Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführte Vorlage ergänzt werden:
Beratung der aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung über die Begrenzung der Kreditaufnahme durch Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1973
- 7/Drucksache 682 Überweisungschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
- Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung, meine Damen und Herren, ist beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 7. Juni 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung ({0}) des Rates zur Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind
- Drucksache 7/434 -
Ich rufe Punkt 42 der verbundenen Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Frau Stommel, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Burger, Dr. Götz, Kroll-Schlüter, Dr. Kempfler, Dr. Fuchs und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch - Drucksachen 7/227, 7/620 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Lampersbach, Pohlmann, Frau Schleicher und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch
- Drucksache 7/671 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ich frage, meine Damen und Herren, wer das Wort zur Begründung wünscht? - Herr Abgeordneter Rollmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage zum Rauschmittel- und Drogenmißbrauch und die Antwort der Bundesregierung geben uns Gelegenheit, erstmalig in dieser Legislaturperiode in diesem Hause die Probleme des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland zu debattieren. Und so wie die Bundesregierung in ihrer Beantwortung unserer Großen Anfrage sich nicht auf die Fragen beschränkt hat, die wir gestellt haben, so möchte auch ich heute umfassender auf die Situation des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs eingehen dürfen.
Wie sind die Fakten? Seit 1969 greift der Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in der Bundesrepublik Deutschland wie ein Steppenbrand um sich. Bei einer hohen Dunkelziffer stieg die Zahl der bekanntgewordenen Rauschgift- und Drogendelikte von 1 349 im Jahre 1967 auf 4 761 im Jahre 1969, auf 16 104 im Jahre 1970, auf 25 287 im Jahre 1971 und schließlich auf 25 679 im Jahre 1972. Um an Rauschmittel und Drogen heranzukommen, wurde 1968 31mal, 1970 820mal, 1971 1 915mal und 1972 2 385mal in Apotheken, pharmazeutische Großhandlungen und Arztpraxen eingebrochen. Der Anteil der minderjährigen Täter zwischen 14 und 21 Jahren stieg nach den Angaben des Bundeskriminalamtes von 8,6 % im Jahre 1960 auf 67% im Jahre 1970, auf 70,4% im Jahre 1971, um dann im Jahre 1972 auf 61,2% leicht abzusinken.
30 bis 40 % aller jungen Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren haben bereits Rauschmittel- und Drogenerfahrung. 400 000 junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren - das sind 4 % der ganzen Altersgeneration - sind Gelegenheitskonsumenten, 40 000 - das sind 0,4 % der ganzen Altersgeneration - sind bereits Dauerkonsumenten und 10 000 - das sind 0,1 % der ganzen Altersgeneration - injizieren sich Rauschmittel und Drogen in die Blutbahn, sind Fixer, sind abhängig, sind süchtig. Entweder haben wir heute bereits in der Bundesrepublik Deutschland jene durch Rauschmittel- und Drogengenuß arbeitsunfähig gewordenen 60 000 Jungrentner, von denen die Diplompsychologin Lilo Süllwold von der Frankfurter Universität spricht, oder wir werden sie in wenigen Jahren haben, wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom 2. November zu unserer Großen Anfrage zum Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in der letzten Legislaturperiode des Bundestages annimmt.
Während die Zahl der Probierer und Gelegenheitskonsumenten abnimmt, erhöht sich die Zahl der Dauerkonsumenten und Fixer, wird nach dem Motto „Heroin hält, was Hasch verspricht" zunehmend von den weicheren Drogen auf die härteren Stoffe umgestiegen, verlagert sich der Rauschmittel- und Drogenmißbrauch mehr und mehr auf die jüngeren Jahrgänge, das weibliche Geschlecht, die Lehrlinge und Berufsschüler sowie auf die junge Generation auf dem Lande und in den kleinen Städten. Von den 12- bis 13jährigen haben bereits 0,5 % Rauschmittel-und Drogenerfahrung, und der 12- bis 13jährige Fixer ist, um mit der Bundesregierung selbst zu sprechen, immer noch eine Seltenheit, aber leider kein Einzelfall mehr.
Wie sieht es nun mit der Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs aus? Seit 1970 haben wir das mit viel Getöse verkündete und verbreitete „Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs". Und wir alle haben wohl auch noch die markigen Worte des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 im Ohr, wo er sagte:
Wir können, wir dürfen es nicht hinnehmen, daß viele unserer jungen Menschen durch die Profitinteressen weniger Rauschgifthändler in eine verhängnisvolle Abhängigkeit getrieben werden. Der Handel mit harten Drogen ist die Anstiftung zum Selbstmord auf Raten.
Auf vielen Seiten, umfänglich und wohlformuliert, hat die Bundesregierung in ihren Antworten und Stellungnahmen auf unsere Großen und Kleinen Anfragen dargelegt, was sie alles zur Verwirklichung ihres Aktionsprogramms und der Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers getan hat. Nun, es wird im einzelnen noch darüber zu sprechen sein, daß die Konzeption der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs nicht ausreicht, daß das Aktionsprogramm der Bundesregierung mehr „Programm" geblieben als „Aktion" geworden ist und daß sich die Worte des Herrn Bundeskanzlers vollends als Schaum erwiesen haben. Nichts ist auf Grund der Worte des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungerklärung zusätzlich geschehen.
Was uns hier und die Menschen in diesem Lande in erster Linie interessiert, das sind nicht Worte und Programme, sondern das ist die Wirksamkeit, das ist die Effektivität der Politik der Bundesregierung auch auf diesem Feld. Und da beweisen nun einmal die Zahlen, daß in der Regierungszeit dieser Bundesregierung nicht nur eine Rauschgift- und Drogenepidemie unser Land überzogen hat, sondern daß die Bundesregierung dieser Rauschgift- und Drogenepidemie auch nicht Herr geworden ist.
({0})
Es ist richtig, daß diese Epidemie 1972 statistisch nicht weiter angewachsen ist, sondern auf einem hohen Niveau stagniert; dafür aber sind weithin aus den Gelegenheitskonsumenten milder Drogen von
clamals die Dauerkonsumenten harter Drogen von heute geworden
Sie waren es doch, meine Damen und Herren von der Koalition, die leichtfertig und vermessen am Beginn Ihrer Regierungszeit versprochen haben, den Teil der unruhigen jungen Generation, der sich aus angeblicher Unzufriedenheit mit den staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen in diesem Lande in den Haschischgenuß und in die APO geflüchtet hatte, wieder mit diesem Staat und dieser Gesellschaft zu versöhnen. Wie muß es heute eigentlich um die Zustände in Staat und Gesellschaft bestellt sein, wenn sich dieser Teil der unruhigen jungen Generation nicht mehr dem Hasch hingibt, sich nicht mehr in der APO befindet - das waren offensichtlich goldene Zeiten -, sondern längst entweder zu den harten Drogen oder zu den Kommunisten übergegangen ist!
({1})
Nun zu Ihrem Aktionsprogramm und seiner Verwirklichung. Wir erkennen die Erfolge an, die bei der Aufklärung der Bevölkerung und der jungen Generation über die Gefahren des Rauschmittel-und Drogenmißbrauchs erzielt worden sind. Heute weiß man in diesem Lande, was es heißt, zu Rauschmitteln und Drogen zu greifen, mit welchen Gefahren für Gesundheit und Leben dieses verbunden ist. Wir meinen, daß diese Aufklärungsarbeit fortgesetzt und vor allen Dingen in der Richtung intensiviert werden muß, daß die Bundesregierung klare und überzeugende Beweise für die Gefährlichkeit des Genusses der Hanfprodukte, des Haschisch und des Marihuana, vorweist. Die Gefährlichkeit dieser Produkte ist nicht nur in der Drogenszene selbst, sondern auch in der öffentlichen Meinung nach wie vor stark umstritten.
Die unbestreitbaren Erfolge in der Information und Aufklärung werden allerdings durch eine Literatur immer wieder gefährdet, die den Genuß von milden Drogen, ja, von harten Rauschmitteln verharmlost und propagiert. In dem ro-ro-ro aktuell Nr. 1543 „Helft euch selbst!" - „Release-Report gegen die Sucht" wird zum Beispiel die ReleaseInformation I wiedergegeben, in der es heißt:
The cool user injiziert nicht ({2}). Macht keine Experimente mit unbekannten Drogen. Stellt hohe Anforderungen an die Qualität der Drogen sowie an die Vertrauenswürdigkeit des Dealers. Gebraucht nicht irgendeine Kombination von Drogen. Raucht und trinkt nur in vertrauenswürdiger Gesellschaft und entspannter Umgebung. Gönnt sich selbst mindestens einen Tag für einen Trip. Wartet ein paar Wochen nach einem schlechten Trip, bevor er den Versuch macht, eine neue Reise zu unternehmen. Weiß, daß Drogen zur Realität gehören, aber auch, daß Realität mehr ist als ausschließlich Drogen.
Zu Marihuana und Haschisch heißt es dann unter
anderem: „Intelligenter Gebrauch ist harmlos."
Manche dieser Schriften sind doch richtige Rezeptbücher für die Anrichtung und für den Genuß von Drogen!
Wir sind der Meinung, daß diese Schriften, die die junge Generation in diesem Lande zu Rauschmittel-und Drogenmißbrauch verleiten, jugendgefährdend sind und nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften indiziert werden müssen. Wir haben die Bundesregierung, die wie niemand sonst in diesem Lande einen Überblick über diese Schriften hat, mehrfach aufgefordert, die entsprechenden Indizierungsanträge bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu stellen. Die Bundesregierung hat das aus Gründen, die wir nicht akzeptieren, abgelehnt - zuletzt noch in der Antwort auf unsere Große Anfrage - und sich auf einen wirkungslos gebliebenen offenen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels beschränkt.
Wir werden nun in der Frage der Indizierung den Weg über die christlich-demokratisch regierten Länder gehen. Es ist unserer Auffassung nach ein Unding, auf der einen Seite Millionen Mark für die Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs auszugeben und auf der anderen Seite in den Buchhandlungen und Kiosken dieses Landes eine drogenfreundliche Literatur zu tolerieren.
({3})
Der nächste Punkt, dem ich mich im Rahmen unserer Großen Anfrage zuwenden möchte, ist die Beratung und Behandlung der Rauschmittel- und Drogenkonsumenten. Hier sieht es schon sehr viel düsterer aus. Niemand bestreitet, daß die Bundesregierung in den vergangenen Jahren vieles an Maßnahmen und Einrichtungen der Beratung und Behandlung angeregt und manches gefördert hat; aber das alles ist doch ohne eine datenmäßig abgesicherte Konzeption geschehen. Die Bundesregierung hat es bis heute versäumt, sich die notwendigen Daten für ein sinnvolles staatliches Handeln in diesem Bereich zu schaffen. Der Bundesregierung ist nur ungefähr bekannt, wie viele Rauschgift- und Drogenkonsumenten, wie viele Rauschgift- und Drogenabhängige es wirklich gibt, wie und wo sie sich verteilen. Sie weiß nichts Genaues über den Bestand und Fehlbestand an Einrichtungen der Beratung und Behandlung, über den Bestand und Fehlbestand an Mitarbeitern. Sie kennt nur grob die Mittel, die die Länder und Gemeinden sowie die freien Träger des Kampfes gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch aufwenden, und was sie damit finanzieren.
Und so gibt es hier eine Drogenberatungsstelle und dort keine, so bestehen hier Möglichkeiten der ambulanten und stationären Behandlung und dort nicht, so existieren hier sozialtherapeutische Wohn-und Arbeitsgemeinschaften und dort keine. So mangelt es hier an Mitarbeitern und dort nicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist im Kampfe gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch eine Fleckenkarte. An der einen Stelle passiert etwas, wird Menschen geholfen, die sich in Not befinden, und an der anderen Stelle, wo es genauso wichtig ist, passiert nichts, werden gefährdete und kranke Menschen sich selbst überlassen. Insgesamt fehlt es in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor an Einrichtungen der Beratung und Behandlung, an sozialtherapeutischen Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, an haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Drogenszene.
Jedes Defizit, wo auch immer es sich befindet, bedeutet eine weggeworfene Chance, einem gefährdeten und kranken Menschen zu helfen. Die Bundesregierung aber weiß nicht, was fehlt, wo es fehlt, und sie besitzt bis heute kein Konzept, wie und bis wann die Defizite in der Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs in diesem Lande beseitigt werden sollen. Wen wundert es da eigentlich noch, daß wir mit der Bekämpfung des Rauschmittel-und Drogenmißbrauchs in den vergangenen Jahren nicht besser vorangekommen sind?
Die Bundesregierung versteckt sich hinter ihrer mangelnden Zuständigkeit und verweist auf die Länder und die Gemeinden, als ob angesichts der wahrhaft nationalen Bedeutung dieses Problems sie sich damit jemals entschuldigen könnte und als ob nicht die Bundesregierung unter dem Zeichen des kooperativen Föderalismus mit den Ländern und den Gemeinden sowie den freien Trägern gemeinsame Planungsgrundlagen zu schaffen, gemeinsame Konzepte zu entwerfen und gemeinsame Vorstellungen zu verwirklichen hätte.
Nehmen wir doch die Bundesregierung beim Worte ihres Kanzlers: Wir können, wir dürfen es nicht hinnehmen, daß viele unserer jungen Menschen in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von Rauschmitteln und Drogen getrieben werden. Wir fordern die Bundesregierung durch unseren Antrag auf der Drucksache 7/671 heute erneut auf, gemeinsam mit den Bundesländern und den Gemeinden sowie den freien Trägern den Bestand und Fehlbestand an Einrichtungen und Mitarbeitern in der Aufklärung, Beratung und Behandlung von Rauschmittel- und Drogengefährdeten festzustellen und ein finanziell abgesichertes Mehrjahresprogramm für die Beseitigung dieses Fehlbestandes aufzustellen und zu verwirklichen.
Wir sehen wie die Bundesregierung die Parallelen zwischen dem Rauschmittelmißbrauch, dem Alkoholismus, der Tablettensucht und der Selbstmordquote - man könnte noch einiges andere hinzufügen -, und wir sehen mit der Bundesregierung, wie das alles oftmals einer Quelle entspringt: der Unfähigkeit vieler Menschen, mit sich selbst und ihrer Umwelt zurechtzukommen. Wir stimmen der Bundesregierung auch darin zu, wenn sie die Stärkung der Erziehungskraft der Familie als eines der Mittel zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ansieht, fragen uns dann aber, warum die Bundesregierung in den vergangenen Jahren so wenig für die Familie getan hat. Es ist ein Hohn, wenn sie auf die Verbesserung des Familienlastenausgleichs hinweist, wo sich - bis auf kleine, geringfügige Verbesserungen - die Politik der Bundesregierung doch in der Ablehnung der Anträge der CDU/CSU-Fraktion, die auf eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs hinziel2210
ten, erschöpft hat. Niemals ist es den Familien in diesem Lande doch schlechter gegangen als in diesen vergangenen Jahren der Regierung der sozialliberalen Koalition und der Inflation, die sie herbeigeführt hat.
({4})
Wenn wir jetzt bei der Bundesregierung aber auf eine Tendenz treffen, den Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in den Kampf gegen den Alkoholismus, die Tablettensucht und die Selbstmordquote einzuordnen und, wie die Bundesregierung sagt, ihn zu einem Teil eines „neu zu entwickelnden psycho-hygienischen Programmes" werden zu lassen, wenn die Bestands- und Bedarfsdaten an Einrichtungen und Mitarbeitern in der Rauschmittel- und Drogenszene nach Meinung der Bundesregierung erst „als ein Teilaspekt der Gesamterhebung zur Lage der Psychiatrie anzusehen und in diese langfristige Planung einzubeziehen" sind, dann sagen wir dazu nein. Denn das wäre das Ende unseres aktuellen Kampfes gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch. Das wäre die Verschiebung dieses Kampfes auf einen Tag, von dem wir nicht wissen, ob und wann er je kommen wird.
Der Alkoholismus, die Tablettensucht und die Selbstmordquote sind so alte Probleme in diesem Lande, die so wenig angepackt, die so wenig gelöst sind, daß wir dem Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch seine Vitalität nehmen, wenn wir ihn in diesen Kampf eingliedern. Bleibt der Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmiß-brauch nicht Gegenstand unserer besonderen Sorge, nicht Gegenstand eines eigenen Programmes, dann werden wir in diesem Kampf unterliegen, und Tausende von Menschen werden dieses Unterliegen nicht nur mit ihrer Gesundheit, sondern mit ihrem Leben zu bezahlen haben.
Ich möchte im Namen der CDU/CSU-Fraktion allen danken, die in den vergangenen Jahren an vorderster Front den Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in diesem Lande geführt haben.
({5})
den Männern und Frauen in den Drogenberatungsstellen, den Ärzten und Schwestern in der ambulanten und stationären Behandlung, den Therapeuten in den Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, den Beamten der Polizei und des Zolls, allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Helfern in der Drogenszene. Sie leisten eine Arbeit, die mühevoll ist und manchmal hoffnungslos erscheint. Diese Arbeit verdient die Anerkennung des gesamten Parlamentes.
({6})
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage gehört. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Westphal beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rollmann, nun hatte ich mich so auf diese Diskussion und Debatte gefreut in der Hoffnung, in der Begründung der Großen Anfrage Neues und Interessantes zu diesem wichtigen und schwierigen Thema zu hören. Der Eindruck, den man nach dieser Rede haben mußte, Herr Rollmann, war doch der: sie war schon vor der Beantwortung der letzten Großen Anfrage veraltet.
({0})
Da war doch nichts, aber auch nichts an neuem Gedankengang. Leider war auch nicht zu erkennen, daß Sie das, was wir, als Regierung verpflichtet, Ihnen als Antwort auf Ihre Große Anfrage gegeben haben, auch nur gelesen hatten.
Herr Rollmann, nehmen Sie nur - damit ich nicht allzuviel Zeit darauf verwende - dieses eine Beispiel heraus, bei dem Sie sagen, wir hätten in der Frage der Indizierung von Schriften, die den Drogenmißbrauch verharmlosen oder gar verherrlichen, von uns aus nicht geprüft und nichts getan. Da steht im ersten Teil des Absatzes der Antwort auf Ihre Frage zu diesem Thema:
Eine Prüfung von Publikationen, in denen Drogenprobleme behandelt wurden, führte zu den' Ergebnis, daß der Wissenschaftsvorbehalt des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften einer Indizierung möglicherweise entgegensteht. Unabhängig davon ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine Aufnahme verführender Drogenliteratur in die Liste der jugendgefährdenden Schriften möglich und ratsam ist.
Die Bundesprüfstelle hat inzwischen mit ihrer Entscheidung Nr. 2384 vom 6. Oktober 1972 die Indizierung von zwei Ausgaben einer Jugendzeitschrift u. a. ausdrücklich damit begründet, daß der Reifungsprozeß jugendlicher Leser durch die Empfehlung von Drogenkonsum verhindert oder erschwert werde.
Es werden dann weitere Indizierungen angeregt.
({1})
- Wenn die Länder etwas tun, finde ich das erfreulich. Ich finde Ihre Anregung gar nicht schlecht. Unsere Überlegung - dies steht auch dort erneut - haben wir Ihnen schon oft gesagt:
({2})
Dieses Bundesministerium hat für die Bundesprüfstelle gleichzeitig auch die Dienstaufsicht. Wir möchten nicht in Interessenkonflikte kommen. Wir haben immer gewünscht und erwartet, daß die Länder ihre Verpflichtung erfüllen, über die obersten Jugendbehörden Anträge zu stellen. Die Möglichkeit hierzu ist gegeben, und es ist auch davon Gebrauch gemacht worden.
Auch Ihr Antrag, Herr Rollmann, geht doch dahin, daß wir wiederum weiter nichts tun sollen als Berichte und Statistiken schreiben. Das ist doch der einzige Inhalt Ihres Antrags.
({3})
Sie halten die Verantwortlichen in den Ländern und Gemeinden und auch auf der Bundesebene von der Arbeit an den Problemen ab, wenn Sie verlangen, daß wir uns weiterhin darum bemühen, Statistiken zu schreiben.
({4})
Sie sagen, es sei zur Ausfüllung des Programms von 1970 nichts geschehen. Ich kann Ihnen nicht alles vorlesen, was in der Antwort auf die Große Anfrage steht. Ich habe soeben nur einmal rasch durchgezählt. Zu all den wichtigen Bereichen, in denen es um die Veränderung der Gesetzgebung geht, ist Ihnen unter zehn Spiegelstrichen in unserer Antwort Auskunft gegeben worden. Zehn verschiedene Dinge sind geschehen. Im Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung gibt es elf Darlegungen über das, was auf diesem Gebiet seit dem 10. November des Jahres 1970 vollzogen ist. In der Frage der Aufklärung ist von nicht weniger als 23 unterschiedlichen Maßnahmen die Rede. In der Frage von Forschung und Dokumentation sind weitere zehn Fakten aufgezählt. Nachlesen, Herr Rollmann! Und was die internationale Zusammenarbeit angeht, sind in der Antwort Hinweise auf 16 Maßnahmen enthalten.
Nun wende ich mich von Ihnen, Herr Rollmann, ab und dem zu, was zur Sache zu sagen ist.
({5})
Die CDU/CSU-Fraktion hat uns in diesem Sinne die Gelegenheit gegeben, zu diesem Thema Neues, sozusagen nach dem Stand von heute, zu sagen. In der Ihnen vorgelegten Antwort hat sich die Bundesregierung umfassend geäußert und nicht nur die speziellen Einzelfragen beantwortet. Sie hat dies getan, um einen vollständigen Überblick zu geben und nicht lediglich einzelne Tatbestände herausgreifen, über die man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein kann.
Wenn heute über die Drogengefährdung eines Teils der Jugend debattiert wird, dann kann dies nicht ohne die gleichzeitige Erörterung der sozialen Zusammenhänge geschehen, aus denen heraus sich das Mißbrauchsverhalten überhaupt erst erklären läßt. Wer dies unberücksichtigt läßt, bleibt zwangsläufig an der Oberfläche und kann keinen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Grundstörungen, die uns in der Form des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln begegnen, geben.
Wir wissen aus einer Vielzalhl von Einsendungen, daß es eine unterschwellige Meinung gibt, die mit der Forderung nach drakonischen Strafen, der Einrichtung von Arbeitslagern für Drogenabhängige und sogar einer makabren Form von Sterbehilfe verbunden ist, bei der Abhängigen Drogen kostenfrei gegeben werden sollen, weil sie sich, wie man meint, sowieso totfixen würden. Das sind Symptome
für eine Einstellung, die für eine sich menschlich und sozial nennen wollende Gesellschaft unerträglich ist, eine Einstellung, .die gefährlich ist, gefährlich deshalb, weil sie das Verständnis dafür blokkiert, wie es zu derart abweichendem Verhalten kommen kann. Gerade dies aber ist die Frage, mit der wir uns sehr intensiv zu beschäftigen haben und bei der schon eine erste unvoreingenommene Betrachtung zeigt, daß hier Zusammenhänge erkennbar werden, die für unsere Gesellschaft ganz allgemein von außerordentlicher Bedeutung sind.
Diese Debatte, meine Damen 'und Herren, in der die Bundesregierung Gelegenheit hat, offengebliebene Fragen zu erläutern und nachzuweisen, daß ihr Aktionsprogramm die erwartete Soforthilfe gebracht hat, kann wichtige Impulse für eine Neuorientierung der Gesundheits- und Jugendpolitik geben, die sich zunehmend stärker als integrierte Bestandteile der Gesellschaftspolitik begreifen müssen.
In der Ihnen vorliegenden Antwort zur Situation der Drogengefährdung eines Teils unserer jungen Menschen ist ein deutlicher Hoffnungsschimmer gegeben, die Gesamtsituation in absehbarer Zeit unter Kontrolle zu haben. Nicht nur der Rückgang der Zahl derjenigen, die Drogen einmal probiert oder über längere Zeit, jedoch in größeren Abständen, genommen haben also diejenigen, die wir Probierer nennen -, ist dafür verantwortlich. Wichtiger erscheint mir die Feststellung, daß die Vorverlagerung auf immer jüngere Jahrgänge doch wohl nur Einzelerscheinungen sind, die wegen ihrer Besonderheit große Öffentlichkeitswirkung haben und auch den Eindruck erwecken, die Epidemie sei nunmehr in das Kindesalter vorgedrungen. 0,5 °/o der Zwölf-und Dreizehnjährigen hat Drogenerfahrung. Das ist eine Zahl, aber sie ist im Vergleich zu dem, was wir befürchten mußten, nicht so, wie sie hätte werden können. Und selbst diese Zahl scheint noch ein oberer Wert zu sein, wenn man einmal genauer hinsieht, was von den Jugendlichen - von den Kindern, muß man in diesem Falle wahl sagen - darunter verstanden wird.
Erfreulich ist auch, daß die Maßnahmen von Polizei und Zoll offenbar Erfolge gehabt haben und man heute nicht mehr so leicht an die illegalen Drogen herankommen kann. Hier deutet sich wohl eine Entwicklung zum Bessern an. Bemerkenswert erscheint mir, daß erstmals seit 1968 die Rauschgiftkriminalität praktisch nicht weiter zugenommen hat, daß der Anteil jugendlicher Tatverdächtiger sogar deutlich zurückging und ebenso eine Abnahme der Zahl schwerer Rauschgiftdelikte im Jahre 1972 verzeichnet werden konnte. Insgesamt scheint es, daß die epidemische Ausbreitung zum Stillstand gekommen ist.
Kürzlich wurden aus Nordrhein-Westfalen erste Ergebnisse einer großen Untersuchung bekannt, die sich ziemlich genau mit den Angaben decken, die für die Beantwortung der Großen Anfrage ermittelt worden sind. In den Zeitungen war dazu allerdings nicht zu lesen, daß der Drogenmißbrauch nachgelassen habe und nicht mehr, wie für 1971 angenommen werden mußte, jeder dritte Jugendliche Drogenerfahrung hat, sondern nur noch jeder sechste. Die
Zeitungsüberschriften hatten den umgekehrten Akzent und meldeten: „Jeder sechste Schüler hat Rauschdrogen genommen."
Das ist es, meine Damen und Herren, was ich eingangs meinte: Dramatisierung statt sachlich nüchterner Vergleich. Ich werde meinerseits nichts tun - das ist ganz klar um das Problem zu verniedlichen. Der ganze Ernst und die Schwierigkeit muß jedem von uns ständig bewußt bleiben. Aber in solchen Zeitungsmeldungen spiegelt sich ein mit Furcht durchsetztes Interesse, das in Resignation umschlägt, wenn der Eindruck aufkommt: Es hat alles nichts genutzt; Millionenbeträge haben nichts ausrichten können. Dann wird man wieder - bezogen auf d i e Jugend - von selbstverschuldeter Gefährdung sprechen und fordern, die Hilfen einzustellen und die Drogenabhängigen sich selbst zu überlassen - eine im Grunde doch wohl inhumane Einstellung, die in einem sozialen Staat nicht aufkommen darf.
Die Drogengefährdung eines Teiles der Jugend folgt den Grundsätzen, die wir von ansteckenden Krankheiten kennen. Die zu ihrer Bekämpfung einzusetzenden Maßnahmen haben sich entsprechend auszurichten. Zuerst muß die Ausbreitung der Epidemie verhindert werden. Bei ansteckenden Krankheiten kann man dies durch Schutzimpfungen und Erschwerung der Übertragbarkeit tun. Bei sozialen Epidemien - und darum handelt es sich in diesem Falle - kann man, muß man durch Information, Beratung und auch Warnung, selbstverständlich auch durch die Einschränkung der Verfügbarkeit gefährlicher Drogen, die Anfälligkeit verringern, die Abwehrhaltung verstärken. Dies ist in großem Umfang durch den Einsatz vielfältiger Aufklärungsmedien erfolgt, und - wie an dem gewachsenen Informationstand besonders der jungen Leute ablesbar ist - mit Erfolg. Die Abwehrhaltung bei den nicht konsumierenden Jugendlichen ist teilweise so stark geworden, daß sie die Minderheit der Drogen konsumierenden Jugendlichen ablehnen und diese dadurch vielleicht noch mehr ins Abseits treiben und sogar zu Minderheitenreaktionen veranlassen, die wiederum mit verstärkter Gefährdung verbunden sind. Deshalb wurden die Aufklärungsmaßnahmen weiterentwickelt und nicht nur auf die Drogen selbst beschränkt, sondern erweitert, damit man verstehen lernt, warum Jugendliche zu Drogen greifen.
Dieser Ansatz wird auch künftig von uns verfolgt. Wir haben dafür jetzt, um ein Beispiel zu nennen, sogar ganze Unterrichtseinheiten entwickelt und werden diese in Kürze den Kultusministern zur Prüfung zuleiten.
Darüber hinaus werden in verstärktem Maße Eltern und Erzieher angesprochen werden, damit sie auf die Entstehungsbedingungen der psychosozialen Grundstörungen achten lernen, die schließlich den Griff zu Drogen auslösen.
Der zweite Bereich des Reagierens auf das epidemiologische Geschehen ist die Behandlung der Erkrankten, einerseits damit sie wieder gesund werden und andererseits damit sie nicht andere anstekkenu. Das ist bei sozialen Epidemien, die ja immer mit einem veränderten Verhalten des Betroffenen verbunden sind, nicht leicht. Die Bundesregierung hat deshalb gemeinsam mit den Ländern ein Großmodell geschaffen und finanziert, mit dem Erfahrungen mit sehr verschiedenen Ansätzen der Beratung und Behandlung gewonnen werden sollten.
Die jetzt vorliegenden Erfahrungen werden derzeit ausgewertet, und wir hoffen, damit bessere Behandlungsmethoden und -verfahren zu finden, die wesentlich größere Heilungsaussichten versprechen, als wir sie im Augenblick haben. Die Besonderheit dieser Behandlungen ist darin zu sehen, daß der drogenabhängige Jugendliche zunächst einmal drogenfrei werden muß, ohne daß seine individuellen Grundstörungen damit schon beseitigt wären. Er muß deshalb lernen, seine Schwierigkeiten zu erkennen und sie zu überwinden oder auszugleichen.
Da der Mißbrauch von Drogen über längere Zeit seinerseits noch Schädigungen, insbesondere Reifungsverluste, bedingt, müssen auch diese noch ausgeglichen, muß auch die Reifung noch nachgeholt werden. Diese therapeutische Aufgabe ist so schwierig, daß man die bisher geringen Erfolge nicht zum Maßstab dafür machen kann, was auf diesem Gebiet getan worden ist und erreicht werden kann.
Wir glauben, auf Grund der Ergebnisse dieser Erfolgskontrolle und der Erkenntnisse gezielter Forschungsaufträge in absehbarer Zeit in der Lage zu sein, geschlossene Therapieketten als Modelle zu entwickeln, die diesen ungewöhnlichen medizinischen und sozialtherapeutischen Ansprüchen gen. Da es sich um eine Langzeittherapie mit einer Dauer von zwei bis vier Jahren handelt, benötigen wir sehr verschiedene, aufeinander abgestimmte Einrichtungen, die in einer solchen Therapiekette zusammengeschlossen sind.
Der klinischen Entgiftung und der Behandlung von Begleiterkrankungen folgt dann der psychische Entzug mit dem Ziel der Drogenfreiheit. Dann kommt die erste Stufe der Wiedereingliederung, für die Einrichtungen in Form von Heilstätten vorzusehen sind, in der die Selbstfindung und die Überwindung der persönlichen Schwierigkeiten erfolgen soll -ein Prozeß, der auch schon während des psychischen Entzugs eingeleitet werden kann.
Danach folgt in einer offenen Einrichtung, etwa in einer therapeutischen Wohngemeinschaft, die weitere Phase der Wiedereingliederung, verbunden mit dem Ausgleich des schulischen oder beruflichen Rückstandes und der weiteren Festigung der Person. Schließlich wird, ebenfalls in Wohngemeinschaften oder anderen geeigneten Einrichtungen, die Stabilisierung folgen, bei der mit steigenden Belastungen die Eingliederung in die Gesellschaft und in einen den individuellen Fähigkeiten entsprechenden Beruf vorgenommen werden kann.
Das ist ein langwieriger Weg. Wer aber hier die Frage nach den Kosten anschließt und vielleicht die Meinung hat, daß diese der Gesellschaft nicht angelastet werden können, sollte sich fragen lassen, ob er nicht möglicherweise ein falsches Sozialverständnis hat. Wer sozial sein will, muß denen, die
sozial unterprivilegiert sind, mehr an sozialer Hilfe zugestehen als anderen.
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Die Gewährung von Hilfe kann und darf nicht abhängig sein von persönlicher Schuld oder NichtSchuld des Hilfebedürftigen an seiner eigenen Notlage. Daran, daß viele, wenn nicht die Mehrzahl derjenigen, die von Drogen abhängig werden, in vielfältigster Form psychosoziale Defizite aufweisen, kann heute kein Zweifel mehr sein. Die Frage, wer an diesen Defiziten schuld ist, geht mindestens nicht an der Gesellschaft vorbei. Zu den für ein solches epidemisches Geschehen notwendigen Maßnahmen gehören die Ursachenforschung und die an der Wurzel angreifende Vorbeugung. Wir stehen dabei nicht mehr am Anfang, und wir sehen nunmehr den Fortgang des Problems, welches sich mit der Drogengefährdung eines Teils der Jugend zu erkennen gibt. Dabei ist der Drogenmißbrauch nur eine Ausdrucksform jenes Geschehens. Der wachsende Alkoholismus bei Jugendlichen gehört ebenso dazu wie andere Fehlverhaltensweisen, die vom Leistungsnihilismus bis zu bestimmten Formen der Jugendkriminalität reichen und auch diejenigen einschließen, die mit ihrem Leben überhaupt nichts anzufangen wissen, daran verzweifeln und es wegwerfen. Die Zahl der Selbstmorde der jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren liegt bei mehr als 1 000 jährlich und liegt damit wohl zehnmal höher als die Zahl der durch Drogenmißbrauch umgekommenen jungen Menschen.
Es geht man möchte fast sagen: wie immer um Defizite im Erziehungsbereich oder im sozialen Nahraum des jungen Menschen. Da ist die Unvollständigkeit der Familie, bei der einfach ein Element der Zuneigung, der Hilfe, der Geborgenheit, der Erziehung für den jungen Menschen fehlt. Da sind die Kinder aus zerrütteten Ehen, bei denen es zwischen den Eltern wie zwischen den Eltern und dem Kind keine wirklichen Bindungen gibt. Da ist in manchen Fällen auch der Mangel an Geschwistern oder die unterentwickelte Fähigkeit, Freunde zu finden und sich an andere anzuschließen. Da ist vielleicht auch das fehlende Erfolgserlebnis in der Schule oder in der beruflichen Ausbildung, das soziale Milieu in der Randgruppe, in die ein Kind hineingeboren wird, die vom Kind nicht abwendbare Situation, im Heim aufwachsen zu müssen, die elterliche Prestigeentscheidung für einen vorn Kind nicht gewollten oder nicht erfolgreich vollziehbaren schulischen oder beruflichen Ausbildungsweg, das Erlebnis von Ungerechtigkeit, ohne kräftig genug zu sein, sie abwenden zu können. All solche erzieherischen und sozialen Hintergründe sind es, die in verschiedenen Kombinationen das abweichende Verhalten junger Menschen vorbereiten. Es gibt in unserer Gesellschaft eine größere Anzahl junger Menschen, die in ihrer psychosozialen Entwicklung zu kurz gekommen sind, und deshalb mit Ersatzbefriedigungen das zu übertönen versuchen, was ihnen fehlt.
Was ist die Antwort der Gesellschaft auf diese Situation? Stehen wir ratlos und hilflos vor solcher Problematik? Ich möchte sagen: nein. Wir können wenn wir wollen, die Bedingungen verändern, unter denen junge Menschen in unserer Gesellschaft aufwachsen. Wir können Eltern anregen, Erziehung zu lernen, und wir können dafür ein Angebot machen. Wir können die frühkindliche Erziehung verbessern. Wir haben bereits in der Bildungsplanung die Priorität auf den Bereich des Kindergartenwesens, der Elementarerziehung gelegt. In Zusammenarbeit mit den. Ländern steht die Verbesserung der Erziehungsberatung an. Die Neugestaltung des Adoptionsrechts ist ein Thema, das dieses Haus zur Zeit beschäftigt. Die Reform des elterlichen Sorgerechts wird vorbereitet. Ein Diskussionsentwurf für ein neues Jugendhilferecht liegt vor. Die Weiterentwicklung der Jugendförderung, gerade auch im außerschulischen Bereich, ist unser ständiges Thema. Die Ausdehnung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte junger Menschen, bezogen auf die eigene Lebensgestaltung und vornehmlich am Arbeitsplatz, aber auch in den Rechten des jungen Menschen in der Gesellschaft, ist unsere emanzipatorisch tendierende Antwort auf dieses Problem.
Aber seien wir ehrlich: So richtig und grundlegend diese Bemühungen darauf gerichtet sind, die gesellschaftliche Situation zu verändern, in der der junge Mensch aufwächst, so sehr bleibt daneben richtig, daß dies allein nicht genügt. Zur erfolgreichen Überwindung von Defizitsituationen im sozialen und erzieherischen Nahraum gehören auch Dinge, die der Gesetzgeber nicht beschließen kann. Zuneigung, elterliche Liebe kann man nicht anordnen. Doch es ist offenbar, daß der junge Mensch ein primär soziales Wesen ist und auf den menschlichen Kontakt angewiesen ist, der für ihn oftmals mehr bedeutet als nebeneinander zu arbeiten, zu wohnen und sich gelegentlich am Mittagstisch zu treffen.
in diesen Bereich hinein gibt es dann wohl nur die Möglichkeit des Appells, vornehmlich des Appellierens an die Eltern, sich selbstkritisch zu prüfen, ob sie sich wirklich genügend bemühen, um für ihre Kinder keine Mangelsituationen eintreten zu lassen, auch des Appellierens an uns alle, zur Verfügong zu stehen für Hilfe für diejenigen jungen Menschen, die keine Eltern haben. Heimerziehung sollte in Zukunft wohl die letzte der Antworten sein. Vorher müssen alle Wege für familiennahe Erziehungsformen, auch für diejenigen, die keine Eltern haben, ausgeschöpft werden.
Appellieren möchte ich aber in diesem Zusammenhang auch an die jungen Menschen selbst. Ein Verhalten, daß die Dinge treiben läßt, ist nicht akzeptabel. Vieles, aber nicht alles Fehlverhalten, läßt sich gesellschaftlich begründen. Ohne eigene Willensanstrengung läßt sich keine Schwierigkeit überwinden.
({7})
Es gibt in unserem Lande die vielfältigsten Möglichkeiten der Selbstorganisation von Jugendlichen. Die Gruppe Gleichaltriger ist für jeden eine Hilfe. Die Erkenntnis der eigenen Rechte und Interessen und deren verantwortungsbewußte Wahrnehmung wächst in der Gemeinschaft.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die Drogengefährdung in ihrer jetzigen Form bringt uns auf
eine sehr komplexe Problematik, von der aus sich immer wieder soziale Epidemien ausbreiten können, und zwar nicht nur in der Form des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln, sondern in allen Ausdrucksformen abweichenden Verhaltens. Die isolierte Bekämpfung des Drogenmißbrauchs wäre deshalb nur ein Herumkurieren an Symptomen; die Ursachen bleiben dann unverändert.
Dies bedeutet nicht, die Sofortmaßnahmen, die derzeit mit großem Aufwand betrieben werden, in all den Bereichen aufzugeben. Es bedeutet aber, sich über dieses vordergründige Problem hinaus um grundlegende Veränderungen zu bemühen. Man könnte sagen, daß all das, um was es dabei geht und was hier sowohl in seinen materiellen und rechtlichen Bezügen als auch unter dem Aspekt vorbildhaft wirkenden Verhaltens angesprochen worden ist, ergänzt und zum Teil unter dem Begriff „Psychohygienisches Langzeitprogramm" zusammengefaßt werden könnte.
({8})
Dazu gehören dann auch Beratungs- und Bildungsangebote die, wenn sie einmal unterbreitet und wahrgenommen werden, mehr für das Soziale in unserer Gesellschaft erreichen können als den Abbau bestimmter Fehlverhaltensformen.
Das Drogenproblem und die ihm zugrunde liegenden Ursachen sind für uns alle ein Denkanstoß. Sie zeigen uns sehr genau, wo es der Verbesserung von Lebensqualität bedarf. Wir sollten das nicht vergessen, wenn es darum geht, später auch gerade in diesem Haus die Entscheidungen darüber zu treffen, wie für die Stärkung der Erziehungsfähigkeit der Familie und für die Durchsetzung gerade auch eines neuen Jugendhilferechts und dessen mögliche Ausfüllung die Zustimmung aller und die Beschaffung der Mittel dafür erreicht werden kann. Es handelt sich um einen Denkanstoß von bestürzender Dirnension, der vieles von dem in Frage stellt, was wir als selbstverständlich hinnehmen - einen Denkanstoß, dem sich keiner entziehen darf, der will, daß es für alle in dieser unserer Gesellschaft besser wird.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung machen. Den Trick des Redners der Opposition, am Ende seiner demagogischen Ausführungen den Beifall des ganzen Hauses dadurch einzuheimsen, daß er mit dem Schluß seiner Rede gleichzeitig den Dank an die vielen Menschen verband, die auf diesem Sektor arbeiten, konnten wir leider nicht unterstützen. Denn unser Beifall sollte nicht einer Rede gelten, die bisher - leider - wesentlich den Stil dieser Debatte bestimmt hat.
Natürlich dankt auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den vielen Pflegern, Therapeuten, Sozialberatern, Krankenschwestern, Ärzten, Polizeibeamten und Zollbeamten, die alle auf ihrem jeweiligen Gebiet gearbeitet und gewirkt haben. Ich
möchte das ganz gerne klarstellen, weil wir uns hier Ihrem Beifall natürlich nicht anschließen konnten.
Wenn der Herr Kollege Rollmann davon ausgeht, daß 1968, wie er sagte, wie ein Steppenbrand eine Rauschgiftepidemie unser Land überzogen hätte, und letzten Endes beim Aufsuchen der ursächlichen Faktoren zu dem Schluß kommt: „Wie muß es um einen Staat bestellt sein, in dem eine so große Zahl von Süchtigen aus gesellschaftlichen Gründen nicht wieder gesund wird und nicht zum richtigen Weg zurückgeführt werden kann", dann kann ich doch nur sagen: wenn dies im Jahre 1968 hier begonnen hat - es gibt Anzeichen dafür, daß es bereits 1965 begonnen hat -, wer hat denn eigentlich die inner-gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Land, wer hat denn die gesellschaftliche Situation in der Zeit zu verantworten gehabt?
({0})
Nun werden Sie mir sagen, 1968 hätten wir ja mitregiert. Das ist richtig.
({1})
- Beruhigen Sie sich, Herr Kollege; ob ich aufhöre
oder nicht, werde ich bestimmen. Sie werden zuhören, wie wir auch den Ausführungen von Herrn Rollmann zugehört haben.
({2})
Wer hier so ungeheure Unterstellungen in die Landschaft stellt, muß sich gefallen lassen, daß darauf erwidert wird. Es ist doch ein fundamentales Mißverständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge, wenn Sie der Meinung sind, daß der Staat, der zur Zeit von irgendeiner politischen Kraft regiert wird, unverzüglich auch die gesellschaftlichen Bedingungen ändern kann. Dies sind doch Entwicklungsprozesse, die Jahrzehnte währen.
Das gleiche fundamentale Mißverständnis hat meiner Meinung nach der Kollege Rollmann erkennen lassen, als er nachdachte und reflektierte über die Wirksamkeit von staatlichen Aktionen und deren gesellschaftspolitische Auswirkungen und deren Erfolg. Sie wissen doch ganz genau, daß wir es hier mit einer großen Gruppe von Menschen zu tun haben, die - so ist doch die allgemeine Auffassung und so haben wir es gestern in dem internationalen Abkommen als Grundsatz beschlossen - in der ganzen Welt einmütig als Kranke bezeichnet werden. Sie kommen nun mit staatlichen Aktionen, Sie kommen mit Administration, Sie kommen mit Gesetzen, Sie kommen mit Indizierung von Büchern usw. und glauben, daß Sie damit eine Krankheit kausal bekämpfen können. Dies alles können doch nur Hilfsmaßnahmen und Hilfsaktionen sein.
Das dritte fundamentale Mißverständnis über diese Debatte ist meiner Auffassung nach, daß Sie, anstatt sich den Dingen zu widmen und zu versuchen, die Entwicklung nachzuvollziehen und zu beobachten, wieder in dem allgemeinen Kriseneintopf herumrühren, wobei natürlich das Wort Inflation und inflationäre Entwicklung nicht fehlen darf.
Ich meine, wir sollten die Auseinandersetzung nicht in diesem Stil führen. Der Herr Staatssekretär
Dr. Meinecke ({3})
hat doch soeben dargelegt, daß die gerechte und sachliche Beurteilung der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Opposition umfassend, ausführlich und eingehend ist und daß das breite Spektrum der staatlichen Aktivitäten über die einzelnen Ressortgrenzen hinaus die Gesamtverantwortung der Regierung erkennen läßt. Die Regierung hat damit auch bewiesen, - ({4})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, wenn ich meinen Satz zu Ende gesprochen habe, dürfen Sie reden, Herr Rollmann.
Die Regierung hat auch bewiesen, daß sie den zahlreichen Anregungen aus dem Hause, aus dem Parlament, den Wünschen in den letzten zwei, drei Jahren in den wesentlichsten Gesichtspunkten gefolgt ist.
Bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Dr. Meinecke, Sie haben mit Recht von der Gesamtverantwortung der Regierung gesprochen. Können Sie uns vielleicht erklären, warum sich diese Gesamtverantwortung dieser Regierung heute morgen nur durch die Anwesenheit eines Parlamentarischen Staatssekretärs ausdrückt? Wo ist denn der zuständige Minister für diesen Bereich?
({0})
Herr Kollege Rollmann, Sie können offenbar vom Gleis der Demagogie nicht abweichen. Wenn ich genauso demagogisch wäre, würde ich, da Sie hier auf die Zusammenarbeit von Bundesregierung, Ländern und Gemeinden hinweisen, die Gegenfrage stellen: Wo sind denn die von Ihnen gestellten Landesregierungen,
({0})
die offenbar zu dieser Kooperation bereit sind und die mithelfen und mitwirken wollen? Es liegt eben daran, daß diese Debatte heute morgen wahrscheinlich zu einem falschen Zeitpunkt und mit einem falschen Ansatzpunkt geführt wird. Nur so kann ich mir das jedenfalls erklären.
Ich sagte - und wir sollten uns das vor Augen führen --: der fundamentale Irrtum liegt in der falschen Einschätzung der Einwirkungsmöglichkeiten staatlicher administrativer Maßnahmen, wenn es sich darum handelt, auf gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen einzuwirken. Unser Staat, Herr Kollege Rollmann, ist eben kein Obrigkeitsstaat, und jedes gesetzliche und administrative Eingreifen kann doch in diesen Fällen nur ein Lenken, ein Leiten, ein Warten sein, das Initiieren langfristiger Programme und Entwicklungen, von denen man allmählich Besserung und Änderungen erwarten und erhoffen kann.
Auch bei dem Fragenkatalog haben Sie eindeutig bewiesen, daß Sie dies nicht berücksichtigt haben. Sie haben doch überhaupt nicht versucht, die Regierung analytisch zu fragen und sie aufzufordern, erst einmal die einzig wichtige politische Frage darzustellen: Hat sich auf Grund der Bemühungen dieses Hauses, der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Gemeinden die Situation in den letzten zwei, drei Jahren geändert, oder hat sie sich nicht geändert? Diese Frage haben Sie nicht einmal gestellt. Sie haben diese Frage zwar 1972 gestellt; das will ich gern zugeben. Aber Sie haben 1972 wieder einen fundamentalen Irrtum erkennen lassen. Damals fragten Sie in Ihrer Frage 3: Kann die Bundesregierung schon jetzt Angaben darüber machen, wie sich die Novellierung des Opiumgesetzes - jetzt das Betäubungsmittelgesetz - vom 22. Dezember 1971 auf die Rauschmittel- und Drogenkriminalität ausgewirkt hat? Das war Anfang 1972, genau ein halbes Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. Herr Kollege Rollmann, was haben Sie für Vorstellungen von diesen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen und den Möglichkeiten, durch Gesetze und durch administrative Maßnahmen darauf einzuwirken? Sie haben falsche Vorstellungen, und Ihre Vorstellungen werden der Sache nicht gerecht. Ich muß Ihnen das hier leider ganz offen sagen.
Die Antwort der Bundesregierung versucht wenigstens, Ihren Fragen zuvorkommend, diesen Problemen gerecht zu werden. Es scheint tatsächlich so zu sein, daß sich das Bild gewandelt hat. Die Zahl der absolut Drogensüchtigen nimmt ab. Das ist eindeutig zu beweisen. Es steigen mehr aus als ein! Das ablehnende Verhalten in breiten Kreisen von Jugendlichen und jungen Menschen nimmt zu. Die Rangliste der Zugriffsmotive zeigt einen Rückgang der gesellschaftskritischen Motivierung und eine Zunahme der nebensächlichen Motivierung im Sinne der Ersatzbefriedigung. Die Abnahme der gesellschaftskritischen Motivierung beweist doch gerade, daß Ihre Anschuldigung - „Wie muß es um einen Staat bestellt sein?" - nicht richtig ist, sondern daß sich im Gegenteil jahrelange Bemühungen auf dem Gebiet der Sozialpolitik, der Gesellschaftspolitik und der Bildungspolitik jetzt langsam auszuwirken beginnen!
Es ist eindeutig beweisbar -- sehen Sie in die vielen Berichte aus den einzelnen Bundesländern! -, daß Angst und Hoffnungslosigkeit, Unwissenheit und Intoleranz gegenüber diesem Problem abgenommen haben. Man redet hierüber unbefangen miteinander, man redet in den Schulen miteinander, man spricht sich offen aus. Man ist sich klar darüber, was Sucht ist, was es bedeutet, abhängig zu sein. Wohin führt der Weg, wie können wir allgemein dieser Entwicklung begegnen, was können wir neben den notwendigen gesetzlichen Maßnahmen dagegen tun? Aber wenn wir darüber eine Debatte führen wollen, dann sollten wir diese beiden Themenkreise doch fein säuberlich voneinander trennen. Ich hatte heute
Dr. Meinecke ({1})
morgen tatsächlich befürchtet, es beginne hier eine kriminalpolitische Debatte. Sie haben bei der Heranziehung von schrecklichen statistischen Daten, um diesen „Steppenbrand" so richtig zu untermalen, von der großen Zahl der Apothekeneinbrüche gesprochen. Natürlich; aber woher kommt das denn? Sie müssen sich doch darüber im klaren sein, daß die wirksame Methode, der Epidemie zu begegnen, indem man staatlicherseits den Zugriff zu den Drogen blockiert, einen Nachteil zur Folge hat: daß nämlich der Zugriff erneut mit Hilfe krimineller und anderer Handlungsweisen herbeigeführt wird, solange man nicht der Sucht selber in ihrem ursprünglichen Problem, in ihrer Tiefe, in ihren Motivationen, die gesellschaftlich bedingt sind, Herr wird. Das wird immer so bleiben. Wenn Sie morgen verordnen, daß die Apotheken eiserne Scherengitter vor ihre Räume setzen, dann werden übermorgen andere Phänomene eintreten. Das wird sich erst im Laufe der Jahre ändern.
Es hat im Laufe dieser Woche - falls Sie bei der Lektüre der letzten „Spiegel"-Nummer über die ersten Seiten und das Titelbild hinausgekommen sein sollten - einen ganz interessanten Artikel aus den Vereinigten Staaten gegeben. Hier wird durch viele wissenschaftliche Gesellschaften eindeutig bewiesen, daß dort ein aufregendes Zurückgehen des Gebrauchs und Mißbrauchs von harten Drogen wie Heroin zu verzeichnen ist. Es gibt amerikanische Zeitungen, die sagen, es sei jetzt zum erstenmal Licht am dunklen Horizont zu sehen. Nun, meine Damen und Herren, ich will hier ganz gewiß nicht Silberstreifen an den Horizont malen, ohne daß die realen optischen Effekte beweisbar wären. Aber ich glaube tatsächlich, daß wir vor einer gewissen Entspannung, vor einer vernünftigen Entwicklung stehen und daß wir in den nächsten Jahren, wenn wir alle zusammen in unseren Bemühungen fortfahren, diese Situation nicht mehr als so hoffnungslos und nicht mehr als so dramatisch betrachten werden. Natürlich bedeutet das keine Entdramatisierung, aber haben Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Verständnis dafür, daß zu dramatisierenden Effekten in der Beurteilung der Lage hier die Gegensätze und die Kontrapunkte gesetzt werden mußten.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, Herr Staatssekretär Westphal, haben soeben beim Beginn ihrer Rede deutlich gesagt, daß die Große Anfrage der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Ihnen Gelegenheit gibt, Neues vom Stand von heute an der Drogenfront zu berichten. Damit haben Sie doch selbst zugeben müssen, daß es Neues gibt und daß die große Aktualität Rauschmittelmißbrauch und Drogenbekämpfung immer noch gegeben ist. Es ist, wenn man so will-und ich glaube, Sie haben das kürzlich einmal in einer Rede auch so formuliert --, heute eine andere Aktualität als vor ein oder zwei Jahren, aber auch Ihre Ausführungen und die Antwort auf unsere Große
Anfrage zeigen doch deutlich, daß wir noch weit von ( einer Lösung des Rauschmittelproblems entfernt sind.
Ich glaube, es ist kein Argument, wenn Sie sagen, daß unsere parlamentarische Aktivität die Bürokratie beschäftigt und sie von anderer Arbeit abhält. Ich meine, daß es Sinn und Aufgabe parlamentarischer Initiativen ist, daß man sich gründlich mit einem aktuellen Problem befaßt, daß man den Versuch einer klaren Diagnose wagt und daß man nach neuen Wegen Ausschau hält. Dies wird sicherlich mit gelegentlichen Prisen polemischer Art gewürzt - das ist ganz klar -, aber der Kern dieser Ausführungen und auch der Ausführungen meines Kollegen Rollmann war doch im Grundtenor sehr ernst und auch in der Aussage überzeugend.
({0})
Sie selbst, Herr Staatssekretär, haben in Ihrer Rede, die Sie vor knapp einem Jahr vor der Kaufmännischen Krankenkasse in Lübeck gehalten haben, im Grunde ähnlich argumentiert. Ich darf einige Ihrer Statements von damals heute vortragen. Sie erklärten damals, daß trotz einer zahlenmäßigen Stagnation, trotz des Rückgangs der Benutzerfrequenz bei den älteren Jugendlichen und trotz ihrer besseren Kenntnis von der Gefährlichkeit auch scheinbar harmloser Drogen sich die Situation eher verschärft als erleichtert habe. Sie führten weiter aus, daß man sich von einer zahlenmäßigen Stagnation nicht täuschen lassen dürfe. Ebenso sei es falsch, sich ausschließlich auf diejenigen zu beziehen, die drogenabhängig und süchtig werden, die dem Staat zur I Last fallen oder an einer Überdosis sterben. Man dürfe die Dauerschäden nicht übersehen, die durch Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit und den Verlust an persönlichem Glück sich bei vielen Probierern ergeben haben. Sie sagten weiter wörtlich:
Das größere Angebot harter Drogen, die Kriminalisierung und Organisation des illegalen Handels, die veränderten Rauscherwartungen der jüngeren Drogenprobierer, die größere Risikobereitschaft und die geringere Kritikfähigkeit, welche mit ihrer Entwicklungsstufe verbunden sind, und der aus demselben Grunde veränderte Motivhintergrund, dies alles
- so meinten Sie kann jene verhängnisvolle Kette bilden, die
dazu führt, daß zunehmend mehr Jugendliche
der Droge zum Opfer fallen. Wir haben also
allen Grund,
- nso meinten Sie größte Anstrengungen zu unternehmen, dieses Problem zu lösen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß diese Aussage vor einem Jahr heute noch aktuell ist. Die Drogenszene ist im Grunde unverändert. Dies beweisen auch Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Landes Baden-Württemberg, die alle übrigen deutschen Ergebnisse bestätigt. Auch sie läßt erkennen, daß sich Drogengewohnheiten auf ländliche Bezirke erstrecken, daß also eine regionale Ausweitung stattgefunden hat, daß die sogenannten
Drogenkarrieren rascher verlaufen und der Schritt zur harten Droge eher einsetzt.
Zwar ist der Informationsstand der Jugend überraschend gut, und gerade die kritische Jugend hat eine distanziertere Haltung dazu eingenommen. Aber die neue Generation der Konsumenten gibt neue Probleme auf, weil deren unzureichende persönliche Differenziertheit und Beeinflußbarkeit das kritische Einsichtsvermögen blockieren und die therapeutischen und helfenden Aktivitäten zusätzlich behindern. Es bedarf heute nicht mehr sosehr der dialektischen Auseinandersetzung. Statt dessen steht der Helfer heute vor Aufgaben, die zwar intellektuell weniger reizvoll sein mögen, aber desto schwerer zu bewältigen sind.
Im übrigen, sehr verehrter Herr Dr. Meinecke, ist es wohl nicht so, daß die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse verschiedene Drogenabhängige veranlaßt hat, auf eine größere Distanz zu gehen. Ich darf an einen Aufruf von Röhl in „konkret" erinnern, der meinte, nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse hätten sich verändert, sondern wir, die wir empfohlen hätten, sich durch Rauschmittelgebrauch freizumachen, hätten uns geirrt, wir hätten eine falsche Therapie vorgeschlagen. Der Griff zur Droge bringe keine Freiheit, sondern neue Abhängigkeiten. Vor allen Dingen diese Einsicht, sehr geehrter Herr Dr. Meinecke, hat nach meiner Auffassung eine gewisse Distanziertheit zur Droge bewirkt.
Sicherlich gebührt auch in der Zukunft der Aufklärung und der Prävention der Vorzug. Wie auf keinem anderen Gebiet aber kommt es gerade im Bereich der Drogenbekämpfung auf persönliche Hilfen und Initiativen an. Fähige und opferbereite Helfer sind daher wichtiger als Geld. Wir begreifen deshalb nicht, daß es die Bundesregierung nicht verstanden hat, die vorhandenen erfahrenen Kräfte optimal zu aktivieren und voll in die Maßnahmen des Programms zu integrieren.
Das „Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs" vom November 1970 wurde nicht mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege abgesprochen, Viele Facheinrichtungen dieser Träger sind vom Förderungsprogramm praktisch deshalb ausgeschlossen, weil keinerlei Information über die Möglichkeiten der Förderung rechtzeitig erfolgt ist. Ich kenne einen Verband, der etwa 70 qualifizierte Einrichtungen zur Beratung und Therapie Drogenabhängiger unterhält. Er verzeichnet nur eine Förderung aus Bundes- und Landesmitteln von fünf Einrichtungen. Dagegen finden Sie auf der Liste der mit Bundesmitteln geförderten Modelleinrichtungen solche, die ihre Arbeit bereits wieder eingestellt haben. Ja, es könnten sogar solche Einrichtungen dabei sein, die überhaupt nie praktisch gearbeitet haben.
Wer die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage genau liest, findet darin das Eingeständnis einer falschen Planung. Gerade aber die Förderung der bewährten und erfahrenen ambulanten Einrichtungen ist von allergrößter Wichtigkeit.
Die stationäre Therapie in Heilstätten und Kliniken ist nur dann sinnvoll und erfolgversprechend, wenn neben guter Vorbereitung auch eine qualifizierte und langfristige ambulante Nachbetreuung gewährleistet wird. Erst sie garantiert die eigentliche Stabilisierung und Rehabilitation. Sogenannte Modellkliniken für Drogenabhängige sind ihr Geld nicht wert, wenn sie auf der therapeutischen grünen Wiese gebaut werden. Mit derartigen Einrichtungen werden nur Hoffnungen geweckt, die auf Grund der mangelnden Nachsorge unerfüllbar bleiben müssen. Damit wird letztlich die Resignation bei den Therapeuten, den Betroffenen und der Gesellschaft nur gefördert.
Ich erinnere mich, daß bei dem öffentlichen Hearing zur Lage der Psychiatrie im Landeskrankenhaus Emmendingen der Chefarzt der Psychoanalytischen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses HamburgBarmbek die Chance eines Heilungserfolgs als fast hoffnungslos bezeichnet hat, dies insbesondere wohl deshalb, weil es noch nicht gelungen ist, die von Ihnen, Herr Staatssekretär, vorhin geschilderte Rehabilitationskette - ich möchte das unterstreichen - sinnvoll zu schließen. Dieser Gesamtprozeß der Gesundung und der Eingliederung der Drogenbefallenen ist heute noch nicht garantiert, ist heute noch nicht voll gegeben. Hier könnte und müßte doch der Bund in Absprache mit den Ländern und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege unter Umständen über Vergaberichtlinien für Zuschüsse eine wichtige Koordinationsarbeit leisten. Es wäre wünschenswert, daß zwischen den wichtigen Schlüsselpersonen und -organisationen auf dem Gebiet der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ein ständiger Informationsaustausch stattfindet. Wir schlagen vor, daß an den regelmäßigen Treffen der Länderbeauftragten für Drogenfragen mit dem Fachministerium auch je ein Vertreter der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege teilnimmt.
Ich möchte hier auf ein Zweites kritisch hinweisen. Beim Besuch unseres Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit beim Bundesgesundheitsamt in Berlin Anfang dieser Woche lasen wir wohl alle völlig überrascht in einem uns vorgelegten schriftlichen Bericht folgende aktuelle Bemerkung:
Auf dem Gebiet der Rauschgiftbekämpfung konnte die Bundesopiumstelle bisher praktisch nicht tätig werden,
({1})
da eine entsprechende Ausstattung noch nicht erfolgt ist.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Wer ist für dieses Versäumnis verantwortlich? Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Aktionsprogrammes teilt eine Bundesoberbehörde dem Fachausschuß schriftlich mit, daß sie bisher nicht tätig werden konnte, da eine entsprechende Ausstattung noch nicht erfolgt ist!
Im übrigen zeigen sich auch einige neue schwache Stellen, die eine Zunahme der Rauschgiftkriminalität geradezu herausfordern. Während die Apotheken ihre Schutzeinrichtungen für gelagerte Betäubungsmittel verbessern und die Lagerbestände
kleinhalten, bietet der Großhandel immer noch geradezu ideale Verhältnisse für Einbrüche. Dort werden größere Mengen von Betäubungsmitteln viel- fach noch ungenügend geschützt gelagert. Wie zu Großvaters Zeiten haben Kontrollbeamte noch Eichenschränke ältester Art als Lager angetroffen, in denen größere Mengen von Drogen aufbewahrt werden.
Die Drogenstelle beim Bundesgesundheitsamt unterhält zur Zeit nur eine Fachkommission, die in der Bundesrepublik Kontrollen beim Großhandel und in Fabriken durchführt. Zwölf Kommissionen wären notwendig - so hat man uns gesagt -, um in zwei Jahren wenigstens einmal alle in Frage kommenden Stellen zu kontrollieren. Lediglich zwei Kommissionen sind genehmigt. Nur eine arbeitet; eine zweite wird eben gebildet. Auch die Arbeitsmöglichkeiten dieser Kommissionen müßten in mancherlei Hinsicht der besonderen Aufgabenstellung angepaßt werden. Beamtenrecht, Reisekostenrecht und andere Details behindern den optimalen Einsatz dieser Mitarbeiter, die sich ihrer Aufgabe mit großem Engagement widmen.
Meine Damen und Herren, gerade diese Erfahrungen anläßlich unseres Besuches beim Bundesgesundheitsamt in Berlin zeigen deutliche Widersprüche zwischen den Aussagen des Aktionsprogramms und der Wirklichkeit im Alltag auf. Da es sehr schwierig ist, bestimmte Drogen unter Kontrolle zu halten, könnte man doch erwägen, einige völlig aus dem Verkehr zu ziehen. Auf Kodein, Morphium und anderes kann heute verzichtet werden. Diese Mittel können durch synthetische ersetzt werden, die leichter zu kontrollieren sind.
Ein Letztes. Herr Dr. Böhringer vom Institut für Bildungsberatung und Studieninformation in Baden-Württemberg nannte als Motiv für den Rauschgiftkonsum u. a. sowohl fehlende Liebe und Geborgenheit für die Kinder als auch ihre Verwöhnung. Häufig seien die Eltern selbst negative Vorbilder, wenn sie vor Konflikten in den Rausch fliehen. Das Wichtigste, was Eltern vorbeugend tun können, scheint deshalb zu sein, den Kindern eine Erziehung zu geben, in der Probleme aktiv und produktiv angegangen werden und in der die Kinder in bestimmten Bereichen auch begreifen müssen, daß sie nicht alles bekommen, sondern Abstriche und Verzichte hinnehmen müssen. Sonst züchten wir geradezu den Typ, der die Droge zur Lösung seiner Probleme braucht.
Weder das Leben noch die Gesellschaft sind ein mildes, warmes Aquarium. Die Hinführung zu einem sozialen Verantwortungsbewußtsein durch Eltern, Lehrer, Erzieher und die Träger der Jugendhilfe scheint mir ein wesentliches Element der Prävention gegen Drogenabhängigkeit zu sein.
Die Große Anfrage soll dazu beitragen, die Hilfe für Drogenabhängige weiter zu verbessern. Mit Recht hat die Bundesregierung die Rauschmittelsucht mit einer Epidemie verglichen. Sie verbreitete sich tatsächlich wie eine Seuche im ganzen Lande. Wer aber eine Seuche bekämpfen will, muß sicherlich zweierlei tun: er muß sich um die Voraussetzungen und Bedingungen kümmern, welche die
Entstehung und Verbreitung begünstigen; aber genauso notwendig ist es, mit allen geeigneten Mitteln Gefährdungen konkret abzuwehren und Befallene zu heilen und zu rehabilitieren. So wie man die Lungen-Tbc nicht allein durch Verbesserung der sozialen und hygienischen Verhältnisse eindämmen konnte, wird man auch den Rauschmittelmißbrauch nicht allein dadurch beheben können, daß man sich mehr allgemein der Verbesserung der Lebensqualität zuwendet.
Nicht nur die Armut hat böse Folgen, auch die Überflußgesellschaft hat ihre Probleme. Der Kampf gegen den Mißbrauch von Rauschmitteln muß mit allen geeigneten Mitteln fortgesetzt werden. Bei verbesserter Koordination und sinnvollem und planvollem Einsatz der Einrichtungen und der finanziellen Mittel kann noch mehr erreicht werden.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Christ.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zwar verständlich, daß die Opposition die Dinge kritischer sieht als die Regierungskoalition und unseren gedämpften Optimismus nicht teilt. Aber, Herr Kollege Rollmann, es ist geradezu gefährlich, in eine undifferenzierte Schwarzmalerei zu verfallen, weil damit die notwendige Hilfsbereitschaft, die wir, die Verantwortlichen, in der Bevölkerung brauchen, leicht in eine Resignation umschlagen kann. Damit schaden Sie der gemeinsamen Sache mehr, als Sie ihr nutzen. Das muß ich Ihnen sagen. Das wußten Sie wahrscheinlich auch, als Sie Ihre Rede hielten.
Lassen Sie mich nun auf die Antwort der Bundesregierung näher eingehen, die der Kollege Rollmann - den Eindruck muß man nach Ihrer Rede leider gewinnen - möglicherweise gar nicht oder nur höchst oberflächlich gelesen hat. Wer die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU eingehend studiert, wird nämlich zu dem Ergebnis kommen, daß der Erfolg unserer Anstrengungen entscheidend davon abhängt, in welchem Grad es gelingt, die Maßnahmen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der freien Träger und der privaten Gruppen nach gemeinsamen Richtlinien zu koordinieren.
Der gefährdete oder abhängige Jugendliche muß ein differenziertes Netz von Einrichtungen vorfinden, die ihm gemäß seiner jeweiligen Situation die notwendige Hilfe und Unterstützung geben können. Die Palette reicht hier von der gezielten Aufklärung der unterschiedlichen Altersgruppen über die therapeutische Langzeitbehandlung, z. B. in offenen Einrichtungen, bis hin zur beruflichen Rehabilitation.
Die öffentliche Diskussion um das Drogenproblem ist erfreulicherweise in eine sachlichere Phase eingetreten, so daß die Stimmen, die ein energisches Durchgreifen nach dem aggressiven Strafprinzip gefordert haben, in den Hintergrund getreten sind. Zunehmend wird erkannt, daß das Drogenproblem
nicht als Ursache, sondern als Symptom für einen psychosozialen Zustand bei einem Teil unserer jungen Generation begriffen werden muß, der tiefer liegende gesellschaftliche Ursachen hat.
Wenn man in diesem Zusammenhang noch die Gruppe der Alkoholabhängigen einbezieht, deren Zahl zunehmend höher wird und dann vielleicht noch über der der Drogenabhängigen liegt, und auch die erschreckende Zahl von zirka 1000 Selbstmordfällen bei Jugendlichen pro Jahr berücksichtigt, ergibt sich doch die Notwendigkeit, diese Probleme in einer übergeordneten Gesamtschau zu sehen.
Es ist deshalb zu begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage diesen Aspekt besonders betont und auf die wichtige Aufgabe der Jugendhilfe als ein bedeutsames Instrument zur familienbegleitenden Erziehung verweist. Die Reform des Jugendhilferechts wird uns im nächsten Jahr Gelegenheit geben, die Erkenntnisse aus der Bewältigung des Drogenproblems geeignet zu verwerten.
Eines - und da befinden wir uns sicherlich im Widerspruch Herr Kollege Rollmann - läßt sich heute aus unserer Sicht mit Befriedigung feststellen: das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970 hat seine erste Bewährungsprobe bestanden. Das schließt nicht aus, daß es laufend ergänzt und fortgeschrieben werden muß. Wer aber heute eine Zwischenbilanz zieht - und die Große Anfrage der Opposition ist dazu sicherlich ein geeigneter Anlaß -, wird bestätigen können, daß insgesamt eine gewisse Beruhigung eingetreten ist, insbesondere die Zahl der Probierer und der milden Konsumenten einen ersten Rückgang zu verzeichnen hat. Dies ist sicherlich ein Erfolg der unermüdlichen Aufklärungsbemühungen, so daß heute bei der jungen Generation eine andere Einstellung zur Droge vorherrscht als noch vor zwei Jahren. Es ist glücklicherweise nicht mehr „in", zu den Probierern oder milden Konsumenten zu gehören. Auch haben die Kenntnisse der Jugendlichen über gesundheitliche Gefährdung durch Drogenmißbrauch erheblich zugenommen.
Allerdings - das gestehe ich auch ganz offen - stehen wir bei dem „harten Kern" immer noch vor schwierigen Problemen, vor allem auch deswegen, weil sich strukturelle Veränderungen ergeben haben, die eine spezifische Behandlung erfordern. Die innerstrukturellen Veränderungen beim „harten Kern" im Sinne einer schwerpunktmäßigen Verlagerung von den oberen auf die unteren sozialen Schichten zwingt uns zu neuen Überlegungen bzw. zu veränderten Formen der Aufklärung, Beratung und therapeutischen Behandlung.
In diesem Zusammenhang ist es aber beruhigend, wenn nun festgestellt wird, daß die ersten Anzeichen, die für eine breite Vorverlagerung des Einstiegsalters sprachen, einen falschen Eindruck über die Tendenz entstehen ließen, so daß diese Befürchtungen nicht voll gerechtfertigt sind. Offensichtlich trifft diese Vorverlagerung des Einstiegsalters nur auf eine kleine Teilgruppe zu, die wegen der besonderen Umstände schnell erfaßt und behandelt werden kann.
Der eben erwähnte „harte Kern" stellt uns aber auch deswegen noch vor so schwierige Probleme, weil hier der Kriminalisierungseffekt voll zum Durchbruch kommt und durch den Umstieg auf die harten Drogen die Drogenabhängigkeit auf gefährliche Weise verstärkt wird. Hier werden die Bemühungen sicherlich verbessert werden müssen, damit nicht ein epidemischer Restkern entsteht, der immer wieder neue Ansteckungseffekte initiiert.
Gerade bei der Beschäftigung mit dem „harten Kern" der Drogenabhängigen wird auch der internationale Aspekt dieses Problems deutlich. Es ist erfreulich, daß die internationale Zusammenarbeit -eingeschlossen die amerikanischen Militärdienststellen - in der Bundesrepublik inzwischen funktioniert, so daß die Kontrolle und Eindämmung des internationalen Rauschgifthandels, der mit eine der Hauptursachen für die Drogengefährdung in der Bundesrepublik ist, zunehmend Aussicht auf Erfolg bietet.
Ein besonderer Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs - das kommt in der Antwort der Bundesregierung zum Ausdruck - ist das sogenannte Großmodell, mit dem das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit seit 1971 118 örtliche Hilfseinrichtungen für drogengefährdete und drogenabhängige Jugendliche unterstützt. Interessanterweise läßt sich hier eine Verlagerung der Träger dieser Einrichtungen feststellen. Während nämlich zu Beginn dieser Aktion der größere Teil der Anträge auf finanzielle Unterstützung von spontan gebildeten privaten Gruppen kam, ist seit einiger Zeit zu registrieren, daß mit der Ausweitung der Aufgaben die klassischen Träger der freien Wohlfahrtspflege wieder stärker in den Vordergrund treten. Auf Grund dieser erfolgten Aufgabenverlagerung von der reinen informativen Beratung zur ambulanten Behandlung und Behandlung in stationärer Therapie, z. B. in Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, entstehen nämlich mehr Großprojekte mit hohen Investitionskosten, die eben von den Selbsthilfegruppen trotz Zuschüssen kaum mehr bewältigt werden können.
Den Anträgen auf finanzielle Unterstützung der Träger der freien Wohlfahrtspflege - darin kann ich Ihnen, Herr Kollege Burger, zustimmen - ist leider nicht in allen Fällen entsprochen worden. Aber das liegt daran, daß die finanziellen Mittel des Bundes und auch der Länder - nicht nur des Bundes - dazu in dem Umfang nicht ausreichen. Offene Einrichtungen mit therapeutischem Langzeitcharakter sind aber eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnungskur mit anschließenden Rehabilitationsmaßnahmen, so daß hier die finanziellen Möglichkeiten noch einmal überprüft werden sollten.
Die Große Anfrage der CDU/CSU -das muß man hier wohl sagen versucht den Eindruck zu erwecken, als habe die Bundesregierung sämtliche rechtlichen Instrumentarien zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs in ihrer Hand. Daß dies nicht der
Fall ist, darauf hat die Bundesregierung in ihrer Antwort bereits hingewiesen.
Ich will aber über diese Feststellung hinausgehen und diejenigen Eltern und Erwachsenen ansprechen, die die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ausschließlich als ein Problem der politisch Verantwortlichen und der Behörden betrachten und dabei nach Strafe, Zwangsisolierung und anderen obrigkeitsstaatlichen Maßnahmen rufen. Wer bei der Beschäftigung mit dem Drogenproblem die Ursache nicht sehen will, der wird verständlicherweise zu einer solchen Haltung kommen. Es ist aber dringend notwendig, bei der präventiven Abwehr der Drogengefährdung einen Schritt früher anzusetzen, nämlich bei den Ursachen.
In diesem Zusammenhang wurde gelegentlich von der kinderfeindlichen Gesellschaft gesprochen, was sicherlich einiges erklärt. Die Rangfolge der Zugriffsmotive von Drogengefährdeten zeigt interessanterweise einen Rückgang der gesellschaftskritischen Begründung und einen Anstieg der Ersatzbefriedigungen als Reaktion auf eine Gesellschaft, die auf die Frage nach dem Sinn seiner gesellschaftlichen Rolle dem Jugendlichen nicht immer eine glaubwürdige Antwort geben kann. Hier haben wir ein weites Feld von gesellschaftlichen Konfliktsituationen, wo der Jugendliche zu oft allein gelassen wird und zuwenig überzeugende Orientierungsmöglichkeiten für seine Selbstverwirklichung findet.
Die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs - darüber sind wir uns wohl einig - wird noch lange Jahre eine anstrengende Aufgabe aller Beteiligten sein. Wenn es jedoch gelingt, die sich abzeichnende Tendenzwende zu verstärken und das Problem besser in den Griff zu bekommen, besteht die Aussicht, die gefährdeten Jugendlichen durch aufklärende, beratende, ambulante und therapeutische Maßnahmen von der zerstörerischen Wirkung dieser Suchtstoffe zu befreien.
Dabei kommt der Unterbindung des internationalen Drogenhandels in der Bundesrepublik eine besondere Bedeutung zu, weil nämlich durch den Rückgang des Angebotsdrucks die Drogengefährdung wesentlich gemildert werden kann.
Das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970, das offensichtlich seine Bewährungsprobe bestanden hat, sollte durch den ständigen Erfahrungsaustausch mit den Drogenbeauftragten der Bundesländer und insbesondere mit den freien Trägern ergänzt werden. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Burger, recht geben: Wir sollten bei unseren späteren Diskussionen die freien Träger möglichst frühzeitig einbeziehen. All das ist notwendig, um dieses Großmodell, wenn es einer ersten kritischen Erfolgskontrolle unterzogen worden ist, zu verbessern.
Eines möchte ich zum Schluß tun - und das scheint mir wichtig zu sein - : ich möchte an die Jugendlichen selbst appellieren, diejenigen nicht allein zu lassen, die der Droge verfallen sind, sondern zur Unterstützung unserer Bemühungen Wege zur Selbstorganisation zu finden, die die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Anbuhl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Rollmann uns mit einer Vermanschung von Drogenkonsum, Kommunismus, Inflation und überholten literarischen Belegen berauscht hat und sich nachher durch die Beiträge aller Kollegen die Diskussion versachlicht hat, darf ich einige Bemerkungen zu dem pädagogischen Aspekt dieser Frage machen.
Erstens. Es besteht unter uns allen doch trotz der unterschiedlichen Sichtweise hinsichtlich des Problems und der Methoden der Lösung darüber kein politischer Streit, daß der Genuß von Rauschmitteln ein Symptom für eine komplizierte gesellschaftliche Krankheit ist. Der Drogenkonsum, Herr Rollmann, der ja kein nationales, sondern ein internationales Phänomen, besonders der Wohlstandsländer, ist, muß als Zeichen dafür gewertet werden, daß sich in zunehmendem Maße junge Menschen in der Gesellschaft nicht zurechtfinden, weil sie die Frage nach dem Sinn ihrer Existenz in dieser Gesellschaft nicht beantworten können.
Zweitens. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir das Drogenproblem durch eine noch so effektive Aufklärung durch gut funktionierende Beratungs- und Behandlungsstellen nicht aus der Welt schaffen können, wenn wir im Bewußtsein der jungen Leute nicht eine Veränderung bewirken können, die sie in ein neues Verhältnis zur Gesellschaft stellt, und umgekehrt, wenn wir die gesellschaftlichen Zustände nicht durch ein breites Angebot von bildungspolitischen Maßnahmen verbessern können. Ich bin überhaupt der Überzeugung, daß dieses Problem nicht ein medizinisches oder juristisches, sondern ein gesellschaftspolitisches Problem ist, dem wir mit bildungspolitischen Maßnahmen begegnen müssen.
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Wir würden uns allerdings, meine Damen und Herren, in die eigene Tasche lügen, wenn wir annähmen, wir könnten die Leistungen in kurzer Zeit oder als einzelnes Land isoliert erbringen.
Drittens. Gerade wenn wir uns die Schwierigkeiten vergegenwärtigen, müssen wir anerkennen, daß im pädagogischen, aufklärerischen Bereich die Bundesregierung, die Länder und die Gemeinden und natürlich auch die vielen freien Träger einen bemerkenswerten Teilerfolg erzielen konnten; das hat Herr Kollege Christ eben auch unterstrichen. Bis zum Beginn der siebziger Jahre, also bis zur Verkündung des Aktionsprogrammes, hatten wir die schmerzliche Tendenz zu verzeichnen, daß gerade junge, intelligente, engagierte Leute sich aus der Realität in die Illusion des Rausches flüchteten und diese Flucht als einen Schritt zur Veränderung des Bewußtseins in dieser Gesellschaft politisch motivierten. In der Zwischenzeit hat sich das Bewußtsein zweifelsohne geändert; einmal auf Grund der guten Aufklärungssituation, die die Bundesregierung und die anderen Stellen geschaffen haben, zum anderen natürlich auch durch die persönlichen schmerzlichen Erfahrungen, die einzelne gehabt
haben. Wer heute Rauschgift benutzt, gilt zumindest in der Gruppe der sogenannten ersten Drogengeneration nicht mehr als „in". Bei diesen Jugendlichen, zum großen Teil Studenten und Schüler, setzt sich allgemein die Erkenntnis durch, daß niemand die Gesellschaft menschlicher gestalten kann, der sich vor der Realität flüchtet, daß vielmehr allein aktives politisches und soziales Engagement zur Verbesserung dieser Gesellschaft beiträgt.
Viertens. Leider müssen wir auf der anderen Seite feststellen, daß dieser Prozeß der Veränderung und Erweiterung des Bewußtseins sich nicht auf die sogenannte zweite Drogengeneration bezieht. Heute flüchten sich immer mehr jüngere Jahrgänge in den Rausch, Kinder besonders aus sozial unterprivilegierten Schichten. Sie suchen den betäubenden Gefühlsrausch, weil sie mit ihren eigenen Problemen in der Schule oder im Elternhaus nicht fertig werden und an einem kritischen Punkt ihres Sozialisationsprozesses stehengeblieben sind. In diesem Bereich müssen wir meiner Ansicht nach einen wichtigen Schwerpunkt unserer Bemühungen sehen. Deswegen unterstützen wir die Bemühungen der Bundesregierung, kindliche und besonders frühkindliche Sozialisationsprozesse erforschen zu lassen und Modelle der Hilfe zu entwickeln.
Wir halten in diesem Zusammenhang den Ausbau der schulärztlichen Untersuchungen zur Früherkennung von Drogengefährdung besonders in den Ballungszentren und die Verstärkung der Schulpsychologischen Dienste für eine vordringliche Maßnahme. Wir sind der Meinung, daß mit dem Wechsel der Drogenszene auch neue Methoden der Aufklärung erarbeitet werden müssen, um die neue Gruppe der Konsumenten bzw. der potentiellen Konsumenten ansprechen zu können. Die neue Gruppe der Drogenbenutzer ist gewiß mit den alten Mitteln nicht anzusprechen. Darum lassen Sie mich abschließend anregen, daß in einer zeitlich begrenzten konzentrierten gemeinsamen Aktion die Bundesregierung, die Länderkultusminister und die Verantwortlichen in den Medienbereichen über das anstehende Problem unterrichten, Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, damit wir gemeinsam in den nächsten Jahren dieses Problem in den Griff bekommen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da im Laufe der Aussprache zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage unserer Fraktion betreffend Rauschmittel und Drogenmißbrauch bereits grundsätzlich eingegangen wurde, möchte ich in meinem Beitrag einzelne Punkte herausgreifen, einerseits, weil ich sie für wesentlich halte, andererseits aber auch, weil sie mir als symptomatisch aufgefallen sind, wie z. B. in der Vorbemerkung: „Wesentliches Kennzeichen der derzeitigen Situation ist eine gewisse Beruhigung."
Es ist richtig, daß sich die Situation auf Grund der Anstrengungen der Länder eingependelt hat, und zwar leider bei einem hohen Stand von behandlungsbedürftigen Drogenabhängigen, die mit Kranken gleichzusetzen sind. Kurz darauf folgt der Vergleich, daß es „ein schlimmeres Alarmzeichen sei, wenn Jahr für Jahr mehr als tausend Jugendliche einer bestimmten Altersgruppe Selbstmord begehen". Ich möchte dies als außerordentlich makaber bezeichnen. Der Drogen- und Rauschmittelmißbrauch ist doch keine Alternative zur Lösung von Konflikten in diesem Alter. Auch ein übergeordneter Zusammenhang ist kaum zu sehen. Wenn der Drogenmißbrauch durch Jugendliche nicht als jugendtypisches Phänomen gesehen werden soll, was zu unterstreichen ist, dann müssen auch gesellschaftsbzw. familienpolitische Maßnahmen ergriffen werden. Ein psychohygienisches Programm kann dabei nur einen Teilaspekt darstellen. Die Bundesregierung sollte vor allem verdeutlichen, was sie eigentlich unter einem psychohygienischen Programm versteht.
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Bei der Darstellung der epidemiologischen Situation geht die Bundesregierung von Prozentzahlen aus, die sicher nicht bestritten werden können. Bei der Angabe der Größe des sogenannten „harten Kerns" schwenkt sie aber auf Ergebnisse um, die das Land Baden-Württemberg an Hand einer Umfrage im Juli 1971 hochgerechnet hat und die besagen, daß 3,74 °/o Opium, Morphium oder Heroin öfter oder täglich genommen haben, worbei dies zu dem genannten Zeitpunkt allein in Raden-Württemberg 8 584 Personen der Altersgruppe zwischen 14 und 21 Jahren waren. Es ist deshalb nicht folgerichtig, wenn die Bundesregierung die von ihr ermittelte Zahl von 40 000 der 12- bis 25jährigen um 75 °/o, also um drei Viertel, verkleinert und damit den „echt abhängigen Kern" nur mit 10 000 beziffert.
Es wird auf verschiedene Erhebungen Bezug genommen, etwa auf die Wiederholungsbefragungen, die im Auftrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Anfang 1973 durchgeführt worden sind und die auf eine Repräsentativerhebung in Baden-Württemberg und auf eine Untersuchung aus Schleswig-Holstein zurückgehen. Dabei wird nur von der Gesamtgruppe der auf repräsentativer Basis befragten 12- bis 15jährigen gesprochen. Daraus wird deutlich, daß es bisher an einer eingehenden repräsentativen Erhebung zum Drogenproblem auf Bundesebene fehlt. Deshalb ist auch gleich die Frage anzuknüpfen, warum der Bund bisher auf eine eingehende Repräsentativerhebung zum Drogenproblem verzichtet hat, obwohl eine solche Übersicht für die Aktivitäten der Bundesregierung sicherlich wichtig - ich möchte sogar sagen, ausschlaggebend - wäre. Bayern z. B. hat eine kostenaufwendige Repräsentativbefragung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse etwa bis Juli 1973 vorliegen werden.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß z. B. die Heranziehung der Musterungsergebnisse der Bundeswehr sicher irreführend ist, denn der harte Kern fluktuiert stark und ist deshalb von den Erfassungsbehörden kaum vollständig zu greifen. Ein mehrjähriger Fixer wird sich nämlich sicher nicht mit Narben und Infektionsstellen dem Musterungsarzt stellen; dagegen werden sogenannte Drogen2222
konsumenten ohne schwerwiegende körperliche oder seelische Schäden den Ärzten bei diesen Routineuntersuchungen sicher nicht auffallen.
Bei der Statistik fällt dann auf, daß aus einem Anstieg von 1,6 °/o der Schluß gezogen wird, die Rauschgiftkriminalität sei praktisch zum Stillstand gekommen, leider allerdings bei einem Höchststand von 25 679 Fällen im Jahre 1972. Wenn auch der Anteil Jugendlicher an der Gesamtkriminalität auf dem Rauschgiftsektor zurückgegangen ist, so deutet leider der gleichzeitige Anstieg bei der Gruppe der Heranwachsenden eher darauf hin, daß sich der Handel weiter professionalisiert und sich mit anderen kriminellen Delikten wie Waffenschmuggel und Autoschmuggel verschlungen hat.
Die zusammenfassende Feststellung in der Vorbemerkung zum Bericht läßt den Eindruck entstehen, der bisherige Erfolg bei der Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs sei vor allem dem Aktionsprogramm der Bundesregierung zuzuschreiben. Hierzu möchte ich gerade aus der Sicht des von mir vertretenen Landes Bayern folgendes sagen. Das bayerische Innenministerium hat das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970 im Interesse eines Zusammenwirkens aller Kräfte bei der Drogenbekämpfung begrüßt. Ebenso wie die anderen Länder hat jedoch Bayern eine Reihe von Maßnahmen bereits getroffen oder für die Zukunft vorgesehen, die nicht durch das Aktionsprogramm der Bundesregierung ausgelöst worden sind. In Bayern sind diese Maßnahmen vielmehr das Ergebnis der Zusammenarbeit der beteiligten Landesministerien in einer Arbeitsgruppe, die ihre Tätigkeit bereits vor 1970 aufgenommen hat. Die bisherigen Erfolge in der Drogen- und Rauschmittelbekämpfung gehen sicherlich zu einem wesentlichen Teil auf die Aktivitäten der Länder zurück und nicht auf das Aktionsprogramm der Bundesregierung.
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Bei der Erwähnung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dem Internationalen Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe vom 30. März 1961 drängt sich die Frage auf, warum die Bundesregierung diesen Entwurf zu einem Abkommen aus dem Jahre 1961 erst so spät vorlegt und ob dies, weil man wohl davon ausgehen muß, daß das Abkommen durch die neuere Entwicklung zumindest teilweise überholt ist, überhaupt noch sinnvoll ist.
Bei der Bekämpfung des Drogenhandels durch Polizei, Bundesgrenzschutz, Zoll und Justiz wurde nach den konkreten Maßnahmen der Bundesregierung zur Verwirklichung des Aktionsprogramms gefragt. Auch hier Enttäuschung auf der ganzen Linie, da es sich wiederum nahezu ausschließlich um Zuständigkeiten und Maßnahmen der Länder handelt: spezielle Dienststellen der Kriminalpolizei, Verstärkung des Einsatzes von Polizeikräften zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, finanzielle und technische Ausstattung von Polizeidienststellen, Weiterentwicklung der Ermittlungsmethoden. Dies wird noch ergänzt durch Einzelmaßnahmen von einer Reihe wichtiger Einrichtungen.
Die Bundesregierung berichtet über ein Symposion im November 1972, dessen Ergebnis in dem Bericht „Die Drogensituation in den USA" zusammenfassend als Empfehlung einer deutschen Studiengruppe im Auftrag der Bundesregierung vorgelegt wurde. Es geht leider aus den Angaben der Bundesregierung nicht hervor, inwieweit die Ergebnisse und Empfehlungen auch von der Bundesregierung berücksichtigt werden.
Bei Forschung und Verkehr interessiert mich insbesondere zu erfahren, wie es mit dem Forschungsauftrag „Drogen im Straßenverkehr" steht. Gerade im Zusammenhang mit der Unfallverhütung im Straßenverkehr erscheint mir die Vergabe eines Forschungsauftrags für Verfahren zum Nachweis von Drogen außerordentlich dringlich. Es ist deshalb mehr als erfreulich, daß die Bundesregierung laut Drogenbericht bereits einen Auftrag vergeben hat. Ich bitte aber um konkrete Angaben über den Forschungsauftrag. Es erscheint mir unverständlich, daß in der Sitzung des Ständigen Arbeitskreises der Drogenbeauftragten des Bundes und der Länder vor ungefähr einer Woche der Vorsitzende zum Ausdruck brachte, daß man einen Forschungsauftrag vergeben wolle, die Kosten jedoch vergleichsweise hoch seien und deshalb noch mit dem Bundesministerium für Verkehr verhandelt werden müsse. Offenbar ist also ein solcher Forschungsauftrag noch nicht vergeben, obwohl das in dem Bericht angegeben ist!
Auch bei den Finanzen bleibt der gleiche Eindruck wie bei den anderen Maßnahmen. Die Länder sind finanziell stärker engagiert als der Bund; denn tatsächlich wurden zwei Drittel von den Ländern und nur ein Drittel vom Bund an Haushaltsmitteln ausgewiesen.
Zum Schluß sei noch auf eine Sonderheit in der Beantwortung der Bundesregierung hingewiesen. Die Berechnung der Ausgaben je Drogen- und Rauschgiftabhängigen bringt einen beispiellosen Vergleich, der das schöne Niederbayern z. B. mit dem Bundesland Hessen gleichstellt. Es zeigt sich wiederum, daß keine exakten Ergebnisse vorliegen. Aus den vorliegenden Angaben sind kaum Schlüsse zu ziehen, wenn die Ausgaben pro Kopf der Einwohner und nicht pro Kopf der Rauschgiftabhängigen gezählt werden. Denn es ist sicher ein Unterschied, ob der vorgegebene Betrag für die Gesamtbevölkerung gebraucht wird oder wie im Falle Niederbayern nur für insgesamt zwölf stationär zu behandelnde Fälle. Damit wird wahrscheinlich gerade das Gebiet mit den wenigsten Fällen als Muster herausgestellt?!
Abschließend möchte ich feststellen, daß die Bundesregierung sich die Beantwortung der Großen Anfrage unserer Fraktion sicher nicht leichtgemacht hat. Gerade deshalb erstaunt es, daß eine Reihe von Widersprüchen auftaucht, die eine Vermutung meiner Vorredner nur verstärken, daß nämlich Papieraktionen gestartet wurden, jedoch bisher kaum in Taten umgesetzt. Sie, Herr Staatssekretär Westphal, fordern auf, die extreme Diskussion in der Bevölkerung zu vermeiden, führen aber gerade diesen Standpunkt als Beweis für eine Neuorientierung der Gesundheitspolitik an.
Ich möchte deshalb zusammenfassend die drei grundsätzlichen Punkte betonen: Erstens. Hilfe und möglichst Heilung für Süchtige bzw. Abhängige. Zweitens. Ausbau von Vorsorge und Warnung für solche, die in Gefahr stehen, und Eingehen auf Ursachen, um Schlimmeres zu verhüten. Das bedeutet unter anderem auch Kampf gegen die Händlerringe. Drittens. Aber auch Schutz der Bevölkerung vor Radikalisierung einer kranken Minderheit, wenn sie die Toleranzgrenze überschreitet; und dies ist Aufgabe der Bundesregierung. Ich möchte deshalb meinen Bericht nicht schließen, ohne nochmals darauf hinzuweisen, daß bei einem Süchtigen pro Hundert der Bevölkerung ein Leben in unserer Gesellschaft nicht mehr möglich sein wird. Wenn ich die Zahlen vergleiche - 4 % der 15- bis 25jährigen nehmen Rauschdrogen zu sich, und 0,4 °/o der gleichen Altersgruppe gehören bereits zum sogenannten harten Kern -, dann sehe ich Alarmstufe 1 und habe größte Bedenken für unsere Gesellschaft der 80er Jahre. Greifen wir deshalb heute auf, was zu verwirklichen ist, ehe wir morgen verspielt haben!
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Art der Rede von Herrn Rollmann erleichtert mir den polemischen Einstieg. Herr Rollmann, Ihr jugendpolitisches Engagement muß doch insofern stutzig machen, als nicht irgendeines der CDU- oder CSU-regierten Länder längst auf den Gedanken gekommen ist, Sie zum jugendpolitischen Minister zu machen.
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Dann, glaube ich, hätten wir in diesem Lande sicher eine Rauschgiftoase und andere Länder und die Bundesregierung könnten sich dann dieses Vorbild zu eigen machen.
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Herr Rollmann, Sie haben hier mit sehr viel Engagement gesprochen und so getan, als ob Ihnen die Unterstützung der Gesamtfraktion sicher sei. Nun muß ich sagen, daß bei dieser Anfrage während der ganzen Zeit nicht einmal 10 % Ihrer Fraktionsangehörigen anwesend waren.
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Als Frau Schleicher zu sprechen begann, war nicht einmal ein einziger ihrer CSU-Kollegen da.
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- Ich glaube, der große Unterschied ist doch wohl ganz eindeutig darin zu sehen, daß die Initiative von Ihnen ausgeht und Sie uns hier meinten vorwerfen zu müssen, daß wir nicht so engagiert seien.
Ich glaube, man muß dieses Problem wohl von zwei Seiten betrachten und somit auch getrennt diskutieren. Da ist zum einen der Nachfragebereich,
also der Konsument. Dies ist wohl ein rein soziales Problem und langfristig nur durch vorbeugende Maßnahmen abzubauen. Zum anderen ist da der Bereich des Angebots, d. h. hier der Händler. Dies ist in allererster Linie ein Problem der Verbrechensbekämpfung.
Die Anfrage der CDU/CSU beschäftigt sich in der Hauptsache mit Fragen, wie man bereits das bestehende Problem in den Griff bekommt. Lediglich in einer Frage bemüht man sich darauf einzugehen, inwieweit man vorbeugend tätig werden könnte. Das ist die Frage der Indizierung verführender Drogenliteratur - also auch wiederum eine Verbotsmaßnahme.
Die Antwort auf die Große Anfrage erforderte deshalb eine längere Vorbemerkung, in der sowohl die Gruppe der Suchtgefährdeten insgesamt umschrieben wurde als auch auf das Gesamtproblem und die Entwicklung in den letzten Jahren hingewiesen werden mußte.
Ich möchte aber zunächst auf die insgesamt erfolgreich zu nennende Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingehen. Ich meine, hier hat der Bund wohl das in seiner Macht Liegende getan. Ich denke hier an die Bildung der „Ständigen Arbeitsgruppe Rauschgift" beim Bundeskriminalamt, in der sowohl Bundesländer als auch das Ausland zusammenarbeiten. Ich denke darüber hinaus auch an die zentrale Sammlung und Auswertung der Daten von Rauschgiftdelikten beim Bundeskriminalamt.
Diese Voraussetzung kann wohl auch die Opposition nicht übersehen, und ich meine, daß das, was diesen Bereich betrifft, von seiten der Regierung voll und ganz wirksam geworden ist.
Nun wird es jedem einleuchten, daß die Verfolgung das letzte taugliche Mittel ist, um dieses Problem langfristig zu lösen. Eine Untersuchung der Ursachen und deren Bekämpfung sollte dazu beitragen, vorbeugend tätig zu werden, um die Verbrechensbekämpfung weitgehend überflüssig zu machen.
Drogengefährdet sind - das haben zugegebenermaßen alle Seiten festgestellt - in erster Linie diejenigen Jugendlichen, die ohnehin geistig-seelischen Gefährdungen generell stärker unterliegen, so wie es auch in der Vorbemerkung anklingt. Es scheint mir auch zulässig zu sein, hier die 100 Todesfälle von Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren auf Grund von Rauschgiftkonsum den 1 000 Selbstmorden gegenüberzustellen, um den Tiefgang des Gesamtproblems in irgendeiner Weise zu erfassen.
Ich weise deshalb darauf hin, weil die erfreulicherweise stagnierende Zahl von Konsumenten auch darauf hindeuten kann, daß die Jugendlichen anderen Gefährdungen unterliegen. So deutet ja die Zunahme der Alkoholsucht leider darauf hin. Es ist deshalb wichtig, zu wissen, daß die Bundesregierung diese Drogengefährdung nicht als gebannt ansieht, sondern weiterhin in ihren Maßnahmen flexibel bleiben wird, um bei entsprechenden Entwicklungen wieder eingreifen zu können.
Ich meine, man sollte an dieser Stelle die freien Initiativen besonders unterstützen. Hier kann ich
mich Herrn Dr. Meinecke anschließen; auch uns war es nicht möglich, als Sie dieses aussprachen, Herr Rollmann, das zu unterstützen, da wir damit Ihre ansonsten sicherlich etwas zu überzeichnete Rede unterstützt hätten.
Die Phase der Verharmlosung der Droge in der Literatur ist im wesentlichen vorbei, Herr Rollmann. Insofern kommt dieser Teil Ihrer Rede nun wirklich zu spät. Wir haben einen ganz eindeutigen Beweis dafür, daß Aufklärung, daß vernünftige Auseinandersetzung mit einem Problem stärker durchgreifen als das Verbot oder die Indizierung irgendwelcher Literatur.
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Wenn hier darauf hingewiesen wurde, daß z. B. in „Konkret" Herr Röhl selbst eingestanden hat, daß er sich geirrt hat, als er bzw. „Konkret" zu der Zeit, als Hasch „in" war, dieses verharmloste, so liegt in diesem Zugeben eine vorbildliche politische Haltung. Ich kann nur sagen, daß ich so etwas bisher selten von CDU-Leuten gehört habe.
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Wollen wir nicht weiterhin bestehende Mängel mit großem Kostenaufwand in Grenzen halten, sondern versuchen, Mängel, noch ehe sie entstanden sind, zu verhindern, so wird man vorbeugende Maßnahmen entwickeln müssen. Ich meine, daß hierbei die Parteien, Gewerkschaften und vor allem auch die Jugendorganisationen eine wesentliche bildungspolitische Aufgabe haben, um die Jugendlichen zu politisieren, und dies sollte verstärkt unterstützt werden. Ich finde es sehr bedauerlich, daß wir nicht die Chance hatten, weil die Fragestellung anders lag, uns hier mit diesen Problemen etwas stärker auseinanderzusetzen.
Für mich, die ich noch nicht lange in diesem politischen Geschäft stehe, ist es eine ausgesprochen eigenartige Erfahrung, immer wieder festzustellen, daß sich die politischen Kräfte, und zwar sicherlich aller Parteien, die große Chance der Investitionen entgehen lassen, so daß sie dadurch immer in Zugzwang kommen, Versäumnisse durch Subventionen abfangen zu müssen.
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Ich bin fest davon überzeugt, daß wir gesamtgesellschaftlich so weniger ökonomisch arbeiten, als wenn wir zur rechten Zeit investierten.
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Ich möchte zum Schluß mit dem schließen, was wohl der Hauptinhalt Ihrer Anfrage ist, Herr Rollmann. Sie erwarten eine Reihe von Daten, die so frei eben nicht da liegen, sondern die man erst mit einem enormen Aufwand zusammentragen müßte. Ich meine, Daten allein, um sich ein paar schöne Stunden zu machen, sollten nicht der Sinn einer Großen Anfrage sein. Die Daten, über die wir verfügen, reichen aus, um politische Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Ich kann nur sagen, wir entscheiden uns gegen einen großen Verwaltungsapparat und dafür,
daß solche Mittel eher in die aktiven Maßnahmen fließen.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum vom Bundesinnenministerium.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige wenige Bemerkungen aus der Sicht des Bundesinnenministeriums machen.
Die Drogensucht hat mannigfaltige Ursachen, und sie erfordert vielschichtige Gegenmaßnahmen. Das haben wir heute schon von allen Rednern gehört. Diese Gegenmaßnahmen können letzlich nur dann effektiv sein, wenn sie aufeinander abgestimmt sind. Die Bundesregierung hat die Notwendigkeit einer in sich geschlossenen Konzeption frühzeitig erkannt und bereits im Jahre 1970, wie Sie wissen, ein Aktionsprogramm vorgelegt. Eingebettet in dieses Programm ist der Bereich, in dem der Bundesminister des Innern die Verantwortung trägt, nämlich die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Der Bundesinnenminister hat wiederholt auch in diesem Hause darauf hingewiesen, daß Verbrechensbekämpfung nicht isoliert für sich allein betrachtet werden kann. Sie kann nur verwirklicht werden im Rahmen einer Zielprojektion, durch die die Bedingungen der Kriminalität erkannt und verändert werden können. Ursachenforschung, aufklärende und erzieherische Maßnahmen sowie vorbeugende und therapeutische Hilfen sind daher unabdingbare Voraussetzungen. Darauf haben meine Vorredner hier schon hingewiesen. Gleichzeitig bedarf es aber auch intensiver polizeilicher Anstrengungen, um Rauschgifttätern und -händlern so rasch wie möglich das Handwerk zu legen und sie damit an der Verbreitung der für die . Volksgesundheit so gefährlichen Droge zu hindern. Kein Straftäter soll damit rechnen können, in unserem Land sein sozialschädliches Handeln unerkannt und ungestraft fortführen zu können.
Die Bundesregierung hat diese Überlegungen konsequent bei ihrem Konzept zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität berücksichtigt. Ich fasse es wie folgt zusammen.
Gemäß dem „Sofortprogramm zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung" vorn 29. Oktober 1970 sind die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen für eine wirksamere und umfassendere polizeiliche Ermittlungstätigkeit des Bundeskriminalamtes getroffen worden.
Mit dem „Schwerpunktprogramm Innere Sicherheit" vom 22. März 1972 ist der personelle und finanzielle Ausbau des Bundeskriminalamtes weiter vorangetrieben worden. Diese Maßnahmen kamen in besonderem Grade auch der Aufgabe zustatten, wirksame Vorkehrungen für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zu treffen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch die Verdienste und Erfahrungen der Länder bei der Schaffung von Spezialdienststellen betonen,
denen hier eine große Aufgabe zukommt. Ihre Bedeutung ist, wenn auch mit einem besonderen Akzent, hier schon von der bayerischen Kollegin gewürdigt worden.
Für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hat das „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland" vom 17. Juni 1972 auch auf dem Gebiet der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität erhebliche Verbesserungen in die Wege geleitet: Die originäre Ermittlungszuständigkeit für den international organisierten Rauschgifthandel liegt danach künftig beim Bundeskriminalamt; die dazu notwendige gesetzliche Änderung ist am 24. Mai 1973 in diesem Hause in dritter Lesung beschlossen worden. Die Zuständigkeit für überörtliche Rauschgiftdelikte wird bei den Landeskriminalämtern zentralisiert, mit denen das Bundeskriminalamt eng zusammenarbeitet.
Daten über Rauschgiftdelikte werden zentral beim Bundeskriminalamt gesammelt und ausgewertet. Die dort mit großem Kostenaufwand eingerichtete elektronische Datenverarbeitungsanlage, die bereits jetzt im benachbarten Ausland auf großes Interesse stößt, wird mit einer speziellen Datei für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität nutzbar gemacht. Besondere Richtlinien für den Meldeweg in Rauschgiftsachen stellen sicher, daß alle Dienststellen der Polizei in Bund und Ländern, des Zolls und der Grenzschutzbehörden in kürzester Zeit über die für sie notwendigen Informationen verfügen. Absprachen zwischen Bund und Ländern stellen eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten für den exekutiven Zugriff im Einzelfall sicher.
Die eingeleitete Kooperation hat inzwischen zur Bildung einer „Ständigen Arbeitsgruppe-Rauschgift" beim Bundeskriminalamt geführt, in der alle beteiligten Dienststellen der Bundesrepublik zusammenarbeiten und an der auch Vertreter ausländischer Staaten beteiligt sind. Eine besonders enge Zusammenarbeit besteht mit Vertretern des amerikanischen „Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs". Ich darf hierfür an dieser Stelle der Regierung der Vereinigten Staaten unseren besonderen Dank aussprechen, auch für die Unterstützung, die sie für die Spezialausbildung unserer Rauschgiftsachbearbeiter gewährt. Die „Ständige Arbeitsgruppe-Rauschgift" beim Bundeskriminalamt ist im benachbarten Ausland stark beachtet worden. Wir hoffen, daß sie zu einem Modellfall für eine konstruktive internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung wird.
Ich habe bereits angedeutet, daß der Rauschgiftkriminalität mit Hilfe rein nationaler Maßnahmen allein nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Es bedarf vielmehr einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit, um das Übel an der Wurzel zu packen. Die Bundesregierung hat daher auch zu den Staaten, in denen Rauschgift angebaut und durch die es durchgeführt wird, Kontakte geknüpft, um eine gemeinsame Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zu erreichen.
Das Bundeskriminalamt arbeitet mit den Polizeibehörden aller in Betracht kommender Länder über
die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation zusammen; darüber hinaus sind wir bestrebt, weitere bilaterale Verbindungen herzustellen.
Im Bereich der Europäischen Gemeinschaft ist die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auch auf Grund einer Initiative des franzöischen Staatspräsidenten besonders weit fortgeschritten. Die Mitgliedstaaten haben auf einer Ministerkonferenz in Rom am 4. und 5. Oktober 1972 gerade auf dem Gebiet der repressiven Maßnahmen entscheidende Beschlüsse gefaßt.
Meine Damen und Herren, es scheint, als sei in der Bundesrepublik der Kulminationspunkt der Rauschgiftkriminalität überschritten. Während von 1966 bis 1971 die Zahl der Rauschgiftdelikte sprunghaft angestiegen ist, trat im Jahr 1972 im Verhältnis zum Vorjahr bei einem Zuwachs von nur 1,6 % erfreulicherweise eine Stagnation ein. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß infolge der Umstellung der polizeilichen Kriminalstatistik ab 1. Januar 1971 zur Vermeidung von Doppelzählungen die Fälle nicht in die Statistik 1971 aufgenommen wurden, die bereits für das Jahr 1970 als „Eingangsfälle" erfaßt worden waren. Im Jahre 1972 wurden dagegen alle „Eingangsfälle" des Jahres 1971 mitgezählt, so daß die Zuwachsraten 1972 im Verhältnis zum Vorjahr statistisch überhöht dargestellt sind. Es ist auf Grund der vorliegenden statistischen Zahlen nicht zu verkennen, daß die verstärkten Bemühungen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Rauschgiftkriminalität erste Erfolge zeigen. Erfreulich ist insbesondere auch, daß im Gegensatz zu den Vorjahren der Anteil der jugendlichen Tatverdächtigen erstmals abgenommen hat.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Statistik des Jahres 1972 hat im Verhältnis zu den sprunghaften Zuwachsraten der Vorjahre, wie ich schon sagte, eine Wende zum Besseren signalisiert. Dennoch nimmt die Bundesregierung das Problem der Rauschgiftkriminalität nach wie vor sehr ernst und kann vor einer Verharmlosung des Betäubungsmittelmißbrauchs, der immer noch sehr hoch ist, nur warnen. Die Bundesregierung wird deshalb in ihren Bemühungen nicht nachlassen, zur Eindämmung der Rauschgiftkriminalität die Bekämpfungsmaßnahmen und -methoden zu verbessern und die Zusammenarbeit im nationalen und internationalen Bereich zu intensivieren.
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Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir den Antrag der Abgeordneten Rollmann und anderer auf der Drucksache 7/671 dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 43 der verbundenen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
zur Reform des Ehe- und Familienrechts ({0})
- Drucksache 7/650 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({1})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Namens der Bundesregierung lege ich den Entwurf des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vor. Damit werden die bereits in der vergangenen Wahlperiode erarbeiteten Vorschläge erneut aufgenommen und in einer Vorlage zusammengefaßt. Es geht um die Neuordnung materieller Vorschriften des Eherechts, des gesamten Ehescheidungs- und Scheidungsfolgenrechts sowie des Verfahrensrechts bei Ehescheidungen.
Die Reform des Eherechts ist dringend; seit 50 Jahren wird sie erörtert. Es ist an der Zeit, zu Entscheidungen zu kommen. Die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten des geltenden Rechts werden von vielen Bürgern seit langer Zeit beanstandet. Ihre Erwartungen an den Gesetzgeber sind groß. Deshalb konnte und wollte die Bundesregierung auch nicht den vielleicht bequemeren Weg wählen und nur einzelne besonders änderungsbedürftige Bestimmungen des geltenden Rechts überprüfen. Sie erfüllt mit der Vorlage vielmehr den wesentlichen Teil des Auftrages des Deutschen Bundestages vom 8. November 1967, das gesamte Ehe-und Scheidungsrecht umfassend zu erneuern. Die vom Bundesminister der Justiz daraufhin eingesetzte Kommission hat mit ihren bedeutsamen Empfehlungen die Grundlage für diesen Entwurf geschaffen. ihr sei für ihre vorbildliche und zügige Arbeit auch an dieser Stelle gedankt.
In den Entwurf eingegangen sind weiter die Ergebnisse der umfangreichen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion, die ich seit 1970 gesucht habe. Die rechtliche Regelung der Ehe, der Ehescheidung und ihrer Folgen berühren oder können doch jeden Bürger berühren. Die Diskussion mit dem Bürger war deshalb ebenso notwendig wie nützlich. Aus ihr sind wir in den beiden Leitlinien des Entwurfs nachdrücklich bestätigt worden. Das neue Eherecht gestaltet die Beziehungen der Ehepartner auf der Grundlage gleicher Rechte in Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Und es soll auch die soziale Chancengleichheit beider Ehepartner besser gewährleisten.
Das geltende Recht beruht in seinem Kern auf den Vorstellungen, die im Jahre 1900 beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches herrschten. Es ist von der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung überholt. Seine Grundannahmen sind unserer Zeit fremd geworden. Das gilt in besonderem Maße von der Stellung der Frau in der Gesellschaft und damit auch in der Ehe. Trotz zahlreicher Änderungen im Laufe der Zeit ist bis
zum heutigen Tage ein einseitiger Vorrang des Mannes aufrechterhalten geblieben. Das hat nicht nur zur rechtlichen Benachteiligung der Frauen in der Ehe geführt. Gerade in den Fällen, in denen die Ehe scheitert, ergeben sich vielfältige soziale und rechtliche Nachteile, die nicht länger bestehenbleiben dürfen. Ziel des Entwurfs ist ein Eherecht, das dem partnerschaftlichen Eheverständnis entspricht, ein faires und ehrliches Scheidungsrecht und ein gerechtes Scheidungsfolgenrecht.
Der Entwurf setzt für die Reform fünf Schwerpunkte.
1. Die Rechtsstellung der Ehepartner, insbesondere ihr Verhältnis zueinander, wird vom Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau bestimmt.
2. Die Ehe ist auf Lebenszeit angelegt. Ist aber dieses Ziel, eine Gemeinschaft auf Lebenszeit zu führen, unerreichbar geworden, so darf die staatliche Rechtsordnung keinen Zwang zur Aufrechterhaltung der Ehe ausüben. Sie muß vielmehr ein Verfahren anbieten, das eine Auflösung der Ehe unter glaubwürdigen und den Bürgern zumutbaren Bedingungen erlaubt. Die bisher in der Regel notwendige Frage nach der Schuld am Scheitern der Ehe entspricht diesen Anforderungen nicht. Sie muß durch die objektive Frage ersetzt werden, ob die Ehe endgültig gescheitert ist.
3. Die Folgen der Scheidung sind immer eine auch schwere wirtschaftliche Last. Die Verteilung dieser Last nach dem Grundsatz des Verschuldens führt häufig zu sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten. In Zukunft soll entscheidender Maßstab die wirtschaftliche Lage der Beteiligten nach Auflösung der Ehe sein. Ehe- und familienbedingte Nachteile müssen unter sozialen Gesichtspunkten ausgeglichen werden.
4. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für geschiedene Eheleute in der Altersversorgung. Vor allem nicht in einem Beruf außerhalb des Haushalts tätige Ehefrauen sind benachteiligt. Der als völlige Neuerung vorgeschlagene Versorgungsausgleich soll in Zukunft beide Ehegatten an der während der Ehe erarbeiteten Altersversorgung gleichmäßig beteiligen.
5. Scheidung und Regelung der Scheidungsfolgen gehören zusammen. Sie sollen in einem Verfahren geregelt werden. Diese Verfahren müssen von besonders sachkundigen und erfahrenen Richtern behandelt werden. Dazu sollen eigene Familiengerichte neu eingeführt werden.
Diese fünf Grundentscheidungen sind das tragende Gerüst der Reform des Eherechts. Sie stehen in Einklang mit den Erkenntnissen und Einsichten aller großen gesellschaftlichen Gruppen unseres Landes. An ihnen sollte festgehalten werden. Für die Ausgestaltung im einzelnen bieten sich teilweise verschiedene Lösungen an. Bei der Neuordnung eines so wichtigen Rechtsgebietes kann das auch nicht anders sein. Die Bundesregierung hat ihre Vorschläge im Entwurf dargelegt. Sie wird aber an den Beratungen der Ausschüsse in der Absicht mitwirken, die Diskussion weiterzuführen und sich an
der Erarbeitung der bestmöglichen Entscheidungen zu beteiligen.
Die fünf Grundentscheidungen, die ich hier genannt habe, beruhen auf folgenden Erwägungen:
Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches geht von einer überkommenen Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau aus und räumt dem Manne Vorrechte ein, die weder begründet noch mit dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung vereinbar sind. Anders als der Mann soll die Frau, selbst wenn sie dieselbe Ausbildung hat wie der Mann, nur berufstätig sein dürfen, „soweit" - ich zitiere den Gesetzestext - „dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Der Ehename der Frau, der Familienname der Kinder muß stets der Name des Mannes sein. Solche Regelungen entsprechen nicht mehr dem Verständnis und den Verhältnissen unserer Zeit.
Heute sind die meisten verheirateten Frauen in der ersten Zeit der Ehe noch erwerbstätig, immer mehr bleiben es, immer mehr kehren nach kürzerer oder längerer Unterbrechung wieder in den Beruf zurück. Unter diesen Umständen darf die überholte gesetzliche Festschreibung der Ehe als Hausfrauenehe nicht länger fortbestehen. Sie soll allerdings auch nicht durch ein anderes Leitbild, etwa das der Ehe der berufstätigen Frau, ersetzt werden. Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgeber, den Ehepartnern vorzuschreiben, nach welchem Leitbild sie ihre Ehe zu führen haben. Der Gesetzgeber hat lediglich den rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem die Partner sich frei entscheiden können. Es ist allein Sache der Ehegatten, sich in eigener Verantwortung darüber zu verständigen, wie sie die Aufgaben in der Ehe verteilen wollen. Beide müssen auf die Belange des anderen und die der ganzen Familie Rücksicht nehmen. Welche Entscheidung im Einzelfall richtig ist, weiß nicht der Gesetzgeber. Das wissen allein die Eheleute selbst.
Indem der Entwurf die Aufgabenteilung in der Ehe der freien Entscheidung der Ehegatten überläßt, rückt er auch ihre gemeinsame Verantwortung für die Pflege und Erziehung der Kinder, für die Erwirtschaftung des Familienunterhalts und die Haushaltsführung in den Vordergrund. Der Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung steht dem durch Erwerbstätigkeit geleisteten Beitrag gleich. Damit erkennt der Entwurf auch rechtlich eindeutig an, daß Hausfrauentätigkeit der Berufsausübung außer Haus uneingeschränkt gleichwertig ist. Diese Bewertung der Hausarbeit findet folgerichtig auch in der zukünftigen Regelung des Unterhalts nach der Ehescheidung und in der Regelung des Versorgungsausgleichs ihren Niederschlag. Auch die sonstigen Regelungen des geltenden Rechts, die nur aus der früheren Vorrangstellung des Mannes zu erklären sind ich nenne hier z. B. die Bestimmung des Mannesnamens zum Ehe- und Familiennamen und die sogenannte Schlüsselgewalt der Frau -, werden durch verfassungsgemäße Lösungen ersetzt. Hier kann die Rechtspolitik einen wichtigen Beitrag zur Emanzipation der Frau leisten, und wenn sie es kann, sollte sie es auch tun.
Für das neue Scheidungsrecht ist der Übergang vom Schuld- zum Zerrüttungsprinzip nicht mehr umstritten. Das geltende Schuldprinzip hat sich nicht bewährt. Danach kann eine Ehe in der Regel nur geschieden werden, wenn ein Ehegatte schuldhaft die ehelichen Pflichten verletzt hat und ihm diese Eheverfehlungen nachgewiesen werden können. Um die Scheidung zu erreichen, muß im Streitfalle möglichst viel Nachteiliges über den anderen Ehegatten im Prozeß vorgetragen werden. Sind beide Ehegatten zur Scheidung entschlossen, ohne daß eine Eheverfehlung vorliegt, müssen sie das Gericht täuschen und tatsächlich gar nicht begangene Eheverfehlungen behaupten. In jedem Falle ist das Verfahren belastend oder unwürdig. Überzeugend und glaubhaft ist die schwierige Frage nach der Schuld am Scheitern einer Ehe ohnehin nicht zu beantworten.
Deshalb sieht der Entwurf als Voraussetzung für eine Scheidung des Scheitern der Ehe vor. Nicht jede, nur die endgültige Zerrüttung kann zur Scheidung führen. Deshalb verwendet der Entwurf nicht den herkömmlichen Begriff der Zerrüttung, sondern führt den des Scheiterns neu ein.
Als Grundtatbestand ist vorgesehen, daß eine Ehe geschieden werden kann, wenn sie gescheitert ist. Ferner gibt es zwei Tatbestände, wenn das Scheitern der Ehe nach bestimmten Trennungszeiten gesetzlich vermutet wird, und schließlich eine immaterielle Härteklausel, wonach eine Ehe, obwohl sie gescheitert ist, wegen außergewöhnlicher Umstände nicht geschieden werden soll.
In der Frage der Trennungsfristen, insbesondere darüber, ob die gesetzliche Vermutung des Scheiterns der Ehe nach dreijähriger Trennung unwiderleglich oder widerlegbar ausgestaltet sein sollte, gehen die Auffassungen auseinander. Der Entwurf schlägt vor, daß auch bei einer dreijährigen Trennung solche Tatsachen vorgebracht werden können, die das Scheitern der Ehe widerlegen können. Ich verkenne nicht, daß damit der dogmatische Grundsatz durchbrochen wird. Ich bezweifle aber, daß ein starres dogmatisches System geeignet ist, einem so schwierigen, immer wieder einmaligen, höchstpersönlichen Lebensvorgang wie dem einer Ehescheidung voll gerecht zu werden.
Der Kritik an der Härteklausel muß eingeräumt werden, daß sie gleichfalls, auch in der vorgeschlagenen Form der immateriellen Härteklausel, nicht nahtlos in die reine Lehre vom Zerrüttungsprinzip hineinpaßt. Aber im Gegensatz zu dem mit Recht viel kritisierten Widerspruchsrecht des geltenden § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes kann diese Härteklausel nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, gerade dort, wo eben aus menschlichen Gründen eine solche Ausnahme unerläßlich erscheint, angewendet werden. Wirtschaftliche und soziale Umstände bleiben außer Betracht. Sie werden durch das verbesserte Unterhaltsrecht des Entwurfs aufgefangen. Es ist auch mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbar, sie aus rein wirtschaftlichen Gründen aufrechterhalten zu wollen. Die vorgeschlagene Härteklausel des Entwurfs kommt trotz Vorliegens außergewöhnlicher Umstände - anders also als bei § 48 Abs. 2 des gelten2228
den Ehegesetzes - nicht schon dann zur Anwendung, wenn sich der scheidungsunwillige Ehegatte darauf beruft. Das Gericht muß vielmehr die Belange beider Ehegatten gegeneinander abwägen. Beide Regelungen des Entwurfs beruhen auf der Einsicht, daß schematische oder automatische Lösungen meist keine befriedigende Antwort auf umfassende Lebensvorgänge geben können.
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Damit muß sich auch die Kritik auseinandersetzen. Wenn sie bessere Lösungen zu finden vermag, werden wir sie gerne aufgreifen.
Auch im Unterhaltsrecht nach der Scheidung geht der Entwurf neue Wege. Nach geltendem Recht hat der Ehegatte, der die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trägt, keinen Anspruch auf Unterhalt. Diese Folge hat überwiegend die Eigenschaft einer Strafe. Sie trifft besonders die nichterwerbstätige Frau schwer. Das ist nicht sachgerecht. Bei der Regelung der Folgen einer Scheidung darf nicht gestraft oder belohnt werden. Es geht allein um gerechten Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Belange beider Ehepartner.
Daß ein Ehegatte auf Unterhaltszahlung des anderen angewiesen ist, hat seinen Grund darin, daß die Eheleute eine bestimmte Aufgabenteilung in der Ehe vorgenommen haben. Ein Ehegatte versorgt den Haushalt, der andere bleibt weiter erwerbstätig. Je länger die Ehe dauert, um so mehr steigt die wirtschaftliche Abhängigkeit des nichterwerbstätigen
Teils vom anderen. Auch für die absehbare Zukunft werden Frauen hier häufiger benachteiligt sein als Männer, selbst wenn sich die eigentlich selbstverständliche Forderung nach voller Berufsausbildung der jungen Frauen stärker durchsetzen und die Berufstätigkeit zunehmen wird.
Der Entwurf schlägt eine wirtschaftlich und sozial ausgewogene Lösung vor. Zerbricht die Ehe, so hat der wirtschaftlich stärkere Teil so lange und so weit Unterhalt zu leisten, als eine Abhängigkeit des wirtschaftlich schwächeren Teils fortbesteht und dieser nicht auf eigenen Füßen stehen kann. Der Unterhaltsbedürftige hat die ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen und sich gegebenenfalls umschulen zu lassen, wenn er hierzu die Fähigkeiten besitzt und die Umschulung zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist.
Auf diesen Grundsätzen beruht das Unterhaltsrecht mit seinen fünf Haupttatbeständen. Danach hat ein geschiedener Ehegatte Anspruch auf Unterhalt:
1. Wenn er ein gemeinschaftliches Kind betreut und deswegen von ihm keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann;
2. wenn von ihm wegen seines Alters im Zeitpunkt der Scheidung oder bei Beendigung der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann;
3. wenn er wegen Krankheit im Zeitpunkt der Scheidung an der Ausübung eines Berufs gehindert ist;
4. solange er keine angemessene Erwerbstätigkeit findet, wobei der Anspruch wiederauflebt, wenn eine dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mißglückt, etwa weil er seine Kräfte überschätzt hat.
Das entspricht, abgesehen davon, daß die Bedürfnislage zu bestimmten Zeitpunkten vorliegen muß, dem Katalog des geltenden Rechts, der von der Rechtsprechung herausgebildet worden ist. Die wesentliche Verbesserung liegt darin, daß in Zukunft die Ursachen des Scheiterns der Ehe ohne Bedeutung sind.
Hinzu kommt ein neuer, fünfter Tatbestand, der ein Stück Chancengleichheit mehr verwirklichen soll. Ein Ehegatte, der in Erwartung oder während der Ehe seine Ausbildung abgebrochen hat, kann Unterhalt einschließlich der Ausbildungskosten vom anderen Ehegatten für die Zeit verlangen, in der die von ihm gewählte Ausbildung im allgemeinen abgeschlossen ist. Meist wird es die junge Frau sein, die wegen der Ehe ihre Ausbildung abbricht. Ihr soll künftig nicht mehr zugemutet werden, nach der Scheidung einen Beruf ausüben zu müssen, der unter ihren tatsächlichen Fähigkeiten liegt. Den ehebedingten Ausbildungsverlust soll billigerweise derjenige Ehegatte ausgleichen, der in seinem beruflichen Werdegang keine Einbußen erlitten hat. Nicht zuletzt liegt es auch im Interesse der unterhaltspflichtigen Ehegatten selbst, daß der andere eine Tätigkeit aufnehmen kann, die seinen gesamten angemessenen Lebensbedarf deckt.
Für Maß und Umfang des Unterhaltsanspruchs werden auch weiterhin die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmend sein. Hierfür war der Gesichtspunkt maßgebend, daß Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung gleichwertig sind und beide Ehegatten dieselbe soziale Stellung haben.
Eine der wichtigsten Neuerungen des Entwurfs stellt die Einführung des Versorgungsausgleichs dar. Diese dem geltenden Recht unbekannte, neuartige rechtliche Regelung ist dringend geboten. Soweit die Frau nicht selbst oder nicht voll erwerbstätig ist, erwirbt sie keine oder keine ausreichende Alterssicherung. Sie bleibt abhängig von Unterhaltsleistungen und Leistungsfähigkeit des Mannes im Alter. Wird sie schuldig geschieden, erhält sie nichts. Ihre Lebensleistung in der Ehe findet keine Entsprechung in der Altersvorsorge. Das ist eine unvertretbare Benachteiligung.
Der Entwurf folgt mit seiner Lösung dem im Vermögensrecht anerkannten Gedanken des Zugewinnausgleichs. So wie in der Regel der Vermögenszuwachs während der Ehe nach deren Ende geteilt werden muß, so soll auch die Alterssicherung, die ebenfalls auf der gemeinsamen Lebensleistung beider Ehepartner während der Ehe beruht, berücksichtigt werden.
Es ist deshalb angemessen, die Anrechte auf Altersversorgung ebenfalls zur Hälfte zwischen den Ehegatten auszugleichen, wenn die Ehe geschieden wird. Der Versorgungsausgleich hat nicht nur den Gesichtspunkt individueller Gerechtigkeit für sich, sondern er ist gleichzeitig ein erster Schritt
zur Verwirklichung einer wichtigen sozialpolitischen Aufgabe unserer Zeit: der eigenständigen Invaliditäts- und Alterssicherung für alle nicht erwerbstätigen Ehefrauen.
Dieses Ziel ist nicht einfach und nicht kurzfristig zu erreichen. Aber wir müssen jede Möglichkeit schon jetzt ergreifen, um zu mehr sozialer Sicherheit, besonders auch für ältere Frauen, zu gelangen. Hier im Rahmen des Scheidungsfolgenrechts, wo die Probleme besonders dringend sind, bietet sich ein Ansatz, der gewiß noch viele Fragen offenläßt, gegenüber dem geltenden Recht aber ein wichtiger Schritt zu mehr Sicherheit für die älteren Frauen ist.
Schließlich ein Wort zur Neuordnung des Eheverfahrens. Bereits durch die Änderungen bei den Scheidungsvoraussetzungen wird das Scheidungsverfahren in Zukunft anders ablaufen als bisher. Der Übergang zum Zerrüttungsprinzip und insbesondere die gesetzlichen Vermutungen für das Scheitern der Ehe werden das Verfahren entkrampfen und versachlichen. Der Streit um das Verschulden entfällt. Scheinverfahren mit fingierten Schuldvorwürfen und unwahren Geständnissen werden überflüssig. Die neuen Verfahrensregeln bringen zusätzliche Verbesserungen zum Schutze der Interessen der Beteiligten. Das rechtspolitisch Bedeutsame ist, daß in Zukunft über die Scheidung und die Scheidungsfolgen eigene Spruchkörper, nämlich die Familiengerichte mit erfahrenen, für diese Aufgabe besonders geeigneten Richtern befinden sollen. Beides, der Scheidungsausspruch und die Regelung der Scheidungsfolgen, sollen grundsätzlich in einem und demselben Verfahren erledigt werden. Die Eheleute sollen wissen, was die Scheidung für sie bedeutet. Niemand soll eine neue Ehe eingehen, bevor nicht die Rechtsbeziehungen aus der vorangegangenen geklärt sind. Heute glauben viele, mit dem Scheidungsausspruch vor dem Landgericht sei ihre Lebensgemeinschaft schon aufgelöst. In Wahrheit beginnt nach dem gegenwärtigen Verfahrensrecht in bis zu 14 verschiedenen Verfahren vor unterschiedlichen Gerichten erst dann der hartnäckigste Kampf um die Kinder, den Unterhalt, die Ehewohnung, den Hausrat.
Dadurch, daß alle diese Fragen zusammen behandelt und vor der Entscheidung über die Ehescheidung geregelt sein sollen, wird zudem ein zusätzlicher Schutz für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten geschaffen.
Verehrte Damen! Meine Herren! Die Reform des Ehe- und Familienrechts muß das Eherecht für die Betroffenen so formen, daß es ihrer eigenen Verantwortung Raum gibt und ihnen hilft, die Schwierigkeiten im rechtlichen Bereich zu lösen, die sich aus einem Scheitern der Ehe ergeben. Es geht weder darum, die Ehescheidung zu erleichtern, noch darum, sie zu erschweren.
Ein noch so gutes Eherecht kann keinen Beitrag dazu leisten, daß es weniger Scheidungen und weniger Unglück aus gescheiterten Ehen gibt. Hier sind uns deutliche Grenzen gesetzt. Zerrüttete Ehen und Ehescheidungen wird es ebenso wie soziale Not und Krankheit geben, solange es Menschen mit
ihren Schwächen und individuellen Eigenschaften gibt. Das Recht kann menschliche Unzulänglichkeiten und Schicksalsschläge nicht verhindern, es kann nur versuchen, die daraus entstehenden Belastungen einigermaßen gerecht zwischen den Betroffenen auszugleichen. Das sollten wir versuchen. Das ist das Ziel des Entwurfs.
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Meine Damen und Herren, damit ist der Gesetzentwurf der Bunderegierung eingebracht.
Wir treten in die Aussprache ein. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts behandelt thematisch ein Kernstück der Rechtspolitik der sozialliberalen Koalition. Gleichzeitig nimmt er alte Forderungen der Freien Demokraten auf, nämlich die verwirklichte Gleichberechtigung in der Ehe über die schüchternen Ansätze des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 hinaus, im Ehescheidungsrecht die Abwendung vom Verschuldensprinzip, den Übergang zum Zerrüttungsprinzip und damit den Verzicht des Staates darauf, in den intimsten Bereich zweier Menschen subjektiv wertend einzugreifen und letzte Instanz spielen zu wollen, gleichzeitig das Bemühen, nach der erfolgten Scheidung die Lösung der materiellen Probleme jedenfalls im Grundsatz nicht mehr an Schuld oder Unschuld der Partner, sondern allein an ihrer wirtschaftlichen Lage und an ihrer sozialen Situation zu messen, und schließlich die sachlich gebotene Konzentration des Verfahrens über die Scheidung selbst und die Scheidungsfolgen bei einem Gericht und in einem Verfahren.
Nach unserer Auffassung und auch in der sozialen Wirklichkeit in unserem Lande ist an die Stelle der patriarchalisch bestimmten Ehe oder auch an die Stelle der Ehe mit männlichem Stichentscheid zunehmend eine partnerschaftlich gestaltete Ehe getreten. Es ist überhaupt nicht zu übersehen, daß bis weit in mehr traditionsbestimmte Bevölkerungsschichten hinein eine breite Emanzipationsbewegung der Frau festzustellen ist. Die Frau beginnt, sich teilweise Rechte nur zurückzuholen. Ich sage „zurückholen" und verweise in diesem Zusammenhang auf Ausführungen meiner Fraktionskollegin Frau Funcke, welche sie hier im Hause in anderem Zusammenhang gemacht hat. Sie hat meines Erachtens sehr richtig darauf hingewiesen, daß der Frau, wenn sie im Mittelalter auch in der Kirche zu schweigen hatte und vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen war, damals nach der ganzen sozialen Wirklichkeit doch ein breiter Verantwortungsbereich, der weit über das heutige Haushaltsgeschehen hinausgeht, zugefallen ist.
Im Zuge der technischen und arbeitsteiligen Entwicklung unserer Gesellschaft wurde die Frau zunehmend abgedrängt, etwa in den Bereich eines typischen Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushalts in
relativ kleiner Wohnung, in einer Stadt, wo für die Frau zwar die Arbeit viel sein mag, wo ihr aber die soziale Geltung außerhalb der Familie oft weitgehend versagt bleibt.
Es ist nicht die Aufgabe eines Gesetzes, in die einzelne Ehe einzugreifen und eine bestimmte Rollenverteilung aufzuzwingen; das muß klar gesagt werden. Auch bei dem neuen Recht steht es den Eheleuten frei, in freier Übereinkunft die Rollen zu verteilen und ihr Leben so zu gestalten, wie sie das für richtig halten. Aufgabe des Gesetzes ist es nur, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie in unserer Verfassung verankert ist, als Angebot, aber als ein durch Rechtsanspruch abgesichertes Angebot, zu geben und dieses Angebot in ein neue Familienrecht zu übersetzen.
Diese Neugestaltung muß allerdings ohne Wenn und Aber erfolgen. Wenn ich mir die Stellungnahme des Bundesrates einmal ansehe, so muß ich feststellen, daß man bereits beim Namen versucht, den Ehemann in gewisser Weise doch wieder zu begünstigen. Man sagt in der Begründung, eine vielhundertjährige Tradition im deutschen Rechtsleben und die darauf fußende Überzeugung des weitaus überwiegenden Teils der Bevölkerung rechtfertige dies. Wir sollten uns überlegen, ob nicht gerade das Namensrecht eine Art Hebel ist, um einiges über den Familienbereich hinaus gesellschaftlich zu verdeutlichen; denn wenn wir im Namensrecht zu einer wirklichen Gleichstellung kommen, dann wird auch in mehr traditionsbestimmten Familien der Freude über einen Stammhalter die gleiche Freude über eine Stammhalterin ebenbürtig sein.
Ich darf ein Erlebnis wiedergeben. Es ist noch nicht so lange her - erst einige Jahre , daß ein Bauer vom oberbayerischen Samerberg auf die Frage, wie viele Kinder er denn habe, stolz, aber doch zugleich differenziert, wie folgt antwortete: „Drei Buam und etliche Deand'ln." Auf hochdeutsch: Drei Knaben und einige Mädchen.
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- Ich sagte: stolz aber differenziert, und er hat differenziert. Das hat nicht zuletzt, Herr Kollege, sicherlich mit dem Namensrecht etwas zu tun.
Meine Damen und Herren, ich sehe Veranlassung, hier einige allgemeine Bemerkungen einzuschieben. Der Ansatzpunkt eines neuen Scheidungsrechts wird sicherlich nicht sein, bessere Möglichkeiten zu schaffen, wieder auseinanderzugehen, sondern dieser Ansatzpunkt ist ein ganz anderer; nämlich die Respektierung des Willens beider oder auch eines Ehegatten in einem Bereich, der der Zwangsvollstreckung nicht zugänglich ist. Ehe und Familie werden in unserer Verfassung dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung empfohlen. Damit wird ganz allgemein die Institution der Ehe geschützt. Sicherlich wird auch die einzelne Ehe vor unzulässigen staatlichen Eingriffen und vor der Vorenthaltung der ihr zustehenden Anerkennung in der Öffentlichkeit geschützt. Aber wenn wir die Dinge etwas durchdenken, kommen wir an dem Tatbestand nicht vorbei, daß sich der Bestand der einzelnen Ehe in der Lebenswirklichkeit einzig und allein auf den Willen der beiden Ehepartner zur ehelichen Gemeinschaft gründet.
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Und wo dieser Wille gebrochen ist, bleibt dem Stadt ganz einfach nur die Feststellung eines objektiv eingetretenen Zustands, und zwar ohne die Frage nach dem Warum, weil diese Frage der Klärung oder auch nur der Aufhellung durch die Justiz in den meisten Fällen überhaupt nicht zugänglich ist.
Natürlich wird die materielle Seite einer klaren und für den schwächeren Teil befriedigenden Regelung bedürfen. Wir werden die Fragen des Unterhalts künftig - jedenfalls im Grundsatz - nicht mehr am Verschulden, sondern an der wirtschaftlichen und sozialen Situation zu messen haben, ganz einfach deswegen, weil die materiellen Folgen einer Ehe, die immer eine Haftungsgemeinschaft in Solidarität - auch im Wirtschaftlichen - darstellt, nicht aufgehoben werden, wenn die Ehe selbst zerbricht. Das neue Unterhaltsrecht orientiert sich an solchen Überlegungen.
Man wird weiterhin zu begrüßen haben, daß dieses Unterhaltsrecht gleichzeitig jeden Partner nach der Scheidung ermuntert und nötigenfalls auch zwingt, eigenverantwortlich auch auf dem materiellen Sektor tätig zu werden. Es wird und soll künftig nicht mehr möglich sein, daß ein jüngerer Ehepartner, der durchaus arbeiten könnte, nach der Scheidung nur einfach deshalb Unterhalt bezieht, weil er einmal geheiratet hat.
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Andererseits muß die Mutter mit den jüngeren Kindern, die der Pflege und Erziehung bedürfen, müssen die älteren, traditionsgemäß meist nie erwerbstätig gewesenen Hausfrauen, muß der kranke und erwerbslose Ehepartner nach der Scheidung wirtschaftlich völlig sicher gestellt sein. Das muß klargestellt werden, und das wird in der Vorlage der Bundesregierung klargestellt.
Es ist auch zu begrüßen, daß Versuche gemacht werden, demjenigen, der seine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung lediglich infolge der Ehe abgebrochen hat, Starthilfen zu geben; es ist zu begrüßen, daß die Dinge nicht mehr statisch, sondern dynamisch betrachtet werden.
Man konnte auf der anderen Seite auf eine Billigkeitsklausel in § 1580 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht verzichten. Wir sehen darin keine systemfremde Regelung, denn hier geht es nicht um Rechtsprechung im Intimbereich, sondern um Entscheidungen über materielle Folgen der Ehescheidung. Und es wären, hätten wir diese Billigkeitsklausel nicht, immerhin Fälle denkbar, in denen völlig zu Unrecht und unbillig wirtschaftlich begünstigt würde, wer - auf der Seite des Mannes - als chronischer Tunichtgut während der Ehe zum Familienunterhalt überhaupt nichts beigetragen hat oder wer - auf der
Seite der Frau - als Giftmischerin im Familienbereich bei der Tat im Versuch steckengeblieben ist.
Ein besonderes Problem ist die Frage der Alters-und Invaliditätssicherung. Viele Ehegatten - meist Frauen - waren nur zeitweise oder nie erwerbstätig. Sie besitzen heute keinen Altersversorgungsanspruch aus eigenem Recht. Dem soll jetzt abgeholfen werden durch den Versorgungsausgleich. Ich gebe aber an dieser Stelle bereits zu bedenken, daß das in vielen Fällen zu unerwünschten Kleinstrenten führen könnte. Um es ganz klar zu sagen: Im Verhältnis der beiden Ehepartner ist das gerecht. Es ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Einstehens füreinander in materieller Hinsicht, auch nach Scheidung der Ehe. Aber es ist ganz sicherlich sozialpolitisch unerwünscht. Wenn man daraus nicht gleich die Folgerung ziehen will und zum Leitbild der Erwerbstätigen-Ehe übergeht, dann sollte man zumindest in die Beratungen sehr intensiv den Vorschlag der Eherechtskommission einbeziehen, die ein Kombinationsmodell anbietet. Die Eherechtskommission schlägt vor, die nichterwerbstätige Ehefrau in Höhe von 30 °/o des Arbeitsverdienstes des Mannes versicherungspflichtig zu machen. Im Falle der Scheidung wären dann im Versorgungsausgleich nicht hundert Punkte durch zwei zu teilen, sondern es kämen 130 Punkte zur Verteilung, was hinsichtlich der Höhe der Renten die beim jetzt vorgeschlagenen Modell aufkommenden Bedenken bereits weitgehend abmildern könnte.
Zu begrüßen ist auch, daß wir beim Familiengericht zur Verfahrenskonzentration kommen. Das schafft - das wurde gesagt - Klarheit über die Folgeentscheidungen im Rahmen eines Verfahrens und beseitigt auch endlich die dem Laien völlig unverständliche Aufsplitterung auf eine Fülle von Gerichten bei der Entscheidung über einen letztlich einheitlichen Lebensvorgang. Nur werden wir Bedacht darauf nehmen müssen, daß dadurch keine unzumutbare Verlängerung des Scheidungsverfahrens eintritt.
Der Kern des Entwurfs ist ,das Scheidungsrecht. Es ist ganz einfach deswegen der Kern, weil die intakte Ehe im Familienrecht lediglich eine gewisse Ordnungsfunktion zu sehen hat. Für die intakte Ehe wird es wichtiger sein, daß wir das richtige Mietrecht und die richtige Sozialpolitik haben. Für die gescheiterte Ehe aber hat das Eherecht ein klares, aber auch handhabbares Recht bereitzuhalten, und daran hat es bisher gefehlt. Das trifft besonders für jene Zeit zu, seit die CDU/CSU im Jahre 1961 mit ihrer absoluten Mehrheit in § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes ein Instrument konstruiert hat zur Ehe wider Willen und damit Tausende von Bürgern in diesem Land in die familienrechtliche Illegalität gestoßen hat,
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ohne dadurch - und das wollen wir ganz deutlich dazu sagen dem verlassenen Ehepartner in irgendeiner Weise helfen zu können. Die Fraktion der FDP hat bereits im Februar 1967 eine Änderung des § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes vorgeschlagen. Sie hat damals in diesem Hause leider nicht die notwendige Unterstützung gefunden. Jetzt, bei der
neuen Diskussion des Ehescheidungsrechts, melden sich schon die Stimmen, die Bedenken haben und sagen, das alles gehe zu weit. Das beginnt mit der Auffassung des Bundesrates, man könne nicht sagen, eine Ehe sei gescheitert. Er meint das, weil das ein besonderes Unwerturteil über die Ehe als solche enthalte und weil zudem die Zerrüttung der gängige und bereits eingeführte Begriff sei.
Mit Recht und erfreulicherweise hat sich die Bundesregierung das nicht zu eigen gemacht. Sie weist darauf hin, daß es allein auf den objektiven Zustand der Ehe zum Zeitpunkt der Scheidung ankomme, woran das Ehescheidungsrecht anzuknüpfen habe.
Wir befinden uns hier zwar nicht in einem germanistischen Hauptseminar, aber ich darf doch einmal darauf hinweisen, daß es ein Scheiterungsprinzip sprachlich nur schwerlich gibt. Um im Bild der Prosa zu bleiben, stelle ich die Frage: Was spricht dagegen, die Ehe mit einem Schiff zu vergleichen - das ist ganz wertneutral -, das im Einzelfall auf Grund von Navigationsfehlern oder unsichtbaren Unterwasserklippen aufgelaufen und dann eben gescheitert ist?
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Aber ich habe den Verdacht - dieser Verdacht kann belegt werden -, daß es dem Bundesrat gar nicht so sehr um die sprachliche Grazie dieses Gesetzes und - mit seinen abweichenden Vorstellungen - noch weniger um seine Klarheit geht. Das beweisen die Vorschläge, die er zu diesem Gesetzentwurf unterbreitet hat.
Da soll auch die gescheiterte Ehe erst nach Ablauf eines Jahres, im streitigen Verfahren erst nach Ablauf von fünf Jahren, außer im Falle der Unzumutbarkeit, geschieden werden können. Denn der Bundesrat fordert im Falle der streitigen Scheidung die Erhöhung der Frist von drei auf fünf Jahre. Da soll, auch wenn beide Partner die Scheidung wünschen, das einjährige Getrenntleben nur eine widerlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe darstellen. Da wird eine erweiterte Härteklausel gewünscht, die die Scheidung unmöglich macht, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe zum Wohl der Kinder notwendig ist - § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes in neuer Fassung! Da wird weiter eine Härteklausel gewünscht, die, im Verhältnis zum anderen Ehegatten, auch die wirtschaftliche Situation mit einbezieht.
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Hier wird der Verdacht doch ganz deutlich, daß der brüchige Kitt des § 48 Abs. 2 des geltenden Ehegesetzes neu angerührt und in neuen Formen wieder einmodelliert werden soll. Gegen dieses Verfahren, gegen diese Absicht - besonders, wenn sich die Opposition diese Vorschläge hier im Plenum und im Ausschuß zu eigen machten sollte - darf ich namens meiner Fraktion den härtesten Widerstand ankündigen.
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Die Bundesregierung hat sich die von mir zitierten Vorschläge des Bundesrates erfreulicherweise
- aber wie erwartet - nicht zu eigen gemacht. Ich stelle aber die Frage, ob der Versuch wesentlicher, politisch relevanter Teile in diesem Lande, das Rad dort zu belassen, wo es ist oder es gar zurückzudrehen, nicht eine Tendenz deutlich macht, die für den Herrn Bundesjustizminister und uns alle besonderer Anlaß sein sollte, zu prüfen, ob nicht auch im vorgelegten Entwurf - ungewollt - bestimmte Gefahren schlummern, die ein Festhalten am jetzigen, unerfreulichen Zustand in der Praxis mit sich bringen könnten.
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Der Entwurf eines neuen Ehe- und Familienrechts ist von den Kommentatoren zum Teil mit viel Pessimismus verfolgt worden. Ich will dem nicht durchweg folgen, aber man sollte die Stimmen ernst nehmen.
Es ist vielleicht nicht uninteressant, daß ein jüngerer engagierter Jurist, Hermann Jülkenbeck, in seiner Schrift „Vorschlag für ein neues Scheidungsrecht auf sozialwissenschaftlicher Grundlage" bereits im Herbst 1971 ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren - folgendes schrieb:
Die Ersetzung des Verschuldens- durch das Zerrüttungsprinzip wird vor allem formaler Natur sein, weil die voraussichtlichen Scheidungsbeschränkungen eine ähnliche Wirkung wie das geltende Widerspruchsrecht haben werden. Die Scheidungsreform dürfte damit ein Schicksal erleiden, das aus der Sicht des Fachmannes zu erwarten war: sie gelangt an ihren Ausgangspunkt zurück, § 48 Abs. 2 Ehegesetz kehrt in anderer Form wieder.
Das ist gewiß hart, und ich teile es nicht durchweg, aber es sollte uns - und deswegen habe ich es zitiert - die Pflicht zu erhöhter Wachsamkeit auferlegen.
Nach der Auffassung meiner politischen Freunde müssen die Trennungsfristen von einem bzw. drei Jahren bei der Diskussion von vornherein als Maximalfristen betrachtet werden.
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Das wird schon deswegen nahegelegt, weil immer übersehen wird, daß natürlich insbesondere bei der einverständlichen Scheidung der Anrufung des Gerichts eine Überlegenszeit der Ehepartner vorausgeht. Diese Zeit ist gar nicht so kurz. Leider haben wir hier eine etwas ungenügende Rechtstatsachenforschung, aber es liegen aus dem Bereich der USA Zahlen vor. Selbst in Großstädten kommen wir bei jüngeren Frauen, die dazu neigen werden, schneller Entschlüsse zu fassen, auf recht beträchtliche Zeiten von immerhin mehreren Monaten oder oft auch von mehr als einem halben Jahr oder auch von einem Jahr. Wenn man das berücksichtigt, wird man die Fristen von einem Jahr und von drei Jahren etwas kritischer betrachten müssen. Vor allem sehen wir keinen vernünftigen Grund, im Falle der streitigen Scheidung die Dreijahresfrist widerlegbar zu machen. Nach unserer Auffassung muß durch die
dreijährige Trennung eine unwiderlegliche Vermutung begründet werden.
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Ich glaube, das wird im vorliegenden Gesetzentwurf auch in der Begründung ganz deutlich. Auch der Gesetzentwurf sieht es so, sagt aber dann schließlich, man habe Rücksicht zu nehmen auf einen Teil der Bürger, der sich nicht von überkommenen Vorstellungen lösen kann. Eben das kann aber nicht der Grund sein, das so im Gesetz zu formulieren, Die Sache hat eine eminent praktische Bedeutung. Der Entwurf meint, so oft sei es gar nicht möglich, im Prozeß eheerhaltende Tatsachen vorzutragen; das werde sich auf ganz wenige Fälle beschränken. Von der Praxis her frage ich aber: Wo ist jener Zauberkünstler von einem Anwalt, der es fertigbringen wird, von seiner Mandantschaft dargebotene eheerhaltende Tatsachen oder was diese Mandantschaft dafür hält, im Prozeß nicht vorzutragen? Deswegen ist ganz einfach voraussehbar, daß im streitigen Scheidungsverfahren künftig stets eheerhaltende Tatsachen vorgetragen werden und von hier aus schon die Gefahr besteht, zum alten Verschuldungsprinzip zurückzukehren.
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- Herr Kollege Dr. Lenz, es geht weiter: Wir sollten einen Punkt nicht unterschätzen, das ist die zumindest nicht ehefördernde Wirkung dieser Vorschrift. Wir haben ja Gott sei Dank in § 1567 Abs. 2 die Bestimmung, daß ein kurzes Zusammenleben nach Eintritt der Trennung, um eine Versöhnung herbeizuführen oder zu versuchen, nicht fristhemmend oder gar fristunterbrechend wirkt. Wo aber, frage ich, wird sich im Falle der voraussichtlich streitigen Scheidung noch ein Ehepartner bereitfinden, so etwas auch nur zu unternehmen? Ich habe gehört, auch aus dem Bereich der Opposition haben Anwaltskollegen bereits darauf hingewiesen, daß in diesem Falle ein Anwalt seiner Mandantschaft nur anraten kann, während der Trennungszeit erstens nicht zurückzukehren und zweitens keine übertriebenen Freundlichkeiten oder allgemein menschlichen Regungen wie etwa die eigenhändige Übergabe eines Geburtstagsgeschenks zu zeigen.
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Denn das alles kehrt nach der dreijährigen Frist im Falle der widerleglichen Vermutung schriftsätzlich wieder: Es könnte ja auch nicht der Ausdruck allgemeiner Menschlichkeit, sondern einer wieder aufkeimenden ehelichen Gesinnung sein. Deswegen wird sich gerade diese Bestimmung in der Praxis sehr problematisch auswirken, würde sie in dieser Form Gesetz.
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Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß auch die Klausel für den Fall immaterieller Härte natürlich mit schwerer Problematik beladen ist. in der Begründung wird kaum der Versuch unternommen - und es ist offensichtlich auch kaum möglich -, konkrete Beispiele zu liefern. Das legt von vornherein die Gefahr einer exzessiven und örtlich völlig
verschiedenen Rechtsprechung nahe, was immer sonst in der Begründung niedergelegt ist und was immer wir hier dazu sagen. Als Beispiele werden schwere Krankheit oder eine Zeit besonders schwerer Schicksalsschläge angeführt. Aber wie wird man unterscheiden können, wie wird man die Frage beantworten können, ob die besonders schwere Härte gegenüber dem verlassenen Ehepartner nicht bereits im Scheidungsbegehren als solchem und in der möglicherweise darin liegenden menschlichen Kränkung liegt, oder ob diese besonders schwere Härte erst durch die Scheidung als solche ausgelöst wird - und nur das wird von der Härteklausel erfaßt -? Wenn man an eine Klausel für den Fall immaterieller Härte denkt, dann sollte man sie zumindest zeitlich eng befristen, wie es z. B. die Eherechtskommission vorgeschlagen hat. Denn es ist natürlich keine Lösung, zu sagen, es solle einer an der Härteklausel nicht zeitlebens festgehalten sein. Was soll der Betroffene tun? Soll er von Jahr zu Jahr immer erneut in Form eines Antrags bei Gericht anfragen, was jetzt zur Frage der schweren Härte gemeint werde?
Ich glaube, insgesamt wird es - und wir nehmen das sehr ernst - unsere Aufgabe bei den folgenden Beratungen sein, die Position eines Wächters einzunehmen und dafür zu sorgen, daß wir bei gerechtem Ausgleich aller wirtschaftlichen Folgen für den sozial Schwächeren zu einem Scheidungsrecht kommen, das vom staatlich verordneten Festhalten an der Ehe Abstand nimmt, die nicht wertlos sein mag, aber laut gerichtlicher Feststellung gescheitert
ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Erhard ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre reizvoll, auf verschiedene Elemente der Aussage des Kollegen Engelhard, aber auch auf einige Feststellungen des Herrn Ministers unmittelbar jetzt zu antworten. Ich will versuchen, einiges von dem, was als Antwort notwendig ist, in die Stellungnahme zum vorgelegten Entwurf hineinzupacken, aber mich dabei um äußerste Zurückhaltung bemühen; denn erstens ist die erste Lesung nicht eine Auseinandersetzung über einzelne Begründungselemente, die hier vorgetragen sind, und zweitens sollte die zeitliche Dauer der Diskussionen am Freitag vor Pfingsten sicherlich in unser aller Interesse abgekürzt werden.
Die CDU/CSU-Fraktion hat schon bei der Vorlage des ersten und des zweiten Entwurfes eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts ihre Stellungnahme hier sehr deutlich und eingehend durch den Mund des Herrn Professor Mikat abgegeben. Wir stehen nach wie vor zu dem, was wir damals gesagt haben.
Wir sind erstens der Meinung, daß das Recht der Ehe und der Ehescheidung ein so wesentliches Element nicht etwa unserer Gesellschaft, sondern unseres menschlichen Zusammenlebens ist, daß wir
danach streben müssen, für den Einzelfall Lösungen zu bieten, die gerecht sind und auf das Gefühl und die Vorstellung von Gerechtigkeit stoßen. Das, was unter Ehe und unter Familie bei uns verstanden wird, darf durch die gesetzte Rechtsordnung nicht verkehrt werden. Davon ausgehend stimmen wir durchaus der Vorstellung und dem hier entwickelten Gedanken zu, daß eine Ehe, die unheilbar zerrüttet ist und als endgültig gescheitert bezeichnet wird, auch geschieden werden kann.
Wir sind zweitens der Meinung, daß die Folge davon eine grundsätzliche Veränderung der Unterhaltsfrage nach sich ziehen muß. Aber wir sind nicht der Meinung, daß das Unterhaltsrecht nunmehr eine schematische Folge allgemeiner Entscheidungen sein könne jenseits von Einzelfallgerechtigkeit und vor allen Dingen auch jenseits von gegebener Bedürftigkeit.
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Wir meinen drittens, daß der Gedanke des Zugewinnausgleichs sich konsequenterweise in einem Versorgungsausgleich fortsetzen soll. Wir versprechen uns davon eine gewisse Verbesserung der Situation vor allem der geschiedenen älter oder alt gewordenen Ehefrauen. Wir erwarten davon aber keine Lösung, die dann wirkt, wenn die Frau noch nicht im versorgungsberechtigenden Alter ist. Genau an dieser Stelle sind die eigentlichen Probleme, die wir im Leben vorfinden, auch nach dem Entwurf nicht gelöst. Es gibt eine Reihe von Bedenken; ich werde sie gleich vortragen.
Wir halten es viertens für notwendig, das Verfahren der Ehescheidung zu konzentrieren, im Familiengericht die verschiedensten Entscheidungen zusammenzufassen und möglichst in einem einheitlichen Spruch Scheidung und Scheidungsfolgen festzustellen oder zu entscheiden.
Wir sind fünftens der Meinung, daß die Ehewirkungen sorgfältig betrachtet werden müssen und daß kein Anlaß zu der Vorstellung besteht, die man hier hören konnte, dieser Entwurf wäre durch die Einführung des Zerrüttungsprinzips bei der Scheidung etwas, das man in Zusammenhang mit der Emanzipation der Frau bringen könnte.
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Ich habe vielmehr die Sorge, daß vor lauter Vorstellungen, reinen Denkschemata wie Emanzipation - und damit Emotionen - genau das versäumt werden könnte, was wir zum Schutz des Schwächeren und zur Erhaltung von dem, was wir Vertrag auch in der Ehe nennen, für erforderlich halten und daß die längst emanzipierte Frau zur Benachteiligten werden könnte. Auch darüber werde ich noch einiges sagen.
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Ich komme jetzt im einzelnen zu den fünf Schwerpunkten, die Sie, Herr Minister Jahn, hier vorgetragen haben und die mit unseren Vorstellungen weitestgehend übereinstimmen. Ich sage das ausdrücklich, damit wir uns nicht mißverstehen, wenn ich Ihnen sage, wo wir nicht übereinstimmen.
Erhard ({3})
Zunächst zum Zerrüttungsprinzip. Sicherlich kann man ein Ehescheidungsverfahren auf den Tatbestand der zerrütteten, der gescheiterten Ehe aufbauen. Da liegt aber nicht das Problem, sondern es liegt schlicht und einfach dort, wo dadurch krasses Unrecht entstehen kann. Unrecht entsteht in aller Regel nicht dort, wo die Eheleute auseinandergehen wollen, wo sie fest entschlossen sind, nicht zusammenzubleiben, und deswegen, was wir heute haben, die sogenannte vereinbarte Scheidung exerzieren. Das wird man auch in Zukunft tun, mag unsere Rechtsordnung sagen, was sie will.
Herr Jahn, Sie haben mit Recht gesagt: Es ist nicht möglich, Eheleute durch die Rechtsordnung in Treue zusammenzuhalten. Das können wir nicht. Aber wir müssen eine Ordnung anbieten, die es unmöglich macht, das jemand aus eigenem Versagen, aus eigenem Wollen, vielleicht aus Bosheit oder aus Schwäche, ganz egal, aus welchem Grund, aber aus einem sicherlich von ihm zu verantwortendem Verhalten, den anderen von sich stößt und daraus Rechte für sich herleitet. Das darf die Rechtsordnung nicht ermöglichen.
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Das Problem, wann eine Ehe nach bisheriger Rechtsprechung zerrüttet, nach unseren Begriffsvorstellungen gescheitert ist, liegt ja nicht bei zweien, sondern liegt nur bei einem. Wenn sich der eine endgültig abwendet, so sagt es auch schon die heutige Rechtsprechung, dann ist die Ehe gegebenenfalls endgültig nach dem heutigen Sprachgebrauch zerrüttet oder gescheitert. Der andere dagegen will an der Ehe festhalten. Das sind die Fälle der heute meist streitigen Ehescheidung, und das werden auch künftig diejenigen sein, auf die unser Recht abgestellt bleiben muß.
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In anderen Ländern der Welt ist das Zerrüttungsprinzip in Kraft. Ich muß sagen, das Studium dieser Rechtsordnungen zeigt, daß man zumindest im angelsächsischen Bereich nicht vom Prinzip spricht, etwas nicht zum Prinzip erhebt, wozu wir neigen, sondern auf Einzelfallgerechtigkeit abstellt. Die Regierung sagt in diesem Entwurf nur: Wenn Trennungszeiten vorliegen, dann ist das ein Indiz, eine Vermutung, und zwar eine nicht widerlegbare oder eine widerlegbare Vermutung dafür, daß die Ehe endgültig gescheitert ist. Andere Kriterien zu nennen wird tunlichst vermieden, um solche Feststellungen treffen zu können.
Welche Kriterien werden denn wohl auftauchen? Nun, es werden genau die Kriterien auftauchen, die wir heute schon kennen. Das haben auch die Engländer gesehen.
Und was haben Sie gemacht? Sie haben erklärt: wir können den Mißbrauch dieser Zerrüttungsbestimmung durch jemanden, der eine Ehe nur auf Kündigung führt, nicht verhindern. Diesen Mißbrauch ermöglichen Sie mit diesem Gesetz. Derjenige, der an der Ehe festhält, wird, wenn der Entwurf Gesetz werden sollte, weniger Schutz genießen als der Mieter vor dem Vermieter.
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Das ist nicht das richtige Bild von der Ehe, das wir eigentlich haben sollten.
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Es muß, wie es die Engländer getan haben, unmöglich gemacht werden, daß jemand unter Berufung auf sein eigenes Fehlverhalten die Zerrüttung, das Scheitern der Ehe begründen kann.
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Wir kennen in unserem gesamten Recht der langfristigen Vertrags- und der Dauerschuldverhältnisse - das wissen Sie sehr gut, Herr Minister Jahn - nicht die Möglichkeit, daß sich jemand auf eigenes Fehlverhalten, auf eigene Vertragsbrüchigkeit beruft, um damit .aus dem Vertrag herauszukommen. Bei der Ehe soll das künftig gehen! Hier muß also eine Sicherheit eingebaut werden. Ich verweise darauf, daß der Bundesrat mit ganz konkret ausformulierten Vorschlägen auch einen Weg aufzeigt, wie man dieses Problem lösen kann.
Herr Minister Jahn, mir scheint, daß Sie die Problematik - zumindest an anderer Stelle, aber wohl auch heute - gesehen haben und dazu auch grundsätzliche Ausführungen gemacht haben. So haben Sie z. B. in einer Rede - Sie werden wissen, in welcher - gesagt, daß die Rechtspolitik nicht zum Spielball von Emotionen werden dürfe und daß die Rechtsordnung keine grobschlächtigen Lösungen vertrage. Sie haben weiter gesagt, Sie hätten in Ihrer Ministerzeit .die Erfahrung gemacht, daß die Rechtspolitik nicht auf dem Altar politischer Zweckmäßigkeiten und populärer Stimmungen geopfert werden dürfe. Ich beziehe mich hier auf das Problem der sogenannten Emanzipation. Sie haben schließlich auch gesagt, die rechtsstaatliche Ordnung sei ein viel zu empfindliches Instrument, als daß sie zum Seismographen tagespolitischer Beben gemacht werden dürfe. Wir stimmen Ihnen darin völlig zu. Herr Minister, ich kann nicht ohne Schmunzeln daran erinnern, daß das mit fast denselben Worten das ist, was ich Ihnen nach Ihrem Amtsantritt als Justizminister in der ersten Aussprache hier im Bundestag als Empfehlung mit auf den Weg gegeben habe. Hätten Sie sich in der Vergangenheit daran gehalten, wäre Ihr Weg etwas leichter gewesen.
Dieser grundsätzlichen Aussage, die Sie vor dem Juristentag gemacht haben und der wir zustimmen, sollten wir, so meine ich, in der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes folgen. Dies ist ein Appell an die Regierung, insoweit den Vorstellungen des Bundesrates zu folgen. Es darf nicht so sein, daß der Ehemann - das ist die Lebenswirklichkeit - die älter werdende Frau und Mutter, wenn die Kinder vielleicht aus dem Dreck sind und der Ehemann nunmehr meint, eine Jüngere sei schöner, verstoßen kann. Das geht nicht. Dies ist eine von den häufigen, dem Scheidungsanwalt durchaus geläufigen Erscheinungen unserer Wirklichkeit. Hier muß die Rechtsordnung zumindest bremsend eingreifen. Ich könnte
Erhard ({9})
Ihnen hier einige konkrete Beispiele nennen; dies würde heute aber zu weit führen.
Wenn wir einiges, was wir aus dem Lager der Regierung, z. B. in der Regierungserklärung, gehört haben, ganz ernst nehmen, werden wir hier an dieser Stelle, wo wir es meines Erachtens mit gesetzlich ermöglichtem Unrecht zu tun haben, nachdenken müssen. Wir werden vor allen Dingen über die Qualität des Lebens nachdenken müssen, die ja besser werden soll, und zwar nicht nur für diejenigen, die aus der Ehe heraus wollen. „Die Qualität des Lebens ist zu einem zentralen Begriff unserer politischen Arbeit geworden", hat uns der Bundeskanzler gesagt. Sie heißt, so fährt er fort, für uns Freiheit, „auch Freiheit von Angst und Not, Sicherheit auch durch menschliche Solidarität". - Soll die menschliche Solidarität in der Ehe kleinergeschrieben werden als bisher?
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Haben Sie in streitigen Ehescheidungsverfahren - die meisten wohl kaum, ich aber in vielen Fällen - nicht schon die Not der Frau erlebt, die alleingelassen worden ist? Ich könnte Ihnen aus den jüngsten Monaten einige Beispiele nennen. Es sind Frauen zu mir gekommen - im letzten Fall war es sogar ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei -, die gesagt haben: Das kann doch nicht möglich und erlaubt sein. Es muß doch bestraft werden, wenn der Mann mich einfach verläßt!
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- Das Niveau bestimme ich. Wenn Sie, Herr Referendar, einmal die Gelegenheit gehabt haben, in Ehescheidungsverfahren selbst beratend tätig geworden zu sein, werden Sie gemerkt, gehört und erlebt haben, daß es so ist, wie ich es eben dargestellt habe. Wenn Sie keine persönlichen Erfahrungen in dieser Hinsicht haben, ist das nicht mein Verschulden, sondern Ihr Problem!
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- Der schon viele Ehescheidungen durchgeführt hat, Herr Kollege.
Wir haben im übrigen bei dem Problem des Unterhalts einiges anzumerken. Schon im Diskussionsentwurf waren Ansätze, die eine Gedankenstruktur enthielten, als wäre mit der ausgesprochenen Scheidung zwischen den Parteien im Grunde alles zu Ende. Auf Grund der Diskussion ist dann - nicht im Gesetzentwurf - die Aussage gemacht worden, daß die Ehe auch nach den Vorstellungen der Regierung auf Lebenszeit angelegt sei.
Nun ist in den Vorschlägen über das Unterhaltsrecht nach der Scheidung und für das Unterhaltsrecht während der Trennung der Eheleute ganz Bestimmtes ausgesagt. Während der Trennung der Eheleute wird generell ein Unterhaltsanspruch zugebilligt, auch demjenigen, der sich - nach bisherigen Vorstellungen: schuldhaft - davonmacht; ich will das so einfach sagen. Nach unserer Auffassung muß
auch für die Zeit während des Getrenntlebens eine Klausel in das Gesetz, die die unbillige Geltendmachung eines Anspruchs unmöglich macht. Es muß wahrscheinlich auch eine Einschränkung insoweit mit in das Gesetz hinein, daß derjenige, der die Kinder z. B. versorgt oder mitgenommen hat, trotzdem Unterhaltsanspruch hat. Dies während der Ehe.
Nach der Scheidung muß die Aufzählung des Unterhaltsanspruchs, wie es der Gesetzentwurf vornimmt, zu Lücken und zu Ausschließungen von Unterhaltsansprüchen führen. Wir sind der Auffassung, daß, wenn schon Zerrüttungsprinzip, dann auch generell der Unterhaltsanspruch nach Scheidung bestehen muß und daß dann durch eine konkrete Ausnahmeregelung die Einzelfallgerechtigkeit hergestellt wird. Es wäre schwer verständlich, wenn z. B. - wollen wir einmal nicht immer den Mann als den Bösen bezeichnen - die Frau, die dem Mann davonläuft, ihn mit Kindern oder auch ohne Kinder allein läßt, um einem Leben nachzugehen, das nicht auf Unterhaltserwerb ausgerichtet ist, sondern um sich ganz einfach gehenzulassen - will ich vorsichtig sagen -, einen x-beliebig wechselnden Verkehr mit Freunden zu haben, trotzdem Unterhaltsanspruch geltend machen könnte. Das ist im Rahmen von Gerechtigkeitsempfindungen im Einzelfall nicht vertretbar.
Außerdem muß der Unterhaltsanspruch im Falle der Not wiederaufleben können. Wenn das bei der weiteren Gesetzgebung berücksichtigt werden sollte, dann werden wir diesen Unterhaltsvorstellungen unsere Zustimmung auch nicht versagen.
Drittes Problem: der Versorgungsausgleich. Sie haben im Versorgungsausgleich einige Unebenheiten. Herr Minister, das wissen Sie. Zunächst muß beim Versorgungsausgleich darauf geachtet werden, daß die heute unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau nicht in sehr vielen Fällen schlechter gestellt wird durch die Einführung des Versorgungsausgleichs, was nach der jetzigen Regelung einträte.
Eine Verschlechterung des Rechtes der geschiedenen Frau, glaube ich, will eigentlich niemand. Trotzdem schreibt die Regierung auf das Monitum des Bundesrates in ihrer Stellungnahme, man könne eben die guten Sachen aus der jetzigen Rechtsordnung nicht gleichzeitig mit den guten Sachen des Versorgungsausgleichs verbinden. Es geht nicht um gute Sachen hier und dort, sondern es geht darum, vernünftige und gute Regeln, die wir haben, nicht ausgerechnet zu Lasten der geschiedenen Ehefrau zu verkleinern.
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Weiterhin wird unbedingt notwendig sein, die Folgen, die sicherlich niemand will, zu vermeiden, die jetzt eintreten würden. Gerade dort, wo die Schwächsten angesprochen werden, nämlich die Waisen, würde eine Verschlechterung eintreten. Denn die Waisenrentenbezieher würden in vielen Fällen gegenüber der heutigen Regelung benachteiligt. Auch die Halbwaisen würden sich in vielen Fällen schlechter stehen als heute - in anderen Fällen besser -, und zwar ohne erkennbare logi2236
Erhard ({14})
sehe Konzeption. Diese reine Willkür der Einzelregelung muß beseitigt werden.
Ich meine, daß diese bedenklichen Regelungen neben jenen, die sich aus dem Verfahren und aus den sehr kompliziert formulierten Bestimmungen ergeben - ,darauf habe ich in der vorigen Wahlperiode bereits hingewiesen -, verbessert werden müssen. Der Bundesrat erhebt die gleichen Bedenken. Jedenfalls müssen solche Regeln und gesetzlichen Bestimmungen von uns geschaffen werden, die das einheitliche Verfahren der Ehescheidung mit Folgewirkungen nicht über die Schwierigkeiten des Versorgungsausgleichs zu einem endlosen Verfahren machen und damit von den Gerichten nicht angenommen werden. Es dürfen nicht erst wie viele Sachverständige gehört werden müssen, um festzustellen, welcher Versorgungsausgleich denn nun konkret gilt, welcher Rentenanspruch der Frau und welcher dem Manne zufällt. Wenn aber, wie es leider der Fall wäre, in vielen Fällen fast regelmäßig nur mit Sachverständigen gearbeitet werden könnte, würde die gesamte Reform in ihrer ganzen Wirkung gefährdet. Herr Jahn, wir sind darüber einig, daß das beste Recht beim Stillstand der Rechtspflege nichts wert ist. Hier übersetzt: das beste Recht taugt nichts, wenn die Entscheidung nicht einigermaßen zeitgerecht gefällt werden kann.
Wir sind beim vierten Problem, bei den Wirkungen der Scheidung. Hier haben wir Bedenken anzumelden. Die Wirkungen des Scheidungsrechtes können auch auf das Verständnis von der Ehe zurückwirken. Es wäre wesentlich besser, wenn eine allgemeine Bestimmung über die Grundsätze, die wir für die Ehe als notwendig und richtig erachten, in das Gesetz aufgenommen würde, z. B. über den Grundsatz, daß die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist.
Ferner sollten wir sagen, welche Pflichten die Ehegatten in der Ehe haben. Denn eine Ehe, die nur aus Rechten besteht, gibt es nicht. Daß aber eine Ehe Pflichten auslöst, sollten wir nicht zu verschweigen versuchen. Die Nichterfüllung der Pflichten ist ja meist das, was die Schwierigkeiten auslöst. Wir meinen, daß man z. B. durchaus dem französischen Recht folgen könnte. Die Franzosen sagen nämlich grundsätzlich, daß sich die Ehegatten gegenseitig Treue, Hilfe und Beistand schulden.
Warum hält die Regierung in ihrer Vorlage eine solche allgemeine Aussage in Form eines Paragraphen für den Unterhalt - § 1570 - für notwendig, wenn sie dazu selber sagt, daß diese Bestimmung keinen Anspruch begründe und nur notwendig sei, um das Verständnis des Gesetzes zu erleichtern, aber keine selbständige Rechtsgrundlage für irgendwelche Ansprüche darstelle? Das ist auf Seite 122 der Begründung nachzulesen. Diese Leitlinie, die hier ausgedrückt werden soll, möchten wir gern auch für die Ehe haben. Denn ohne diese Leitlinie fehlen ja die Kriterien für den Inhalt. Nur noch die „Trennung der Ehegatten" soll den Inhalt der Ehepflichten wiedergeben, und das ist zuwenig. Die Rechtsprechung hat die Probleme sehr wohl ausgearbeitet. Wenn nämlich die Verschuldenstatbestände wegfallen, dann ist ,das Kriterium für die Pflichten, die
sich als Umkehrschluß ergeben, nicht mehr im Gesetz enthalten.
Lesen Sie einmal den Entwurf! Zu dem, was die Rechtsprechung als äußersten Maßstab für die Lebensgemeinschaft festgestellt hat - nämlich daß die Ehegatten eine einigermaßen normale Durchschnittsehe führen werden; so die Prognose-, sagt dieser Entwurf ausdrücklich: „Diese Betrachtungsweise kann nicht beibehalten werden".
Was geschieht denn hier mit dem Begriff der Ehe? Wir fürchten - auch auf Grund einiger Aussagen, die soeben gemacht wurden -, daß im Grundverständnis unter Ehe etwas anderes gemeint sein soll als bisher, daß im Bewußtsein eine Veränderung des Begriffs dessen herbeigeführt werden soll, was als Grundrecht in Art. 6 des Grundgesetzes festgelegt ist. Dagegen aber sprechen wir uns mit größtem Nachdruck aus.
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Wir vermissen in dem ganzen Entwurf den Gedanken, daß die Ehe in der Regel zur Familie wird und daß sich daraus eine gedankliche und gesetzliche Konsequenz ergeben muß.
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Herr Minister Jahn und Herr Engelhard, wenn Sie die Ehe ohne Kinder wollen und glauben, die Ehescheidung würde da, wo Kinder vorhanden sind, in der Regel nicht die Kinder am schwersten treffen, gehen Sie an der Wirklichkeit vorbei. Unsere heutige Rechtsordnung kennt im sozialpolitischen Bereich den Schutz des Schwächsten, nämlich der Kinder aus der geschiedenen Ehe, so gut wie überhaupt nicht. Wir haben schon vor vier Jahren hier im Bundestag gesagt, es sei eine dringende Notwendigkeit, das Recht der „Scheidungswaisen" neu zu regeln. Das haben wir bei der Verabschiedung des Nichtehelichenrechts in einer Entschließung festgestellt.
Leider tut man so, als gehe es nicht um die Kinder. Wir möchten, daß sowohl das Grundrecht der Ehe nicht durch inhaltliche Veränderung verwässert und verfälscht wird als auch dem Grundrecht des Schutzes der Familie in diesem Zusammenhang mehr und fühlbarer Achtung zuteil wird.
Im übrigen werden wir uns mit Eifer an der Gesetzesberatung beteiligen. Ich hoffe, wir kommen zu einer Regelung, die im ganzen klar Einzelgerechtigkeit ermöglicht und die Ordnung von Ehe und Familie nicht langfristig und wesentlich zum Nachteil der Frauen und Kinder verändert.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmude.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Etwa vier Monate, nachdem dieser Bundestag sich konstituiert hat, hat es die Bundesregierung bereits geschafft, uns dieses nicht nur äußerlich umfangreiche, sondern auch inhaltlich bedeutende Gesetzeswerk zur ersten Lesung vorzulegen. Viele Anstöße aus Fachkreisen und aus der Bevölkerung haben uns gezeigt, wie dringend dieses
Gesetz erwartet wird und wie sehr sein Ausbleiben in der letzten Wahlperiode auch bittere Kritik hervorgerufen hat. Ich möchte für diese schnelle und trotzdem sorgfältige Arbeit Ihnen, Herr Justizminister, und der Bundesregierung ausdrücklich danken. Diese Arbeit wird es uns ermöglichen, die Beratungen sogleich nach der Sommerpause aufzunehmen.
Die bisher geführten Diskussionen haben in vielen Einzelfragen Klärungen erbracht, die uns bei unseren Beratungen hilfreich sein werden. Es hat aber in der Diskussion auch ein Stadium gegeben, in dem zweifelhaft erschien, ob überhaupt eine fruchtbare gemeinsame Arbeit möglich sein würde. Ich meine jene Zeit im Herbst 1970, als der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums vorlag und gleichzeitig Landtagswahlen in zwei Bundesländern anstanden. In dieser Zeit haben wir vor allem von bayerischen Oppositionspolitikern so markante Polemiken gehört wie die Begriffe „Vielweiberei auf Raten", „sukzessive Polygamie" oder „Ehe mit Kündigungsfrist". Obwohl ich im ganzen das weitaus sachlicher gewordene Klima der Auseinandersetzung und Diskussion begrüße, bedauere ich, Herr Kollege Erhard, daß Sie den Begriff der „Ehe auf Kündigung" heute nahezu unverändert wieder in die Diskussion hineinbringen. Ich glaube, es hilft uns nicht weiter, wenn wir das so plakativ und auch so primitiv machen.
({0})
Jedenfalls gibt mir die Erinnerung an das, was wir in dieser Auseinandersetzung gemeinsam erlebt haben, noch einmal Veranlassung, Herr Bundesminister, Ihnen dafür zu danken, daß Sie sich nicht den leichteren Weg gesucht haben, von dem der Kollege Erhard sprach, sondern daß Sie, ungeachtet dieser Angriffe und Anfeindungen, unbeirrt an der intensiven Vorbereitung dieses Gesetzeswerks weiter gearbeitet haben.
({1})
Immerhin hat sich nicht nur die Form der Diskussion versachlicht, sondern es ist auch zum Inhalt deutlich geworden, daß die Angriffe gegen die Reformvorstellungen von Koalition und Bundesregierung nicht gerechtfertigt und die damit bewußt erzeugten Sorgen nicht begründet sind. Allen anderslautenden Unterstellungen entgegen, geht auch das im Entwurf vorliegende neue Eherecht von der auf Lebenszeit geschlossenen Ehe aus, auch wenn das im neuen Gesetz so wenig wie im alten ausführlich drinsteht. Was unser früherer Kollege Martin Hirsch an dieser Stelle im Februar 1971 dazu gesagt hat, kann ich heute unverändert wiederholen, und ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Die Eherechtskommission, der Juristentag und
jede Äußerung von uns sagen: Selbstverständlich wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Davon geht nicht nur
der heute vorliegende Entwurf aus, davon geht auch
unsere Rechtsordnung im übrigen aus mit der Gesamtheit ihrer ehefördernden und eheschützenden und begünstigenden Vorschriften. Ganz nebenbei entspricht dies auch schließlich unser aller privater Praxis, die nicht nach politischen Gruppierungen unterschiedlich, sondern bei uns allen sicherlich gleich ist.
So wenig sich diese Anlage des Entwurfs aber in allen Fällen zwingend verwirklichen läßt, so wenig ist das Recht überhaupt in der Lage, einen Lebenssachverhalt wie die Ehe nach einer idealtypischen Vorstellung zwingend zu gestalten. Wenn uns von der Opposition in der bisherigen Diskussion in Form des Appells entgegengehalten wird, wir sollten nicht mit dem Recht ein bestimmtes Modell der Ehe verwirklichen wollen, so kann ich das nur zurückgeben und zur eigenen Berücksichtigung empfehlen. Wenn Sie etwa heute vorschlagen, konkrete Pflichten in das Gesetz hineinzuschreiben, empfiehlt sich eine solche Berücksichtigung durchaus; denn wir meinen, daß ein Eherecht seinen Zweck optimal erfüllt, wenn es den Ehegatten unter Stärkung ihrer Würde und ihrer Gleichberechtigung die Freiheit zur eigenen Gestaltung ihrer Ehe gewährleistet und für den Konfliktfall den Schutz berechtigter Interessen vorsieht.
({2})
Wir werden uns auch der Frage zu stellen haben, warum wir die Ehe einschließlich ihrer Auflösung nicht völlig der Verfügungsfreiheit der Ehegatten überlassen; diese Frage kommt zwangsläufig in der bevorstehenden Diskussion. Aber einer solchen Regelung würde unsere durch Art. 6 GG unterstützte Überzeugung von der Schutzwürdigkeit von Ehe und Familie entgegenstehen, die ja auch außerhalb des eigentlichen Eherechts in vielen schon erwähnten Vorschriften ihren Ausdruck findet. Dem Schutz der Ehe dient es, daß über ihre Auflösung nur nach einem geordneten gerichtlichen Verfahren entschieden werden kann, daß zunächst sorgfältig zu prüfen ist, ob ihre Erhaltung nicht doch möglich ist.
Niemand kann sich aber der Erkenntnis verschließen, daß die Entscheidung über die Fortführung der Ehe letztlich doch bei den Ehegatten selbst liegt. Gegen ihren Willen kann kein noch so strenges Gesetz die Ehe als Lebensgemeinschaft erhalten. Schon in unserem heutigen Recht kommt das, wie Herr Engelhard zutreffend gesagt hat, dadurch zum Ausdruck, daß die Vollstreckung eines Urteils auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich im Gesetz ausgeschlossen wird.
({3})
Wir müssen weiterhin zur Kenntnis nehmen - unbeschadet aller Wertungen, die wir damit verbinden , daß die eheliche Lebensgemeinschaft eben auch von einem Ehegatten gegen den Willen des anderen auf Dauer zerstört werden kann. An diesen Tatsachen findet der Verfassungsauftrag des Art. 6 GG irgendwo seine Grenzen; denn belastende Rechtsnormen, die diese Tatsachen ignorieren, zur Erreichung des Gesetzeszwecks aber erkennbar ungeeignet sind, werfen die Frage nach dem Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip auf.
Die Konsequenz aus der Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten des Eherechts ist nun nicht einfach die Erleichterung der Scheidung. Insofern ist es auch unangebracht, Herr Kollege Erhard, daß Sie im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf wieder das Gespenst der Verstoßung aufgreifen.
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Der im neuen Scheidungsrecht vorgesehene und im Grundsatz ja auch von Ihnen begrüßte Übergang zum Zerrüttungsprinzip orientiert sich, vielmehr bei der Entscheidung über die Auflösung der Ehe allein an dem, was die Ehe wirklich ausmacht, nämlich an der ehelichen Lebensgemeinschaft. Ist diese auf Dauer entfallen, so ist es für die Beurteilung der Ehe nach unserer Auffassung völlig nebensächlich, wen die Schuld an dieser Entwicklung trifft.
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- Ja, bitte, wenn mir die Zeit nicht angerechnet
wird, Herr Präsident.
Das wird nicht der Fall sein.
Herr Kollege Schmude, wie erklären Sie sich dann die auch in der Eherechtskommission durchaus schon zu Papier gebrachten Tendenzen, unter dem Gesichtspunkt der völligen Freiheit auch die Namensehe als möglich anzusehen? Würden Sie sie auch als möglich ansehen?
Die Namensehe? Könnten Sie kurz erläutern, was Sie damit meinen?
Daß man nur um des Namens willen, den man sich dadurch verschaffen kann, oder nur um ein Erbrecht zu erhalten heiratet!
Das ist ein Sachverhalt, Herr Erhard, der meines Erachtens der gesetzlichen Regelung und rechtlichen Nachprüfung gar nicht zugänglich ist. Dies liegt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Ehegatten,
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die es so oder so gestalten können.
Ich meine - um zum Verschulden zurückzukommen -, es ist menschlich verständlich, daß unser Rechtsempfinden dazu neigt, dem schuldigen Teil die Scheidung zu versagen. Aber mit Rücksicht auf die Ehe müssen wir uns darin selbst korrigieren. Das öffentliche Ansehen der Ehe als eines Rechtsinstituts und einer Lebensform wird geschädigt, wenn sie im Rechtssinne zu bloßen Strafzwecken aufrechterhalten wird.
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Dies hat Herr Kollege von Schoeler an den Ausführungen des Herrn Kollegen Erhard mit Recht kritisiert. Und um auf diesen Punkt zurückzukommen: Wenn ich, Herr Kollege von Schoeler, hier die Bezeichnung „Referendar" verwenden würde, wäre das ein Glückwunsch für Ihre ungeachtet der politischen Belastungen, denen Sie ausgesetzt sind, vorhandene juristische Leistungsfähigkeit und keine Geringschätzung, wie sie hier vorhin bedauerlicherweise zum Ausdruck kam.
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Die Überlegung, die ich soeben dargestellt habe - die Ehe darf nicht zu bloßen Strafzwecken aufrechterhalten werden -, gilt aber auch für den Versorgungszweck. Hier kann ich wiederum Martin Hirsch zitieren, der sagte:
Die Aufrechterhaltung einer reinen Papierehe, einer völlig gescheiterten Ehe gefährdet die Institution der Ehe, und sie gefährdet die Menschen, die in dieser Ehe festgehalten werden, weil sie nämlich daran krank werden.
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Unter diesem, wie wir meinen, allein sachgemäßen Gesichtpunkt ist der Übergang zum konsequent durchgeführten Zerrüttungsprinzip weder Reformstreben um seiner selbst willen noch bloße Bevorzugung der reinen Lehre, sondern er ist eben die allein angemesse und auch der Gerechtigkeit dienende Entscheidung.
Wenn wir ein Verschulden am Scheitern der Ehe im Scheidungsrecht grundsätzlich nicht berücksichtigen wollen, so hat das weiterhin seinen Grund in der Erfahrung, daß solche Schuld einer gerichtlichen Feststellung letztlich gar nicht zugänglich ist. Hier kann ich mich auf das beziehen, was Herr Kollege Engelhard dazu ausgeführt hat.
Dies alles sollten die Kritiker des vorgelegten Entwurfs bedenken, wenn sie dem „Schuldigen" die Scheidung versagen wollen, weil eine einseitige vorsätzliche Zerrüttung der Ehe nicht prämiiert werden dürfe, wie es so schön heißt. Dies ist eine an Strafzwecken orientierte Betrachtungsweise, die außer acht läßt, daß eben auch ein Ehegatte die Ehe so nachhaltig zerstören kann, daß ihr rechtlicher Fortbestand in dem tatsächlichen Lebensverhältnis keine Entsprechung mehr findet.
In solchen Fällen können sich immaterielle Härten daraus ergeben, daß der der Scheidung widerstrebende Ehegatte mit dem Scheidungsbegehren geradezu überfallen wird und keine Möglichkeit hat, sich in ausreichender Zeit seelisch und praktisch umzustellen. Hier hat eine immaterielle Härteklausel ihren Sinn und ihren Zweck. Noch weiter zu gehen und vor Ablauf von Fristen die Scheidung von der Unzumutbarkeit für den Begehrenden abhängig zu machen, halten wir für bedenklich. Dies wäre ein Rückfall in die Verschuldensrechtsprechung zum Scheidungsrecht. Der Grundsatz, daß die Ehe bei endgültig entfallener ehelicher Lebensgemeinschaft geschieden werden kann, darf nur in extremen Ausnahmefällen durchbrochen werden. Ich bin sicher, daß uns dieses Problem in den AusDr. Schmude
schußberatungen beschäftigen wird, in denen wir durchaus noch über diesen Entwurf hinweggehen oder von ihm abweichen können. Ich danke dem Bundesjustizminister dafür, daß er seine Mithilfe bei dieser Weiterarbeit ausdrücklich zugesagt hat.
Es erscheint uns fraglich, ob eine immaterielle Härteklausel nach einer dreijährigen Trennungsfrist noch ihre Berechtigung haben kann. Einen Überraschungseffekt gibt es hier nicht mehr. Die Trennung liegt vor, die Lebensgemeinschaft ist tatsächlich gelöst, und auch der Hinweis auf das Kindeswohl hilft hier nicht weiter. Denn die Kinder haben die Trennung schon jahrelang erleben müssen. Betrachtet man diesen Fall, so fehlt es an überzeugenden Anwendungsfällen, die uns geschildert werden. Was die Regierungsbegründung dazu darlegt, nämlich es dürfe jemand nicht in einer schwierigen Situation alleingelassen werden, greift ja nicht; denn die Trennung, das Verlassen liegt bereits vor. Wir werden das zu prüfen haben und gegebenenfalls von dieser Härteklausel Abstand nehmen, um Anwendungsfälle auszuschließen, von denen wir meinen, daß sie nicht hierher gehören, und vor allem um einen Rückfall in den Strafgedanken auszuschließen, der ja sogar von Ihnen, Herr Kollege Erhard, hier ausdrücklich wieder vorgetragen worden ist.
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Wir wollen vermeiden, daß langjährige Papierehen auch in Zukunft möglich sind, die fünf, zehn und mehr Jahre bestehen.
Zum Thema der Widerlegbarkeit der Scheiternsvermutung nach der Trennung kann ich mich ebenfalls auf das beziehen, was Herr Kollege Engelhard hier ausgeführt hat. Denn in der Tat wirkt eine solche Widerlegbarkeit abschreckend im Hinblick auf jeden Versöhnungsversuch. Sie hat keinen Nutzen; die Praktiker raten übereinstimmend von ihr ab. Sie wird nur Schaden bringen.
Die materielle Härteklausel hingegen erscheint uns deshalb unangebracht, weil Versorgungsfragen und Unterhaltsfragen zu regeln Aufgabe des Unterhaltsrechts ist. Das wird Frau Kollegin Dr. Lepsius noch darstellen. Es ist aber im vorliegenden Unterhaltsrecht unseres Erachtens in einem Umfang gelungen, der bereits Kritik ausgelöst hat, Kritik nunmehr von der Männerseite, während früher die Kritik von der Seite der Frauen gekommen ist.
Wir halten den Entwurf im ganzen für ausgewogen und sorgfältig erarbeitet. Wir haben die Befürchtungen, meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, daß Sie zwar das Zerrüttungsprinzip formal bejahen, aber so viele Durchbrechungen vornehmen wollen, daß die Gefahr sinnentleert fortbestehender Ehen durchaus weiter besteht. Sie haben uns oft vorgeworfen, nur Minireformen oder gescheiterte Reformen zustande zu bringen. Wir fürchten einen solchen Fall, falls wir Ihren Anregungen hier folgen, und machen schon heute deutlich - auch wieder in Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Engelhard -, daß wir eine solche Entwertung der anstehenden Reform nicht zulassen werden.
Noch wenige Worte zum Verfahrensrecht. Wir begrüßen die Zusammenfassung aller mit der Ehescheidung zusammenhängenden Gerichtsentscheidungen in einer Entscheidung. Wir werden freilich zu prüfen haben, etwa bei der Entscheidung über Zugewinnausgleich oder Versorgungsausgleich, wieweit hier einerseits Eilbedürftigkeit vorliegt und andererseits die Gefahr besteht, daß ein Scheidungsverfahren allzu langwierig verzögert wird. Wir halten es auch für richtig, das neue Familiengericht beim Amtsgericht einzurichten und es mit einem Einzelrichter zu besetzen, der besonders qualifiziert und erfahren sein sollte. Zweifellos wird bei unseren Beratungen die Frage der besoldungsrechtlichen Hervorhebung wieder eine Rolle spielen. Wir nehmen gerne zur Kenntnis, daß die CDU dieser Konzeption in ihrem vor der Bundestagswahl vorgelegten rechtspolitischen Programm entgegen früheren hier vorgetragenen Bedenken zugestimmt hat. Im ganzen werden die bevorstehenden Beratungen sicherlich auf allen Seiten von dem Bestreben gekennzeichnet sein, sachgemäße Lösungen zum Besten der betroffenen Menschen zu finden. Dabei wird es durchaus auch Abweichungen von dem vorliegenden Entwurf geben. Das zeitliche Ziel werden wir jedoch nicht aus den Augen verlieren. Nach allzu langen Verzögerungen - das soll kein Vorwurf gegen die Bundesregierung sein - soll das geltende Eherecht mit seinen Mängeln spätestens am 1. Januar 1975 der Vergangenheit angehören.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige kurze Bemerkungen machen, zu denen mich meine Vorredner inspiriert haben.
Zunächst möchte ich einmal sagen, daß ich mich bei dieser Debatte darüber freue, ein Abgeordneter der Opposition sein zu können.
({0})
Ich gehe ohne weiteres davon aus, daß der Herr Justizminister Lob verdient, jedoch meine ich, daß hier heute des Guten ein bißchen zu viel getan worden ist.
({1})
- Diese Rolle ist mir persönlich gar nicht unsympathisch, Herr Kollege Matthöfer.
Hier ist, meine Damen und Herren, ein Bild vom geltenden Recht und seinen Wirkungen gezeichnet worden, das man beim besten Willen als mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmend bezeichnen kann.
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Man kann über das geltende Recht sagen, was man will, Herr Minister Jahn: aber unter diesem Recht hat eine Entwicklung innerhalb der Familie, hinsichtlich der Stellung der Frau in der Gesellschaft
Dr. Lenz ({3})
stattgefunden, die, glaube ich, weit über das hinausgeht, was sich Juristen vorher ausdenken können. Wir sollten hier, glaube ich, nicht den Eindruck erwecken, als sei das geltende Recht starr und lebensfeindlich gewesen; das stimmt einfach nicht!
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Herr Kollege Schmude, Sie haben hier vom Strafgedanken gesprochen. Ich möchte Ihnen sagen, daß für mich beim Ehevertrag wie bei jedem anderen Vertrag die Frage im Vordergrund steht: Kann ich auf das Wort meines Partners bauen? Ich frage mich, Herr Kollege Schmude, ob ein Mensch bei Anlegung normaler Maßstäbe noch auf das Wort eines anderen bauen kann, wenn ihm das Recht eingeräumt wird, nach einem offensichtlichen Vertragsbruch diesen auch noch zum Anlaß zu nehmen, aus dem Vertrage auszusteigen. Das ist genau der Punkt, um den es hier bei dieser Scheidungsklausel geht; das ist auch der Punkt, den der Herr Kollege Erhard eingeschränkt sehen möchte.
({5})
- Nein, Herr Kollege, ich würde nicht sagen: Bestrafung, sondern ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß man sein gegebenes Wort hält. Das ist keine Strafe, sondern die freiwillig übernommene Rechtspflicht eines mündigen Menschen.
Was die Frage der Versorgung angeht, so hat der
Herr Kollege Erhard hier ein ganz deutliches Beispiel angeführt. Ist es wirklich möglich, jemandem einen Versorgungsanspruch zu geben, der seine ehelichen Pflichten - aber das Wort kennen Sie ja auch nicht mehr, wie wir soeben gehört haben - gegenüber seinem Vertragspartner, seinem Ehepartner, in eklatanter Weise verletzt hat?
Ich glaube, Herr Kollege Schmude, es gibt keinen Rechtsgrund und kein vernünftiges Rechtsprinzip, das eine derart unsinnige Regelung rechtfertigen kann. Ich meine, wir täten uns allen einen Gefallen, wenn wir - das möchte ich hier sagen, Herr Minister Jahn - die durchaus anerkennenswerten Ansätze, Entwicklungen und Überlegungen, die in Ihrem Entwurf enthalten sind, nicht durch solche Ungereimtheiten, die dem normalen Rechtsempfinden eklatant widersprechen, verwässern würden.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lepsius.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend hier kurz noch etwas die Fragen des Unterhaltsrechts erläutern.
Nach geltendem Recht hat der Ehegatte, der die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trägt, keinerlei Anspruch auf Unterhalt. Dies, Herr Kollege Lenz, ist der jetzige Zustand, der ganz und gar nicht rosig ist und der im getenden Recht
zu ganz unbarmherzigen Härten für geschiedene Frauen geführt hat, und zwar in einem ganz anderen Sinne, als es seinerzeit etwa Ernst Benda meinte, nämlich zu wahrhaft frauenfeindlichen Lösungen. Denken Sie etwa nur an die Witwenrente geschiedener Frauen.
Die Verbindung von Scheidungsschuld und Unterhaltsanspruch hat sich also zuungunsten der Frauen und ihrer Kinder ausgewirkt. Da zudem auch die Verwirklichung von Unterhaltsansprüchen von der Leistungsfähigkeit der Männer abhängig ist, ist es natürlich gar nicht überraschend, daß die Gruppe der geschiedenen Frauen unter den erwerbstätigen Müttern prozentual am stärksten vertreten ist.
Dies alles aber - das möchte ich einschieben - ist nur vordergründig. Dahinter verbergen sich unzählige Probleme, menschliches Elend - das sehen wir alle - und große soziale Aufgaben, die wir gesellschaftspolitisch überhaupt noch nicht gelöst haben. Ich meine, es ist das große Verdienst dieser Bundesregierung, daß sie diese Aufgaben überhaupt in Angriff genommen hat. Die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit - ({0})
- Sie hat aber diesen ganz guten Entwurf vorgelegt, und das ist das Verdienst dieser Bundesregierung.
({1})
Nun, über die einzelnen Regelungen werden wir nachher streiten können.
Die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit bei langer Ehe und Pflege und Erziehung der Kinder findet jetzt ihren Niederschlag in der Neuregelung des Unterhalts, dem Vorrang des ersten Ehegatten nach einer Scheidung und in den künftigen Regelungen des Versorgungsausgleiches. Meine Damen und Herren, ich möchte behaupten, daß das Abrücken vom Schuldprinzip uns erst den Blick für eine unsentimentale Betrachtung der strukturellen und gesellschaftspolitischen Probleme im Scheidungsfolgenrecht freigemacht hat, nämlich der unentgeltlich verrichteten Arbeit der Frauen im Haushalt und bei der Kindererziehung und - als Konsequenz dazu - ihrer mangelnden Einbeziehung in das System der sozialen Sicherung von Leistung, Entgelt, Alterssicherung sowie ihrer unzureichenden Ausbildungssituation.
Im Scheidungsfall wurde ja die Diskriminierung der Frau besonders sichtbar. Schuld, Strafe und Wohlverhalten - Sie von der Opposition haben sehr viel davon geredet -, dies wird künftig nicht mehr ein Kriterium für das Unterhaltsrecht sein. Das neue Verständnis der Ehe als einer partnerschaftlichen Verbindung und Aufgabenteilung macht objektiveren Maßstäben Platz. Das wollen wir jedenfalls.
Lassen Sie mich zu den einzelnen Regelungen im Unterhaltsrecht folgendes feststellen: Nach dem
Scheitern einer Ehe hat der wirtschaftlich Stärkere dem wirtschaftlich Schwächeren Unterhalt zu gewähren. Die Unterhaltsverpflichtung ist von der Scheidungsschuld unabhängig, und der Entwurf sieht, wie Ihnen allen bekannt ist, sechs Grundtatbestände für einen Unterhaltsanspruch vor.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist verschiedentlich der Vorwurf erhoben worden, daß die neuen Regelungen im Unterhaltsrecht von der Regel einer Erwerbstätigkeit ausgingen und damit die Hausfrau diskriminiert würde, also gerade jene Frauen, die während der Ehe den Haushalt und die Kinder versorgt haben. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen: Das geltende Unterhaltsrecht nimmt auf den Hausfrauenstatus einer geschiedenen Frau keinerlei Rücksicht; im Gegenteil, es zwingt die Frau je nach Schichtzugehörigkeit in unterschiedlichem Maße erwerbstätig zu werden. In der Regel wird also Frauen eine Erwerbstätigkeit zugemutet. Daß Mütter von Kindern mit einer der wichtigsten Aufgaben befaßt sind, der Säuglingspflege, der Kleinkindererziehung und der Hilfe zur Verselbständigung der Jugendlichen, bleibt auch heute noch ihr alleiniges Risiko, ist als ihre Privatsache.
Gerade hier wird im Regierungsentwurf einiges Neues vorgeschlagen. Gerade die Bedeutung der Kindererziehung wird besonders herausgestellt, einmal natürlich im allgemeinen Unterhaltsanspruch, der auf jeden Fall dann besteht, wenn eine Frau Kinder zu erziehen hat, und zweitens - und das ist das eigentlich Neue - gewährt die Regelung des Unterhaltsvorranges der Frau mit kleinen Kindern, also der Restfamilie, einen besonderen Schutz. Hier also, Kollege Erhard, geht es uns um den Schutz auch für die Kinder. Meine Fraktion begrüßt diesen Vorrang der ersten Frau ganz besonders. Künftig wird also eine geschiedene Frau, die Kinder versorgt -- genauso übrigens wie die ältere und kranke Frau -, nicht mehr befürchten müssen, daß ihr Unterhaltsanspruch durch eine Wiederheirat ihres ehemaligen Mannes gemindert wird. Hier wird sogar bewußt eine Hypothek auf die zweite Ehe in Kauf genommen. Trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich aus dem Schutz ,der Ehe und Familie für eine zweite Familie ergeben, möchte ich noch einmal unterstreichen, daß dieser Vorrang der ersten Frau besonders dann durchgreift, wenn ihre Ehe von langer Dauer war und sie ein entsprechendes Alter erreicht hat.
Nun wird auch im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch beim Übergang ins Berufsleben der Begriff einer angemessenen Tätigkeit ausdrücklich beschrieben und festgelegt, daß unter bestimmten Voraussetzungen der an sich nicht mehr bestehende Unterhaltsanspruch wieder aufleben kann, nämlich dann, wenn eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben mißlungen ist. Angemessen ist hiernach eine Erwerbstätigkeit dann, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter wie auch den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht.
Meine Damen und Herren, damit ist endlich der fragwürdige, im Grunde für uns Frauen diskriminierende Begriff der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, den wir noch im geltenden Recht haben, fallengelassen. Hier hat nun ganz offensichtlich die öffentliche Diskussion zu einer sehr weitgehenden Verbesserung des ursprünglichen Entwurfs geführt. Wir begrüßen das. Denn problematisch sind ja alle jene Fälle, in denen der Mann während einer langen Ehe einen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg erlebte, an der die Frau Anteil genommen hat. Künftig soll es - das ist das Ziel - nicht mehr möglich sein, die Frauen nach der Ehescheidung wieder auf ihren vorehelichen sozialen Status zu verweisen. Sie werden also - das ist die Absicht - vor sozialem Abstieg geschützt, dies übrigens auch durch den sogenannten Differenzunterhalt, der zusätzlich gewährt werden kann.
Ich möchte den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausbildungsunterhalt hier noch einmal besonders herausstellen. Wir messen ihm einen großen Stellenwert zu. Er wird gerade für jüngere Frauen bedeutsam sein, wenn man berücksichtigt, daß heute ein Großteil der geschiedenen Frauen unter 35 Jahre alt ist und daß viele von ihnen in Erwartung der Ehe ihre Berufsausbildung abgebrochen haben. Diesen Ausbildungsunterhalt hat es im geltenden Recht nicht gegeben. Allerdings sollten wir in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Ausbildungsunterhalts für die älteren Frauen nicht überbewerten. Da gibt es einfach Altersgrenzen, an denen eine Wiedereingliederung ins Berufsleben scheitert. Dies müssen wir sehen. Allerdings trägt dem auch der Regierungsentwurf Rechnung.
Mit anderen Worten: eine geschiedene Frau, die als Hausfrau jahrelang den sozialen Aufstieg der Familie mit erarbeitet hat, aber dem Berufsleben entfremdet ist, wird nach der Scheidung künftig nicht länger schutzlos sein. Darauf legen wir Wert. Wir sind der Ansicht, daß bei einer Scheidung die wirtschaftliche und soziale Sicherung des nicht oder nicht dauerhaft erwerbstätigen Ehepartners erfolgen muß. Wir sind aber auch der Meinung, daß der Chancenverlust, den Mütter um der Kinder willen erleiden, indem sie auf eine eigene Berufskarriere verzichten, ausgeglichen werden muß.
Wir meinen aber drittens, daß eine Rückkehr in das Erwerbsleben erleichtert und den Frauen dort, wo immer es möglich ist, zur wirtschaftlichen Selbständigkeit und Eigenverantwortung verholfen werden muß. Unser Ziel ist es, die Frauen auf eigene Beine zu stellen.
({2})
- Herr Kollege Lenz, wir schlagen Regelungen im
Unterhaltsrecht vor - Sie sprechen von der Verstoßungsehe -,
({3})
weil wir wissen, daß der Staat der Frau den Mann nicht zurückgeben kann, wenn dieser sie verstoßen hat, oder aber umgekehrt auch dem Mann die Frau nicht zurückgeben kann, wie es nun in philologisch feiner Unterscheidung heißt, wenn diese böse Frau ihren Mann verlassen hat. Das wissen wir; das ist die Realität, von der wir ausgehen müssen.
({4})
Damit komme ich zu dem umstrittenen Problem, das hier angesprochen worden ist. Wir wissen natürlich auch, daß es Situationen gibt, in denen die Zahlung von Unterhalt ungerecht und unzumutbar ist. Auch der Regierungsentwurf sieht eine Härteklausel im Unterhaltsrecht vor, nach der unter bestimmten Voraussetzungen, allerdings - darin unterscheiden wir uns - unter Nennung von einzelnen Tatbeständen die Unterhaltspflicht entfällt. Wenn ich richtig verstanden habe, hat sich die Opposition klar festgelegt auf das, was auch der Bundesrat dazu gesagt hat, nämlich eine allgemeine Billigkeitsklausel an diese Stelle zu setzen und die Einzelfälle nur beispielhaft aufzuführen.
({5})
Dies ist - das gebe ich zu - der ganz entscheidende Punkt. Denn hier taucht für uns die Frage auf: Wie können wir verhindern, daß über eine allgemeine Billigkeitsklausel wieder Elemente des Verschuldens durch die Hintertür hineinschlupfen. Es ist merkwürdig, daß hierbei nun von unseren Kollegen immer die exotischen Ausnahmen zitiert werden, wo solch eine Unterhaltszahlung durch die Frau an den Mann unbillig und unzumutbar wäre. Das ist doch nicht der Alltag. Sie, Herr Kollege Engelhard, haben hier dieses Beispiel von dem chronischen Trunkenbold gebracht. Das sind doch nicht die eigentlichen Fälle, um die es geht.
({6})
Ich habe - um es ganz deutlich zu sagen - den Eindruck, daß Sie hier vorne die materielle Härteklausel hereinnehmen wollen und hinten wieder durch eine generelle Klausel das Schlupfloch, wo man bestraft, so daß Sie hier im Grunde genommen nicht das wollen, was Sie vorgeben zu wollen, einen Schutz, sondern daß Sie hier eine Männerschutzklausel wollen. Dagegen bin ich nun allerdings.
({7})
Von der Frage des Verschuldens wollen wir, wie wir ganz deutlich sagen, weg. Hier besteht, meine ich, die Gefahr, daß aus Gründen der Gerechtigkeit der Keim für neue Ungerechtigkeiten gelegt wird. Ich jedenfalls kann für meine Fraktion deutlich machen: wir lehnen eine solche allgemeine Billigkeitsklausel ab. Auch wir haben - das gebe ich zu - in den Diskussionen festgestellt, daß wir noch nicht das Ei des Kolumbus gefunden haben. Wir sollten im Ausschuß darüber reden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu meinem letzten Punkt, dem Versorgungsausgleich, kommen. Damit hat die Bundesregierung nun endlich eine der schwierigsten Fragen in Angriff genommen, die es zu lösen gilt. Dies ist der eigentlich neue systematische Schritt und, wie ich meinen möchte, der eigentliche Kern der Frauenemanzipation. Künftig werden die Frauen, gleichgültig, ob sie berufstätig sind oder nicht, bei einer Scheidung einen Rechtstitel auf die während der Ehe gemeinsam erarbeitete Altersversorgung haben. Dieses brennende Problem im Bereich der sozialen Sicherung, wo ja die Frauen unterprivilegiert waren, wurde besonders im Falle der Scheidung deutlich, weil der Mann die während der Ehe gemeinsam erarbeiteten Versorgungsansprüche in vollem Umfang wieder aus der Ehe herausnehmen konnte, während der Frau keinerlei Anspruch verblieb.
In dem vorliegenden Reformentwurf ist vorgesehen, daß die in der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden und daß dieser Ausgleich durch ein Rentensplitting oder eine Begründung von Rentenanwartschaften erfolgen soll. Hier wird ein langwieriger Prozeß eingeleitet. Es ist klar, daß es sich bei dieser Maßnahme nur um einen ersten Schritt auf einem langen Wege handeln kann. Auf die Dauer gesehen sollte diese Teilung von Versorgungsanrechten nicht auf den Fall der Scheidung beschränkt bleiben. Ich möchte hier ausdrücklich auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers verweisen, wonach die Bundesregierung das Fernziel einer eigenen, eigenständigen, unabhängigen sozialen Sicherung der Frau ansteuern will. Ich habe nur die herzliche Bitte, das neue Recht dann systematisch auf dieses Fernziel hin anzulegen.
Die Öffnung der Rentenversicherung für die Frauen durch das Rentenreformgesetz, die Möglichkeit einer freiwilligen Rentenversicherung und der Nachentrichtung von Beiträgen haben bereits zu einer Verbesserung der Alterssicherung der Frauen geführt.
({8})
- Es geht zu Lasten der Opposition, also Ihrer Fraktion, Herr Kollege Lenz, daß wir das Baby-Jahr noch nicht haben.
({9})
Vergessen wir aber nicht, daß der Kreis der Berechtigten bei der Geschiedenen-Witwenrente inzwischen in zwei Fällen erweitert wurde. Allerdings meine ich, daß wir, was die Geschiedenen-Witwenrente betrifft, immer noch eines der dunkelsten Kapitel der Sozialgesetzgebung vor uns haben. Hier werden wir noch viel sozialpolitische Phantasie aufbringen müssen.
Meine Damen und Herren, die Reform des Ehe-und Familienrechts wird von uns Frauen seit der Weimarer Republik verlangt. Es wird an uns allen in diesem Hause liegen, dieses ungerechte Scheidungsfolgenrecht, zu dem ich zu sprechen hatte, so zu reformieren, daß dem wirtschaftlich Schwächeren auch soziale Gerechtigkeit widerfährt.
({10})
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß - federführend -, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Ausschuß
Vizepräsident Dr. Jaeger
für Arbeit und Sozialordnung und den Innenausschuß - mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt auf, der heute früh auf die Tagesordnung gesetzt wurde:
Beratung der aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung über die Begrenzung der Kreditaufnahme durch Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1973
- Drucksache 7/682 Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zum letzten Punkt der Tagesordnung, zur
Fragestunde
- Drucksache 7/653 Ich rufe zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Die Frage 69 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, aufgrund des immer notwendiger werdenden Betriebshelfereinsatzes in der Landwirtschaft, eher bei dem Mangel an Ersatzkräften, die Einsatzwilligen bei langfristiger Verpflichtung vom Wehrdienst freizustellen?
Herr Staatssekretär Berkhan, ich darf bitten.
Herr Kollege Horstmeier, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Eine Befreiung landwirtschaftlicher Betriebshelfer vom Wehrdienst ist nach der derzeitigen Rechtslage nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn ein Wehrpflichtiger sich für den Betriebshelfereinsatz langfristig verpflichtet. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, dem Deutschen Bundestag eine Änderung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen vorzuschlagen, weil die Befreiung der landwirtschaftlichen Betriebshelfer vom Wehrdienst eine einseitige Bevorzugung einer bestimmten Berufsgruppe bedeuten und damit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen widersprechen würde.
Eine Sonderregelung ist im Interesse der deutschen Landwirtschaft aber auch nicht erforderlich. Im Einzelfall kann durch eine befristete Unabkömmlichkeitstellung des jeweiligen Betriebshelfers die Fortführung des Betriebes gesichert werden. Im gleichen Sinne habe ich bereits in den Fragestunden vom 7. Oktober 1970 und 13. November 1970 zum selben Thema Stellung genommen. Im Rahmen der damals angestellten Erhebungen haben die Landesbauernverbände in keinem Falle darüber Klage geführt, daß die Belange der Landwirtschaft bei der Unabkömmlichkeitstellung landwirtschaftlicher Betriebshelfer nicht berücksichtigt worden wären.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Horstmeier.
Herr Staatssekretär, es geht ja um die Begründung der Freistellung. Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, daß neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Zusammenhang auch der Dienstleistungsfaktor zur Erhaltung der Kulturlandschaft - es handelt sich hier meines Erachtens durchaus um einen Dienst an der Allgemeinheit - eine Rolle spielt? Wäre das, für die Zukunft gesehen, eine Freistellungsmöglichkeit?
Ich gehe davon aus, daß Ihr Argument in der Prüfung berücksichtigt wird, muß Ihnen aber sagen, daß dieses Argument natürlich für viele Berufe gilt. So würden z. B. alle Angehörigen von Müllabfuhrunternehmen einer ähnlichen Bewertung unterliegen. Ich will die Fragestunde jetzt nicht überdehnen, aber ich könnte Ihnen noch ein paar andere Beispiele nennen. Sie wissen, daß immer wieder die Frage gestellt wird, ob beispielsweise die Tätigkeit eines Lehrers in einer Schule, in der vielleicht ein Lehrermangel herrscht, nicht höher als der Wehrdienst anzusetzen wäre. Sie müssen, wenn Sie eine einzelne Berufsgruppe herausgreifen und Argumente finden, inwieweit diese einzelne Berufsgruppe für die Allgemeinheit tätig ist, berücksichtigen, daß es viele Berufsgruppen gibt, die im weiten Sinne allgemeines Wohl fördern.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Horstmeier.
Die Betriebshilfsdienste sind ja gesetzlich geregelt. Es mangelt aber an Personen, ,die sich zum landwirtschaftlichen Betriebshelferdienst bereit finden. Außerdem geht es hier um eine langfristige Verpflichtung. Wäre die Bundesregierung bereit, die Dinge unter diesem Gesichtspunkt noch einmal zu überprüfen und nicht endgültig zu den Akten zu legen?
Die Prüfung hat stattgefunden. Ich habe Ihnen ganz klar gesagt, daß man in den Fällen, wo Not vorliegt, mit einer Unabkömmlichkeitstellung helfen kann und daß uns keine Fälle bekanntgeworden sind, in denen irgendwo eine besondere Not entstanden ist und in denen nicht Abhilfe geschaffen worden ist. Verehrter Herr Kollege, es ist darüber hinaus so, daß ich als Parlamentarischer Staatssekretär in einem Ressort tätig bin, in dem wir bei längerdienenden Soldaten mindestens unter dem gleichen Mangel leiden wie beispielsweise die Landwirtschaft bei den landwirtschaftlichen Betriebshelfern. Die Situation in beiden Bereichen ist also gleich. Wenn ich Ihrer Argumentation folgte, würden alle Verbände - Industrieverbände, Kammern und dergleichen - uns gegenüber den Beweis antreten, daß bei ihnen ein besonderer Mangel an Nachwuchskräften besteht. Die
Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, die bei uns als Gastarbeiter tätig sind, belegt dies ja.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, ich unterstelle, daß Ihnen bekannt ist, daß nicht nur in der Landwirtschaft - dort allerdings vorwiegend -, sondern auch in anderen Berufen die Existenz eines Betriebes oft davon abhängt, ob er von dem Erben weitergeführt wird. Sie wissen auch, daß landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen des Förderungsprogramms der Bundesregierung in besonderer Weise gefördert werden. Ist es nicht eine Inkonsequenz, wenn auf der einen Seite ganz bestimmte Typen von Familienbetrieben gefördert werden und auf der anderen Seite die Existenz dieser Betriebe häufig in Frage gestellt werden kann? Wäre hier nicht zumindest eine bessere Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen erforderlich?
Herr Kollege, § 12 des Wehrpflichtgesetzes sagt in Abs. 4 Nr. 2:
wenn der Wehrpflichtige für die Erhaltung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unentbehrlich ist,
kann er zurückgestellt werden. Diese Zurückstellung kann unter Umständen mehrfach wiederholt werden. Ich glaube, daß wir mit dieser gesetzlichen Regelung Ihrem Anliegen Rechnung tragen.
Die Fragen 71, 72 und 73 sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Herr Staatssekretär Moersch steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 107 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Was bedeutet in bezug auf Berlin die im Schlußdokument mit Generalsekretär Leonid Breschnew ausgehandelte Formel „die strikte Einhaltung und volle Anwendung dieses Abkommens sind eine wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Entspannung im Zentrum Europas und für eine wesentliche Verbesserung der Beziehungen zwischen den entsprechenden Staaten, insbesondere zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion" konkret?
Herr Abgeordneter, der Bundeskanzler hat bereits in seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 23. Mai dieses Jahres darauf hingewiesen, daß die sowjetische Haltung zur Praktizierung des Viermächteabkommens von uns als Funktion in unseren bilateralen Beziehungen zur Sowjetunion angesehen wird. Diese können insgesamt nicht besser sein, als es die Lage in Berlin ist,
Die Formulierungen - ich zitiere - „strikte Einhaltung und volle Anwendung" spiegeln wider, daß hierbei nicht mir die Feststellung, daß Berlin ({0}) kein konstitutiver Teil der Bundesrepublik Deutschland ist, zu berücksichtigen ist, sondern daß auch den Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin ({1}) Rechnung getragen werden muß. In den Gesprächen bestand Einvernehmen, daß noch bestehende praktische Schwierigkeiten sorgfältig geprüft und für sie Lösungen gefunden werden sollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein Wort zur Interpretation des Viermächteabkommens insbesondere unter dem Gesichtspunkt sagen könnten, daß Berlin nicht nur nicht konstitutiver Bestandteil sein soll, sondern daß es in alle Bindungen einbezogen wird. Ist das durch die Vereinbarung und durch die Absprache, die getroffen worden ist, gewährleistet?
Herr Abgeordneter, im Viermächteabkommen selbst ist das definiert, und die Praxis der Bundesregierung ist eindeutig. Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß diese Bindungen ja in den jetzt geschlossenen Abkommen durch die Berlin-Klausel bestätigt worden sind, sehr im Unterschied zu Abkommen, die frühere Bundesregierungen, die von Ihren Parteifreunden geführt worden sind, damals abgeschlossen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Sowjetunion bis zum heutigen Tage mehrfach geweigert hat und weigert, Berlin in Maßnahmen einzubeziehen, bei denen es nach dem Viermächteabkommen nach der Auffassung der Bundesregierung und auch nach unserer Meinung einbezogen werden sollte?
Herr Abgeordneter, es dient der Sache überhaupt nicht, wenn Sie generelle Feststellungen treffen, die mit den Tatsachen nicht in jedem Falle übereinstimmen.
Wir haben mehrere Abkommen geschlossen - ich habe Ihnen das soeben gesagt -, in denen in den Fragen, die nicht die Sicherheit und den Status von Berlin betreffen, mit der Sowjetunion jetzt Vereinbarungen getroffen worden sind. Das Viermächteabkommen gibt dazu einen generellen Rahmen. Es ist unsere Aufgabe - das ist hierbei auch die Meinung der Westmächte -, in den Abkommen, die wir speziell schließen, die entsprechenden Bindungen durch eine Berlin-Klausel festzustellen.
Das ist in jedem Einzelabkommen geschehen, das die Bundesregierung mit der Sowjetunion seitdem
unterzeichnet hat. Ich glaube, das ist ein deutlicher Hinweis auf die tatsächliche Lage.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 108 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Hat Bundeskanzler Brandt in seinen Gesprächen mit Generalsekretär Breschnew die Auffassung durchgesetzt, daß Berlin in völkerrechtliche Vereinbarungen und Abmachungen der Bundesrepublik Deutschland - ohne Widerspruch der Sowjets - einbezogen wird, und ist nunmehr der einseitigen Interpretation des Vier-Mächte-Abkommens durch die Sowjetunion ein Ende gesetzt?
Herr Abgeordneter, in alle Abkommen, die von uns mit der Sowjetunion nach Inkrafttreten des Viermächteabkommens abgeschlossen wurden - ich habe das soeben schon in der Antwort auf eine Zusatzfrage gesagt -, ist Berlin ({0}) einbezogen worden, so wie das 1952/54 von den Drei Mächten festgelegt wurde. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt und die sowjetische Seite während des Besuches erneut darauf hingewiesen, daß für sie der Abschluß von Verträgen, soweit nicht Vorbehaltsrechte der Drei Mächte berührt sind, ohne Einbeziehung von Berlin ({1}) nicht in Betracht kommt. Sie hat ja bisher auch immer entsprechend gehandelt.
Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann die offensichtlich unterschiedliche Auslegung der Frage der Einbeziehung Berlins durch die Bundesregierung und die Sowjetunion - z. B. beim Sportverkehr, bei einer Ausstellung der Sowjetunion in Berlin, oder wenn es um das Hissen der Bundesflagge geht -, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um hier Abhilfe zu schaffen?
Herr Abgeordneter, ich sehe auf Grund Ihrer Frage, daß es jetzt notwendig wäre, hier eine genaue Information zu geben. Das hat die Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuß getan.
Sie bringen hier Dinge ins Spiel, die wir zum Teil schon geklärt hatten. Was den Sportverkehr betrifft, so werde ich nachher einige Fragen von Kollegen zu beantworten haben, die dieses Thema berühren.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Ich gehe also nicht fehl in der Annahme, Herr Staatssekretär, daß die Punkte, die ich als kritische Gesichtspunkte angesprochen habe, auch von der Bundesregierung kritisch betrachtet werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist in diesen Fragen immer hellwach gewesen. Es ist natürlich nützlich, wenn ein Abgeordneter sie dabei unterstützt.
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 110 des Abgeordneten Reiser:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die ARD seit Jahren vergeblich bemüht, ein Reporterbüro in Madrid einzurichten, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Hinblick auf diese Schwierigkeiten bei der spanischen Regierung zu vermitteln, nachdem spanische Journalisten in der Bundesrepublik seit jeher ungehindert tätig sein können?
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet Ja. Unsere Botschaft in Madrid ist vom Hessischen Rundfunk im März dieses Jahres über die Bemühung der ARD unterrichtet worden, in Madrid ebenso wie das ZDF einen Korrespondenten akkreditieren zu lassen. Die Botschaft hat auch die ARD beraten, wie die Akkreditierung am besten geschehen kann. Gegenwärtig bestehen weiterhin Kontakte mit dem Hessischen Rundfunk in dieser Angelegenheit.
Die Bundesregierung begrüßt es grundsätzlich, daß die Berichterstattung über das Ausland, wenn I irgend möglich, durch eigene Korrespondenten der deutschen Massenmedien geschieht. Sie tut im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten alles, was die Arbeit der deutschen Korrespondenten im Ausland erleichtern kann.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 111 des Abgeordneten Nordlohne. Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 112 des Abgeordneten Dr. Beermann:
Ist die Bundesregierung bereit, auf Grund der Tatsache, daß der deutsche Staatsangehörige Rudolf Hess - unter Freispruch von der Anklage, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, vom interalliierten Militärgerichtshof in Nürnberg wegen Verschwörung und Verbrechen gegen den Frieden zu lebenslanger Haft verurteilt - bereits seit seinem Flug nach England im Jahre 1941 - also seit mehr als 30 Jahren, davon die letzten in Einzelhaft - gefangengehalten wird, noch im Jahre 1973 bei den für den Vollzug der Haft zuständigen Regierungen dahin gehend zu intervenieren, daß diese gegenüber dem nun 80jährigen Greis Gnade vor Recht ergehen lassen und ihm die Freiheit wiedergeben?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung steht seit Jahren mit den drei Mächten, die zusammen mit der Sowjetunion die Entscheidung über eine Freilassung von Rudolf Hess zu treffen hätten, in Verbindung. Sie ist dort mit dem Wunsch, Rudolf Hess aus humanitären Gründen frei2246
in dieser Frage den humanitären Argumenten der Bundesregierung entgegengetreten ist?
Herr Abgeordneter, ich bin im Augenblick nicht in der Lage, das zu tun. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen darüber eine Mitteilung zugehen zu lassen.
Wir kommen zu Frage 113 der Abgeordneten Frau von Bothmer:
Wie hoch sind die Gesamtaufwendungen des Bundes und der Länder für den Bau und die personelle und technische Ausstattung und Unterhaltung deutscher Schulen in Südafrika, und wie hoch ist der zahlenmäßige Anteil deutscher Staatsangehöriger an der Gesamtschülerzahl?
In Südafrika, Frau Abgeordnete, werden von der Bundesregierung - nicht von den Ländern - vier größere und vier kleine, von örtlichen Schulvereinen getragene Privatschulen gefördert. Im Jahr 1971 belief sich die Gesamtaufwendung auf 3 780 000 DM. Außerdem hat die Bundesregierung seit dem Jahre 1960 9 500 000 DM - in 12 Jahren - an Baubeihilfen gezahlt. Die Schulen werden von insgesamt 2 687 Schülern besucht. Von dieser Gesamtzahl sind 2 302 deutschsprachige Schüler. Von den deutschsprachigen Schülern wiederum besitzen 1 022 die deutsche Staatsangehörigkeit.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Mittel, die wir auch in diesem Jahr im Haushalt wieder für die Schulen beantragt haben, sind ja verhältnismäßig hoch. Ist es nicht eine Aufgabe unserer Politik, die sich ja gegen die Apartheid wendet, solche Schulen auch andersfarbigen Schülern und Lehrern zugänglich zu machen?
Das ist ein Aspekt der Prinzipien, die ja in unseren Leitsätzen zur auswärtigen Kulturpolitik niedergelegt sind. Sie wissen, daß sich auch eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages mit diesen Fragen befaßt. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, entsprechende Folgerungen zu ziehen. Wir sind auch in anderen Teilen der Welt überall dafür eingetreten, daß es keine sozialen und keine rassischen Beschränkungen für solche Schulen gibt, die wir aus kulturpolitischen Interessen mitfinanzieren.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wäre es in diesem Zusammenhang nicht gerade auch zu bedenken, daß in Namibia die Kulturhoheit Südafrikas widerrechtlich ist, wir für die Schulen dort also eigentlich einen anderen Maßstab anlegen müßten?
) zulassen, auf Verständnis gestoßen. Sie hat in der gleichen Frage außerdem mit der Sowjetunion gesprochen. Die Bundesregierung bedauert, .daß ihre Bemühungen bis heute keinen Erfolg hatten. Sie wird auch in Zukunft jede ihr Erfolg versprechende Möglichkeit wahrnehmen, sich bei den vier Gewahrsamsmächten für die Freilassung von Rudolf Hess aus humanitären Gründen einzusetzen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es Ihnen in diesem Zusammenhang wohl möglich, dem Hohen Hause einige Informationen über die Sicherheitsmaßnahmen gegenüber dem nun 80jährigen Hess zu geben, für den der deutsche Steuerzahler, wenn ich recht informiert bin, jährlich etwa 1 Million DM zu zahlen hat?
Herr Abgeordneter, ich will zunächst darauf hinweisen, daß etwa gleichstarke Kontingente der Vier Mächte die Bewachung des bundeseigenen Militärgefängnisses in Berlin-Spandau durchführen. Eine genaue Aufschlüsselung dieser Kontingente würde hier zu weit führen.
In der Öffentlichkeit sind Zahlen genannt worden, die früher etwa bei 460 Personen lagen. Ich habe hier im Augenblick eine Zahl parat: die Vereinigten Staaten stellen zur Zeit, soweit uns bekannt ist, 33 Wachsoldaten, von denen jeweils 13 den Wachdienst versehen.
Die von Ihnen genannte Summe ergibt sich ungefähr für das Jahr 1972 insgesamt. Davon sind ein Teil vom Berliner Justizhaushalt und ein Teil vom Besatzungskostenhaushalt in Berlin zu tragen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht angemessen, bei den Gewahrsamsmächten anzuregen, die getroffenen, sicherlich beachtlichen, aber keineswegs vollkommenen Sicherheitsmaßnahmen etwa noch durch eine Hubschrauberstaffel und eine Flottille auf der Spree zu vervollständigen, um dem doch sicherlich einmal zu erwartenden Ausbruchsversuch des 80jährigen Hess auf jeden Fall erfolgreich begegnen zu können?
Herr Abgeordneter, ich bin sicher, daß die Gewahrsamsmächte das Protokoll des Deutschen Bundestages und damit auch Ihre Frage aufmerksam studieren werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mertes.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause mitteilen, mit welchen Argumenten die sowjetische Regierung
Gnädige Frau, ich muß Sie darauf aufmerksam machen: Ihre Frage hat sich auf Südafrika bezogen, und meine Antwort war auch auf Südafrika abgestellt,
Ich komme zu der Frage 114 des Herrn Abgeordneten Wrede:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem jetzt mit der UdSSR abgeschlossenen Kulturabkommen die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Sportbund ({0}) und den sowjetischen Sportorganisationen?
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet positiv. Mit der Einbeziehung des Sports in das Kulturabkommen hat die Bundesregierung die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, daß sich die Sportbeziehungen, die vom Deutschen Sportbund und den ihm angeschlossenen Spitzenorganisationen in eigener Zuständigkeit durchgeführt werden, verstärken und intensivieren können. Die Bundesregierung weiß, daß die deutschen Sportverbände gewillt sind, ihre Möglichkeiten in dieser Hinsicht voll auszuschöpfen. Sie wird dabei ideell und finanziell behilflich sein. So wurden die Mittel des Auswärtigen Amts zur Förderung von Sportkontakten mit der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern für das Jahr 1973 mehr als verdoppelt.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Wrede auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob in den zur Zeit gültigen Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Sportbund ({0}) und den sowjetischen Sportorganisationen die Westberliner Verbände und Vereine in angemessener Weise einbezogen sind?
Der Deutsche Sportbund und das Komitee für Körperkultur und Sport beim Ministerrat der UdSSR sind sich einig, daß 1973 ein Programm von 55 Veranstaltungen auf Grund von Einzelabsprachen der Spitzenverbände durchgeführt wird. Der Deutsche Sportbund und alle ihm angeschlossenen Organisationen werden dabei von ihrer bisherigen Haltung nicht abgehen, daß, nachdem die Westberliner Verbände zu den Spitzenverbänden des Sports in der Bundesrepublik und damit zum Bereich des Deutschen Sportbundes gehören, diese Verbände und ihre Mitglieder in den Sportaustausch mit der Sowjetunion gemäß ihrem Leistungsstand und ihren organisatorischen Möglichkeiten in angemessener Weise einbezogen werden. Die Bundesregierung und der Deutsche Sportbund sind sich einig, daß die bisherige gute Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung gerade in der Frage der Einbeziehung der Sportverbände von Berlin ({0}) und ihrer Mitglieder fortgesetzt werden soll. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Einbeziehung der Westberliner Sportler in die Sportorganisation der Bundesrepublik auch dadurch besonders abgesichert ist, daß der Sport als Gegenstand der beiderseitigen Förderung in das Kulturabkommen mit der Sowjetunion hineingenommen und das Abkommen auf Berlin ({1}) ausgedehnt worden ist.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 116 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 117 und 118 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 119 und 120 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein ({0}). - Er ist nicht im Saal. Seine beiden Fragen werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zunächst die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Nölling. Er ist nicht im Saal. Die Fragen 1 und 2 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Frage 3 des Abgeordneten Freiherr von Fircks:
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß die von dem Bundesminister des Innern im Rahmen des Berichts über sein Arbeitsprogramm in der 7. Wahlperiode vor dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages als regierungsseitig vorgesehene Leistungsverbesserungen zugunsten der Flüchtlinge aus Mitteldeutschland in bezug auf die Verzinsung ihrer Hauptentschädigungen und die Zahlung des Entwurzelungszuschlags nicht unter die Ziffer 11 des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung fällt, da bei der Novellierung von Leistungsgesetzen im Haushaltsentwurf 1973 nur solche Leistungsverbesserungen zurückgestellt werden sollen, die von der Bundesregierung nicht vorgesehen waren?
Herr Bundesminister Genscher, bitte sehr!
Herr Abgeordneter, Ihre Frage geht von einer unzutreffenden Voraussetzung aus. In meinem Bericht über mein Arbeitsprogramm in der 7. Wahlperiode habe ich die von Ihnen genannten Leistungsverbesserungen im Lastenausgleich nicht als regierungsseitig vorgesehen bezeichnet. Ich habe vielmehr wörtlich gesagt und darf das wiederholen:
Offen sind noch Fragen wie z. B., ob die Flüchtlinge aus der DDR auch in bezug auf die Verzinsung ihrer Hauptentschädigung und die Zahlungen des Entwurzelungszuschlags den Vertriebenen in vollem Umfange gleichgestellt werden sollen.
Im übrigen wissen Sie, daß die genannten Leistungsverbesserungen zunächst dem Sondervermögen/Ausgleichsfonds zur Last fallen würden und daß die etwa zu erwartenden Auswirkungen auf den Bundeshaushalt auf Grund seiner Defizithaftung nicht in dem Zeitraum eintreten würden, auf den das zweite Stabilitätsprogramm der Bundesregierung ausgerichtet ist. Ein Zusammenhang zwischen den in Ihrer Frage erwähnten etwaigen Leistungsverbesserungen und Ziffer 11 des Stabilitätsprogramms besteht also nicht.
2248 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, wenn ich das eben so schnell verfolgen konnte, dann war Ihr wörtliches Zitat aus der Sitzung des Innenausschusses vom 14. Februar 1973. Können Sie uns bestätigen, daß in der Sitzung am 21. Februar, als auf meine Bitte dieses Problem nochmals behandelt wurde, Sie wörtlich gesagt haben ich zitiere -:
Was die Lastenausgleichsgesetzgebung angeht, so denke ich bei dem, was ich für vordringlich halte,
- allerdings mit der Hintertür
sofern etwas möglich wird, in der Tat an die z. B. genannten Vorhaben.
Herr Minister, Sie haben sicher wie ich - und können das bestätigen - gespürt, daß die Betroffenen dies als eine regierungsseitige Zusage, diese beiden in der Frage genannten Vorhaben in dieser Legislaturperiode zu erfüllen, aufgefaßt haben.
Sie würden diese Äußerungen, die Sie sicher richtig wiedergegeben haben, ohne daß ich das jetzt nachprüfen kann, richtiger interpretieren, wenn Sie sagen, daß in meiner Erklärung der ernsthafte Wille der Bundesregierung zum Ausdruck kam, das Mögliche zu tun; denn daß es sinnvoll wäre, solche Entscheidungen zu treffen, wissen wir. Aber wir wissen auch, daß wir häufig aus finanziellen Gründen gehindert sind, alle sinnvoll und berechtigt erscheinenden Entscheidungen in dem Zeitpunkt zu treffen, in dem die Berechtigten das verständlicherweise wünschen.
Eine zweite Zusaztfrage, Freiherr von Fircks.
Herr Bundesminister, könnten Sie uns dann sagen, ob Sie unter den jetzt gegebenen Aspekten - welcher Art auch immer, stabilitätspolitischen, finanzpolitischen und sonstigen - dieses für möglich halten?
Ich kann das noch nicht mit der Verläßlichkeit sagen, Herr Abgeordneter, mit der Sie es aus verständlichen Gründen gern hören möchten. Da ich nicht zu denen gehöre, die Hoffnungen erwecken, die dann nicht realisiert werden, kann ich nur noch einmal wiederholen, daß die Bundesregierung das Problem sieht, es ernst nimmt, Verständnis für diese Forderungen hat und sich bemühen wird, sie zu erfüllen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Präsident, nur eine Zusatzfrage zum Verfahren. Ist das üblich oder habe ich das bisher nicht gehört, daß wir im Plenum Interpretationen von Äußerungen verlangen
und geben, die in Ausschüssen irgendwann mal gemacht worden sind?
Erstens ist es nicht üblich, den Präsidenten zu fragen. Zweitens habe ich nicht den Eindruck, daß es sich um vertrauliche Ausschüsse gehandelt hat.
Herr Minister, Sie haben schon geantwortet; die Frage ist damit erledigt.
Ich komme zu Frage 4 des Abgeordneten Schäfer ({0}) :
Trifft es zu, daß es im Zusammenhang mit der Aktion des Bundesgrenzschutzes vom 3. bis 17. April 1973 im Oberfinanzbezirk Saarbrücken zu Grenzverletzungen durch BGS-Beamte gekommen ist?
Dem Bundesgrenzschutz, Herr Kollege, obliegen nach den §§ 1 und 2 des BGS-Gesetzes die polizeiliche Überwachung der Grenzen und die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs. Auf Grund von Erkenntnissen über illegale Einschleusungen von Ausländern über die deutsch-französische Grenze im Bereich des Saarlandes hatte ich den Einsatz eines BGS-Verbandes in diesem Grenzabschnitt vom 3. bis 17. April 1973 angeordnet. Nach meinen Feststellungen ist es dabei nicht zu Grenzverletzungen durch Beamte des BGS gekommen. Es liegen übrigens auch keine Beschwerden über solche Grenzverletzungen von der französischen Seite vor. Die Hundertschaftsführer des eingesetzten Verbandes waren zu Beginn des Einsatzes durch die örtlichen Zollkommissare in den Grenzverlauf eingewiesen worden. Bei der eingesetzten Abteilung handelt es sich um einen Grenzschutzverband, dessen Beamte auf Grund jahrelangen Grenzüberwachungsdienstes besondere Erfahrung mit der Respektierung von Grenzen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Minister, ist Ihnen das Schreiben des Bundes der deutschen Zollbeamten vom 17. April 1973 an den Bundesminister der Finanzen mit den darin enthaltenen Vorwürfen bekannt? Wenn ja, haben Sie auch die anderen Vorwürfe außer dem der Grenzverletzung überprüft, und halten diese Vorwürfe einer Überprüfung stand?
Herr Abgeordneter, dieses Schreiben ist mir nicht bekannt, was nicht heißt, daß es nicht möglicherweise in meinem Hause liegt. Ich habe von Ihnen eine Frage gestellt bekommen, die ich Ihnen, wie ich hoffe, befriedigend beantwortet habe
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die französischen Seite nicht auf die Idee gekommen ist, eine Grenzverletzung zu rügen. Es ging immerhin darum, Herr Abgeordneter, Leuten das Handwerk zu legen, die ihr schmutziges Geld damit verdienen, daß sie versuchen, illegal Gastarbeiter in unser Land einzuschleusen, die dann hier in eine abhänBundesminister Genscher
gige Position kommen, da sie nicht über ordentliche Papiere verfügen.
Hier haben die Beamten ihr Bestes getan, und ich bin manchmal erstaunt, welches Maß an Aufmerksamkeit die Frage erregt,
({0})
ob möglicherweise deshalb, weil drei Patronenhülsen zwei Meter jenseits der Grenze liegen, zu vermuten sei, daß auch einer der Beamten die Grenze überschritten habe. Aber nach allen Feststellungen hat nicht einmal dieses Vergehen - das ich hier allerdings nicht als Vergehen bezeichnen würde - irgend jemand begangen.
({1})
Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Minister, würden Sie mir zugestehen, daß meine Fragestellung keinen Zusammenhang mit der möglichen Notwendigkeit des Einsatzes des BGS gegen Schmuggel herstellt?
Herr Abgeordneter, ich habe von Erregungen darüber in der Öffentlichkeit gesprochen und nicht über unser bilaterales Gesprächsverhältnis, das sich, wie Sie sehen, in den freundlichsten Formen abspielt.
Ich komme zu Frage 5 des Herrn Abgeordneten Schäfer:
Tst die Aktion des Bundesgrenzschutzes vorn 3. bis 17. April 1973 zuvor mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmt worden?
Durch Erlaß des Bundesministers des Innern vom 30. März 1973 ist der Einsatz des BGS-Verbandes kurzfristig angeordnet worden. Darüber ist neben dem Minister des Innern des Saarlandes auch der Bundesminister der Finanzen durch nachrichtliche Übersendung der Einsatzanordnung nach fernmündlicher Vorankündigung am gleichen Tage unterrichtet worden. In der Einsatzanordnung war u. a. bestimmt, daß der Einsatz über das Grenzschutzamt Saarbrücken mit der Bundeszollverwaltung zu koordinieren sei.
Am 2. April 1973, also schon vor dem Eintreffen des Verbandes, hat eine Besprechung beim Grenzschutzamt Saarbrücken unter Teilnahme des Grenzreferenten der Oberfinanzdirektion Saarbrücken stattgefunden. An einer Einsatzbesprechung am 4. April 1973 haben neben dem Grenzreferenten auch die zuständigen Zollkommissare teilgenommen. Am gleichen Tage erfolgte die Einweisung der Hundertschaftsführer durch die zuständigen örtlichen Zollkommissare. Von diesem Tage bis zum Ende des Einsatzes befand sich ein leitender Zollbeamter in der Einsatzleitung.
Keine Zusatzfrage. Dann komme ich zu Frage 6 des Abgeordneten Engelsberger. - Er ist nicht im Saal. Dann wird
diese Frage ebenso wie Frage 7 schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Glotz wird ebenfalls schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 9 der Abgeordneten Frau Meermann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die für Beamtinnen und Richterinnen geltenden Regelungen bei Teilzeitbeschäftigung auch auf männliche Beamte und Richter auszudehnen?
Ja, Frau Abgeordnete. In dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und richterlicher Vorschriften ist vorgesehen, alle Vorschriften über Teilzeitbeschäftigung und langfristige Beurlaubung auch auf männliche Beamte und Richter auszudehnen.
Dieser Entwurf hat den Bundesrat bereits im ersten Durchgang passiert. Er wird dem Hohen Hause schon in der allernächsten Zeit zur Beratung vorliegen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.
Vielen Dank, Herr Minister! Werden Sie dann auch im Bundeshaushalt die erforderlichen Konsequenzen ziehen? Bisher gibt es ja im Bundeshaushalt noch gar keine Stellen für Teilzeitbeschäftigte, obwohl die Regelung für Frauen schon seit längerer Zeit besteht.
Frau Abgeordnete, ich glaube, daß uns auch die zügigste Beratung des Gesetzentwurfs nicht in die Lage versetzen wird, diese Konsequenzen schon im Haushalt 1973 ziehen zu müssen. Aber es ist ganz selbstverständlich, daß der Haushalt insoweit den Entscheidungen des Gesetzgebers zu folgen hat.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, dies alles, was Sie sagen, als richtig vorausgesetzt, möchte ich doch fragen: Würden Sie dann, wenn diese Gesetzgebung noch ein bißchen dauert, wenigstens schon die erforderlichen Konsequenzen im Haushalt 1974 im Hinblick auf die jetzige Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung der weiblichen Beamten ziehen?
Das freundliche Gesicht des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen wird mich dazu ermutigen, einmal beim Finanzministerium anzufragen.
Viezpräsident Dr. Jaeger: Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg sowie die
Vizepräsident Dr. Jaeger
Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Wagner ({0}) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 14 des Abgeordneten Gansel auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung sich zu verhalten, wenn von Arbeitern und Angestellten der verschiedenen Verwaltungen die Übernahme ins Beamtenverhältnis organisiert verweigert wird, da die ungleiche Behandlung von Angestellten und Arbeitern ({1}) einerseits im Verhältnis zu den Beamten andererseits bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis unmittelbar zu Einkommensverschlechterungen führt?
Ich darf bitten, Herr Bundesminister!
Die Bundesregierung geht gegenwärtig nicht davon aus, daß Arbeiter und Angestellte verschiedener Verwaltungen die Übernahme in das Beamtenverhältnis organisiert verweigern. Es gibt allerdings Fälle, in denen es wegen der Einkommensverluste, die bei Übernahme in das Beamtenverhältnis unmittelbar entstehen können, nicht zu einer Übernahme kommt. Aufs Ganze gesehen kann jedoch festgestellt werden, daß das Interesse der Arbeitnehmer an einer Übernahme in das Beamtenverhältnis trotz der teilweise entstehenden vorübergehenden Einkommensverluste fortbesteht.
Die Ursachen für die in bestimmten Fällen entstehenden Einkommensverluste bei Übernahme in das Beamtenverhältnis sind bekannt. Ich habe hierzu am 12. Mai 1972 an den Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages einen Bericht erstattet und unter anderem darauf hingewiesen, daß die Einkommensverluste letztlich auf der unterschiedlichen Struktur der Bezahlungssysteme des Besoldungs- und des Tarifbereichs beruhen. Die Bundesregierung ist bemüht, das Problem der Einkommensverluste bei Übernahme in das Beamtenverhältnis einer angemessenen Lösung zuzuführen. Die Arbeiten hierzu sind im Gange, jedoch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage!
Nachdem nun die Lust der Angestellten, Beamte zu werden, merklich abgenommen hat, weil Einkommensverschlechterungen bis zu 20 % eintreten können, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, zugunsten der Beamten Initiativen zur Anhebung der Eingangsstufen und zur Abschaffung der Mindestwartezeiten für Beförderungen zu unternehmen.
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen gesagt, daß wir das Problem einer Lösung zuführen wollen. Wie diese Lösung aussehen soll, kann heute noch nicht abschließend beantwortet werden. Ich glaube aber auch nicht, daß Ihre generelle Feststellung berechtigt ist, daß die Lust der Angestellten, Beamte zu werden, abnehme. Das gilt für bestimmte Bereiche ohne Zweifel; vor allen Dingen im Bereich der Betriebsverwaltungen und für bestimmte Gruppen spielt das eine große Rolle. Aber ich würde das nicht generell sagen.
Noch eine Zusatzfrage!
Herr Minister, nachdem das Problem erkannt worden ist und Sie sich mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigen, möchte ich Sie fragen: Besteht eine grundsätzliche Bereitschaft, die Vorschläge des Bundespostministeriums z. B. zur Neuordnung der Laufbahnen im Fernmeldewesen auch für den technischen Dienst anderer Verwaltungen - hier ist das Problem ja besonders dringlich - als Modell zu übernehmen?
Herr Abgeordneter, wir können generell zu lösende Fragen nicht für einzelne Verwaltungen lösen, und auch die einzelnen Verwaltungen sind darauf angewiesen, ein Gesamtkonzept sowohl für die Laufbahnen als auch für die Besoldungsfragen, die Sie zunächst angeschnitten hatten, zu erarbeiten. Das ist das Bemühen der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Gansel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Tarifvereinbarungen abzuschließen, um für Arbeiter und Angestellte die gleichen Aufstiegsverhältnisse zu schaffen wie für Beamte?
Bei einer Beurteilung der Aufstiegschancen von Beamten einerseits sowie von Angestellten und Arbeitern andererseits müssen zunächst die unterschiedlichen Systeme von Beamtenbesoldung und Angestelltenvergütung bzw. Arbeiterlöhnen gesehen werden, die einen Vergleich nur bedingt erlauben. So werden Angestellte und Arbeiter in die Vergütungs- bzw. Lohngruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale sie erfüllen. Auf diese Eingruppierung haben sie einen Rechtsanspruch. Im Beamtenrecht besteht eine geringere Verbindung zwischen Funktion und Besoldung, da sich letztere in erster Linie nach dem ausgeübten Amt richtet. Das Vorwärtskommen der Beamten ist im Gegensatz zum Arbeitnehmerbereich ganz wesentlich von laufbahnrechtlichen Erfordernissen abhängig.
Diese unterschiedlichen Systeme und die beiden voneinander unabhängigen Rechtsquellen - hier Tarifvertrag, dort Gesetz - lassen trotz der ständig fortschreitenden Tendenz der Angleichung beider Rechtsgebiete nicht immer völlig gleiche Entwicklungen zu. Vor- und Nachteile gegenüber der anderen Gruppe sind in beiden Bereichen nach wie vor festzustellen. Sie können aber davon ausgehen, daß die Bundesregierung von dem Grundsatz gleicher Behandlung aller Gruppen der öffentlich Bediensteten bei gleichen Voraussetzungen ausgeht.
Der von der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstes jetzt vorgelegte Bericht enthält eine Fülle von Material und Empfehlungen zu dem von Ihnen angesprochenen Problem. Unabhängig davon sind zur Zeit aber Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern des öffentlichen Dienstes über eine Neufassung der Tätigkeitsmerkmale für die Angestellten und Arbeiter des Bundes,
der Länder und der Gemeinden anhängig, bei denen gerade die Ihrer Frage zugrunde liegenden Sachverhalte eine besondere Rolle spielen. Einzelheiten hin sichtlich des Ergebnisses und des Zeitpunktes ihrer Verwirklichung können heute allerdings noch nicht vorausgesagt werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, steht die Bundesregierung bei den von Ihnen erwähnten Tarifverhandlungen diesem Vorschlag der Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten positiv gegenüber?
Ja, Herr Abgeordneter.
Danke sehr!
Die Fragen 16, 17, 18, 19 und 20 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Auch diese Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Ich rufe die Fragen 27 und 28 der Frau Abgeordneten Dr. Neumeister auf. Sie ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Änderung des Gesetzes über die Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vorzunehmen, die es der Ausgleichsverwaltung ermöglicht, mit der Auszahlung an die Berechtigten unverzüglich zu beginnen?
Herr Staatssekretär Hermsdorf, ich darf bitten.
Herr Präsident, ich halte es für ein merkwürdiges Verfahren, daß Freiherr von Fircks mein Haus gebeten hat, die Frage schriftlich zu beantworten, jetzt aber hier im Saal ist. Ich bin deshalb ein bißchen überfordert, weil ich die Unterlagen nicht hier habe.
Ich nehme an, daß sich das irgendwie aufklären wird; jedenfalls können Sie die Frage im Augenblick nicht beantworten.
Im übrigen muß ich Herrn von Fircks darauf aufmerksam machen, daß die Fraktionen der SPD und FDP bereits am 23. Mai 1973 einen Gesetzentwurf initiativ eingebracht haben, der dem Anliegen, daß der Freiherr hier zum Ausdruck bringt, Rechnung trägt.
Die Bundesregierung stellt sich hinter diesen Entwurf.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus bestätigen, daß Ihr Geschäftsbereich für die gestrige Fragestunde vorgesehen war und ich, da ich durch eine Fraktionssitzung verhindert war, für gestern um schriftliche Beantwortung gebeten habe und daß es, glaube ich, natürlich ist, daß ich heute dann trotzdem da sein kann?
Herr von Fircks, ich kann das nicht bestätigen; denn ich habe gerade noch einmal rückgefragt.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 31 und 32 des Herrn Abgeordneten Wittmann ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Peiter ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Niegel auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 35 bis 42 sind bereits beantwortet.
Die Frage 43 soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär; es ging sehr schnell.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf. - Ist jemand für die Bundesregierung da? - Ein Vertreter der Bundesregierung ist erst auf dem Wege. Daher können wir ein anderes Ressort vorziehen.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.
Ich rufe die Fragen 101 und 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 103 und 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller ({2}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden
Vizepräsident Dr. Jäger
schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Meinike ({3}), die ursprünglich vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantwortet werden sollte, wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär. Sie wurden nicht benötigt; ich danke Ihnen schön für Ihre Anwesenheit.
Jetzt muß ich wieder auf den Geschäftsbereich des
Bundesministers für Forschung und Technologie und
für das Post- und Fernmeldewesen zurückkommen.
Ein Vertreter dieses Geschäftsbereichs ist noch
immer nicht da; das ist sehr bedauerlich. Wir können hier, meine Damen und Herren, nicht sitzen bleiben und nichts tun.
An dieser Stelle darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß die Fragen 92, 93, 94 und 98 von den Fragestellern zurückgezogen worden sind.
Ich denke, wir stehen am Ende der Fragestunde und damit am Ende der heutigen Plenarsitzung. Ich wünsche Ihnen angesichts der kurzen Pfingstzeit besonders erholsame und ruhige Tage.
Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Juni 1973, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.