({68}) des Rates über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird - Drucksache 7/1192 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({69}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte in der Türkei raffinierte Erdölerzeugnisse des Kapitels 27 des Gemeinsamen Zolltarifs zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des zusätzlichen Gemeinschaftszollkontingents für Baumwollgarne, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer 55.05 und Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Herkunft aus der Türkei - Drucksache 7/1193 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({70}) Nr. 181/73 zur Festlegung der Grundregeln des Systems der Ausgleichsbeträge für Rindfleisch - Drucksache 711194 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Ich rufe den 1. Zusatzpunkt auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas ({71}) - Drucksache 7/1198 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({72}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/1222 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({73}) - Drucksache 7/1221 Berichterstatter: Abgeordneter Russe ({74}) Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Bitte schön, Herr Kollege Russe!

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In Ergänzung des Ihnen schriftlich vorliegenden Berichtes des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas - der Begriff dafür, „Energiesicherungsgesetz", ist inzwischen schon zum Terminus technicus geworden - möchte ich folgendes ausführen. Das Energiesicherungsgesetz, das in diesem Hohen Hause jetzt in zweiter Lesung beraten wird, ist sicherlich - darin stimmen wir wohl alle überein - kein Jahrhundertgesetz. Es ist vielmehr ein Gesetz, das einer besonderen Notlage begegnen soll. Es ist ein Gesetz, das eben aus dem unter dieser Notlage entstandenen Zwang zum Handeln geboren worden ist, unter dem Zwang nämlich, die Energieversorgung der Bundesrepublik auch dann sicherzustellen, wenn Ölhähne zugedreht, Tanker nicht beladen, Pipelines nicht bedient werden oder sonstige Mengenbeschränkungen vor allem unserer Ölversorgung eintreten oder eintreten können. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestehen wir es uns ein: Wir waren bisher in Europa und auch in der Bundesrepublik auf einen solchen Ernstfall nicht eingerichtet. Es ist verständlich, daß die Bundesregierung, als sich erste Anzeichen für einen Krisenfall abzeichneten, nicht gleich in die Vollen ging und lauthals nach Einbringung oder Verabschiedung eines solchen Energiesicherungsgesetzes rief. Herr Bundesminister Dr. Friderichs hat in der Öffentlichkeit noch bis in die letzten Tage die Notwendigkeit eines solchen „Notstandsgesetzes", wie wir es heute verabschieden sollen, nicht anerkannt. Der Wirtschaftsausschuß zeigte Verständnis für dieses Vermeiden von zu frühen Signalwirkungen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, an dieser Stelle außerhalb meiner Funktion als Berichterstatter, der sich der objektiven Einlassung verpflichtet weiß, einen kurzen Exkurs als Mitglied der Opposition in diesem Hohen Hause zu machen. Herr Minister Dr. Friderichs, wir haben Ihnen zuletzt auf unserer energiepolitischen Fachkonferenz am 26. Oktober dieses Jahres in Wiesbaden unsere Einsicht im Hinblick auf das Vermeiden von Signalwirkungen bekundet. Wir haben dort ein sehr ausführliches Gespräch miteinander über dieses wichtige Thema geführt. Ich bin davon überzeugt, daf dies unter anderem eine nicht unbedeutende Voraussetzung für die relativ schnelle Verständigung aller Fraktionen in diesem Hohen Hause über dieses Gesetz war. Es wäre wünschenswert, daß sich dieses jetzt praktizierte Verfahren der schnelleren Verständigung zukünftig auch bei weniger eilbedürfti gen Gesetzesvorlagen durchsetzt. Dies sei aber nur am Rande vermerkt. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Verständnis für die Sache, für die Notlage min derte im Wirtschaftsausschuß nicht die Sorgen und die Bedenken, die wegen dieses Gesetzes bestanden und bestehen. Es kann kein Zweifel darüber zurückbleiben, daß nach Verabschiedung dieses Gesetzes einschneidende Beschränkungen der Rechte dieses Hohen Hauses und des Bundesrates die Folge sein werden. Ich urteile deshalb wohl richtig, wenn ich sage, daß wir das Denken über die hier zur Entscheidung stehende Sache mit der Verabschiedung des Energiesicherungsgesetzes nicht einstellen können. ({0}) Ich meine, das Gegenteil ist der Fall, denn wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß die Bundesrepublik ein solches Energiesicherungsgesetz auf Dauer braucht. Wenn dies aber so ist, besteht um so mehr die Notwendigkeit - dies war im Grundsatz auch die einhellige Auffassung im Wirtschaftsausschuß -, die Rechtskürzung 'für dieses Parlament und den Bundesrat auf die absolut unvermeidbaren Fälle zu beschränken, und dies, meine Damen und Herren, 'sowohl im Grundsatz als auch in ihrer zeitlichen Wirkung. Dabei gilt für das Grundsätzliche, daß eine Regierung das Instrument der Rechtsverordnung mit so einschneidenden Maßnahmen, wie sie vorgesehen sind, nur für so eindeutig begrenzte Fälle in die Hand bekommen und in der Hand haben darf, daß keine vom Willen des Gesetzgebers unabhängige oder sogar nichtgewollte Auswirkung auf die Bürger unseres Landes entstehen kann oder entsteht. Diese Absicht, die der Wirtschaftsausschuß unterstützte, bedingt schlüssig die gleichzeitige Begrenzung der zeitlichen Wirkung der möglichen Rechtsverordnungen. Das Gesetz läßt solche Befristungen zu. Ich sage Ihnen deshalb zusätzlich: Ohne zeitliche Bedingungen wäre 'das Gesetz auch als mangelhaft zu bezeichnen. Wir haben zu unterstützen oder, wenn Sie so wollen, zu sichern, daß sich ein außerdem mit solch ordnungspolitischen Bedenken übersätes Gesetz wie dieses sozusagen auch selber in die Pflicht nehmen muß und nimmt, d. h. daß nach einer gewissen Erfahrungszeit oder, wenn es diese aus Mangel an tatsächlicher Krisenlage, die zur Anwendung des Gesetzes führen müßte, nicht gibt oder geben sollte - was wir alle nur hoffen und wünschen sollten und können -, nach einer gewissen Zeit des Überdenkens und erneuten Beratens dieses Gesetz verbessert werden muß. Meine Damen und Herren, dieser Auffassung im Wirtschaftsausschuß entsprang das Bemühen um einegemeinsame Entschließung, in welcher dieses Hohe Haus die Bundesregierung ersuchen sollte, dem Bundestag und dem Bundesrat bis zum 30. Juni 1974 über die Anwendung des Gesetzes und deren Auswirkung schriftlich zu berichten und gleichzeitig Vorschläge für Änderungen des Gesetzes zu unterbreiten, falls die gewonnenen Erfahrungen und neue Erkenntnisse dies angezeigt erscheinen lassen oder lassen sollten. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, daß Ihnen diese Entschließung nicht zur Annahme vorgelegt wird, liegt darin begründet, daß zwischenzeitlich ein Änderungsantrag betreffs Geltungsdauer des Gesetzes vorgelegt worden ist. Mir erschien diese ergänzende Berichterstattung aber notwendig, um die Intentionen des Wirtschaftsausschusses auch in dieser Frage protokollmäßig festhalten zu lassen. Mit einer solchen Entschließung wäre der Bundesregierung - ich darf es so formulieren - zweifellos eine gewisse Publizitätspflicht auferlegt worden, die gewissermaßen im Rahmen des Möglichen, aber auch des Notwendigen, zur Milde in der Anwendung dieses Gesetzes Veranlassung gegeben oder unter Umständen gezwungen hätte, während sich auf der anderen Seite, wie es in unseren Beratungen im Wirtschaftsausschuß jemand treffend ausdrückte, die Betroffenen im Krisenfall mit der minderen Form des Glücks zufriedengeben müssen. Ein besonderer Erörterungsgegenstand war, wie noch zu betonen ist, die von einigen Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses beantragte Änderung in § 2 Abs. 3, wonach beiden Häusern, d. h. sowohl dem Bundestag als auch dem Bundesrat, voneinander getrennt das Recht eingeräumt werden sollte, die Aufhebung der Rechtsverordnungen zu verlangen. Die Mehrheit im Ausschuß verschloß sich dieser Absicht, obwohl der mitberatende Rechtsausschuß keine rechtlichen Bedenken gegen diese Alternative der Rechtsverstärkung der parlamentarischen Gremien geltend gemacht hatte. Die Mehrheit wollte die gemeinsame Verantwortung beider Häuser beibehalten wissen. Die Minderheit trat auf die Aufsplitterung des Aufhebungsverlangens u. a. deshalb ein, weil sie von der Argumentation, ein solches getrenntes Aufhebungsrecht gebe es in keinem anderen geltenden Gesetz und wäre dann neu, nicht überzeugt werden konnte. Nun, das ganze Gesetz ist neu. Wenn es demnächst in der Praxis einmal um die Auslegung und Ausformung gehen sollte, seien wir nicht preußischer als der preußische Bilderbuchbeamte bei dieser Notwendigkeit! „Keine Experimente" ist ein überwundenes Schlagwort. ({1}) - Entschuldigen Sie, Herr Kollege Wehner, wir sollten es auch nicht mit einem gewissen time lag, das Ihnen in der jüngsten Gegenwart in bezug auf dieses Schlagwort ganz besonders annehmbar zu sein scheint, wiederauferstehen lassen. Gleichwohl, dieses Gesetz beläßt ein nicht unerhebliches Maß verfassungs- und ordnungspolitischer Risiken. Darüber müssen wir uns im klaren sein. Wir sollten uns jedoch unabhängig davon, allerdings unter Beachtung dieser Tatsache, auch darüber einig sein, daß bei Abwägung dessen, was man wünscht oder was man muß, die Abkehr von Energieversorgungslücken weit größere Risiken für Staat und Gesellschaft, für Sicherheit und Ordnung vermeiden hilft. Darum geht es nicht zuletzt. Ich darf Sie namens des Wirtschaftsausschusses um Annahme des Energiesicherungsgesetzes bitten. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Russe für die Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich rufe §§ 1 bis 9 in der Fassung des Ausschusses auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen. §§ 1 bis 9 sind damit in der Fassung 'des Ausschusses angenommen. Ich rufe § 10 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/1229 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Ahrens. Dr. Ahrens ({0}).: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Ihnen auf Drucksache 7/1229 vorliegenden Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP geht es um die Regelung einer mehr technischen Frage. Wie Sie ,aus dem Entwurf des Gesetzes sehen, soll das Gesetz nach § 19 auch im Lande Berlin gelten. § 10 Abs. 3 des Entwurfs verweist nun auf das Bundesleistungsgesetz, das in Berlin keine Geltung hat. Um das zu erreichen, was in § 10 Abs. 3 des Entwurfs gewollt ist, schlagen wir Ihnen diese Neufassung vor, die eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung schafft und sie an die materiellen Grundsätze des Bundesleistungsgesetzes bindet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 7/1229 bezüglich des § 10 Abs. 3 ab. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über § 10 in der geänderten Fassung. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung so angenommen. Ich rufe die §§ 11 bis 19 in der Fassung des Ausschusses auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - 'Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe § 20 auf. Hierzu liegt ein interfraktioneller Antrag auf Drucksache 7/1230 ({0}) vor. § 20 erhält danach folgende Fassung: § 20 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember i1974 außer Kraft. Dazu habe ich die Wortmeldung ides Herrn Abgeordneten Ahrens.

Dr. Karl Ahrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000017, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ausschuß bestand Einigkeit darüber, daß ein Gesetz, das die Bundesregierung in die Lage versetzt, ,Schwierigkeiten, wie wir sie im Augenblick erleben, zu 'begegnen, als ständige Einrichtung gebraucht wird. Wir waren uns weiter darüber einig, daß (die Beratungen über ein solches Gesetz am besten in Zeiten erfolgen, in denen keine kritische Situation zu erwarten ist oder gar durchlebt wird. Wir waren uns weiter darüber einig, daß der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf noch nicht allen Ansprüchen an ein solches auf Dauer bestehendes Gesetz gerecht wird. Aus diesem Grunde hatte der Herr Bundeswirtschaftsminister bereits zugesagt, uns im Laufe des nächsten Jahres einen Bericht über die Erfahrungen mit der praktischen Handhabung dieses Gesetzes zu erstatten und uns zugleich Vorschläge für eine Novellierung zu unterbreiten. Dieses Angebot ides Ministers sollte durch einen Entschließungsantrag des Bundestages unterstrichen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz, wie es Ihnen vorliegt, war somit von vornherein von keinem als eine Dauereinrichtung gedacht. Wir meinen daher, daß es aus diesem Grunde erträglich oder gar sinnvoll wäre, für dieses 'Gesetz eine Befristung vorzusehen. Wir tun dies allerdings in der klaren Erkenntnis, daß wir uns dann im Laufe des nächsten Jahres über ein neues Gesetz, das die gleiche Materie regelt, werden unterhalten müssen. Unter diesen Umständen und um auch dem Bundesrat die Zustimmung möglichst heute zu erleichtern, haben wir Ihnen diesen Antrag vorgelegt. Ich möchte dem Eindruck entgegentreten, daß man aus der befristeten Geltung des Gesetzes etwa darauf schließen könnte, es handle sich nur um eine vorübergehend zu regelnde Materie. In Wirklichkeit handelt es sich bei der Befristung des Gesetzes nur um eine Selbstbindung dieses Hauses. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogel.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU stellt mit 'Genugtuung fest, daß sich auch die Fraktionen der SPD und der FDP bereit erklärt haben, diese Befristung in das Gesetz aufzunehmen, eine Befristung, die unserem Wunsch entsprochen hat und die wir in den interfraktionellen Gesprächen sehr nachdrücklich gefordert haben. Wir stimmen diesem interfraktionellen Änderungsantrag zu. Ich möchte noch hinzufügen: Selbstverständlich müssen in Notzeiten die Maßnahmen möglich sein, die erforderlich sind, um mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Selbstverständlich sind wir bereit, der Regierung diese Möglichkeiten zu geben. Das Parlament kann sich selbst aber nicht aus der Verantwortung entlassen. ({0}) Dem trägt dieser Antrag Rechnung. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir halten .die Regelung, das Gesetz am 31. Dezember 1974 auslaufen zu lassen, unter sachlichen, sprich: energiepolitischen Gesichtspunkten für keine gute Lösung. Der Bundeswirtschaftsminister wird in der dritten Lesung Gelegenheit nehmen, den sachlichen energiepolitischen Hintergrund unserer Überlegungen darzustellen. Herr Kollege Vogel, wenn Sie mit Genugtuung festgestellt haben, daß ,die Koalition Ihren Antrag übernommen hat, das Gesetz zu befristen, so darf ich zunächst einmal darauf hinweisen, daß der ursprüngliche Befristungsantrag im Rechtsausschuß von den Kollegen der Koalition gestellt worden ist, so daß wir also im Grundsatz in dieser Frage mit Ihnen gar nicht uneinig sind. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich bin noch nicht am Ende. Herr Vogel, es wird noch genügend Gelegenheit für Protestrufe aus Ihren Reihen geben. Ich finde aber die verkürzte Darstellung, die hier über das Zustandekommen der jetzigen Formulierung des § 20 gegeben worden ist, denn doch etwas sehr kurz. ({1}) - Nehmen Sie gern hinterher 'Gelegenheit, Herr Vogel; ich werde einige Minuten, also nicht sehr viel Zeit, darauf verwenden. Wir haben gestern einen Tag voller Abstimmungen mit dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz, dem Parteivorsitzenden der CDU, über die Frage verbracht, wie wir in der Laufzeit dieses Gesetzes zu einer Übereinstimmung kommen könnten. Sie, Herr Vogel und meine Damen und Herren von der Opposition, wissen, daß Ministerpräsident Kohl einen inhaltlichen Vorschlag gemacht hatte, der hier formuliert worden ist und der die Zustimmung des Verfassungsrechtlers der Staatskanzlei in Mainz gefunden hat, worauf uns gesagt worden ist, so könne die Sache laufen, was bei uns zu Koalitionsgesprächen und zu dem Ihnen bekannten Antrag geführt hat, das Gesetz solle durch Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundesrat und Bundestag verlängert werden können. Ich gestehe ohne weiteres zu, daß dies eine sehr exzeptionelle Regelung gewesen wäre und daß wir sie nicht schön fanden. Aber verfassungsrechtlich war ,sie nach den Auskünften der Experten unbedenklich. ({2}) Daraufhin sind wir gestern nacht von Ihnen, Herr Kollege Müller-Hermann, darüber informiert worden, daß wir nicht die Vorschrift aufnehmen sollten, dieses Gesetz durch Rechtsverordnung zu verlängern, sondern die Bestimmung, es durch Gesetz zu verlängern. Das heißt mit anderen Worten, der Bundestag sollte sich durch Gesetz bestätigen, daß er Gesetze machen darf. ({3}) Dies ist auch noch Inhalt der Formulierung in Ihrem jetzigen Änderungsantrag. ({4}) Es heißt dort: Das Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1974 außer Kraft, ({5}) sofern es nicht durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, verlängert wird. Nun, meine Damen und Herren, es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir hier jederzeit und zu jeder Materie Gesetze verlängern dürfen. ({6}) Meine Damen und Herren, an diesen Vorgang - an den ich noch die Bemerkung anzuschließen habe, daß wir gestern nacht angeregt haben, aus sachlichen, energiepolitischen Gründen wenigstens den 31. Dezember 1975 als Auslauftermin zu akzeptieren, was ebenfalls abgelehnt worden ist - und an diese fehlgeschlagenen Abstimmungsversuche darf ich für meine Freunde diese Erklärung anfügen: Es wundere sich niemand, meine Damen und Herren von ,der CDU/CSU, jetzt und in Zukunft, wenn sich Koalitionsaussagen wie die meiner Freunde in Niedersachsen wiederholen. Es wundere sich niemand, - ({7}) - Darf idh zu Ende reden? ({8}) - Das scheint Sie, gemessen an der lauten Reaktion, durchaus zu beeindrucken! ({9}) Darum geht es mir aber gar nicht. Es geht mir darum, meine Damen und Herren, Ihnen zu sagen, daß Angebote, wir könnten uns im Bundesrat in eventuellen Koalitionen auf eine Unterstützung der liberalsozialen Koalition verlassen, ({10}) von uns jedenfalls so lange nicht honoriert werden, wie Sie nicht bereit sind, die Zusage Ihres Parteivorsitzenden uns gegenüber zu honorieren. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es scheint mir nicht sehr sinnvoll und zweckmäßig zu sein, daß wir hier nach dem Vorbild von Graf Lambsdorff die Vorgeschichte darüber ausbreiten, wie wir, letztlich in der Sache übereinstimmend, zu einer vernünftigen Regelung kommen wollen. ({0}) Ich kann für meine Fraktion nur feststellen, daß wir uns in unserem Vorgehen in völliger Übereinstimmung mit Ministerpräsident Helmut Kohl befinden, mit dem wir bis zum frühen Morgen ständig in Kontakt gestanden haben. ({1}) Graf Lambsdorff, wir haben von seiten der Opposition in den Beratungen in den Ausschüssen - und wir tun das auch heute hier - der Regierung jede mögliche Hilfestellung angeboten, mit einer schwierigen Situation fertigzuwerden, ({2}) und zwar in einer Situation, die deshalb so schwierig ist, weil Vorsorgegesetze, die wir seinerzeit bei der Notstandsgesetzgebung angeregt hatten, damals auf Ihren Widerspruch gestoßen sind. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte!

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Müller-Hermann, wollen Sie ernsthaft bestreiten, daß Ihr Parteivorsitzender, der Ministerpräsident Kohl, selber den Vorschlag gemacht hat, in das Gesetz die Klausel einzufügen, daß die Geltungsdauer durch Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat verlängert werden könne - eine Klausel, die Sie hier nun bekämpft haben? Wollen Sie das bestreiten?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann Ihre Ausführungen in keiner Weise bestätigen. Von Ministerpräsident Kohl wie von uns sind Wünsche angemeldet worden, daß das Gesetz limitiert wird; das ist nicht mehr als recht und billig. ({0}) Ich habe nie so recht verstanden, Graf Lambsdorff, daß ausgerechnet Sie der Begrenzung dieses Gesetzes zunächst Widerstand entgegengesetzt haben, das der Regierung weitreichende Vollmachten überträgt. Es wäre doch tatsächlich eine Selbstkasteiung des Parlaments, wenn es der Regierung diese Vollmachten unbegrenzt an die Hand gäbe. ({1}) Ich stelle also noch einmal fest: Es geht hier nicht um den Inhalt dessen, was zu erledigen ist - darüber befindet sich das Haus inzwischen in Übereinstimmung -, sondern es geht um eine Stilfrage, um eine Frage unserer rechtsstaatlichen Ordnung: daß ein Gesetz auch nur durch ein Gesetz verlängert verändert werden kann. Ich finde, es ist einfach unsystematisch - das ist auch die Meinung, die in meiner Fraktion von den Rechtsexperten vertreten wird -, daß ein Gesetz durch eine Verordnung, selbst wenn sie der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates bedarf, verlängert werden soll. Das ist der Grund, weswegen wir der jetzigen Regelung unsere Zustimmung geben und das Haus bitten, das Gesetz durch ein Gesetz verlängern zu lassen bzw. es zunächst einmal ordnungsgemäß zum 31. Dezember 1974 auslaufen zu lassen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Hermann, das heißt in aller Form, daß der Antrag auf Drucksache 7/1231 zurückgezogen ist?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wir haben uns auf Ihre Formulierung verständigt, weil die in der Sache sehr präzise ist. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 7/1230 - neu -. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/1231 ist zurückgezogen worden. Ich rufe jetzt Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung einstimmig angenommen. Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung angenommen. Wir treten nunmehr in die dritte Beratung ein. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Bundesminister Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (Minister:in)

Politiker ID: 11000586

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Wir beraten - das weiß die Bundesregierung - ein ungewöhnliches Gesetz in einer außergewöhnlichen Situation. Aber wir sollten uns auch nichts vormachen: die Risiken, die jetzt sichtbar geworden sind, waren seit Jahren latent vorhanden. Deswegen habe ich mich bemüht, zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein umfassendes und der gegenwärtigen Erkenntnissituation entsprechendes Energieprogramm zu erarbeiten. In dem Energieprogramm, das Anfang September vom Kabinett beschlossen wurde und derzeit im zuständigen Ausschuß dieses Hohen Hauses beraten wird, heißt es, daß es sich bei den Versorgungsrisiken nicht um abstrakte Möglichkeiten, sondern um reale Gefährdungstatbestände handelt. Noch im September haben viele dies nicht so ernst genommen, wie sie es jetzt nehmen. Ich hätte gern darauf verzichtet, daß der Beweis für die Richtigkeit dieser These so schnell erbracht worden ist. Das Gesetz, über das heute beraten wird, ist ein Teilbereich der Energiepolitik. Ich gestehe, ich hätte diesen Teilbereich mit diesem Hohen Hause lieber in einer anderen Atmosphäre, losgelöst von den akuten Sorgen, beraten. Ich möchte allerdings nicht versäumen, bereits an dieser Stelle den Mitgliedern des Hohen Hauses, den Fraktionen, insbesondere aber den Mitgliedern der beteiligten Ausschüsse, für die Schnelligkeit und die Bereitschaft, sich in dieser Woche mit dem Gesetz zu befassen, zu danken. Für uns alle ist es eine Selbstverständlichkeit, daß eine hochindustralisierte Volkswirtschaft ein funktionsfähiges Instrumentarium für die Überwindung von Versorgungskrisen braucht. Unsere Rohenergie besteht zu 55 % aus Mineralöl, das wir wiederum zu mehr als 90% importieren, und zwar zum überwiegenden Teil aus dem Nahen Osten. Bei diesem Grad der Abhängigkeit können wir auf die Dauer nicht ohne ein Vorsorgegesetz leben. Die Tatsache, daß es möglich ist, ein Gesetz in so wenigen Tagen zu verabschieden, beweist, daß schnelles Handeln in schwierigen Situationen auch in einer Demokratie möglich ist. Der Gesetzentwurf, der heute zur zweiten und dritten Lesung ansteht, dient der Vorsorge. Die Schaffung eines Vorsorgerahmens heißt nicht, daß man davon in der augenblicklichen Situation Gebrauch machen will oder gar muß, sondern bedeutet eine Investition für mehr Sicherheit in der Zukunft, möglicherweise allerdings in einer sehr nahe vor uns liegenden Zukunft. Wir müssen damit rechnen, daß die beschlossenen Förderkürzungen ab Monatsende zu einem Rückgang der Bezüge von Rohöl und Mineralölprodukten von etwa 10 bis 15 °/o führen. Dieser Rückgang, meine Damen und Herren, darf nach meiner Meinung kein Grund zur Panik sein. Der zu erwartende oder zu befürchtende Ausfall einer derartigen Menge müßte eigentlich durch freiwillige Einschränkungen ausgeglichen werden können. Es besteht ein weiter Spielraum, das Minderangebot durch vernünftiges Verhalten aller zu überwinden. Diese freiwilligen Einschränkungen sind meines Erachtens möglich, zumutbar und notwendig. Sie tragen dazu bei - und das ist in der öffentlichen Diskussion der letzten Tage etwas wenig beachtet worden -, uns die unerläßliche politische Handlungsfreiheit nach innen und nach außen zu erhalten. So unangenehm für uns alle die heutige Situation ist, sie hat nach meiner Meinung auch positive Elemente. Sie ist nämlich eine Herausforderung an uns alle, die wir in dieser Gesellschaft weitgehend in Wohlstand und Überfluß leben und dies gar als selbstverständlich betrachten, eine Herausforderung, an der deutlich wird, daß nicht alles zu jeder Zeit und dann noch so, wie jeder es will, zu haben ist. An der Energie hängen in unserer Volkswirtschaft eben nicht nur ein bißchen Bequemlichkeit mehr oder weniger, nicht nur warmes Wasser, Fernsehen. oder Autofahren, sondern letztendlich alle Arbeitsplätze, um nicht zu sagen: das Leben der 'Menschen in diesem Lande. Ich denke hier z. B. an die Versorgung von Kranken und an Operationen. Ich werde in diesen Tagen oft gefragt, ob ich denn glaube, daß die Verbraucher zu vernünftigem Verhalten und zu Sparmaßnahmen bereit seien. Wenn wir uns umschauen, müssen wir feststellen, daß dies in anderen Ländern möglich ist. Es sollte auch in unserem Lande möglich sein. Ob wir das Gesetz durch Erlaß von Verordnungen anwenden müssen oder nicht, hängt vielleicht mehr von uns selbst, vom Verhalten der Menschen in unserem Lande ab, als von Ereignissen draußen. Die jetzt drohenden Beschränkungen - in Höhe von 10 bis 15 °/o jedenfalls - müßten doch eigentlich durch Eigenmaßnahmen ausgeglichen werden können, so daß wir nicht wie manch andere mit schlotternden Knien nach draußen schauen müssen. ({0}) Ich will dazu nur vier Beispiele nennen. Allein die Verminderung der Temperatur in den Räumen um zwei Grad erspart etwa 10% des Heizölverbrauchs. 'Durch diszipliniertes Fahren können wir 5 bis 7 % des Benzinverbrauchs einsparen. Zum Sonntagsfahrverbot werde ich gleich noch etwas sagen. Natürlich kommt es auch auf die Mineralölwirtschaft an. Wir hoffen, daß sie die Möglichkeiten der Flexibilität nutzt und - auch das muß ich erwähnen - Disziplin bei den Preisen hält. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die geplante Aufklärungsarbeit dieses Wirtschaftszweiges. Verordnungen werden erst dann erlassen, wenn diese Mittel im Vorfeld nicht ausreichen oder sich Situationen ergeben, von denen wir heute noch hoffen, daß sie nicht eintreten werden und uns erspart bleiben. Natürlich werden die Stärke der Eingriffe und die Zusammensetzung der Maßnahmen der konkreten Situation entsprechen müssen. Zum möglichen Inhalt von Verordnungen werden dann z. B. Fahrverbote an den Sonn- und Feiertagen, die etwa 8 bis 10 °/o Benzineinsparung bringen - wenn man den Samstagnachmittag einbezieht, sogar 15 % -, oder Geschwindigkeitsbegrenzungen gehören. In einer weiteren Stufe - so sieht es das Gesetz vor - wären generell qualitative Beschränkungen, z. B. im Verkehr, möglich, und erst ganz zuletzt wäre an eine Zuteilung und Rationierung zu denken. Das Ihnen vorliegende Gesetz soll keine unkontrollierte Kumulierung von Befugnissen für die Regierung bringen. Deswegen sieht § 1 des Gesetzes vor, daß notwendige Verordnungen auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden müssen. Die Bundesregierung hat in einem Brief des Herrn Bundeskanzlers an die Fraktionen hervorgehoben, daß sie Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes nur im Benehmen mit den Vorsitzenden der in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen erlassen wird. Ein für den Krisenfall gedachtes Instrumentarium muß auch effektiv sein. Das Bundeskabinett hat den Entwurf ohne eine Befristung beraten. Dazu will ich eine kurze Erklärung abgeben. Die Bundesregierung hat ihn deswegen ohne Befristung beraten, weil sie der Meinung ist, daß es sich um eine unbefristete Materie handelt, die einer dauerhaften Regelung bedarf, d. h., wir möchten nicht in einen gesetzlosen Zustand zurückverfallen. ({1}) Alle, auch die Bundesregierung, waren der Meinung, daß dieses Gesetz in ruhigeren Zeiten noch einmal sorgfältig beraten werden sollte. Die Meinungen über das „Wie" gingen allerdings auseinander. Wir hielten und halten es nicht für gut, daß dies in einer Zeit geschieht, in der wir möglicherweise das heute beratene Gesetz anwenden müssen. Dies sind - und es wäre unfair, es nicht zu sagen - meine Bedenken gegen die notwendig gewordene Befristung auf den 31. Dezember 1974. Ich glaube, daß die Art und Weise, wie sich die Öffentlichkeit mit der Energieversorgung im Moment auseinandersetzt - siehe auch die heutige Presse -, zeigt, daß man solche Gesetze besser in einer anderen Atmosphäre berät als in einer, in der man gerade gezwungen ist, sie anzuwenden. Aber ich akzeptiere den interfraktionellen Antrag auf Befristung zum 31. Dezember 1974, so wie er eben eingebracht und begründet worden ist. Warum er zu akzeptieren ist, ist von den Sprechern vorgetragen worden. Auch ich bin bereit, dies zu akzeptieren, und zwar im Interesse der Sache, damit wir in der Lage sind, dieses Gesetz notfalls in Kürze anwenden zu können. Wir wissen, daß dieses Gesetzgebungsverfahren Bereitschaft zu raschem Handeln von allen Beteiligten verlangt hat. Wir sind der Auffassung, daß ein ständiger Kontakt und eine ständige Abstimmung zwischen Bund und Ländern nötig ist. Diese enge Kooperation im Faktischen liegt im Interesse all er Seiten. Ich habe gestern die Wirtschaftsminister der Länder um Mitarbeit gebeten. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin darf ich einen Satz aus meinem Schreiben an meine Kollegen in den Ländern zitieren. Ich habe geschrieben: Mir liegt in dieser Situation sehr an einem laufenden Kontakt mit den zuständigen Stellen der Länder, und ich möchte daher vorschlagen, daß- auch auf Länderebene bald eine Arbeitsgruppe gebildet wird, mit der die aktuelle Versorgungssituation sowie eventuell zu erlassende Rechtsverordnungen und deren Ausführung beraten werden können. Diese Notwendigkeit zur Kooperation gilt auch im Hinblick auf die Wirtschaft. Daher habe ich dem Vorsitzenden des Mineralölwirtschaftsverbandes gestern geschrieben - wörtlich -: Ich halte es aber für wichtig, daß bei der Vorbereitung und Durchführung der nach dem Gesetz eventuell zu erlassenden Rechtsverordnungen eine Mitwirkung der Mineralölwirtschaft sichergestellt ist. Ich erwähne dies, damit Sie erkennen, daß diese Bundesregierung nicht die Absicht hat, von der ihr eingeräumten Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen einen unangemessenen Gebrauch zu machen. Der Brief des Herrn Bundeskanzlers an die Vorsitzenden der Fraktionen dieses Hohen Hauses, meine Briefe an die Länderkollegen und die Mineralölwirtschaft scheinen dies doch wohl darzulegen. Wir hoffen, daß die derzeit schwierige und problematische Phase im Verhältnis zwischen einer Reihe von Rohölförderländern und Verbraucherländern überwunden werden kann. Denn es besteht bei aller Problematik ein Grundinteresse an der Zusammenarbeit beim 01 und ebenso, meine Damen und Herren, an der Zusammenarbeit bei der wirtschaftlich-industriellen Entwicklung dieser Förderländer. Allerdings sollten wir aus der derzeitigen Entwicklung lernen und Konsequenzen ziehen. Risikofaktoren bleiben weiter bestehen. Wir können sie nur minimieren. Der Niederschlag, den die Verknappung in der Preisentwicklung findet, ist für uns alle bitte. Wir wissen, daß hier ein schwieriges Problem liegt, dem mit Höchstpreisen zu begegnen neue Probleme aufwirft. Wir haben den gespaltenen Preis wegen der Disziplin deutscher Raffineriegesellschaften und wegen der Entwicklung der Weltmarktpreise für importierte Ware. Sollen wir aber nun den auch spekulationsbedingten Weltmarktpreis für das Preisniveau insgesamt akzeptieren? Oder sollen wir andererseits auf Mengen, die wir dringend benötigen, verzichten, weil der Weltmarktpreis zu hoch ist? Das ist die andere Seite der Medaille, die zu entscheiden ist. Unangenehm steigende Preise haben nur einen einzigen Vorzug: Die Nutzung neuer Energieträger es mag im Energieprogramm noch sehr theoretisch geklungen haben - kann leichter rentabel werden. Warum sage ich das heute, meine Damen und Herren? Weil auch ,die Erdölförderländer dies wissen sollten und wissen müssen. ({2}) Was meine ich -damit? Es gibt keine Ware, deren Preis weltweit ad infinitum in die Höhe getrieben werden kann, ohne daß damit neue Substituierungsmöglichkeiten auftauchen. ({3}) Mehr dazu sollten wir bei der Beratung des Energieprogramms diskutieren. Als entscheidende Reaktion auf die Situation werden wir unsere energiepolitischen Anstrengungen nicht nur in der Formulierung der Programme und ihrer Fortentwicklung, sondern insbesondere in unserer praktischen Politik weiter verstärken. Sie wissen, welche Reisen ich in der letzten Zeit gemacht habe. Es stehen weitere bevor. Es zeigt sich, daß - nachdem in den 60er Jahren weitgehend auf Kontakte zu einem der größten Förderländer verzichtet worden ist - die Wiederaufnahme dieser Kontakte auch im Interesse unserer Volkswirtschaft sinnvoll ist. Das Energieprogramm nennt als zentrale Aufgabe neben dem weiteren Ausbau der Krisenvorsorgemaßnahmen die Bemühungen, die Sicherheit der Versorgung mit Mineralöl zu erhöhen, Kernenergie, Erdgas und Braunkohle rasch zu entwickeln, die deutsche Steinkohle in sinnvollem Rahmen zu nutzen und die Energieversorgungsanlagen in unserem Lande konsequent auszubauen. Erlauben Sie mir zu dem letzten Punkt eine Bemerkung. Vielleicht hat die Situation, in der wir uns befinden, dazu beigetragen, daß mancher Widerstand gegen neue Energieversorgungsanlagen mindestens in der Form, in der er zur Geltung gebracht wurde, in Zukunft sich anders darstellt. ({4}) Wir haben nicht nur eine verstärkte Forschung und Entwicklung neuer Energien zu betreiben, sondern haben uns auch mehr um die rationelle Verwendung von Energie zu kümmern. Gerade in diesen beiden Bereichen liegen langfristig Zukunftsaufgaben vor uns. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Energiesicherungsgesetz seine Zustimmung zu geben. Ich danke den Beteiligten für die Beratung, und ich hoffe, daß es uns erspart bleibt, es in absehbarer Zeit durch Erlaß von Verordnungen anzuwenden. Aber nur wenn wir es haben, erleichtert sich die Situation. Wir sind dann in der Lage, mehr Einfluß auf sinnvolles Verhalten aller auszuüben. Dies muß das Ziel sein, um nicht nur in diesem Winter, sondern auch in der ferneren Zukunft nicht nur mit Energie, sondern - das muß bei Mineralöl gesagt sein - auch mit Rohstoffen für wesentliche Bereiche der Produktion in unserem Lande versorgt zu sein. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ahrens.

Dr. Karl Ahrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000017, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß wir bereits heute das Energiesicherungsgesetz, dessen Entwurf erst vor zwei Tagen eingebracht worden ist, verabschieden können. Wir sind sicher, daß wir damit nicht nur der gegenwärtigen Situation im Energiebereich, sondern auch den Erwartungen unserer Bürger an eine auf die Situation abgestellte Politik Rechnung tragen. Die Bundesrepublik befindet sich - das wurde soeben bereits vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft ausgeführt - gegenwärtig nicht in einer Versorgungskrise. Wenn die Beschlüsse der Erdölländer durchgeführt werden, so müssen wir damit rechnen, daß uns etwa Mitte bis Ende November 15 % weniger Rohöl zur Verfügung stehen als bei normaler Belieferung. Bei der überragenden Bedeutung des Öls für unsere Energieversorgung würde das zwar zu nicht unerheblichen Einschränkungen führen, nicht aber zu einem umfassenden Zusammenbruch unserer Versorgung mit Auswirkungen etwa auch auf die Arbeitsplätze. Wir meinen vielmehr - und wir werden in unserer Auffassung durch die von uns angehörten Sachverständigen bestätigt -, daß wir auch eine solche Lage, jedenfalls für einen längeren Zeitraum, für etliche Monate, mit gewissen Spar- und Einschränkungsmaßnahmen durchstehen können. Meine Damen und Herren, wir sind der Bundesregierung dafür dankbar, ,daß sie in den vergangenen Wochen durch ihre ruhige Haltung und durch eine abwägende Beurteilung der Lage dazu beigetragen hat, daß weder Hysterie noch Panik im Innern entstanden sind noch die Lage nach außen verschärft wurde. Nachdem nunmehr aber die Boykottmaßnahmen der Erdölländer quantifiziert werden können, nachdem wir wissen, wann uns welche Lieferbeschränkungen treffen können, gilt es zu handeln. Eine solche Situation ist - und darüber herrscht hier im Hause wie im Lande Einigkeit - nicht mehr ,damit zu bewältigen, daß man sie der Wirtschaft allein überläßt. Die möglichen Versorgungsengpässe können bei uns ebensowenig wie im Ausland ohne administrative Maßnahmen, ohne Lenkungs-, Überwachungs- und ■Regelungsgebote gemeistert werden. Dieses Gesetz liegt - ich möchte das ausdrücklich betonen - sowohl im Interesse der Wirtschaft 'als auch der Verbraucher. Wir kommen mit seiner Verabschiedung im übrigen ebenso einer Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften wie auch einer Empfehlung der OECD nach. Meine sehr verehrten Damen und Herren, kritische Situationen sind - das mag man bedauern, aber es ist so - immer Stunden der Exekutive. Nur sie kann die erforderlichen Maßnahmen schnell, ausgewogen und flexibel ergreifen. Ein Parlament kann dies schon aus Gründen des Verfahrens nicht leisten. Deshalb legen. wir Ihnen ein Gesetz vor, das nur einen Rahmen für die vielfältigen Maßnahmen bildet, die erforderlich werden können und ergriffen werden müssen. Selbstverständlich muß die Regierung dabei zahlreiche rechtliche Bindungen beachten, etwa den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den wir in § 1 Abs. 4 des Gesetzes besonders ausgestaltet haben. Im übrigen haben wir volles Vertrauen zur Bundesregierung. Wir haben insbesondere auch volles Vertrauen zu Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Friderichs, daß Sie die Möglichkeiten dieses Gesetzes nicht zu einem Standrecht der Administration umfunktionieren werden. Wir sind dem Herrn Bundeskanzler dankbar für seine Zusage, daß die auf der Grundlage dieses Gesetzes zu treffenden Maßnahmen mit den Fraktionen des Hauses abgestimmt werden sollen. Ich bin im übrigen davon, überzeugt, daß unsere Bürger für diese Maßnahmen Verständnis haben werden, daß sie sie ebenfalls mit der gleichen Ruhe und Gelassenheit ertragen werden, die uns auch in den vergangenen Wochen schon vor größeren Störungen bewahrt 'haben und für die ich auch von dieser Stelle aus unseren Bürgern ausdrücklich danken möchte. ({0}) Vielleicht geht es einigen auch in unserem Lande so wie manchem in den Niederlanden, daß man sogar einige Vorzüge eines autofreien Wochenendes entdeckt! Ganz sicher haben auch die Erdölländer ein Interesse daran, 01 zu verkaufen und gute Dauerkunden zu behalten. Auch ihnen kann nicht daran gelegen sein, diese Kunden etwa dazu zu bringen, durch einen forcierten Übergang zu neuen Technologien Öl 2u substituieren und das Öl in der Wüste zu lassen. Die Hoffnung oder Erwartung auf diese Einsicht sollte uns aber nicht beruhigen. Wir brauchen, und zwar ganz abgesehen von der gegenwärtigen Situation, eine Vertiefung und Erweiterung unserer Energiepolitik. Das Energieprogramm der Bundesregierung bietet dazu eine gute 'Grundlage. Bei seiner Diskussion und bei seiner sicherlich schon bald notwendig werdenden Fortschreibung werden wir die Erfahrungen dieser Tage und die Erfahrungen der vor uns liegenden Wochen und Monate verwerten, und wir werden das Programm und die Maßnahmen vor allem daran messen müssen, wie weit dadurch die Sicherheit der Versorgung und damit zugleich unsere Unabhängigkeit von politisch oder auch technisch bedingten Störungen gesteigert werden. ({1}) 'Daß solche Maßnahmen immer auch einer nicht geringen finanziellen Anstrengung bedürfen, sollten wir dabei ehrlicherweise nicht verschweigen. Bei den künftigen Vershandlungen mit den Erdölländern des Nahen Ostens und Nordafrikas muß Europa auf der einen Seite Ides Verhandlungstisches sitzen. Was wir in dieser Hinsicht in jüngster Zeit an europäischer Energiepolitik erlebt haben, kann nur ganz tief enttäuschen. ({2}) Es ist tieftraurig, wenn sich der Rat lam letzten Dienstag - am-Dienstag dieser Woche! - nur zu folgender Entschließung durchringen konnte, die ich mit Genehmigung 'der Frau Präsidentin 'zitieren darf: Der Rat ist sich der gegenseitigen Verflechtung der Wirtschaften der Mitgliedstaaten der EG bewußt ({3}) und hat zugleich die Kommission und den Ausschuß der Ständigen Vertreter beauftragt, weiterhin aufmerksam die Situation zu prüfen, die sich aus dem Mangel an Rohöl herleitet, und ihm Bericht zu erstatten. ({4}) Meine Damen und Herren, das bedeutet schlicht und einfach die Kapitulation Europas vor dem Egoismus der Einzelstaaten, ({5}) von denen in den vergangenen Tagen und Wochen nicht wenige versucht haben, ihre Energieprobleme auf Kosten der Nachbarn zu lösen. ({6}) Man hat vor kurzem gesagt, das Europa der Träume und Ideale sei zu Ende und das Europa der Probleme habe begonnen. Vielleicht ist das nicht einmal schlecht, denn Festreden haben wir genug gehört. Vielleicht verbindet auch das gemeinsame Überwinden von Krisen und Schwierigkeiten mehr als gemeinsamer Jubel. Aber wir müssen auch mit aller Deutlichkeit klarmachen, daß das Europa unserer Vorstellungen mehr ist als Agrar- und Regionalfonds. ({7}) Wir müssen also als Europäer gemeinsam handeln nach innen und gemeinsam verhandeln nach außen. Dabei wird es darum gehen, den Erdölländern klarzumachen, daß ihre Haltung, ihr Verfahren und ihr Boykott uns nicht von einer „Politik der europäischen Ausgewogenheit" gegenüber den Problemen im Nahen Osten abbringen werden, wie es der Bundeskanzler formuliert hat. Wir müssen ihnen klarmachen, daß ihre Haltung letztlich auch nicht ihrer Wirtschaft dient, daß sie sich damit vorzeitig Konkurrenzenergien aufbauen, die ihnen nicht nützlich sein können. Und wir sollten ihnen auch sagen, daß durch ihr Verhalten die traditionellen Bindungen zwischen Europa und der arabischen Welt nur belastet und gestört werden können und daß Druck nicht die Grundlage gutnachbarlicher Beziehungen sein kann. ({8}) Voraussetzung für eine solche feste Haltung nach außen ist die Entschlossenheit, eine kritische Situation nach innen zu meistern. Die Voraussetzungen dafür schafft dieses Gesetz. Ich bitte um Ihre Zustimmung. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir, die Bundestagsfraktion der CDU/CSU, werden dem Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas zustimmen. Die Notwendigkeit dieses Gesetzes und die Zusammenhänge, die dazu führten, es zu erlassen, schärfen, wie wir glauben, den Blick für die Wirklichkeiten, in denen und mit denen wir leider leben müssen. ({0}) Die Lage, in der wir sind, in die - damit dies keiner falsch versteht - die Bundesrepublik Deutschland geraten ist, straft Wunschdenken Lügen. Sie zwingt zugleich bei Verabschiedung dieses Gesetzes dazu, den Blick nicht einzuengen, sondern auf die Zusammenhänge zu sprechen zu kommen, wie dies zum Teil auch mein verehrter Herr Vorredner getan hat. Dabei muß zunächst klar sein, was der Herr Berichterstatter sagte: Das Nachdenken über ein solches Gesetz ist nicht beendet mit dieser Verabschiedung einer Vorlage unter Zwang und Zeitdruck. Wir fügen hinzu, daß nichts - und auch nicht dieses Gesetz - die Einsicht und das verantwortliche Handeln unserer Mitbürger wird ersetzen können, weder in dieser noch in zu erwartenden Lagen. Wir betonen noch einmal: kein Dirigismus heilt Ursachen. ({1}) Meine Damen und Herren, wir hätten es begrüßt, wenn die Regierung auf dem Höhepunkt der politischen Krise und in der Zeit, als es so aussah, als würde die Verwicklung die beiden Großmächte direkt betreffen - mit allen Konsequenzen, die beide auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gezogen haben - den Kontakt zur Opposition gesucht hätte. Sie hat dies nicht getan. Sie hat erst Kontakt gesucht, als sie jetzt für dieses Schadensregelungsgesetz die Fristverkürzung brauchte; ein bißchen wenig für demokratischen Stil und den Umgang, der in diesem Hause üblich sein sollte. ({2}) Das Eilverfahren, mit dem dieses Gesetz behandelt worden ist und - wir räumen das ein - wohl auch behandelt werden mußte, unterstreicht die Besonderheit der Situation. Diese Situation ist offenkundig. Wir verzichten darauf - weil es eine Peinlichkeit wäre -, sie auch noch mit Worten genau auszuschmücken oder zu charakterisieren. Das Ganze ist schlimm genug Dies ist deshalb nicht der Zeitpunkt, hierzu der Regierung naheliegende konkrete und präzise Fragen zu stellen wie etwa: Warum haben wir nicht jene wirtschaftlichen Gesetze, wie sie 1965 vorgeschlagen wurden? Dies alles wollen wir heute unterlassen. Denn wichtiger als solche Fragen ist die Frage - ich richte sie für meine Freunde an die, die es angeht -: Glaubt etwa irgend jemand im Ernst, wer es auch sei und wo auch immer in der Welt er sitzt, Verständnis, Freundschaft und langfristige Kooperation gewinnen zu können, indem er zunächst dafür sorgt, daß diese Regierung hier dieses unpopuläre Gesetz durchsetzen muß? Meine Damen und Herren, wir stimmen zu, wenn der Bundeskanzler sagte: Druck ist kein Mittel, Freundschaft zu begründen. Sicher ist hier nicht der Ort, öffentlich die Strategie der Abwehr und die möglichen Mittel zu erörtern, ({3}) die sicher, Herr Kollege Wehner, vor allem mittelfristig besser und größer sind, als gemeinhin angenommen wird. Dieses Gesetz, das - da stimmen wir der Regierung zu - hoffentlich nie angewandt werden muß und das nun hier wohl trotz des Eilgalopps einstimmig angenommen wird, soll Gefahren abwehren, möglichen Schaden regulieren und im Mangel, falls er eintritt, vor allem den Schwachen schützen. Die Einstimmigkeit in dieser technischen Frage der Vorsorge für alle Fälle darf aber von niemandem dahin verstanden werden, als sei diese Antwort des Parlaments die Antwort auf alles, was hier vorgegangen ist, und als verberge sich hinter dieser Einstimmigkeit irgendwie gar eine Billigung der Politik, die dazu geführt hat, daß dieses Gesetz hier heute die Zustimmung aller aus Notwendigkeit finden muß. ({4}) Meine Damen und Herren, wir machen es uns dabei nicht so leicht, einfach die Bundesregierung für das verantwortlich zu machen, was hier heute zu beschließen ist. Wir würden es uns aber andererseits zu leicht machen, wenn wir verschwiegen, was uns bewegt, wenn wir dieses Gesetz als Teil eines politischen und auch eines moralischen Gesamtvorganges sehen. Daß die Bundesregierung nicht jeden Tag alles, was sie tut, an die große Glocke hängen kann, daß sie nicht immer alles vollständig und öffentlich, zu jedem Zeitpunkt gar noch, erklären kann, daß sie viel Rücksicht üben muß, wissen wir. Wir heben das in diesem Augenblick besonders hervor. Dieses Parlament und seine Abgeordneten haben aber eigene Pflichten. Wir meinen, daß wir die eigenen Pflichten verletzten, wenn wir diesem Gesetz einfach zustimmten - und damit der Politik, die zu diesem Gesetz geführt hat -, ohne zu erläutern, was wir dabei empfinden. Wir können ja nicht so tun, als würden im Volk, zumal von jungen Menschen, nicht Fragen nach der moralischen Qualität von Politik, Fragen über Technik und Öl hinaus gestellt. Wie gern zitiert der Herr Bundeskanzler den Satz aus der Bibel: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein". Es wäre interessant für dieses Haus - und irgendwann wird dies sicher erfolgen -, wenn der Bundeskanzler diese Sentenz auf Grund der Erfahrungen dieser Tage, mit dem Blick auf die Lage der Menschen hier und auf die Erfahrungen in einer hochindustrialisierten Gesellschaft und in einem empfindlichen Staatswesen einmal mit dem Blick auf das 01 formulierte. Ich glaube, dies wäre ein wichtiger Beitrag. ({5}) Meine Damen und Herren, wie gesagt, wir suchen, wie Sie 'merken, heute nicht die große kontroverse Debatte. Wenn Sie sie wünschen, wird sie natürlich geführt. Was heute vielmehr not tut - dies ist, wie wir glauben, die Aufgabe einer recht verstandenen Opposition; dies entspricht, wenn wir richtig zuhören, wohl auch den Bedürfnissen von Kollegen aus der Koalition -, sind Anmerkungen und Fragen 'zu den Zusammenhängen. Sicher wird die Bundesregierung selbst empfinden, daß sie uns hier und der Öffentlichkeit noch Antworten schuldig ist. Wir verstehen, daß nicht jede Antwort zu jeder Stunde gegeben werden kann. Wir hoffen, daß die Regierung ebenso versteht, daß wir nicht immer schweigen und unser Fragen unterlassen, wenn wir glauben, etwas sagen zu müssen. Deshalb muß dieses heute gesagt werden. Die USA haben sich uns gegenüber --- wie auch wir im Verhältnis zu ihnen seit langem - nicht nur als Partner, sondern als Freunde bewährt, und das, verkürzt gesagt, nicht nur bei schönem Wetter, . wie nicht nur die Berliner wissen. ({6}) Gerade haben sich die USA erneut als friedenssichernde und friedensstiftende Macht erwiesen. ({7}) Unsere Sicherheit hier, unsere Freiheit und unsere Wohlfahrt hängen vom Bündnis mit den USA ab. Auch die Chance zur weiteren Entspannung hängt von der Tragfähigkeit des Bündnisses ab. Diese Realitäten - ob uns das paßt oder nicht - gelten doch um so mehr, als der Anblick Europas, wenn man dies, wie wir es tun, in seinem freien Teil vereinigt zu sehen wünscht, ,alles andere als erfreulich und befriedigend ist. ({8}) Das sind Realitäten. Das sind existentielle Bedingungen für die Lebensqualität der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb müssen wir leider fragen: Ist der Bundesregierungdiese fundamentale Bedingung der deutschen Politik in den letzten Wochen immer voll bewußt gewesen? Hat sie immer und an jedem Tag intern und öffentlich entsprechend gehandelt? Hat sie Westpolitik insgesamt mit dem nötigen Vorrang, mit der nötigen Vorsorge, mit der nötigen Rücksicht, mit dem, was unter Freunden möglich und nicht möglich ist, betrieben? Diese Fragen müssen gestellt wenden. ({9}) Unsere Antwort hierzu lautet: Nein. Meine Damen und Herren, wir sehen natürlich, daß hier ganze Reparaturkolonnen von beiden Seiten auf dem Wege sind, um den Schaden einzugrenzen. Vielleicht haben sie auch Erfolg. Aber wir fürchten: Das Glas hat einen Sprung bekommen. Zum anderen, meine Damen und Herren, rufen wir seit langem - und ich habe mich gefreut, daß der Kollege Ahrens das eben auch getan hat; das wird zwar hier geschehen, aber durch die Politik der Regierung geschieht da, wo sie handeln kann, etwas anderes - nach mehr europäischer Solidarität. Ich meine, diese Lage macht doch deutlich, daß es einfach stimmt, wenn wir sagen: Keiner, wer immer es sei, wird einem Mitglied der Europäischen Gemeinschaft wirtschaftlich und politisch zu nahe treten können - und selbst derjenige nicht, der das wollte -, wenn diese Gemeinschaft eine festgefügte, politisch handlungsfähige, solidarische politische Gemeinschaft ist. Das ist leider nicht der Fall, vielleicht noch nicht. Auch hier räumen wir, um ein gerechtes Urteil bemüht, ein, daß in einer solchen Gemeinschaft natürlich nicht alles so gehen kann, wie ein Partner es will; aber es darf - alle Kundigen werden das Wortspiel verstehen! - auf Dauer auch nicht so gehen, wie ein Partner es will. ({10}) Wir sähen aber nun gern die Bundesregierung in der Position des Drängens, wie sie eben auch durch den Sprecher der SPD hier für das Parlament bezogen worden ist. Wir erleben es gern, daß sie Vorschläge macht, daß sie sich nicht scheut, hervorzutreten und auf Verbreiterung und Beschleunigung des europäischen Einigungsprozesses hinzuwirken. Mindestens würden wir gerne die Regierung sichtbar tätig sehen, vorhandene Verabredungen, ob es sich nun um die Wirtschafts- oder die Währungsunion oder um Richtlinien alter Gipfelkonferenzen handelt, einzuhalten. Dieses Europa wäre in einer anderen Lage, wenn wenigstens diese Beschlüsse vollzogen wären. Meine Damen und Herren, dieses Europa muß, wie wir meinen, ein weniger klägliches Bild bieten, wenn es vor allem für junge Menschen weiterhin eine - fast ein bitteres Wort - Hoffnung haben soll. Es ist erschütternd, daß es selbst in dieser Lage - bei diesem großen Erwartungshorizont der Bürger überall in Europa und auch außerhalb der Gemeinschaft - in dieser Woche zu Beschlüssen kam, wie sie Herr Kollege Ahrens hier verlesen hat; ich kann mir die Verlesung deshalb ersparen. Ich möchte sagen: dieses Ergebnis ist deprimierend. Ich stehe mit dem Urteil, das die Meinung der CDU/ CSU ist, nicht ganz allein, wenn ich sage: Nichts wäre wohl mehr gewesen als das, was jetzt dort beschlossen worden ist. ({11}) Aber, Herr Kollege Ahrens, wo bleibt Ihre Konsequenz? Sie lesen diesen Beschluß vor, Sie kritisieren ihn als nicht ausreichend, als nicht befriedigend. Sie nennen alle möglichen Vokabeln, denen wir zustimmen. Aber ist es denn nicht diese Regierung, die dem Beschluß in Brüssel zugestimmt hat? Das ist doch der Punkt, von dem hier geredet werden muß, meine Damen und Herren. ({12}) Wir wollen und können auch nicht zu der Lage im Nahen Osten schweigen, die, wir wir glauben, durch die Stellungnahme der Neun nicht besser ge-_ worden ist. Wir wollen hier drinnen und auch nach draußen nichts erschweren. Sie ist verworren genug. Aber, meine Damen und Herren, wir 'sind der Meinung, die Lage würde noch verworrener werden, wenn etwa das Kräfteverhältnis dort, zu dem auch moralische, psychologische Kategorien und Freundschaften oder Nichtfreundschaften gehören, dadurch aus den Fugen geriete, daß auf dieser oder jener Seite falsche Eindrücke über unsere Haltung entstehen könnten. Deshalb sagen wir: Wir wollen Frieden und Menschenrechte, Gewaltverzicht und Selbstbestimmungsrecht, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit überall in der Welt, - auch im Nahen Osten. Wir sind in der Tradition Konrad Adenauers - und ich denke, jeder weiß, was dieser Hinweis mit dem Blick auf diese Region bedeutet -; wir sind in der Tradition Konrad Adenauers nur, wenn wir in diesen Fragen die - wenn ich so sagen darf - besondere Sensibilität der Gewissen, das Gespür für die Lehren aus der 'Geschichte, die Behutsamkeit Dr.-Barzel der Entscheidung und die Ablehnung jeder offensiven Gewalt, wann und wo und von wem immer sie ausgeht, ausdrücklich betonen. ({13}) Nach dem Nahost-Krieg 1956 gab Adenauer am 8. November 1956 - es ist merkwürdig, daß die Novembertage da immer eine Rolle spielen eine Regierungserklärung ab. In der damals, ich brauche das nicht zu begründen, besonders heiklen Situation - weil europäische Freunde und Nachbarn, sagen wir einmal, involviert waren - hat sich dieser Bundeskanzler nicht gescheut, hier vor das Haus zu treten und in dieser Regierungserklärung folgendes zu sagen: Es erscheint nicht sehr sinnvoll, Betrachtungen darüber anzustellen, warum es zu einer solchen gegenseitigen Verständigung nicht kam. Die Entwicklung ist weitergegangen, und es kam zu kriegerischen Handlungen, die wir bedauern, da wir überzeugt sind, daß auch legitime Ziele der Politik nicht mit Waffengewalt verwirklicht werden sollen. So damals schon, 11956. Anläßlich des Krieges 1967 hielten wir diese Linie - ich verweise auf die Debatte vom 7. Juni 1967 -. Wir halten diese Linie auch heute. Wir hatten dann inzwischen, unter Bundeskanzler Erhard, diplomatische Beziehungen auch mit Israel aufgenommen; Beziehungen, an die sich Israels Nachbarn später, dann auch - warum sollte das nicht zugegeben werden - mit Hilfe der gegenwärtigen Bundesregierung, gewöhnten; Bezinhungen mit Israel mit dem, wie ich ausdrücklich sagen möchte, Blick nach vorne und auf der Basis - wie es damals formuliert wurde -, daß Deutschlands Geschichte nicht nur zwölf böse Jahre umgreift. Diese Beziehungen sollten und sollen, wie die zu den arabischen Nachbarn, im Interesse des Friedens und der Zusammenarbeit immer gute Beziehungen sein. Wir sind für Verständigung und Ausgleich auch dort. Unsere Welt ist zu klein und zu gefährdet, als daß sie sich Inseln des Hasses leisten könnte. Zusammenarbeit trotz Unterschied der Religion, der Ideologie und Meinungen ist das Gebot des Friedens in unserer Zeit. Wir meinen, daß die doch besonders begabten Völker dort durch Frieden und Zusammenarbeit sich und der Welt, uns allen, mehr bieten könnten. Wir ermuntern deshalb alle, sich auf den Weg der Verhandlungen zu begeben. Verhandlungen können zu Lösungen führen; am leichtesten wohl, wenn sie ohne Vorbedingungen begonnen und diskret vorbereitet werden. Aggressive Gewalt in der Form von Krieg löst keine Probleme, löst für keinen die Probleme. Sicherheit, Lebensrecht und friedvolles Nebeneinander auch dort schließen ein, daß die Souveränität und Unabhängigkeit aller Staaten, auch die Israels, geachtet werden, daß alle in .sicheren und anerkannten Grenzen friedlich leben können. ({14}) Meine Damen und Herren, erst vor wenigen Wochen hörten wir, wie die Bundesregierung mit großen und überwiegend guten Reden, wie der Kollege Carstens dies hier ja unlängst qualifiziert hat, den Eintritt in die Vereinten Nationen vollzog. Dabei betonte die Regierung mit Zustimmung der Opposition die Prinzipien, welche ihre Politik in Fragen der Weltpolitik leiten. Sie werde immer auf der Seite derer stehen, die auf Gewalt verzichten, und denen beistehen, die sie erleiden müssen. Wir hörten: Kein politisches Ziel rechtfertigt die Gewalt: kein Nationalismus, kein Klassenkampf, keine koloniale oder Rassenauseinandersetzung, weder Utopien noch Ideologien. ({15}) Wir hörten weiter, das „entscheidende moralische Kriterium" sei nicht, ob es sich um eine verbündete oder vertraglich befreundete oder um eine weniger befreundete Macht handelt; entscheidend ist, daß wir in diesen Fragen nicht teilnahmslos bleiben - selbst dann nicht, wenn manche Einzelheit undurchschaubar sein sollte. Eine Politik des Friedens, der Solidarität und der Ablehnung von Gewalt ist unteilbar. ({16}) ({17}) So der Bundeskanzler und der Außenminister vor den Vereinten Nationen. Wir stimmen dem weiter zu. Die Regierung freilich wird, zur gegebenen Zeit, hier die Frage zu beantworten haben, wo solche Sätze anfangs Oktober geblieben sind, ob und wie diese Prinzipien mit ihrer Politik in jüngster Zeit in Einklang stehen. Diese Frage wird zu beantworten sein. ({18})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Herr Kollege, beziehen Sie darin auch die Erklärung des Bundeskanzlers in der Plenarsitzung vom 26. Oktober ein, die alle diese Fragen ganz präzise behandelte?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wehner, es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, daß ich von Anfang Oktober sprach. Was am 26. Oktober geschehen ist, ist bekannt. Wenn Sie sich bei befreundeten Nationen in der Welt umsehen und sehen, was dort am 7. 8., 9., 10. Oktober erklärt worden ist, werden Sie diese sehr verhaltene Kritik sicherlich besser zu würdigen wissen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir möchten sagen, daß wir zu diesen Leitlinien stehen, daß wir nicht bereit sind, unsere Partner und unsere Freunde ebenso wie unsere Grundsätze anders als aus eigenem Entschluß auszusuchen. Zur Ausgewogenheit einer Politik, die nicht Partei nehmen kann, aber sich selbst treu ist, und zum Gleichgewicht der Kräfte, worauf überall der Nichtkrieg beruht, gehören nicht nur militärische Waffen, wirtschaftliche Potentiale und soziale Ordnungen. Ich möchte den Satz, den der Kanzler so gerne verwendet, abwandeln: Auch der Friede lebt nicht vom Brot allein. Sein Wort ist gefordert; Gesinnung ist auch hier durch nichts zu ersetzen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000043

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf eine Vorbemerkung machen, Herr Dr. Barzel. Ich gehöre einer Partei an, die in zwölf Jahren faschistischer Diktatur durch Mitglieder meiner Partei, die sehr viel älter sind als ich, zusammen mit jüdischen Mitbürgern damals schwer gelitten hat. Allein von daher kann niemand, auch Sie nicht, Herr Dr. Barzel, die ungebrochene Solidarität der Sozialdemokraten mit dem Staate Israel, den Bürgern dieses Staates in Zweifel ziehen dürfen oder wollen. ({0}) Ich hoffe auch sehr, Herr Kollege Dr. Barzel, daß Sie dieses nicht versucht haben; denn das wäre eine schlimme Sache. Doch ich möchte zu den Fragen Stellung nehmen, die mit dem zu tun haben, was wir in Brüssel in diesen Tagen beschlossen und was wir nicht beschlossen haben, um Ihnen deutlich zu machen, wie die Dinge wirklich gewesen sind, damit Sie, Herr Dr. Barzel, falls Kritik zu üben ist, sie auch an die richtige Adresse richten - und nicht an die Adresse der Bundesregierung. ({1}) - Mit dieser Analyse will ich jetzt beginnen, lieber Herr Kollege, und ich will Ihnen die Fakten darstellen. ({2}) Wir sind am Montag und am Dienstag in Brüssel im Ministerrat gewesen, und es hat dort zwei Ansätze gegeben, um zu aktuellen Ereignissen politisch Stellung zu nehmen. Der eine Ansatz war der im Rahmen der politischen Zusammenarbeit der Neun. Hier ist eine Entschließung gefaßt worden, die, lieber Herr Kollege Barzel, völlig auf der Linie der UNO-Beschlüsse liegt ({3}) und damit auch völlig auf der Linie dessen, was wir hier gesagt und beschlossen haben. ({4}) Wenn Sie jetzt, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, diese Brüsseler Entschließung so interpretieren, wollen, daß sie antiisraelisch wird, dann tragen Sie die Verantwortung dafür. Sie tragen dann die Verantwortung dafür, nicht wir! ({5}) - Na, ich bitte Sie! Und dann muß ich eine zweite Bemerkung machen, Herr Dr. Barzel. ({6}) Sie haben von dem „demokratischen Defizit" gesprochen. Wie ist denn das? Wer hat Ihnen denn - auch Ihnen, Herr Kollege Dr. Barzel - viereinhalb Stunden im Auswärtigen Ausschuß Rede und Antwort gestanden? Der Außenminister! Er hat Ihnen ganz klar unsere Position erklärt, aber die wird dann anschließend nicht zur Kenntnis genommen, und hier im Plenum wird erneut 'so getan, als habe diese Debatte gar nicht stattgefunden. ({7}) Dann muß ich allerdings wirklich fragen, Herr Kollege Dr. Barzel, was die Opposition an mangelnder Unterrichtung noch bemängeln kann, wenn von Mittwochabend bis Freitagmorgen sowieso alles wieder vergessen, uminterpretiert und neu vorgebracht wird. ({8}) Sie, Herr Kollege Dr. Barzel, haben in diesem Zusammenhang auch von unserem Verhältnis zu den USA gesprochen. Ich will das jetzt nicht vertiefen; auch das hat im Auswärtigen Ausschuß eine große Rolle gespielt. Nur muß ich Sie jetzt erneut fragen: Welches Interesse hat die Opposition eigentlich daran, einen Zwischenfall, der beigelegt ist und bei dem wir der Meinung sind, daß unsere Regierung richtig gehandelt hat, immer wieder neu aufzuwärmen, immer wieder neu in die Debatte zu bringen, und dies dann noch mit dem frommen Augenaufschlag, Sie wollten damit das deutschamerikanische Verhältnis in Ordnung bringen? ({9}) Ich muß befürchten, .Herr Kollege Dr. Barzel, daß Sie dies gar nicht wollen. Sie wollen vielmehr weiterhin Mißtrauen säen; Sie sind froh über jede Äußerung, die Sie benutzen können, um das ungebrochene deutsch-amerikanische Freundschaftsverhältnis in Zweifel zu ziehen. ({10}) Dies ist ein durchsichtiges Manöver; es schlägt auf Sie selbst zurück. ({11}) Es ist ja sowieso, meine Damen und Herren, eine phantastische Sache, gerade wenn man sich mit Kollegen aus anderen Ländern unterhält. So etwas gibt es ja wohl nur bei uns, daß die Opposition in dieser einseitigen, uninformierten, unmöglichen Weise in eine Debatte zwischen der Bundesregierung und den USA so eingreift, als sei sie nicht die Opposition der Bundesrepublik, sondern anderswo lokalisiert. ({12}) -- Also, wenn Ihnen nichts mehr einfällt, sagen Sie immer „Jusos". Das ist ja wirklich langsam ein Witz! ({13}) - Mein Gott, ich bin doch nicht als Parlamentspsychiater angestellt, sondern ich bin Parlamentarischer Staatssekretär! ({14}) Eine letzte Bemerkung: Herr Kollege Dr. Barzel, Sie haben ja völlig recht, wenn Sie sagen daß die Entschließung des EG-Ministerrates zur Ölproblematik unzureichend ist. Da stimmen wir Ihnen doch völlig zu. Nur, wie war denn die Situation? Bei aller Notwendigkeit, hier nicht den Inhalt vertraulicher Ministerratssitzungen auszubreiten, muß ich wohl doch einmal sagen, wie die Schlachtordnung war. ({15}) Wir sind in diese Ministerratssitzung mit einem Entschließungsentwurf hineingegangen, der dreierlei beinhalten sollte. Erstens. Der Ministerrat macht eine Bestandsaufnahme über die Mineralölsituation. Zweitens. Wir sagen allen Betroffenen ganz kühl und ohne Drohgebärden, daß der weltweite Handelsaustausch, der allen nutzt, in Krisenzeiten zur Durchsetzung politischer Ziele von einigen nicht einseitig benutzt werden kann. Drittens. Wir halten den Gemeinsamen Markt funktionsfähig; wir lassen uns hier nicht auseinanderdividieren. Dann gab es, lieber Herr Kollege Barzel, eine Debatte, in der uns ein relativ kleines, aber dennoch sehr tüchtiges Mitgliedsland der EWG unterstützt hat - ein kleines, ein sehr kleines, nämlich das kleinste; ansonsten war Schweigen im Walde. Das war die Situation. ({16}) Angesichts dieser Situation stellte sich dann die Frage, ob wir aus dieser Sitzung ohne ein Papier herausgehen oder ob wir dieses sehr dünne Papier annehmen sollten. Ich bitte Sie also sehr herzlich darum, Herr Kollege Dr. Barzel, daß Sie, wenn Sie über Europapolitik sprechen, die kritisieren, die zu kritisieren sind - nicht diese Bundesregierung. ({17}) Konsequenz: Opposition ist notwendig und gut, aber sie muß auch politische Inhalte haben. ({18})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Fraktion der FDP darf ich zunächst die Erklärung begrüßen, die Herr Staatssekretär Apel soeben zur Interpretierung unserer Beziehungen und unserer Haltung in den letzten Wochen abgegeben hat. Ich glaube, daß es selbstverständlich richtig gewesen ist, lieber einer auch nach unserer Ansicht etwas mageren Erklärung des Rates zuzustimmen, als gar keine Erklärung zu produzieren. Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, (daß ein Teil 'der Mitgliedstaaten - jedenfalls weiß ich das von den kaufmännisch sehr tüchtigen niederländischen Nachbarn, Herr Professor Carstens - daran interessiert war, das Problem möglichst lautlos zu behandeln, um Öl zu bekommen. Ich will noch einmal auf den wirtschaftspolitischen Teil dessen zurückkommen, was wir miteinander zu 'besprechen und zu behandeln haben. Vor allen Dingen will ich dem Bundeswirtschaftsminister und der gesamten Bundesregierung den Dank meiner Fraktion dafür aussprechen, daß sie auch in einer akuten, auf eine Krise zulaufenden Lage - ich will das nicht schon als eine Krise bezeichnen - an dem langfristig 'erarbeiteten Konzept festhalten, ({0}) an dem ersten geschlossenen Energiekonzept, das eine Bundesregierung seit Bestehen 'der Bundesrepublik auf den Tisch dieses Hauses gelegt hat. Wir bitten sie, dabei zu bleiben. Weiter begrüßen wir es, daß in dieser psychologisch sicherlich sehr schwierigen Situation der Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG - wir bedanken uns bei all denen, die ihm für diesen Beschluß Rückendekkung gewährt haben - gestern dabei geblieben ist, die langfristige Konzeption des Steinkohlenprogramms unverändert in die Wirklichkeit umzusetzen. Sie werden vielleicht verstehen, daß wir - oder ich, oder soll ich sagen: selbst ich - dies mit einer Anerkennung auch im Hinblick darauf äußern, daß es sich hier um einen montanmitbestimmten Aufsichtsrat handelt, der seine - langfristig gesehen - Verantwortung ohne Zweifel richtig wahrgenommen hat. In dieser Auffassung sind wir durch das Ergebnis des nichtöffentlichen Sachverständigenhearings im Wirtschaftsausschuß vor 'zwei Tagen bestärkt worden, in dem angesichts der gegenwärtigen Situation auch diese Frage erörtert worden ist. Nun noch einmal zu dem Gesetz. Ich darf das, meine Damen und Herren, so salopp ausdrücken und sagen: daß unter den prüfenden 'Gesichtspunkten liberaler Wirtschaftspolitik und liberaler Rechtspolitik dieses Gesetz ein Monstrum und eine Ansammlung von Scheußlichkeiten ist; 'darüber gibt es - bei mir jedenfalls - nicht den geringsten Zweifel. Dies ist die Geburt einer Notsituation, die niemand von uns gewollt, niemand von uns verschuldet hat, mit der wir aber fertigwerden müssen und die wir - und darin besteht ja wohl sachlich in 'diesem Hause erfreulicherweise Ülbereinstimmung - auf wesentlich andere Weise - ich will über Nuancen nicht streiten - nicht bewältigen können. Wir - ich ganz besonders - haben in diesen Tagen noch einmal überlegt, Herr Professor Erhard, ob nicht auch die Situation der Koreakrise und Ihre Haltung zu dieser Zeit zum Vergleich herangezogen werden müßten, wenn man unsere heutigen Reaktionen beurteilt. Aber ich fürchte, das Ergebnis dieser Prüfung führt mit Recht zu der Erkenntnis, daß diese Situationen - wie eben so viele - miteinander nicht vergleichbar sind. Die Rohstoffknappheit, die sich aus der Koreakrise ergab und die Sie richtig und erfolgreich behandelt haben, erstreckte sich gerade auf andere Gebiete als das Gebiet der Energie, die nun einmal die lebenswichtige Quelle nicht nur etwa 'für Kühltruhen und Wohnzimmerwärme, sondern auch für unsere wirtschaftliche Infrastruktur und damit, wie der Bundeswirtschaftsminister zu Recht gesagt hat, für die Arbeitsplätze ist. Wir haben es außerdem hier nicht damit zu tun, daß wir den Ausschlägen und den Verzerrungen eines Marktes zu begegnen haben, sondern sehen uns gezielten Boykottmaßnahmen gegenüber. Dies ist, wie wir aus Erfahrung belegen können, eine. schwache 'Stelle liberaler wirtschaftspolitischer Grundüberzeugungen. Man gerät dann in Schwierigkeiten, wenn der Partner nicht mehr bereit ist, sich an die Spielregeln der liberalen Wirtschafts- und vor allem Weltwirtschaftsordnung zu halten. Dies haben wir national mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Griff; international ist das noch nicht zu schaffen. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister noch einmal betont hat, dies sei eine Vorsorgemaßnahme, eine Maßnahme für eine Notlage, die zur Zeit nicht - vielleicht muß man sagen: noch nicht - eingetreten ist. Dies gilt sicherlich auch für das Gebiet der Höchstpreise, das in diesem Gesetz angesprochen wird. Ich stimme der Formulierung des Herrn Bundeswirtschaftsministers zu, die er schon im Wirtschaftsausschuß gebraucht hat, daß es für uns natürlich besser ist, teure Energie zu haben als gar keine. Das bedeutet aber nicht, daß wir nun tatenlos zusehen könnten und zusehen dürften, wenn wirklich in verantwortungsloser Weise und unter Verstoß gegen bestehende gesetzliche Bestimmungen die Marktlage ungebührlich ausgenutzt werden sollte. ({1}) Zur Zeit sieht es, glaube ich, nicht so aus. Ich erlaube mir allerdings den Hinweis, 'daß man im Grunde genommen Preiskontrolle oder Preisstopp besser beim Emir von Kuweit anzubringen hätte als ausgerechnet bei irgendwelchen deutschen Händlern. Meine Damen und Herren, eines ist sicherlich zu befürchten, und darin, scheint es, sind wir uns auch einig - auch Sie, Herr 'Kollege Barzel, haben darauf hingewiesen -: Dies ist kein Thema und kein Problem, das uns nur heute, Anfang November 1973, beschäftigt und beschäftigen wird. Dieses Problem und diese grundsätzliche Situation, in der wir uns auf dem Energiesektor befinden, werden uns durch die kommenden Jahre trotz aller Substituierungsbemühungen begleiten. Glaube niemand, daß man falsch verstandenen Verlockungen von Autarkie auf diesem Gebiete auch nur in irgendeiner Weise erfolgreich folgen könnte! Dies scheint mir ausgeschlossen. Es gibt keine Autarkie auf diesem Gebiet. Wir werden uns in dieser Abhängigkeit bewegen müssen. Auch dies hat das Energieprogramm der Bundesregierung vor Monaten deutlich zum Ausdruck gebracht, und nichts konnte auf unerfreulichere Weise beweisen als die jüngste Entwicklung, daß diese Analyse zutreffend ist. Die Fraktion der FDP dankt allen Beteiligten, insbesondere auch der Opposition, für ihr Verhalten in der Sache, das dazu beiträgt, daß wir sehr schnell diese Notmaßnahme verabschieden können. Die Fraktion bittet darum, daß das Haus geschlossen diesem Gesetz zustimmt. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, Graf Lambsdorff, daß Sie sagten, Sie dankten auch der Opposition. Ich hätte gewünscht, daß der Kollege Apel - nur seine Intervention ist es, die mich veranlaßt, hier noch einmal heraufzukommen. - die sehr abgewogene, die sehr moderierte und, Herr Apel, die sehr zurückhaltende Kritik, ({0}) die Herr Barzel vorgetragen hat, richtig, und zwar für die jetzt gemeinsam von uns zu bewältigende Situation, aufgenommen und verstanden hätte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Grafen Lambsdorff? ({0}) - Ist schon erledigt; wunderbar.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Apel, Sie haben versucht, die Auseinandersetzungen, die es mit den Vereinigten Staaten gegeben hat, mit der Formel herunterzuspielen, es habe sich um einen Zwischenfall gehandelt, der beigelegt sei. Sie haben dann den Verdacht geäußert, die Kritik der Opposition sei nur darauf angelegt - wie Sie wörtlich sagten -, Mißtrauen zu säen. Ich frage mich: Warum eigentlich dieses absichtsvolle und doch von Ihnen selbst und von Ihren Kollegen im Hause sicherlich nicht geglaubte Mißverständnis? Oder verstehen Sie die Rolle der Opposition so falsch? Denken Sie, es sei jetzt in dieser Situation unsere Aufgabe, bei allem, was Sie tun, und auch bei dem „Sprung im Glas" im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, den Herr Barzel nannte und den Sie erzeugt haben, dies alles zu überdecken, darüber zu schweigen und hinterher eine Solidarität zu suchen, die eine falsche wäre? Denn, verehrter Herr Kollege Apel, die Reaktionen, die wir aus den Vereinigten Staaten gehört haben, waren nicht etwa aufgeregte und nur auf die Minute abgestimmte Reaktionen zu einem „Mißverständnis" oder einem Zwischenfall, sondern sie waren der Ausdruck der Empörung darüber, daß in einem Augenblick, in dem die Vereinigten Staaten alle ihre Kraft einsetzten und auf die Solidarität aller Partner glaubten rechnen zu können, diese notwendige Solidarität durch einen offenen - ich hätte gar nichts gesagt, wenn man einen Brief geschrieben hätte, den man nicht veröffentlicht -, demonstrativen Protest des Auswärtigen Amtes angegriffen worden ist. ({0}) Meine Damen und Herren, Sie können doch auch nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß unisono die ganze Presse, auch die Ihnen nahestehenden Zeitungen, dies als ein Ereignis beklagt hat, was die notwendige Verbindung zwischen den Vereinigten Staaten - ({1}) - Natürlich, lesen Sie die eigene Presse, Herr Kollege Haase! ({2}) - Ihre eigene Presse hat dies als eine Situation beklagt, in die die Bundesregierung unser Land unnötigerweise gebracht hat. Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Herr Kollege Apel, Sie haben mit einer Erklärung begonnen. Da möchte ich nicht nur zustimmen, sondern Ihnen unsere Meinung sagen. Sie haben gesagt, Ihre Partei sei eine Partei, von der sehr viele Mitglieder zusammen mit jüdischen Mitbürgern - oder mit Juden überhaupt - während des letzten Weltkrieges und vorher Leid erlitten hätten. Dies wissen wir. Dies haben wir immer mit großer Hochachtung akzeptiert. Unser Kollege zu Guttenberg hat hier an dieser Stelle gesagt, daß es gerade diese ruhmreiche Partei mit dieser großen Geschichte und ihrem Kampf um Freiheit und Demokratie sei, die er in der damaligen Situation nicht mehr verstehen könne. Herr Kollege Apel, Herr Barzel hat Sie darauf hingewiesen. Sie hätten meiner Meinung nach noch einen Satz hinzufügen sollen, nämlich daß, wenn Sozialdemokraten so denken, sie dann eben nicht ohne weiteres und bedenkenlos und nicht nur geleitet von der Solidarität der Regierungen dem Beschluß der Außenminister von Brüssel hätten zustimmen dürfen. ({3}) Dort liegt unsere eigentliche Kritik. Sie können auch nicht hierherkommen und sagen, das, was in Brüssel beschlossen worden sei, sei nichts anderes als der Bechluß der UNO 242. Hier ist in der Tat eine Interpretation dieses Beschlusses vorhanden, die ich., Herr Kollege Wehner, meinerseits jetzt gar nicht noch eigens interpretieren will. Sie haben vorhin einen Zwischenruf gemacht, der lautete: Wer das so interpretiert, schadet Israel. Da dies niemand von uns will, will ich mich auf diesen Weg gar nicht begeben. Meine Damen und Herren, die Fraktion .der Sozialdemokraten und die Fraktion der Freien Demokraten werden wissen, daß wir dieses Thema, das wir heute nicht ohne Grund in ruhigem Tone erörtert haben, in aller 'Bälde in diesem Hause erneut diskutieren werden. Ich denke, daß der Herr Bundeskanzler, der sich jetzt zu Wort gemeldet hat, eine Gelegenheit sucht, eine Reihe von offensichtlich erzeugten, wissentlich und willentlich erzeugten Mißverständnissen der letzten Tage und Wochen auszugleichen. Auf dieses Wort, Herr Bundeskanzler, warten wir. Es ist aber auch nötig, daß dieses Wort jetzt hier im Hause fällt. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Brandt, 'Bundeskanzler: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst jenseits aller Polemik sagen, für einen wie wichtigen Vorgang ich es halte, daß wir in der Lage sind, im Laufe weniger Tage, im Grunde im Laufe einer guten halben Woche, ein Gesetz wie dieses in allen drei Beratungen hier miteinander zu behandeln. Der Bundesrat, aus dem ich soeben komme, wird das Gesetz anschließend behandeln. Dies ist, glaube ich, wichtig und bei allem auch ermutigend zu nennen. Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte heute vormittag zugesagt, auf die Ausführungen des Präsidenten des Bundesrates bei dessen Amtseinführung zu antworten, und habe mir darum nur berichten lassen über das, was inzwischen hier erörtert worden ist. Ich möchte zunächst sagen, wenn wir Zeugen des Konflikts sind, der weiterhin die ernsteste Gefahr für den Weltfrieden bleibt, auch wenn die Meldungen von heute früh ein wenig günstiger sind, dann soll doch niemand daran zweifeln dürfen, daß es sich nicht um irgendwelche Art von Zeugen, sondern um beteiligte Zeugen handelt, Zeugen eines Konflikts, den - daran kann es ja wohl keinen Zweifel geben - alle Mitglieder dieses Hauses als eine Tragödie empfinden. Ich möchte feststellen dürfen, daß wir an den Bemühungen um einen dauerhaften und gerechten Frieden in jener Region, einen Frieden, der die Existenz und die sicheren Grenzen jedes Staates der Nahostregion garantieren soll, mit der Leidenschaft von Betroffenen mitwirken. Diese Betroffenheit stammt aus einer Verantwortung, die durch nichts aus der Welt geredet werden könnte. Sie bedarf hier auch keiner Begründung und keiner Rechtfertigung. Auf sie gründet sich vielmehr unsere Pflicht, jeder Geste zu entsagen, die Bundeskanzler Brandt nicht unmittelbar der Ermutigung des Friedenswillens in diesem Augenblick dient. Es handelt sich hier nicht, wie man es hier und da mißverstanden hat, um Neutralität von Bewußtsein und Gewissen, sondern im Gegenteil um den Ausdruck unseres Engagements. Die Nichtparteinahme im militärischen Konflikt, die wir uns auferlegten, duldet kein Mißverständnis. Unser Engagement zum Frieden dient genauso den recht verstandenen Interessen der arabischen Völker, wie es denen Israels dient. Ich habe soeben vor dem Bundesrat gesagt - ich darf es hier sinngemäß wiederholen, meine Damen und Herren -: Die neun Staaten der Gemeinschaft - jetzt nicht als Ministerrat der Gemeinschaft, sondern als Außenminister jener politischen Zusamenmenarbeit, aus der sich das andere Element der Union Europas noch in diesem Jahrzehnt entwickeln soll - haben im Zuge - ich bin sicher; Herr Kollege Apel hat hierauf schon hingewiesen - ihrer verstärkten politischen Zusammenarbeit jetzt zum erstenmal ausführlicher gemeinsam zum Nahostproblem Stellung genommen. Dabei - lassen Sie es mich so sagen - war es unumgänglich, daß einzelne Mitgliedstaaten im Interesse der Gemeinsamkeit auf diesen oder jenen - manchem auch wichtigen - Akzent verzichteten, den sie gern stärker hervorgehoben hätten. Hier und da wird man sich bei uns zu Hause und draußen, ob es einem Spaß macht oder nicht, noch damit vertraut machen müssen, daß gemeinsame europäische Stellungnahmen nur auf solche - manchmal unvollkommen und manchmal auch unbefriedigend erscheinende - Weise wachsen können ({0}) und daß dies ein Preis für die angestrebte europäische politische Einheit ist. Zuletzt liegt es im Interesse nicht nur der Europäer, sondern auch der am Konflikt direkt Beteiligten, wenn die Gemeinschaft an Gewicht gewinnt; denn nur dann wird sie in der Lage sein, ihren Einfluß im Sinne der Vernunft und der Gerechtigkeit geltend zu machen. Ich sagte soeben schon, daß das Wort von der Neutralität vielfach mißverstanden worden sei. Im Zusammenhang mit der Nahostdebatte hat dieses Schlüsselwort von der Neutralität, das schon wegen unserer Nachbarn im Norden und im Süden in seinem klaren Verständnis nicht verteufelt werden darf, einen anderen Akzent bekommen. Es wurde, so kann man sagen, mit unserer Nichtparteinahme in dem bitteren militärischen Konflikt verwechselt. Ich habe oft betont - und mir liegt daran, es hier zu bestätigen -, daß es für uns keine Neutralität des Herzens und des Gewissens gibt und geben kann. ({1}) Wären wir in diesem Sinne neutral, dann hätten wir geringeren Anlaß, die Forderung nach einem gerechten und dauerhaften Frieden in jener gequälten Nahostregion zu der unseren zu machen. Wir begreifen unsere Pflichten anders. Das kommt auch der arabischen Welt zugute, und manche ihrer Führer wissen dies. ({2}) Im übrigen, meine Damen und Herren aus allen drei Fraktionen dieses Hauses: Mein Wort und das des Bundesaußenministers, daß unsere Beziehungen zu Israel einen besonderen Charakter haben, steht unangetastet. ({3}) Niemand kann von uns erwarten, daß wir uns an unserer eigenen Geschichte oder an den Lehren aus dieser unserer eigenen Geschichte vorbeimogelten. Kein Volk kann sich das leisten. Das gilt für uns, es gilt für Israel, und es gilt für die arabische Welt, deren Selbstrespekt in ihrer eigenen Geschichte wurzelt und die daraus das Recht auf unseren Respekt ableitet. Würden wir an unserem Verhältnis zu Israel rütteln lassen, dann wäre auch keines unserer wohlabgewogenen Worte gegenüber der arabischen Welt irgendetwas wert. ({4}) Nun lassen Sie mich auch dies hinzufügen: unser Ehrgefühl ist nicht weniger empfindlich als das anderer Völker. Eine der Voraussetzungen jeden Friedensgesprächs ist folgendes: Durch Drohungen und Erpressungen - ich denke, auch dies sollte und brauchte nicht umstritten zu sein - kann man auf bestimmte Zeit einen gewissen Eindruck machen, doch Freundschaft läßt sich damit nicht gewinnen; wir haben das selbst erfahren. Eine solche Politik wäre auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt. Der Weg zum Frieden im Nahen 'Osten stellt an die politische Vernunft aller Beteiligten hohe Anforderungen. Es darf nicht dazu kommen, daß ein kleines Volk, dem es ums Überleben geht, sich in der Angst der Einkreisung verkrampft. Diese Region muß vielmehr zu einem lebensfähigen Raum werden, dessen Mitgliedstaaten gemeinsam zu seinem Wohl beitragen. Die Europäer haben auf der Gipfelkonferenz in Paris im Oktober vorigen Jahres gesagt: Wir wollen, wenn die Zeit da ist, an der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Region mitwirken. ({5}) Sehen wir also, wenn ich darum bitten darf, in der Resolution der Außenminister vom Dienstag die Anstrengung - die, ich gebe es ja zu, sehr mühsame, sehr schwierige Anstrengung -, durch Argumente im Feld der Vernunft daran mitzuhelfen, daß der Teufelskreis der Gewalt durchbrochen wird. ({6}) In Brüssel ist im übrigen kein Schlußstein gesetzt worden, sondern dort ist ein Weg gesucht worden. Das bitte ich bei allem, was den einen oder anderen unbefriedigt läßt, zu erkennen und zu respektieren. Von hier aus kann dann weitergesucht und argumentiert werden. Die Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, versteckt sich nicht hinter Europa und darf sich nicht hinter Europa verstecken. ({7}) Bundeskanzler Brandt Wir stehen zur Politik der Gemeinschaft, soweit sie schon entwickelt werden konnte. Sie darf nicht als „Schlagseitenposition" im Konflikt mißverstanden werden. Man sollte in ihr vielmehr das Bemühen sehen, an der Aufgabe mitzuwirken, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seit Ende 1967 verabschiedeten Entschließungen in praktische Lösungen 'umzusetzen. Keine Lösung wäre nach unserer Überzeugung von Dauer, die nicht das Lebensrecht aller Staaten und Völker in dieser Region sicherte. Nun noch ein Wort, Herr Kollege Marx, zum deutsch-amerikanischen Verhältnis! Wenn man eines Tages über diese Dinge noch offener wird sprechen können als heute, dann wird sich herausstellen, daß der Nahost-Konflikt mit all seinen bedrückenden Begleiterscheinungen, der sich in einer Region abspielt, die nicht durch den Nordatlantischen Pakt gedeckt wird, gleichwohl zu einer Bewährungsprobe geworden ist, die das Bündnis bestanden hat. Dies gilt auch für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Ich bestreite keinen Augenblick, daß es Verständigungsschwierigkeiten - auch Pannen, aber die Verständigungsschwierigkeiten sind wichtiger - gegeben hat, die keine einseitigen waren. Aber ich habe den bestimmten Eindruck, daß man auf beiden Seiten oder - dort, wo es noch mehr als zwei sind - auf Seiten aller Beteiligten hieraus gelernt hat. Das Bündnis und ganz besonders die deutschamerikanische Zusammenarbeit haben trotz allem eine Bewährungsprobe bestanden. Der intensive Meinungsaustausch zwischen uns und Washington - auch bekräftigt durch die Verteidigungsminister vor wenigen Tagen in Den Haag - hat dies bestätigt. Ich kann mich nicht an das halten, was irgendwo gedruckt wird, sondern ich kann mich nur an die allein autorisierte Quelle halten; das ist das Weiße Haus. Ich kann in Wirklichkeit nur eine Gefährdung des Bündnisses und der deutschamerikanischen Zusammenarbeit sehen: ein 'Mißtrauen, das niemand, weder diesseits noch jenseits des großen Wassers, fahrlässig schüren darf. ({8}) Ich appelliere auch insoweit an 'das Verantwortungsgefühl aller Beteiligten. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Carstens.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich begrüße es, daß es gelungen ist, dieses wichtige Gesetz in so kurzer Zeit zu verabschieden. Ich glaube, daß damit besonders von .der Opposition ein großer Beitrag dazu geleistet ist, die möglicherweise vor uns liegenden Schwierigkeiten besser zu bewältigen, denn ich bitte Sie doch einen Augenblick zu bedenken, was es für eine große Fraktion bedeutet, wenn sie innerhalb von 48 Stunden zu einem Gesetz mit so schwerwiegenden und weitreichenden Folgen Stellung nehmen und ihm zustimmen 'soll. Diese unsere Haltung hängt eng zusammen -das möchte ich noch einmal unterstreichen - mit der Befristung des Gesetzes. Wir sind der Auffassung, daß, wenn ein solches Eilverfahren praktiziert wird, wie dies hier wahrscheinlich aus guten Gründen geschehen ist, das Gesetz, das dann entsteht und verabschiedet wird, grundsätzlich ein befristetes Gesetz sein sollte und daß in der Zeit, für die es befristet ist, ({0}) d. h. innerhalb des Jahres, das zur Verfügung steht, in aller Ruhe unter Inanspruchnahme des verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahrens ein Gesetz vorgelegt und verabschiedet werden sollte, welches gründlich geprüft werden kann. ({1}) Um so mehr, meine Damen und Herren, habe ich es bedauert, daß durch die Intervention des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Apel eine unnötige polemische Note in diese Diskussion hineingekommen ist, ({2}) und das, nachdem mein Fraktionskollege Barzel in einer, wie ich glaube, sehr ruhigen, sehr sachlichen, von sehr großer Verantwortung getragenen Rede ({3}) den Standpunkt der Opposition zu dieser Thematik dargelegt hat. ({4}) Aber eines möchte ich an die Adresse der Bundesregierung bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit sagen: Die Bundesregierung bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik; das ist ihr gutes Recht. Aber dieses Recht, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, schließt nicht das Recht ein, der Opposition vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hat. ({5}) Derartige Zensuren wie „verantwortungsvolle" oder „verantwortungslose Opposition", meine Herren von der Regierung, ersparen Sie sich bitte in Zukunft. ({6}) Nun ist von mehreren Rednern, auch von dem Herrn Bundeskanzler, jetzt am Schluß seiner Stellungnahme und von dem Kollegen Barzel vorher, der Anlaß, der uns heute zu dieser Gesetzesvorlage gebracht hat, in den größeren weltpolitischen Zusammenhang gestellt worden. Ich glaube, es ist richtig, daß das geschieht und daß dies mit allem Ernst und ohne Polemik geschehen sollte. Es liegt eine schwere Krise hinter uns. Wir sind nicht an einem Punkt angelangt, an dem wir sagen könnten: Die Krise ist überwunden. Die Zukunft wird erweisen, wie nahe diese Krise uns alle an einen weltweiten Konflikt herangeführt hat. Daher ist es, wie ich glaube, wohl angebracht, auf diesen Sachverhalt noch einmal mit einigen Worten einzugehen. Es ist richtig - dies hat auch der Bundeskanzler unterstrichen -, daß für die Bundesrepublik DeutschDr. Carstens ({7}) land die Politik der Nichtparteinahme in dem militärischen Konflikt, um den es sich handelte, die richtige und angemessene Politik war. Ich unterstreiche das. Herr Bundeskanzler, die Bemerkungen, die Sie zu dem Brüsseler Beschluß, der vor wenigen Tagen gefaßt worden ist, gemacht haben, befriedigen allerdings nicht. Sie sagen jetzt selbst, es handle sich um ein unvollkommenes, um ein unbefriedigendes Ergebnis. Man muß Sie dann allerdings fragen: Warum hat Ihre Regierung, warum hat Ihr Außenminister diesem Ergebnis zugestimmt? Ihre Antwort darauf lautet, wenn ich Sie soeben richtig verstanden habe, dies sei geschehen, um das Gewicht der Gemeinschaft in der gegenwärtigen Lage zur Geltung zubringen. Herr Bundeskanzler, ich fürchte allerdings, das ist mit dieser Resolution gerade nicht erreicht worden, ({8}) denn sie stellt keinen wirklichen und nützlichen Beitrag zur Lösung des Konflikts dar. Ich möchte an dieser Stelle dagegen noch einmal sagen, daß die Rolle, die die Vereinigten Staaten von Amerika während dieses Konflikts gespielt haben, ein hervorragender Beitrag zur Wiederherstellung der Waffenruhe und zur Vorbereitung eines dauernden und gesicherten Friedens war. ({9}) Es war dies eine wohlabgewogene und, wie ich meine, außerordentliche diplomatische und politische Leistung, die, wie ich finde, um so höher zu bewerten ist, als sich die Vereinigten Staaten, wie wir alle wissen, innenpolitisch in einer sehr schwierigen und kritischen Situation befinden. Durch wohldosierte und wohlabgewogene Schritte haben die Vereinigten Staaten von Amerika in entscheidender Weise dazu beigetragen, daß die Voraussetzungen für eine dauerhafte und friedliche Lösung jetzt wesentlich besser sind, als sie es während der gesamten Konfliktsdauer waren. Herr Bundeskanzler, dies, so meine ich, hätte die Bundesregierung sagen sollen. Sie hätte es meiner Meinung nach auch dann sagen sollen, wenn dieser Beitrag von einem Lande geleistet worden wäre, mit dem wir gar nichts zu tun haben, einfach deshalb, weil es, an und für sich genommen, für sich betrachtet, ein außerordentlicher und hervorragender Beitrag zur Schaffung eines dauernden und gesicherten Friedens war. ({10}) Ich meine, es hätte doch wohl um so mehr Veranlassung bestanden, dies zu sagen, als es sich um unseren wichtigsten Bundesgenossen handelt, dessen Schutz wir bei jeder Gelegenheit mit Recht, weil es notwendig ist, anrufen und in Anspruch nehmen. Herr Bundeskanzler, Sie haben, wenn ich das soeben richtig verfolgt habe, gesagt, daß die Bundesregierung jeder Geste habe entsagen wollen, die nicht unmittelbar der Ermutigung des Friedenswillens gedient hätte. Ich finde, eine Ermutigung der amerikanischen Schritte hätte unmittelbar der Ermutigung des Friedenswillens gedient. ({11}) Dies wäre eine Haltung der Bundesregierung gewesen, die, so glaube ich, auch überall auf der Welt und auch in unserer Bevölkerung verstanden worden wäre. Statt dessen ist die einzige laute Stimme, die in diesem Zusammenhang zu hören war, jene Stimme gewesen, die die Amerikaner rügte, weil sie uns in einer bestimmten Situation nicht konsultiert haben. Ich will jetzt gar nicht untersuchen, ob die Rüge berechtigt ist; die Darstellungen darüber gehen auseinander. Aber selbst wenn die Rüge berechtigt gewesen sein sollte, wäre dies meiner Ansicht nach ein eklatantes Beispiel dafür gewesen, daß man unter 'Freunden Schwierigkeiten dieser Art in Ruhe und still erledigt, während man umgekehrt unter Freunden das hätte laut sagen sollen, was in diesem Fall an die Adresse der Vereinigten Staaten von Amerika wegen ihrer Rolle in dem Konflikt hätte gesagt werden sollen. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ungeachtet dessen, daß auch das, was hier zu den Ausführungen des Bundeskanzlers rügend gesagt worden ist, moderat gesagt wurde, bitte ich Sie, Herr Dr. Carstens, in bezug auf den Vorwurf, den Sie wegen des Verhaltens der Bundesregierung bei einer Entschließung in Brüssel erneuert haben, statt ihn ein wenig abzubauen, an eine Zeit zu denken, in der - nicht etwa durch das Verschulden der damaligen deutschen Regierung - die Politik des „leeren Stuhls" der französischen Regierung in Luxemburg und Brüssel praktiziert wurde und die Regierung, in der Sie damals als Staatssekretär des Außenministers dienten, schon froh war, als dies abgelöst wurde, aber keineswegs durch eine normale, kommunitärem Verhalten entsprechende Regelung, sondern dadurch, daß jeder, wenn es ihm richtig erschien, zu seiner Definition zurückkehren konnte. Ich habe Ihr Verhalten damals für das einzig denkbare gehalten, weil die Gemeinschaft wichtiger war und weil es noch wichtiger war, eine „Politik des leeren Stuhls", die nicht durch die deutsche Regierung, sondern durch eine andere praktiziert wurde, mindestens der Vergangenheit angehören zu lassen. Bitte, das, was heute vor der Gemeinschaft steht, ist 'doch nicht weniger, sondern mehr 'als damals! Das wollte ich zu 'dieser Sache nur gesagt haben. Im übrigen bin ich froh, daß der 'Bundeskanzler in bezug auf das Verhältnis 'zu unserem Bündnispartner Vereinigte Staaten von Amerika das gesagt hat, was er hier gesagt hat. Ich will also nicht noch einmal in jene Situation zurück, in der hier die Notwendigkeit gesehen wurde, den Organen des amerikanischen Verbündeten nahezulegen, daß man in wichtigen 'Dingen miteinander spricht und Konsultationen pflegt. Um das ist es gegangen, um nichts anderes. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen. Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Abgeordneten Rollmann und der Fraktion der CDU/CSU betr. Neuordnung der studentischen Krankenversicherung - Drucksache 7/1096 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({0}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich Wilhelm Rollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001878, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits auf ihrer 17. Hauptversammlung am 24. November 1972 hat die Deutsche Studenten-Krankenversorgung, in der das überwältigende Gros der ,deutschen Studenten versichert ist, festgestellt, „daß die DSKV nicht mehr in der Lage ist, .den Studenten einen .ausreichenden Versicherungsschutz zu sozial tragbaren Beitragssätzen anzubieten". Die Bundesregierung wurde aufgefordert, unverzüglich einen [Gesetzentwurf zur Neuordnung der studentischen Krankenversicherung im Parlament einzubringen. Die 102. Plenarversammlung der Westdeutschen Rektorenkonferenz hat am 5. Februar dieses Jahres die 'Erwartung ausgesprochen, daß nunmehr der 7. Deutsche Bundestag die dringend notwendige Neuordnung der studentischen Krankenversicherung auf bundesgesetzlicher Grundlage vornimmt. Und am 9. März dieses Jahres hat der Aufsichtsrat der Deutschen Studenten-Krankenversorgung die Bundesregierung seinerseits nachdrücklich aufgefordert, „unverzüglich für das Zustandekommen einer bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelung der studentischen Krankenversicherung zu sorgen". Inzwischen sind weitere Monate ungenutzt ins Land gegangen. Weder hat sich die DSKV - aus sozialen Gründen - 'zu einer erneuten Beitragserhöhung entschließen können, noch hat die Bundesregierung die dringend notwendigen und gewünschten Initiativen für eine gesetzliche Neuordnung der studentischen Krankenversicherung ergriffen. Am 23. November 1973, also in wenigen Wochen, steht die Auflösung der DSKV auf der Tagesordnung ihrer Hauptvorstandssitzung in Berlin. Damit steht der Wegfall ides Versicherungsschutzes für Hunderttausende von Studenten unmittelbar vor der Tür. In dieser Situation, in die unsere Studenten durch die anhaltende Inflation und durch die jahrelange Untätigkeit der Bundesregierung 'gekommen sind, ergreift ,die C'DU /CSU-Fraktion die Initiative und legt ihre Grundsätze für die Neuordnung der studentischen Krankenversicherung vor. Wir wollen mit diesem Antrag der Regierung endlich Beine machen und sie in die richtige Richtung weisen. Wir folgen mit unserem Antrag im wesentlichen jener Empfehlung für eine Krankenversicherung für Personen in Ausbildung zum Beruf, die bereits vor über einem Jahr die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung abgegeben hat. Wir wollen als CDU/CSU- Fraktion den Versicherungsschutz und damit die Versicherungspflicht für alle Studenten. Jeder Student soll bei Beginn des Studiums oder der Versicherungspflicht frei entscheiden können, ob er sich in der gesetzlichen Krankenversicherung, also bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse oder bei einer Ersatzkasse, oder in der privaten Krankenversicherung versichert. 'Dabei bedeutet die Wahl einer privaten Krankenversicherung die Befreiung von der Versicherungspflicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist unser Vorschlag für den Versicherungsschutz der Studenten in diesem Lande. Bei der grundsätzlichen Annahme dieses Vorschlages - über Einzelheiten lassen wir gerne mit uns reden - wird sich der Wettbewerb zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung voll entfalten können. Die 'Höhe des Beitrages und die Leistungen der Krankenversicherung werden letztlich ausschlaggebend sein, für welche Versicherung sich der einzelne Student entscheidet. Darum haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren darauf zu achten, daß die gesetzliche Krankenversicherung wettbewerbsmäßig nicht begünstigt wird, sondern wirklich ein unverfälschter Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung stattfindet und sich zugunsten der Studenten voll auswirken kann. Unter diesem unverfälschten Wettbewerb verstehen wir allerdings nicht jene Dumping-Angebote, mit denen einige Ersatzkassen bereits seit Jahr und Tag die Studenten aus anderen Krankenkassen herauszuholen suchen. Wenn Ersatzkassen mit der allgemeinen Kostenentwicklung ihre Studententarife erst laufend heraufgesetzt haben, um sie plötzlich drastisch zu senken, ist das doch nur möglich, weil sich diese Ersatzkassen entschlossen haben, von den Studenten nicht kostendeckende Beiträge zu nehmen, sondern die Studenten von der übrigen Versichertengemeinschaft subventionieren zu lassen. Das lehnen wir ab. Wenn und soweit den Studenten aus sozialen. Gründen kostendeckende Beiträge nicht zuzumuten sind, muß unserer Auffassung nach nicht die Hilfe der Versichertengemeinschaft, sondern die individuelle Förderung des Staates einsetzen. Wir stützen uns auch in dieser Frage auf die Empfehlung der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung. Wir meinen, daß die Ergänzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in dem Sinne notwendig ist, daß dort auch die Krankenkassenbeiträge als gesonderter Punkt aufgeführt werden. Entscheidend ist aber, daß der Versicherungsschutz der Studenten angesichts des drohenden Kollapses der Deutschen Studenten-Krankenversorgung gesichert wird und daß die Bundesregierung endlich einen Gesetzentwurf zur Neuordnung der studentischen Krankenversicherung vorlegt. Unser Antrag weist den Weg dafür. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Antrag des Kollegen Rollmann und der Fraktion der CDU/CSU betreffend die Neuordnung ,der studentischen Krankenversicherung darf ich für die FDP-Fraktion Stellung nehmen. Die Freien Demokraten gehen wie der Antragsteller davon aus, daß das gegenwärtige System der studentischen Krankenversicherung reformbedürftig ist.Dies hat, wie Sie zutreffend sagten, Herr Kollege Rollmann, die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der 'sozialen Krankenversicherung festgestellt, aus deren Empfehlungen Sie ja dann auch der Einfachheit halber, wie ich annehme, Ihre Formulierung, Ihren Antrag gleich abgeschrieben haben. Ich möchte mich jetzt allen Versuchungen zum Trotz nicht der Neigung hingeben, darüber nachzudenken, weshalb Sie 'bestimmte Verbesserungen, !betreffend die soziale Situation der 'Studenten, erst jetzt erstreben, obwohl Sie wirklich erheblich Zeit und Gelegenheit hatten, dafür einiges zu tun. Wir werden nunmehr - die Regierung 'hat diese Vorlage in Arbeit - praktisch etwas dafür 'zu tun haben. Lassen Sie mich hier verdeutlichen, worin wir die besondere Problematik Ihres Antrags und die besonderen Problemlösungen sehen. Die Deutsche Studenten-Krankenversorgung, die allerdings nicht den überwiegenden Teil der Studenten versichert, sondern nur 40 000 von etwa 770 000 - von daher ist das nur ein sehr partikulares Problem -, steht kurz vor dem finanziellen Ruin. Innerhalb von gut zwei Jahren sind die Beiträge der DSKV von 49 auf 115 DM gestiegen. Nunmehr müßten die Beiträge auf 135 DM angehoben werden, und selbst das würde den Konkurs der DSKV nur geringe Zeit aufhalten können. Darüber hinaus ist zu sagen, daß derjenige, der auf die !DSKV angewiesen war, zusätzlich einen nicht unerheblichen Teil der Krankheitskosten aus eigener Tasche bezahlen mußte, wenn er einigermaßen ausreichende Leistungen in Anspruch nehmen wollte. Die Leistungen der DSKV allein haben nicht ausgereicht. 'Bedauerlicherweise hat sich somit das Konzept einer studentischen Selbsthilfeeinrichtung auf diesem Gebiet nicht bewährt. Jedenfalls kann die DSKV ohne umfangreiche staatliche Unterstützung nicht weiterbestehen. Für eine gesetzliche Lösung der Krankenversicherung der Studierenden bieten sich angesichts der uneinheitlichen Situation auf diesem Gebiet folgende drei Möglichkeiten. 'Die erste Möglichkeit wäre die Beibehaltung des Modells 'der 'einheitlichen studentischen Krankenversicherung, wobei der Träger zur Hälfte vom Bund bezuschußt 'wird. Gegen dieses Modell spricht der Faktor der zu hohen Kosten, der uns wohl auch zwingen dürfte, die Vorzüge des Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsgedankens als weniger gewichtig und nicht ausreichend anzusehen. Zweitens gibt es die Alternative 1 der Empfehlungen der Sachverständigenkommission, die vorsieht, die eingeschriebenen Studierenden an Hochschulen - einschließlich Fachhochschulen - unter Ausschluß der Gasthörer als Pflichtversicherte in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen. 'So sagt es wörtlich 'die Empfehlung. Die dritte Möglichkeit ist die Alternative 2 der Kommission, die vorsieht, den Studierenden das Recht der 'Selbstversicherung einzuräumen. Bei. dieser ersten Beschäftigung mit dem CDU- Antrag sehen wir uns nicht in der Lage, uns endgültig für die eine oder die andere Alternative oder für eine Mischform aus beiden 'zu entscheiden; 'dies wird in der Ausschußarbeit geschehen. Bei der Alternative 1 ist zu prüfen, ob hiermit die im Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetz festgehaltene Aufgabenabgrenzung zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung nicht einseitig zu Lasten der privaten Krankenversicherung 'verschoben wird. In diesem Punkt widerspricht meine Fraktion auch ,der Auffassung der Studentenvertretung, des Verbandes Deutscher Studentenschaften, der in einer Stellungnahme zur Frage der studentischen Krankenversicherung die ausnahmslose verpflichtende Einbeziehung aller Studenten in die RVO-Kassen fordert und dies mit dem Argument begründet, nur so 'könne man langfristig zu einer Schwächung der privaten Versicherungen 'und in der Folge zu einer Vereinheitlichung des Gesundheitswesens kommen. Eine solche Zielsetzung widerspricht grundsätzlich unseren marktwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen. Wir werden darauf achten, daß diese Wirkung mit der Arbeit an einer gesetzlichen Regelung nicht erzielt wird. Bei der Alternative 2, die eine Pflicht zur Versicherung, nicht aber eine Pflichtversicherung beinhaltet, handelt es sich insofern um das liberalere Modell, als es der freien Entscheidung der 'Studenten überlassen bliebe, die ihnen 'sympathische Form der Krankenversicherung selbst 'zu wählen. Ich gebe gern zu, daß die notwen'di'ge staatliche Subventionierung hierbei nicht einfach erscheint. Vielleicht sollte ich noch einmal verdeutlichen, weshalb wir von staatlicher Subventionierung sprechen, wenngleich wir an sich kostendeckende Beiträge wollen. 'Der Grund dafür ist, daß 'wir davon ausgehen, daß einerseits 'die Beiträge für im Studium befindliche junge Menschen, die im allgemeinen ja nicht über sehr viel Geld verfügen, nicht zu hoch sein dürfen - das 'bedeutet: nicht ebenso hoch wie für Vollverdienende. Andererseits möchten wir aber auch nicht, daß die Solidargemeinschaft über Gebühr strapaziert 'wird. Von daher gäbe es je nach Entscheidung für eine der beiden Alternativen und je nach Ergebnis der Prüfung der vorhin angeschnittenen Fragen verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung von seiten des Staates, nämlich entweder einen Zuschuß an die Krankenversicherungen oder einen solchen, der an die Studenten gezahlt wird. Zum ersten möchte ich hier nichts weiter sagen; beim zweiten spricht die CDU und sprechen Sie, 'Herr Rollmann, in weiser Zurückhaltung recht unscharf von „individueller Förderung". Wir werden die Möglichkeiten einer solchen individuellen Förderung zu prüfen haben. Die Sachverständigen und auch Sie selbst sprechen von der Möglichkeit einer Verkoppelung mit dem Ausbildungsförderungsgesetz, aber angesichts der Tatsache, daß von etwa 770 000 Studenten nur ca. 360 000 durch das Ausbildungsförderungsgesetz gefördert werden, erscheint hier wohl der Einwand zumindest bedenkenswert, daß eine solche Lösung in Sachen Krankenversicherung eine unbillige Benachteiligung der fast 60 % der übrigen Studenten bedeuten würde. So würde hierdurch unter anderem die Familienabhängigkeit der Förderung, die wir beim BAFöG haben, leider noch verstärkt werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß die Höchstsätze der Ausbildungsförderung derzeit ohnehin nicht mehr die Studienkosten decken. Meine Damen und Herren, die FDP wird sich bei der Erarbeitung einer gesetzlichen Lösung der studentischen Krankenversicherung unter Berücksichtigung der verschiedenartigen Interessen für eine optimale Lösung einsetzen. Sie will damit einem berechtigten Anliegen der Studentenschaft, das deren Dachverband, der VDS, artikuliert hat, auf angemessene Weise Rechnung tragen und stimmt in diesem Sinne der Überweisung des Antrages der CDU/CSU-Fraktion an die Ausschüsse zu. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sund.

Olaf Sund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte darauf verzichten, mich im einzelnen mit den Einleitungsbemerkungen des Herrn Kollegen Rollmann auseinanderzusetzen. Immerhin, Herr Kollege Rollmann, bestand doch ein bemerkenswertes Mißverhältnis zwischen Ihrem Vorwurf der Untätigkeit der Bundesregierung und der Tatsache, daß Sie die Substanz des Vorschlags einer Kommission, die gerade von der Bundesregierung eingesetzt worden ist, in Ihrem Entwurf übernommen haben. ({0}) - Herr Kollege Rollmann, Ihr Zwischenruf in allen Ehren, aber Sie wissen ganz genau, daß es hier um die Lösung von Problemen geht, die nicht aus dem Stand gelöst werden können und nicht aus dem Stand gelöst werden konnten. Ich werde darauf verzichten, auf die Details einzugehen, die Sie hier vorgetragen haben; über die werden wir im Ausschuß zu reden haben. Denn dies vorweg: Wir stimmen der Ausschußüberweisung zu. Hier kann es nur darum gehen, die Grundlinien zu verdeutlichen, wie wir das zu diskutieren gedenken. Wir stimmen mit der Bundesregierung, die ihren Willen zu einer Regelung dieser Frage bereits klar bekundet hat, überein und gehen dabei - das ist wohl die gemeinsame Grundlage dieser Diskussion - von den Empfehlungen der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung aus, die hier mehrfach angesprochen wurde, mit der Ausnahme einer Ungereimtheit, Herr Rollmann, im letzten Satz der Ziffer 5 Ihres Antrags. Wir gehen selbstverständlich davon aus, daß die Bundesregierung dem Parlament in absehbarer Zeit einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Lösung der akuten Schwierigkeiten der Deutschen Studenten-Kranken-Versorgung, der DSKV. In ihr sind von insgesamt rund 780 000 Studierenden an den Hochschulen 40 000 Studenten versichert. Selbstverständlich müssen im Zusammenwirken mit den Ländern, die mit ihren Hochschulgesetzen zum Teil einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz für die Studenten zwingend vorschreiben, alle Anstrengungen unternommen werden, die derzeitigen Einrichtungen der studentischen Krankenversicherung so zu stützen, daß ein Anschluß an eine künftige, umfassende gesetzliche Regelung sichergestellt wird. Bei einer gesetzlichen Regelung muß nun nach unserer Überzeugung eine Reihe von Bedingungen - Grundlinien - erfüllt werden, die im übrigen in der Empfehlung des erwähnten Kommissionsberichts durchgehend auftauchen. Erstens. Für die Dauer des Hochschulbesuchs sollte eine Versicherungspflicht begründet werden. Auch hier gibt die Kommission für die Regelung im einzelnen - auch für die Regelung 'der Frage der Trägerschaft - wichtige Hinweise. Zweitens. Mit der Beendigung des Studiums endet die Versicherungspflicht; es gelten dann die Bestimmungen über Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit nach den geltenden Grundsätzen der Reichsversicherungsordnung. Drittens. Wir müssen uns vornehmen, eigenständige Versicherungsansprüche für die Studenten zu begründen und dabei zugleich auch die Formen der Familienversicherung zu überdenken. In diesem Zusammenhang muß nämlich auch berücksichtigt werden, daß ein beachtlicher Teil der Studenten verheiratet ist, Kinder hat und die Familienversicherung keine aus der Reichsversicherungsordnung abgeleitete Leistungsverpflichtung für Kinder aus der Mitversicherung des studierenden Elternteils bzw. der studiereniden Elternteile kennt, die ihrerseits wiederum in die Familienversicherung einbezogen sein können. Es gibt hier bekanntlich keine Kettenwirkung bzw. Kettenleistung. Viertens. Die Versicherung muß nach Anspruch unid Höhe auf die Bedürfnisse der Studenten abgestellt und umfassend sein. Fünftens. Die Beiträge müssen für die Studenten sozial tragbar sein. Sechstens. Eine zusätzliche Belastung der Krankenkassen soll nicht erfolgen. Siebtens. Folglich müssen Leistungen des Bundes in einer Weise gewährt werden, die solchen Grundsätzen entspricht. Für die Ausgestaltung werden verschiedene Modelle denkbar sein, die, vor allem auch im Hinblick auf ihre Praktikabilität, in der Diskussion abgewogen werden müssen. Eine Regelung, die 'diese hier genannten Gesichtspunkte einschließt, setzt konsequent 'das fort, was mit ,der Anerkennung 'der Studienzeit als Versicherungszeit in 'der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen hat und sodann mit der Regelung der Unfallversicherung für die Studenten. Die Regelung wird die notwendige Ergänzung der sozialen Sicherung auch für den Bereich 'der Krankenversicherung bringen und die Leistungen des Ausbildungsförderungsgesetzes für 'die Studenten in besonderer Weise ergänzen. Wie ausgeführt, stimmt meine Fraktion der beantragten Ausschußüberweisung 2U. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Rohde.

Helmut Rohde (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001876

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einige Anmerkungen zur Debatte. . Ich hatte in den letzten Monaten wiederholt Gelegenheit, auf Fragen von Abgeordneten dieses Hohen Hauses darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung eine bundeseinheitliche Regelung der studentischen Krankenversicherung vorbereitet. Es ist also kein unbekannter Sachverhalt, den wir heute hier erörtern. Mit dieser Neuordnung sollen auch sonstige in Ausbildung befindliche Personen eine Versicherungsmöglichkeit erhalten. Zur Vorbereitung der Gesetzinitiative liegt uns die Ausarbeitung der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung vor. Sie hat, Herr Rollmann, auch ganz ' offensichtlich Pate gestanden bei dem Antrag, den Sie unterbreitet haben. Damit zeigt sich, daß es gemeinsame Ausgangspositionen in Grundsatzfragen gibt, wobei sich allerdings bei den weiteren parlamentarischen Beratungen erweisen muß, ob wir auch in den wichtigen Einzelfragen einer Meinung sein werden. Als unbegründet, Herr Kollege Rollmann, muß ich die Vorwürfe zurückweisen, die Sie heute erhoben haben. Wir haben in den letzten Monaten zügig mit den Vorbereitungen einer Gesetzesinitiative auf der Grundlage der Arbeiten der Sachverständigenkommission begonnen. Nun darf ich, weil Sie ähnliche Vorwürfe auch schon im Zusammenhang mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz und dessen Vorbereitung durch die Bundesregierung geltend gemacht haben, darauf hinweisen, daß Sie sich offensichtlich - gestatten Sie mir diese Bemerkung - zu einer Art politischen „Nachstoß-Spezialisten" in diesem Hause entwickeln: Immer dann, wenn die Bundesregierung Initiativen auf sozialpolitischem Felde ankündigt und zu diesen Initiativen, um die öffentliche Erörterung zu förden und zu vertiefen, Papiere, Kommissionsarbeiten, Expertisen volegt, dann beginnen Sie, aus diesen vorgelegten Unterlagen einige Punkte abzuschreiben und zu einem Antrag für das Parlament zusammenzufassen. Dagegen ist aus Ihrer Sicht nichts einzuwenden. Aber uns zu sagen, das sei nun eine eigene Arbeit, und damit noch Vorwürfe gegenüber der Regierung zu verbinden, halte ich für unangemessen. ({0}) In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Rollmann, noch eine 'Bemerkung. Daß wir heute in der Krankenversicherung, nicht nur in der studentischen Krankenversicherung, aufzuarbeiten haben, hat neben sozialpolitischen auch allgemeinpolitische Ursachen. Wir fanden 1969 den Tatbestand vor, Herr Kollege Rollmann, daß durch die bewußte Politik früherer Bundesregierungen und früherer Arbeitsminister aus Ihrer Fraktion in der Krankenversicherung ganze Personenkreise keine Möglichkeit hatten, am Versicherungsschutz teilzunehmen, einmal durch enge Versicherungspflichtgrenzen und zum anderen auch dadurch, daß sie die sonstigen Voraussetzungen nicht erfüllen konnten. Wir haben auf diesem Gebiete aufgearbeitet: im Bereich der Krankenversicherung der Angestellten, durch die Krankenversicherung der Landwirte und durch die Vorbereitung eines besseren Krankenversicherungsschutzes für Behinderte. In den Zusammenhang dieser Politik gehört auch die von uns beabsichtigte Entwicklung des Krankenversicherungsschutzes der Studenten. Wenn Sie hier also schon Vorwürfe erheben, würde ich doch empfehlen, einen Blick zurück zu werfen. Es braucht ja nicht gleich im Zorn zu sein, aber im Sinne der Selbsterkenntnis und der Erkenntnis der Ursachen dafür, daß wir am Anfang der 70er Jahre in vielen Bereichen mit ungelösten Problemen ,des Krankenversicherungsschutzes zu tun hatten. Wenn Sie von dem „Beinemachen" sprechen, Herr Kollege Rollmann: Wenn Sie früher Ihren eigenen Ministern mehr Beine gemacht hätten, brauchten wir seit Beginn der 70er Jahre auf diesem Gebiet nicht so viel aufzuarbeiten. Nun zu dem Punkt selbst zurück! Bei den Vorarbeiten zur Vorlage eines Gesetzentwurfs geht die Bundesregierung davon aus, daß ein umfassender Versicherungsschutz gewährleistet sein muß; denn mit Teillösungen - das zeigt sich schon jetzt - werden wir nicht weiterkommen. Die soziale Sicherung der Studierenden - das hat die Debatte deutlich gemacht - muß heute in größeren Zusammenhängen gesehen werden, die ihrerseits akzentuiert worden sind durch den Ausbau des Unfallversicherungsschutzes für die Studierenden und Schüler und durch den Tatbestand, daß die Studienzeit auch als Versicherungszeit-in der Rentenversicherung anerkannt ist. Die heute diskutierte Integration der Studenten in den Krankenversicherungsschutz ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur sozialen Sicherung der fast 800 000 Studierenden. Auf die Einzelheiten einer künftigen Regelung kann ich heute im Stadium der Vorbereitung des Gesetzes noch nicht eingehen. Aber es läßt sich schon sagen, daß wir es mit sehr viel mehr Proble3856 men zu tun haben, als der Diskussionsbeitrag von Herrn Rollmann erkennen ließ. Es läßt. sich nämlich schon jetzt feststellen, daß die Finanzierung erhebliche Bedeutung hat. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Belastung der Studenten mit Beiträgen sozial tragbar sein muß. Eine Förderung einzelner Studierender über das Bundesausbildungsförderungsgesetz dürfte nicht ausreichend sein. Andererseits muß davon ausgegangen werden, daß eine weitere Belastung der Sozialversicherten Grenzen hat, so daß bei den Vorarbeiten zu dem Gesetz auch die Frage des finanziellen Engagements des Bundes geprüft werden muß. Ein weiteres Problem ist auch, wie eine einseitige Belastung einzelner Krankenkassen vermieden werden kann. Hierfür müssen Lösungsmöglichkeiten gefunden werden. Ferner ist bei der angestrebten Neuordnung die Stellung der Studierenden im System der Krankenversicherung zu behandeln, verbunden mit der Überlegung, ihnen eigenständige Ansprüche zu sichern. Die Bundesregierung beabsichtigt, ,diese Fragen sorgfältig zu klären und sie vor allem mit den Ländern zu erörtern. In diese Gespräche mit den Ländern ist auch der Zeitplan einbezogen, nach dem der Übergang zu einer umfassenden sozialen Krankenversicherung der Studenten erfolgen soll. Mit den Ländern sollsichergestellt werden, daß der für den Gesetzgebungsverlauf notwendige Zeitraum überbrückt werden kann. Sie können also davon ausgehen, meine Damen und Herren, daß Ihnen die Bundesregierung als ein weiteres Teilstück ihres Programms zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung alsbald einen Entwurf zur Krankenversicherung der Studierenden vorlegen wird. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Beratung der Sammelübersicht 10 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 7/1186 Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. - Ich höre keinen Widerspruch gegen diesen Antrag; dann ist so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf: Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Betarübensaatgut, über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut, über den Verkehr mit Getreidesaatgut und über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln, der Richtlinie vom 30. Juni 1969 über den Verkehr mit Saatgut von 01- und Faserpflanzen und der Richtlinie vom 29. September 1970 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut und über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie vom 9. April 1968 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben für eine Zweite Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut - Drucksachen 7/873, 7/1169 -Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Kühlmann-Stumm Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag, der auf Seite 4 der Drucksache zu finden ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Ich komme zum Zusatzpunkt 4: Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten anderen benachteiligten Gebieten - Drucksachen 7/378, 7/1172 - Berichterstatter: Abgeordneter Büchler ({3}) Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Der Antrag liegt Ihnen ebenfalls vor. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, damit haben wir die heutige Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Plenarsitz auf Mittwoch, den 28. November 1973, 13.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.