Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/6/1973

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten in dieser Woche neben dem Haushalt den Entwurf eines Gesetzes über ,die Sechzehnte Rentenanpassung. Durch eine Entscheidung der CDU/CSU am 20. und 21. September 1972 hier in diesem Hause, die wir seinerzeit gegen Ihren Willen erzwungen haben, werden die Rentner die Segnungen dieser Anpassung in Höhe von 11,35 v. H. schon ab 1. Juli 1973 erhalten. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wollten 1971/72 den Rentnern bei einer Preissteigerungsrate von 6 % - im letzten Jahr - die Rentenanpassung zum 1. Juli 1972 vorenthalten. Wir haben diesen Beschluß, wie ich schon sagte, im letzten Jahr erzwungen, und die Rentner konnten schon damals eine vorgezogene Rentenanpassung erhalten. Wenn Sie, Herr Schmidt - er ist noch nicht da -, als Bundesfinanzminister so tun, als sei das Ihre Leistung - so jedenfalls kann man es aus Ihrer Haushaltsrede herauslesen -, so muß ich klarstellen: Zweimal in diesem Hause und einmal im zuständigen Ausschuß haben Sie eine Entscheidung zugunsten der Rentner im letzten und im vorletzten Jahr verhindert. Dank unserer Entscheidung erhalten die Rentner die Erhöhung ihrer Rente nun zum 1. Juli 1973 und haben dadurch einen, allerdings nur kleinen, Ausgleich für die enormen Preissteigerungen, die in diesem Jahr für die Rentnerhaushalte bei 7,5 % gegenüber dem Vorjahr liegen. Der Preisanstieg ist ja nicht unterbrochen. Wir sehen die Zahlen schon auf 8 % zugehen. In Ihrem Gesetzentwurf steht ,allerdings nicht nur die Erhöhung der Bestandsrenten, sondern Sie verändern auch eine Leistung, die wir ebenfalls im letzten Jahr, und zwar gegen Ihren erheblichen Widerstand, durchgesetzt haben: die Rentenniveausicherung. Was haben wir 1972 durchgesetzt? Infolge der inflationären Entwicklung steigen die Einnahmen der Rentenversicherung explosionsartig. Wir haben eine Niveausicherungsklausel durchgesetzt, damit ein Absinken unter ein gewisses Rentenniveau verhindert wird. Wir wollten damit erzwingen, daß 45% des jeweiligen durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelts bei 40 Jahren Versicherungszeit und einer entsprechenden Rentenbemessungsgrundlage von 100 % nicht unterschritten werden. Die von uns anvisierte mittelfristig zu erreichende Zielgrenze des Rentenniveaus lag bei 50% des durchschnittlichen Arbeitsentgelts. In der Begründung zu unserem Gesetzentwurf vom letzten Jahr hieß es - ich zitiere -: Durch diese Art Regelbindung soll erreicht werden, daß den Rentnern auf Dauer eine angemessene Stellung im Einkommensgefüge garantiert werden kann. Die Gefahr, daß Überschüsse infolge inflationärer Entwicklung zu Lasten der Rentner für andere Zwecke verplant werden, wird gebannt. Meine Damen und Herren, wie recht wir mit dieser unserer Begründung hatten, ergibt sich schon daraus, daß Sie jetzt in Ihrem Gesetzentwurf eine Verschlechterung des Rentenniveaus durch eine Änderung der Niveausicherungsklausel festgesetzt haben. Die Regierung sammelt hier eine Entscheidung des Bundestages vom September 1972 wieder ein. Neben dem Einsammeln ,der von Ihnen offenbar als Wahlgeschenk gemeinten Maßnahme im Bereich der flexiblen Altersgrenze ist dies ein zweiter erheblicher Eingriff zuungunsten der Einkommenslage der Rentner, und zwar sowohl bei den Bestandsrenten als auch bei den künftigen Renten. ({0}) Die Bundesregierung begründet ihre Änderung der Niveausicherungsklausel mit einem technischen Argument: Man solle eine Änderung der sogenannten Rentenniveausicherungsklausel durchsetzen, um zu vermeiden, daß sich aus einem vorauszuschätzenden Durchschnittsentgelt der Versicherten künftig unmittelbar gesetzgeberische Konsequenzen in Richtung auf eine Rentenerhöhung ergeben. Hier wird Ihre Absicht, meine Damen und Herren von der Koalition und der Regierungsbank, eindeutig klar. Sie wollen die Rentenniveausicherung mit anderen Mitteln und anderen Multiplikatoren erFranke ({1}) reichen, allerdings auf einem Niveau, welches für die jetzt schon betroffenen und für die künftigen Rentner schlechter ist. ({2}) Neben der Verschlechterung im Zusammenhang mit der flexiblen Altersgrenze kommt hier nun eine weitere Verschlechterung der Bestandsrenten und der zukünftigen Renten auf die Rentner zu. Ich wiederhole noch einmal, damit es ganz deutlich wird: Sie sammeln eine offenbar von Ihnen als Wahlgeschenk gemeinte Maßnahme wieder ein. Meine Damen und Herren, um das zu verhindern, legen wir hier einen Entwurf vor, der haargenau dem entspricht, was der Regierungsentwurf hinsichtlich der Erhöhung der Renten und der Gestaltung der Anpassungsautomatik - das begrüßen wir selbstverständlich auch - enthält. Nur was die Änderung der Niveausicherungsklausel angeht, halten wir am geltenden Recht fest. So sehen Sie heute morgen auf Ihren Tischen einen Gesetzentwurf, der unseren Namen trägt, der sich allerdings lediglich hinsichtlich der Änderung der Rentenniveausicherungsklausel von Ihrem Gesetzentwurf unterscheidet und das alte Recht, das Sie ändern wollen, zugunsten der Rentner aufrechterhalten will. ({3}) Der Sozialbeirat sagt zu den von Ihnen jetzt vorgeschlagenen Änderungen des Rentenniveausicherungsgesetzes - ich zitiere -: Bei der jetzt vorgesehenen Bemessung des Rentenniveaus ist es allerdings unwahrscheinlich, daß die Rentenniveausicherung praktisch zum Tragen kommt. Die vorgesehenen 50 v. H. würden nur bei außergewöhnlich hohen Lohnsteigerungsraten, wie sie auch in den letztvergangenen Jahren nicht gegeben waren, unterschritten werden. Meine Damen und Herren, wir bleiben bei dem, was Hans Katzer in einer Presseerklärung gesagt hat: Es müßten Lohnsteigerungen bis zu 22 °/o entstehen, ehe sich der Verteilungseffekt zugunsten der Rentner auswirkt. Man kann nicht einmal bei Ihrer Inflationspolitik glauben, daß die Gewerkschaften, die Tarifpartner gezwungen werden, zum Kaufkraftverlustausgleich für die betroffenen Arbeitnehmer Lohnsteigerungen in Höhe von 22 °/o pro Jahr auszuhandeln. Wir hoffen, daß Sie es mit Ihrer Inflationspolitik nicht so weit treiben, daß dann letztlich dabei 22 °/o Lohn- und Gehaltserhöhungen herausgeholt werden müssen. ({4}) Durch diese Ihre neue Formel geraten die Rentner beim allgemeinen Verteilungskampf weiter und wiederum unter den Schlitten. Sie von der Koalition erhalten dann allerdings durch die Änderung der Niveausicherungsklausel Mittel, die Sie den Rentnern künftig vorenthalten, die Sie dann aber wahrscheinlich wahlkampftaktisch günstig in den Jahren 1975/76 plazieren können, aber auch hier, meine Damen und Herren, eindeutig auf Kosten der dadurch benachteiligten Rentner. Lassen Sie mich einmal den Sozialbeirat zitieren, der zur allgemeinen Einkommenssituation der Rentner folgendes sagt - ich kann Ihnen ein längeres Zitat nicht ersparen : Der Beirat betont, daß bei den Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen nach wie vor ein Nachholbedarf besteht. Er weist insbesondere darauf hin, daß die laufenden Renten, auch wenn sie Mitte 1973 um 11,35 v. H. heraufgesetzt werden, immer noch deutlich unter dem im Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972 als Richtsatz genannten Rentenniveau von 50 v. H. bleiben. Nach Ansicht der Beiratsmehrheit können daher unabhängig davon, inwieweit und mit welcher Aussicht auf Erfolg Dämpfungsmaßnahmen in anderen Sektoren ergriffen werden, den Rentnern aus sozialen Gründen keine Abstriche am Anpassungsgesetz zugemutet werden. Wenn im Zuge von Stabilisierungsmaßnahmen die Löhne nur schwächer steigen als vorausgesehen, mache sich dies der Rentensystematik entsprechend später auch bei den Rentenanpassungen bemerkbar. Ein doppelter Stabilitätsbeitrag könne von den Rentnern nicht verlangt werden. Meine Damen und Herren, eine größere Autorität in der Auseinandersetzung um diese Fragen kann man gar nicht zitieren als den Sozialbeirat, der eindeutig sagt, daß die Rentner ohnehin einen Nachholbedarf haben. Ich füge hinzu: Durch die Änderung der Niveausicherungsklausel, die Sie jetzt in Ihrem Gesetzentwurf beantragt haben, geraten die Rentner, ich wiederhole es, noch einmal und weiter unter den Schlitten. ({5}) Ich zitiere hier jetzt eine etwas längere Passage des Sachverständigenrats. Meine Damen und Herren, auch das kann ich Ihnen nicht ersparen; es ist wichtig, daß wir das für die Auseinandersetzung, die wir in den nächsten Wochen draußen zu führen haben, in den Protokollen wiederfinden. Ich zitiere also mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: Dagegen wird 1973 - so erwartet es z. B. der Sachverständigenrat -unter wirtschaftspolitischen Status-quo-Bedingungen um 12 v. H. steigen, so daß also der Rentenanpassungssatz geringfügig unter dem Zuwachs des Volkseinkommens läge, allerdings dem etwas niedriger veranschlagten Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten ungefähr entspräche, womit sich die Renten und Bruttoarbeitsentgelte praktisch parallel entwickeln würden. Dies würde zugleich bedeuten, daß die Relation zwischen Renten und Aktivbezügen auf dem für die Rentner immer noch relativ ungünstigen Stand von 1972 verharren würden. Das, meine Damen und Herren, sagt der Sachverständigenrat. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ich wiederhole: Wir legen einen Gesetzentwurf vor. Er ist, um mit dem Herrn Bundesarbeitsminister zu sprechen, fotokopiert einschließlich möglicher Franke ({6}) Fehler, die sich dort eingeschlichen haben. Aber in der Frage der Rentenniveausicherungsklausel beziehen wir uns auf ,das, was wir hier im September 1972 zum Schutze und zur Verbesserung der Einkommenssituation der Rentner durchgesetzt haben. Nun zu einem anderen Thema. Ich habe hier die Rede des Herrn Bundesfinanzministers. Darin sagt er u. a.: Dazu ein Wort über die Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. 1973 wird ein kleiner Anteil des Bundeszuschusses zinslos gestundet. Um es gleich vorwegzunehmen: Keine Rente - keine einzige! -- so Helmut Schmidt -wird durch diese Regelung um einen einzigen Pfenning geschmälert. Den Versicherungsträgern bleiben allein im Jahre 1973 Überschüsse von voraussichtlich 6 Milliarden DM, die nicht für Rentenzahlungen benötigt, sondern in Vermögenswerten angelegt werden. Bei dieser Finanzsituation der Rentenversicherungsträger ist die zeitliche Streckung eines Teils der Bundeszuschüsse vertretbar. Dann kommt ein Zwischenruf von Katzer - so steht es hier -: „Unglaublich!" Meine Damen und Herren, ich erinnere mich an eine Situation im Jahre 1965 oder 1966. Der Kollege Katzer war damals Bundesarbeitsminister. Ich verrate hier sicherlich kein großes Geheimnis, wenn ich sage, ,daß auch damals die Frage der Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger ein Thema bei den Etatberatungen war. Es war die Absicht, eventuell 1,5 Milliarden DM Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger zu stunden. Herr Kollege Katzer, ich glaube, ich muß und darf einmal sagen: Sie haben damals, glaube ich, sogar mit Ihrem Rücktritt für den Fall gedroht, daß den Rentenversicherungsträgern eine solche Last zugemutet wird. Dabei hatten Sie durchgesetzt, daß ,dieser gestundete Betrag, der nachher 750 Millionen DM ausmachte, den Rentenversicherungsträgern verzinst wird. Jetzt wird den Rentenversicherungsträgern zugemutet, einen Betrag von 2,5 Milliarden DM, und zwar zinslos, bis zum Jahre 1981 zu finanzieren, meine Damen und Herren. ({7}) Was sind die Konsequenzen? Ich sage Ihnen die Konsequenzen, und ich beziehe mich hier unter anderem auch auf das, was ich am 21. März anläßlich Ihres Vortrages, Herr Bundesarbeitsminister, im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gesagt habe. Wenn Sie diese 2,5 Milliarden DM bis zum Jahre 1981 aus dem Zuschußtopf herausnehmen, bedeutet das einen Zinsverlust von 3 Milliarden DM bis 1987, bis 1981 entsprechend weniger. ({8}) Sie können nicht, wie Helmut Schmidt und Sie argumentiert haben, sagen, im Augenblick sei ohnehin eine Liquiditätsschwemme, ohne die langfristigen Annahmen dabei zu berücksichtigen. Die langfristigen Annahmen sind ganz eindeutig, daß Sie ab I einem gewissen Zeitpunkt - ich komme noch darauf, ab wann - entweder die Leistungen in der Rentenversicherung schmälern müssen oder die Beiträge erhöhen müssen. Hier sage ich eindeutig: Mit der Erhöhung auf 18 °/o ist die Leistungsgrenze, bis zu der wir unsere Kollegen, die Arbeiter und Angestellten draußen, zur Sicherung ihres eigenen Alters heranziehen können, erreicht. Wir können die Arbeiter und Angestellten draußen nicht noch einmal mehr belasten, meine Damen und Herren. ({9}) Das aber wäre die Konsequenz, wenn Sie 2,5 Milliarden DM aus diesem Topf herausnehmen. Lassen Sie mich hier den Nachrichtendienst einer Institution zitieren, die nicht zu denen gehört, die unserer Partei bei sozialpolitischen Vorhaben normalerweise besonders freundlich gegenüberstehen, und zwar den Deutschen Gewerkschaftsbund. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sagte am 6. März 1973 zu diesem Ihrem Vorhaben: Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich in seiner Sitzung am Dienstag mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen zinslosen Stundung von Bundesleistungen zur Rentenversicherung befaßt. Er hält den Beschluß des Bundeskabinetts, die Bundesleistungen zur sozialen Rentenversicherung für 1973 in Höhe von 2,5 Milliarden bis 1981 zinslos zu stunden, für nicht vertretbar. Damit würde für die Rentenversicherung bis zum Ablauf des derzeitigen Vorausrechnungszeitraums ein Einnahmeausfall von rund 3 Milliarden DM entstehen. Meine Damen und Herren, hier ist die Bestätigung durch dieses in dieser Frage doch immerhin sachverständige Gremium. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Nölling?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sofort, wenn ich zu Ende zitiert habe; Herr Kollege Nölling, Sie haben Verständnis dafür. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bezieht sich unter anderem noch darauf, daß der prozentuale Anteil des Bundeszuschusses an den gesamten Leistungen in den letzten Jahren ohnehin von 30 auf 15 °/o gesunken ist. Hier sieht man eindeutig die Tendenz einer Schmälerung der sozialen Leistungen bei steigendem sozialem Bedarf. Bitte schön, Herr Kollege Nölling.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, darauf kommen wir nachher noch zurück. ({0}) Aber darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang die Frage stellen, welche Meinung Sie persönlich und Ihre Fraktion hatten, als der DGB Einwände gegen Ihren Vorschlag erhob, bei der flexiblen Altersgrenze einen Doppelbezug von Einkommen und Rente zuzulassen, was doch in einer ganz andeDr. Nölling ren finanziellen Größenordnung zu Buche schlagen würde als diese Stundung von 2,5 Milliarden DM? Damals haben Sie - darf ich Sie daran erinnern? - diese Mahnung des DGB nicht beherzigt. ({1})

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, als hätte ich diese Frage erwartet. Ich habe immer noch das Flugblatt des Bundesarbeitsministeriums, herausgegeben im Oktober 1972, mit dem immerhin - ich darf Ihnen mein Lob aussprechen - sehr fotogenen Bundesarbeitsminister vorne auf dem Bild. ({0}) Es liegt gleich links von mir. Ich wußte, daß das auf mich zukommt. Der Minister ist inzwischen etwas weißer geworden. ({1}) - Nein, in dieser Frage, ob er weiser geworden sei, schließe ich mich diesem Ihrem Zwischenruf nicht an. Für das allgemeine Leben mag das ansonsten gelten. In dieser Frage ist er nicht weiser geworden, sondern ich würde sagen - jetzt verwende ich eine harte Formulierung -: Er ist unsozialer geworden. ({2}) Ich zitiere: Der Deutsche Bundestag hat das Rentenreformgesetz mit 493 Stimmen bei einer Enthaltung - das war eine Kollegin von der FDP verabschiedet. Dieses Rentenreformwerk ist das größte sozialpolitische Gesetzesvorhaben seit der Neuregelung der Rentenversicherung von 1957. Herr Minister, Sie haben sich in dieser Broschüre mit fremden Federn geschmückt; denn das, was wir durchgesetzt haben, haben wir gegen ihren Willen durchgesetzt. ({3}) Aber Sie haben das dann konsumiert als Ihre Leistung und nach draußen verkauft, als wäre das auf Ihrem Beet gewachsen. Nun heißt es zu der Frage, Herr Kollege Nölling, flexible Altersgrenze - ich muß nach rechts und nach links austeilen -: Wer die flexible Altersgrenze vom 62. für die Schweirbeschädigten oder 63. Lebensjahr an in Anspruch nimmt, darf neben dem Rentenbezug weiterarbeiten. Sie preisen das doch hier als eine große auch soziale Leistung; denn sonst wären Sie doch nicht hingegangen und hätten das in Millionenauflage draußen verteilt. Wie kommen Sie jetzt dazu, uns einfach vorzuwerfen, wir hätten eine unsoziale Handlung begangen, obgleich Sie sich am 21. September 1972 an diesen Wagen angehängt haben? Jetzt haben Sie das im Vierten Rentenänderungsgesetz wieder zurückgezogen und haben die Situation der Rentner in der gegenwärtigen Lage, auch im Bereich der flexiblen Altersgrenze, eindeutig verschlechtert. ({4}) - Nach den Wahlen bitte zahlen. Das ist eindeutig die Position. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Nölling?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, mir war klar, daß Sie das ansprechen würden und daß das käme.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben das doch angesprochen, Herr Kollege, nicht ich.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja sicher. Aber meine Frage haben Sie nicht beantwortet: Warum zitieren Sie heute eine Stellungnahme des DGB zur Stundung, die Ihnen in den Kram paßt, während Sie damals die Stellungnahme zur flexiblen Altersgrenze für nicht relevant gehalten haben?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist eine ganz eindeutige Entscheidung. Wenn sich der Bundestag mit der Überzeugung der Mehrheit des Hauses am 20. und 21. September 1972 aus wohlerwogenen sozialpolitischen, arbeitsmarktpolitischen und sonstigen Gründen dafür entschieden hat, eine Weiterarbeit bei denjenigen, die mit 63 Jahren Rente beziehen, zu ermöglichen, dann können Sie doch von mir nicht verlangen, daß ich die Auffassung des DGB, der sich damals aus Gründen, die ich gar nicht untersuchen will, auf Ihr Argumentationsbett gelegt hat sozialpolitisch allerdings völlig entgegengesetzt, nämlich gegen die Interessen der Arbeitnehmer argumentiert hat -, jetzt für richtig halte. In der sozialpolitischen Auseinandersetzung kommt es immer vor, daß in dieser oder jener Frage einmal ein Dissens besteht. ({0}) - Z. B. bei der Vermögensbildung. - Aber hier -ich wiederhole das - sind ja nicht nur der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Christlich-Demokratisehe und Christlich-Soziale Union einer Meinung, sondern ein ganzes Heer von Sachverständigen ist mit uns einer Meinung. Der Sozialbeirat, die Selbstverwaltungsorgane der Rentenversicherungsträger oder die Deutsche Angestelltengewerkschaft protestieren gegen dieses Ihr Vorhaben. Ich darf den Sozialbeirat zitieren - es bleibt Ihnen nicht erspart, nachdem Sie das provoziert haben -, ({1}) Franke ({2}) der zu dem Vorhaben, 2,5 Millionen DM zinslos zu stunden, sagt: Diese allein im Haushaltsgesetz vorgesehene Regelung widerspricht den gesetzlichen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und des Angestelltenversicherungsgesetzes. Legt man eine marktgerechte Verzinsung - ... angenommen sind 8 %, wie sie für die Schatzbriefe, die anstelle eines Teiles des Bundeszuschusses 1972 von der BfA übernommen worden sind ... - zugrunde, so würde der Verlust der Rentenversicherung schon bis zur vorgesehenen Zahlung der Beträge etwas über 2 Mrd. DM betragen. Die Differenz kommt dadurch zustande, daß der Sozialbeirat bis 1981 und der Deutsche Gewerkschaftsbund bis 1987 argumentiert. Es kommt hinzu, daß durch die Festlegung des Rückzahlungstermins die Rentenversicherung nicht in der Lage ist, über die ihr zustehenden Zuschüsse in der Zwischenzeit zu verfügen. Der eingetretene Zinsverlust würde, auf die vorliegenden Vorausberechnungen übertragen, ({3}) zur Folge haben, daß die im Gesetz vorgesehene 3-Monatsdeckung in den Jahren 1984, 1985 und 1986 unterschritten würde. Die Konsequenz daraus ist - ich habe es soeben aufgezeigt -, entweder die Leistungen zu vermindern oder die Beiträge zu erhöhen. Wir warnen davor, diesen Schritt zu gehen. Meine Damen und Herren, hier noch eine Stimme in diesem Konzert. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft hat am 8. März an den Bundeskanzler geschrieben und sich genauso energisch wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, genauso energisch wie die Selbstverwaltungsorgane der Rentenversicherungsträger und genauso energisch wie der Sozialbeirat dagegen verwahrt, daß die Zuschüsse in Höhe von 2,5 Milliarden DM zinslos ausgesetzt werden. Ich muß hier auf eine weitere Möglichkeit, auf eine, wenn Sie so wollen, Situation und Gefahr für Sie hinweisen. In der Sitzung des Bundesrats am 23. März haben sowohl der Sozialminister von Bayern, Herr Pirkl, wie der Sozialminister Geissler von Rheinland-Pfalz darauf hingewiesen, daß der Bundesrat nicht bereit ist, die Verschlechterung des Rentenniveaus zuzulassen und Ihrem Gesetzesvorhaben in der Bundesratsdrucksache 156/73 zuzustimmen. Da dies aber ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist - ich sage das hier vorsorglich -, ist die Gefahr gegeben, daß das Rentenniveaugesetz durch den Bundesrat nicht verabschiedet wird. ({4}) - Ich weiß, Herr Kollege Nölling, was Sie sagen wollen: Wir können das deswegen bei der Beratung technisch aufteilen. Der Bundesrat wird nicht bereit sein, die Verschlechterung der Situation der Rentner hinzunehmen. Und wenn Sie so wollen: Wir setzen hier von seiten der Opposition in diesem Hause und von seiten des Bundesrats zu einer Zangenbewegung an, um die soziale Situation der Rentner durch Sie nicht verschlechtern zu lassen. ({5}) Das ist unsere Verpflichtung, und dieser Verpflichtung werden wir uns nicht entziehen. Ich wiederhole zum Schluß den Zwischenruf, den der Kollege Katzer soeben gemacht hat; man kann das gar nicht deutlich genug sagen: Wir sind jetzt ein halbes Jahr nach dem 19. November 1972. Nicht nur im Bereich der Sozialpolitik, sondern in dem ganzen Bereich der Belastbarkeit unserer Bürger gilt das Wort: Nach der Wahl bitte zahlen! Die Opposition ist der Sachwalter der sozial schwächeren Teile unserer Bevölkerung. Wir werden diese Verpflichtung hier ernst nehmen. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg. Für ihn sind 30 Minuten Redezeit beantragt worden.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage für das 16. Rentenanpassungsgesetz bringt mit einem Anpassungssatz von 11,35 % Rentenerhöhungen, wie sie in der Geschichte der Rentenversicherung noch nie dagewesen sind. ({0}) - Herr Kollege, die Erhöhung macht erheblich mehr aus, sie verbessert die reale Lage der Rentner. ({1}) Diese positive Entwicklung wird sich fortsetzen, denn schon heute wissen wir, daß die nächste Anpassung eine weitere Erhöhung um mindestens 11,2 % bringen wird. ({2}) Nach einem vollen Arbeitsleben ({3}) erreicht der Rentner gegenwärtig rund 75 % des Nettoarbeitsverdienstes eines Versicherten. Das ist das höchste Rentenniveau seit Bestehen der gesetzlichen Rentenversicherung. ({4}) Dennoch versucht die CDU seit Wochen und Monaten - Herr Franke hat das heute fortgesetzt -, die Versicherten und die Rentner systematisch zu verunsichern. Diese CDU-Kampagne gipfelt in der These von der „sozialen Demontage", ({5}) die Herr Katzer kürzlich vertreten hat; und Herr Barzel hat das gestern mit der Behauptung von der sozialen Demontage gegenüber den sozial Schwachen wiederholt. ({6}) Das sind böswillige Unterstellungen, ({7}) die die sozialliberale Koalition auf das entschiedenste zurückweist. ({8}) Gegenüber diesen provokatorischen Bemerkungen ({9}) will ich die Fakten darstellen. Zuerst zu den Bundeszuschüssen, die in der Haushaltsdebatte eine Rolle gespielt haben und auf die auch Herr Franke kurz eingegangen ist. In diesem Jahr soll bei den Bundeszuschüssen für die Rentenversicherung bekanntlich ein Betrag von 2,5 Milliarden zinslos bis 1981 aufgeschoben werden. Entscheidend ist aber, Herr Franke und meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß diese Stundung nicht die geringsten Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge und der Leistungen der Rentenversicherung hat, und zwar aus folgendem Grunde. Wir arbeiten in der Rentenversicherung mit einem Vorausberechnungszeitraum von 15 Jahren. In diesem Zeitraum - das können Sie anhand des Rentenanpassungsberichts der Bundesregierung nachrechnen - hat die Bundesregierung der Rentenversicherung Bundezuschüsse in der enormen Höhe von 438 Milliarden DM zu zahlen. Das entspricht fast dem Vierfachen des gesamten diesjährigen Bundeshaushalts! So groß ist die Verpflichtung, die die Bundesregierung langfristig für die Rentenversicherung übernommen hat. Herr Franke, wenn Sie dem den Zinsverlust von, je nachdem, mit welchem Zinssatz Sie rechnen, 1,5 oder 2 oder 2,5 Milliarden gegenüberstellen, ({10}) - das kommt darauf an, für welchen Zeitraum - so macht das 0,3 oder 0,5 °/o der gesamten Bundeszuschüsse aus. ({11}) Der Zinsverlust ist also, gemessen an der gesamten Höhe der Bundeszuschüsse, ({12}) außerordentlich geringfügig. ({13}) 0,3 oder 0,5 % der Bundeszuschüsse sind eine Lappalie. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Franke!

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schellenberg, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Sozialbeirat sagt, die dreimonatige Unterdeckung in den Jahren 1983/84/85 sei gegeben, und sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß wir diese Unterdeckung nur durch Leistungsverminderung oder durch Erhöhung der Beiträge auffangen können? Sind Sie weiter bereit, mir zuzugeben, Herr Kollege Schellenberg, daß das nur darauf zurückzuführen ist, daß 2,5 Milliarden DM - oder 2 oder 3 Milliarden - Zinsverlust eben eine nochmalige Beitragserhöhung verlangen?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, ich bin nicht bereit, Ihnen das zuzugeben, ({0}) weil wir aus Berechnungen der Bundesregierung wissen - das werden wir im Ausschuß eingehend erörtern -, daß die Mindestreserven für den langfristigen Zeitraum nicht unterschritten werden. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. Vizepräsident von Hassel: Ich darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß amtierende Präsidenten bei einer festgesetzten Redezeit für eine zugelassene Zwischenfrage normalerweise etwa eine Minute Redezeit zugeben. Das spielt insofern eine Rolle, als einige unserer Kollegen Zwischenfragen nicht zulassen, weil sie befürchten, daß die dafür benötigte Zeit von ihrer Redezeit abgehe. Das Wort zu einer Zwischenfrage hat der Herr Kollege Franke.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schellenberg, sind Ihnen die Rechenkünste des Bundesarbeitsministeriums bei der Vorausschätzung der Überschüsse bis 1987 noch im Gedächtnis? Meinen Sie nicht auch, daß wir mehr dem Sozialbeirat als den Rechenkünsten des Bundesarbeitsministeriums glauben sollten?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dazu möchte ich sagen, daß der Sozialbeirat selbst überhaupt keine Berechnungen vornimmt. ({0}) Der Beirat nimmt die Berechnungen der Bundesregierung als Grundlage. Die Unterschiede ergaben sich damals dadurch, daß ein höherer Lohnzuwachs unterstellt werden konnte und daß die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung in den Jahren 1970, 1971 und 1972 günstig war. Daraus entstand der Unterschied in der langfristigen Berechnung. ({1}) Der Sozialbeirat übernimmt also die Zahlen der Bundesregierung und nimmt selbst keine Berechnungen vor. ({2}) Es ist deshalb unwahr, wenn Herr Katzer behauptet - Herr Franke hat das heute unterstrichen -, daß die zinslose Stundung ein schwerer Eingriff in die soziale Altersversicherung sei. Wenn nämlich die Stundung nur den Bruchteil eines Prozentes der Bundeszuschüsse ausmacht, dann ist das eine geringfügige Angelegenheit. ({3}) Herr Kollege Franke, Sie haben von Herrn Katzer in seiner Eigenschaft als ehemaligen Bundesarbeitsminister gesprochen. ({4}) - Aber dazu muß ich eine Bemerkung machen. - Während der Amtszeit des Herrn Kollegen Katzer wurde als Folge der verfehlten CDU/CSU-Politik schwerwiegend in die Rentenversicherung eingegriffen, und zwar durch dauernde Kürzung der Bundeszuschüsse. ({5}) Das wirkte damals besonders hart, weil die Rentenversicherung zur gleichen Zeit Milliarden-Defizite hatte. Sie betrugen im Jahre 1967 2 Milliarden DM, im Jahre 1968 1,5 Milliarden DM. Heute dagegen hat die Rentenversicherung Überschüsse von 6 Milliarden DM. Deshalb läßt es sich jetzt vertreten, die Zahlung eines Teilbetrages der Bundeszuschüsse bis zu einem Zeitpunkt hinauszuschieben, an dem die Rentenversicherung diese Bundesmittel wegen des ungünstigen Altersaufbaus auch tatsächlich benötigt. Im übrigen, Herr Franke, wurden während der Amtszeit des Herrn Kollegen Katzer, und zwar auch als Folge der verfehlten CDU/CSU-Politik, ({6}) die Leistungen der Rentenversicherung verschlechtert. Dagegen werden in diesem Jahr in der Rentenversicherung Leistungsverbesserungen in einem Ausmaß von 7 Milliarden DM wirksam werden. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke ({7}) ?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich lasse jetzt - im Hinblick auf die anderen Kollegen, die noch sprechen wollen - keine Zwischenfragen mehr zu. - Die Rentenpolitik der sozialliberalen Koalition steht also nicht, wie Herr Kollege Katzer und Herr Kollege Barzel - böswillig - behaupten, ({0}) im Zeichen sozialer Demontage, sondern gewaltiger Leistungsverbesserungen. ({1}) Nun zur sogenannten Rentenniveauklausel. Die CDU nimmt die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung der Niveauklausel zum Anlaß von Verleumdungen. Herr Kollege Katzer hat in der Öffentlichkeit erklärt, die Rentner würden abgehängt, ({2}) sie würden mit Rechentricks abgespeist. In diese CDU/CSU-Propaganda paßt es auch, daß die CDU/ CSU und auch Herr Franke leichtfertig mit Zitaten umgehen. Im CDU-Entwurf des Sechzehnten Rentenanpassungsgesetzes, das Wort für Wort vom Regierungsentwurf abgeschrieben ist - nur die Vorschriften über die Änderung der Niveauklausel wurden fortgelassen -, zitiert die CDU/CSU in der Begründung - und Herr Franke hat das wiederholt - den Beirat in einer Weise, als ob dieser eine Änderung der Niveauklausel ablehnte. Das Gegenteil ist der Fall. Der Beirat beurteilt zwar gewisse Rechenmethoden des Regierungsentwurfs „als unwahrscheinlich". Im Ergebnis begrüßt der Beirat aber im Gegensatz zu dem Eindruck, den die CDU erwecken will, die Initiative der Bundesregierung zur Änderung der Niveauklausel nachdrücklich. Wir haben das Gutachten des Beirats angefordert, und wir werden es dem Hause und der Öffentlichkeit zustellen, ({3}) damit man weiß, wie mangelhaft und böswillig die CDU mit Zitaten arbeitet. Politisch geht es bei der Niveauklausel um folgendes: Diese Klausel wurde im vergangenen Herbst auf besonderes Drängen der CDU/CSU das erkenne ich an - mit heißer Nadel in das Rentenreformgesetz eingefügt. Diese Bile hat zu Formulierungen geführt, die bedenkliche Auswirkungen haben. Es war die Pflicht ,der Bundesregierung, dem Parlament unverzüglich Vorschläge zur Beseitigung solcher Fehlformulierungen vorzulegen. Für diese Initiative möchte ich ,der Bundesregierung namens meiner Fraktion ausdrücklich danken. ({4}) Ich möchte dies aus folgenden Gründen tun: Erstens: Der Vorschlag der Bundesregierung will den Mißstand beseitigen, daß mach der gegenwärtigen Fassung dieser Klausel unterschiedliche Grundsätze für die Anpassung der Bestandsrenten und der Zugangsrenten anzuwenden sind. Das ist Wort für Wort auch die Auffassung des Sozialbeirats. Das steht in seinem Gutachten. Zweitens: Der Vorschlag der Bundesregierung will ferner den Mißstand der Klausel beseitigen, daß im Spätsommer jedes Jahres wegen der Rentenanpassung offizielle Feststellungen über die Lohn- und Gehaltsentwicklung bereits des nächsten Jahres zu treffen sind. Das muß dazu führen, daß die Rentenanpassung jedes Jahres in den Meinungsstreit über die zukünftige Lohn- und Gehaltsentwicklung gerät. Das ist eine schlechte Sache für die Tarifpartner und für die Rentner. ({5}) Deshalb liegt es im Interesse der Versicherten und der Rentner, ,daß die Rentenanpassung durch Änderung dieser Klausel von ungewissen Voraussetzungen befreit und auf die sichere Grundlage der tatsächlichen Lohn- und Gehaltsentwicklung gestellt wird. Drittens: Natürlich müssen auch die finanziellen Auswirkungen der Niveauklausel überdacht werden. Im Herbst vergangenen Jahres gingen alle Fraktionen bei der Annahme dieser Niveauklausel davon aus, daß mit der vorgezogenen Rentenanpassung der entscheidende Schritt zur dauernden Verbesserung des Rentenniveaus getan ist. Zur Finanzierung dieser Zielsetzungen haben wir nämlich in die fünfzehnjährige Vorausberechnung der Rentenversicherungeinen zusätzlichen Aufwand von 90 Milliarden DM eingebaut. Das war und ist finanzpolitisch eine große und schwierige Aufgabe. Nicht nur für heute, sondern auch noch für die Zukunft. Viertens: Nunmehr stellt sich aber heraus, daß die Klausel über die jährliche Anpassung hinaus - jetzt von 11,35 % und im nächsten Jahr von 11,2 % - wahrscheinlich noch weitere zusätzliche ... züsätztliche Anpssungen erforderlich machen würde. Das hätte doch zwangsläufig Mehraufwendungen für die Rentenversicherung, aber auch für den Bundeshaushalt zur Folge. Ein solcher, ich unterstreiche: neuer Tatbestand macht im Interesse der langfristigen soliden Finanzierung der Rentenversicherung für alle, die Verantwortung tragen, ein unverzügliches Handeln erforderlich. Von dieser Sachlage muß endlich auch die CDU Kenntnis nehmen, wenn sie ein verantwortungsvoller Partner im sozialpolitischen Geschehen sein will. ({6}) Diese vier erwähnten Gründe machen es erforderlich, die übereilt zustande gekommene Fassung der Niveauklausel unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse zu überprüfen. Diesem Ziel dient der Regierungsentwurf. Wir werden selbstverständlich dabei auch alle Argumente der Opposition sorgfältig prüfen, wie das einer guten Übung der Koalition entspricht. Aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, bei Agitationsanträgen der Opposition werden wir bald zur Tagesordnung übergehen. ({7}) Damals hat der Arbeitsminister pflichtgemäß den Inhalt des Gesetzes dargestellt, wie es vom Bundestag beschlossen wurde. Das mußte der Minister tun, selbstverständlich. - Herr Kollege Franke, ich bitte um Ihre freundliche Aufmerksamkeit, da ich noch auf etwas eingehen will, was sie sagten. Er macht schon wieder Agitation. ({8}) Die Begründung des CDU/CSU-Entwurfs enthält ebenso wie die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eine kaum verhüllte Drohung, die Herr Kollege Franke heute noch ausdrücklich unterstrichen hat. ({9}) Die CDU/CSU fordert im Bundestag und Bundesrat nämlich kategorisch, die Änderungsvorschriften über die Rentenniveauklausel aus dem 16. Rentenanpassungsgesetz herauszunehmen. Andernfalls würde, so kündigen CDU und CSU gleichzeitig im Bundestag und im Bundesrat an, das rechtzeitige Inkrafttreten - ich zitiere Bundesratsbeschluß - der Rentenerhöhung gefährdet sein. ({10}) Solche Versuche, meine Damen und Herren, die Mehrheit des Bundestages unter Druck zu setzen, weist die Koalition auf das entschiedenste zurück. ({11}) Die sozialliberale Koalition wird für zweierlei sorgen: ({12}) erstens das 16. Rentenanpassungsgesetz so rechtzeitig zu verabschieden, daß seine bedeutsamen Leistungsverbesserungen zum 1. Juli dieses Jahres den 10 Millionen Rentnern zugute kommen. Sie wird zweitens die Rentenniveauklausel so gestalten, daß die Versicherten, die Rentner, aber auch die Bundesfinanzen vor Schaden bewahrt bleiben. Auch das ist unsere politische Verpflichtung. ({13}) Nun, Herr Kollege Franke, sind Sie noch kurz auf das 4. Rentenversicherungsänderungsgesetz eingegangen. Dazu möchte ich noch wenige Feststellungen treffen. Sie haben mit Ihren Bemerkungen die krampfhaften Bemühungen der CDU/CSU in den letzten Wochen und Monaten fortgesetzt, nachträglich in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als ob die CDU Vorkämpferin der flexiblen Altersgrenze sei. Das ist, geschichtlich gesehen, völlig falsch. Die von der CDU/CSU mit der Zufallsmehrheit von einer Stimme durchgesetzte Regelung war sinnwidrig. ({14}) - Ich sage Ihnen das ganz klar. Der Inhalt der Regelung war: Arbeitnehmer, die an ihrem bisherigen, durch besonderen Kündigungsschutz ausdrücklich gesicherten Arbeitsplatz verbleiben, erhielten neben ihrem durch Fortfall des Rentenversicherungsbeitrags sogar noch erhöhten Arbeitsverdienst zusätzlich vorgezogenes Altersruhegeld. Das war die Sinnwidrigkeit der Sache. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burger?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Professor Schellenberg, warum wollen Sie den Arbeitern und Angestellten das vorenthalten, was für Beamte doch seit langem Rechtens ist, und wie halten Sie es mit der Chancengleichheit? ({0})

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Burger, das stimmt gar nicht. ({0}) Wir haben durch das Rentenreformgesetz - auf unsere Initiative - eine ausdrückliche Kündigungsschutzklausel für die 63jährigen eingebaut. Der 63jährige kann an seinem gleichen Arbeitsplatz bleiben, der 65jährige Beamte aber muß ihn verlassen. Das ist doch ein fundamentaler Unterschied. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burger?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte sehr!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Professor Schellenberg, halten Sie es nicht für sinnwidrig, daß Rentner vom 65. Lebensjahr an voll verdienen dürfen und daß man ihnen das mit dem 63. Lebensjahr vorenthalten will?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf Ihnen sagen, das ist deshalb nicht sinnwidrig, weil der 65jährige keinen besonderen Kündigungsschutz hat, um an seinem Arbeitsplatz zu bleiben. Diesen Schutz hat aber der 63jährige nach dem Inhalt des Rentenreformgesetzes. Das ist ein grundlegender Unterschied. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Frage des Herrn Abgeordneten Burger.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Professor Schellenberg, kennen Sie nicht die Vorbehalte der Gesundheitspolitiker, daß es schädlich sei, Menschen ganz abrupt aus dem Erwerbsleben in den Pensionsstand gehen zu lassen? ({0})

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kenne aber auch die Bedenken der Gesundheitspolitiker dagegen, die Menschen aus finanziellen Erwägungen zu veranlassen, Doppelarbeit zu leisten und über das 63. Lebensjahr hinaus in der Tretmühle des täglichen Arbeitslebens zu bleiben. Das sind die stärkeren Argumente. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geiger?

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Professor Schellenberg, würden Sie den Herrn Kollegen Burger fragen - Dr. Schellenberg ({0}) : Herr Kollege, ich werde Herrn Kollegen Burger nicht fragen, denn ich muß meine Zeit einhalten. ({1})

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege! Sonst hätte ich Sie gebeten, ihn zu fragen, ob der damalige Bundeskanzler Kiesinger die Altersgrenze zum Schutze der Menschen heraufsetzen wollte. ({0})

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kiesinger ist wegen seines Geburtstags nicht hier. Ich muß in der Tat bestätigen, daß es damals im Zusammenhang mit der Finanzkrise der Rentenversicherung Pläne der Bundesregierung gab, die Altersgrenze heraufzusetzen. ({0}) Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen im Zusammenhang mit der - Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Katzer?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte!

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schellenberg, Herr Kollege Kiesinger kann im Augenblick nicht hier sein. Deshalb muß ich für (ihn Ihre Behauptung zurückweisen, daß es damals Pläne gegeben hat, die Altersgrenze heraufzusetzen. Wahr ist - in den Akten des Arbeitsministeriums können Sie das ganz einfach undschlicht nachlesen -, daß wir Berechnungen für verschiedene Fälle angestellt haben, wie das jede Regierung vorsorglich tun muß, welche Auswirkungen sich ergeben sowohl bei einer Heraufsetzung als auch bei einer Herabsetzung der Altersgrenze.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß dazu folgendes sagen, Herr Kollege Katzer: Durch gütige Vermittlung von Herrn Kiesinger - nicht etwa von Herrn Arendt - bin ich im Besitz des Schreibens von Herrn Kiesinger an Sie als den damaligen Arbeitsminister. Darin stehen alle diese Forderungen. Wenn Sie es wünschen, dann kann ich dieses Schreiben veröffentlichen, wie damals die Pläne der Bundesregierung aussahen: nämlich entweder die Leistungen herabzusetzen oder die Altersgrenze zu erhöhen. Das war der Tatbestand. ({0}) Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen, weil sich seit der Verabschiedung des Vierten Rentenversicherungsänderungsgesetzes im Plenum im Dezember besondere Dinge im Bundesrat abgespielt haben. Vorreiter des CDU/CSU-Kampfes im Bundesrat gegen das Vierte Rentenversicherungsänderungsgesetz, das der langfristigen finanziellen Solidität der Rentenversicherung dient, spielte RheinlandPfalz. Dies, obwohl - und das können Sie aus dem Rentenanpassungsbericht der Bundesregierung entnehmen - die Landesversicherungsanstalt dieses Landes gerade noch über dem gesetzlichen Mindeststand an Rücklagen von zwei Monatsausgaben verfügt. Offenbar will Rheinland-Pfalz ohne Rücksicht auf die Finanzlage der Rentenversicherung und ohne Rücksicht auf die Finanzlage seiner eigenen Landesversicherungsanstalt sich im internen Führungsstreit innerhalb der CDU durch diese Aktivitäten besonders profilieren. ({1}) Wenn eine Landesversicherungsanstalt an der untersten Grenze der Reserven steht und ,der zuständige Minister jeden Antrag, für solidere Finanzen zu sorgen, ablehnt, dann ist das ein merkwürdiges Verfahren. ({2}) Bei ihrem Prestigedenken hat die CDU/CSU den Blick für den Zusammenhang aller Aufgaben der Rentenversicherung verloren. Die Koalition dagegen trägt die Verantwortung für eine solide Rentenpolitik in Gegenwart und Zukunft. Dem entspricht das Vierte Rentenversicherungsänderungsgesetz. In der Rentenversicherung gibt es nämlich ungeachtet der durch die Rentenreform erreichten Fortschritte noch viele Leistungsbereiche, die zu verbessern sind. Es war deshalb gesellschaftspolitisch nicht vertretbar, einem kleinen Kreis von Versicherten auf Kosten der Gesamtheit außergewöhnliche Doppelleistungen zu gewähren, ({3}) andererseits aber aus finanziellen Gründen wichtige Aufgaben der Rentenversicherung auf unabsehbare Zeit ungelöst liegenzulassen. Das war die Politik des Kampfes der CDU gegen das Vierte Rentenversicherungsänderungsgesetz. Lassen Sie mich zum Schluß kommen. In der Rentenpolitik steht die sozialliberale Koalition vor drei Aufgaben. Erstens. Die Beiträge dürfen auf keinen Fall weiter steigen. ({4}) Zweitens. Die Rentner müssen an der wirtschaftlichen Entwicklung auf Grund langfristig gesicherter Finanzen laufend teilnehmen. ({5}) Drittens gilt es schließlich, die Voraussetzungen für eine systematische und sozialgerechte Weiterentwicklung unserer Rentenversicherung zu schaffen. ({6}) Dafür bildet die Regierungsvorlage des Sechzehnten Rentenanpassungsgesetzes eine gute Grundlage. ({7}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, bevor wir in der Aussprache fortfahren, muß der amtierende Präsident gestehen, daß er heute morgen einen gravierenden Fehler gemacht hat. Er hat nämlich zu einem Geburtstag, dem des Herrn Dr. Kiesinger, gratuliert der kein runder ist. Der Ältestenrat hat vor vielen Jahren beschlossen, nur zu runden Geburtstagen, zum 60., 65., 70., und danach zu jedem Geburtstag zu gratulieren. Ich kann diesen Fehler nur dadurch wiedergutmachen, daß ich Herrn Professor Schäfer gratuliere, der heute ebenfalls Geburtstag hat, ({8}) der aber noch nicht einmal den 60., sondern erst den 58. erreicht hat. Da beide Geburtstagskinder aus Tübingen stammen, ist, glaube ich, dieser Fehler relativ gering und verzeihbar. Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({9}). Für ihn hat die Fraktion der FDP eine Redezeit von 20 Minuten beantragt.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen es sehr, daß im Rahmen der ersten Lesung des Haushalts auch die erste Lesung des Sechzehnten Rentenanpassungsgesetzes möglich geworden ist, weil dadurch - darauf hat der Kollege Schellenberg schon hingewiesen - die Möglichkeit besteht, dieses Gesetz rechtzeitig zu beraten und zu verabschieden, damit die Rentner zum 1. Juli in den Genuß der Verbesserungen kommen können. Wir begrüßen vor allem auch, daß es gelungen ist, die Opposition zu überzeugen, das heute zu tun. Es darf wohl von dieser Stelle aus noch einmal gesagt werden, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ,die Sie heute durch den Kollegen Franke bewegende Worte für die Rentner gesprochen haben, diese erste Lesung heute in der verbundenen Debatte eigentlich gar nicht wollten. Sie hätte erst nach der Osterpause stattfinden können, wenn man nicht noch im Ältestenrat zu einer Übereinstimmung gekommen wäre. Aber daß Sie dagegen waren, den Rentnern die Erhöhung rechtzeitig zum 1. Juli zu gewähren, muß doch noch einmal festgestellt werden, nachdem wir von Herrn Kollegen Franke derart bewegende Worte gehört haben. ({0}) - Es stimmt doch zufälligerweise, daß Anfang der Woche, obwohl wir es wollten, noch nicht feststand, ob es möglich sein würde, diese Lesung mit durchzuführen. Erkundigen Sie sich bitte! ({1}) - Es kam ja nur die Haushaltsdebatte in dieser Woche in Frage. Etwas anderes war nicht möglich, das wissen Sie doch, Herr Kollege Burger. Wir hatten schon vor vierzehn Tagen darum gebeten, bereits Schmidt ({2}) in dieser Debatte das Sechzehnte Rentenanpassungsgesetz in erster Lesung mit zu behandeln. ({3}) Sie waren damals nicht dazu bereit. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, erinnern Sie sich an die Diskussion im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, in der wir an Hand unserer Planungen und der Planungen des Bundesrates festgestellt haben, daß wir überhaupt keine Zeit verlören, selbst wenn wir diese Fragen später berieten?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir haben damals - das muß ich Ihnen entgegnen, Herr Kollege Franke - im Ausschuß darauf hingewiesen, daß es uns, weil wir nach der Osterpause ja eine Reihe von Wochen mit wichtigen Debatten vor uns haben, notwendig erscheint, diese Lesung möglichst bereits jetzt durchzuführen. Dies war erst in den letzten Tagen erreichbar. Das muß hier noch einmal festgestellt werden. Daß es hier zu einer verbundenen Debatte mit dem Haushalt kommt, begrüßen wir aber auch deshalb, weil - darauf hat Herr Kollege Schellenberg dankenswerterweise schon hingewiesen - das Sechzehnte Rentenanpassungsgesetz und all die Fragen, die Sie noch angeschnitten haben, Herr Kollege Franke, auch im haushaltspolitischen Zusammenhang, im Zusammenhang mit dem Gesamtpaket gesehen werden müssen. Ich kann die drei Grundsätze, die der Kollege Schellenberg am Ende seiner Ausführungen angeführt hat, für die Freien Demokraten nur unterstreichen. Deshalb haben wir eigentlich wenig Verständnis dafür - ich weiß natürlich, daß die Kollegen des Haushaltsausschusses zur Zeit tagen und nicht hier sein können -, daß diese verbundene Debatte gestern abend, ungefähr um 18 Uhr, einen Bruch bekam. Bis 18 Uhr haben Sie von der Opposition dem Finanzminister, der Bundesregierung laufend vorgeworfen, der Haushalt sei noch zu ausgedehnt, es müsse noch viel mehr gespart werden und dergleichen mehr. Ab 18 Uhr waren Ihre Haushaltspolitiker anscheinend müde. Da kam dann nämlich die andere Runde. Es wurde dann erst einmal über die sicher notwendigen Besoldungserhöhungen gesprochen. Es wurde darüber gesprochen, daß für die Verteidigung zuwenig ausgegeben wird. Heute - wir haben ja eine verbundene Debatte; wir werden nicht nur über das Sechzehnte Rentenanpassungsgesetz, sondern auch noch über die Kriegsopferversorgung sprechen - heißt es nun plötzlich: Da muß noch etwas gegeben werden; dort müssen noch Mittel zur Verfügung gestellt werden; hier hat diese Bundesregierung zuwenig getan; dort sind die Haushaltsansätze zu niedrig. - Gestern haben Sie das Gegenteil gesagt. Meine Damen und Herren, wo bleibt denn eigentlich die Glaubwürdigkeit dieser Opposition, die vorgibt, um Stabilität zu ringen, wenn sie sich in der Debatte hier so verhält? ({0}) - Wo bleibt denn diese Glaubwürdigkeit, Herr Kollege Windelen? ({1}) Sagen Sie mir das einmal! Wo bleibt denn die Glaubwürdigkeit, wenn über den Bundesrat das liegt ja bereits auf dem Tisch - eine weitere Anpassung jetzt erneut vorgezogen werden soll? Das Land Baden-Württemberg schlägt ja schon wieder die Vorziehung der Anpassungen der Lastenausgleichsrenten zum 1. Juli vor, natürlich auch in jener sogenannten Zangenbewegung, von der der Kollege Franke gesprochen hat. Immerhin handelt es sich - ich will die Größenordnung einmal nennen - zunächst um 65 Millionen DM für den Ausgleichsfonds, am Ende der Laufzeit aber um 800 Millionen DM, die auf Grund der Defizithaftung aus Steuermitteln aufgebracht werden müssen und eines Tages auf die Bundesregierung, auf den Haushalt zukommen. Das wissen auch Sie sehr genau. Trotzdem legen Sie Tag für Tag solche Anträge vor und reden draußen immer von Stabilität. Meine Damen und Herren, wenn Sie glaubwürdig sein wollen, müssen Sie hier etwas genauer und sorgfältiger argumentieren. Sie können es sich dann nicht so einfach machen, wie Sie es heute tun. ({2}) Nun aber zurück zum Sechzehnten Rentenanpassungsgesetz und vor allem zu den Dingen, die der Kollege Franke gesagt hat. Herr Kollege Franke, Sie haben sich hier als Sachwalter der sozial Schwachen ausgegeben. Sie haben erklärt: Wir allein sind diejenigen, die die sozial Schwachen hier im Lande schützen, die für sie sorgen. ({3}) - Können Sie sich noch an die Debatte im September letzten Jahres erinnern, als Sie mit Ihrer seinerzeitigen „schillernden" Mehrheit das vernünftige Reformkonzept der Bundesregierung durcheinandergebracht haben? ({4}) - Darauf komme ich gleich, Herr Kollege Katzer. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, daß ich in Schmidt ({5}) der zweiten Lesung all das an Problemen aufgezeigt habe, was auf uns zugekommen ist. ({6}) - Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Ich komme auf die Zustimmung schon zu sprechen, Herr Kollege Katzer. Ich drücke mich darum gar nicht. ({7}) Darauf muß ich Ihnen, Herr Kollege Pieroth, allerdings gleich antworten. Wenn Sie mich in meinen Wahlversammlungen verfolgt hätten, hätten Sie von mir in jeder Versammlung hören können, daß die Frage des Zuverdienstes, wenn wir nach dem 19. November eine gute Mehrheit für die sozialliberale Koalition hätten, sofort neu aufgegriffen werden müsse. ({8}) Bereits am 21. November haben Herr Kollege Schellenberg und ich in einem ersten Gespräch festgestellt, daß hier eine Änderung erfolgen müsse. ({9}) - Entschuldigen Sie, zum Zeitpunkt der Wahl galt ein Gesetz, das wir hier - jetzt komme ich auf Ihre Frage, Herr Kollege Katzer - gemeinsam beschlossen haben ({10}) - entschuldigen Sie, Herr Kollege Katzer -, und dieses Gesetz enthielt ja etwas mehr an Substanz als nur ausgerechnet die Regelung über die Zuverdienstfrage, in der wir anderer Meinung waren; wir kamen ja in anderen Fragen - das haben wir auch im Ausschuß feststellen können - zu vernünftigen Lösungen. Es war doch nicht eine Zustimmung zum Zuverdienst Ihrer Vorstellung, sondern eine Zustimmung zu dem Reformpaket der Bundesregierung, in das Sie leider Gottes einige unangenehme Dinge hineingebracht haben ({11}) und aus dem Sie bedauerlicherweise - auch das darf hier vielleicht noch einmal gesagt werden eine so bedeutsame familienpolitische Maßnahme wie das Baby-Jahr wieder herausgeboxt haben. ({12}) Wir werden - ich habe das hier schon im Dezember gesagt und sage es Ihnen gern noch einmal -, wenn wir die gesunde finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung auf Grund der Beschlüsse übersehen können, an die Frage des Baby-Jahres erneut herangehen. Im Augenblick wäre es nicht zu verantworten. ({13}) - Entschuldigen Sie, es war natürlich zu verantworten ({14}) unter der Voraussetzung unserer Vorstellung über die Zuverdienstfrage; denn das, was Sie hereingebracht haben, hätte für die Laufzeit Mehrkosten von etwa 18 bis 27 Milliarden DM verursacht, und das Baby-Jahr kostete 15 bis 16 Milliarden DM. ({15}) - Oder 18 Milliarden DM. Ich will mich jetzt nicht um 2 Milliarden DM genau festlegen. Jedenfalls war es weniger, als der volle Zuverdienst kosten würde. ({16}) - Herr Kollege Müller, wir wollen hier nicht die Ausschußberatungen nachvollziehen. Aber Sie wissen sehr genau, daß wir im Ausschuß immer dieser Meinung waren: bis 65 keine Zuschläge. ({17}) Wir haben dann einen Kompromißvorschlag gemacht, Herr Kollege Müller, als wir sahen, daß es sonst keine andere Möglichkeit gab. Das habe ich schon bei der ersten Lesung dieser Novelle gesagt. Ich muß hier also anscheinend ein bißchen das Gedächtnis auffrischen. Ich habe gesagt, daß wir nur für Zuschläge bei einer Weiterarbeit nach dem 65. bis zum 67. Lebensjahr sind. Um das Gesetz in einer einigermaßen vertretbaren Form gemeinsam verabschieden zu können, waren wir zu Kompromissen bereit und haben Kompromißvorschläge gemacht. Das muß auch einmal gesagt werden: Wir wären auch bereit gewesen, in der Zuverdienstfrage einen Kompromiß einzugehen, wenn Sie überhaupt bereit gewesen wären, in dieser Frage mit sich reden zu lassen. Ich denke dabei an Ihre Kollegen im Ausschuß, Herr Katzer; ich will sie nicht mit Namen nennen, manche sind auch nicht mehr im Bundestag. Wir wären zu einem Kompromiß in der Zuverdienstfrage damals bereit gewesen. Damals kamen Sie und sagten: Nein, am 19. haben wir Wahltag, da gibt es keinen Kompromiß; hier wird mit harten Bandagen gekämpft! - Okay! ({18}) Wir haben mit harten Bandagen gekämpft, und Sie haben am 19. trotz Ihrer mit „schillernder" Mehrheit ({19}) angeblich von Ihnen gemachten Rentenreform verloren. Auch das sollten Sie einmal sehen. ({20}) Nun ganz kurz etwas weiteres, meine Damen und Herren, vielleicht auch für diejenigen, die die Dinge nicht ganz so übersehen haben, und zwar zu der Zuverdienstfrage generell. Die Gründe, weshalb wir für eine Begrenzung des Zuverdienstes auf 30 % sind, hat Herr Kollege Katzer noch einmal dargelegt. Schmidt ({21}) Ich möchte dazu einmal eine Zahl nennen, die für manchen, der in diesen Dingen nicht so bewandert ist, aufschlußreicher ist. Die jetzige Rente wird zum 1. Juli mit Aufbesserung beim Nettoniveauvergleich mit dem letzten Nettodurchschnittsverdienst 61% betragen. Wenn Sie zu diesen 61 % die 690 DM bzw. ab 1. Juli nächsten Jahres etwa 750 DM Zuverdienst hinzurechnen, kommen Sie bei den Durchschnittsrentnern - nicht bei den Spitzenrentnern; da haben wir ja die 75-Tage-Klausel - mit diesen 30 % in etwa auf den letzten Nettoverdienst. Herr Kollege Burger, das war eine sehr merkwürdige Zwischenfrage vorhin, als Sie sagten „abrupter Abgang". Genau das wollen wir nicht. Aber Sie führen den abrupten Abgang herbei, indem Sie sagen: Der arbeitet und verdient weiter voll und kriegt Rente, und mit 65 muß er dann ganz heraus. Das ist doch der abrupte Abgang. ({22}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Franz Xaver Geisenhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000653, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen denn nicht bekannt, daß es in den strukturschwachen Gebieten - Bayerischer Wald, Oldenburg -, aber auch in den Ballungsräumen nicht genügend Teilzeitarbeitsplätze gibt, so daß der Kleinverdiener und kommende Kleinrentner nichts hinzuverdienen kann, weil er einen Teilzeitarbeitsplatz mit 690 DM einfach nicht erhalten kann? Er muß weiterarbeiten und muß noch die Rente der Großverdiener und Großrentner mitfinanzieren.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Geisenhofer, Sie wissen aus den Ausschußberatungen sehr genau, daß die Frage genügender Teilzeitarbeitsplätze natürlich erst jetzt durch die flexible Altersgrenze gestellt wird. Auch die Wirtschaft muß sich erst darauf einstellen, daß diese Möglichkeiten anders sind als früher. Das ist ganz klar. Aber Sie wissen auch, Herr Kollege Geisenhofer, daß Sie auch mit der Möglichkeit des vollen Zuverdienstes diesen Mann nicht decken; der wird dann in. den Gebieten mit dieser Struktur möglicherweise trotzdem mit 63 entlassen. Mit dem vollen Zuverdienst hätten wir ihn mit Sicherheit nicht besser abgesichert. ({0}) Zum dritten hätten Sie mit Ihren Vorstellungen, Herr Kollege Geisenhofer, doch gerade den sozial schwachen Rentnern, die nicht die 35 Jahre haben, es auferlegt, für die kleine Gruppe, die in der Lage ist, auf Grund ihrer 35 Jahre und der Erfüllung der Bedingungen von der flexiblen Altersgrenze Gebrauch zu machen, die Möglichkeit zu schaffen, zwischen 63 und 65 zu Lasten der Solidargemeinschaft so viel zu verdienen, wie sie vorher in ihrem Leben nie verdient haben. Das wollten Sie. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burger?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß bei den von Ihnen vorgesehenen Regelungen das Recht auf Weiterarbeit praktisch nur auf dem Papier steht, und sind Sie nicht der Meinung, ,daß die Kontrolle der weiterarbeitenden Arbeitnehmer, die Meldepflicht, die Überwachung und das ganze Hin und Her, würdelos und außerdem bürokratische Aufwendungen erfordert?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zunächst einmal bin ich ,der Meinung - das habe eich eben schon einmal gesagt; ich kann das nur wiederholen -, daß natürlich erst die Frage der Teilzeitarbeitsplätze gelöst werden muß, weil das Problem neu dasteht. Zum zweiten bin ich der Meinung, daß wir unseren Rentnern, die von ,der flexiblen Altersgrenze Gebrauch machen, eigentlich mehr Ehrlichkeit zutrauen sollten, als daß man sie laufend überwachen müßte. ({0}) Wenn Sie also glauben, daß die nun alle versuchen, an den Dingen vorbeizugehen, ist das vielleicht die Auffassung der Opposition. Ich bin der Meinung, wenn die einmal gefragt werden und sagen: Soviel verdiene ich und soviel darf ich verdienen, dann ist das in Ordnung; dann brauchen sie nicht lange überwacht zu werden. ({1})

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, kennen Sie die Praxis der Versorgungsämter bei der Ausgleichsrente? Kennen Sie die Fragebogen?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Natürlich kenne ich die. Aber ich habe Ihnen eben gesagt, daß ich nicht der Meinung bin, daß diese Überwachung so notwendig ist, und daß man das nach meiner Meinung mit einer einzigen Befragung machen kann. Meine Zeit geht infolge der Zwischenfragen etwas schneller vorbei. Aber das macht nichts. Noch einige Worte zur Frage der zinslosen Stundung; zunächst einmal zur Stundungspraxis überhaupt. Ich glaube, keine Fraktion in diesem Hause, schon gar nicht die Opposition, sollte die Frage der Stundung überhaupt ansprechen. Denn die Stundungspraxis ist entstanden, als die jetzige Opposition das Arbeitsministerium hatte. Damals hat man mit der Stundung, über die man nachdenken kann, im Rahmen von Haushaltsüberlegungen angefangen; Herr Kollege Katzer, das wissen Sie. Man sollte also von der Stundung gar nicht so viel Aufhebens machen. Besser wäre sicher eine andere Lösung. Das Problem - dem stimme ich seitens der Freien Demokraten zu - ist die zinslose Stundung. Das ist etwas, was keinem von uns so unbedingt gefällt. Der Kollege Schellenberg hat auf die GröSchmidt ({0}) ßenordnungen im Zusammenhang mit dem Gesamthaushalt hingewiesen. Ich kann mich auf diese Zahlen berufen, brauche sie nicht noch einmal zu wiederholen. Aber ich möchte hier feststellen, daß das eine Praxis ist, die keine Dauerpraxis werden soll, sondern für das Jahr 1973 gilt. ({1}) Ich möchte für die Freien Demokraten und für die Koalition die Frage aufwerfen, ob wir im Rahmen der Beratungen, wenn wir feststellen, daß die Isteinnahmen des Haushaltes anders aussehen, als wir das jetzt wissen, nicht zumindest die Frage der Zinsen noch einmal überlegen können. Es ist eine Frage der weiteren Überlegungen in der Beratung des Haushaltes, ob wir die Zinsen nicht doch noch einsetzen können und damit nur zur Stundung kommen, die ja eine Praxis ist, die wir auch schon in der Vergangenheit geübt haben. Ob sie immer schön ist, will ich nicht gerade sagen. ({2}) Ein Letztes zur Niveausicherung. Ich will mich sehr kurz fassen. Herr Kollege Schellenberg hat unsere gemeinsame Auffassung in dieser Frage, die wir bereits mehrmals geäußert haben, vorgetragen. Wir Freien Demokraten halten jedenfalls die von der Bundesregierung im Sechzehnten Rentenanpassungsgesetz vorgeschlagene Niveausicherung für die bessere, weil sie solider ist, weil sie auf zuverlässigen Zahlen und nicht auf Vorausschätzungen beruht und weil damit genau eine Niveausicherung erreicht wird - damit komme ich noch einmal auf das, was ich vorhin sagte: auf den Nettovergleich -, die bruttomäßig vielleicht dem entspricht, was Sie meinen, aber nettomäßig realistisch ist. Denn für den Rentner kommt es doch auf den Nettovergleich an. Wir haben zwar die bruttolohnbezogene Rente. Für ihn kommt es aber in Mark und Pfennig darauf an: was habe ich jetzt an Rente gegenüber dem, was ich vorher nach Abzug der Steuern und Sozialversicherung hatte. ({3}) Das muß man doch vergleichen, nicht immer mit dem Bruttoeinkommen, von dem ihm 30, 35 % an Steuern und Versicherung abgezogen wird. Da müssen Sie die Vergleiche ansetzen. Dann sehen die Zahlen nämlich anders aus. Hierfür ist die Niveauklausel, wie sie die Bundesregierung vorschlägt, die bessere. Die Freien Demokraten werden sich bemühen, die Beratungen über diesen Gesetzentwurf mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages so zügig wie möglich voranzutreiben. Wir hoffen, daß wir bald das Sechzehnte Rentenanpassungsgesetz verabschieden können, damit die Rentner am 1. Juli 1973 in den Genuß dieser Verbesserung kommen. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Minister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Arendt.

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Franke, man muß Ihnen und Ihren Kollegen von der CDU/CSU eines lassen. Sie sind beständig, seitdem Sie in der Opposition sind; aber nur beständig, soweit die Schilderung von düsteren Kolossalgemälden in Frage kommt. ({0}) Ich kann mich erinnern: Als wir 1970 den von Ihnen eingeführten Rentnerkrankenkassenbeitrag abschafften, haben Sie gesagt: Jetzt ist die Sicherheit der Rentenzahlung in Gefahr. ({1}) - Sie. ({2}) - Natürlich, so haben Sie das gesagt. - Sie haben versucht, den Rentnern zu suggerieren, als wäre die Sicherheit der Rentenzahlungen nicht gegeben. So haben Sie das 1971 gemacht, und 1972 haben Sie ja sogar uns zu übertreffen versucht, wenn ich an die Auseinandersetzungen um die von der Bundesregierung eingebrachte Reform der Rentenversicherung denke. ({3}) Jetzt machen Sie so weiter. Das hat sich ja auch bei den Debatten über den Haushalt 1972 gezeigt. Da ist das Land nicht in Ordnung, da steht die Pleite kurz bevor.. Sie sagen jetzt: Die soziale Demontage tritt ein. Das sagen nicht nur Sie, das sagt nicht nur Herr Barzel, das sagt nicht nur der oberste Planungschef, Herr Katzer, sondern ,das sagt in Bayern Herr Pirkl vor dem Bayerischen Landtag. ({4}) Genau das Gegenteil ist richtig; denn sonst hätten Sie am Abend des 19. November 1972 nicht erleben müssen, daß sich die Mehrheit - insbesondere die Mehrheit der Arbeitnehmer - für die Fortsetzung dieser sozialliberalen Politik und insbesondere der sozialliberalen Sozial- und Gesellschaftspolitik entschieden hat. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke ({6}), Herr Bundesminister?

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Bitte schön.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Arendt, glauben Sie nicht auch, daß die Wähler heute anders votieren würden, ({0}) nachdem sie nun weissen, daß Sie die Wahlgeschenke anschließend wieder einsammeln? ({1})

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Franke, wenn Sie mich fragen, was ich glaube, dann sage ich Ihnen einmal, was ich glaube: Wenn morgen Wahlen wären, würden wir eine noch größere Mehrheit bekommen, weil die Arbeitnehmer jetzt begriffen haben, daß wir das, was Sie mit einer Stimme Mehrheit gemacht haben, auf das vernünftige Maß zurückgeführt haben. ({0}) - Ich bin sehr gut informiert, weil ich noch in die Betriebe gehe. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke ({1})?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Glauben Sie, Herr Kollege Arendt, diese Ihre Auffassung aus dem Wahlergebnis von Bielefeld herleiten zu müssen? ({0})

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Ich leite diese Auffassung in erster Linie aus dem Wahlergebnis von Herne/Castrop-Rauxel ab, Herr Franke; und da kandidiere ich. ({0}) Meine Damen und Herren, wenn Sie mich fragen, warum dieses Wahlergebnis so ist: Die Menschen in unserem Lande haben gespürt, daß die Zeit einer konzeptionslosen, die wirklichen sozialen Probleme ausklammernden Sozialpolitik seit 1969 vorbei ist. Ein Blick auf die sozialpolitischen Leistungen der vergangenen Legislaturperiode bestätigt doch auch für diesen Bereich die Reformkraft der Bundesregierung und der Koalition. Betriebsverfassungsgesetz, Krankenversicherungsreform, Ausbau der Unfallversicherung, Verbesserung und Dynamisierung der Kriegsopferleistungen, das 624-DM-Gesetz, die Rentenreform, das alles sind doch wichtige Beispiele dafür, daß die Menschen in unserem Lande die Situation am Arbeitsplatz demokratischer erleben und daß die soziale Sicherung leistungsfähiger und umfassender geworden ist. Ich habe bereits in der Debatte zur Regierungserklärung und auch vor dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung dargelegt, wo ich die Schwerpunkte unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode sehe. Ich habe gesagt, wir werden uns nachdrücklich um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsbeziehungen bemühen. Das Verhältnis am Arbeitsplatz, die Chancen zur persönlichen Entfaltung in der Arbeitswelt bestimmen für Millionen Menschen und Familien ganz erheblich die Qualität ihres Lebens. Wir halten die Forderungen der Arbeitnehmer nach Mitbestimmung, nach Vermögensbildung, nach menschenwürdiger Arbeitsumwelt und nach umfassendem sozialem Schutz für berechtigt. Es geht in dieser Legislaturperiode darum, diese Ansprüche der arbeitenden Menschen in soziale Wirklichkeit umzusetzen. Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir uns ein großes soziales Programm vorgenommen haben. Dazu verpflichtet uns die Zustimmung - ich wiederhole es - der Menschen in unserem Lande, die zu unserer bisherigen Politik am 19. November ein eindeutiges Ja gesagt haben. ({1}) Ich sage Ihnen: Wir werden diese Menschen nicht enttäuschen, sondern die 1969 eingeleitete Politik des sozialen Fortschrittes konsequent fortsetzen und zielstrebig unsere Wegmarken erreichen. Die Bundesregierung hat eben aus diesem Grunde dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegt. Dieses Sechzehnte Rentenanpassungsgesetz, meine Damen und Herren, hat Reformcharakter. Denn worum geht es in diesem Gesetz? Erstens sollen die über 10 Millionen Bestandsrenten vom 1. Juli dieses Jahres an um 11,35 °/o erhöht werden. ({2}) Das ist der höchste Anpassungssatz seit der Einführung der dynamischen Rente. Er beruht auf den kräftigen Lohnsteigerungsraten von 1969 bis 1971. Die Situation der Rentner ist unter dieser Regierung erheblich besser geworden. Zusammen mit der bisherigen Rentenanpassung ist das Einkommen der Rentner seit 1969 um mehr als 52 % gestiegen. Und auch in den nächsten Jahren wird es bei den Renten deutliche Erhöhungen geben, 1974 voraussichtlich um 11,2 %, 1975 jedenfalls um über 10 %. Diese Zahlen beweisen zweierlei. Zum einen sind jetzt auch bei den Renten die Folgen der Rezession von 1966/67 endgültig überwunden. Zum anderen hat sich das System der Rentenanpassungen wiederum bewährt. Die Rentner haben einen gerechten Anteil am allgemeinen Einkommenszuwachs. Das muß auch so bleiben, und wir lehnen jede Manipulation mit den Anpassungssätzen ab. Deshalb haben wir uns auch gegen die Vorschläge jener gewandt, die wegen der konjunkturellen Lage in diesem Jahr eine geringere Erhöhung der Renten wollten. In diesem Zusammenhang muß ein Wort zu den Finanzen gesagt werden. Durch die sechzehnte Rentenanpassung ergeben sich vom 1. Juli 1973 bis zum 30. Juni 1974 insgesamt Mehraufwendungen von nahezu 7 Milliarden DM. Davon gehen 552 Millionen für die knappschaftliche Rentenversicherung zu Lasten des Bundes. Diese Mehraufwendungen einschließlich der Belastungen durch das Rentenreformgesetz wirken sich auf die Versicherungsbeiträge nicht aus. ({3}) Auch die von der Bundesregierung vorgesehene Streckung eines Teilbetrages von 2,5 Milliarden DM der Bundeszuschüsse - ich sage Streckung und nicht Kürzung, meine Damen und Herren - wird die Finanzierung der Renten in keiner Weise gefährden. Den Rentnern in Deutschland wird dadurch nichts vorenthalten. Die Beitragszahler werden nicht zusätzlich zur Kasse gebeten. Sie wissen selbst, das war nicht immer so. In die Entwicklung nach diesem Gesetzentwurf sollen auch die Bestandsrenten und das Pflegegeld aus der Unfallversicherung und zwar mit einer Erhöhung um 9,1 % vom 1. Januar 1974 an - eintreten. Diese Erhöhung kostet 1974 272 Millionen DM; davon gehen 15 Millionen zu Lasten des Bundes. Meine Damen und Herren, wir wollen weiter die Rentenanpassung automatisieren. Wir wollen, daß die Anpassungen in der Renten- und in der Unfallversicherung der Entwicklung der Löhne und Gehälter künftig automatisch folgen. Die Vorteile liegen, glaube ich, auf der Hand. Die Rentner können sich mehr noch als bisher darauf verlassen, daß sie am Einkommenszuwachs der Erwerbstätigen voll teilnehmen. Ihre Stellung im Einkommensgefüge wird gestärkt. Die jährlichen Anpassungen werden voll vorausberechenbar. Der einzelne Rentner oder z. B. auch der freiwillig Versicherte - kann die zu erwartenden Rentenerhöhungen seiner individuellen Disposition zugrunde legen. Außerdem wird die Automatisierung die Verwaltungsarbeiten erheblich vereinfachen. Mit dem Sechzehnten Rentenanpassungsgesetz soll auch die Rentenniveausicherungsklausel praktikabel gestaltet werden. Die Klausel führt in der heutigen Form zu einem Rentenwirrwarr. Sie ist - das ist ein Haupteinwand - unpraktikabel, weil sie sich an einem lediglich vorausgeschätzten Maßstab orientiert. Maßstab ist die voraussichtliche Höhe des Durchschnittsentgelts aller Versicherten im jeweiligen Anpassungsjahr. Wie hoch dieses Durchschnittsentgelt tatsächlich sein wird, kann niemand voraussagen. Jahr für Jahr, meine Damen und Herren, würde also ein politischer Streit darüber entbrennen, welcher Lohnanstieg geschätzt werden soll. Wir glauben auch, daß durch diese Vorausschätzungen die Tarifgestaltungsfähigkeit der autonomen Gruppen in unzulässiger Weise beeinflußt wird. Die geltende Klausel bringt niemandem Vorteile; sie bringt nur Nachteile. Wir wollen als Maßstab für die Rentenniveausicherungsklausel die Höhe des Durchschnittsentgelts aller Versicherten im vorausgegangenen Jahr einführen. Damit haben wir einen verläßlichen Maßstab. Unsere Konzeption, Herr Franke, wird auch vom Sozialbeirat für die Rentenversicherung voll unterstützt. Da Sie aus diesem Gutachten zitiert haben, erlaube ich mir - mit Zustimmung des Präsidenten -, auch ein Zitat aus dem Gutachten des Sozialbeirates vorzutragen. Es heißt da: Der Gesetzentwurf enthält ferner eine veränderte Regelung der Rentenniveausicherungsklausel. Der Beirat begrüßt es, daß damit der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, den Inhalt der Rentenniveausicherungsklausel so zu bestimmen, daß sie sowohl statistisch wie auch im Hinblick auf die daraus zu folgernden Maßnahmen praktikabel ist. Soweit die Stellungnahme des Sozialbeirats. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Bitte schön!

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Arendt, Sie haben da ein paar Sätze ausgelassen. Aber geben Sie zu, daß dann der von mir zitierte Absatz kommt, der sich kritisch mit Ihrem Rentenniveausicherungsgesetz auseinandersetzt? ({0}) Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Franke, ich könnte Ihnen auch noch ein paar andere Zitate bringen. Doch wir werden den Ausschußmitgliedern diese Stellungnahme des Sozialbeirats zur Verfügung stellen. Dann werden Sie Gelegenheit haben, diesen Text von vorn bis hinten durchzulesen. Meine Damen und Herren, weder ist es verständlich - Herr Kollege Katzer, jetzt muß ich mich an Sie persönlich wenden - noch ist es eine gute Sache, daß Sie diese Vorlage des Gesetzentwurfes zum Anlaß nehmen, in der Öffentlichkeit der Bundesregierung eine Politik der sozialen Demontage vorzuwerfen. Ich muß diese Behauptung auf das entschiedenste zurückweisen. ({1}) Ich glaube auch, daß Sie, wenn Sie jetzt als oberster Planungschef dafür sorgen wo doch alle von der sozialen Demontage sprechen -, daß von Bayern bis Schleswig-Holstein eine einheitliche Sprachregelung eintritt, es noch erleben werden, daß Ihnen das am Ende am meisten schadet. Denn die Menschen in unserem Lande werden erkennen und haben erkannt, daß dies nicht der Fall ist. Dafür ist dieser Leistungskatalog der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen vielzu offenkundig, als daß er durch solche Giftigkeiten beeinflußt werden könnte. ({2}) In den Jahren der sozialliberalen Bundesregierung ist die soziale Sicherheit ausgebaut worden. Das brauche hier im einzelnen gar nicht aufzuführen. Ich erinnere nur an die letzte große sozialpolitische Maßnahme, an die Rentenreform, vor Ablauf der 6. Legislaturperiode. Hätten Sie damals nicht Ihre zufällig zustande gekommene Mehrheit dazu benutzt, ({3}) das ausgewogene Regierungsprogramm zu verzerren, dann hätten wir, meine Damen und Herren, diese äußerst bedenklichen Regelungen jetzt nicht korrigieren müssen. ({4}) - Ja, zum Teil in einigen Bereichen; das gebe ich Ihnen zu. Ich will das jetzt nicht vertiefen. Aber Sie müssen dann auch sehen, wie lange die neu eingehenden Rentenanträge liegenbleiben und darauf warten, bearbeitet zu werden. Das alles - aber darum geht es mir im Augenblick gar nicht so sehr muß man im Zusammenhang sehen. ({5}) Erlauben Sie mir - wir haben es ja jetzt korrigiert noch einen letzten Satz zu sagen: der Doppelbezug von vollem Einkommen und der Rente, ohne Sozialversicherungsbeträge leisten zu müssen, hat den Gedanken der flexiblen Altersgrenze in sein Gegenteil verkehrt. Hier lautete die Alternative nicht mehr: Rente oder Weiterarbeit, sondern durch Ihre veränderte Fassung der Regierungsvorlage -: ein Einkommen oder zwei Einkommen. Ich sage Ihnen ganz offen: ein Versicherter, der die Chance bekommt, zwei Einkommen zu beziehen, müßte - erlauben Sie mir dieses harte Wort Tinte gesoffen haben, wenn er diese Chance nicht wahrnähme. ({6}) Deshalb freue ich mich, daß wir das korrigiert haben. Gehen Sie ins Land, gehen Sie in die Betriebe! Dann werden Sie feststellen, daß diese Korrektur durch die Koalitionsfraktionen die Zustimmung der Arbeitnehmer und der Versicherten in breitem Umfange findet. ({7}) Wir werden dafür sorgen - ich komme jetzt zum Ende -, daß diese Politik auch in der 7. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages fortgesetzt wird. ({8}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst eine kurze Bemerkung zu dem machen, was Herr Kollege Arendt gesagt hat. Er bescheinigte den Oppositionsparteien insbesondere im Blick auf die Rentenpolitik eine sehr große Beständigkeit. Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Wir können unsererseits diese Prädikat Beständigkeit der Regierung nicht geben, sondern müssen leider bei dem bleiben, was wir auch in der Öffentlichkeit gesagt haben: Hier und heute - da können Sie so viel reden, wie Sie wollen - erleben wir eine Rücknahme von Zusagen, die wir vor den Wahlen gemeinsam verabschiedet haben und die Sie jetzt einseitig zu Lasten der Rentner und Versicherten zurücknehmen. ({0}) Das werde ich im einzelnen begründen. Ehe ich das tue, möchte ich aber noch eine Berner-kung machen, Herr Kollege Arendt. Sie meinten, 1969 sei die große sozialpolitische Diskussion gekommen, und Sie genieren sich auch gar nicht, Dinge anzuführen, ,die überhaupt nicht passiert sind. Wenn ich an die Vermögensbildungspolitik denke und mir dazu die Zitate ansehe, die Sie gebracht haben: wann Sie die große Lösung vorlegen, wann das kommt und wann das nun wirklich ist, so muß ich sagen: alles dies ist doch gar nicht geschehen. Das wissen Sie doch genauso wie wir. Man kann auch noch dagegenhalten, was Ihr verehrter Freund Rosenthal dazu sagt, der sich doch von Berufs wegen im Wirtschaftsministerium mehr als ein Jahr mit diesen Fragen befaßt hat. Am 2. März stand in der „Frankfurter Rundschau", Philip Rosenthal habe die Bedeutung der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wie folgt unterstrichen: „Der Arbeiter kommt doch allmählich dem - ich sage es - Nominallohnbetrug auf die Schliche." ({1}) - Das sollten Sie sich wirklich anhören, denn es scheint mir sehr bemerkenswert zu sein, das aus dem Munde des Mannes zu hören, der lange Zeit in jenem Hause für Vermögenspolitik verantwortlich gewesen ist. ({2}) Er fügte hinzu: Ich möchte nicht in der Haut der Gewerkschaften stecken, wenn sie es weiter versäumen, den zweiten gangbaren Weg, über die Vermögensbildung dem Arbeiter soziale Gerechtigkeit zu verschaffen, einzuschlagen. Jetzt verlassen sie sich lediglich auf die Nominallohnsteigerungen, die dem Arbeiter in die eine Tasche hineingibt, was ihm über höhere Preise dann wieder genommen wird. Meine Damen und Herren, das ist doch bei den Rentnern genau die gleiche Situation. Was nutzen denn die Nominalerhöhungen? Sie müssen doch, wenn Sie ehrlich bleiben wollen, für den Rentnerhaushalt sofort 7,5 % Preissteigerungen abziehen. Dann kommen Sie auf die wirkliche Situation, mit der die Rentner draußen im Lande zu rechnen haben. ({3}) Ich denke auch an die Frage der Mitbestimmung und Unternehmensverfassung, Herr Kollege Arendt. Da ist in drei Jahren Ihrer Koalition nichts passiert. Ich sehe Herrn Professor Maihofer auf der Regierungsbank. Mit Hilfe der Opposition wird es ihm in der Eigentumspolitik vielleicht gelingen, doch noch etwas zu Wege zu bringen. ({4}) - Ich glaube, ja; es kann sein. ({5}) Was bei uns passiert ist, wissen Sie vielleicht nicht so genau, weil Sie vom Ressort her nicht so beteiligt sind, Herr Kollege Moersch. Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben mehr vorgelegt, als derzeit geltendes Recht ist. Ich habe das auch nur angesprochen, weil der Arbeitsminister hier einen Katalog von angeblichen Leistungen aufzählte, der der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehrenberg?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, gerne!

Dr. Herbert Ehrenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000445, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Katzer, würden Sie die Freundlichkeit haben, diesem Hause zu erzählen und zu berichten, was in der Zeit, als Sie amtierender Arbeitsminister waren, für die Mitbestimmung getan worden ist. ({0})

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In der Zeit, wo ich Arbeitsminister war, Herr Kollege Ehrenberg? Das sollten Sie doch eigentlich wissen, Sie waren doch beamteter Staatssekretär im Arbeitsministerium. Sie sollten nicht so tun, als wüßten Sie nicht, was wir in der Kleinen Koalition und in der Großen Koalition an großen gesetzgeberischen Werken getan haben. ({0}) - Ich komme ja darauf. In der Frage der Mitbestimmung gab es in der großen Koalition eine Vereinbarung, daß sie hier nicht tätig wird. ({1}) Und dann haben Sie, Herr Kollege Wehner, im Jahre 1969 rechtzeitig vor den Wahlen aus der Fraktion heraus drei Pakete vorgelegt. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne!

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will das nicht verbreitern, Herr Katzer. Nur weil Sie mich anrufen: War es nicht so, daß in bezug auf Mitbestimmung, paritätische Mitbestimmung, tatsächlich in der damaligen Koalitionsvereinbarung auf Grund der Haltung der CDU/CSU gesagt wurde: nicht; aber es gab einen Passus „gegen die Aushöhlung bestehender Mitbestimmung"?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehen Sie, dies war sogar in der Regierungserklärung darin. Aber - und dies ist nun meine Frage erinnern Sie sich noch, daß dann die Kollegen im Kabinett auch dies nicht machten, sondern wir es per Fraktion machen mußten? War das so? ({0})

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, Herr Kollege Wehner, das ist exakt genau richtig wiedergegeben. - Sie klatschen viel zu früh, Herr Ehrenberg. Ich bin Herrn Kollegen Wehner nämlich sehr dankbar, weil er mich darauf aufmerksam gemacht hat. ({0}) Die Passage in der Regierungserklärung, daß wir gegen eine Aushöhlung sind, ist nämlich das Werk des Arbeitsministers, den Sie gefragt haben: Was haben Sie getan? - Genau das, was Herr Wehner gesagt hat, ist richtig. Das war der Punkt, den ich in die Regierungserklärung mit hineingebracht habe. ({1}) - Doch, aber selbstverständlich. Wir haben es dann in der Tat gemacht, und zwar über die beiden Koalitionsfraktionen hier im Hause. Das hat Herr Wehner richtig wiedergegeben. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Bestätigung. Nun einige wenige Bemerkungen zu dem, was hier zur Rentenpolitik gesagt wurde. Herr Kollege Arendt, Sie sagen, die Rentenversicherung kann die Kürzung der Bundeszuschüsse um 2,5 Milliarden DM finanziell verkraften; das sagt auch der Herr Schellenberg. Aber das Rentenniveausicherungsgesetz, das können Sie nicht verkraften?! Jetzt will ich Ihnen mal sagen, wo denn der Hase läuft. Sie wollen doch hier Milliarden erneut ansammeln, um später eine Sozialpolitik betreiben zu können, die zu Lasten der Rentner andere Projekte vorsieht, so wie wir das in der letzten Legislaturperiode erlebt haben. Das ist doch die Wahrheit. ({2}) Es ist doch einfach nicht richtig, wenn Sie sagen, die Rentenversicherung werde nicht belastet. Die Rentenversicherung wird belastet durch diese Kürzung mit einem Zinsverlust von mehr als 3 Milliarden DM. So können Sie es ja - - ({3}) - Herr Kollege Schellenberg, auch das finde ich, wenn ich mir das erlauben darf, eine sehr schlechte Methode. Da finde ich das, was der Herr Kollege Wehner gesagt hat, sehr viel hilfreicher, nämlich fair und sauber die wirkliche Situation ({4}) Jawohl, das finde ich fair. Aber es ist doch unfair, wenn Sie, die Sie alle diesen Maßnahmen zugestimmt haben, heute so tun, als wenn das die Erfindung der CDU gewesen wäre. Mir tut Ihr Koalitionspartner, die FDP, schon leid, denn ich sehe schon heute, was Sie der FDP alles vorwerfen werden, wenn einmal andere Koalitionsvoraussetzungen sind oder wenn Sie sogar mal alleine regieren sollten, was wahrscheinlich die FDP ja mit uns verhindern wird; davon würde ich gerne ausgehen wollen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Katzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schellenberg?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich muß nur darauf aufmerksam machen: ich habe keine längere Redezeit angemeldet; das darf mir nicht angerechnet werden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Katzer, entsprechend der Übung des Hauses werden wir eine Zugabe machen. Katzer (CDU/CSU: Ich bedanke mich sehr. - Dann gern.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Katzer, waren diese Eingriffe der Jahre 1967/68 nicht eine Folge der verfehlten CDU-Politik, die im Jahre 1966 gescheitert ist?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das war es keineswegs. Ich glaube nur - in der Rückschau ist man natürlich etwas klüger, Herr Kollege Schellenberg -, bei dem Instrumentarium, das wir haben, wären solche Eingriffe heute nicht mehr notwendig. Ich wünsche Ihnen, Ihren Fraktionen, daß sie nicht in die Zwangslage kommen, Änderungen zu machen, wie Sie sie jetzt ohne Not machen. Denn das, was der Finanzminister sagt, ist doch absolut unglaubwürdig. Auf der einen Seite sagt er: „In unserer Kasse fehlt nichts; alles stimmt, es fehlen keine 13 Pfennig". Jetzt frage ich Sie: Wenn keine 13 Pfennig in der Kasse fehlen, warum nehmen Sie denn 2,5 Milliarden DM und geben Sie nicht in die Rentenversicherung hinein? Das ist doch unglaubwürdig. Das ist eine Argumentation, die man ernsthaft nicht aufrechterhalten kann. ({0}) Wir haben damals - um dabei zu bleiben, Herr Schellenberg - das nicht so einfach getan. Diese Kabinettssitzung wird jeder, der dabei war, wahrscheinlich in einer Erinnerung haben, die im ganzen Leben nicht mehr ausgelöscht wird, da wir buchstäblich doch mit dem Hut herumgingen, von Ressort zu Ressort, um zu sehen: wie kriegen wir die Finanzen in Ordnung? Das war doch der Hintergrund. Der Hintergrund war doch der, daß wir damit eine Politik des soliden Geldwertes betreiben wollten. Der Hintergrund war doch der, daß wir zur Preisstabilität finden wollten, und wir haben die Preisstabilität erreicht, und die Rentner des Jahres 1967 waren die Nutznießer dieser Politik; denn Sie mußten weniger Preissteigerungen hinnehmen und erhielten echte höhere Rentenleistungen. Das war die Politik. ({1}) - Entschuldigen Sie bitte; lassen Sie mich den Gedanken gerade noch zu Ende führen. Heute ist es doch ganz anders. Heute wird das einfach in das allgemeine Finanzvolumen einbezogen, und es wird nicht gesagt, wozu das konkret dienen soll, sondern hier wird ein Eingriff in die Rentenversicherung gemacht, wobei keine Motivation gegeben ist; denn wenn die Kasse stimmte - ich wiederhole das , brauchte man diesen Eingriff nicht zu machen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Katzer, würden Sie jetzt die Zwischenfrage des Kollegen Dr. Nölling gestatten?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte sehr.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte, Herr Kollege.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Katzer, stimmt es nicht, daß man aus der Rezession, die veranstaltet wurde, mit den entsprechenden Maßnahmen herauskommen mußte, daß diese Maßnahmen aber kommen mußten, nicht um Preisstabilität herbeizuführen, sondern um die Vollbeschäftigung wiederzugewinnen, die verlorengegangen war? Das war doch das Problem.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstens ist keine Rezession betrieben worden; das weise ich nachdrücklich zurück. ({0}) Zweitens war es in der Tat der Wunsch und der Wille des gemeinsam die Große Koalition bildenden Kabinetts, zu einem Höchstmaß an Preisstabilität zurückzukehren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Katzer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will jetzt auf das eingehen, was Herr Kollege Schellenberg gesagt hat. Wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, Herr Kollege Schellenberg, dann haben Sie gesagt, das 16. Rentenanpassungsgesetz habe die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung der Rentenversicherung zu schaffen. Damit haben Sie natürlich indirekt, Herr Kollege Schellenberg, bestätigt, daß durch Aushöhlung der Rentenniveauklausel Milliarden DM für andere Zwecke zu Lasten der Rentner verwandt werden sollen. Das entnehme ich daraus. ({0}) Dann sagen Sie, Herr Kollege Schellenberg, drei Monate Zinsverlust könnten wir finanziell verkraften. Wissen Sie, welche Briefe ich aus meinem Wahlkreis bekomme? ({1}) - Ach, entschuldigen Sie höflich, Sie müssen doch erst abwarten, was ich sage, ehe Sie so unqualifizierte Zwischenrufe machen: „Bestellte Briefe". ({2}) - Warten Sie doch ab, Sie werden es ja hören. Das ist der Widerspruch zu dem, was Herr Schellenberg sagt. Da heiß es z. B. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin; Baudarlehen für Eigenheime -: Abgelehnt mit der Begründung: Die durch das Rentenreformgesetz vom 18. 10. 1972 veränderte finanzielle Lage läßt künftig keine langfristigen Anlagen mehr zu; das bedeutet unter anderem auch, daß zur Mitfinanzierung von Eigenheimen keine Mittel mehr zur Verfügung gestellt werden können. - Das ist die Auswirkung, die Sie sehen und die Sie auf der anderen Seite bestreiten. Das ist doch miteinander nicht in Übereinstimmung zu bringen. Und nun, meine Damen und Herren, eine dritte und letzte Bemerkung. Wir haben gesagt: Was Sie hier vollziehen, ist ein Stück sozialer Demontage, Das ist ein schwerer Vorwurf; ich halte ihn voll und ganz aufrecht, einmal in bezug auf den Ausfall von 3 Milliarden DM Zinsen durch die Kürzung von 2,5 Milliarden DM Zuschüssen. Bei der flexiblen Altersgrenze, verehrter Herr Schellenberg, wird in der Öffentlichkeit immer nur von der Frage des Nebenverdienstes gesprochen. Sie kennen meine Meinung, ich will das jetzt nicht vertiefen. Sie wissen aber ganz genau, daß wir im Vermittlungsausschuß gesagt haben: Gut, das ist im Grunde nicht der Punkt, der uns beschwert; darüber wollen wir miteinander reden. Der Punkt, der uns beschwert, ist doch ein ganz anderer. Wir haben mit unserem Vorschlag - dem Sie, Herr Schellenberg, im Ausschuß ja auch zugestimmt haben -, Zuschläge zur Rente von 0,4 % zwischen dem 63. und dem 65. Lebensjahre zu zahlen, in Wahrheit eine flexible Altersgrenze erst wirklich ermöglicht; denn das Vorherige war ja im Grunde nur eine Herabsetzung der Altersgrenze von 65 auf 63. Das ist der Kern - nicht der Nebenverdienst, das ist nur ein Nebenkriegsschauplatz, auf den wir uns nicht abdrängen lassen sollten. Der Kern der Auseinandersetzung ist das Wesen und der Inhalt einer flexiblen Altersgrenze; davon gehen wir aus. Wir wollen nicht eine platte Herabsetzung, sondern wir wollen wirklich flexibel dem einzelnen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, ob er mit 63 Jahren aufhören will oder ob er bis zum 64., 65. oder 67. Lebensjahr weiterarbeiten will. ({3}) - Entschuldigen Sie, gut, da haben wir einen Dissens. Den haben wir ja nicht erst seit heute, den haben wir ja schon ein paarmal gehabt. ({4}) - Sie müssen doch die Argumentation akzeptieren. ({5}) - Gut, dann haben Sie für mein Empfinden eine falsche Vorstellung. Dann müssen Sie mir nur gestatten, daß ich sage: Es geht nicht, daß Sie permanent vom freien Bürger sprechen, daß Sie permanent von dem Bürger sprechen, der selbst entscheiden muß, dann aber sagen: aus gesundheitspolitischen Gründen müssen wir ihn davor bewahren, daß er länger arbeitet als möglich oder nötig ist. Meine Damen und Herren, ich habe mehr Vertrauen in die Vernunft und Einsicht der Arbeitnehmer, daß sie aus gesundheitspolitischen Gründen selbst entscheiden können, wann sie aufhören wollen und wie lange sie weiter arbeiten möchten. Deshalb plädieren wir nachdrücklich für diese unter uns eingeführte Regelung und werden das ja leider dann auch bis zum Bundesgerichtshof hin zu einer Entscheidung bringen, weil wir in der Tat der Meinung sind, daß dies eine fundamentale gesellschaftspolitische Frage allererster Ordnung ist. Ich wundere mich. Herr Kollege Flach, die ganze Zeit darüber, daß die Freien Demokraten, die so viel von der freien Persönlichkeit reden ich habe ihr Heft noch einmal nachgelesen, mit sehr viel Gewinn und mit sehr viel Interesse -, in diesem Punkt, wo es wirklich darum geht, der freien Entfaltung der Persönlichkeit größere Chancen zu geben, nicht mit uns gestimmt haben, sondern mit der anderen Seite. Aber vielleicht kann man das in einem Gespräch noch einmal vertiefen und erörtern; denn ich glaube, daß hier vom Ansatz her eine Fehlkonstruktion vorhanden ist, die die CDU/CSU-Fraktion nicht mitmachen wird. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nölling.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Katzer, der Kern der Auseinandersetzungen in dieser Haushaltsdebatte geht nicht um den Dauerlutscher „flexible Altersgrenze", um ein Wort des Ministers Friderichs hier zu verwenden, sondern geht darum, warum der Union der Hinauswurf aus der Epoche droht. Ich möchte die Minuten, die ich hier zur Verfügung habe, dazu verwenden, dieser Frage einmal nachzugehen. Die Praxis, die Sie hier im Bundestag seit dem 19. November zeigen, auch in dieser Haushaltsdebatte, ist eine Rückkehr zu dem, was wir drei Jahre lang in den Jahren vorher erlebt haben. Es ist, wenn ich es einmal scherzhaft sagen darf, eine Rückkehr zur Philosophie von Charly Brown, der einmal gesagt hat: Kein Problem ist so ernst oder so schwierig, daß man nicht davor weglaufen könnte! Man könnte das ergänzen und sagen: Kein Problem ist so schwierig und so ernst, daß es die Opposition nicht noch verschlimmern könnte oder wollte. ({0}) Schade, daß Herr Kollege Dr. Barzel verhindert ist, heute morgen teilzunehmen, obwohl der Herr Bundeskanzler hier ist. ({1}) - Es ist eigentlich schade, daß er nicht hier ist, sonst würde ich ihm einmal sagen, wann in der deutschen Geschichte soziale Demontagen stattgefunden haben, einfach, um die historische Perspektive zurückzugewinnen. Das war unter Brüning, und das war unter Hitler, und es hätte gar nicht sehr viel bedurft und gar nicht sehr lange gedauert, dann hätten wir 1966/67 eine soziale Demontage von Ausmaßen bekommen, wie wir sie Gott sei Dank durch unseren Regierungseintritt verhindert haben. ({2}) Weil so gerne zitiert wird, Herr Kollege Katzer: Ich zitiere Sie auch sehr gerne aus Ihrem „Spiegel"-Interview im Herbst 1967, einfach, um die Proportionen wieder einmal herzustellen zu den 2,5 Milliarden DM. Damals haben Sie dem „Spiegel" erklärt: „Einschließlich der Kürzungen beim Kindergeld wird der Bund in den nächsten vier Jahren 11,67 Milliarden DM weniger ausgeben, als er nach dem derzeit geltenden Recht ausgeben müßte." Nun, damals 12 Milliarden in vier Jahren. Ich möchte das hier zur Kenntnis bringen als einen Hinweis auf eine Zeit, als Sie Arbeitsminister waren und auch für die Sozial- und Gesellschaftspolitik verantwortlich waren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Dr. Nölling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner ({0})?

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Im Moment möchte ich es nicht tun. Lassen Sie mich vorher ein paar Gedanken entwickeln, weil ich „aus lauter Freude", wie Herr Barzel sagt, mich einmal mit Ihnen beschäftigen und nicht nur das Umgekehrte immer zulassen möchte. ({0}) Meine Damen und Herren, in dieser Haushaltsdebatte ist wiederholt nach den Alternativen der Opposition gefragt worden. Ich erinnere mich an ein Wort Ihres Vorsitzenden Barzel in der Rede vom 5. Dezember vor Ihrer Fraktion, ein Wort, das auch Sie noch im Ohr haben sollten, als er nämlich ausdrücklich erklärte: „Wir müssen geistig mehr bieten." Wie sollen wir das verstehen, wenn sich Herr Strauß hier hinstellt und sagt: Wir haben 1969 den Versuch gemacht, mit euch zu einem Stabilitätspakt zu bekommen, und weil das damals nicht geklappt hat, haben wir unsere geistige Regsamkeit aufgegeben? So war es doch in etwa zu verstehen. Sie müßten jetzt den Beweis dafür erbringen, daß Sie das ernst meinen, was Barzel gesagt hat: „Wir müssen geistig mehr bieten." Das heißt, Sie müssen in der Auseinandersetzung über die Konflikte in diesem Land und in dieser Gesellschaft anders als bisher Stellung nehmen. ({1}) - Da bin ich Ihrer Meinung, Herr Kollege Wehner. ({2}) Wir wissen ja, wer in dieser Partei das Sagen hat. Ich darf einmal ein paar wichtige Probleme unserer Gesellschaft anschneiden, die zum Teil eine Rolle gespielt haben. Ich nenne zuerst Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Herr Kollege Katzer, wo ist das Verständnis der Sozial- und Wirtschaftspolitiker der Opposition für diese Problematik, für den Konflikt zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität? Das ist in dieser Haushaltsdebatte wiederum nicht deutlich geworden. ({3}) Zur Währungspolitik und zur Frage der außenwirtschaftlichen Absicherung gibt es keine Alternative der CDU. In der Frage der Mitbestimmung Herr Kollege Katzer, Sie bringen mich noch einmal darauf -, sagen Sie, sei nichts passiert. Lesen Sie doch zu Ihrer Freude und Erbauung bitte die Regierungserklärung, wo von Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Kapital und Arbeit als einem Grundzug unserer Mitbestimmungskonzeption die Rede ist. ({4}) Das hat es in der bisherigen Sozialgeschichte der Bundesrepublik in einem Regierungsdokument noch nicht gegeben. ({5}) Deshalb haben Sie, glaube ich, keinen Anlaß, schon fünf Monate nach Amtsantritt dieser Regierung ({6}) zu sagen, es sei nichts passiert. ({7}) Ich darf dann eine Frage zur Vermögensbildung stellen. Leider ist der Kollege Barzel nicht anwesend. Wissen Sie, was Sie in Ihrem Regierungsprogramm zur Wahl gesagt haben? Ich darf zitieren: „Zu dieser Frage Eigentum für jeden haben wir ein gesetzesreifes Konzept vorgelegt, das wir verwirklichen werden." Sie haben im Wahlkampf gesagt, das werde eine der ersten Maßnahmen überhaupt sein. Bis heute Fehlanzeige, es ist kein Gesetz da. ({8}) Sie sollten erklären, warum nicht, und nicht uns Vorwürfe machen, die wir dabei sind, Gesetzentwürfe vorzubereiten. Dann heißt es hier: „Teilhabe jedes Arbeitnehmers am Wachstum und Ertrag der Wirtschaft durch den gesetzlichen Beteiligungslohn." Ich habe mit Interesse in der „Frankfurter Rundschau" gelesen, daß der CDU-Vorsitzende am 1. April im Deutschlandfunk erklärt hat - ich darf ihn hier zitieren -: „... da wir nun dafür sorgen wollen, daß der Arbeitnehmer auch eine Beteiligung am Gewinn, am Ertrag und am Vermögen des Betriebes bekommt." Man muß sich diese Aneinanderreihung von Ansatzpunkten einmal richtig ins Gedächtnis zurückrufen. ({9}) Am Gewinn, am Ertrag und am Vermögen soll er jetzt beteiligt werden. ({10}) Ich bin wirklich gespannt, was dabei herauskommen wird. Es ist jedenfalls eine klare Absage an den bisher von Ihnen, Herr Kollege Katzer, für richtig gehaltenen Beteiligungslohn, ({11}) der nicht am Gewinn, nicht am Vermögen und nicht am Ertrag orientiert ist, sondern die Betriebe völlig unabhängig davon belastet, ob sie Gewinne machen oder nicht. Ich sehe in diesem Zitat, wenn ich es richtig verstehe, eine Abkehr von Ihrem Beteiligungslohnversprechen. ({12}) Oder fragen wir einmal, was Sie zur Steuerreform zu sagen haben. Es gibt ein Konzept der Sozialausschüsse, und es gibt Kritik an der Regierung und an der SPD, die Herr Strauß hier entsprechend artikuliert hat. Ich frage Sie: Wenn er es bedauert - Sie alle bedauern es -, daß die Arbeitnehmer in die Progressionsstufen hineinwachsen, warum machen Sie dann nicht einen Vorschlag, wie man das ändern könnte? Dann würde sich nämlich zeigen, was Sie hier an inneren Konflikten in dieser Gesellschaft zu bewältigen hätten. Statt dessen drücken Sie sich immer wieder davor. ({13}) - Warum das so ist? Es ist einfach eine Tatsache. Ich habe gar keinen Anlaß, hier zu polemisieren oder zu überzeichnen, weil nämlich die historischen Tatsachen das untermauern, was ich sage. Der Kollege Blüm - ich glaube, er ist heute nicht anwesend - hat ein sehr interessantes Buch geschrieben: „Reaktion oder Reform - Wohin geht die CDU?" Ich würde ihm einen Vorschlag machen - das werde ich auch noch persönlich tun -, was er bei einer Neuauflage, die sicherlich notwendig werden wird, in den Anhang nehmen sollte, nämlich einen im „dud" erschienenen Beitrag des Kollegen Adolf Müller unter der Überschrift: „Rechts ist nur eine Sackgasse." Ich rede eben nicht wie ein Blinder von der Farbe, wenn ich ihn jetzt hier zitiere; er sitzt ja heute auch hier. In diesem Artikel „Rechts ist nur eine Sackgasse" heißt es: In der Arbeitnehmerschaft besteht eine Schallmauer gegenüber der CDU. Mir ist hundertfach im Wahlkampf gesagt worden: Dir und deinen Freunden aus der Arbeitnehmerschaft nehmen wir das sozialpolitische Engagement ab, eurer Partei aber nicht. Und nun ein sehr enthüllender, wichtiger Satz: Viele für die Arbeitnehmerschaft wichtige sozialpolitische Entscheidungen mußten der Fraktion abgetrotzt werden. ({14}) Hier ist also von Trotzerfolgen die Rede. ({15}) Ich will Ihnen hier noch ein paar Beispiele nennen und anschließend Herrn Katzer noch einmal zitieren. Lohnfortzahlung 1969: Protestkundgebung, bei der ein Sarg mit Hans Katzers Namen die Hauptrolle spielte. ({16}) Vermögensbildung: Die Öffnung des Vermögensbildungsgesetzes für den Tarifvertrag wurde in Ihrer Partei jahrelang verhindert. Herr Kollege Müller ({17}) bestätigt es hier. In der Diskussion über den. Jahreswirtschaftsbericht ist in der Debatte von den Kollegen Pieroth und Müller ({18}) glatt die Unwahrheit gesagt worden, was diese historische Tatsache betrifft. ({19}) Der Kollege Müller schreibt weiter: Das Beteiligungslohngesetz fand in der Fraktion erst breite Mehrheiten, als wir in der Opposition waren. - Er ruft dann die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung für Angestellte ins Gedächtnis zurück. Es heißt weiter: Das Eintreten für sozialen Fortschritt wurde der SPD geglaubt, uns nicht. -Weitere Stichworte: berufliche Bildung, bruttolohnbezogene Rente als Probleme in den Jahren 1966 bis 1969. Die flexible Altersgrenze wurde 1969 abgelehnt. Das wird hier vom Kollegen Müller bestätigt. Einige Bemerkungen zum Thema Mitbestimmung. Herr Kollege Katzer, wir wollen uns hier doch nun wirklich nichts vormachen. Wir haben vor zwei Jahren über das Dilemma, in dem Sie und Ihre Partei sich befanden, doch ausfuhrlich diskutiert. ({20}) - Unsere Partei gar nicht! Vielleicht die Koalition, aber doch nicht unsere Partei, Herr Kollege Katzer. Das wollen wir doch auseinanderhalten. ({21}) Was sagt der Kollege Müller zum Thema Mitbestimmung? Da heißt es: ... die Erinnerung an den teils schweigenden, teils umgefallenen Vorstand, der seine eigene Vorlage in Düsseldorf nicht verteidigte. - So ist es gewesen. ({22}) Der Kollege Katzer sagte nun in der Debatte über die Regierungserklärung - ich zitiere ihn -: An Reformwillen läßt sich die CDU von niemandem übertreffen. ({23}) Das muß man hören! ({24}) Meine Damen und Herren, mich erinnert das an die Geschichte mit dem Suppenkasper. Da sagt die CDU immer: Nein, nein, diese Suppe der Sozialausschüsse esse ich nicht. - Sie ist ja auch entsprechend abgemagert. Das ist das Ergebnis. ({25}) Meine Damen und Herren, das Hauptproblem, das in dieser Haushaltsdebatte wieder deutlich geworden ist, scheint mir folgendes zu sein. Die CDU/ CSU bringt es nicht fertig, die Konflikte in dieser Gesellschaft zwischen Partikularinteressen und dem Gemeinwohl zu artikulieren und Lösungen dafür aufzuzeigen. Wenn ein Konflikt entsteht, entscheidet sie sich regelmäßig für das Partikularinteresse, ({26}) weil sie aus wahlgewinnsüchtigen Motiven immer wieder darauf bestehen zu müssen glaubt. Sie huldigt einer Definition von Politik, der wir nicht huldigen. Es ist eine aus dem Amerikanischen kommende Definition, die wir ablehnen. Die entscheidende Frage ist dabei: Wer kriegt was wann? Diese Frage ist für uns nicht entscheidend. Das sage ich jetzt mit allem Ernst an die Adresse von Herrn Kollegen Katzer und auch anderer, die sich wirklich nicht die Mühe machen, hier Alternativen aufzuzeigen. Wie können wir dann aber die Probleme, auch die finanziellen Probleme dieses Landes, die wir ja gar nicht bestreiten, lösen? Sie machen aus den Gründen, die ich kenne und die ich nenne, nämlich um nicht unpopulär zu werden, um die Lasten nicht verteilen zu müssen, um Privilegien nicht abbauen zu müssen, keine Vorschläge. Das sind die wahren Gründe. ({27}) Ich komme sofort auch auf Ihre Rolle als Chefkoordinator zurück. Herr Kollege Leicht sagt über den Bundeshaushalt: Der Bund proklamiert in diesem Jahr eine - konjunkturpolitisch - noch immer zu hohe Ausgabensteigerung. - Herr Kollege Katzer, tun Sie mir bitte einen Gefallen: Sagen Sie doch diesem Bundestag und allen Bürgern, die um die finanzielle Stabilität usw. in Sorge sind - wie Sie ihnen das einreden wollen -, ({28}) wie Sie es verantworten können - ({29}) - Ich bin deshalb nicht in Sorge, weil es uns gelungen ist, einen Haushalt vorzulegen, der das Menschenmögliche, das politisch Mögliche für 1973 schafft. ({30}) Deshalb bin ich nicht in Sorge! ({31}) - Herr Kollege Katzer, doch, es ist eine große Sorge. Natürlich. Das bestreite ich doch nicht. Nur sage ich Ihnen: Es genügt nicht, in diesem Land gestaltende Gesellschaftspolitik machen zu wollen. ({32}) wenn man sich immer nur an den Preissteigerungen aufhängt und nichts anderes mehr sieht und gelten läßt. ({33}) - Nein, es ist nicht das eigentliche Problem. Es ist ein wichtiges Problem, aber nicht das zentrale Problem. Lassen Sie mich auf den Gedanken zurückkommen. ({34}) - Herr Kollege Franke, ich habe nie bestritten, daß das Problem da ist und schwer ist. ({35}) Ich habe nur immer gesagt: Wie wollen wir es lösen, um nicht in noch größere Schwierigkeiten zu fallen? ({36}) - Herr Kollege Katzer, wenn Sie anderer Meinung sind, dann mobilisieren Sie doch den Sachverstand Ihres Planungsstabs, und arbeiten Sie ein Kontrastprogramm zu dem Stabalitätsprogramm der Bundesregierung aus! ({37}) Warum geschieht das denn nicht? Es muß doch möglich sein. Sehen Sie, ich weiß doch auch nicht, ob wir mit dem Programm - -({38}) - Ja, natürlich! Aber dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, Herr Kollege Katzer, daß ich Sie frage. Sie sagen: Die Regierung ist verantwortlich für die Preissteigerungen. ({39}) Das ist sie nur ganz begrenzt. Die Regierung ist aber auch das werden Sie niemals zugeben - für die soziale Weiterentwicklung in dieser Gesellschaft verantwortlich. ({40}) Es ist doch einfach nicht hinwegzudiskutieren, meine Damen und Herren, was hier in drei Jahren geschehen ist. Aber ich will auf die schizophrene Situation zurückkommen, daß Herr Kollege Leicht hier sagte, der Haushalt sei unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten zu groß, während Sie, Herr Kollege Katzer, es mit allen Verantwortlichen in Ihrer Fraktion zulassen, daß ein Gesetzentwurf zur Kriegsopferversorgung vorgelegt wird, der allein in diesem Jahr 400 Millionen DM mehr verlangt. Beispielsweise hat Herr Kollege Götz - er ist jetzt nicht hier -in der Debatte über die Rentenreform am 21. September 1972 hier erklärt, die Bundesregierung solle dies - das haben wir ja damals angenommen - im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts prüfen. Ich frage Sie, ob Sie die finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts hierzu geprüft haben, als Sie diesen Gesetzentwurf hier einbrachten, was Sie im vorigen Jahr nicht einmal unter Wahlkampfgesichtspunkten für richtig gehalten haben. Dann könnte man ja auch noch weitergehen. Was Ihre Weigerung, Herr Kollege Katzer, betrifft, die Zuschüsse an die Rentenversicherung zu stunden, so muß man einfach bereit sein, eine - auch in unseren Reihen - unpopuläre Maßnahme zu tragen. Nur können Sie niemandem, weder dem Versicherten noch dem Rentner in diesem Land, weismachen, daß auf Grund dieser Streckung auch nur um einen Pfennig eine Leistungsverschlechterung zustande kommen wird. ({41}) Genau das ist es, was Sie machen wollen. Ich möchte zum Stichwort „soziale Demontage" ein paar Zahlen bringen, damit das hier endlich einmal vom Tisch ist. ({42}) Wissen Sie, wie sich im letzten Jahr die Sparquote entwickelt hat, welch ein Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung und in die Stabilitätspolitik der Regierung sich im letzten Jahr dokumentiert hat? ({43}) Ist die Sparquote in den letzten zwei Tagen in diesem Hause genannt worden? - Ich werde es wiederholen. 1969 wurden in der Bundesrepublik 47,7 Milliarden DM gespart. 1972 waren es 74,5 Milliarden DM, also 26,8 Milliarden DM mehr als im Jahre 1969. Die Sparquote stieg von 12,5 auf 14,2 %. Das ist ein Rekord, wie er nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte erreicht worden ist. Ich darf Ihnen sagen, es ist mir lieber, daß durch hohe Lohnsteigerungen bei Vollbeschäftigung jemand eine Mark sparen kann. Und wenn die Zinsen die Preissteigerungen nicht ausgleichen oder gerade kompensieren, dann ist es noch besser, daß jemand diese Mark sparen kann, als wenn durch eine Rezession verhindert wird, diese Mark zu verdienen und zu sparen. ({44}) Noch ein paar Zahlen zur „sozialen Demontage". Von 1957 bis 1969, also in 12 Jahren, haben sich die Ausgaben für die soziale Sicherung laut Finanzbericht 1973 verdoppelt, und zwar von 12,1 auf 24,9 Milliarden DM. Herr Kollege Katzer, laut Finanzplan, wie er diesem Hause jetzt vorliegt, werden sie sich von 1969 bis 1976, also in sieben Jahren ({45}) - nun kommt doch mein Lob, das ist doch noch besser; hören Sie gut zu -, ({46}) die Ausgaben für die soziale Sicherung von 24,9 auf 48,3 Milliarden DM verdoppeln. Das ist ein Betrag von 24 Milliarden DM allein als Erhöhung in 7 Jahren, ein Betrag, der doppelt so hoch ist wie der Jahresbetrag 1957 überhaupt. ({47}) - Entschuldigen Sie mal, Herr Kollege Katzer, es ist doch nicht wahr, daß sich die Rentner beispielsweise im letzten Jahr oder in diesem Jahr nicht haben mehr leisten können und mehr leisten werden. ({48}) Das können Sie doch hier nicht in den Raum stellen. Im letzten Jahr betrugen die Rentensteigerungen fast 15 %. Bleiben Sie doch mal auf dem Teppich! Bei Preissteigerungen von weniger als 6 % haben die Rentner im letzten Jahr die höchste reale - ({49}) - Wir haben doch dafür gestimmt und auch Alternativvorschläge gehabt. Ich behaupte nur, meine Damen und Herren von der Opposition, daß man in diesem Lande vorsichtig sein sollte mit sozialer Panikmache und dem Schlachtruf, wir würden sozial demontieren, angesichts dieser Zahlenentwicklungen in unseren Finanzplänen und in unseren Haushalten. Seien Sie vorsichtig, wie es eben gesagt worden ist! Denn Sie haben in der Vergangenheit schon oft erkennen müssen, daß Sie mit Ihren pessimistischen Voraussagen nicht recht behalten haben. Im Finanzplan von 1972 bis 1976 steigen die sozialen Ausgaben um 17 Milliarden DM, d. h. um 55 %, im Bundeshaushalt insgesamt um 40 %. Wie kann sich hier jemand hinstellen und von sozialer Demontage sprechen, wenn der Sozialhaushalt sehr viel stärker steigt als der Bundeshaushalt überhaupt! Das ist doch eigentlich eine Unverschämtheit. ({50}) Nun zu der Frage der realen Einkommensentwicklung bei den Arbeitnehmern. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, mir aus dem bereits zitierten Jahresgutachten des Sachverständigenrates, Seite 60, die reale Einkommensentwicklung bei den Arbeitnehmern herauszuschreiben. 1962, Herr Kollege Katzer, hatten wir eine reale Verbesserung der Arbeitnehmereinkommen von 2,8 %; da waren Sie an der Regierung. 1965 waren es 5,2 %; da waren Sie noch an der Regierung. 1966 waren es 3,3 %, 1967 1,6%. ({51}) - Ist ja gut. Wissen Sie, Herr Kollege Katzer, ich freue mich doch, daß wir hineingekommen sind, nicht nur dadurch, daß wir gut waren, sondern auch dadurch, daß Sie so schlecht waren. ({52}) Ich nenne Ihnen die Zahl von 1970: 1970 waren es 11,2 %. Ich habe Herrn Ministerpräsident Stoltenberg hier in vielen Debatten erlebt, die schärfsten Angriffe gegen diese Koalition im Jahre 1970 führend. Was der alles an Vorwürfen gegen diese Politik gesagt hat, ist unglaublich, wenn man es in der Perspektive rückblickend einmal auf die Zahlen hin abklopft. 11,2 %! 1971 hatten wir 5,5% Reallohnverbesserung, 1972 3,3 %. Nun werden Sie sagen: 3,3 %, das ist nicht viel. ({53}) Aber bitte schön, Herr Kollege Katzer, es war im letzten Jahr mehr als 1962; es war wie 1966, 3,3 °/o. ({54}) - Sie haben völlig recht, wenn Sie fragen - ich weiche dem doch gar nicht aus -: Wie wird es 1973 sein? Diese Bundesregierung ist doch dabei, ({55}) die schwierige Frage anzugehen, inwieweit man an der Vollbeschäftigung nichts riskiert, wenn man bremst. Sie können unterstellen, daß die preisdämpfenden Maßnahmen nicht wirken. Dann, bitte schön, verlange ich von der Opposition und von Herrn Strauß, daß er nicht, wie er es immer tut, die Regierung fragt, was sie tut oder zusätzlich tun sollte, sondern daß er auch einmal an seine Unternehmerfreunde herangeht und ihnen sagt, daß sie sich vielleicht einmal ein bißchen Zurückhaltung bei der Preisgestaltung auferlegen sollten. ({56}) Das wird Herr Strauß niemals tun.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Nölling, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte dann zum Schluß kommen, indem ich folgendes sage. Ich habe hier am Anfang die Frage gestellt, wie man es sich wohl erklären könne, daß die Opposition, wie Herr Kremp es formuliert hat, aus der Epoche hinausfliegen wird. Die Antwort ist meines Erachtens klar: Sie hat die gesellschaftsgestaltende Kraft verloren. Sie hat an regierungskritischer Kraft zweifellos gewonnen. Aber das ist nun einmal kein Ausgleich für das, was sie braucht, um in dieser Gesellschaft als Opposition wirklich attraktiv zu sein. Es genügt leider nicht, wenn man nur kritisiert, wenn man keine gesellschaftsgestaltende Kraft mehr hat. Zum Schluß einfach ein Zitat. Einer hat vor ein paar Wochen in Siegen gesagt: Sie, die SPD, hat die Kraft, das durchzuführen, was sie ihren Wählern vor der Wahl versprochen hat. Ich will Ihnen auch sagen, wer das gesagt hat - voller Bewunderung -: Herr Kollege Barzel von der CDU/CSU. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Willy Brandt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gestern in Beantwortung von Ausführungen der Kollegen Strauß und Barzel zu einigen allgemeinpolitischen, zumal außenpolitischen Fragen Stellung genommen, die im Rahmen einer Haushaltsdebatte legitimerweise erörtert werden können. Ich hatte dabei gesagt, daß ich aber auch gerne, bevor diese Debatte zu Ende geht, noch etwas zum eigentlichen Haushaltsthema sagen möchte. Das eigentliche Haushaltsthema ist für mich nicht nur das, das sich aus dem Zusammenzählen der Ziffern ergibt - so wichtig das ist -, sondern das eigentliche Haushaltsthema ist das des sozialen Gehalts, des sozialen Inhalts zwischen den Deckeln, die das Haushaltsbuch umfassen, umschließen. Nun beklage ich nach dem Verlauf der Debatte gestern und heute, wie wir zusätzlich zu der nicht nur legitimen, sondern notwendigen kritischen Diskussion eigentlich immer dann auf Abwege geraten, wenn zu sehr dramatisiert wird, wenn überhaupt dramatisiert wird. Ich frage jetzt dieselben Kollegen von der Union, die mit dem für meine Begriffe nicht nur unsachlichen, sondern bösen Wort von der „sozialen Demontage" versuchen, diese Debatte zu bestreiten: Sind das nicht dieselben, die uns in der zurückBundeskanzler Brandt liegenden Zeit in den Debatten die Wirtschaftskrise prophezeit haben? ({0}) Da nehme ich einmal allein eine Bank - ich nehme an, Sie werden heute früh schon die Zeitungen gelesen haben -, nämlich die, die sich die Deutsche nennt. ({1}) Ich lasse einmal beiseite, was das in Hamburg erscheinende Pamphlet, das - wie Helmut Schmidt gestern sagte - in Form einer Tageszeitung erscheint, schreibt - insofern gar nicht einmal so abwegig: „Bei der Deutschen Bank hat die Gewinnentwicklung mit der Expansion Schritt gehalten" -, sondern ich nehme die andere Zeitung, die ernster zu nehmende, in Frankfurt erscheinende. ({2}) Da heißt es, daß man es bei der 40 Milliarden übersteigenden Bilanzsumme um -({3}) - Wissen Sie, - ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Wehner, ich rüge das Wort „Lümmel". ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rüge diese Bemerkung ebenfalls. ({0})

Willy Brandt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000246

Ich hatte gemeint, Herr Kollege, als ich in den vergangenen Wochen Ihre Begleitmusik zum Grundvertrag gelesen habe, daß Sie in der Tat manchen von uns strapazierten, indem Sie ihre Rolle eines Ausschußvorsitzenden mit der eines Propagandisten verwechselten. ({0}) Darf ich aber zurückkehren zu der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die unter der Überschrift: „Bilanzsumme übersteigt 40 Milliarden" wörtlich schreibt, es handle sich um das bisher absolut beste Betriebsergebnis. Das ist ja nur ein Beispiel. Ich habe es genommen, weil es heute morgen in allen Zeitungen steht. Das kann man also jetzt nach Ihren Prophezeiungen feststellen, wo es um große Betriebe, um große Banken geht. Was nun, Herr Kollege Barzel, Ihr böses Wort von der sozialen Demontage angeht: Diese Bundesregierung und die sie tragenden Parteien haben es, wo es sich um die soziale Grundeinstellung und die soziale Einstellung im Konkreten handelt, nicht nötig, sich irgendeine Belehrung erteilen zu lassen ({1}) das mal vorweg! -, bestimmt nicht von denen, die - nun weiß Herr Kollege Katzer, daß ich ihn nicht meine und einige andere auch nicht, aber einen beträchtlichen Teil Ihrer Fraktion - ihr Herz für die Arbeitnehmer und für die Älteren in unserem Lande vor allem immer dann entdecken, wenn Wahlen bevorstehen oder wenn sie sich in Opposition befinden. ({2}) Die Arbeitnehmer in diesem Lande wissen, daß sie, seit die von mir geführte Bundesregierung im Amt ist, eine Periode des sozialen Fortschritts erlebt haben, ({3}) wie es ihn ({4}) in der Periode der Bundesrepublik zuvor - in der Tat, Sie haben recht mit Ihrer Bemerkung, Herr Kollege - nicht gegeben hatte. ({5}) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der Kollege Arendt, hat vorhin von dieser Stelle aus eindrucksvolle, zutreffende Ausführungen zu diesem Thema gemacht. Ich möchte das, was er gesagt hat, nicht wiederholen. Aber ich erinnere hier doch immerhin an die Schaffung einer modernen Betriebsverfassung, an die positive Entwicklung der Renten, insgesamt gesehen, ({6}) an die Einführung der flexiblen Altersgrenze trotz des Streits um ihre Ausgestaltung, an die Verbesserung der Gesundheitsvorsorge, ({7}) an die Schaffung eines sozialen Mietrechts und nicht zuletzt an die Dynamisierung der Kriegsopferrenten. Wer hat sie denn beschlossen? Diese Koalition oder wer sonst? ({8}) Wir haben sie 1969 in der Regierungserklärung angekündigt und haben uns dort wie anderswo daran gehalten. Und wo es einmal einen Punkt gab - wie bei diesen beiden Steuerpunkten, auf denen Sie immer herumreiten -, haben wir offen gesagt, warum das nicht ging bzw. warum es hineingehört in den Gesamtbereich der Steuerreform, die vor uns liegt. ({9}) Es ist doch keine Schande, wenn man sich eine Sache anders, in diesem Fall besser überlegt, als sie zunächst in Aussicht genommen war. ({10}) Wir haben durch die Dynamisierung der Kriegsopferrenten diesen Kreis von Mitbürgern, die in 20jähriger CDU-Vorherrschaft immer zu den Benachteiligten gehörten, ({11}) in die allgemeine Einkommensentwicklung hineingeführt, sie an sie herangeführt. Das muß in diesem Zusammenhang gesagt werden. Die Kriegsopfer können versichert sein, daß sich die Bundesregierung auch in Zukunft ihrer annehmen wird. Es gibt jedoch Zeiten, in denen man, was die Reformen angeht, die mit finanziellen Leistungen des Staates verbunden sind, etwas kürzer treten muß, wenn es um die Wiedererlangung von mehr Stabilität gehen soll. Eines aber - das muß ich einmal mit aller Deutlichkeit sagen - entspricht nicht der hohen Verantwortung, die auch die Opposition in diesem Staat und gegenüber diesem Staat hat: ({12}) den Finanzminister in diesem Hause zu attackieren, weil sein Haushalt nicht konjunkturgerecht sei, und in derselben Debatte die Bundesregierung anzugreifen, weil sie nicht gleich auch noch eine zusätzliche Erhöhung z. B. der Kriegsopferversorgung beschließt. ({13}) Es geht, meine Damen und Herren, und es muß gehen um eine Reformpolitik, die den Forderungen der Stabilität entspricht, die sich darum Beschränkungen auferlegt und nur das Machbare ins Auge faßt, die aber dabei das Ziel nicht aus den Augen verliert - auch wenn es einmal ein bißchen länger dauert, bis man das Ziel erreicht -, nämlich das Ziel einer fester gegründeten Stabilität unserer Sozialordnung. Und die können wir nur durch mehr Gerechtigkeit und bessere Leistungen der Gemeinschaft für das Ganze gewinnen. Es geht nach wie vor um Stabilität durch Reformen und nicht um Stabilität statt Reformen, wie die Primitivformel eines Teils der Opposition uns hier weismachen will. ({14}) Wir täuschen uns keinen Augenblick darüber, daß der Angriff zahlreicher Vertreter der Opposition ({15}) die Reformpolitik meint, wenn „Haushalt" gesagt wird. Ganz allgemein möchte die Opposition verhindern, daß die Regierung, die aus dem Wählerentscheid hervorgegangen ist, erfolgreich ist, daß wir erfolgreich wirken für die Bürger dieses Landes. Das werden wir aber weiter tun. Nun, Herr Kollege Barzel hat gestern das von anderen erfundene - wie ich sagen muß, törichte -Argument aufgegriffen, die Geldentwertung sei - ich habe mir selbst aufgeschrieben, was dann folgte - ein Mittel zur Änderung der Gesellschaft auf den Sozialismus hin. ({16}) Darin steckt zunächst wieder einmal eine erhebliche Portion ({17}) des Versuchs an Diffamierung, ({18}) als machten wir Geldentwertung. Und außerdem muten Sie den Bürgern, an die das doch wohl auch gerichtet ist, sehr viel zu. ({19}) Denn, meine Herren von der Opposition, ich frage Sie in aller Direktheit: Wollen Sie mit diesem Argument sagen, daß der konservative britische Premierminister oder der auch nicht gerade linkssozialistische französische Staatspräsident - um nur zwei herauszugreifen ({20}) und andere womöglich in einer Art von konspirativem Zusammenwirken mit uns ({21}) darauf aus seien, auf dem Wege über ihre Geldentwertung Sozialismus zu produzieren? Das ist doch grober Unfug! ({22}) Das ist grober Unfug, und Sie, Herr Kollege Barzel, sollten sich und uns solchen Unsinn ersparen. ({23}) Ich meine allerdings - von diesem unsinnigen Argument abgesehen -, wir brauchen in unserer Gesellschaft weniger Egoismus und mehr Solidarität. ({24}) Aber zu unterstellen, wir glaubten, irgend etwas an mehr Solidarität oder Solidarismus - oder, wenn Sie wollen, auch an demokratischem Sozialismus - durch mehr Geldentwertung zu bewirken, bedeutet, daß Sie, Herr Kollege Barzel, weit unter dem Niveau bleiben, das dem Führer der Opposition angemessen sein sollte. ({25}) Ich habe übrigens mit einer gewissen Rührung etwas nachgelesen, was im Tätigkeitsbericht 1972 des CDU-Wirtschaftsrats zu lesen steht. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren: Es hat keinen Sinn, - so steht dort - bei der Suche nach der Ursache - nämlich für das verlorengegangene Vertrauen in das, was die Unionsparteien verfochten; das ist meine Zwischenbemerkung die Schuld nur dunklen Mächten zuzuschieben und etwa auf die systematische Arbeit der Kommunisten und Marxisten in unserem Lande hinzuweisen. Die Ursache ist wohl eher in den Fehlern auf unserer Seite zu suchen. ({26}) So weit das Zitat aus dem Tätigkeitsbericht 1972 des CDU-Wirtschaftsrates. ({27}) - Verehrter Herr Kollege, wenn Herr von Bismarck in sich geht, dann sollten Sie nicht außer sich geraten! ({28}) Inzwischen sagt nun die Union, sie wolle mit uns wetteifern, wo es um Reformen geht. Das ist eine sympathische, eine begrüßenswerte Haltung. Nur: Es geht dann nicht, daß man der Bundesregierung über den Bundesrat in den Arm fällt und gleichzeitig in den CDU- und CSU-geführten Ländern solche Reden hält, wie wir sie in den letzten Wochen gehört haben. Das geht dann auch nicht. ({29}) Man könnte hier von Schizophrenie sprechen. Aber da es vorsätzliche Schizophrenie nicht gibt, ({30}) handelt es sich in Wahrheit doch um ein doppeltes Spiel. Das, meine Damen und Herren, ist genau das, was die Bürger meiner Überzeugung nach nicht wollen. So übrigens zerstört man den Föderalismus, auf den uns das Grundgesetz verpflichtet und der mir wie auch der Bundesregierung wichtig ist. ({31}) Herr Stoltenberg hat gestern mit seinen Interventionen diesen fatalen Eindruck, der sich bei vielen gebildet hatte - jedenfalls bei manchen von uns nicht -, nicht verwischen können. Herr Kollege Franke, das Wort von der Zangenbewegung ist auch eines, ({32}) das geeignet ist, ({33}) dem Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland ({34}) Schaden zuzufügen. ({35}) Denn es gibt bei den Fragen, über die wir hier streiten, im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden gleichermaßen nur eine politische Glaubwürdigkeit. Daran müssen wir uns gewöhnen. ({36}) Herr Kollege Schmidt hat nachgewiesen, ({37}) daß der Haushaltsentwurf 1973, den er unterbreitet hat, konjunkturgerecht ist. ({38}) Daran haben die Einwürfe der Opposition und die Attacken ihres publizistischen Flankenschutzes nichts ändern können. Ich sage noch einmal: Stabilitätsgerechte Politik kann keine isolierte Aufgabe des Bundes sein. Deshalb werden wir auf diesen Punkt noch zurückkommen müssen. Wir haben es mit mehrfachen Spaltungen des Bewußtseins zu tun. Die CDU/CSU-Länder verweigern mit einer Stimme Mehrheit die von diesem Haus beschlossenen Maßnahmen und fordern zugleich ein größeres Stück vom gemeinsamen „Kuchen". Wenn Herr Kollege Strauß da wäre, würde ich an dieser Stelle noch etwas deutlicher, als ich es jetzt tue, hinzufügen: Wenn ich sage, mit einer Stimme Mehrheit im Bundesrat, dann denke ich und muß ich auch immer daran denken, daß es eine Mehrheit ohne die Stimmen des Landes Berlin ist, obwohl Sie wissen, daß es eine Zeit gegeben hat, in der wir das Land Berlin zum Mitstimmen hätten bringen können. ({39}) Dies ist für mich eine politische Mauer in unserer Bundesrepublik dort im Bundesrat, die wegzuräumen lohnender gewesen wäre, als sich lange bei Schildbürgerstreichen in der Stadt von Hans Sachs aufzuhalten. ({40}) Die CDU/CSU-Fraktion hat hier der Blockadepolitik ihrer Kollegen im Bundesrat applaudiert. aber zugleich will auch sie, die CDU/CSU hier im Hause, nicht weniger, sondern mehr ausgeben. Dort, wo es populär zu sein scheint, will sie mehr, bei den Ausgaben und bei den steuerlichen Entlastungen. Der Staatsmann Kollege Windelen ({41}) hat vor einigen Tagen in der „Münsterschen Zeitung" ausweislich des Berichts des Presse- und Informationsamts ({42}) eine drastische Kürzung der staatlichen Ausgaben gefordert. ({43}) - Eine drastische Kürzung der staatlichen Ausgaben. Ich habe jetzt einmal die von der CDU/CSU geforderten Mehrausgaben - es ist doch keine Beleidigung, wenn jemand ein Staatsmann genannt wird ({44}) in den Teilbereichen zusammenrechnen lassen. Allein für 1973 betragen diese im Laufe der letzten Tage und Wochen vorgeschlagenen Mehrausgaben rund 700 Millionen DM. ({45}) Darin sind die Forderungen von wichtigen Einzelsprechern nicht mitgezählt. Wenn man die nämlich mitzählte, käme man auf Milliardenbeträge. Das ist nicht seriös und einer großen Opposition nicht angemessen, meine Damen und Herren. ({46}) Nun läßt die Opposition immer wieder erklären - und manche Publikationsorgane tun dies auch -, der Kampf gegen die Geldentwertung sei in erster Linie, wenn nicht lediglich, die Sache der sogenannten öffentlichen Hand, also eine Frage der Reduzierung öffentlicher Mittel. Ich meine jedoch, so einfach darf man es sich nicht machen, wenn man Wert darauf legt, Reformpolitik auch in bewegten konjunkturpolitischen Zeiten angemessen, wenn auch etwas langsamer, als man möchte, voranzubringen. Ich stelle in den Debatten immer wieder einen Mangel fest: man kann doch nicht zum einen munter Ausgaben beschließen wollen und sich zum anderen der Einsicht in die Notwendigkeit steuerlicher Mehrbelastungen entziehen. Das geht doch einfach nicht, meine Damen und Herren. ({47}) Es war erstaunlich, Herrn Barzel Klage darüber führen zu hören, daß die Investitionen nicht in genügendem Maße steigen. Ich kann aber auch ihm die Frage nicht ersparen, auf die er dem Bundesfinanzminister die Antwort schuldig geblieben ist: ({48}) Wie wollen Sie es eigentlich halten, Herr Kollege Barzel, Stabilität oder nicht? ({49}) Ist Ihnen der Haushalt zu groß, oder ist er Ihnen zu klein? ({50}) Sind unsere Zahlen zu hoch, oder sind sie zu niedrig? Denn was Sie zu dem Thema vorgebracht haben, das war ja und nein zu gleicher Zeit, und das ergibt keine vernünftige Politik. ({51}) Der Wirtschaftsrat der CDU, den ich schon zitiert habe, hat mit einer gewissen Selbstverleugnung folgendes festgestellt - ich darf noch einmal zitieren -: Wenn die Bundesregierung die von der Opposition geforderte Reduzierung - ({52}) - Sie fragen, Herr Kollege, „Wie lange noch?". Ich habe immer gedacht, die Opposition wollte eine ausgiebige Beratung des Haushalts. Ich bin hier durch keine Mittagspause gehindert, ({53}) sondern ich meine, der Tag steht zur Verfügung, um das weiter zu debattieren, ({54}) was uns aufgetragen ist. Der Wirtschaftsrat der CDU sagt folgendes: Wenn die Bundesregierung die von der Opposition geforderte Reduzierung des Ausgabenvolumens nicht für vertretbar hielt, hätte sie die Mehrausgaben durch Steuererhöhungen finanzieren und damit in entsprechendem Umfang private Nachfrage abschöpfen müssen. Soweit der Wirtschaftsrat der CDU in seinem Jahresbericht 1972. Davon soll nun plötzlich hier keine Rede mehr sein. Was wir wollen, ist nicht etwas, wovon der Kollege Höcherl neulich einmal gesprochen hat. Ein bedauerliches Mißverständnis, wenn ich es so nennen kann. Er hat nämlich unterstellt - und das hängt dann ein bißchen mit dem vorhin erwähnten Argument von Herrn Barzel zusammen -, ein Schwerpunkt der Aktivität dieser Bundesregierung liege in dem, wie er meinte, ideologisch motivierten Ziel, den Anteil des Staates am Bruttosozialprodukt zu vergrößern. Da ist Quatsch. Ein solches ideologisch motiviertes Ziel gibt es nicht. Was wir wollen, ist vielmehr: dort, wo es die gesellschaftliche Entwicklung erfordert, den Anteil der öffentlichen Leistungen für die Bürger vergrößern können. Darum geht es ({55}) und nicht darum, Mitbürger zu ärgern, indem man sich mehr Steuern für sie ausdenkt. Wir vermissen, wenn ich mich so ausdrücken darf, daß der Kollege Höcherl, der es sich sonst nicht so leicht macht, hier in differenziertere Gedankengänge eingestiegen ist. Hier geht es nämlich überhaupt nicht - ich sage es noch einmal - um eine ideologische Motivation, sondern um bessere Leistungen für die Menschen dieses Volkes, Hilfe vor allem für die sozial Schwachen und die, die zu kurz gekommen sind, die, wenn ich so sagen darf, links und rechts beim Vormarsch einer Marktwirtschaft liegenblieben, ({56}) die sich zu sehr als eine bloße Unternehmenswirtschaft verstand. ({57}) Hat man daran Zweifel? Wenn man sie hätte, dürfte ich vielleicht noch einmal etwas vorlesen. Und da steht dann folgendes: Es entstand das Bild vom Unternehmer, der - mit großer Tüchtigkeit - sein Unternehmen allein am Gewinn orientiert führt und aus Sorge an diesem Gewinn jede notwendige und wünschenswerte Änderung in der gesellschaftlichen Zielsetzung ablehnt, der sich gegen Umweltschutz und Arbeitszeitverkürzung, gegen flexible Altersgrenze und Kartellgesetz wehrt. Das hat kein böser Jungsozialist geschrieben, sondern das ist wieder der Text des Wirtschaftsrats der Christlich Demokratischen Union. ({58}) Plötzlich entdeckt man dann auch, daß selbst eine Unternehmerschaft, die Speerspitze des Fortschritts werden will, den Staat braucht, nicht etwa nur zur Deckung ihres Risikos - das war schon immer so; denn unter „Sozialer Marktwirtschaft" verstanden manche doch wohl nicht so sehr den Schutz der Schwachen, sondern eine Unternehmensschutzpolitik, ({59}) sondern man braucht den Staat - dies setzt sich eben mehr und mehr durch, nicht nur bei den Arbeitnehmern, sondern eben Gott sei Dank auch bei sehr vielen der Zeit zugewandten Unternehmen -, ({60}) auch, und man braucht ihn entscheidend für die großen und drängenden Aufgaben, wie z. B. den Schutz der Umweltbedingungen. Das sind bei manchen späte Einsichten. Aber es ist gut, daß sie sich Bahn brechen. Meine Damen und Herren, für uns ist der Etat, über den hier beraten wird, konjunkturgerecht und stabilitätsorientiert. So urteilen auch die meisten Fachleute, ({61}) die sich bisher haben äußern können. Und soweit nun die Preisentwicklung vom Hausgemachten mitbestimmt ist - hier komme ich noch einmal auf Helmut Schmidts gestrige Rede zurück -: ({62}) die Opposition weiß heute ganz genau, daß die entscheidenden Faktoren seit geraumer Zeit von draußen kommen. Diesen Etat der Bundesregierung geht das also nichts an; es berührt ihn nicht. Auch die bis noch vor ganz kurzem durchweg sehr maßvollen Gewerkschaften können kaum gemeint sein. Jedenfalls können wir nicht an anderen Faktoren unseres Wirtschaftslebens vorbeigehen, die entscheidend das Sagen über die Preise haben, und deshalb ist ja doch ein entscheidendes Element unserer Politik die Verschärfung der Wettbewerbsgesetzgebung, meine Damen und Herren, ({63}) für die ich ohne alle Umständlichkeit nochmals die Zustimmung aller Fraktionen dieses Hauses erbitte. ({64}) Die Ausgabenansätze im Haushalt 1973 und im Finanzplan - etwa im großen Bereich BildungWissenschaft-Forschung - sind, trotz der konjunkturpolitischen Notwendigkeiten, dem Setzen politischer Prioritäten durch die Regierung angemessen. Aber das Überbewerten der investiven Ausgaben durch die Opposition offenbart für meine Begriffe eine erstaunliche Fehleinschätzung der Reformpolitik. Sie hat sich damit nämlich auf eine zu eng technokratische Betrachtungsweise eingelassen. Gesellschaftsreform ist kein Prozeß, der sich mechanistisch aus der Höhe der investiven Ausgaben des Staates ableiten läßt. Schließlich kann Wohlstand nicht allein an Bauten und Maschinen, also am Wachstum der Güterproduktion, gemessen werden, einem Wachstum, das wahrhaftig wichtig ist, aber nicht allein. Zur besseren Lebensqualität gehören die gesellschaftspolitischen Bedingungen in unserem Staat. Ich erinnere hier nur stichwortartig an die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und - auf einem anderen Gebiet der Gesellschaftspolitik - an die Reform des Familienrechts und des Strafrechts. ({65}) Hier vermissen wir - auch hier - die Konzepte und Alternativen der Opposition. Unter den aktuellen Gesetzen hat die Kartellnovelle Vorrang. Sie kostet kein Geld, sondern sie spart Geld, sie wird Geld sparen, ({66}) und zwar für die Bürger. Reformpolitik ist eben nicht immer mit hohen Ausgaben verbunden, sondern gelegentlich auch mit einer genaueren Rechnung. Zu den Grundelementen der Reform unserer Gesellschaft gehört die Bildungspolitik. Dabei bleibt es. In dem irreführenden Streit über die Finanzierungsbasis des Bildungsgesamtplans für das Jahr 1975 ist untergegangen, daß die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung nach dem einstimmigen Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern am 23. Februar dieses Jahres jetzt die Möglichkeit hat, den Bildungsgesamtplan nach mittlerweile fast dreijähriger Arbeit in Kürze fertigzustellen. Damit wird - das wollen wir doch auch einmal festhalten, da es sich um ein so mühsames Geschäft handelt im Aushandeln der Dinge zwischen Bund und Ländern; Ländern und Bund, müßte man hier sagen , zum erstenmal in der Bundesrepublik Deutschland für die Zeit bis 1985 ein Gesamtplan für diesen geschlossenen Aufgabenbereich aufgestellt. ({67}) Er dient Bund und Ländern als gemeinsame Grundlage für die in Bildung und Wissenschaft notwendigen Reformen und Maßnahmen der nächsten zwölf Jahre. ({68}) Dies ist deswegen bemerkenswert, weil es sich um einen Bereich handelt, in dem die Länder in sachlicher wie finanzieller Hinsicht die Hauptverantwortung tragen. - Ich bin erschüttert über den Zwischenruf eines Kollegen - wenn nicht in der ersten, dann in der zweiten Bank der Opposition -, der fragt, ob denn dabei stünde, was es kostet. Der Zwischenruf zeigt: Er hat sich mit der Materie und den alternativen Ziffern, die uns alle in den letzten Monaten hätten beschäftigen sollen, überhaupt noch nicht vertraut gemacht. ({69}) Eng mit der Bildungsreform sind die Fragen der Forschung verknüpft. Eine zusätzliche Bemerkung dazu: Die Opposition beklagt Kürzungen im Forschungshaushalt. Aber die Kürzungen sehen immerhin so aus, daß ein deutlich überdurchschnittlicher Zuwachs bleibt. Mittelfristig gehört der Forschungshaushalt neben dem Sozial-, Bildungs-, Entwicklungshilfe- und Städtebauhaushalt zu den Bereichen, die etwa um die Hälfte wachsen sollen. Daran ist zu erkennen, daß dieser Bereich auch finanziell nach wie vor, wo es um die Reformpolitik geht, sehr ernst genommen wird. Allerdings müssen sich Forschung und Entwicklung insgesamt deutlicher nach dem künftigen Bedarf der Gesellschaft und ihrer Bürger richten. Genauso dringend sind schließlich die Probleme des Umweltschutzes, die ich eben schon kurz berührt hatte. Die sozialliberale Koalition hat dem Umweltschutz im Rahmen der Gesamtpolitik den Rang eingeräumt, der ihm in einem hochindustrialisierten Land zukommt. Es geht ganz wörtlich darum, unser Land lebensfähig zu erhalten und es vor einer zivilisatorischen Versteppung zu bewahren. Dies kann und dies darf nicht gegen die Technik und die Industrie, es muß mit der Technik, mit der Industrie geschehen, der hier eine besondere Verantwortung zukommt, die ihr der Staat nicht abnehmen kann und darf. Wir haben 1970 das Sofortprogramm zum Umweltschutz, 1971 das umfassende Umweltprogramm der ersten sozialliberalen Bundesregierung verabschiedet. Dadurch wurden die eigenständigen Initiativen der verschiedenen Bundesministerien koordiniert. Auf diesem Wege werden wir weiter vorangehen. Diese Debatte hat, wie ich meine, eines deutlich bewiesen: So wie wir alle noch hinzulernen müssen, ({70}) ist ganz sicher, daß der Lernprozeß der Opposition noch nicht abgeschlossen ist. ({71}) Sie wird wohl noch öfters bei den Wählern in die Schule gehen müssen, ({72}) gleichviel, wie oft Herr Strauß sein - ich sage es höflich - etwas verkantetes Verhältnis zur Demokratie ({73}) durch die Bemerkung zu erkennen gibt, daß die CDU/CSU zwar im Recht gewesen sei, aber nicht recht behalten habe. ({74}) Die Mehrheitsverhältnisse werden dadurch nicht korrigiert. Man sollte sich freilich, verehrte Kollegen, auch vor der Arroganz eines Minderheitsbewußtseins hüten, ({75}) denn dieses ist eine Gefahr für jede Opposition. ({76}) Nun gibt es einige, die sich wie der Herr Kollege Barzel bei solchen Gelegenheiten in das Schlagwort von der humanen Leistungsgesellschaft flüchten. ({77}) Ich habe Sympathie für das, was er damit sagen will, wenn man zu einer noch genaueren Definition käme. Allerdings habe ich auch mit besonderer Aufmerksamkeit den Artikel gelesen, den Professor Ludwig Erhard am vergangenen Mittwoch in der „Frankfurter Allgemeinen" publiziert hat, ({78}) in dem er eben, Herr Kollege Barzel, jene humane Leistungsgesellschaft fragwürdig nennt und nicht mit, wie er meint, seiner sozialen Marktwirtschaft in einen Topf zusammengerührt wissen will. Professor Erhard schrieb in der „Frankfurter Allgemeinen" wörtlich: ... was unter „humaner Leistungsgesellschaft" zu verstehen ist, bleibt verschwommen und in sich widersprüchlich auslegbar. Wie wahr das ist, meine Damen und Herren von der Opposition! Die schwierige Prozedur der SelbstprüBundeskanzler Brandt fung der Union scheint, wie diese Tage zeigen, keineswegs abgeschlossen zu sein. Wir können nicht der uns angeratenen Politik folgen, den öffentlichen Ausgaben eine bloße Lükkenbüßerfunktion in der Konjunkturentwicklung zuzuweisen. Das können wir nicht. ({79}) Es gibt Zusammenhänge, in denen man zu Recht nicht nur von Kürzungen reden, sondern sie auch in Anspruch nehmen muß. Aber das geschieht seitens der Opposition häufig in einem falschen Zusammenhang. Von „kürzen" kann übrigens keine Rede sein, wenn wir bei der Fortschreibung von einem Bereich der Finanzplanung zu einem anderen innerhalb des Zahlenwerks Verschiebungen vornehmen. Das wird oft nötig sein, wenn man von der Planung zur Realisierung gelangt, d. h. in diesem Zusammenhang von der Finanzplanung zum Haushaltsentwurf eines jeden Jahres. Wenn die Opposition bei jeder Etatdebatte - uns steht ja manche in den kommenden Jahren bevor - ihre Doppelstrategie zu exerzieren versucht, wenn sie gleichzeitig die öffentlichen Mittel beschneiden und unverantwortlich vermehren will - das nenne ich Doppelstrategie -, dann weckt sie bei unseren Bürgern, vielleicht gerade auch bei den jüngeren, eine Staatsverdrossenheit, vor der ich warnen muß. Die Identifikation des freien Bürgers mit diesem Staat war eines der Kernworte unserer Regierungserklärung. Wer mit einer unqualifizierten Polemik gegen eine maßvolle Reformpolitik und die damit verbundene Demokratisierung das Staatsbewußtsein mindert, der schwächt die Demokratie selbst, ({80}) der macht sich, ob er will oder nicht, einer Förderung des Radikalismus schuldig, und er gerät in Versuchung, trotz starker und markiger Worte das Recht und die Ordnung freier Menschen auszuhöhlen. Wir entscheiden uns für die Sache der selbstbewußten Bürger, und wir gehen über Reformen und mit Reformen den Weg zu einer Stabilität, die Zukunft hat. ({81})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird uns auch am Freitagmittag nicht besonders belasten, beschäftigen oder gar erregen, wenn wir sehen, daß der Herr Bundeskanzler den Bundestag soeben als eine Trainingsstätte zur Einübung auf seinen Parteitag benutzt hat. ({0}) Wir müssen aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers aber doch schließen, daß er offenbar in ganzen Bereichen, zu denen er wohlvorbereitet gesprochen hat, den Kontakt - dies wird ja auch in seiner Partei kritisiert - zu mancher Wirklichkeit verloren hat. ({1}) Wo lebt ein Bundeskanzler, der nach den mit Daten und Zahlen belegten sachlichen Argumenten der Kollegen Franke und Katzer einfach nicht zur Kenntnis nimmt, wie sich die soziale Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland darstellt? Sollte er nicht einmal Gelegenheit gehabt haben, mit irgendeinem Betriebsrat oder einem Gewerkschaftsfunktionär ({2}) - z. B. aus den Branchen, die sich jetzt wegen der Inflation, die diese Regierung bewirkt hat, in Lohnverhandlungen befinden - zu sprechen? All das ist an diesem Bundeskanzler spurlos vorübergegangen. ({3}) Herr Bundeskanzler, Ihre Rede offenbart - dies muß ich Ihnen sagen - ein unterentwickeltes Verhältnis zu dem, was Parlament und Demokratie ausmachen: nämlich Wort und Widerwort und Ringen der Meinungen, nicht aber Herabsetzen der anderen Meinung. Dazu muß hier etwas gesagt werden. ({4}) - Herr Haehser, Sie kommen noch auf Ihre Kosten; machen Sie sich keine Sorgen. ({5}) Ich muß jetzt natürlich das zurückgeben, was der Kanzler mir gestern sagte. Der Bundeskanzler hat gestern gesagt, es wäre eigentlich sehr nett gewesen, wenn der Oppositionsführer ihm persönlich mitgeteilt hätte, daß er die Absicht habe, am Morgen die Debatte zu eröffnen. Ich habe dies nicht getan, weil in allen Zeitungen stand: Der Oppositionsführer wird am Donnerstag die politische Generalaussprache eröffnen. Herr Bundeskanzler, es wäre aber natürlich auch nett gewesen, wenn Sie mich hätten wissen lassen, daß Sie heute reden. Ich wußte es nicht und habe deshalb den Anfang Ihrer Rede nicht mitbekommen. Als ich hier hereinkam, war der Einstieg für mich - ich muß jetzt ja versuchen, Ihnen aus dem Stegreif zu anworten -, daß Sie meinen Kollegen Reddemann, den Vorsitzenden des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen kritisiert haben. Sie haben Herrn Reddemann wegen eines, wie Sie es darstellten, unerhörten Vorgangs kritisiert. Ich habe mich gefragt: was hat mein Kollege wohl gemacht? Muß ich ihn vielleicht zur Ordnung rufen? - Wissen Sie, was der Punkt der Kritik war? Herr Reddemann erlaubt sich, anderer Meinung zu sein als der Herr Bundeskanzler! Deswegen wird ihm hier sofort ein Vorwurf gemacht. ({6}) Er sagt, was er denkt. Und das heißt aus dem Mund dieses Kanzlers: Ermißbraucht sein Amt. Das, Herr Bundeskanzler, ist natürlich nicht die Art, in der wir hier miteinander umgehen sollten. ({7}) Dann nehmen Sie den Bundesrat! Er ist ein Verfassungsorgan, in dem - Herr Kollege Stoltenberg hat das hier gestern vorgetragen - in einigen Dingen mit den Stimmen Ihrer sozialdemokratischen Kollegen in den Ländern eine Beschlußfassung zu Ihrer Steuerpolitik erfolgt ist. Und da der Bundes1406 Dr. Barzel rat das unerhörte Majestätsverbrechen begeht, mit Mehrheit - darunter auch Ihre Freunde - anderer Meinung zu sein, nannten Sie das „Zerstörung des Föderalismus" und „Blockade der Politik". Herr Bundeskanzler, überprüfen Sie Ihr Verständnis der Meinungsfreiheit von Verfassungsorganen! ({8}) Und da gibt es in diesem Land - das wird den Bundeskanzler beim Frühstück geärgert haben -eine Zeitung, die es gewagt hat, ihn zu kritisieren. Schon wird diese Zeitung von hier aus amtlich zum „Pamphlet" herabgewürdigt. Was soll das sein? Gestern die „Giftküche", heute das „Pamphlet"! Das ist doch der Versuch der Einschüchterung der freien Meinungsäußerung. Das darf der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hier nicht machen! ({9}) Für die Opposition haben Sie, Herr Bundeskanzler, natürlich gleich eine ganze Palette von Worten bereitgehalten. Ich habe sie mir mitgeschrieben. Was wir machen - ich bringe die Ausdrücke, wie Sie sie gebraucht haben; daraus können wir dann aussuchen -, ist nach Ihrer Meinung in der mildesten Ausdrucksweise „Diffamierung". Das ist ein Fremdwort, das nicht jeder gleich versteht. Er meinte deshalb, er könnte es an unsere Adresse sagen. Wenn wir zur Sache sprechen - wie Sie, Herr Kollege Franke, heute früh -, dann ist das natürlich - so das Kanzlerwort - „unqualifizierte Polemik". Wenn einer wagt, eine argumentative Frage zu stellen, dann ist das „Unsinn". Wenn wir hier sagen, was wir denken, ist es - so der Kanzler - „Quatsch", oder es ist „Propaganda", oder es ist „unter Niveau", oder es ist „Schizophrenie". Herr Bundeskanzler, das sind Kanzlerworte unter der Würde Ihres Amtes und unter der Würde dieses Hauses. ({10}) Ich weiß ja nicht, ob sich in Hannover die dort wohl zu erwartende Minderheit diesen Umgang gefallen lassen wird. Wir haben nicht die Absicht, dies hinzunehmen; und auch nicht eine andere Absicht, Herr Bundeskanzler: Ihnen den Gefallen zu tun, daß sich dadurch der Oppositionsführer provoziert fühlt, in ähnlich unsachlicher, herabsetzender Weise zu antworten. Das werden Sie nicht erleben. ({11}) Nachdem das, was wir über die „soziale Demontage" behauptet haben und was meine Kollegen Katzer und Franke hier heute morgen hervorragend belegt haben, durch eine Rede beantwortet wurde, die ich nur als Demontage am demokratischen Stil bezeichnen kann, ({12}) möchte ich, Herr Bundeskanzler, doch versuchen, Ihnen eines zur Sache zu sagen. Herr Bundeskanzler: Weite Kreise der Bevölkerung - daran kann doch ein Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, der der Kanzler aller ist, derjenigen, die ihn gewählt haben, und derjenigen, die ihn nicht gewählt haben, nicht vorbeigehen - befinden sich mit ihren alltäglichen Sorgen im Wettlauf mit der von Ihnen bewirkten und verantworteten Inflation. Das ist ,die Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. ({13}) Einem immer größeren Kreis fällt es schwer, dabei mitzuhalten. Das sind vor allen Dingen die sozial Schwachen. Ihnen fällt es immer schwerer mitzuhalten. Daß jetzt Bankstatistiken etwas ausweisen, ist selbstverständlich. Aber die Politik dieses Kanzlers begünstigt doch die, die jetzt Sachwerte in der Hand haben, ({14}) und sie belastet den kleinen Mann und den sozial Schwachen. Deshalb sage ich, damit es noch deutlicher wird: Inflation ist soziale Demontage, Herr Bundeskanzler! ({15}) Es war nun beinahe schon ämüsant, zu sehen, wie Sie sich an einem Papier unserer Freunde aus dem Wirtschaftsrat hochzuranken versuchten. Warum wohl? Das war natürlich auch eine Übung für Hannover Meine Damen und Herren, da war vieles, was keine Antwort wert ist. Aber eines, Herr Bundeskanzler, möchte ich doch zurückweisen. Sie haben hier - und dies ist, wie ich glaube, ein Selbsttor - etwas zum Thema soziale Marktwirtschaft gesagt. Bei der ersten Debatte im neuen Bundestag, hier im Hause, als ich sagte, in Ihrer Regierungserklärung fehle dieser Hinweis, da haben Sie gesagt: Was wollen Sie? Ich kann doch nicht dauernd das Selbstverständliche wiederholen; Friede, Marktwirtschaft - das ist doch meine Politik. - Heute werfen Sie uns vor, soziale Marktwirtschaft sei nicht sozial und nicht für die sozial Schwachen, sondern „Unternehmerschutzwirtschaft". Herr Bundeskanzler, dies ist eine Ehrabschneidung an den Männern, die vorher auf Ihrem Stuhl saßen und die erfolgreichste soziale und Gesellschaftspolitik gemacht haben, die es je in der Bundesrepublik Deutschland gab! ({16}) - Herr Kollege, der Sie dort lachen, nennen Sie doch einmal ein Land der Welt, in dem mit der Methode des Sozialismus Vergleichbares erreicht worden ist wie hier in den 20 Jahren sozialer Marktwirtschaft! Sie werden kein Land der Welt finden, weder in der sozialen Wirklichkeit noch in der humanitären Ausgestaltung, noch in dem gesellschaftspolitischen Fortschritt. Kein Land der Welt werden Sie finden. Und dann kommt dieser Kanzler her und setzt diese Ordnung, die die freieste, humanste und sozialste der Welt ist, hier herab. Das, meine Damen und Herren, nehmen wir nicht hin. ({17}) Vielleicht kann ich, Herr Bundeskanzler - da Sie von Reformen sprachen -, auf einem anderen Gebiet Ihnen doch einmal die Wirklichkeit etwas näherzubringen versuchen. Ich freue mich, daß Herr von Dohnanyi da ist. Jetzt kommt sein Punkt. ({18}) - Das wissen wir nicht. Das können wir nicht beurteilen, wie das im Kabinett ist. ({19}) - Ach, der „Spiegel" ist eine schlechte Quelle, Herr Kollege. ({20}) Meine Damen und Herren, wir haben seit dem 1. Januar 1970 zum erstenmal im Bund eine nennenswerte Zuständigkeit für die Bildung. Ich erinnere an die erste Regierungserklärung der ersten Regierung Brandt: Das sei die Priorität Nr. 1. Das stimmte mit dem überein, was die öffentliche Meinung dachte, und auch mit dem, was die Opposition dachte und hier erklärte. Der Kanzler glaubte deshalb damals - und wir haben ihm darin sogar beigepflichtet -, eine besonders glückliche Hand zu haben, als er einen parteilosen Minister nahm, um hier mit möglichst breiten Mehrheiten schnell die notwendige Bildungsreform vollziehen zu können. Das wurde kein Erfolg, Herr von Dohnanyi, wie Sie wissen. Es wurde ein Mißerfolg Wir hatten - nach zwei, drei Jahren - weder ein Bildungsbudget noch einen Bildungsgesamtplan, noch ein Hochschulrechtsrahmengesetz! Und das, meine Damen und Herren, obwohl wir Ihnen empfohlen hatten, das Geld, das Sie für Steuersenkungen verwenden wollten, zu benutzen, um z. B. den Numerus clausus zu überwinden. - Ich weiß, Sie werden daran nicht gern erinnert. Aber vielleicht darf ich Ihnen einige Tatsachen nahebringen: Der Wissenschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen stellt fest, um die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen stehe es weit schlimmer, als es der Öffentlichkeit bisher bewußt sei. Den Universitäten gehe die Luft aus. Die Landesregierung Niedersachsen beschloß im letzten Jahr, den Ausbau der Hochschulen zunächst nicht weiterzuführen und ein Jahr lang keine einzige neue Planstelle mehr zu bewilligen, - und dies, obwohl jeder weiß, welcher lawinenartige Ansturm vom nächsten Jahr an auf die Hochschulen zukommt. Fünf Präsidenten hessischer Universitäten erklären, daß angesichts der begrenzten Finanzmittel eine auf der Einheit von Forschung und Lehre beruhende, qualifizierte akademische Ausbildung in Zukunft nicht mehr gesichert werden könne; es könne allenfalls noch das Niveau der Fachhochschulen garantiert werden. Der hessische Kultusminister erklärt, die Hochschulen müßten unter dem Druck der Verhältnisse eine Verschulung und damit eine gewisse Ausbildungsnivellierung einleiten. ({21}) Das sind Tatsachen auf dem wichtigsten Reformgebiet, Herr Bundeskanzler. Diese Tatsachen sind ein Betrug an den jetzt jungen Menschen. Wenn ich dann kritisiere, daß Sie Investitionen unterlassen und daß wir dadurch ein Stück weniger sozial und modern werden, als wir sein könnten und müßten, und Sie hierherkommen und sich darüber im Grunde lustig machen, dann werden die, die das angeht, das sehr wohl merken. Denn Sie können mit immer mehr Geld immer weniger bewirken. Das sind die Realitäten. Ob Sie hier von Reformen reden, Herr Bundeskanzler: Ihr Finanzplan weist doch trotz aller Verschleierungstricks, mit denen der Kollege Schmidt - anders als seine Vorgänger - begonnen hat, aus, daß Sie in den Fragen des Umweltschutzes bei steigenden Kosten und Preisen weniger Haushaltsansätze haben, daß Sie in den Fragen der Bildungspolitik bei steigenden Kosten - ({22}) - Aber Herr Haehser, Sie sollten doch die Zahlen kennen! Früher hatten Sie einen Zuwachs der InIvestitionen von 7 % eingerechnet, jetzt von 5 %, und ,das, obwohl Sie eine Inflationsrate erwarten, die doch bedeutet, daß r e a 1 immer weniger übrigbleibt. Das ist doch der Punkt. ({23}) Herr Bundeskanzler, nachdem Sie auch erneut von sich aus gefragt haben - Sie haben das Recht zu der Frage -: Was ist Ihre - der Opposition - Alternative in dieser Frage?, möchte ich doch noch einmal versuchen, es neu zu sagen, weil das gestern zwar im Hause - dort ist es sehr gut verstanden worden -, aber offenbar - wie auch der Kollege Schmidt gestern erraten ließ - auf der Regierungsbank nicht verstanden worden ist. Herr Bundeskanzler: Wir haben uns entschlossen - das haben wir Ihnen in der ersten Debatte gesagt -, nach dem Wahlergebnis dem Wählerwillen unseren Respekt auch dadurch zu bekunden, daß wir sagen: In dem ersten Jahr Ihrer Regierung wollen wir Sie nicht in jeder Frage bedrängen und in irgendwelche Situationen durch eigene Alternativen bringen. Sie sollen einmal zeigen, wie und wann Sie die Versprechen, die Sie den Wählern gemacht haben, zu erfüllen gedenken, d. h. Sie sollen einmal zeigen, wie man regiert. Jetzt kommt der erste Haushalt, und die erste Frage der Regierung lautet: Wie sollten wir es denn eigentlich machen? ({24}) Das ist eben fundamental falsch. (Abg. Dr. Nölling: Wir wissen doch, Herr Kollege Barzel, wie wir das machen müssen! Ich schließe ja nicht aus, Herr Kollege, daß wir uns, wenn das so weitergeht und zu den Ergebnissen führt, die die Gewerkschaften wie die Unternehmen wie die Wissenschaft für dieses Jahr erwarten, aus Verantwortung vor dem Ganzen nicht scheuen, von uns aus das auf den Tisch zu legen, was - mag es auch unpopulär sein - notwendig ist, um Stabilität zu erreichen. So lange aber der Kanzler den Ernst des Problems - wie eben erneut dargetan - überhaupt nicht erkennen läßt und Sie nur hämisch sind, wenn wir einen Vorschlag machen, um dann den Interessenten zu sagen: Seht her, die Opposition gönnt euch dies oder das nicht! Herr Bundeskanzler, werden Sie neben den Rechten auch die Pflicht haben, das zu tun, was erforderlich ist, um in diesem Lande durch Stabilität überhaupt erst die Voraussetzung für Reformen zu schaffen. Die Möglichkeit für Reformen haben Sie doch verspielt und verloren. ({25}) Das ist nicht nur die Meinung der Opposition, das ist zugleich die Meinung des Sachverständigenrates.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Nölling?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne, bitte schön!

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Barzel, war Ihr Hinweis auf die Interessenten eine Antwort auf die Frage des Herrn Bundeskanzlers, wie Sie den Konflikt lösen wollen, der darin besteht, daß Sie immer höhere Ausgaben fordern, aber gleichzeitig eine Senkung des Bundeshaushalts für richtig halten?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie versuchen, dem Kanzler beizukommen. Das ehrt Sie. Ich hoffe - ich will es einmal aussprechen: wir sind doch daran interessiert, daß Ihr Parteitag einen halbwegs vernünftigen Kurs am Schluß hat; das ist doch ganz offensichtlich unser Interesse! -, daß ihm auch in der nächsten Woche viele Ihrer Kollegen beitreten. ({0}) Nun zu der Frage: Herr Kollege, ich habe das gestern früh gesagt, aber ich wiederhole das sehr gerne. Ursache für die Inflation ist nicht ein einziger Antrag dieser Opposition, Ursache für die Inflation ist die schlechte Politik dieser Bundesregierung vor allem auf dem Gebiet der Finanzen. ({1}) Alex Möller ist das beste Zeichen dafür. ({2}) - Der Kanzler hat keine zugelassen; ich glaube, mit der einen Zusatzfrage sollten wir das im Augenblick beenden, Herr Kollege. Nun muß ich Sie, Herr Bundeskanzler, doch sehr herzlich bitten. - Nein, es hat keinen Zweck, Sie darum zu bitten; Sie tun es doch nicht. Und das im Augenblick Unmögliche sollte man dann nicht verlangen. Ich will also zurückweisen, was Sie gesagt haben. Nur waren Sie so freundlich, einige von dem Vorwurf auszunehmen. Die finden das aber nicht freundlich, wenn sie ausgenommen werden. Sie haben gesagt, wir entdeckten unser Herz für die Arbeitnehmer vor Wahlen. Nun wollen wir dazu doch einmal reden! In den 20 Jahren unserer Regierung sind wir im Jahresdurchschnitt mit 2½% Preissteigerung ausgekommen, haben wir Vollbeschäftigung gehabt, wirtschaftliches Wachstum und außenwirtschaftliche Stabilität, kurzum das, was die Welt das „Wirtschaftswunder" nannte. Wir hatten den höchsten Anstieg der R e a 1 einkommen der breiten Massen, den es je in Deutschland oder einem vergleichbaren Land gegeben hat. Herr Bundeskanzler, treten Sie nicht unserer sozialen Gesinnung zu nahe! Wenn Sie Sozialismus damit meinen: dazu sagen wir nein, aber soziale Gerechtigkeit, das ist unsere Marke. ({3}) Sie haben sich ein bißchen mokiert über das, was der Parteivorsitzende der CDU zur Zeit tut. Sie haben meine Diskussionen im Volk eine „Entdekkungsreise" genannt, und der Kollege Wehner sprach von Schlagzeilen, die das bewirke. Nun, da ist z. B. ein Punkt, der uns beschäftigt, aufgekommen, und den sollte der Kanzler eigentlich zur Kenntnis nehmen, nämlich die ansteigende Zahl - trotz unseres guten, fast perfekten Systems der sozialen Sicherheit - der Mittel für die Sozialhilfe, wodurch die Gemeinden und die Städte belastet werden. ({4}) Sie nehmen das nicht in Ihren Haushalt. Sie machen munter die Inflation. Sie denken auch nicht daran, jetzt, bei den neuen Steuereinnahmen, etwa die Länder zu bedienen, die wiederum die Gemeinden bedienen müssen. Dann kommen die revierfernen Gebiete, von denen Herr Seiters und Herr Warnke gesprochen haben. Das interessiert Sie alles nicht. Aber, Herr Bundeskanzler, vielleicht lassen Sie sich einmal eine solche Statistik vorlegen. Stellen Sie einmal fest, wie es eigentlich kommt, daß dort nicht nur die Zahlen für die zwingend nötigen Mittel ansteigen, ({5}) - Herr Kollege Schellenberg, Sie sollten dem nachgehen und das abstellen -, daß immer mehr Frauen die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger bilden. Darüber sollten wir reden in dieser Inflation. Und wenn Sie mit einer sozialen Attitüde kommen, Herr Bundeskanzler, dann wollen wir darum ringen, wie wir die Frage beantworten können, die unsere Frauen beschäftigt, nämlich die Frage: Warum bekommt die Witwe weniger Rente als der Witwer? ({6}) Das sind Fragen, über die wir, wenn wir sozial reden wollen, hier vernünftig sprechen müssen. Oder wenn Sie über Reformen unter dem Gesichtspunkt ,der sozialen Gerechtigkeit sprechen wollen, Herr Bundeskanzler, dann können Sie doch nicht übersehen, daß diese Union, ohne ein Vorbild in der Welt zu haben, das man vielleicht hätte nachmachen oder von dem man hätte Anregungen beziehen können, die dynamische Rente eingeführt hat. Sie können nicht übersehen, daß diese Reform unter Ihrer Regierung notleidend geworden ist; daß Sie sich dann vor den Wahlen unser Konzept propagandistisch zu eigen gemacht haben, die Wähler getäuscht haben und nach den Wahlen sagen: ätsch, ätsch, jetzt nehme ich ein Stück dieser Versprechen wieder zurück. Das ist soziale Demontage, ob Sie beleidigt sind oder nicht, Herr Bundeskanzler. ({7}) Oder nehmen, Sie die Frage der Vermögensbildung! Jedermann weiß das ist gar kein AhaDr. Barzel Erlebnis, weil wir offen gesagt haben, daß wir mit der Vermögensverteilung unzufrieden sind, aber nicht erst seit heute -: Wir haben im Jahre 1957 eine Politik entwickelt unter der Überschrift „Eigentum für jeden", und wir haben von 1949 bis 1969 zwanzig Jahre lang darauf gewartet, zu diesem Thema des breiter gestreuten privaten Eigentums einen Hinweis, einen Antrag, einen Gesetzesvorschlag der Sozialdemokraten zu bekommen. Wir haben indessen gehandelt - mit Erfolg! ({8}) Keinen einzigen! Fehlanzeige! Null, nichts in zwanzig Jahren, und Sie wagen es, Herr Bundeskanzler, uns hier so anzusprechen! Das ist völlig unhaltbar! ({9}) Und im letzten Bundestag haben wir den Entwurf zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital der Unternehmen eingebracht. Was haben Sie damit gemacht? ({10}) Sie haben es abgelehnt, und dadurch sind zwischen 15 und 20 Millionen Deutsche Mark an persönlich verfügbaren Eigentumstiteln den Arbeitnehmern vorenthalten worden. ({11}) Und der, der diese Politik verantwortet, wagt unsere soziale Gesinnung in Zweifel zu ziehen! Dies weisen wir zurück, Herr Bundeskanzler. ({12}) Dann lesen wir in Ihren Anträgen: Beendigung dieser Politik, weil diese Politik der breiteren Vermögensbildung „das System stabilisiere". ({13}) - Ich glaube nicht, daß Sie, Herr Kollege Arndt, so etwas nachvollziehen können oder wollen. Aber wir werden sehen, wie da gekämpft wird. Wir nennen das, was diese Leute „System" nennen, den freiheitlichen, sozialen Rechtsstaat, zu dem wir stehen, den wir ausbauen, verbessern und sozial zu besseren Wirklichkeiten verändern wollen. Dazu stehen wir, meine Damen und moine Herren, und das sollte auch ,der Kanzler hier nicht in Zweifel ziehen. Wir meinen, daß dies deutlich werden kann, wenn er nun nächste Woche im Ernst versuchen muß, seine Begabung auch als polemischer Redner, die er hier heute geübt hat, unter Beweis zu stellen. ({14}) - Wir warten das ja ab. Dann kam ein Punkt, der sowohl gestern den Kollegen Schmidt wie auch eben den Bundeskanzler zu einer Replik veranlaßte. Das war mein Satz von gestern, in dem ich sagte, wir müßten uns die Frage stellen, ob hier Inflation hing e n o m m en würde als ein Mittel zur Veränderung der Gesellschaft auf den Sozialismus hin. Das hat Ihnen wehgetan, und Sie haben dies eine Diffamierung genannt, Herr Bundeskanzler. (

Willy Brandt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000246

Und Quatsch!) - Und Quatsch, ja. Das sind Ihre Worte. ({0}) Ich höre gern zu, wenn Sie sich auf diese unqualifizierte Weise selbst diskreditieren. Außerdem sind Zurufe von der Regierungsbank bisher eigentlich nicht üblich, schon gar nicht von dieser Qualität. Aber das wird jedermann hören, und jedermann wird sich seine Meinung dazu bilden. Herr Bundeskanzler, wie immer Sie die Vokabeln wählen, um mir zu nahe zu treten: ({1}) Sie werden mich nicht nur nicht provozieren, ({2}) sondern werden auch nicht erreichen, daß ich mir dadurch den Maulkorb vorhängen lasse, den Sie uns hier doch im Grunde geben wollen. ({3}) Wenn ich mir diese Rede des Kanzlers, die, wie man sehen konnte, sehr wohl vorbereitet war, noch einmal vor dem Hintergrund des gestrigen Konflikts zwischen uns ansehe, dann glaube ich, diese Rede war erneut die Bestätigung für den Satz, der sich gestern hier ergab, für den Satz nämlich, daß es zwischen Sozialdemokraten und uns nicht mehr um Punkte und Kommata geht, sondern um Grundsätze, um Wert- und Zielvorstellungen und um das Ordnungsbild. Wer, Herr Bundeskanzler, auf den Ruinen von Reformversprechen sitzend, eine Inflation bewirkt habend, so redet, wie Sie dies hier heute getan haben, als gäbe es dies alles nicht und als ginge ihn dies alles nichts an, der hat in der Tat ein anderes Ordnungsbild, als wir es haben. Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, indem Sie, wie dies geschehen ist, die Meinung der Opposition herabsetzen, es nicht ertragen können, daß Verfassungsorgane und die Opposition die Verantwortung zum Widerspruch haben, wo das Gewissen es gebietet, wenn Sie statt dessen nur Gesangvereine und Jubelchöre haben wollen: Diesen Gefallen wird Ihnen diese CDU/CSU in diesem Bundestag nicht tun; darauf können Sie sich verlassen. ({4}) Ich weiß nicht, ob es Ihnen, wenn wir die Presse von dieser Seite des Hauses sehen, im Augenblick ganz leichtfällt, die Richtlinien der Politik in der Koalition zu bestimmen; das ist Ihr gutes Recht. Wenn Sie nun aber auch versuchen, hier noch die Richtlinien für das ganze Haus zu befehlen, wenn Sie versuchen, in dieser Hinsicht dem Kollegen Schmidt nachzufolgen, ({5}) der gestern so „Kasse, marsch!" zu befehlen versuchte, egal, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen. ({6}) Herr Bundeskanzler, damit werden Sie keinen Erfolg haben. Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen. Ich habe es schmerzhaft empfunden, in welcher Weise Sie am Schluß Ihrer Ausführungen zugleich sowohl von der Qualität des Lebens, die doch diese Ihre Politik für die breiten Massen verschlechtert, als auch von befreienden zivil- und strafrechtlichen Vorschriften gesprochen haben. Herr Bundeskanzler, dies sollte kein Punkt für irgendeinen Versuch von Propaganda oder von so leichthändiger und leichtfertiger Sprache sein, wie Sie dies am Schluß taten. Hier geht es um Fundamente und um letzte Gewissensentscheidungen. Und da sollte ein Kanzler von dieser Stelle aus jene Rücksicht darauf zumindest ahnen lassen, die doch die Basis der Demokratie ist. Dies haben Sie, Herr Bundeskanzler, vermissen lassen. Daß Sie sich schlecht verteidigten, ist Ihre Sache. Daß diese Rede viel von dem einreißt, was in Monaten draußen in politischer Bildung aufgebaut worden ist, ist das andere. Nach dieser Rede werfe ich Ihnen - nach der sozialen Demontage - den untauglichen Versuch - weil er bei uns nicht fruchten wird der Demontage des demokratischen Stils vor. ({7})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({0}) - Sie sind kein guter Prophet. Sie zwingen mich nur dazu, einen Satz mehr zu sagen, als ich ursprünglich wollte. In unseren sozialdemokratischen Reihen waren wir der Meinung, die Debatte kann geschlossen werden, wenn Herr Barzel gut ist. Aufrichtig gesagt: er war wunderbar! ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Nachdem es, meine Damen und Herren, zum Schluß gelungen ist, den allseitigen Beifall des Hauses zu erreichen, stelle ich fest, daß keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der CDU/CSU gestellten Antrag zu Punkt 2 der Tagesordnung, den Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen zur Mitberatung zu überweisen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Wer den übrigen Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates einschließlich derjenigen zu dem Zusatzpunkt 1 - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Es ist entsprechend diesen Vorschlägen beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 2 bis 5 der Tagesordnung auf: 2. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten - Drucksache 7/429 - Berichterstatter: Abgeordneter Mertes 3. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten - Drucksache 7/430 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Warnke 4. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({2}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten - Drucksache 7/431 - Berichterstatter: Abgeordneter Mertes 5. Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({3}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten - Drucksache 7/432 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmude Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Wer den Anträgen auf den Drucksachen 7/429, 7/430, 7/431 und 7/432 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Ausschußanträge sind somit angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 6 der Tagesordnung auf: a) Beratung der Sammelübersicht 3 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 7/402 - b) Beratung ,der Sammelübersicht 4 des Petitionsausschusses ({5}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 7/410 Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den Sammelübersichten 3 und 4 auf den Drucksachen 7/402 und 7/410 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! -Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Mai 1973, 14 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.