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Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich rufe den einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1974 ({0})
- Drucksache 7/1100 Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Haushalts 1974, der Ihnen zusammen mit dem Finanzplan bis 1977 vorliegt, beruht auf dem Willen, im nächsten Jahr auf der Grundlage finanzwirtschaftlicher Solidität die Politik der Stabilität und der Reformen zielstrebig fortzusetzen. Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Haushalt die Zielsetzung, den Beitrag des Bundes zu einer gleichgewichtigen Wirtschaftsentwicklung zu leisten und zugleich doch das höchstmögliche Maß an öffentlichen Gütern und Diensten bereitzustellen. Sie tut dies in der Gewißheit, daß die breite Mehrheit unseres Volkes die Politik der Stabilität unterstützt und die Politik der Reformen wünscht. Wer Umfang und Grenzen, Schwerpunkte und Risiken dieses Haushaltsentwurfs politisch bewerten will, muß diesen Leitgedanken einbeziehen.
Der Entwurf entspringt keinerlei Wachstumsenthusiasmus, sondern er will, soweit es konjunkturpolitisch und finanzwirtschaftlich nur irgend möglich ist. den Bürgern unseres Landes Fortschritt ihrer Lebensbedingungen ermöglichen, wo Fortschritt nötig und soweit Fortschritt machbar ist.
Mit einem Gesamtvolumen von 134,4 Milliarden DM und einer Steigerungsrate von 10,5 % gegenüber 1973 wird Ihnen dieser Entwurf zu einem Zeitpunkt vorgelegt, in dem die wirtschafts- und währungspolitischen Rahmenbedingungen Anlaß zu einer gefestigten Zuversicht geben, aber auch - ich bemerke das gleich an dieser Stelle - zu einer gewissen
Vorsicht. Die Zuversicht gründet sich insbesondere auf die konjunkturellen Signale, die nach schwierigen Monaten einer harten und fühlbaren Stabilisierungspolitik nunmehr unüberhörbar geworden sind. Die Vorsicht gilt dem weiteren Kurs, den wir mit Sorgfalt abstecken wollen.
Ich denke, der Finanzminister kann heute morgen das Urteil wagen, daß die kombinierten währungs-, steuer- und ausgabenpolitischen Entscheidungen von Parlament und Bundesregierung einerseits sowie die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank andererseits insgesamt nunmehr deutlich zur Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geführt haben. Das konjunkturelle Klima ist offensichtlich kühler geworden. In Teilen der Wirtschaft hat die Inlandsnachfrage spürbar nachgelassen. Am weitesten ist der Normalisierungsprozeß auf dem Baumarkt fortgeschritten. Aber auch in anderen Bereichen, z. B. in der Verbrauchsgüterindustrie und im Einzelhandel, sind deutliche Zeichen der Entspannung sichtbar geworden.
Auch bei den Preisen ist Land in Sicht. Im September hat der Preisindex für die Lebenshaltung zum erstenmal seit vielen Monaten 7 % wieder unterschritten. Er ist auf 6,4 % zurückgegangen, nachdem es im Sommer manchen noch so schien, als ob die Reise eher in Richtung auf 8 % oder darüber gehen würde. Die Entwicklung der Großhandels- und auch der industriellen Erzeugerpreise deutet darauf hin, daß sich die Preise in den kommenden Monaten weiter beruhigen werden. Ich lasse dabei einmal die Einflüsse unberücksichtigt, die sich möglicherweise aus den Vorgängen im Nahen Osten ergeben und sich auf die Rohstoff- und die Ölmärkte auswirken können. Diese Auswirkungen lassen sich heute schwer voraussagen und von uns übrigens kaum beeinflussen.
Nun mögen Preissteigerungsraten um 6 % dem einen oder anderen als ein nur sehr bescheidener Erfolg erscheinen. Man darf aber nicht übersehen, daß sie in der Umwelt einer insgesamt inflationistischen Weltwirtschaft entstanden sind, deren größter Handelspartner nunmehr die Bundesrepublik Deutschland wird. Wir haben es geschafft, wieder an das absolute Ende des Geleitzuges zu kommen.
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Sie wissen, daß in fast allen Ländern, mit denen wir
Handel treiben, die Preise wesentlich stärker steigen
als in der Bundesrepublik. Aber diese Länder sind
Faktoren für unsere eigene Entwicklung. Angesichts unserer engen Verflechtung mit der europäischen und der internationalen Wirtschaft können wir uns diesen Einflüssen nicht entziehen.
Wenn man sich selbst nichts vormachen will, muß man die Tatsache akzeptieren, daß wir heute und auch in der Zukunft an der Preisfront wegen unserer internationalen Verflechtung immer nur relative Erfolge erzielen können. Oder mit anderen Worten: Unsere Abhängigkeit von der Entwicklung der Weltwirtschaft und von der Europäischen Gemeinschaft setzt unserer binnenwirtschaftspolitischen Wirksamkeit Grenzen.
Nun sind die ersten Anzeichen einer Beruhigung der Preise und einer Abkühlung des konjunkturellen Klimas für die Bundesregierung und für die Bundesbank kein Grund, den außerordentlich scharfen Restriktionskurs schon jetzt zu ändern. Wir müssen die Nerven behalten, damit wir im Laufe dieses und des nächsten Jahres die Früchte der Stabilisierungspolitik auch wirklich ernten können.
Die Veränderung der konjunkturellen Großwetterlage sollte hingegen von allen, die Verantwortung für Preise und für Löhne tragen, nicht länger ignoriert werden. Wer weiterhin agiert und disponiert, als befände sich die deutsche Wirtschaft in einem ungebrochenen Boom, der ignoriert nicht nur die Tatsachen, sondern treibt auch ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit von Arbeitsplätzen.
Es wäre eine Illusion zu glauben, daß eine so harte Anti-Inflationspolitik, wie wir sie in der Bundesrepublik seit dem Frühjahr dieses Jahres betreiben, ohne Opfer und ohne Schmerzen abginge. Wir sehen, daß die Zahl der Insolvenzen zunimmt, und dies nicht nur in der Bauwirtschaft. Es wird strukturelle Bereinigungen geben, und es muß sie auch geben. Dies kann nicht ohne Folgen für die Beschäftigung in einzelnen Branchen bleiben. Viele Firmenzusammenbrüche offenbaren die Unsolidität von Geschäftsführung oder Finanzierung. Die Kreditrestriktion führt zu einer Reinigung.
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Wir haben allerdings kein Verständnis dafür, wenn eine bankrotte Bank noch kurz vor dem Ende ihren Kunden mit den ersten Adressen ihrer Aktionäre Solidität vorzutäuschen sucht, und wir haben noch weniger Verständnis dafür, daß diese Anteilseigner - selbst renommierte Banken und Versicherungen - zwar die Werbung mit ihrem Namen zugelassen haben, gleichwohl aber nachher jene Bank wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Sie haben damit das Vertrauen in die Kreditwirtschaft erheblich geschädigt.
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Zum verantwortungsbewußten Verhalten in der gegenwärtigen Phase gehört auch größere Zurückhaltung ,der Unternehmen bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Ich will in keiner Weise den produktiven Beitrag verkleinern, den die 2,5 Millionen ausländischer Arbeitskräfte für unsere Wirtschaft erbringen. Aber ich frage mich, ob es ratsam ist, jetzt noch neue Verträge abzuschließen, wenn heute doch schon abzusehen ist, daß wir im l nächsten Jahr mit einer ruhigeren Arbeitsmarktlage rechnen müssen.
Die hohe Ausländerbeschäftigung hat nach meiner Auffassung zu zwei grundlegenden Fehlentwicklungen geführt. Zum einen hat sie die hohen Ausfuhrüberschüsse erzeugen geholfen und somit auch dazu beigetragen, daß eine wesentlicher Teil des realen Zuwachses unseres Bruttosozialprodukts nicht den Bürgern unseres Landes, sondern den Bürgern anderer Länder zur Verfügung steht. Sie hat zweitens den Druck zur Erzielung höherer Produktivitätsfortschritte gemildert und vermindert. Wir müssen in Zukunft verstärkt dafür sorgen, daß neue Fabriken und neue Arbeitsplätze in den Heimatländern der Gastarbeiter errichtet werden. Das heißt also Kapitalexport an Stelle von Warenexportüberschüssen.
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Ich wiederhole: Wir haben noch keinen Grund, den Restriktionskurs generell zu lockern. Denn noch haben wir Überbeschäftigung, dreimal soviel offene Stellen wie Arbeitslose. Aber wir beobachten die Indikatoren sorgfältig, und zwar auch die sehr differenzierte Entwicklung in einzelnen Branchen und Regionen. Sollten sich hier und dort zu weitgehende Einbrüche abzeichnen, so wird die Bundesregierung nicht zögern, gezielte Hilfen zu geben. Wir wollen nicht, daß einzelne Branchen oder einzelne Orte einen unzumutbaren Preis zahlen müssen.
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Die 'Bundesregierung hat diesem sorgfältig abgestimmten Programm seinerzeit das Ziel gegeben, den Preisauftrieb zu dämpfen. Aber es ist nicht unser Ziel, die Vollbeschäftigung in Gefahr zu bringen.
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Sie sehen, ich mache einen deutlichen Unterschied zwischen Überbeschäftigung und Vollbeschäftigung. Die letztere gehört nach ,der festen Überzeugung der 'Bundesregierung zu den gesellschaftlichen Grundforderungen. Sie ist die wichtigste Bedingung der sozialen Stabilität und kanndeshalb auch aus Gründen der Preisstabilität nicht aufs Spiel gesetzt werden. Dies bedeutet nicht eine Garantie jedes einzelnen Arbeitsplatzes, weil niemand diese in einer Zeit ständiger Strukturveränderungen der Wirtschaft geben kann. Aber es bedeutet, daß wir uns mit der Vollbeschäftigung im ganzen als Orientierungsmarke um ein Höchstmaß an Preisstabilität bemühen.
Nun muß natürlich die öffentliche Finanzwirtschaft so wie der konjunkturellen Situation auch der Währungslage entsprechen. Die harte AntiInflationspolitik der Regierung und der Notenbank, die draußen in der Welt kein Beispiel hat, ist, wie jeder weiß, erst möglich geworden durch die von uns bewirkte Freigabe der Dollarkurse im März dieses Jahres. Es ist nicht zu bestreiten, daß z. B. eine scharfe fiskalische Anti-Inflationspolitik vor der Abkoppelung vom Dollar durch Zufluß von Liquidität von außerhalb ohne weiteres überspült worden wäre. Heute zweifelt wahrscheinlich nieBundesminister Schmidt
mand mehr daran, daß diese Politik und auch diese Reihenfolge richtig waren. Mit der Einstellung der Dollarankäufe wurde die bis dahin wichtigste und im Volumen weitaus größte Inflationsquelle verstopft.
Die Abwertung des Dollars, des englischen Pfundes, der italienischen Lira, des kanadischen Dollars und anderer Währungen und die gleichzeitige Aufwertung der D-Mark werden für unsere Exportwirtschaft, für ihre Auftragseingänge, für ihre Beschäftigung erst richtig fühlbar werden, wenn sich 1974 die Weltkonjunktur abkühlt. Damit muß im Ablauf des nächsten Jahres gerechnet werden.
Allerdings haben diese Wechselkursveränderungen bereits in den letzten Monaten für die Bundesrepublik einen Stabilisierungsbeitrag geleistet, den man nicht hoch genug veranschlagen kann. Z. B. sind die aktuellen Einfuhrpreise für die Bundesrepublik in den letzten Monaten nur um 4 bis 5% gestiegen, also relativ wenig, gemessen an den inflationistischen Tendenzen der Preise auf den Weltmärkten, insbesondere auf den Rohstoffmärkten. Andere Länder, die im Gegensatz zu uns abgewertet haben, haben Preissteigerungen ihrer aktuellen Einfuhr von 30 % und mehr mit entsprechendem Einfluß auf den Index ihrer Lebenshaltungskosten ertragen müssen.
Auch der währungspolitische Verbund von sechs EG-Staaten und zwei Nicht-EG-Staaten, der in den Zeitungen meistens „Schlange" genannt wird, hat sich bewährt. Wir selbst haben durch zwei Wechselkurskorrekturen der D-Mark zu dem Bestand dieses Verbundes beigetragen. Die Lage der „Schlange" ist zur Zeit stabil, trotz der Ereignisse im Nahen Osten.
Der in der „Schlange" gefundene Ansatz für eine gemeinsame europäische Währungspolitik bedarf jedoch der ständigen Pflege und Fortentwicklung durch alle beteiligten Staaten. Es wäre eine Illusion zu glauben, wir könnten die „Schlange" allein durch häufige Wechselkurskorrekturen der einzelnen Partner am Leben erhalten. Für die Bundesrepublik scheidet diese Möglichkeit nach den vorangegangenen Aufwertungen sowieso aus, die ja noch keineswegs voll verdaut sind. Für die voraussehbare Zukunft haben wir hier keinen Spielraum. Schon gar nicht könnten wir die „Schlange" durch die Schaffung neuer Kreditmechanismen am Leben erhalten oder etwa durch eine Poolung von Währungsreserven. Wir würden damit möglicherweise nur eine neue gefährliche Inflationsmaschinerie einrichten.
Die einzige theoretische und praktische Möglichkeit, feste Wechselkurse und enge Bandbreiten innerhalb Europas aufrechtzuerhalten, besteht in einer besseren Abstimmung der wirtschaftspolitischen und der finanzpolitischen Ziele der beteiligten Staaten. Ich habe die begründete Hoffnung, daß dies auch von unseren Partnern zunehmend erkannt wird. Allerdings muß auch die Bundesrepublik, etwa durch ihre Zinspolitik, einen Beitrag dazu leisten. Ich meine, daß dies möglich sein wird, wenn sich die konjunkturelle Beruhigung weiterhin fortsetzt.
Bedauerlicherweise sind in Großbritannien, Irland und Italien die Voraussetzungen für eine Beteiligung an der gemeinsamen europäischen Währungspolitik noch nicht gegeben. Ein zu früher Beitritt dieser Länder zur „Schlange" könnte das ganze System gefährden, mit psychologisch-politischen Folgen, die niemand wünschen kann. Weitere wirtschafts-, währungs- und finanzpolitische Fortschritte innerhalb der EG werden allerdings erst dann möglich sein, wenn auch diese drei Länder die Voraussetzungen für ihre Beteiligung geschaffen haben werden.
In diese binnenwirtschaftliche und außenwirtschaftliche Umwelt ist der Haushaltsentwurf für 1974 eingepaßt. Ich wiederhole: er ist zugleich von Zuversicht und von Vorsicht gekennzeichnet, und er orientiert sich an den Zielsetzungen, wie sie im Stabilitätsgesetz niedergelegt worden sind. Die Zuwachsrate von 10,5 % entspricht dem voraussichtlichen Wachstum des Bruttosozialprodukts im kommenden Jahr. Sie liegt damit nur geringfügig über der - methodisch umgerechnet - Steigerungsrate von 9,9 % im Jahre 1973. Dies ist gelungen, obwohl die restriktive Haushaltspolitik der vergangenen Jahre zu immer drängenderen Ausgabenanforderungen geführt hat. Die Grenze ist jedoch erreicht, von der ab eine weitere Einschränkung des Wachstums der öffentlichen Leistungen des Bundes nicht mehr hingenommen werden kann.
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Bei Einnahmen von insgesamt 131,9 Milliarden DM beträgt das Finanzierungsdefizit des vorliegenden Entwurfs 2,5 Milliarden DM; es wird durch Münzeinnahmen sowie durch eine Nettokreditaufnahme von 2,3 Milliarden DM gedeckt. Allerdings entspricht dieser Betrag der Nettokreditaufnahme noch dem Stande vor der zum 1. Januar fälligen Neuverteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern, über die noch verhandelt wird. Es ist also mit einer Erhöhung zu rechnen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die Schuldenpolitik des Bundes seit dem Amtsantritt der ersten Regierung Brandt/Scheel beleuchten. Der Bund - ich lasse einmal Offa- und Krankenhausfinanzierung beiseite - verzeichnet in den vier Jahren 1970 bis 1973 rund 415 Milliarden DM Ausgaben. Die Summe der Nettokreditaufnahmen erreichte in dem gleichen Vierjahreszeitraum nur 6,4 Milliarden DM, also 1,5 0/0 der Ausgaben. Anders beleuchtet: in den gleichen vier Jahren erreichte das Bruttosozialprodukt die Summe von 3 207 Milliarden DM. Die Nettokreditaufnahme des Bundes beträgt also im Durchschnitt der letzten vier Jahre nur 0,2 °/0 des Bruttosozialprodukts. Nun muß die Schuldensumme von 6,4 Milliarden DM zur Haushaltsfinanzierung auch im Zusammenhang mit den konjunkturpolitischen Reserven gesehen werden, die wir bei der Bundesbank angelegt haben. Die gesamten Rücklagen bei der Bundesbank werden Ende dieses Jahres etwa 7 Milliarden DM betragen. Davon stammen 3 Milliarden DM aus Steuermitteln des Bundes. Mindestens diese 3 Milliarden DM müssen der Nettokreditaufnahme von 6,4 Milliarden DM gegenübergestellt und saldiert werden. Ich sehe in dieser Schuldenpolitik des
Bundes einen überzeugenden Beweis für die kontinuierliche Solidität der Finanzwirtschaft der sozialliberalen Koalition.
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Unser Wille zur finanzwirtschaftlichen Solidität ist ebenfalls aus der erstmaligen Beseitigung zweier großer Seitenfinanzierungen zu erkennen, bisweilen auch Schattenhaushalte genannt. Die Krankenhausfinanzierung über den Kapitalmarkt ist erstmalig mit einem Ansatz von einer Milliarde DM voll in den Haushalt eingestellt. Das gleiche gilt für die seit fast 40 Jahren geübte Praxis der Öffa-Finanzierung des Straßenbaus mit einem Volumen von 600 Millionen DM. Außerdem haben wir in den Einzelplänen 14 ({8}), 33 ({9}) und 60 ({10}) endlich die fortgeschleppten Verzerrungen aufgehoben. Zum ersten Mal in fast 20 Jahren stehen die Versorgungsbezüge der Bundeswehrsoldaten dort, wo sie hingehören, nämlich im Einzelplan Versorgung. Ebenso stehen die unter Offset und EDIP sich ergebenden militärischen Ausgaben dort, wo sie hingehören, nämlich im Einzelplan Bundeswehr, der damit erstmalig ein einwandfreies Zahlenbild darbietet. Nachdem der Haushaltsausschuß viele Jahre lang berechtigte Kritik an diesen jetzt beseitigten Tatbeständen geübt hat, dürfte in diesen Punkten selbst die Opposition ihre Zustimmung nicht versagen.
Nun zu den Schwerpunkten des Haushalts und des Finanzplans bis 1977. An erster Stelle nenne ich die Durchführung des neuen Energieprogramms. Wir wollen damit eine möglichst preisgünstige und umweltfreundliche Energieversorgung der Bundesrepublik sichern helfen.
Man ist im Publikum daran gewöhnt, daß bisher zu jeder Zeit der erforderliche Energiebedarf gedeckt war. Erst in allerletzter Zeit wird nicht nur in Fachkreisen mehr und mehr bewußt, daß Energie auch ein Versorgungsproblem darstellen kann. Die aktuellen Ereignisse in Nahost tragen seit vierzehn Tagen sehr zu dieser Erkenntnis bei.
Wir müssen erkennen, daß die langfristige Abstimmung von Energieangebot und Energiebedarf weder durch Kurzsichtigkeit beim Bau von energieerzeugenden Anlagen noch durch Lücken der Brennstoffversorgung behindert werden darf. Wir müssen hier und heute etwas dazu tun, damit es später nicht zu Engpässen kommt.
Die Bundesregierung will deshalb erreichen, daß erstens unsere einheimische Steinkohle einen gesicherten Beitrag zur Energieversorgung leisten kann,
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daß zweitens eine ausreichende Versorgung des deutschen Marktes mit Rohöl langfristig gewährleistet ist und daß drittens Erdgas, Kernenergie und Braunkohle verstärkt zur Verbreiterung des Energieangebots eingesetzt werden.
Allein für 1974 hat die Bundesregierung 1,7 Milliarden DM für das Energieprogramm vorgesehen. Das sind 730 Millionen DM mehr als für vergleichbare energiepolitische Maßnahmen im laufenden Jahr 1973.
Der Absatz von allein jährlich 55 Millionen Tonnen Steinkohle wird durch die öffentliche Hand mittels Subventionierung gesichert, davon jährlich 25 Millionen Tonnen an die inländische Stahlindustrie sowie durchschnittlich 30 Millionen Tonnen im Jahr an die Elektrizitätswirtschaft.
Allerdings betrachtet die Bundesregierung es nicht als ihre Aufgabe, sämtliche Kosten des Energieprogramms auf den öffentlichen Haushalt und auf die Steuerzahler zu übernehmen. Was zumutbar über den Preis finanziert werden kann, das sollte auch geschehen. Die Finanzierung der Kohleverstromung ab 1975 muß deshalb im Bereich der Elektrizitätswirtschaft selbst gesucht werden. An dieser Haltung werden auch großformatige Zeitungsanzeigen nichts ändern, die- den Eindruck ökonomischer Unvernunft zu erwecken versuchen. Man sollte die Energie, die man in solche Anzeigen-Kampagnen steckt, für etwas Besseres verwenden.
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Im Rahmen des Deminex-Programms, das Sie auch in diesem Haushaltsentwurf wiederfinden, haben wir seit Jahren die Ölsuche deutscher Firmen unterstützt. Daneben werden für die im Jahre 1971 begonnene Schaffung einer zusätzlichen Rohölreserve 176 Millionen DM bereitgestellt. Durch unterirdische Lagermöglichkeiten sind die Voraussetzungen einer solchen Vorsorge inzwischen verbessert worden.
Für die Weiterentwicklung der Kernenergie-Technologie werden mehr als 580 Millionen DM aufgebracht. Dabei geht es nicht nur um langfristige Entwicklungsvorhaben, wie z. B. den schnellen Brutreaktor, sondern auch um Entwicklung und Anwendung des Hochtemperaturreaktors, die Sicherung der Uranversorgung und die Reaktorsicherheitsforschung.
Der Bund wird sich weiterhin bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, einer der großen Gemeinschaftsaufgaben mit den Länder, engagieren. Es werden weiterhin steuerfreie Investitionszulagen mit regionalpolitischer Zielsetzung gewährt, deren ökonomischer Nutzeffekt groß ist. Diese Zulagen führen bei Bund und Ländern im kommenden Jahr zu Steuerausfällen von etwa 800 Millionen DM, d. h. zu entsprechenden Steuervergünstigungen bei den Investoren.
Die beabsichtigte Streckung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftspolitik, die sich, saldiert mit der Streckung aus 1973 nach 1974 hinein, auf rund ein Fünftel der Ansätze belaufen soll, entspricht sowohl vielfältiger Klage von Landesregierungen wegen deren Mitleistungspflicht als auch der konjunkturellen Lage. Diese Streckung kann je nach der wirtschaftlichen Entwicklung im Laufe des Jahres 1974 teilweise oder sogar ganz aufgehoben werden.
In der sektoralen Strukturpolitik werden die Maßnahmen zur Förderung von Handwerk, Handel und Gewerbe im Rahmen einer zielstrebigen Mittelschichtenpolitik fortgesetzt. Wir haben auch die AnBundesminister Schmidt
Sätze für Verbraucheraufklärung aufgestockt, weil wir die Verbraucherpolitik intensivieren wollen.
Im agrarpolitischen Bereich hält sich der Plafond - nach einer ungewöhnlich hohen Steigerungsrate im Jahre 1973 - im nächsten Jahr auf gleicher Höhe. Ich hebe hervor, daß 400 Millionen DM für besondere Maßnahmen bereitgestellt werden. Allerdings brauchen wir dazu noch die Ermächtigung des Rates der EG. Gegebenenfalls ist hier an verstärkte Strukturhilfen zu denken.
Die Agrarsozialpolitik gewinnt nochmals an Bedeutung. Wir wollen den immer noch laufenden Umstrukturierungsprozeß mit 2 Milliarden DM sozial absichern.
Mit aller Konsequenz wird die Bundesregierung sodann ihre umfassende Politik der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit fortsetzen. Der Sozialbereich insgesamt bildet den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt 1974 und in der Finanzplanung bis 1977. Allein im kommenden Jahr ist zum Ausbau der sozialen Sicherung ein Gesamtbetrag von fast 40 Milliarden DM vorgesehen; das ist ein Anteil von 29,5 % des Gesamthaushalts. Ich will hier erwähnen, daß dieser Anteil mittelfristig sogar noch steigen wird, denn er wird nach heutiger Rechnung 1977 bei einem Gesamtvolumen von 54 Milliarden DM und damit bei einem Anteil von 31,4 % liegen. An diesen Zahlen wird die Umverteilungsfunktion des Bundeshaushalts besonders deutlich.
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Im Zeitraum dieses Finanzplans wollen. wir die Anpassung der Kriegsopferrenten in zwei Stufen vorverlegen, die landwirtschaftliche Altershilfe dynamisieren, die betriebliche Altersversorgung reformieren - insbesondere die Unverfallbarkeit von betrieblichen Versorgungsansprüchen einführen -, das Schwerbeschädigtenrecht unter besonderer Berücksichtigung der Behinderten weiterentwickeln, die Rehabilitationsleistungen harmonisieren und verbessern, den Jugendarbeitsschutz wirksamer machen, die arbeits- und sozialrechtliche Stellung der Heimarbeiter verbessern und schließlich ergänzende Maßnahmen im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Änderung des Strafgesetzbuches ({14}) durchführen.
Die Zuschüsse an die Träger der Rentenversicherungen steigen 1974 besonders stark, insgesamt auf 17,3 Milliarden DM. Davon wird ein kleiner Teilbetrag von 650 Millionen DM verzinslich gestundet; übrigens werden die Versicherungsträger selbst 1,5 Milliarden DM bei der Bundesbank stillegen. Die Leistungen an die Versicherten werden dadurch nicht beeinträchtigt. Ich denke allerdings, daß in ,den steigenden Zuschüssen und in der entsprechenden Vermögensbildung ein Problem liegt, das uns später noch beschäftigen wird.
Die Aufwendungen für die Kriegsopfer erreichen 1974 den Betrag von 10 Milliarden DM. Wesentliche Ursache für die erhebliche Steigerung um 1,1 Milliarden DM ist die vorgesehene zweimalige Erhöhung der laufenden Geldleistungen. Mit der weiteren Anpassung zum 1. Juli 1975 werden dann die Anpassungszeitpunkte in den Rentenversicherungen und in der Kriegsopferversorgung voll miteinander übereinstimmen.
Gemäß dem verkehrspolitischen Konzept der Bundesregierung werden die Aufwendungen zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs intensiviert. Wir stellen dafür einen zusätzlichen Betrag von 200 Millionen DM bereit.
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Insgesamt fließen im kommenden Jahr über 2,4 Milliarden DM für Verkehrsaufwendungen an die Gemeinden.
Mit 5,5 Milliarden DM für den Fernstraßenbau wird es möglich sein, alle wesentlichen Vorhaben fortzuführen,
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vor allem in den ungünstiger strukturierten Gebieten. - Auf Bahn und Post werde ich bei den Haushaltsrisiken noch gesondert zu sprechen kommen.
Der Wohnungsbau hat im Haushalt naturgemäß ebenfalls einen hohen Rang. Die Verpflichtungsermächtigungen werden im kommenden Jahr um über 27 % auf fast 3,8 Milliarden DM steigen. Dabei ist Schwerpunkt der Wohnungsbauförderung das langfristige Wohnungsbauprogramm. Wesentlich verstärkt werden die Mittel für das Althaussanierungsprogramm, das gerade in den Städten die Wohnungslage verbessern soll.
Die sich in diesem Jahre abzeichnenden Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt, auf dem einerseits viele teure Wohnungen leerstehen und andererseits immer noch viele billige Wohnungen fehlen, signalisiert für die kommenden Jahre die Gefahr einer nicht unerheblichen Fehlleitung von Investitionsmitteln. Da eine angemessene Versorgung mit Wohnraum zu tragbaren Kosten unverzichtbar bleibt, bedarf es daher neuer Analysen als Grundlage für die zukünftigen Wohnungsbaufinanzierungshilfen des Bundes.
Auch im Bildungssektor betone ich die Notwendigkeit einer differenzierenden Politik. Wir dürfen hier nicht immer nur an den Hochschulbau denken, denn ganz offensichtlich gewinnen vom Ziel der Chancengleichheit her nun auch andere Bereiche relativ an Gewicht, insbesondere der Bereich der beruflichen Bildung.
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Im Bereich der beruflichen Bildung beginnen wir ein Programm zum Ausbau überbetrieblicher Ausbildungsstätten. Außerdem wird der Bund Versuchs- und Modelleinrichtungen der beruflichen Bildung fördern. Da wir hier erst am Anfang der Entwicklung stehen, rechne ich mit einer zunehmenden Bedeutung dieser Aufgaben.
In der Ausbildungsförderung steigern wir die Ausgaben im kommenden Jahr um mehr als 46 % auf 1,5 Milliarden DM. Wir erleben in diesem Bereich eine sehr kritische Entwicklung. Denn der Aufwand ist in den vergangenen Jahren fast explo3434
sionsartig gewachsen, weil die Zahl der Auszubildenden und 'der Anteil der Geförderten sehr stark zugenommen haben. Es werden hier so viele Mittel absorbiert, daß wegen der insgesamt begrenzten Gelder die Gefahr der Benachteiligung anderer Teilbereiche entstehen kann. Der Gesetzgeber sollte daher eine teilweise Umstellung auf Darlehensformen prüfen und erwägen.
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Die Förderung von Wissenschaft und Forschung gehört auch 1974 mit einer überdurchschnittlichen Steigerungsrate von 11,4 % wieder zu den Schwerpunkten. Auf den Bereich der Kernenergieforschung habe ich schon besonders hingewiesen.
In der Entwicklungshilfe lag die Bundesrepublik im letzten Jahre mit ihren Gesamtleistungen aus öffentlichen und privaten Mitteln von netto mehr als 5,5 Milliarden DM hinter den Vereinigten Staaten von Amerika und hinter Japan an dritter Stelle aller Geberländer auf der Welt. Es ist unser Ziel, diesen Stand im internationalen Vergleich auch zu halten.
Für die aus Bundesmitteln geförderte Entwicklungshilfe sollen die Baransätze im kommenden Jahr um rund 260 Millionen DM auf mehr als 3 Milliarden DM erhöht werden, wobei diese Baransätze überwiegend zur Abwicklung von Verpflichtungen aus vorangegangenen Haushaltsjahren benötigt werden. Auf mittlere Sicht gesehen wird insbesondere die multilaterale Hilfe verstärkt werden müssen.
Nun wird, wie ich denke, das Haus dem heutigen Finanzminister nachfühlen, daß er immer noch ein besonderes Interesse an der Bundeswehr und am Verteidigungshaushalt hat. Wir haben hier für das kommende Jahr eine Erhöhung um rund 6,5 °/o auf rund 27,6 Milliarden DM vorgesehen. Diese Steigerung ermöglicht die Wahrung der Kontinuität, personell wie materiell.
Bei der Modernisierung der Ausrüstung legen wir Wert auf die Gemeinschaftsvorhaben mit anderen NATO-Staaten. Sie führen letztlich auch zu einem höheren Effekt des eigenen Beschaffungsaufwands.
Wir bringen mit der Steigerung dieses Einzelplans um 1,8 Milliarden DM zum Ausdruck, daß die Bundesregierung bei all ihrem aktiven Bemühen um Entspannung in Europa ihre Verteidigungspflichten im Rahmen der Atlantischen Allianz nicht vernachlässigt. Auch im Hinblick auf die in wenigen Tagen in Wien beginnenden MBFR-Verhandlungen steht eine vorweggehende Verringerung unseres Verteidigungsaufwandes nicht zur Debatte.
Nun will ich bei dieser Betrachtung der Haushaltsschwerpunkte nicht verschweigen, daß es zur Einhaltung der niedrig auf 10,5 % angesetzten Steigerungsrate erforderlich war, eine den ganzen Haushalt betreffende globale Minderausgabe von 1,5 Milliarden DM in den Entwurf einzustellen.
Nach unseren jetzigen Vorstellungen soll davon wiederum durch Streckung der Gemeinschaftsaufgaben ein Betrag von 615 Millionen DM erbracht werden; ich habe das hinsichtlich der regionalen Wirtschaftspolitik schon erwähnt und auch gesagt, daß diese Streckung den Klagen der Länder über den Umfang ihrer Mitleistungspflichten entgegenkommt..
Was im gleichen Zusammenhang den Aus- und Neubau von Hochschulen durch die Länder angeht, so hat sich dieser ohnehin - im Vergleich zu ihren Quoten im Rahmenplan - nicht unwesentlich verzögert. Eine Beeinträchtigung des Hochschulbaus dürfte sich also aus unserer Streckung nicht ergeben, weil der Bund gegenüber den Ländern bereits jetzt weit mehr als eine halbe Milliarde DM Vorleistungen erbracht hat. Zunächst kann deshalb erwartet werden, daß die Länder 1974 ihre Finanzierungsrückstände abbauen.
Ich komme jetzt zu den Haushaltsrisiken. Denn ich will keineswegs verschweigen, daß der neue Bundeshaushalt auch Risiken enthält. Ich denke bei den Risiken nicht an die globale Minderausgabe, die ich erwähnte; denn wir haben ja in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen, daß die Probleme einer globalen Minderausgabe im Haushaltsvollzug im Laufe von zwölf Monaten durchaus gelöst werden können.
Niemand kann aber heute sagen, welche Probleme z. B. auf dem Felde der Energieversorgung oder beim Energieprogramm noch auftauchen können; die Höhe der Kokskohlebeihilfe z. B. ist nicht mit Sicherheit zu schätzen.
Ich erwähne sodann zweitens die im Gang befindlichen Verhandlungen über einen deutsch-amerikanischen Devisenausgleich, zu denen ich aus verständlichen Gründen im Augenblick Zahlen nicht nennen kann.
Ich erwähne drittens die Tatsache, daß die Personalausgaben in unserem Entwurf - unter Berücksichtigung von 1489 neuen Stellen - einen Anteil am Haushaltsvolumen von 17,4 % erreichen. 1973 sind es 17,6 N. Wir werden aber auch 1974 wieder die gleiche Stellenzahl anderswo abbauen, um insgesamt eine Ausweitung des Personalbestandes zu verhindern, wie wir das auch dieses Jahr gemacht haben.
Jetzt kommt aber eine wichtige Fußnote. Welche Einkommensverbesserungen sich noch aus den Tarifverhandlungen ergeben werden, ist im Augenblick nicht abzusehen. Jede lineare Erhöhung um einen Prozentpunkt führt allein beim Bund zu Mehrkosten in Höhe von 222 Millionen DM. Daneben haben die Gewerkschaften verständlicherweise strukturelle Verbesserungen in einer Größenordnung von 650 bis 700 Millionen DM allein beim Bund gefordert. Dazu kommen die Belastungen aus dem 13. Monatsgehalt, und dazu kommt die zum 1. Oktober 1974 vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit.
Besondere Risiken ergeben sich viertens aus der Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft. Die Bundesregierung hat sich kürzlich schon kritisch dazu geäußert. Wir denken dabei keineswegs an eine Kursänderung unserer Europapolitik. Es ist aber erforderlich, daß die Finanzwirtschaft der Europäischen Gemeinschaft gründlich unter die Lupe genommen wird, und es ist notwendig, sie mit den in den Mitgliedstaaten üblichen Haushaltsprinzipien
und mit den finanziellen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen.
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Infolge von in diesem Jahr bisher nicht weniger als vier Nachtragshaushalten der EG haben die Finanzanforderungen der EG 1973 bisher die Ansätze unseres laufenden Bundeshaushaltsgesetzes 1973 um 900 Millionen DM überschritten. Für das kommende Jahr läßt sich absehen, daß der Haushaltsansatz von 1,5 Milliarden DM zur Erfüllung der deutschen Beitragsverpflichtungen abermals nicht ausreichen könnte. Zwar haben wir im Entwurf des EG-Haushalts 1974 dort 1 Milliarde Rechnungseinheiten streichen können, aber was 1974 z. B. in Sachen des Regionalfonds geschehen könnte oder geschehen muß, ist durchaus offen. Ebenso sind erneute Nachforderungen im Bereich der Agrarinterventionskosten keineswegs auszuschließen.
Die Bundesregierung meint daher, daß kein Weg an der Notwendigkeit vorbeiführt, die Finanzentwicklung der Europäischen Gemeinschaft besser zu planen und sie berechenbar zu machen.
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Wir werden deshalb darauf hinwirken, daß die Kommission in Brüssel eine verbindliche Haushaltsplanung vorlegt und daß in Brüssel grundsätzlich nur Beschlüsse gefaßt werden, deren finanzielle Auswirkungen erstens vorher bekannt sind und für die zweitens die Mittel tatsächlich bereitstehen.
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Die EG muß eine Finanzverfassung erhalten, und eines der Kommissionsmitglieder muß die Pflichten und die Rechte eines Finanzministers bekommen.
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Im übrigen brauchen wir in der EG eine landwirtschaftliche Erzeugungspolitik, die sich in ihrem
Finanzaufwand an den EG-Haushalt gebunden weiß.
Ich komme schließlich fünftens zur Bundesbahn. Die Bahn bietet erneut Risiken in ihrer Aufwandsrechnung. Sie absorbiert wiederum einen empfindlichen Anteil der Bundesmittel. Die Zuweisungen sollen von etwa 7 Milliarden in diesem Jahr auf rund 7,6 Milliarden DM im kommenden Jahr steigen. Deshalb legt die Bundesregierung Wert darauf, daß der stark defizitäre Stückgut- und Expreßgutverkehr rationalisiert wird, daß der Omnibusverkehr neu geordnet wird und daß im Schienenverkehr eine Konzentration des Streckennetzes stattfindet. Die Bundesbahn muß hier einen vernünftigen Weg zwischen öffentlichen Verkehrsanforderungen auf der einen Seite und Mittelbedarf auf der anderen Seite suchen.
Ich füge gleich hinzu, daß auch für die Bundespost für das kommende Jahr ein beträchtlicher Verlust nicht schlechtweg auszuschließen ist.
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Im Zusammenhang mit Bahn und Post möchte ich in einem kleinen Exkurs darauf verweisen, daß sich die großen Wirtschaftsunternehmen des Bundes unterschiedlich entwickeln.
Die Saarbergwerke befinden sich wegen des dominierenden Bergbauanteils nach wie vor in der Verlustzone. Bei diesem nach Umsatz und Beschäftigung größten Unternehmen des Saarlandes zwingt die schwierige Lage beim Absatz der Steinkohle zur Rücknahme der Förderung. Andererseits wird der vor wenigen Wochen begonnene Bau eines 650Megawatt-Kraftwerks ab 1976 den Absatz von jährlich rund einer Million Tonnen Steinkohle garantieren.
Bei der VIAG konnten die Vereinigten Aluminium-Werke ihre Produktionskapazität für Hüttenaluminium seit Mitte 1973 voll auslasten. Die Nachfrage nach Aluminium ist überall auf der Welt überdurchschnittlich gestiegen. Die deutsche Aluminiumindustrie hat jedoch nicht an der weltweit kräftigen Erholung des Aluminiumpreises teilnehmen können, weil dieser Preis nach wie vor an den Dollar gebunden ist. So bleibt also die Ertragslage trotz der Umsatzmengen unbefriedigend.
Der Salzgitter-Konzern hat gute Fortschritte gemacht. Mit Ausnahme des strukturell gefährdeten Erzbergbaus arbeiten die übrigen Konzernteile mit Gewinn. Dies gilt insbesondere für den Stahlbereich. Auch der Werftbereich arbeitet mit Erfolg. Dies wird durch den beschlossenen Ausbau der Werftanlagen in Kiel, wo demnächst erstmals in Deutschland auch Größttanker gebaut werden können, unterstrichen. Der Konzern bemüht sich um eine Aktivierung des Ostgeschäfts und damit um eine Wiedergewinnung seiner standortbedingten früheren Märkte.
Ich will aus der Perspektive des Teileigners, der der Bund ja ist, auch ein vorsichtiges Wort über das Volkswagenwerk anfügen. VW befindet sich in der Umstrukturierung des Produktionsprogramms, die naturgemäß mit erheblichen Risiken verbunden ist. Dazu kommen die Veränderungen der Dollar-DMark-Relation, die auf den strukturell so besonders hohen Anteil des USA-Exports von VW natürlich nicht ohne Einfluß bleiben. Ich hoffe, daß VW mit seiner Modellpolitik den richtigen Weg eingeschlagen hat.
Ich komme jetzt zur Einnahmenseite des Haushalts. Das Gesamtaufkommen an Steuern in der Bundesrepublik wird im kommenden Jahr 1974 - ohne die Konjunktursteuern, die ja nur vorübergehend erhoben werden - voraussichtlich 253 Milliarden DM gegenüber 226 Milliarden DM im laufenden Jahr betragen. Das sind als 11,9% mehr als im laufenden Jahr. Die volkswirtschaftliche Steuerquote, also das Verhältnis von Steueraufkommen und Sozialprodukt, wird von 24,2 % in diesem Jahr auf 24,5% im kommenden Jahr leicht ansteigen. Einschließlich der nur vorübergehend erhobenen Investitionssteuer und der Stabilitätszuschläge würden es 25,2 % sein.
Dazu ist zu bemerken, daß der Anteil der Steuern vom Einkommen tendenziell steigt, während der Anteil der Steuern vom Umsatz tendenziell sinkt. Dabei steht in der derzeitigen öffentlichen Diskussion um die fälschlich so genannten „heimlichen
Steuererhöhungen" das angeblich besonders herausragende Anwachsen einer einzigen Steuer, nämlich der Lohnsteuer, im Vordergrund. Allerdings machen es sich viele in dieser Diskussion zu einfach. Ich gebe dazu vier Zahlen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres, verglichen mit den ersten neun Monaten des Vorjahres, ist das Körperschaftsteueraufkommen mit plus 35,6 % am stärksten gestiegen. An zweiter Stelle steht die Ergänzungsabgabe auf Einkommensteuer und Körperschaftsteuer mit plus 34,8 %. An dritter Stelle steht die Lohnsteuer mit plus 21,8 %. Dann kommt die veranlagte Einkommensteuer mit plus 17,9 %. Ich will nicht verschweigen, daß z. B. die Mineralölsteuer nur einen Zuwachs von 10,2 % und die Mehrwertsteuer nur einen Zuwachs von 5,1 % aufweisen.
Es liegt ebenfalls unzulässige Vereinfachung in jener Kritik - jedenfalls zum Teil -, welche die progressionsbedingten Steuererhöhungen einfach mit preisbedingten Erhöhungen gleichsetzt. Solche Gleichsetzungen wären nur dann richtig, wenn Lohnerhöhungen allein den Zweck hätten, einen Ausgleich für gestiegene Lebenshaltungskosten zu bieten. Das ist aber bisher noch niemals der Fall gewesen.
Seit Bestehen der Bundesrepublik sind die durchschnittlichen realen Nettolöhne noch in jedem Jahr gewachsen, sicherlich einmal mehr und einmal weniger, aber über die Jahre hinweg doch im beträchtlichem Umfang. So sind vom Jahre 1969 his heute die durchschnittlichen Nettolöhne und -gehälter, d. h. nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern und nach Berücksichtigung von Preissteigerungen, real um 20 % gestiegen, - vom Ende des Jahres 1969 bis heute! Auch im laufenden Jahr - das habe ich soeben eingerechnet - werden die Realeinkommen weiter zunehmen. Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr in Übereinstimmung mit den Prognosen der Bundesbank eine Steigerung des Nettorealeinkommens um gut 3 %.
Wenn nun bei steigendem Realeinkommen mehr Steuerpflichtige in die Progressionsstufen des Einkommensteuertarifs hineinwachsen, so entspricht das im Grundsatz unseren Vorstellungen von steuerlicher Gerechtigkeit; denn mit steigendem Realeinkommen wächst auch die steuerliche Leistungsfähigkeit. Ich werde auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen.
Eine zweite wesentliche Ursache für das Steigen der Lohnsteuer liegt in der langfristigen Erhöhung der sogenannten Lohnquote, d. h. im Wachsen des Anteils am Bruttoeinkommen, das sich aus unselbständiger Tätigkeit ergibt. Während die Lohnquote 1952 nur 57,5 % betrug, stieg sie in den 20 Jahren seither auf 69,1 %. Entsprechend ist in dieser Zeit der Anteil der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und aus Vermögen relativ zurückgegangen. Durch diese Entwicklung hat die Lohnsteuer automatisch an Volumen gewonnen. Die Lohnsteuer ist heute die Steuer für 85 % aller Erwerbstätigen in unserem Lande.
Die dritte Ursache ist jener Anteil der Lohnerhöhungen, der dazu dient, die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu kompensieren. Diesen Anteil gibt es natürlich auch. Dieser in der Tat preisbedingte Anteil an der Steuerlast hat die Bundesregierung zu ihrem Vorschlag veranlaßt, die Steuertarife und Freibeträge im Zuge der Steuerreform bereits zum 1. Januar 1975 anzupassen.
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- Ich will die Opposition auf die Zwischenrufe hin nicht unbedingt an ihr sogenanntes Steuerentlastungsgesetz erinnern, das ja nicht einmal von der Hälfte der Mitglieder Ihrer Fraktion getragen wird,
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sondern ich will nur sagen: Die Koalition will der Preissteigerung bei der Einkommensteuerreform Rechnung tragen, und zwar zur konjunkturell richtigen Stunde. Sie sieht aber zum heutigen Zeitpunkt die Gefahr, daß die Steuersenkung den Erfolg der Stabilisierungspolitik aufs Spiel setzen würde. Die Bundesregierung wird Ihnen in wenigen Tagen die noch ausstehenden Gesetzentwürfe zur Steuerreform vorlegen.
Wir werden mit der Reform der Einkommensteuer bei den unteren und mittleren Einkommen eine wesentliche Milderung der Steuerbelastungen erreichen. Zum anderen verwirklichen wir eine Strukturreform des Steuersystems, die zu mehr Steuergerechtigkeit führen wird. Der eigentliche Schwerpunkt der Einkommensteuerreform liegt bei der Neuregelung des Familienlastenausgleichs. Wir machen Schluß mit dem bisherigen Recht, bei dem die Kinderfreibeträge mit steigendem Einkommen zu einer wachsenden Vergünstigung geführt haben. Das zukünftig einheitliche Kindergeld gewährleistet eine gleichmäßige Entlastung, unabhängig von der Höhe des Einkommens der Eltern, und zwar für alle Arbeitnehmer und Selbständige, nicht nur für die Staatsbediensteten. Wir halten diese neue Kindergeldregelung für eine der fortschrittlichsten sozialen Regelungen.
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Eine ähnliche Strukturreform ist für den Bereich der Sonderausgaben vorgesehen. Hier wird ebenfalls der progressionsabhängige Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage durch den gerechteren Abzug von der Steuerschuld ersetzt.
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In dem Gesamtzusammenhang hat die Bundesregierung die seit 1971 vorgesehene Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von 11 auf 12 % aus stabilitätspolitischen Gesichtspunkten zurückgestellt. Ich will deshalb nicht verschweigen, daß die Steuerreformbeschlüsse, wie sie Ihnen vorgelegt werden, insgesamt zwar die Mehrzahl aller privaten Haushalte entlasten, daß sie jedoch für alle öffentlichen Haushalte beträchtliche Einnahmeeinbußen bringen werden. Die kassenmäßige Belastung aller öffentlichen Haushalte wird nach heutiger Rechnung 1975 bei etwa 10,2 Milliarden DM liegen, ein Jahr später noch bei 7,6 Milliarden DM und im Jahre 1977 immer noch bei 6,3 Milliarden DM, wie gesagt, von heute aus gerechnet. Diese Annahmen
beruhen natürlich auf geschätzten Steigerungsraten des Sozialprodukts, auf geschätzten Lohnzuwachsraten und auf der Annahme, daß die Körperschaftsteuerreform ebenfalls Anfang 1975 in Kraft treten kann.
In diesem Zusammenhang muß ich ein Wort zu den finanzwirtschaftlichen Bund-Länder-Beziehungen sagen. Die Haushaltsbelastungen aus der Steuerreform werden sich auf die Gebietskörperschaften zwangsläufig in unterschiedlicher Höhe verteilen. Auf den Bund werden etwa 40 % entfallen, während die übrigen 60 % bei Ländern und Gemeinden wirksam werden. Innerhalb dieser 60 % wird die Belastung der Länder abnehmen; die der Gemeinden wird steigen.
Nun haben wir den Ländern in den noch laufenden Verhandlungen über das Beteiligungsverhältnis an der Umsatzsteuer klargemacht, daß von einem überquellenden Reichtum beim Bund wahrlich nicht ausgegangen werden kann. Tatsächlich hat der Bund seit der Finanzreform des Jahres 1970 auf einen großen Teil seiner früheren Einnahmen verzichtet, um die Gemeinden besserzustellen. Der Anteil des Bundes sinkt ständig. Dies ergibt sich übrigens automatisch, und zwar unabhängig von der Finanzreform 1970 und unabhängig von einer etwaigen Verbesserung des Anteils an der Umsatzsteuer zugunsten der Länder.
Ich möchte Ihnen hierzu vier Zahlen für die ersten neun Monate des Jahres 1973 im Verhältnis zum entsprechenden Vorjahreszeitraum nennen. An der Spitze liegt die Europäische Gemeinschaft mit ihren Anteilen an den deutschen Zöllen mit einem Zuwachs von 45,5 %. An zweiter Stelle liegt der Gemeindeanteil an Lohn- und Einkommensteuer mit einem Zuwachs von 20,6 %. An dritter Stelle liegen die Steuereinnahmen der Länder mit einem Zuwachs von 15,2 %. An letzter Stelle steht die vierte Ebene der Gebietskörperschaften, nämlich der Bund, mit einem Zuwachs seiner Einnahmen um nur 13,1 %. Das ist ein eindeutig unterdurchschnittlicher Wert.
Nun wird der Bund am 1. Januar 1974 - die Verhandlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen; danach wird Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden - erneut Umsatzsteueranteile abgeben, um die Aufgabenerfüllung durch die Länder zu erleichtern. Um ein Beispiel zu geben: Eine Erhöhung des Länderanteils an der Umsatzsteuer von heuer 35 auf 37 Punkte plus 1 1/2 Punkte für Ergänzungszuweisungen an finanzschwache Länder würde bedeuten, daß sich das Finanzierungsdefizit in dem Ihnen jetzt vorliegenden Haushaltsgesetzentwurf um knapp 2 Milliarden DM erhöhte. Diese Größenordnungen muß man kennen.
Auch über die Finanzierungsdefizite in der Zukunft, in den Jahren ab 1975, ist das letzte Wort natürlich nicht gesprochen, denn die Steuerreform, die am 1. Januar 1975 in Kraft treten soll, hat das Parlament ja noch keineswegs passiert, sie mag noch verändert werden. Deswegen muß die Vereinbarung mit den Ländern über die Mehrwertsteueranteile im Hinblick auf die verschiedenartigen Auswirkungen der Steuerreform auf Bund, Länder und Gemeinden eine Revisionsklausel enthalten. Meine Damen und Herren, dies führt dazu, daß die jetzt ausgewiesenen Finanzierungsdefizite zwangsläufig einen vorläufigen Charakter haben. Ich will auf der anderen Seite keinen Zweifel daran lassen, daß auch die endgültige Finanzierung die Belastbarkeit der Kreditmärkte und die Erfordernisse der Gesamtwirtschaft ebenso berücksichtigen wird, wie das - dies habe ich Ihnen vorhin ja vorgeführt - in den vergangenen vier Jahren auch stets der Fall gewesen ist.
Wenn nun der Bund im kommenden Jahr die Stabilisierungspolitik fortsetzt, so darf man sich von den möglichen Beiträgen einer antizyklischen Haushaltspolitik des Bundes allerdings auch keine Wunder versprechen. Es hat sich in diesem Jahr ganz klar gezeigt, daß antizyklische Haushaltspolitik nicht auf die Ausgabenseite beschränkt bleiben darf. Die Einnahmenseite, d. h. eine bewegliche Steuerpolitik, gehört unbedingt dazu. Die steuerpolitischen Dämpfungsmaßnahmen in diesem Jahr übertreffen vom Volumen und von der Wirkung her die Manövriermasse auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts erheblich. Ohne entsprechende Währungs- und Kreditpolitik wäre das Ganze gleichwohl ohne Effekt geblieben.
Wenn man die konjunkturpolitische Einflußmöglichkeit des Bundeshaushalts verstehen will, muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesausgaben nur rund zwei Fünftel der gesamten öffentlichen Ausgaben darstellen. Nur etwa ein Siebtel aller öffentlichen Investitionen wird aus dem Bundeshaushalt geleistet. Wenn die Opposition dem Bund gleichwohl die alleinige Verantwortung für die Konjunkturpolitik auferlegen will, müßte sie logischerweise auch dafür eintreten, daß dem Bund die entsprechenden Zuständigkeiten eingeräumt werden.
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Wer diese Feststellung als einen Angriff auf den Kernbestand der Länder wertet - wie dies in Mainz und in Stuttgart geschehen ist -, wer der Bundesregierung die Absicht unterstellt, sie wolle die Finanzhoheit der Länder aushöhlen, der vertuscht bewußt das eigentliche Problem. Uns geht es nicht darum, die finanzwirtschaftliche Souveränität der Länder anzutasten. Vielmehr ist die Kontroverse um die finanz- und konjunkturpolitische Führungsrolle des Bundes und des Bundeshaushalts bei der letzten Haushaltsdebatte im Juni hier in diesem Hause durch die Opposition begonnen worden. Die CDU/CSU hatte damals weitreichende Vorstellungen über die Einflußmöglichkeiten des Bundesfinanzministers auf die Haushaltsgebarung der anderen Gebietskörperschaften Vorstellungen, die mit der verfassungsrechtlichen Stellung des Bundes nicht vereinbar sind. Darauf hat damals in diesem Hause die Bundesregierung hingewiesen. Die CDU/CSU sollte in den Ländern ihre politische Phantasie zügeln und nicht versuchen, der Bundesregierung mangelnde Verfassungstreue vorzuwerfen.
Für die Stabilitätspolitik bleibt entscheidend, daß die Haushaltspolitik des Bundes durch eine ent3438
sprechende Haushaltspolitik der anderen Gebietskörperschaften gestützt und begleitet wird.
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Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im Finanzplanungsrat hat eine Mehrheit dem Vorschlag der Bundesregierung zugestimmt, die Zuwachsrate des öffentlichen Gesamthaushalts im Jahre 1974 auf 10,9 % zu begrenzen. Die Minderheit der CDU/CSU-geführten Länder glaubte, diesem Vorschlag nicht zustimmen zu können.
Die Bundesregierung schlug unter der Annahme, daß der öffentliche Gesamthaushalt im kommenden Jahr auf 10,9 % steigt, eine Steigerungsrate bei den Ländern um 11 %, beim Bund und bei den Gemeinden von 10,5 % vor. Dagegen opponieren vor allem die Länder Bayern, Baden-Württemberg, SchleswigHolstein und Rheinland-Pfalz.
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Der Ministerpräsident in Stuttgart hat öffentlich statt dessen eine wesentliche Senkung des Bundeshaushalts für 1974 verlangt. Sofern eine in sich kohärente Finanzpolitik der CDU/CSU behauptet werden soll, erwarten wir also massive Streichungsanträge der Opposition im Rahmen des Ihnen heute vorgelegten Haushalts.
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Wer als Landesminister erstens den Finanzanteil der Länder vergrößern will - und ich gebe zu: dafür gibt es durchaus sachliche Argumente -, der kann nicht zweitens verlangen, daß der Bundeshaushalt allein die Last einer antizyklischen Ausgabenpolitik tragen solle, sondern er muß dann auch in seinem Lande die eigenen Ausgaben zügeln. Damit den Ländern dies erleichtert werde, werden wir dem Bundesrat erneut für 1974 eine Schuldendeckelverordnung vorlegen.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Selbst wenn die Fiskalpolitik des Bundes, der elf Länder und der beinahe sechzehntausend Gemeinden und Städte am gleichen Stabilitätsstrang zöge, so würde der öffentliche Gesamthaushalt dann zwar einen beträchtlichen Teil, aber wirklich doch nur einen Bruchteil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage konjunkturpolitisch beeinflussen können. Ein Großteil der Verantwortung bleibt in jedem Fall bei der Preispolitik der Unternehmen, und ein Gutteil der Verantwortung liegt bei der Lohnpolitik, übrigens auch - siehe Fluglotsen - bei der Lohn- und Gehaltspolitik der öffentlichen Hände.
Weder ist Stabilität allein durch die öffentlichen Haushalte zu bewirken, noch ist Stabilitätspolitik etwa die einzige Funktion, die ein öffentlicher Haushalt zu erfüllen hätte; ganz im Gegenteil!
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Auch dieser Entwurf für den Bundeshaushalt 1974 ist kein konjunkturpolitischer Lückenbüßer für das Versagen anderer. Denn der Bundeshaushalt muß ja doch Ausdruck der öffentlichen Bedarfskomponente unseres volkswirtschaftlichen Gesamtbedarfs an Gütern und Leistungen sein. Es kann nie der zentrale Zweck eines öffentlichen Haushalts werden, je nach Konjunkturlage einmal die fehlende private Nachfrage durch öffentliche Nachfrage zu ersetzen, oder ein andermal hinter der überschäumenden privaten Nachfrage die öffentliche Nachfrage zurückzustellen.
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Dies vorweggeschickt, kann man sicherlich auch mit den öffentlichen Haushalten immer konjunkturell gegensteuern; das tun wir ja auch. Aber je weniger wir mit den öffentlichen Haushalten Konjunkturpolitik machen, desto besser ist dies für die Versorgung unserer Gesellschaft mit öffentlichen Gütern und mit öffentlichen Dienstleistungen.
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Die öffentlichen Leistungen und der öffentliche Dienst sind unverzichtbare Notwendigkeiten. Ebenso ist die soziale Einkommensumverteilung über den Bundeshaushalt ein gesellschaftlich notwendiger Grundtatbestand. Beides, öffentliche Leistungen und soziale Einkommensumverteilung, sind die primären Funktionen des Bundeshaushalts. Sicherlich muß man bei jedem Haushalt immer auch den Rotstift gebrauchen. Sie werden das im Haushaltsausschuß tun. Aber Sie können auch die Kollegen auf der Regierungsbank fragen, ob das nicht schon bisher geschehen sei.
In Wirklichkeit geht es aber darum, daß die Haushaltspolitik über die nur ablaufbeeinflussende Fiskalpolitik hinausgehen und ihren eigenen Beitrag, ja, die Grundlage zur umfassenden Politik der Reformen unserer Strukturen leisten muß.
Deshalb würde die Regierung ihrem politischen Auftrag nicht gerecht, wenn sie neben der notwendigen antizyklischen Fiskalpolitik nicht auch die Reformvorhaben vorantriebe. Wir schlagen deshalb mit diesem Haushaltsentwurf dem Hause vor, beides zugleich in den Blick zu fassen: die wirtschaftliche Stabilität und den gesellschaftlichen Fortschritt.
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Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 24. Oktober 1973, 13.30 Uhr zur Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.