Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung - Drucksache 7/5314 - ergänzt werden. - Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Beschluß des Assoziationsrates EWG-Griechenland zur Änderung des Beschlusses Nr. 2/75 über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen zur Anwendung der Art. 7 und 8 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({0}) Nr. 1496/75 vom 11. Juni 1975 zur Durchführung der Vorschriften über den Warenverkehr zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland, die infolge der Ausdehnung der Assoziation auf die neuen Mitgliedstaaten erlassen wurden ({1})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinien des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Tierarzneimitteln ({2})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({3}) des Rates über die Verlängerung der Ausnahmeregelung bei der Einfuhr von Butter aus Neuseeland in das Vereinigte Königreich ({4})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Assoziationsrates EWG-Türkei zur Änderung des Beschlusses Nr. 5/72 über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen zur Anwendung der Artikel 2 und 3 des Zusatzprotokolls zum Abkommen von Ankara
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 428/73 vom 5. Februar 1973 über die Anwendung der Beschlüsse Nr. 5/72 und Nr. 4/72 des im Abkommen über die Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vorgesehenen Assoziationsrates ({6})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({8}) Nr. 2742/75 über die Erstattung bei der Erzeugung für Getreide und Reis ({9})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 72/159/ EWG, 72160/EWG, 72/161/EWG, 73/131/EWG und 75/268/EWG über die Reform der Landwirtschaft ({10})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung ire Rat
Verordnung ({11}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({12}) Nr. 986/68 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke ({13})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({14}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({15}) Nr. 557/76 über die in der Landwirtschaft anzuwendenden Umrechnungskurse, mit der die Verordnung ({16}) Nr. 475/75 aufgehoben wird ({17})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({18}) Nr. 1179/76 des Rates vom 18. Mai 1976 zur Änderung der in der Verordnung ({19}) Nr. 3328/75 vorgesehenen Einfuhrregelung für Rindfleisch mit Ursprung in bestimmten Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({20}) Nr. 1198/76 des Rates vom 18. Mai 1976 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Äpfel für Juni 1976
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Ich schlage vor, daß wir mit dem Zusatzpunkt:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung
- Drucksache 7/5314 beginnen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die Bundesregierung wünscht keine Begründung des Entwurfs vorzunehmen. Das Wort wird auch zur Aussprache nicht begehrt. Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe nunmehr Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann, Kern, Egert, Dr. Bardens, Spitzmüller und der Fraktionen der SPD, FDP
betr. Krebsforschung
- Drucksachen 7/3236, 7/4711, 7/4815 Für diese Große Anfrage ist nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Dauer der Aussprache auf 180 Minuten festgelegt. Ich gehe davon aus, daß das Haus mit dieser Vereinbarung einverstanden ist. - Es ist so beschlossen.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Kern das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich Ende 1974 in meiner Fraktion und beim Koalitionspartner anregte, eine Große Anfrage zur Krebsforschung einzubringen, mußte ich zunächst feststellen, daß viele in diesem Hause mit dem Thema Krebsforschung schreckliche Erfahrungen verbinden. Sie mußten an krebskranke Freunde und Verwandte denken, die nicht mehr geheilt werden konnten. Die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen entspringt daher der Sorge, daß immer mehr Menschen an Krebs erkranken und daß vielleicht nicht alles getan wird, um die Krebsforschung in der Bundesrepublik voranzubringen.
Hinzu kommt, daß Krebsforschung heute in der Bundesrepublik auf vielfältige Weise gefördert wird, so daß sich die Frage stellt, ob weniger nicht mehr wäre, wenn es gelänge, alle Aktivitäten der Krebsforschung so zu koordinieren, daß jeder vom anderen weiß, was er tut, und ein arbeitsteiliges Vorgehen unnötige Doppelarbeit vermeidet.
Krebsforschung wird heute vor allem von den Ländern an den wissenschaftlichen Instituten und Kliniken der Hochschulen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch Einzelfördermaßnahmen und Sonderforschungsbereiche, von der Max-Planck-Gesellschaft und ihren Instituten mit naturwissenschaftlicher und medizinischer Ausrichtung, von der pharmazeutischen Industrie in Entwicklungslaboratorien und schließlich vom Bund im Rahmen verschiedener Fachprogramme sowie seit einigen Jahren vom Land Baden-Württemberg zusammen mit dem Bund im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg gefördert.
Durch unsere Große Anfrage wollten wir alle in der Krebsforschung Tätigen auf den Weg der Kooperation und Koordination drängen - wohl wissend, daß dies wegen der außerordentlich komplizierten Kompetenzverteilung sehr schwierig ist. Aber sollte nicht die Not der Menschen, die an Krebs leiden und sterben, und derjenigen, die in Krebsangst leben, die Phantasie beflügeln und Hindernisse und Grenzen überspringen helfen? Wenn heute täglich nahezu 400 Menschen in der Bundesrepublik an Krebs sterben, dann kann man kein Verständnis für Kompetenzgerangel, Rivalitäten und Eifersüchteleien aufbringen. Um es deutlich zu sagen: Es gibt keine CDU-Krebsbekämpfung im Gegensatz zur SPD-Krebsbekämpfung.
({0})
Es gibt keine Länderkrebsbekämpfung im Gegensatz I zur Bundeskrebsbekämpfung. Es gibt auch keine Krebsbekämpfung der Grundlagenforschung im Gegensatz zur Klinikforschung. Konkret heißt dies, daß es allerhöchste Zeit ist, daß es nach der Neuorganisation, die im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg erfolgt ist, zu einer integrierten Krebsforschung und Krebsbekämpfung zusammen mit den Heidelberger Kliniken kommen muß.
Wesentliche Aufgaben einer derartigen Modellinstitution in Heidelberg wären dabei: Erstens Entwicklung und klinische Erprobung neuartiger Methoden der Früherkennung und Diagnostik; zweitens Erarbeitung und kritische Anwendung neuer therapeutischer Verfahren; drittens Effizienzkontrolle bisher bestehender und in Erprobung befindlicher Diagnostik- und Therapieverfahren; viertens bestmögliche diagnostische, therapeutische und sozialmedizinische Versorgung der Krebskranken durch praktizierte interdisziplinäre Zusammenarbeit und koordinierte Nachsorge; fünftens Einbeziehung moderner Ansätze der ärztlichen, psychologischen und sozialmedizinischen Rehabilitation in die Onkologie ; sechstens sozialmedizinische und psychologische Begleituntersuchungen des Krebsproblems als kritischen Faktors in der Gesundheitsvorsorge; siebtens Entwicklung realisierbarer Modelle für ambulante Massenuntersuchungen auf bestimmte Organkrebse; achtens Planungen und Kordinationen überregionaler Projekte auf epidemiologischem, diagnostischem und therapeutischem Sektor - eine intensive Zusammenarbeit mit der Tumorklinik in Essen und einschlägigen Universitätsinstitutionen und Behörden ist hierbei unerläßlich -; neuntens aktive Teilnahme an internationalen Forschungs- und Therapieprojekten sowie Anschluß an bereits bestehende Datenverarbeitungs-/Informationsnetze im Bereich der Onkologie; zehntens Förderung aller innovativen Tendenzen im Bereich der medizinischen Technologie und der Organisationsformen moderner Versorgungssysteme, soweit sie für die Aufgaben der Krebsforschung und -bekämpfung relevant sind.
Der unzureichende Stand der deutschen Forschung im internationalen Vergleich ist offenbar. Verwiesen sei auf die niederschmetternden Ergebnisse von S. Honda vom Japanischen Nationalen Krebszentrum in Tokio, über die die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 23. Oktober 1974 berichtete. In der Rangliste der wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus dem Gebiet der Krebsforschung liegt die Bundesrepublik an 13. Stelle, hinter den Vereinigten Staaten, England, Frankreich, Kanada, Japan, Schweden, Italien, Israel, Niederlande, Australien, Sowjetunion und Belgien.
Die Analysen von Honda legen den Schluß nahe, daß die deutsche Krebsforschung weder quantitativ noch qualitativ dem internationalen Niveau entspricht. Der unzureichende Stand der deutschen Krebsforschung ist aber nicht allein auf DiskontinuiKern
tät der Forschungs- und Ausbildungstradition in Deutschland zurückzuführen, sondern ebenso auf die, wenn auch entschuldbare, Konzeptionslosigkeit und die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Koordination der Forschung, die eine inhaltliche Abstimmung über Zielsetzungen wie im Bildungsbereich in der parteipolitischen Polarisierung ersticken.
Die Bundesregierung konnte daher über die Prüfung von Vorschlägen der Kooperation von an der Krebsforschung beteiligten Institutionen noch nicht weit hinauskommen. Während der langen Bearbeitungszeit dieser Großen Anfrage wurden einige Schritte in der richtigen Richtung getan. So wurde im vergangenen Jahr ein Sachverständigenkreis zum Thema „Technologien für die Krebsfrüherkennung" vom Bundesministerium für Forschung und Technologie berufen mit der Folge, daß bereits in diesem Haushaltsjahr für diesen Forschungsschwerpunkt 8 Millionen DM aufgewendet werden.
Das Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat im Oktober letzten Jahres nach kritischer Diskussion mit in- und ausländischen Experten das Programmbudget 1976 für den Planungszeitraum 1975 bis 1979 vorgelegt und sich dabei bewußt auf fünf Forschungsschwerpunkte beschränkt: 1. Krebserzeugende Faktoren und Umweltkarzinogene, 2. Mechanismen der Krebsentstehung, 3. Erkennung und Früherkennung der Krebskrankheiten, 4. Therapie der Krebskrankheiten und 5. biologische Grundlagen der Tumortherapie. Es ist gut, daß sich das Krebsforschungszentrum im Interesse von Kosten- und Zeitersparnis auch um eine internationale Arbeitsteilung und Abstimmung bemüht. Diesem Ziel dient z. B. ein Workshop des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg mit dem National Cancer Institute der Vereinigten Staaten, der in diesem Monat in Heidelberg stattfindet. Wie wichtig die Bundesregierung die internationale Zusammenarbeit nimmt, ist in der Antwort auf die Frage 1 der Großen Anfrage deutlich geworden. Daß es heute für jeden Wissenschaftler und Arzt in der Bundesrepublik möglich ist, aus dem in deutschfranzösischer Gemeinschaft aufgebauten elektronischen Krebsliteratur-Informationssystem in Heidelberg kostenlos Informationen abzurufen, verdient besondere Erwähnung.
Vor wenigen Wochen haben die Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und für Forschung und Technologie gemeinsam einen Diskussionsentwurf eines längerfristigen Rahmenprogramms „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit" vorgelegt. Dieser Weg scheint mir angesichts der komplexen Struktur der Verantwortlichkeiten im Gesundheitswesen gerade auch für die Krebsforschung richtig zu sein. Angesichts dieser schrecklichen Krankheit kommt es darauf an, daß alle Verantwortlichen, Ärzte, Wissenschaftler, aber auch Politiker sich nicht nur der Diskussion stellen, sondern zur Konkretisierung und richtigen Schwerpunktbildung beitragen, damit die Ergebnisse der Forschung in die Praxis umgesetzt werden können. Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes notwendig, um den Menschen in unserem Lande zu helfen und zu dienen. Ich hoffe, daß uns die heutige Debatte weiterbringt.
({1})
Das Wort hat Frau Bundesministerin Focke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute die Erkenntnisse der Krebsforschung in der Erwartung bewertet, daß sich nun endlich bahnbrechende Ergebnisse abzeichnen, der wird enttäuscht sein. Trotz großer Anstrengungen der für die Forschungsförderung Zuständigen, u. a. auch des Bundes, trotz der Einrichtung von Großforschungseinrichtungen, wie dem Deutschen Krebsforschungszentrum, trotz einer Verbesserung des internationalen Forschungsverbundes konnte die endgültige Lösung des Krebsproblems bislang nicht gefunden werden. Zwar hat sich die große Meinungsvielfalt verdichtet, und es erscheint so, als ob eine schrittweise Erhellung des Grundproblems in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sind aber, gemessen an der Forschungsintensität im In- und Ausland, an der Länge der Zeit, während der sie bereits durchgeführt wird, vor allem jedoch auf dem Hintergrund der allgemeinen Erwartungen nicht zuletzt der Betroffenen selbst unbefriedigend. Krebs kann offenbar durch hunderte von ursächlichen Faktoren ausgelöst werden, die einzeln oder kombiniert über mehr oder minder lange Zeit und auch noch in verschiedener Form wirksam werden. Dies ist eine Erklärung für die unvergleichbare Problemstellung der Forschung auf diesem Gebiet; aber sie wirkt auf die allgemeine Erwartung eher dämpfend. Deshalb ist es wichtig, im Bereich der Krebsbekämpfung, um die es gesundheitspolitisch schließlich geht, die Chancen besser zu nutzen, die nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse heute schon gegeben sind.
Die Bedeutung, die wir der Krebsforschung in ihrer ganzen Breite beimessen, wird dadurch dokumentiert, daß sie zu den besonderen Schwerpunkten gehört, die in dem Entwurf des Rahmenprogramms „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit" genannt sind, welches der Bundesminister für Forschung und Technologie gemeinsam mit mir vor kurzem vorgelegt hat.
Lassen Sie mich dazu einige Anmerkungen machen. Wir sind bei der Vorlage des Diskussionsentwurfs davon ausgegangen, daß die vom Bund geförderte Forschung stärker als bisher in den Dienst der Gesundheit gestellt und auf gesundheitspolitisch bedeutsame Gebiete konzentriert werden muß. Mit dem Programm, das jetzt mit allen Beteiligten diskutiert wird, ist aus der Sicht des Bundes ein Rahmen abgesteckt worden, innerhalb dessen trotz der Begrenzung der Mittel, die uns zur Verfügung stehen, Forschung im Dienst der Gesundheit wirkungsvoll durchgeführt werden kann.
Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Aufgabe nicht allein dem Bund zufällt, sondern daß es wesentlich darauf ankommen wird, alle an der Forschungsförderung oder der Forschung selbst BeteiBundesminister Frau Dr. Focke
ligten dazu anzuspornen, für die weitere Erarbeitung dieses Programms und schließlich für seine Durchführung einen Beitrag zu leisten.
Dieses Programm soll die Voraussetzungen dafür verbessern, daß die Forschungsaktivitäten mehr als bisher aufeinander abgestimmt und zusammengeführt werden, daß Schwerpunktbildungen dort erfolgen, wo sie gesundheitspolitisch besonderes Gewicht haben, und daß die Aufgaben- und Arbeitsteilung zwischen dem Bund und den anderen die Forschung fördernden Einrichtungen - wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Stiftung Volkswagenwerk - und den Ländern weiter verbessert werden kann. Im Interesse der Lösung gesundheitspolitisch wichtiger Forschungsprobleme - und dazu gehört vorrangig auch die Forschung im Bereich der Krebsbekämpfung - muß die partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht nur zwischen dem Staat und den Institutionen der Forschungsförderung, den Einrichtungen des Gesundheitswesens und schließlich der Wissenschaft selbst verstärkt werden, sondern in besonderer Weise auch mit der Industrie.
Forschung im Dienst der Gesundheit darf sich ebensowenig wie die Gesundheitspolitik auf medizinische Fragestellungen beschränken. Das Programm geht folgerichtig über diesen traditionellen Rahmen hinaus und bezieht schon die Risikofaktoren und Entstehungsbedingungen von Krankheiten wie auch die Forschung zur strukturellen Verbesserung des Systems der gesundheitlichen Versorgung ein und ist deshalb als eine an den Notwendigkeiten der Gesundheitspolitik orientierte forschungspolitische Willenserklärung zu verstehen.
Bei der gegebenen Situation in der Krebsforschung und ihrer mutmaßlichen weiteren Entwicklung müssen wir den Mut aufbringen, uns darüber klar zu werden, daß sich hier die Erwartung offenbar nicht erfüllen läßt, die auf die einfache Formel zu bringen wäre: Mehr Geld schafft mehr Forschungskapazität; mehr Forschungskapazität bringt schneller bessere wissenschaftliche Erkenntnisse über das Wesen der Krebserkrankungen. Geradezu verhängnisvoll könnte es sein, wenn diese uns gewohnte Verknüpfung, bei der die wirksame Behandlung immer und allein von den Erkenntnissen über die Ursachen der zu behandelnden Krankheiten abhängig ist, alternative Entwicklungen lähmt.
Der heute verbreiteten Resignation, die sich in der Auffassung, Krebs sei nicht heilbar, ausdrückt, gilt es entgegenzuwirken. Sie darf auch durch diese Debatte keine neue Nahrung bekommen. Denn sie lähmt gerade jene Aktivitäten, die wir im Bereich von Früherkennung, Vorsorge wie auch Nachsorge mobilisieren müssen, damit die Voraussetzungen geschaffen werden, die die heute von vielen Ärzten und Wissenschaftlern geteilte Auffassung rechtfertigt: Krebs ist heilbar.
Wir müssen uns von der gewohnten Vorstellung freimachen, daß die Grundlagenforschung absolute Priorität hat. Das bedeutet natürlich nicht, daß hierfür keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden müssen.
Entscheidend ist für die Grundlagenforschung, daß sie durch einen möglichst engen internationalen Verbund nicht nur effizienter, sondern durch den Wegfall von Informationsschranken und durch die engere wissenschaftliche Kooperation hoffentlich auch effektiver wird. Die Entwicklung gemeinsamer Arbeitsprogramme wird dazu wesentlich beitragen können, ohne daß sich neue nationale oder überregionale Krebsforschungsprogramme entwickeln müssen, deren Planung bei der in der Krebsforschung nun einmal gegebenen Situation kaum oder nur bedingt möglich erscheint.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist allerdings ein Abbau des Forschungsegoismus, der z. B, die vollständige Übersicht über die laufenden, vor allem aber über die geplanten und vorbereiteten Forschungsvorhaben im Bereich der Krebsforschung blockiert. Überregionale Zusammenarbeit, offene Kooperation und fortlaufender Verfahrensaustausch können hierzu einen Beitrag leisten.
So wie sich die Situation darstellt - lassen Sie mich das noch einmal nachdrücklich sagen -, ist die Grundlagenforschung nicht als unabdingbare Voraussetzung für alle anderen Aktivitäten im Bereich der Krebsbekämpfung zu sehen. Die angewandte Forschung gewinnt gerade im Bereich der Krebsbekämpfung eigenständiges Gewicht. Dazu gehört insbesondere die klinische Krebsforschung, von der Erkenntnisse für die Diagnostik von Krebserkrankungen und vor allem für geeignete Behandlungsformen erwartet werden können. Es gehören aber auch dazu die epidemiologische Krebsforschung und Forschung im präventiven Bereich, die unmittelbar Vorsorge und Früherkennung bestimmen. Ihnen sind besondere Prioritäten einzuräumen.
Der letzte Teilbereich - Vorsorge und Früherkennung - verdient gesundheitspolitische Aufmerksamkeit. Neben den Früherkennungsuntersuchungen, die seit 1971 als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellt werden und die Schritt für Schritt auch noch erweitert werden müssen, wird es künftig darauf ankommen, für möglichst viele der bösartigen Neubildungen Risikobefunde zu ermitteln, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu Krebserkrankungen führen, um diese bösartigen Erkrankungen nicht erst dann zu erfassen, wenn sie bereits vorhanden sind.
Dieser spezielle Vorsorgeaspekt muß wissenschaftlich weiter abgesichert werden. Viese Krebserkrankungen - und darauf kann, um die allgemeine Krebsangst abzubauen, nicht oft genug hingewiesen werden - sind heilbar, wenn sie rechtzeitig erkannt, bestmöglich behandelt und vor allem auch in der Nachsorge konsequent versorgt werden. Leider sind derzeit noch die Frühformen verschiedener Krebserkrankungen nur durch einen mit hohen Kosten verbundenen technischen Aufwand zu erkennen. Diese Techniken können deshalb nicht allgemein eingesetzt werden.
Die Schaffung der Voraussetzung dafür, daß diese Techniken mit einem vertretbaren Aufwand und mit ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen, ist
mittelbar auch ein Feld künftiger Krebsforschung. Gerade in diesem Zusammenhang zeigt sich eine besondere Problematik.
Ein Beispiel dazu. Die Heilungschancen bei Magenkrebs werden heute allgemein mit 50 % angegeben. Sie könnten auf 80 oder sogar 90 % angehoben werden, wäre es möglich, die bereits verfügbaren röntgenologischen und endoskopischen Untersuchungstechniken auf breiter Basis zur Früherkennung einzusetzen. Das ist aus Gründen der verfügbaren Kapazität und der anfallenden Kosten nicht möglich. Für viele Menschen, die an Magenkrebs erkranken, wird deshalb das Frühstadium der Erkrankung nicht erkannt; ihre Heilungschancen verstreichen ungenutzt.
Gleiches gilt für die Aufdeckung von Frühformen anderer Krebserkrankungen, so z. B. denen der weiblichen Brust. Daraus ergibt sich die Diskrepanz, daß wir über den Techniken bereits verfügen, um Krebserkrankungen im Frühstadium zu entdecken, wir diese Techniken aber nicht allen möglicherweise Betroffenen zugänglich machen können, weil sie derzeit noch zu ungezielt eingesetzt werden und daher noch zu kostenaufwendig sind, weil es zu wenige Apparate gibt, mit denen diese Techniken durchgeführt werden können, und zu wenige Ärzte, die mit dieser Technik vertraut sind. Diese Situation ist eine Notlage, die es vordringlich zu beseitigen gilt.
Ein weiterer bislang vernachlässigter Bereich der Krebsbekämpfung ist die Nachsorge. Hier gilt es nicht nur Organisationsmodelle zu entwickeln, sie in ihrer Effektivität und Effizienz zu überprüfen, sondern vor allem die Nachsorgeprogramme für die verschiedenen Krebsformen nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu standardisieren, damit die Patienten einer bestmöglichen Betreuung unterzogen werden können. Heute noch sterben viele Menschen unnötigerweise nach einer durchaus erfolgreich verlaufenen Krebsbehandlung, weil die Nachbetreuung ungenügend war oder vernachlässigt wurde und Rückfälle nicht rechtzeitig erkannt werden konnten. In diesem Zusammenhang sind die gesundheitliche Aufklärung und die mit ihr verbundenen Forschungsansätze zu bedenken.
Wir müssen feststellen, daß von dem Früherkennungsangebot nur ungenügend Gebrauch gemacht wird. Wir finden immer wieder, daß vom einzelnen Bürger zu erkennende Warnzeichen übersehen wurden und der Arzt erst später - manchmal zu spät - aufgesucht worden ist, als dies hätte möglich sein können. Offenbar wissen wir immer noch nicht genug darüber, wie wir den einzelnen Bürger besser motivieren können, sich gesundheitsgerecht zu verhalten, sich das Wissen anzueignen, welches ihm helfen kann, Risiken zu erkennen, und Entscheidungshilfen zu entwickeln, diese Risiken abzubauen. Zu dem breiten Feld der angewandten Forschung für die Krebsbekämpfung gehört dieser Aspekt nicht zuletzt deswegen, weil er beitragen kann, die noch immer weit verbreitete Krebsangst abzubauen, die rechtzeitige Vorsorge nur allzu häufig blockiert.
Wir haben auf die Besonderheiten der Krebsforschung, auf ihre Schwierigkeiten, auf die Möglichkeiten, sie zu intensivieren, in unserer Antwort auf die Große Anfrage hingewiesen. Obwohl keiner abstreiten wird, daß wissenschaftlich auf den Gebieten der Grundlagenforschung, aber auch auf denen der Epidemiologie und der klinischen Krebsforschung mit ihren Ausstrahlungen in die Bereiche der Prävention und der Nachsorge noch sehr viel zu tun bleibt, obwohl auch wissenschaftspolitisch noch wichtige Entscheidungen für die Krebsforschung zu treffen sein werden und wir alle nach wie vor mit Ungeduld auf die wissenschaftliche Klärung der Ursachen der Krebserkrankungen warten, kann ich als gesundheitspolitische Bilanz aus der gegebenen Situation nur wiederholen, was in unserer Antwort ganz bewußt und ganz betont als abschließende Aussage dargelegt worden ist: Wenn es gelingt - dieses Wenn ist jeweils eine zielorientierte programmatische Aussage -, die finanzielle Forschungsförderung in dem derzeit vorgesehenen Umfang sicherzustellen und eine stärkere Kooperation auch über die Grenzen hinaus in der hier mehrfach erwähnten Art zu erreichen, wenn es gelingt, die Krebsforschung institutionell wie dargelegt weiterzuentwikkeln und wenn gleichzeitig das Patientenverhalten so verändert werden kann, daß die Früherkennungsangebote wahrgenommen werden, wenn die Ärzte besser in den Stand gesetzt sind, Krebserkrankungen frühzeitig und genügend sicher zu erkennen, was die Neu- und Fortentwicklung technischer Diagnosehilfen voraussetzt, dann, meine Damen und Herren, sollte es möglich sein, den Krebserkrankungen schon bald Schritt für Schritt ihren Schrecken zu nehmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt, daß durch die Große Anfrage zur Krebsforschung im Deutschen Bundestag die Gelegenheit gegeben wird, diesen wichtigen Problembereich zu diskutieren. Wie Sie sich sicherlich erinnern werden, haben wir im vorigen Jahr anläßlich der Debatte unserer Großen Anfrage zur Situation im Gesundheitswesen mit Rücksicht auf die Krebsanfrage unserer Kollegen aus SPD und FDP die Erörterung dieses Teilbereiches zunächst ausgeklammert. Für die gesundheitspolitische Debatte des Jahres 1975 wie aber auch für den heutigen Tag gilt die gleiche Feststellung: Es bedarf offensichtlich erst parlamentarischer Initiativen, bevor die Bundesregierung Auskunft über ihre gesundheits- und forschungspolitischen Zielsetzungen gibt. Der lange Zeitraum zwischen Fragestellung und Beantwortung zeigt, daß sich die Bundesregierung erst die notwendigen Informationen verschaffen mußte. Die Bundesregierung brauchte ein Jahr zur Beantwortung. Dies ist für den Informationsstand in den zuständigen Ministerien kennzeichnend und läßt obendrein auf Kompetenzschwierigkeiten schließen. Wenn in einem wichtigen Problembereich wie der Krebsforschung und Krebsbekämpfung letztlich fünf Bundesministerien Zuständigkeiten besitzen, so sind Leerlauf, Kompetenz17838
streitigkeiten und unterschiedliche Bewertungen zwangsläufig.
Wir stimmen mit unseren Kollegen aus den anderen Fraktionen darin überein, daß die Regierung größere Anstrengungen darauf verwenden müßte, die Forschung im Dienste der Gesundheit effektiver zu gestalten. Hier sind schwerwiegende Versäumnisse dieser Bundesregierung zu erkennen. Die Antwort der Regierung auf die Anfrage sowie andere Verlautbarungen berechtigen zu dieser kritischen Feststellung. Die Bundesregierung verspricht in ihrer Antwort zwar, „zu prüfen", „zu klären" und „darauf hinzuwirken", ohne daß diese Absichtserklärungen mit verbindlichen Festlegungen oder eindeutigen Stellungnahmen verbunden werden. Allein die Tatsache, daß die Bundesregierung in drei gleichzeitig herausgegebenen Publikationen unterschiedliche Behauptungen zum Stand der Krebsforschung vertritt, beweist, daß von dieser Regierung in dieser Sache, um die es uns allen geht, wenig zu erwarten ist. Unter dem Titel „Leistung verdient Vertrauen - eine Bilanz nach sieben Jahren sozialliberaler Regierung" wird in dem mehr als dürftig ausgefallenen Kapitel „Gesundheitswesen" behauptet: gezielte Förderung der Krebsforschung auf mehreren Gebieten, Spitzenstellung deutscher Forscher. So lautet also die für den Wahlkampf bestimmte Propaganda.
In der Antwort der Regierung auf die Anfrage lesen wir hingegen, es sei schwierig, über den Stand der deutschen Krebsforschung gültige Aussagen zu machen. „Nimmt man" - so fährt die Regierung fort - „die deutschen Beiträge in international anerkannten Fachzeitschriften als Beweis, so hat Deutschland eine durchaus angemessene Stelle inne." - Vorhin hat der Kollege Kern mit Recht auf Untersuchungen hingewiesen, nach denen diese Behauptung nicht zutreffend ist, so daß sich die Regierung diese Information offensichtlich nicht beschafft hat. Der Bundesregierung hätte doch nicht verborgen bleiben dürfen, daß, wie sich aus den im „International Journal of Cancer", Band 13, veröffentlichten Daten ergibt, in den fünf führenden internationalen Krebszeitschriften im Zeitraum von 1966 bis 1971 der deutsche Anteil bei 0,64 % liegt und damit den 13. Rang erreicht. Selbst in der europäischen Literatur liegt die Bundesrepublik hinsichtlich der Veröffentlichungen auf dem siebenten Rang. Diese Aufstellung ließe sich beliebig fortsetzen, etwa hinsichtlich der Zahl der Stipendiaten, die Möglichkeiten in der Bundesrepublik nutzen. Diese und andere Beispiele zeigen, wie wenig sorgfältig die Fragen der Kollegen von SPD und FDP letztlich beantwortet wurden.
Niemand wird bestreiten wollen, daß die Bundesrepublik Deutschland über international anerkannte Forscher verfügt. Das ist aber doch wohl nicht das Verdienst der Regierung. Auch der Beweis für die behauptete gezielte Förderung der Krebsforschung durch die Regierung wird nicht angetreten. Vielmehr muß die Regierung in der Antwort, über die wir heute debattieren, eingestehen, daß in der Krebsforschung und Krebsbehandlung in der Bundesrepublik Deutschland Lücken auf folgenden Gebieten bestehen - ich zitiere - : 1. Zellbiologie maligner
Tumore, 2. Genetik eukaryonter Systeme, 3. Virusforschung, 4. Immunologie, 5. Versuchsplanung, 6. kliniknahe Grundlagenforschung, 7. experimentelle Chemotherapie, 8. Molekularbiologie, 9. klinische Onkologie, 10. Tumorepidemiologie, 11. Nachsorge und Rehabilitation.
Meine Damen und Herren, ich frage: Welche Gebiete bleiben denn nach dieser Aufzählung überhaupt noch übrig?
({0})
Welche Gebiete werden so gezielt gefördert, daß von einer Spitzenstellung einerseits und von optimaler Abdeckung von Teilgebieten andererseits überhaupt die Rede sein kann?
In dem Regierungsentwurf des Rahmenprogramms „Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit" werden ebenfalls Bereiche aufgezählt, in denen Mängel offensichtlich sind und wo künftig Schwerpunkte in der Forschung vorgesehen werden sollen. In dem Kapitel „Bösartige Neubildungen" kommt man zu vernichtender Kritik der Situation in Forschung, Prävention und Behandlung in diesem Lande. So heißt es in diesem Diskussionsentwurf:
Auf Grund des Mangels einer zuverlässigen Statistik der Krankheitshäufigkeit können weder zum Risiko, an einzelnen Tumorformen zu erkranken, noch zu den weiterhin vermuteten Umwelteinflüssen auf die Krebsgefährdung sichere Angaben gemacht werden.
Dadurch wird eine wirksame Prävention sehr erschwert und eine Bewertung der Effizienz von Früherkennungsprogrammen praktisch unmöglich. Auch in der Therapie von Krebserkrankungen steht ein weitgehend individuelles und somit nicht standardisiertes Vorgehen im Vordergrund.
An anderer Stelle wird ausgeführt:
Diese Aufgaben
- nämlich die Forschung im Grundlagenbereich erfordern Forschungen in medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern, die teilweise in der Bundesrepublik als lückenhaft anzusehen sind. Eine optimale Abdeckung aller Probleme in einem Land ist nicht möglich. Anzustreben ist vielmehr eine noch stärker abgestimmte internationale Verbundforschung.
Ein zunehmend wichtiger werdendes Forschungsfeld, das ein besonderer Schwerpunkt künftiger Forschungsmaßnahmen sein muß, ist die klinische Krebsforschung, von der Erkenntnisse über wirksame diagnostische und therapeutische Maßnahmen erwartet werden. Gemessen an anderen Ländern
- fährt diese Publikation der Bundesregierung fort ist für die Bundesrepublik Deutschland ein Rückstand festzustellen.
Welch ein Gegensatz zwischen diesen Aussagen, die ich hier zitiert habe! Auf der einen Seite kühne Behauptungen, die für den Wahlkampf bestimmt
sind, in der Antwort der Bundesregierung falsche Auskünfte und ausweichende Antworten, und im Rahmenprogramm eine nüchterne, differenzierende Analyse. Welche der Aussagen dieser Regierung trifft nun wirklich zu?, frage ich und fragt sicher auch die interessierte Öffentlichkeit.
Ich darf Sie, Frau Bundesminister, auffordern, zu diesen widersprüchlichen Aussagen hier und heute eine Erklärung abzugeben.
({1})
Können Sie das nicht, so vernichten Sie Ihre Wahlpropaganda. Der Bürger erwartet, daß mit dem Krebsproblem keine billige Wahlpropaganda betrieben wird.
({2})
Daher sollte sich die Regierung mehr Zurückhaltung auferlegen. Auch sollte sich die Regierung entscheiden, ob sie das Rahmenprogramm als einen Diskussionsentwurf über künftige Prioritäten oder - wie es in einer Anzeige des Bundespresseamtes vom 9. Juni hieß - als ein bereits beschlossenes Programm verkaufen will. Der Regierung scheint wohl jedes Mittel recht zu sein, mit der Krebsangst des Bürgers auf Stimmenfang zu gehen. Sonst hätte diese Verlautbarung in der Bilanz „Sieben Jahre sozialliberale Koalition" nicht in dieser vereinfachten, falschen Kurzform zum Ausdruck gebracht werden können.
({3})
Die CDU/CSU hatte erwartet, daß die Regierung in ihrer Antwort deutlich macht, wie die nationale Forschung und Krebsbekämpfung künftig effektiver gestaltet werden kann. Die Fragen der Kollegen nach der internationalen Koordination sind gleichfalls nicht ausreichend beantwortet worden. Nach unserer Auffassung sind schon zu viele europäische Organisationen und Programme im Bereich der Krebsforschung entstanden. Eine Zusammenführung, wie wir sie in unserem Entschließungsantrag gefordert haben, ist zwingend geboten.
Was die nationale Forschung betrifft, so stimmen wir mit der Regierung überein, daß sie weitgehend in Abstimmung mit anderen Ländern erfolgen muß, um die zur Verfügung stehenden Finanzmittel so sinnvoll wie möglich zu verwenden. Eine Erhöhung der Ansätze, also mehr Geld allein, garantiert nicht zwangsläufig mehr Erfolg. In der Planung künftiger Schwerpunkte ist gemeinsam mit anderen Ländern eine Lückenanalyse durchzuführen, um die Prioritäten klar zu setzen. Grundlagenforschung, klinische Forschung, Verbesserung der Früherkennungsmethoden, Behandlung und Nachsorge müssen gleichgewichtig nebeneinander stehen. Es wäre vermessen, wenn wir hier als Abgeordnete den Versuch machen wollten, aus eigener Erkenntnis bestimmte Prioritäten aufzustellen. In dem Entschließungantrag der CDU/CSU wird ausdrücklich der Vorschlag der Regierung aufgegriffen, ein besonderes Fachgremium für die Krebsforschung und Krebsbekämpfung zu schaffen. Diese Institution könnte die geeignete Stelle sein, von der sachgerechte Vorschläge erwartet werden dürften.
An dieser Stelle sei es auch gestattet, Frau Dr. med. Scheel, der Gattin unseres verehrten Bundespräsidenten, Reverenz zu erweisen.
({4})
Sie hat mit der Gründung der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Stiftung für Krebsforschung dem Kampf gegen Krebs einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Die Aktivität dieser gemeinnützigen Organisation, die immerhin in dem kurzen Zeitraum ihres Bestehens mehr als 15 Millionen DM in diesem Lande sammeln konnte, muß in geeigneter Form mit der Arbeit der staatlichen Stellen koordiniert werden. Die Tatsache, daß sowohl der Bundesminister für Forschung und Technologie wie die Deutsche Krebshilfe je eine gleiche Untersuchung mit gleicher Zielsetzung zur Zeit durchführen, spricht für meinen Vorschlag nach mehr Koordination in diesem Bereich.
Die Forschungs- und Wissenschaftspolitik der großen Industrienationen wird - von der Kritik an einzelnen Projekten abgesehen - nirgends in breitem Umfang von unabhängigen Institutionen analysiert. Das Parlament und die öffentlichen Medien sind dazu kaum fähig, die wissenschaftlichen Gremien haben sich dieser Aufgabe bisher entzogen.
Dies stellt Rainer Flöhl in der FAZ fest, und ich stimme ihm zu. Hier liegt in der Tat eine wichtige Aufgabe für ein unabhängiges Fachgremium. Voraussetzung aber für die notwendige, bessere Organisation der nationalen Forschung ist, daß sobald wie möglich eine Übersicht erarbeitet wird, wer wo was wie forscht. Die CDU/CSU hatte dies bereits im letzten Jahr bei der Gesundheitsdebatte gefordert und auf bewährte Beispiele aus dem Bereich der Umweltforschung hingewiesen.
Die Krebsforschung bedarf ebenso wie die Forschung in anderen Bereichen der Planung, der Organisation und der Kontrolle als Voraussetzungen erfolgreicher Arbeit. Dabei kommen Erkenntnissen der Epidemiologie und Sozialmedizin besondere Bedeutung zu. In den USA wurden auf Grund geographisch festgestellter Krebshäufigkeit Arbeitshypothesen aufgestellt, deren Überprüfung durch weitere epidemiologische Untersuchungen die Erforschung der Krebsursachen vorantreiben soll. Hier wäre ein lohnendes Feld für die Arbeit des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie im Bundesgesundheitsamt und auch für die Zusammenarbeit zwischen Bundesgesundheitsamt und Umweltbundesamt in Berlin.
Die Feststellung, daß von der Bereitstellung weiterer Finanzmittel allein zusätzliche Erfolge in der Forschung nicht zwangsläufig zu erwarten sind, ist zutreffend. Vielmehr geht es um die Durchsetzung von Grundforderungen, die unseres Erachtens deutliche Forschritte in der Krebsbekämpfung mit sich bringen würden:
1. Eine schnellere und wirkungsvollere Umsetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in
praktische Methoden zur Verhütung und Früherkennung von Krebs sowie in Behandlung und Nachsorge Krebskranker;
2. Entwicklung von Organisationsformen, die Grundlagenforschung und klinisch orientierte Krebsforschung stärker zusammenführen;
3. Entwicklung eines nationalen Programms der Krebsbekämpfung, Behandlung und Betreuung von Krebskranken. Nach Professor Ott muß eine Funktionskette von der Aufklärung der Bevölkerung, gesundheitlicher Erziehung über ärztliche Vorsorge, wirksame Früherkennung, Therapie, also interdisziplinäre Zusammenarbeit, bis zur Nachsorge und Rehabilitation geschaffen werden.
Da 50 °/o der Krebskranken unter 50 Jahre alt sind, kommt der Rehabilitation besondere Bedeutung zu. Die Onkologie muß in der Ausbildung und Weiterbildung stärker berücksichtigt werden. Onkologische Abteilungen müssen flächendeckend in Schwerpunktkrankenhäusern entwickelt werden.
Nach wie vor sind die besten Heilungsaussichten vorhanden, wenn im allerersten Stadium der Krebserkrankung der Gefahrenherd durch Operation beseitigt wird. Daher kommt der Früherkennung, der gesundheitlichen Aufklärung und Erziehung der Bevölkerung entscheidende Bedeutung zu. Die Bundesregierung verfügt mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über ein Institut, welches hervorragend geeignet wäre, hier schwerpunktmäßig zu arbeiten. Wie wir aus den Arbeiten von Professor Soost wissen, ist die Beteiligung der Frauen bei Früherkennungsuntersuchungen in den einzelnen Altersstufen sehr unterschiedlich. Um hier zu besseren Beteiligungsquoten vor allem der Risikogruppen zu kommen, müssen wir für die Informationsarbeit alters-, gruppen- und schichtenspezifische Methoden anwenden. Das deutsche Früherkennungsprogramm darf nicht allein im Angebot von Pflichtleistungen der Krankenkassen bestehen, sondern muß von wirkungsvollen flankierenden Maßnahmen im Rahmen der gesundheitlichen Erziehung begleitet werden.
({5})
Hierfür ist die Bundesregierung und der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit zuständig und verantwortlich. Wenn sich eben nur 10 bis 15 % der Männer und 31,5 % der Frauen - nebenbei gesagt: auch hier ist die Zahl in ihrer Antwort auf die Anfrage falsch - an der Früherkennungsuntersuchung beteiligen, so ist der Feststellung von Frau Focke zuzustimmen, die sie auf dem 13. Kongreß der Deutschen Krebsgesellschaft in Hamburg getroffen hat:
Eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und der gesundheitlichen Aufklärung ist dringend notwendig, um einen Abbau der Krebsangst zu erreichen und durch breites Wissen um Risikofaktoren, Frühwarnzeichen und Heilungschancen die Teilnahmefrequenz zu erhöhen.
So sprachen Sie in Hamburg. Dem ist zuzustimmen.
Aber ich frage: Wo sind denn die Konsequenzen
und Folgerungen des verantwortlichen Ministers aus diesen richtigen Erkenntnissen?
Anstatt sachliche, personelle und organisatorische Folgerungen zu ziehen, gibt der zuständige Bundesminister unverantwortlicherweise der Ausgestaltung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Propagandainstrument des Ministeriums den Vorzug.
({6})
Wo bleiben die Vorschläge zur verbesserten Ausbildung von Zytologieassistenten? Wir fordern sie in unserem Antrag. Wo bleibt der Schutz vor krebserzeugenden Substanzen? 66 solcher Substanzen zählt die Regierung in dem Ergänzungsbericht auf. Warum wird nicht erwähnt, daß 600 kanzerogene Substanzen bereits bekannt sind? Wo bleibt der Forschungsauftrag auf Überprüfung aller Arzneimittel auf Kanzerogenität, die über einen längeren Zeitraum angewendet werden?
Im Kampf gegen den Krebs ist im übrigen eine konsequente Nachsorge für den krebserkrankten Patienten ebenso wichtig wie die Vorsorge. Hier erwarten wir gleichfalls Maßnahmen der Bundesregierung, beginnend mit der Förderung von Klinikregistern, um eine umfassende Nachsorge für alle Patienten sicherzustellen.
Diese Beispiele genügen, um zu beweisen, daß neben weiterer Forschung schon die Nutzung bisheriger Erkenntnisse und Erfahrungen ausreichen würde, um den Kampf gegen den Krebs in diesem Lande wirkungsvoller zu gestalten. „Man wird deshalb neben der materiellen Förderung der Krebsforschung ihr zugleich andere Wege eröffnen müssen, um zu einer größeren Effizienz zu gelangen." Auch dieser Feststellung der Regierung in der Antwort - ich habe sie eben wörtlich zitiert -kann man nur zustimmen. Hier muß man aber gleichfalls fragen, wo denn dann die konkreten Vorschläge zu dieser Erkenntnis sind.
Wir bedauern, daß neben einigen positiven Aspekten durch zu viele Absichtserklärungen und Vereinfachungen sowie fehlende Antworten auf Fragen der Kollegen von SPD und FDP die Aussage der Bundesregierung die der Sache angemessene Seriosität vermissen läßt.
({7})
Die CDU/CSU fordert daher die Erstellung und Vorlage eines nationalen Krebsberichts zum 31. Dezember 1978. Sie erwartet, daß mit der Vorlage dieses Berichts konkrete Vorschläge für die Krebsforschung, die Krebsbekämpfung und die Krebsbehandlung gemacht werden. Die Weiterentwicklung der Früherkennungsmethoden, eine bessere Beteiligung der Bevölkerung, Forschung in Zusammenarbeit mit der Klinik und eine intensive Nachbehandlung der Krebspatienten müssen Schwerpunkte sein. Die Zusammenarbeit der einzelnen klinischonkologischen Fachrichtungen und ihre Zusammenfassung zu Behandlungszentren ist dringend geboten. Solche Zentren dienen gleichzeitig als organisatorischer Mittelpunkt für die regionale Versorgung von Krebskranken.
Ob ein Patient hierzulande eine optimale Therapie erhält, darf nicht davon abhängen, wo gerade ein Krankenbett frei ist oder wo der Krankenwagen hält, wie Flöhl zutreffend formulierte. Optimale Therapie setzt heute die weitgehende Standardisierung von Behandlungsmethoden und eine Koordinierung von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie voraus. Nicht die einzelnen Therapiemaßnahmen, sondern der Verbund aller Möglichkeiten einschließlich der Nachsorge in enger Verbindung mit dem niedergelassenen Arzt sowie Maßnahmen zur Rehabilitation machen die moderne Krebsbehandlung zu einem wirksamen Instrument. Durch sachgerechte Aufklärung und intensive Gesundheitserziehung können Angst und Vorurteile abgebaut werden.
Jeder muß wissen: Im Kampf gegen Krebs haben wir eine echte Chance. Wir müssen sie nur nutzen.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Prinz zu SaynWittgenstein, ich muß zunächst zum Ausdruck bringen, daß ich sehr enttäuscht bin darüber, daß es für die Opposition offensichtlich möglich ist, dieses so wichtige allgemeine und, wie ich meine, doch sehr unpolitische Thema Krebs zu einem politischen Thema und zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung zu machen.
({0})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Sehr verehrter Herr Kollege, wären Sie nicht besser beraten, anstatt einer solchen Bewertung die Fragen, die ich aufgeworfen habe, zu beantworten und uns mitzuteilen, warum die Bundesregierung zu diesem wichtigen Bereich im selben Zeitraum so völlig widersprüchliche und gegensätzliche Aussagen macht?
({0})
Ich kann jetzt wiederum nur Ihre Ungeduld bewundern; denn Sie glauben doch wohl nicht, daß ich ohne einen einleitenden Satz zu Ihren einzelnen Ausführungen Stellung nehmen könnte. Ich hätte mir jedenfalls in der Tat gewünscht, daß wir dieses Thema wegen seiner Bedeutung für die Menschheit - nicht nur für die Bundesrepublik - aus parteipolitischen Auseinandersetzungen hätten heraushalten können.
Wie können Sie denn, Herr Kollege zu SaynWittgenstein, den Vorwurf erheben, daß Ressortschwierigkeiten und Ressortstreitereien die Beantwortung der Großen Anfrage verzögert hätten?
({0})
Ist Ihnen immer noch nicht klar, wie komplex der gesamte Themenbereich ist, ist Ihnen immer noch nicht klar, daß in der Tat sehr weit verzweigte Zusammenhänge aufzudecken sind und daß daher diese Zeit erforderlich war, um zu einer so sorgfältigen Beantwortung der Großen Anfrage zu kommen?
Wie können Sie, Herr Kollege zu Sayn-Wittgenstein, der Bundesregierung Versäumnisse vorwerfen? Ist Ihnen nicht klar, daß gerade Forschung und Forschungsprojekte auf diesem Gebiet sehr lange Zeit erfordern? Dazu bedarf es des Aufbaues der entsprechenden Forschungskapazität. Die Forscher müssen vorhanden sein, und schließlich müssen die Forschungsprojekte ja gegebenenfalls auch zu gesicherten Ergebnissen führen. Ich frage Sie, ob Sie diesen Vorwurf an die jetzige Bundesregierung nicht besser an frühere Bundesregierungen hätten richten müssen, die doch offensichtlich für diese Versäumnisse zur Verantwortung zu ziehen sind.
({1})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Aber gern.
Verehrter Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß auf Antrag der CDU/CSU im Haushaltsausschuß Streichungsvorschläge der Bundesregierung für das Krebsforschungszentrum Heidelberg rückgängig gemacht wurden? Es ist der Initiative der CDU/CSU zu verdanken, daß diese Mittel für Heidelberg erhalten blieben.
({0})
Gestatten Sie mir, auf diese Frage etwas später noch einmal zurückzukommen. Ich bin in der Tat der Meinung, daß man nicht ein Einzelprojekt herausgreifen und zum Gegenstand einer allgemeinen Beurteilung machen darf.
({0})
Das Thema, das uns heute im Deutschen Bundestag beschäftigt, ist so umfassend, in seiner gesamten Komplexität so schwer zu erfassen, nimmt in der medizinischen wie in der allgemeinen Diskussion einen so breiten Raum ein und ist für alle Menschen - nicht nur für die in unserem Lande - so bedeutungsvoll - wenn das auch außer den unmittelbar davon Betroffenen leider nur ein relativ geringer Teil bedenkt --, daß es mir als Nichtfachmann als Anmaßung erscheint, in der gebotenen Kürze über den gesamten Problembereich zu sprechen. Ich darf mich daher auf einige wenige, mir besonders wichtig erscheinende Teilaspekte beschränken.
Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper - das war schon vor 2 000 Jahren eine wichtige Aussage, die bis heute nichts an Aktualität und Bedeutung verloren hat, ja, die in besonderem Maße heute wichtiger denn je geworden ist, weil trotz aller gewaltiger Fortschritte in der medizinischen Forschung und der Steigerung der Kenntnisse und Erkenntnisse der Mensch zwar viele Krankheiten beherrscht und heilen kann, aber andererseits die Fortschritte der Zivilisation uns neue Bedrohungen von Gesundheit und Leben in der Welt gebracht haben. Hier sind in erster Linie die Krebserkrankungen zu nennen, Krebs, eine Geißel der Menschheit.
Bei gleichbleibenden Verhältnissen wird voraussichtlich jeder dritte oder vierte Mensch in der zivilisierten Welt an Krebs erkranken, nur jeder zehnte wahrscheinlich eine Krebserkrankung geheilt überstehen können; eine schreckliche Vorstellung, wenn man bedenkt, wieviel menschliches Leid damit verbunden ist.
Es kann nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, wie notwendig es ist, daß auch dieser Problembereich in die politische Arbeit einbezogen wird, und zwar in weitaus stärkerem Maße, als das bisher schon geschehen ist. Nur möchte ich hoffen, daß dies ohne parteipolitische Akzente geschehen könne.
Die Erhaltung der Gesundheit der Menschen ist in erster Linie ein Gebot der Humanität. Not und Leiden der an Krebs Erkrankten wie auch das Leid in den betroffenen Familien zu mindern oder, besser noch: zu verhüten ist eine der grundsätzlichen und höchsten Aufgaben der Politik. Aber auch die gesamtstaatlichen Aspekte, die Auswirkungen z. B. auf die Sozialpolitik, spielen eine große Rolle. Es dürfte unstreitig sein, daß es also im Interesse des einzelnen, der insgesamt Betroffenen wie der Gesellschaft in erster Linie darauf ankommt, Krankheit zu verhüten, verbunden mit den intensivsten Anstrengungen, die Krankheit selbst zu bekämpfen, zu heilen und den Erkrankten alle Hilfe zuteil werden zu lassen, die Menschen nur leisten können.
Aus dieser Erkenntnis heraus haben sich die Fraktionen von SPD und FDP veranlaßt gesehen, eine Große Anfrage zur Krebsforschung einzubringen. Die Bundesregierung benötigte zur Beantwortung außergewöhnlich lange Zeit, weil sie wegen der in der Tat unerwarteten Komplexität der angeschnittenen Fragen umfangreiche Erhebungen anstellen mußte, um im Ergebnis eine umfassende Bestandsaufnahme über den Stand der Krebsforschung in ihrer Antwort vorzulegen. Als solche, Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein, bitte ich die Antwort zu betrachten.
Allen an der Erstellung dieser Bestandsaufnahme Beteiligten gebührt unser Dank, den ich hier ausdrücklich für meine Fraktion aussprechen möchte.
({1})
Die Antwort gibt einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten auf dem Gebiet der Krebsforschung im staatlichen wie im privaten Bereich. Hier möchte ich für meine Fraktion ausdrücklich die vielfachen Aktivitäten und selbstlosen Bemühungen im außerstaatlichen Bereich begrüßen und ausdrücklich dafür danken. Die Bedeutung des Wirkens dieser privaten Initiativen in der Öffentlichkeit und in der medizinischen Fachwelt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und sollte den politisch Verantwortlichen Ansporn und Verpflichtung sein, sich der Bedeutung des Kampfes gegen den Krebs entsprechend zu engagieren.
Die Antwort der Bundesregierung weist aus, daß zwischen den Organisationen und Institutionen der Bundesrepublik und den entsprechenden Organisationen in anderen Ländern enge Kontakte bestehen, insbesondere aber mit den zahlreichen internationalen Organisationen. Diese intensive und enge Kooperation ist nachdrücklich zu begrüßen; sie ist fortzuentwickeln und zu vertiefen. Dazu gehört besonders die Fortentwicklung des Austauschs von Informationen über Ergebnisse auf allen Gebieten der Krebsforschung, auch den Randbereichen.
Die bisherigen Leistungen auf dem Gebiet der Dokumentation und Information, der Aufbau eines Krebsinformationssystems und die Beteiligung an ausländischen und internationalen Datenbanken und die Entwicklung eines Verbundsystems sind als ein beachtlicher Beitrag zur Krebsforschung anzusehen, der weiter auszubauen ist.
In ihrer Antwort weist die Bundesregierung eindeutig darauf hin, daß es zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit in der Krebsforschung nicht eines übernationalen Programms oder eines besonderen Programms in der EG bedarf. Auf Grund der bestehenden engen Zusammenarbeit bedarf es in der Tat nicht weiterer, zusätzlicher administrativer Organisationen, sondern statt dessen sollten die verfügbaren finanziellen Mittel für die eigentlichen Forschungsaufgaben eingesetzt werden. Natürlich kann nicht einfach durch beliebig hohe Aufstockung der eingesetzten Finanzmittel die Forschungskapazität vergrößert werden. Dazu müssen Spezialisten ausgebildet werden, müssen sich Forscherteams zusammenfinden und sich in die differenzierten Problembereiche einarbeiten. Schließlich müssen sich wegen der Differenziertheit und der komplexen und weitverzweigten Zusammenhänge in stärkerem Maße als bisher interdisziplinäre Kooperationen entwickeln. Ich möchte hier insbesondere die Notwendigkeit der engeren Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaftlern und Medizinern ansprechen.
({2}): Umgekehrt!)
- Wenn Sie so wollen, auch umgekehrt; das kommt auf den Standpunkt an.
({3})
Neben der experimentellen Krebsforschung ist als gleichrangig die wissenschaftliche klinische Geschwulstforschung, die sogenannte Onkologie, zu betrachten. Die Funktionskette der Krebsbekämpfung ist in der Praxis zu verbessern: von der Untersuchung der Krebsursachen, der Krebsverhütung, der verbesserten Frühdiagnose, der BehandlungsDr.-Ing. Laermann
methoden, der Nachsorge und der Rehabilitation sowie der psychosomatischen und psychosozialen Auswirkungen.
In Übereinstimmung mit der in der Antwort der Bundesregierung vertretenen Ansicht und der maßgebender Mediziner erscheint es dringend geboten, daß für die klinische Krebsforschung sowohl regionale interdisziplinäre Krebszentren als auch onkologische Stationen in bestimmten allgemeinen Krankenhäusern eingerichtet werden müssen, um eine gemeindenahe Versorgung zu sichern. Dies sollte hier noch einmal eindeutig betont werden.
Derartige Zentren und Stationen können nach Meinung von Fachleuten in angemessenem Verhältnis moderne Krebsbehandlung sowie biomedizinische und klinische Forschung ermöglichen und gleichzeitig die Möglichkeit von Ausbildung und Fortbildung onkologischer Fachärzte wie auch die Umsetzung der weltweiten Forschungsergebnisse verbessern. Über ein Dutzend derartiger Zentren ist z. B. in den USA inzwischen eingerichtet worden; weitere sollen folgen. Auch in europäischen Ländern sollen derartige Konsequenzen aus der modernen Krebsforschung gezogen werden, und es sollte - wie in dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen gefordert - nachdrücklich die Einrichtung derartiger Zentren in der Bundesrepublik betrieben werden.
Ich möchte mir hier die Feststellung erlauben, daß zweifellos in Heidelberg alle Voraussetzungen erfüllt sind, die an ein umfassendes Krebszentrum gestellt sind, und es sollte doch in Anbetracht des durch Krebserkrankungen verursachten Leidens vieler Menschen möglich sein, anscheinend vorhandene Differenzen zwischen Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Heidelberger Kliniken zu überwinden und hier ein erstes Zentrum in der Bundesrepublik zu gründen.
Die Antworten der Bundesregierung konnten gewiß nicht in allen Punkten befriedigend sein. Sie hat aber - und dies ist, wie ich meine, als besonders positiv herauszustellen - klar und eindeutig die auch nach ihrer Meinung unbefriedigenden Ergebnisse der durchgeführten Erhebungen nicht beschönigt, sondern verantwortungsvoll unmißverständlich die Problembereiche angesprochen, die einer dringenden Bearbeitung durch die Wissenschaft bedürfen; sie hat die Bereiche aufgezeigt, in denen staatliches Handeln notwendig wird.
Es kann doch wohl zweifellos nicht um die Frage gehen, ob nun wir in der Bundesrepublik besondere Verdienste auf dem Gebiet der Krebsforschung haben oder im internationalen Vergleich besonders tüchtig sind. Das Engagement in der Krebsforschung kann doch vielmehr nur in weltweitem Zusammenhang gesehen werden; wir können und wir müssen unseren Beitrag zur Bekämpfung dieser Geißel der Zivilisation leisten.
({4})
- Zusammenarbeit zwischen wem?
({5})
Möglicherweise, wie sich heute wieder erwiesen hat, zwischen den Parteien des Deutschen Bundestages, was ich schon einmal ausdrücklich bedauert habe.
({6})
Eine deutsche Tageszeitung sprach nach der Veröffentlichung der Antwort der Bundesregierung von einem „Katalog der Lücken". Ich möchte dazu ausdrücklich bemerken, daß ich gerade diese Analyse der Lücken für besonders wichtig halte und daß schon die dazu nötigen Erhebungen die Große Anfrage rechtfertigen. Denn die Einbeziehung der Virusforschung in den Katalog ist durchaus nicht selbstverständlich. Auf dem kürzlich in Hamburg abgehaltenen Kongreß der Deutschen Krebsgesellschaft hat der Virologe Zur Hausen die Otto-Warburg-Gedächtnisvorlesung unter dem Thema „Die Bedeutung von Viren bei der Krebsentstehung" gehalten. Otto Warburg selbst aber hat von der Auffassung, daß Viren bei der Krebsentstehung von Bedeutung sind, nichts gehalten, und er hat nicht mehr miterlebt, daß 1975 der Nobelpreis gerade für grundlegende virologische Arbeiten auf dem Gebiet der Krebsforschung verliehen wurde. Diese Vorgänge zeigen deutlich, wie rasch sich Ansichten auch von Experten wandeln können. Es erscheint daher dringend geboten, auf dem Gebiet der Krebsforschung auch bisher vielfach nicht stärker beachtete und geförderte unkonventionelle Forschungsansätze zu verfolgen, auch wenn sie von renommierten Spezialisten nicht besonders positiv beurteilt werden. Über „Lehrmeinungen" können sich Wissenschaftler trefflich streiten, aber wenn es um die Erhaltung der Gesundheit von Millionen von Menschen geht, kann kein rationaler Ansatz unbeachtet bleiben - auch unter Einkalkulierung von gelegentlichen Fehlschlägen, vor deren negativen Folgen sicher die wissenschaftliche Begleitung und Kontrolle bewahren kann. Im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen ist daher ausdrücklich auf die unkonventionellen Methoden Bezug genommen.
Verhüten und Vorbeugen ist nach meiner Meinung zunächst einmal noch wichtiger als Heilen. Es erscheint mir daher besonders wichtig, auf den Bereich der Krebsforschung einzugehen, der sich mit der Erforschung krebsfördernder Umweltbedingungen befaßt. Diese Untersuchungen erstrecken sich schwerpunktmäßig auf die Entstehung und Wirkungsweise kanzerogener Substanzen, auf deren Vorkommen in den Nahrungsmitteln, im Wasser und in der Luft, auf ihre Auswirkungen auf den Organismus. Dazu zählen aber nicht nur chemische Substanzen wie auch gewisse mineralische Faserstoffe, sondern auch die natürlichen und die künstlichen Strahlenbelastungen. Zu den zu untersuchenden Bereichen zählen weiter die mittelbaren Auswirkungen wie z. B. der Einfluß von friogenen Gasen auf die Ozonschicht in der oberen Atmosphäre, die Schutz vor kosmischen Strahlen bietet.
Mit der Entwicklung neuer Produkte und Produktionstechniken sind in der Tat zwangsläufig die
Entstehung und die Abgabe neuer kanzerogener Substanzen und Strahlendosen an die Umwelt verbunden, deren Auswirkungen sich möglicherweise erst in Jahrzehnten herausstellen werden. Hier sieht die Bundesregierung zu Recht einen Schwerpunkt ihrer Förderungsmaßnahmen, nämlich Aufspüren der Ursachen und ihre Verhütung. Es ist dringend notwendig, die Auswirkungen radioaktiver Strahlen hinsichtlich der Krebsentwicklung oder der Förderung kanzerogener Geschwulste intensiv zu untersuchen. Dazu gehören nicht nur die Strahlenbelastungen aus kerntechnischen Anlagen - hier sind insbesondere der Alpha-Strahler Plutonium oder die radioaktiven Jod- oder Wasserstoffisotope zu nennen -, sondern auch die Auswirkungen aus der Strahlentherapie.
So tritt z. B., wie Untersuchungen von Regetoff in den USA eindeutig ergeben haben, bei Kindern und Jugendlichen, die wegen Mandelentzündungen, Veränderungen der Lymphknoten, Ausschlägen oder aus anderen Gründen mit Röntgenstrahlen behandelt wurden, häufig Schilddrüsenkrebs auf. Zwischen der strahlentherapeutischen Behandlung und dem Auftreten von Tumoren liegen durchschnittlich 25 Jahre. Nach den vorliegenden Untersuchungen muß bei wahrscheinlich 7 % der behandelten Patienten mit Tumoren gerechnet werden. Es ist daher dringend erforderlich, daß sich alle Patienten, die aus irgendeinem Grunde eine Strahlentherapie erhielten, regelmäßig und über eine lange Zeit regelmäßig untersuchen lassen. Nur durch kontinuierliche Überwachung kann sichergestellt werden,
besonders bei Kindern, daß unerwartete oder bis dahin unbekannte Folgen entdeckt und unverzüglich therapeutisch behandelt werden.
In diesem Zusammenhang muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Untersuchungsmethoden zur Früherkennung wesentlich verbessert und fortentwickelt werden müssen. Früherkennung stellt heute immer noch einen der wichtigsten Bereiche der Krebsbekämpfung dar, weil Früherkennung in einem Stadium, in dem noch keine krankhaften Erscheinungen bemerkt werden, die größten Heilerfolge sichert. Aber es müssen für eine Reihe von Krebsarten noch derartige Methoden und technische Diagnosehilfen entwickelt werden, die möglichst einfache, aber zuverlässige Untersuchungen auch größerer Personenkreise mit vertretbarem Aufwand ermöglichen. Hier sollten Schwerpunkte auch einer staatlichen Förderung liegen.
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort klar zum Ausdruck gebracht, für wie wichtig sie größtes Engagement auf dem Gebiet der Krebsforschung hält. Sie hat die Position der Bundesrepublik auf diesem Gebiet analysiert. Sie hat die Probleme aufgezeigt, die dringend einer Lösung bedürfen.
Niemand wird erwarten können, daß in dem weltweiten Kampf gegen den Krebs für uns, die Bundesrepublik, die Welt in Ordnung sei, daß alle Probleme für uns, in unserem Bereich gelöst seien.
Für meine Fraktion darf ich daher nochmals betonen, daß die Antwort auf die Große Anfrage zur Krebsforschung nach unserer Meinung eine notwendige, kritische Bestandsaufnahme auf der Grundlage langfristiger Entwicklungen darstellt. Aus diesen Erkenntnissen die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen ist unsere politische Aufgabe. Es sind langfristig und in Kontinuität die Rahmenbedingungen zu schaffen und zu sichern, damit Forschungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, insbesondere aber und mit großem Nachdruck auf dem Gebiet der Krebsforschung, wirkungsvoll betrieben und in praktische Anwendung umgesetzt werden können, damit auch wir, die Bundesrepublik, unseren notwendigen und, wie ich meine, angemessenen Beitrag in der Welt leisten, Not und Leid von den Menschen fernzuhalten. Frei von Leiden und persönlicher Bedrängnis zu sein ist auch ein bedeutender Teil der Freiheit des Individuums, der wir uns verpflichtet fühlen und die wir erhalten wollen.
Für meine Fraktion darf ich zum Ausdruck bringen, daß wir die Erkenntnisse aus der Antwort in politisches Handeln umsetzen werden, dies unabhängig von den politischen Zuständigkeiten unter dem Gebot der Humanitas, dem Dienst am Menschen verpflichtet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte schließen mit der Bitte, dem Entschließungsantrag von SPD und FDP zuzustimmen. Wenn ich Ihren Antrag, den Antrag der Opposition, richtig lese, ergibt sich für mich die Feststellung, daß er inhaltlich mit dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen übereinstimmt. Daher dürfte es wohl nicht schwierig sein, hier zu einer einhelligen Meinung des Hauses zu kommen.
({7})
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Egert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag debattiert heute ein Thema, das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande bewegt. Neben den Herz- und Kreislauferkrankungen ist der Krebs Todesursache Nummer eins. Seine Pathogenese ist in vielen entscheidenden Punkten noch nicht geklärt.
Die Risikofaktoren und Risikoindikatoren, beides entscheidende Grundlagen für eine wirksame Vorsorge und Früherkennung, liegen in vielen Bereichen noch im dunkeln. Es lassen sich eine Vielzahl von Gründen und Argumenten anführen, die nachdrücklich auf eine Intensivierung der Krebsforschung drängen. Es wird bei dem Umfang der dabei anfallenden Aufgaben auch deutlich, daß es einer Vielzahl von Personen und Gruppen bedarf, die systematisch kooperieren und die Probleme koordiniert angehen. Der Umfang der Aufgabe erfordert es auch, eine internationale Aufgabenverteilung vorzunehmen und von Land zu Land, entsprechend den jeweiligen Möglichkeiten, Schwerpunkte zu setzen. Ein enger internationaler Erfahrungsaustausch ist
dabei Grundlage und Vorbedingung für die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen.
Wenn man aufmerksam der Rede des verehrten Kollegen zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein gefolgt ist, so stellt man fest, daß er versucht hat, uns den Eindruck einzureden, als sei die Bundesrepublik auf dem Gebiet der Krebsforschung noch ein Entwicklungsland. Diesem Eindruck kann nicht energisch genug entgegengetreten werden.
({0})
- Ich komme noch auf dieses Papier zu sprechen, Herr Kollege.
Für die SPD-Fraktion will ich dies ausdrücklich tun. Die Tatsache, daß die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur Krebsforschung selbstkritisch auch auf Lücken hinweist, ist und kann kein Indiz dafür sein, daß unsere Krebsforschung etwa nicht den internationalen Erfordernissen genügt,
({1})
sondern sie ist Beweis dafür, daß diese Regierung auch dort, wo sie Bestandsaufnahmen macht und diesem Hause vorlegt, eine ehrliche Bilanz zieht und nicht Schönfärberei versucht.
({2})
Für die SPD-Bundestagsfraktion erkläre ich ausdrücklich, daß die deutsche Krebsforschung internationalen Rang hat und auch international anerkannte Ergebnisse erbracht hat. Den in der Krebsforschung tätigen Wissenschaftlern gebührt dafür Dank und Anerkennung.
({3})
Im Interesse des Patienten liegt es, daß in der Forschung gewonnene Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden. Um die Umsetzung der in der Forschung gewonnenen Erkenntnisse in praktisch anwendbare Verbesserungen in Diognose und Therapie der Krebskrankheit zu gewährleisten, ist eine stärkere Verzahnung zwischen Forschung und Klinik erforderlich. Wir begrüßen es deshalb außerordentlich, daß es dem Bundesminister für Forschung und Technologie gelungen ist, dies zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg zu erreichen. Wir erkennen ausdrücklich an, daß dort besondere Schwierigkeiten zu überwinden waren, die wohl eher im menschlich-psychologisch schwierigen Feld der autonomen Forschungsaktivitäten der Universitätsprofessuren lagen. Aber dort, wo es um ein so wichtiges Gut wie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande geht, sollten auch solche Dinge überwindbar sein.
Gestatten Sie mir in dem Zusammenhang folgende Bemerkung, Herr Kollege zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Sie haben hier darauf hingewiesen, welche Aktivitäten sie gerade wegen des Krebsforschungszentrums in Heidelberg unternommen haben. Das war im Jahre 1971, was in diesem Zusammenhang ganz interessant ist. Auch interessant ist, daß sich inzwischen die Lastenverteilung für die Trägerschaft im Deutschen Krebforschungszentrum zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 90 : 10 aufteilt. Ich meine, auch dies muß gesagt werden, wenn wir die gemeinsame Basis für eine so wichtige Frage wie die, die wir heute debattieren, nicht verlassen wollen.
({4})
Wir Sozialdemokraten sehen in dem erzielten Ergebnis einen wichtigen wirklichkeitsnahen ersten Schritt, den wir unterstützen. Wir hoffen, daß hiermit die erforderliche Zusammenarbeit zwischen Forschung und Klinik erreicht werden kann.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einiges zu dem Problem der klinischen Onkologie sagen. Dem Essener Tumorforscher Professor Carl Schmidt ist sicherlich zuzustimmen, wenn er feststellt, daß es nicht sinnvoll wäre, die Bundesrepublik mit einer Vielzahl von besonderen Krebskliniken zu überziehen. Abgesehen davon, daß dies wohl kaum finanzierbar wäre, meinen wir, daß drei oder vier große onkologische Zentren ausreichend sind. Um eine bessere Versorgung unserer an Krebs erkrankten Mitbürger zu erreichen, sind in erster Linie eine Intensivierung und ein Ausbau der Förderung für diejenigen Mediziner erforderlich, die sich diesem Spezialgebiet widmen. Dies gilt zwar weniger für die operative, um so mehr jedoch für die konservative, vor allem die radiologische und chemotherapeutische Onkologie. Mehr Onkologen an chirurgischen, internistischen und Strahlenkliniken würden die medizinische Versorgung der Krebskranken erheblich verbessern. Es ist zudem unbestritten, daß die Onkologie auch der Krebsforschung in vielen Punkten wichtige Anregungen geben kann.
Gestatten Sie mir einige Worte zum Problem der Verbesserung der Zusammenarbeit in der Krebsforschung - national wie international. Auf das Problem der nationalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern muß in diesem Zusammenhang nochmals hingewiesen werden. Auch mir scheint es eine wichtige Voraussetzung zu sein, auf dieses Verhältnis einzugehen, wenn wir den Bestand aufnehmen. Die Opposition fordert in ihrem mit heißer Nadel genähten Zehn-Punkte-Entschließungsantrag, bei dessen Abfassung spürbar die Absicht im Spiel war, unbedingt die magische Zahl 10 zu erreichen - -({5})
- Herr Kollege, Sie hätten ein Acht-Punkte-Programm sicher besser hingekriegt, wenn Sie nicht die magische Zahl 10 angestrebt hätten. - Sie haben also gefordert, diese Zusammenarbeit national wie international zu verbessern. So weit - so gut.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, es ist doch wohl unredlich, wenn Sie in Ihrem Antrag so tun, als gebe es diese Zusammenarbeit bisher gar nicht. Sie ist verbesserungswürdig. Dies steht in der Antwort der Bundesregierung, und da stimmen auch wir voll zu. Aber es gibt diese Zusammenarbeit. Es gibt sie sowohl im europäischen Krebsforschungszentrum in Lyon als auch in der Deutschen Krebsgesellschaft, um nur zwei Beispiele zu nennen. Und wenn gesagt wird, die Zusammen17846
arbeit in der Krebsforschung müsse verbessert werden, dann darf man wohl Vorschläge dazu erwarten, und zwar auch dann, wenn die, die dies sagen, Vertreter der Oppositionsfraktion sind und wir in diesem Land vor einer Wahl stehen.
Die Bundesregierung hat in ihrem Programm „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit" hierzu ganz konkrete Vorstellungen entwickelt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein?
Nach dem Beitrag des Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein heute hier nicht.
Frau Minister Focke hat mit Recht auf das Gewicht hingewiesen, das die Krebsforschung in diesem Programm hat. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Vorstellungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit in der Krebsforschung, die in dem Zehn-Jahres-Programm angesprochen sind.
Die Opposition sollte sich davor hüten, bei der Bevölkerung, vor allem bei den Krebskranken in diesem Land, den Eindruck hervorzurufen, als liege die Krebsforschung als Grundlage der weiteren Verbesserung einer wirksamen Krebsbekämpfung in unserem Land am Boden. Als Ergebnis eines solchen Verhaltens könnte in der Bevölkerung die ohnehin vorhandene fatalistische Einstellung gegenüber dieser Krankheit zusätzlich verstärkt werden.
({0})
Die von der Opposition in ihrem Entschließungsantrag geforderte Motivationsstudie könnte dann leicht als ein Motiv für die mangelnde Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen pessimistische Reden der Bundestagsopposition in diesem Hause angeben.
({1})
- Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, gerade in der Erkenntnis und vor dem Hintergrund, daß sich dieses Thema nicht zur parteipolitischen Polemik eignet,
({2})
sollten wir sicherstellen, daß Sie deutlich machen, daß Sie es ebensowenig wollen wie wir. Ich habe aus Ihrem Beitrag vorhin empfinden müssen, daß Sie den 3. Oktober mehr im Kopf hatten als das Problem, das heute hier in Rede steht.
({3})
Gestatten Sie mir ein Wort zur Motivationsstudie, die die Opposition fordert. Sie soll helfen, die Risikogruppen gezielter anzusprechen und sie stärker zu Vorsorgeuntersuchungen zu bewegen. Aber wie soll das denn gelingen, wenn wir die meisten Risikogruppen überhaupt noch nicht kennen und wenn viele Risikofaktoren und Risikoindikatoren überhaupt noch nicht aufgedeckt sind. Wir sind uns ja darüber einig - das ist auch in Ihrem Beitrag deutlich geworden -, daß in diesem Punkt ein Mehr an Geld nicht ein Mehr an Erkenntnis bedeutet. Hier müssen wir, wie auch an dem amerikanischen Beispiel deutlich wird, sehen, wie wir mit den vorliegenden Erkenntnissen in der Praxis ein Optimum im Interesse der Patienten und der Versicherten erreichen, die Opfer dieser heimtückischen Krankheit sind.
Der Entschließungsantrag der Opposition ist in einigen Punkten durchaus mit dem identisch, was von den Koalitionsfraktionen als Entschließungsantrag eingebracht worden ist. Das Ziel, die Krebsforschung und die Krebsbekämpfung, sei es in der Vorsorge, der Früherkennung, der Akuttherapie oder der Nachsorge, weiter entscheidend zu verbessern, muß ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen dieses Hauses bleiben. Wir wissen nicht, wo und wann der entscheidende Durchbruch in der Krebsforschung gelingt. Es gibt sicherlich keine monokausalen Erklärungen der Entstehung dieser Krankheit. Trotzdem bin ich sicher, daß der längere Teil dieses Weges hin zu diesem entscheidenden Durchbruch hinter uns liegt.
Bei rechtzeitiger Inanspruchnahme von Vorsorge und Früherkennung gilt schon heute weitgehend der Satz: Krebs ist heilbar. Wir alle wollen, daß die Gültigkeit dieses Satzes so umfassend wie möglich wird und jetzt in dem möglichen Rahmen auch gewährleistet wird.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, daß wir heute Gelegenheit haben, ohne die hier übliche Hektik - wenn auch vor leeren Bänken ({0})
über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur Krebsforschung zu sprechen.
Erlauben Sie mir einige Bemerkungen hierzu, die zugleich im Zusammenhang mit den beiden anderen Diskussionsbeiträgen meiner Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein und Alber als Begründung unseres Entschließungsantrages gewertet werden sollten.
Als positiv zu bewerten ist die Ankündigung der Bundesregierung, in Zukunft eine gezielte Planung der Forschungsförderung zu betreiben. Nur muß man sich angesichts ihres Eingeständnisses, noch keinen Überblick über die bearbeiteten bzw. nicht bearbeiteten Gebiete der Krebsforschung zu haben,
sehr erschreckt fragen: Nach welchen Gesichtspunkten wurde denn bisher von der Regierung gefördert?
({1})
Die Sachverständigen haben der Regierung nunmehr zu einer gewissen Transparenz verholfen, indem sie eine ausführliche Liste der als lückenhaft zu charakterisierenden Probleme der Krebsforschung aufzählen. Die Bundesregierung gibt allerdings keine Erklärung dafür, auf Grund welcher Erkenntnisse sie aus dem breiten Katalog der bisher nicht bearbeiteten Bereiche die klinische Krebsforschung als den wichtigsten Schwerpunkt herausgreift. Frau Minister Focke hat in ihren Ausführungen heute erfreulicherweise auch andere, gleichwichtige Schwerpunkte erwähnt.
Als Hauptziel wird von der Regierung in diesem Zusammenhang eine „standardisierte Krebstherapie" angekündigt. Aber, meine Damen und Herren, ist es nicht reichlich mager, dieses Ziel lediglich mit rein strukturellen Überlegungen, nämlich - wie hier aufgeführt - personell, institutionell und organisatorisch, im Bereich der Versorgung zu verknüpfen? Es sollte hier doch nicht ausschließlich um Standardisierung und Zentralisierung gehen, wenn auch diese Zielsetzungen durchaus in das politische Konzept dieser Regierung passen würden. Wir von der CDU/CSU erwarten eigentlich die Bekanntgabe inhaltlicher Schwerpunkte in der klinischen Forschung.
({2})
In verschiedenen Teilen der Antwort wird mit Recht auf die fundamentale Bedeutung der Tumorepidemiologie hingewiesen.
({3})
Unverständlich ist es bei dieser Sachlage, daß die wenigen Krebsregister der Bundesrepublik als offenbar ausreichend betrachtet werden. Hier fehlt es sowohl an sachlichen Einsichten als auch an einem Konzept. Einerseits heißt es in der Antwort richtig, daß die reinen Sterbeziffern keine allgemeingültige Aussage über die Zahl der Krebskranken darstellen; im Zusammenhang mit der Meldepflicht wird andererseits behauptet, daß die Sterbestatistik eine ausreichende Basis für epidemiologische Erhebungen sei. Anscheinend ist die weltweite kritische Fachdiskussion zur Problematik amtlicher Mortalitätsstatistiken dabei nicht zur Kenntnis genommen worden. Von fachlich kompetenter Seite wird nämlich immer wieder darauf verwiesen, daß nur wissenschaftlich sorgfältig geführte Krebsregister mit repräsentativem Verteilungsmuster innerhalb des Landes und längerer Laufzeit als ausreichende Grundlage für die dringend benötigten epidemiologischen Grunddaten betrachtet werden können.
({4})
Diese Register werden in unserem Lande bisher
völlig unzureichend gefördert. Solche Register sind
letztlich jedoch die einzige zuverlässige Möglichkeit,
die langfristige Effizienz von Früherkennungsmaßnahmen zu kontrollieren.
In der Bundesrepublik Deutschland besitzen wir derartige Krebsregister nur in Hamburg und seit 1967 im Rahmen der Bemühungen des Europarats um eine gesamteuropäische Krebsstatistik auch noch im Saarland. Beide Register zusammen erfassen aber nur 5 0/o unserer Gesamtbevölkerung, d. h., sie sind nur eine relativ kleine Stichprobe, die außerdem nicht hinreichend repräsentativ sein dürfte.
({5})
Gegenüber der amtlichen Todesursachenstatistik haben derartige Krebsregister zahlreiche Vorzüge. Während die amtliche Statistik nur Angaben über Geschlecht, Alter, Wohnsitz, Familienstand, Beruf und Todesursache des Verstorbenen enthält, versuchen die Register, mehr und genauere Informationen über die Krebskranken einzuholen, insbesondere detaillierte Angaben hinsichtlich der Diagnose. Außerdem sind Krebsregister, wenn sie längere Zeit funktionieren, in der Lage, Häufigkeitstrends der Krankheitsfrequenz und Änderungen in den Überlebensraten krebserkrankter Personen zu ermitteln und damit Kriterien für die Wirksamkeit der dem Krebspatienten im Durchschnitt zur Verfügung stehenden Therapie zu liefern.
Wir fordern daher die Schaffung eines weiteren Krebsregisters in einem ländlich strukturieren Flächenstaat wie auch den beschleunigten Ausbau von Klinikregistern, die alle in der betreffenden Klinik behandelten Krebskranken erfassen, um so eine umfassende Nachsorge im Anschluß an die Behandlung zu ermöglichen.
({6})
Ein weiterer gravierender Mangel in der Forschungseffizienz liegt in der weitgehend ungenutzten Medizin-Dokumentation in unserem Lande, worauf Rainer Flöhl in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Dezember 1975 zutreffend hingewiesen hat. Das dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit als nicht rechtsfähige Bundesanstalt unterstehende Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information in Köln, kurz Dimdi genannt, deckt mit der Beantwortung von etwa 9 000 Anfragen, z. B. im Jahr 1975, nur etwa 7 % des tatsächlichen Bedarfs. Wie notwendig aber eine Verbesserung der Informationsversorgung ist, geht allein aus der Tatsache hervor, daß rund 30 % aller Forschungsprojekte wegen unzureichender Übersicht eigentlich überflüssig sind, weil es sich um Doppelarbeiten oder aber um Untersuchungen handelt, die nach den bereits vorhandenen Erkenntnissen keinen Erfolg versprechen. Mit allem Recht weist Flöhl darauf hin, daß diese wesentlichen Zusammenhänge auf politischer Ebene noch nicht deutlich genug erkannt worden sind. Sonst hatte man bei den Kürzungen für das Informations-und Dokumentationsprogramm der Bundesregierung die Erkenntnis berücksichtigen müssen, daß Sparmaßnahmen äußerst teuer werden können, denn sie kosten letztlich neben einer Verzögerung wichtiger Objekte finanziell erheblich mehr, als augenblicklich eingespart wird.
So fällt der Ausbau des Datenfernübertragungsnetzes aus dem biomedizinischen Informationsspeicher - kurz Dimdinet genannt -, für das die Planungsarbeiten weitgehend abgeschlossen sind, vorerst den Sparmaßnahmen zum Opfer, obgleich klar nachgewiesen werden kann, daß für etwa 3 Millionen DM pro Jahr die Kapazität des Informationszentrums verdreifacht werden könnte. Es wäre unverantwortlich, wenn die Bundesregierung und insbesondere das für Dimdi zuständige Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit es zulassen würden, daß zwar Milliarden DM für überflüssige Forschung und Doppelarbeiten vergeudet werden, andererseits aber die 3,3 Millionen DM für Dimdinet jährlich nicht zur Verfügung gestellt werden.
({7})
Diese Summe würde der Verschwendung öffentlicher Mittel wirksam Einhalt gebieten können. Eine Fortsetzung der bisherigen Politik wäre nicht nur vor den Wissenschaftlern nicht zu rechtfertigen, sie würde auch ein eklatantes Beispiel unzureichender Planung und falsch gesetzter Prioritäten darstellen.
Meine Damen und Herren, an der Spitze unseres Entschließungsantrags steht nicht zufällig die Aufforderung an die Bundesregierung, eine Motivationsstudie mit dem Ziel zu erstellen, eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung, insbesondere der Risikogruppen, an den Krebsfrüherkennungsmaßnahmen herbeizuführen. Ich bin Ihnen, Frau Minister Focke, sehr dankbar, daß Sie durch Ihre Rede selbst eine Begründung für diesen unseren Antrag geliefert haben.
({8})
In Übereinstimmung mit dem Diskussionsentwurf der Bundesregierung für ein längerfristiges Rahmenprogramm für Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit erscheint auch uns zur Eindämmung von Risikofaktoren und zur Bekämpfung von Krankheitsursachen eine verstärkte Forschung zur Beeinflussung des Verhaltens im Hinblick auf gesundheitsgerechte Lebensweise dringend erforderlich.
({9})
Es geht hier sicher auch um solche von der Bundesregierung ausdrücklich erwähnten Bereiche wie Effektivität der Gesundheitserziehung und -aufklärung, Entwicklung von zielgruppenspezifischen Maßnahmen der gesundheitlichen Aufklärung, Gründe für die mangelnde Akzeptanz gesundheitlicher Verhaltensmuster. Richtig ist auch die Feststellung, daß sich das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung an traditionellen Verhaltensmustern orientiert und daher heute erhöhte Gefahren in sich birgt. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ist in weiten Kreisen der Bevölkerung sicher noch sehr verbesserungsbedürftig. Andererseits wird die Bereitschaft zu Verhaltensänderungen auch nur langsam entwickelt werden können.
Wir schließen uns zwar gern diesen Erkenntnissen der Bundesregierung an, müssen aber bemängeln, daß die Bundesregierung offenbar immer noch nicht
die absolute Priorität der Gesundheitserziehung und gesundheitlichen Aufklärung erkannt hat
({10})
bzw. nicht in der Lage oder sogar nicht einmal gewillt ist, in ihrem politischen Handeln - d. h. in erster Linie in der finanziellen Ausstattung - den Aufgaben der Gesundheitserziehung und gesundheitlichen Aufklärung wirklich echte Priorität einzuräumen.
({11})
Dabei zeigt schon ein flüchtiger Blick auf den Katalog gesundheitsschädlichen Verhaltens, den die Bundesregierung in ihrem Diskussionsentwurf „Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit" selbst zusammengestellt hat, daß es sich hier um die schwerwiegendsten Ursachen der modernen Massenkrankheiten handelt. Dieser Entwurf wird in der Öffentlichkeit bereits als Programm verkauft, ohne daß auch nur im entferntesten eine finanzielle Absicherung dieses sogenannten Programms zu erkennen ist.
({12})
Entscheidend wichtig ist also eine planmäßige organisatorische Entwicklung der Krankheitsfrüherkennung und der Gesundheitsvorsorge. Es wird zwar seit einiger Zeit immer wieder betont, daß die Tätigkeit des Arztes in Zukunft vorwiegend auf präventivem Gebiet liegen wird; auch wird angesichts der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen klar herausgestellt, daß hierdurch ein Beitrag zur Kosteneindämmung geleistet werden kann. Aber allein die Tatsache, daß die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung angebotenen Vorsorgeuntersuchungen von der Bevölkerung bei weitem nicht in dem Maße genutzt werden, wie es erwünscht wäre, verpflichtet doch alle Verantwortlichen, nachzuprüfen, wie es zu diesem Fehlverhalten der Bevölkerung kommt.
({13})
Allein mit der außerdem noch falschen Aussage, daß es sich um kostenlose Untersuchungen handelt, kann man die Versicherten anscheinend nicht von der Notwendigkeit der Vorsorge überzeugen.
({14})
Hier gilt es zu prüfen, was die Versicherten zurückhält: ob es allein Angst vor der Diagnose ist oder der Horror vor der langen Wartezeit, abschreckende Bilder von Operationen, Auflehnung gegen einen „medizinischen Dirigismus" oder auch die Dauerberieselung mit Krankheitsthemen.
Wären eine positive gesundheitliche Aufklärung, Aussagen über gute Heilungsmöglichkeiten - wie erfreulicherweise zur Zeit von der Deutschen Krebshilfe praktiziert -, die seelische Aufklärung, die ein gesunder Mensch, der sich freiwillig zum Arzt
begeben soll, nun einmal braucht, und Gesundheitserziehung von frühester Jugend an nicht viel wirkungsvoller? Leider kann man erkennen, daß das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen durch übersteigerte Anreize zum Anspruchsdenken insgesamt verkümmert. Menschen, denen zuviel Verantwortung abgenommen wird, verlieren leicht die Verantwortung gegenüber der eigenen Person und warten allein auf die Hilfe des Staates.
({15})
Die Bundesregierung muß die Einsicht tatkräftiger fördern, daß Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsvorsorge ebenso wie die kurative Medizin spezifische organisatorische Voraussetzungen benötigen und neben einem Wandel bestehender Einrichtungen vor allem einen Wandel im Gesundheitsbewußtsein der Bevölkerung bedingen. Die Verwirklichung der präventiven Medizin erfordert harte, systematische organisatorische Arbeit,
({16})
und jeder Dilettantismus auf diesem Gebiet erweckt falsche Hoffnungen bei der Bevölkerung und mindert in unverantwortlicher Weise die Effektivität.
Man muß sich hier immer wieder fragen, warum die Bundesregierung das ihr zur Verfügung stehende Instrument, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, nicht zu nutzen weiß. Es ist eine Einrichtung, die sich in einer permanenten Umorganisation befindet, die im Jahr 1976 mit über 13 Millionen DM im Haushalt berücksichtigt wird und für die bereits seit Jahren von Politikern aus verschiedenen Parteien eine Steigerung der Effektivität und Effizienz gefordert wird, aber anscheinend ohne großen Erfolg. Allerdings fragt man sich auch, ob es die richtige Art der Stellenausschreibung ist, wenn man für den Direktor dieser so wichtigen Einrichtung sowie auch für seinen ständigen Vertreter lediglich Führungskräfte, insbesondere aus der Werbebranche, ermutigt,
({17})
sich zu bewerben, ohne die geringsten medizinischen Kenntnisse als Voraussetzung zu fordern. Gesundheitliche Aufklärung nud im ganz besonderen Maße die Motivation der Bevölkerung, Krebsfrüherkennungsmaßnahmen zu nutzen, ist keine Frage der Werbung und kann auch nicht allein mit bunten Broschüren erreicht werden. Hier geht es um Menschenleben. Hier geht es auch um den mündigen Bürger dieser Bundesrepublik Deutschland,
({18})
der sich in verstärktem Maße seiner Verantwortung für seine Gesundheit, aber auch gegenüber der Solidargemeinschaft der Versicherten bewußt werden muß.
Es gilt, dem von allen negativen Bildern verschreckten Bürger Hilfestellung zu geben, ihm Mut zu machen, ihn vor selbstverschuldeten Schäden zu bewahren. Die von uns geforderte Motivationsstudie sollte dazu beitragen, durch eine systematische
Analyse der organisatorischen Schwierigkeiten ein Konzept für die Krebsbekämpfung zu erarbeiten. Auf Grund der Notwendigkeit all dieser Bemühungen halten wir es für erforderlich, daß bis zum 31. Dezember 1978 ein nationaler Krebsbericht erstellt wird, der hoffentlich eine positive Tendenz aufweist. Dies wird aber nur möglich sein, wenn man erkennt, daß die Krebsvorsorge andere Methoden erfordert. Auf Vorsorgepatienten zu warten, genügt nicht.
Ich bitte im Namen der Fraktion der CDU/CSU, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wir sehen durchaus eine Möglichkeit, beide Entschließungsanträge insgesamt zu übernehmen, auf daß wir so gemeinsam all die Probleme angehen können, die wir heute aufgezeigt haben und die dringend einer Lösung bedürfen.
({19})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen befaßt sich in erster Linie mit der wissenschaftlichen Erforschung der Ursachen und Therapie der Krebskrankheiten. In den bisherigen Debattenbeiträgen, ganz besonders von meinem Kollegen Herr Dr. Laermann, ist zu der Antwort der Bundesregierung aus wissenschaftlicher Sicht Stellung genommen worden. Ich möchte mich deshalb mehr mit der Auswirkung dieser Antwort für die Bürger unseres Landes befassen.
Aus der uns vorliegenden Drucksache wird deutlich, daß bei den am häufigsten auftretenden Krebsformen für 70 bis 90 % der Erkrankten Heilungschancen bestehen, wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Erschreckend ist aber die Tatsache, daß nur cirka 12,5 % der Männer und nicht einmal die Hälfte aller Frauen die für sie geschaffenen Früherkennungsuntersuchungen nutzen. Das gilt, obwohl sich im Jahr 1974 die Zahl der durch Krebs hervorgerufenen Todesfälle bei Männern und Frauen fast die Waage hielten: es waren genau 74 289 Männer und 74 525 Frauen, bei denen als Todesursache Krebs angegeben wurde. Dies sollte für uns die Konsequenz haben, daß wir als verantwortungsvolle Politiker keine Gelegenheit ungenutzt lassen, die Bürger und ganz besonders die Männer darauf hinzuweisen, daß sie diese Vorsorgeuntersuchungen besser nutzen müssen.
Der Hessische Landfrauenverband hat wohl auf diesem Gebiet in dankenswerter Weise eine einmalige Aufgabe übernommen. Schon vor ca. 15 Jahren wurden in den Orts- und Kreisverbänden geeignete Fachvorträge in Verbindung mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gehalten, die die Mitglieder mit den Gefahren dieser grausamen Krankheit bekannt machten, die aber auch über die Heilungschancen bei Früherkennung aufklärten. Da damals die Kliniken und Krankenhäuser zumindest in Hessen schon freiwillig für Frauen Untersuchungen auf Unterleibskrebs durchführten, geschah das
Erstaunliche: Die Landfrauen organisierten gemeinsame Fahrten zu diesen Untersuchungsterminen.
({0})
Die Scheu oder Angst vor den vielleicht noch unbekannten Untersuchungen waren durch die Vorträge weitgehend abgebaut, und der verbleibende Rest ließ sich in der Gemeinsamkeit leichter überwinden; die Untersuchungsergebnisse konnten ausgetauscht und besprochen werden.
({1})
Heute sind die Frauen an diese Untersuchungen gewöhnt und gehen selbstverständlich allein.
Das Krankenversicherungsänderungsgesetz vom 21. Dezember 1970 hat die Möglichkeiten der Krankenkassen, zur Sicherung der Gesundheit Leistungen zur Kranheitsverhütung vorzusehen, erheblich erweitert. So waren die Krankenkassen bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes nur ermächtigt, durch ihre Satzung Maßnahmen zur Krankheitsverhütung für ihre Mitglieder vorzusehen, und konnten Mittel für Zwecke der allgemeinen Vorsorge bereitstellen. Durch das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz bestand nun für alle Frauen über 30 und für die Männer vom Beginn des 45. Lebensjahres an ein Rechtsanspruch auf Vorsorgeuntersuchungen, und die Krankenkassen wurden durch den Gesetzgeber verpflichtet, in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen die Versicherten über ihren Versicherungsanspruch zu informieren, aufzuklären und sie zur Inanspruchnahme zu animieren. Die Versicherten wurden durch Veröffentlichungen in der Tagespresse, in Funk und Fernsehen, durch Versicherten-, Werks- und Verbandszeitschriften nicht nur über ihre Rechte, sondern auch über die Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen informiert. Die Kassen haben das für die Reporter und Moderatoren notwendige Informationsmaterial zur Verfügung gestellt. Die Kassen haben darüber hinaus noch individuelle Informationen an ihre Mitglieder gegeben. Besonders hervorzuheben ist die Bundesknappschaft, die ihre Mitglieder 100%ig individuell informierte. Es schließen sich die Innungs- und Landkrankenkassen mit 79,3 bzw. 77,8 % an.
Erstaunlich bleibt für mich die Tatsache, daß die Männer trotz all dieser Informationen die Vorsorgeuntersuchungen so wenig nutzen, zumal sie am Arbeitsplatz noch besser Gelegenheit haben als z. B. nichtberufstätige Frauen, sich gegenseitig über Bedeutung und Art der Untersuchungen auszutauschen. Aus einer Umfrage von Infratest wird aber deutlich, daß die Männer und Frauen prozentual fast gleiche Angaben über den Stand der Informationen machten. Mit zunehmendem Alter sinkt allerdings der Informationsstand langsam ab. Erfreulich ist aber, daß 94 % der Männer und 95 % der Frauen im Alter von 40 bis 49 Jahren angaben, informiert zu sein. Es liegt also nicht an der mangelnden Information, sondern an der Motivation.
({2})
Das Gesetz ist da; die Vorsorgeuntersuchungen werden trotzdem nicht in Anspruch genommen. Es gibt einfach keine Fallsituation für den einzelnen Patienten, die ihn zwingt, zu einem bestimmten Termin zum Arzt zu gehen. So wird trotz des guten Vorsatzes dieser Arztbesuch immer wieder hinausgeschoben. Der Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein hat uns Abgeordnete mit Datum vom 9. Juni aufgefordert, daß wir die nächste sitzungsfreie Woche nutzen, um zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen.
({3})
Ich kann mir vorstellen, daß Sie, Herr Kollege, bei der Vorbereitung dieser Debatte plötzlich merkten, daß viele unserer Kollegen ihre Mandatspflichten ernster nehmen als die eigene gesundheitliche Fürsorge.
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Damit komme ich noch einmal zu der Frage, warum das männliche Geschlecht diese Vorsorgemaßnahmen so viel weniger nutzt als das weibliche. Ich kann mir eigentlich nur denken, daß es an der unterschiedlichen Psyche der Geschlechter liegt. Männer fühlen sich stark und kräftig und wollen nicht zur Kenntnis nehmen, daß auch sie von einer Krankheit oder Schwäche befallen werden können. Die Frauen sind dagegen vielleicht ängstlicher, aber, ich glaube, auch verantwortungsbewußter. Die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen haben sich dankenswerterweise um die Aufklärung bemüht. Den Erfolg können wir am hohen Informationsstand ablesen.
Meine Überlegungen gehen nun dahin - ich glaube, auch Ihre, Prinz zu Sayn-Wittgenstein -, wie die Bürger in den entsprechenden Altersstufen zu motivieren sind, diese Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen.
({5})
Ich glaube, daß dies nur wieder mit Hilfe der Ärzteschaft erreicht werden kann. Wir Freien Demokraten werden uns jedenfalls darum bemühen, diese Frage mit den Ärzteverbänden weiter zu erörtern und zu diskutieren.
({6})
Sollte es möglich sein, die Patienten zu bestimmten Terminen zu Vorsorgeuntersuchungen in die Praxis zu bestellen? Sollte es möglich sein, jeden Patienten in der Praxis zu befragen, ob er seine diesjährige Vorsorgeuntersuchung schon hat durchführen lassen? Ich könnte mir denken, daß bei dem hohen Verantwortungsbewußtsein der Mediziner gegenüber ihren Patienten die Ärzte bereit sind, über diese Fragen nachzudenken und vielleicht diese Aufgabe zu übernehmen. Hier liegt meiner Ansicht nach das größte Problem, nämlich die Menschen zu motivieren, die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen.
Frau Kollegin Lüdemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein?
Bitte.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, daß die deutsche Ärzteschaft auch aus den Gründen, die Sie hier genannt haben, bei der Früherkennungsuntersuchung für Männer auch schon Untersuchungen auf Herz- und Kreislauferkrankungen durch Blutdruckmessung durchführt, um die Attraktivität des Angebots zu verbessern?
Ja. Man muß nur eines dazu sagen. Ich kenne eine Umfrage von Infratest, wo die Menschen gefragt worden sind: „Wenn Ihnen ein bestimmter Termin zur Vorsorgeuntersuchung bekanntgegeben würde, würden Sie dann hingehen?" Darauf haben 84 % - allerdings der jüngeren Menschen - mit Ja geantwortet. Ich kann die Altersstufe jetzt aus dem Kopf nicht genau sagen. Aber es ist richtig, daß gerade bei den Männern mit der Vorsorgeuntersuchung auf Herz- und Kreislauferkrankungen die Bereitschaft zur Untersuchung größer ist, als wenn sie nur zur Krebsvorsorgeuntersuchung gehen.
Wenn man nun bedenkt, daß sich nur ca. 50 % der krebsverdächtigen Fälle als Krebserkrankung herausstellen, dann wird auch für uns deutlich, daß die Einrichtung umfassender und leistungsfähiger regionaler Krebsregister notwendig ist. Sie sind weltweit unbestritten.
Frau Dr. Neumeister hat ausgeführt, daß es in der Bundesrepublik nur zwei solcher Krebsregister gibt: in Hamburg und im Saarland. Die internationalen Erfahrungen haben gezeigt, daß ein flächendeckendes Bundesregister weder sinnvoll noch notwendig ist; auch Sie haben das angedeutet. Da aber mit den derzeitigen Registern nur 5 % der bundesdeutschen Bevölkerung abgedeckt werden, müssen auch nach unserer Ansicht weitere Register eingerichtet werden, die zirka 10 bis 15 % der Bevölkerung abdecken, damit der unbefriedigende Entwicklungsstand der Krebsregistrierung in der Bundesrepublik abgebaut werden kann.
Die Regionalregister müssen wegen der größeren Effizienz durch Klinik- und Spezialregister ergänzt werden. Individuelle und soziale Daten der einzelnen Patienten können hier besser erfaßt werden.
Das Krebsregister des Saarlandes hat Modellcharakter und sollte nach der neunjährigen Erfahrung, die dort gemacht wurde, für neu zu schaffende Register beispielhaft sein, zumal das saarländische Krebsregister als ein Glied in einer großen Kette von Krebsregistern in der ganzen Welt mitarbeitet und ihm somit nicht nur internationale Bedeutung zukommt, sondern auch weltweite Erfahrungen zugrunde liegen.
Doch auch der Nachbehandlung und Nachsorge sollten wir noch ein klein wenig Aufmerksamkeit widmen. Wir alle kennen an Krebs erkrankte Menschen und solche, die von dieser Krankheit geheilt sind, auch dann, wenn schon der metastatische, der sich ausbreitende Krebs vorhanden war. Wenn man sagt, Schmerz wie Krankheit seien Prüfsteine für das Eigentlichste und Tiefste des Menschen und die menschliche Größe beweise sich erst vor dem Hintergrund von schicksalhafter Not oder unbegreiflichem Leid, so hat sich das bei den vielen Krebspatienten bewahrheitet. Ihre psychologische Situation ist erkennbar. Die Deutsche Krebshilfe sagt so schön, man könne sich gegen den Krebs wehren, wenn man nicht resigniere, sondern die ärztliche Therapie vertrauensvoll unterstütze, und, soweit es die Körperkräfte und die Funktionen zuließen, auch noch arbeite, zumindest in seiner Tagesgestaltung nicht nachlässig werde und einen festen Zeitplan einhalte. Auch der Kranke braucht an jedem Tag eine Selbstbestätigung.
Die meisten der bösartigen Geschwulste werden im Frühstadium durch Operation entfernt. Nach diesem Eingriff steht dem Patienten ein Erholungsurlaub zu, dessen Dauer von der Schwere der Operation abhängig ist. In vielen Fällen empfiehlt sich für den Patienten eine Festigungskur. In Nordrhein-Westfalen sind diese Nachkuren für Krebskranke bereits seit dem Jahre 1976 die Regel. Sie werden von der „Arbeitsgemeinschaft der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung im Lande Nordrhein-Westfalen" vergeben. In der Bundesrepublik stehen dafür 22 Sanatorien mit annähernd 2 000 Betten zur Verfügung.
Die Nachsorge besteht in der Fortführung der in Klinik oder Krankenhaus begonnenen Behandlung, die durch Schwimmen, Bewegungstherapie, Gymnastik oder ähnliches ergänzt wird. Es stellt sich aber die Frage, warum die Durchführung solcher gezielten Nachsorgemaßnahmen in den anderen Bundesländern kaum praktiziert wird. Warum gibt es in den anderen Bundesländern keine solchen Arbeitsgemeinschaften zur Betreuung von Krebserkrankten? Ist eine solche zentrale Stelle wie in Nordrhein-Westfalen nicht geradezu eine Notwendigkeit, wenn die Krankenkassen die ihnen durch das RehaAngleichungsgesetz zugewiesenen Aufgaben erfüllen wollen? Hier stellt sich die Frage: Was geschieht bei den Kassen und bei den Versicherungsträgern in anderen Bundesländern an Aktivitäten? Werden diese durch die heutige Debatte zum Nachdenken und Handeln angeregt werden? Ich kann diese Hoffnung nur aussprechen.
Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen, da meine Redezeit abgelaufen ist. Wir Freien Demokraten werden uns jedenfalls weiter bemühen, immer wieder mit den Ärzteverbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Krankenkassen und den Bürgern alle Verbesserungsvorschläge zu diskutieren und in die Tat umzusetzen, um mehr Hilfe zur Vorsorge, zur Therapie und Nachsorge dieser grausamen Krankheit Krebs zu erreichen.
({0})
Frau Kollegin Lüdemann hat hier einige interessante allgemeine Betrachtungen über die Psyche der Geschlechter angestellt. Ich würde sie auf Grund der langjährigen Erfahrung dieses Hohen Hauses nicht allgemein auf die Damen und Herren des Hauses übertragen.
({0})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Beitrag komme, sei mir gestattet, kurz auf die Bemerkungen der beiden Oppositionsredner einzugehen.
Nach den wohl mehr als Pflichtübung zu verstehenden polemischen Ausfällen des Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein
({0})
haben sich die Ausführungen der Frau Kollegin Neumeister durch wohltuende Sachlichkeit ausgezeichnet. Dies ist ja wohl die einzige Art, in der wir dieses Thema gemeinsam miteinander behandeln können.
({1})
Gleichwohl waren natürlich auch bei ihr gewisse Bewußtseinstrübungen, ausgelöst durch das Datum 3. Oktober 1976, feststellbar.
({2})
- Wissen Sie, Herr Kollege, halten Sie sich vielleicht noch ein wenig mit Ihren Zwischenrufen zurück, bis ich Gelegenheit habe, auch zu erläutern, was ich damit gemeint habe.
({3})
Frau Kollegin Neumeister, Sie haben sich kritisch mit der klinischen Krebsforschung auseinandergesetzt. Ich meine, es ist Bewußtseinstrübung, wenn man den Eindruck erwecken will, als sei das eine Sache, für die der Bund die umfassende Zuständigkeit habe, und als sei hier ein Verschulden des Bundes anzuprangern.
({4})
Daß dies in den Ländern geschehen muß, wissen Sie so gut wie ich. Schauen Sie sich das an: Die Bundesratsbank sieht selten so leer aus wie heute.
({5})
- Ich bitte Sie! Die hauptsächlich zuständigen Ressorts der Bundesregierung sind doch wohl vertreten. Allerdings ist das Plenum auch nicht überwältigend besetzt. In dieser Frage sind alle Länderinstitutionen angesprochen, und kein einziger Ländervertreter, nicht einmal ein nachgeordneter Referent, sitzt auf der Bundesratsbank.
({6})
Sie haben auf die mangelnde Ausstattung des DIMDI-Instituts hingewiesen. Wir alle sind sicherlich gern bereit, miteinander zu überlegen, wie wir dieses Defizit aufarbeiten können. Nur denken Sie bitte daran, daß in anderen Debatten, die größer angelegt sind und auch ein größeres Forum haben, Sie und Ihre Fraktionskollegen immer wieder die Kritik an der Ausweitung der Staatsquote vortragen. Ich kann nicht einerseits sektoral immer wieder sagen, da und dort werde zuwenig getan, in Generaldebatten aber darauf hinweisen, der Anteil des Staates mit seiner aufgeblähten Bürokratie sei ohnehin zu hoch.
({7})
Das ist doch der Widerspruch, in dem Sie sich selbst verfangen.
Frau Dr. Neumeister hat auch beklagt, daß für die Gesundheitsaufklärung und -erziehung nicht genügend finanzielle Prioritäten gesetzt würden, wohl wissend, daß dies falsch ist. Erinnern Sie sich bitte an die Haushaltsberatungen in unserem Ausschuß und an den Beschluß, die Mittel für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auszuweiten. Hiermit ist der Beweis dafür angetreten, daß das, was Sie hier vortragen, im Hinblick auf den 3. Oktober überzeichnet ist. Das dient nicht der Sache.
Der Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein beklagte, daß es erst der Anfrage bedurft habe, um von der Bundesregierung Antworten zu bekommen. Das ist erstens wohl selbstverständlich; zum zweiten aber müssen Sie bei diesem Thema doch bedenken, daß Aussagen über das, was sich außerhalb der Bundesforschung, nämlich im universitären Bereich oder bei anderen freien Trägern, vollzieht, im Bereich des Bundes nicht gespeichert werden und wohl auch nicht gespeichert werden können und daß man hier auch keinen unverhältnismäßigen Aufwand bei denjenigen Stellen erwarten darf, die diese Forschung betreiben.
({8})
- Ja, aber ich bitte Sie, das, was hierbei verbesserungswürdig ist, kann seitens des Bundes nicht erzwungen werden; das wissen Sie ganz genau. Und die Antwort auf diese Große Anfrage legt ja offen, wo hier noch Möglichkeiten der Verbesserung sind, und alle sind angesprochen. Und ich muß noch einmal sagen: Dies betrifft natürlich auch die Verantwortlichen, die sonst auf dieser Bank zu sitzen hätten.
({9})
Ein letztes noch zu Ihren Bemerkungen, Herr Kollege Sayn-Wittgenstein:
({10})
Niemandem wollen Sie doch wohl ernsthaft den Eindruck suggerieren, daß Krebs und seine Gefahren erst aus dem Jahre 1969 resultieren. Insofern müssen Sie doch alles, was Sie kritisch angemerkt haben, auch auf sich selbst zurückwirken lassen, nämlich auf jene Zeiten, in denen Sie als CDU/CSU-Mehrheit hier die Richtlinien der Politik bestimmt haben.
Die Große Anfrage der Fraktionen von SPD und FDP sowie die Antwort der Bundesregierung hierauf haben deutlich gemacht, daß für die Politik in diesen Bereichen im wesentlichen vier Aufgaben gestellt sind: erstens Sicherung der Forschungsfinanzierung, zweitens Koordinierung der vorhandenen Forschungsaktivitäten - national wie international -, drittens Umsetzung dieser Forschungsergebnisse in die medizinische Praxis durch Organisationsentscheidungen und viertens Öffentlichkeitsarbeit.
Die Antwort der Bundesregierung vom 9. Februar 1976 ist von großer Verantwortung getragen. Sie ist von dem peinlichen Bemühen durchdrungen, keine unbegründeten Hoffnungen zu wecken. Wir sind der Bundesregierung hierfür dankbar. Gleichwohl gilt es, den von dieser Krankheit betroffenen Menschen, ja darüber hinaus allen Menschen in unserem Lande deutlich zu machen, daß auch bei Krebserkrankungen Heilungschancen gegeben sind und daß diese Heilungschancen um so größer sind, je früher die Krankheit angegangen wird, ja daß diese Heilungschancen größer sind, als man gemeinhin annimmt.
Lassen Sie mich nun zu den vier von mir aufgezeigten Bereichen, in denen die Politik Zuständigkeiten hat, kurz Stellung nehmen. Für die außeruniversitäre Krebsforschung hat der Staat, die öffentlichen Hände also, im Jahre 1975 insgesamt rund 60 Millionen DM aufgewendet; dies entspricht einem Forschungsaufwand für die Krebserkrankungen in Höhe von zirka 11,5 %, gemessen am Gesamtforschungsaufwand im Gesundheitswesen. Wenn man den Anteil der universitären Forschung in gleicher Höhe veranschlagen wollte - und das wird man wohl mit Fug und Recht in etwa können -, kommt man auf rund 140 Millionen DM, die im Jahre 1975 von den öffentlichen Händen für Krebsforschung aufgewendet wurden. Damit liegen wir zwar vor Frankreich und England, aber deutlich hinter den Vereinigten Staaten von Amerika und auch anderen Ländern. Die Vereinigten Staaten von Amerika wenden rund 29 v. H. ihrer Gesamtforschungsaufwendungen im Gesundheitswesen für den Schwerpunktbereich Krebsforschung auf. Hier gilt es also, noch mehr Mittel zu aktivieren, obwohl man ja zu den Mitteln der öffentlichen Hand auch noch jene Mittel rechnen muß, die von anderen Trägern auf Grund von privaten Initiativen aufgebracht werden
({11})
- und natürlich von der Industrie; dies will ich hier gar nicht übergehen und unterschlagen.
Wir sind also nicht auf einem Platz, auf dem wir das Gefühl haben könnten, dies könnte und bräuchte und müßte nicht ausgeweitet werden. Gleichwohl gilt es festzuhalten, daß - wie die Bundesregierung ja ausgesagt hat - mehr Geld nicht zugleich auch mehr Erfolg bedeuten muß. Diese Erkenntnis mag für manchen, der sich mit heißem Herzen dieser Frage zugewendet hat, möglicherweise ein wenig bedrückend wirken; aber es täte uns allen gut, wenn wir dies so in uns aufnähmen.
Das längerfristige Rahmenprogramm Forschung und Technologie - hier mehrfach angesprochen -ist ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen innerhalb dieses Fragenkomplexes. Wir werden ja darüber miteinander noch ausführlich diskutieren; ich erspare mir daher jetzt weitere Ausführungen dazu.
Was den zweiten von mir gekennzeichneten Aufgabenbereich, die Koordination, anlangt, so begrüßen wir, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, die Haltung der Bundesregierung, die da lautet, die deutsche Krebsforschung als einen deutschen Beitrag zur weltweiten Krebsforschung zu begreifen. Die aktive Mitgliedschaft in der Internationalen Zentralstelle für Krebsforschung in Lyon dokumentiert diese Haltung genauso wie die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika sowie mit zahlreichen weiteren nationalen und internationalen Organisationen auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung und Krebsforschung.
Für den Laien - ich bekenne mich als einen solchen - ist die Vielzahl der verschiedenen Einrichtungen - national wie international - sicher verwirrend.
({12})
Allerdings werden wir uns mit der Tatsache, daß es so viel Institutionen gibt, abzufinden haben.
({13})
Große Bedeutung kommt daher der Schaffung einer internationalen Datenbank auf dem Gebiet der Krebserforschung zu. Die Bundesregierung wird von uns aufgefordert, mit Nachdruck darauf hinzuwirken. Die ersten Schritte hierzu sind bereits getan. Es gilt, hier weiterzuarbeiten.
Koordination, meine Damen und Herren, darf aber niemals zur Gängelei werden. Wissenschaft kann nur in Freiheit gedeihen. Die Abstimmung - ich betone: die nötige Abstimmung - kann daher immer nur mit großem Einfühlungsvermögen erfolgen. Die Professoren Dr. Carl G. Schmidt und Dr. Eberhard Scherer haben im „Deutschen Ärzteblatt" in Heft 27 am 3. Juli 1975 zu diesem Thema Ausführungen gemacht,
({14})
die ich kurz zitieren möchte:
Forschungsprojekte größeren Ausmaßes können heute nicht mehr an allen Universitäten und Forschungsinstituten mit gleichem Aufwand verfolgt werden. Die Kehrseite dieser durch finanziellen und Sachzwang sich abzeichnenden Situation ist aber der nicht zu vertretende Monopolanspruch, der gelegentlich von derartigen Institutionen oder ihren Mitarbeitern ausgehen kann. Monopolansprüche stellen eine unverantwortliche Verarmung und Einengung der geistigen Auseinandersetzung und damit der Forschung dar.
Meine Damen und Herren, dies zeigt uns die Grenzen von Koordinations- und Zentralisationsbemühungen an. Noch einmal: Gängelei, die zur geistigen Verarmung führen könnte, würde hier nur schaden, würde nichts nutzen.
({15})
Die Antwort der Bundesregierung macht auch deutlich, daß in der Bundesrepublik die Verbindung von naturwissenschaftlich-experimenteller mit klinischer Forschung verbesserungsbedürftig ist. Hier setzt die Aufgabe der Politiker ein, durch Verbesserung der Organisationsstrukturen einen wirkungsvollen Beitrag zu leisten. Die Regierung sollte schnell alle erforderlichen Maßnahmen zur Förderung der klinischen Onkologie einleiten. Dies ist von allen Fraktionen heute morgen bereits übereinstimmend erklärt worden. Der Aufbau eines ersten onkologischen Zentrums in Heidelberg, und zwar in Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg, kann daher nur nachhaltig begrüßt werden.
Zusammen mit den Bundesländern sollten weitere Standorte für solche Zentren ermittelt werden, um danach zügig an eine Verwirklichung solcher weiteren Zentren heranzugehen. In dem von mir bereits zitierten Artikel des Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft, Herrn Professor Dr. Carl G. Schmidt, weist dieser darauf hin, daß dies nicht einmal außerordentlich hohe Investitionskosten erforderte.
Weiterhin sollten wir, wie in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern, den Facharzt für Onkologie als Subdisziplin des Faches Innere Medizin installieren. Hier sollten sich alle diesbezüglichen Bemühungen konzentrieren. Denn internationale Forschung, weltweite Forschung auf dem Gebiet der Krebserkrankung hat ja bereits eine Vielzahl von Erkenntnissen gebracht, die in die Behandlung und Behandlungsmethoden umzusetzen sind. Die beste klinische Versorgung bleibt allerdings unzureichend, wenn nicht die entsprechenden Vorkehrungen für eine zielgerichtete Nachsorge getroffen werden. Darum sind Klinikregister, in die alle klinisch behandelten Krebspatienten aufgenommen werden, dringend erforderlich. Wir sehen: Wenn wir uns im sachlichen Bereich diesen Fragen stellen, gibt es zwischen den drei oder vier Parteien in diesem Bundestag kaum Kontroversen.
Nun zur Öffentlichkeitsarbeit. Bestürzend und erschreckend zugleich ist die Resonanz auf das Angebot der Vorsorge, sprich: Früherkennungsuntersuchungen. Trotz zahlreicher Informationen durch die Kassen, durch staatliche und andere Stellen lag die Quote der Inanspruchnahme 1973 mit rund 12,65 % bei Männern und 40,04 % bei Frauen deutlich unter den Erwartungen, die all jene gehabt haben, die sich für Aufnahme dieser Maßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt haben. Der Herr Kollege zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein hat uns alle in einem Brief aufgefordert, in den nächsten Tagen und Wochen an diese Möglichkeit zu denken. Ich unterstütze diese Initiative sehr; ich begrüße sie. Ich möchte allerdings einen Hinweis hinzufügen: wir müssen das gar nicht in der nächsten sitzungsfreien Woche tun, wir haben sogar die Möglichkeit, während der Sitzungswochen hier beim Arzt im Hause eine solche Früherkennungsuntersuchung durchführen zu lassen.
({16})
Ich möchte mir erlauben, das Präsidium des Deutschen Bundestages darauf hinzuweisen, daß man dies vielleicht allen Kolleginnen und Kollegen im Hause mitteilt.
({17})
Die Belastung in sitzungsfreien Wochen ist für uns
oft größer als die in Sitzungswochen, was im einzelnen zwischen den Kollegen sicher unterschiedlich ist.
Wir, die es wissen, sollten immer wieder in der Öffentlichkeit sagen, daß Früherkennung und damit Frühbehandlung die Heilungschancen deutlich verbessert, die inzwischen bei voller Ausnutzung der vorhandenen Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie bei rund 35 % bis 40 % aller Krebsfälle liegen können. Dies ist eine grobe, vereinfachende Darstellung; sie hat allerdings den Vorteil, daß sie eingängig ist, und wir wenden uns hiermit an die Öffentlichkeit und nicht so sehr - Vizepräsident von Hassel: Ich werde Ihnen noch ein paar Minuten zugestehen; aber ich darf Sie bitten, dann zum Ende zu kommen.
Ich bedanke mich. - Die Beteiligung an Früherkennungsuntersuchungen wird sehr durch die vorhandene Angstschwelle behindert, die auch daraus resultiert, daß dieses Thema weitgehend tabuisiert ist, daß niemand, der an Krebs erkrankt ist, darüber spricht, auch nicht einmal jener, der diese schwere Krankheit erfolgreich überstanden hat. Lassen Sie mich daher in der nunmehr gebotenen Kürze wenigstens darauf hinweisen, daß sich das Beispiel der Schauspielerin Hildegard Knef mit ihrem letzten Buch - unabhängig davon, wie man ansonsten zum Inhalt dieses Buches stehen mag - deutlich aus allem anderen, was ansonsten bekannt ist, positiv heraushebt und daß wir als Politiker an jeder Stelle, wo wir es können, auch immer darauf hinweisen sollten, daß Krebs eine Erkrankung ist, die viele Menschen trifft, aber daß es Heilungschancen gibt. Erwecken wir also nicht
Resignation, erwecken wir Hoffnung, begreifen wir das auch als eine unserer Aufgaben.
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Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Alber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lassen Sie mich wegen der fortgeschrittenen Zeit nur in aller Kürze zu einigen Fragen der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Krebsforschung Stellung nehmen. Es ist unbestritten, daß sich die Krebserkrankungen immer mehr zu einer Geißel der Menschheit entwickeln. Wenn heute jeder Fünfte an Krebs stirbt - vor 50 Jahren war es erst jeder Fünfzehnte -, wenn der Krebs in der Rangliste der Todesursachen von der siebenten Stelle im Jahre 1900 inzwischen auf die zweite Stelle vorgerückt ist, und wenn man bedenkt, daß diese Zahlen steigen werden, daß also am Ende dieses Jahrhunderts jeder vierte an Krebs erkranken wird, dann ist dies mehr als alarmierend.
Eine Krankheit dieses Ausmaßes in den Griff zu bekommen, ist nur durch eine internationale Kampagne möglich. Es bedarf hierzu geradezu eines international abgestimmten Kreuzzuges. Was die notwendige Kooperation anbelangt, so fehlt noch vieles. Fast wäre man versucht zu sagen: die internationale Koordinierung war auf dem Kinderkreuzzug ins Heilige Land im Jahre 1212 weitaus enger und besser als auf dem notwendigen Kreuzzug gegen den Krebs.
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Dies ist kein Vorwurf gegen die betreffenden Wissenschaftler, ganz im Gegenteil; denn diese tun ihr Möglichstes. Zur internationalen Koordinierung bedarf es aber staatlicher Hilfe, Anregung und Initiative. Es ist deshalb der Bundesregierung nicht zuzustimmen, zumindest wenn es in dieser Form geschieht, wenn sie die Meinung vertritt, zur Intensivierung der Zusammenarbeit in der Onkologie bedürfe es nicht noch eines besonderen Forschungsprogramms auf europäischer Ebene. Gewiß gibt es schon internationale Organisationen, die sich mit der Krebsforschung befassen. Es gibt sogar fast schon zu viele, so daß hier eine Flurbereinigung und eine Zusammenlegung not täten. Wir haben die WHO in Genf; es gibt die internationale Zentralstelle für Krebsforschung in Lyon, die Union Internationale centre de Cancer in Genf, die European Organisation for Research on Treatment of Cancer in Brüssel, die European Tissue Culture Society in Lübeck, die International Atomic Energy Agency in Wien und die European Association for Research on Cancer in Kopenhagen.
Diese Vielfalt ist weder effektiv noch sinnvoll, einmal, weil schon die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen zu wünschen übrigläßt, zum andern, weil einige dieser Stellen sich nicht nur mit Krebsforschung befassen, und außerdem, weil die Mitglieder nicht immer dieselben sind. Was für die Koordinierung zwischen dem Bund und den Ländern auf der nationalen Ebene gilt, gilt für diese Organisationen ebenso.
Es wäre deshalb wünschenswert, daß sich möglichst nur eine einzige internationale Stelle führend mit der Krebsforschung befaßt. Ob die Weltgesundheitsorganisation diese beste Stelle wäre, möchte ich auch im Hinblick auf die immer stärker werdende Politisierung selbst der Unterorganisationen der UNO stark bezweifeln.
Im Gegensatz zur Anregung in der Großen Anfrage würde sich hierfür statt der Europäischen Gemeinschaften besser der Europarat anbieten, zum einen, weil er sich mit den Fragen der Gesundheitspolitik schon erfolgreich befaßt, und zum andern, weil er wegen der größeren Zahl seiner Mitglieder als Instrument der europäischen Zusammenarbeit und Koordinierung besser geeignet ist.
Wenn die Bundesregierung gegen eine besondere europäische Einrichtung unter anderem finanzielle Bedenken äußert, so kann dem nicht gefolgt werden. Nicht nur würde eine internationale Flurbereinigung ihrerseits Geld einsparen. Im Hinblick auf das Nachhinken der deutschen Forschung würde die Bundesrepublik von einer solchen Institution auch profitieren. Hierbei darf ja nicht vergessen werden, daß die Bundesrepublik unter anderem bei der vor kurzem im Krebsforschungszentrum in Heidelberg abgehaltenen Tagung der Gesellschaft für medizinische Physik als ein „Entwicklungsland" auf Teilgebieten der Krebsforschung bezeichnet worden ist.
Dies bestätigen die Professoren Bautz und Helm-reich in einem heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienenen Artikel, aus dem ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren möchte:
Wir unterstellen, daß die Forschung in unserem Lande, speziell auf dem biomedizinischen Gebiet, . . . in Bälde nicht mehr den internationalen Rang besitzen wird, den wir für angemessen und nötig halten.
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Solche Äußerungen müssen bedenklich stimmen.
Eine sinnvolle und notwendige Aufgabe einer internationalen Stelle wäre nicht nur die Forcierung der Bemühungen um Koordinierung der internationalen Zusammenarbeit, wie es im Bericht der Bundesregierung zum Beschluß der Weltgesundheitsversammlung vom Mai 1975 wörtlich heißt. Diese bloße Absichtserklärung ist fast ein Nichts. Was sein muß, ist nicht das Bemühen um eine Forderung der Koordinierung, sondern die Koordinierung selbst, und zwar nicht erst im Bereich der Ergebnisse und im Austausch von Informationen und Daten. Die Datenbank wurde angesprochen; aber dies allein genügt doch nicht. Wichtiger noch ist schon das Steuern von Programmen, um unnötige und teuere Doppelarbeit zu vermeiden. Bereits beim Aufstellen und Ausarbeiten der Forschungsaufträge ist die Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Denn nur so können sinnvoll Prioritäten gesetzt werden; nur so ist eine echte interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich; nur so ist eine Leistungs17856
kontrolle möglich; und nur so kann vermieden werden, daß es weiterhin lückenhafte Gebiete im Bereich der Krebsforschung gibt.
Ich spreche nicht für ein Weisungsrecht dieser Institution. Ich bin sicher, daß die mit der Forschung befaßten Wissenschaftler und die betreffenden nationalen Institute im Rahmen einer solchen internationalen Stelle von sich aus am besten in der Lage sind, die notwendige Aufteilung vorzunehmen.
Nur so wären die Wissenschaftler auch möglichst frei von bürokratischen Bremsen und von politischer Bevormundung. In dem von mir vorhin erwähnten Artikel heißt es ja unter anderem auch wörtlich
ich zitiere wiederum mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Die Gründe für die Schwierigkeiten der deutschen Forschung liegen vorwiegend in einer wissenschaftsfremden Bürokratie, die bald jede kreative und leistungsorientierte Wissenschaft ersticken muß.
Dies wäre im Bereich einer internationalen Zusammenarbeit nicht so der Fall.
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Die Koordinierung schon beim Ausarbeiten von Programmen reicht aber noch nicht aus. Die Zusammenarbeit von Institutionen kann nur ein Teil der internationalen Kampagne gegen den Krebs sein. Notwendig ist auch die Schaffung eines Forums, so daß sich die Wissenschaftler selbst kennenlernen können, daß sie Gelegenheit haben, ihre Erfahrungen auszutauschen.
Auch hierfür, meine ich, würde sich der Europarat anbieten, der im Wege ständiger Kolloquien dieses Forum schaffen könnte.
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Von all dem würde die Bundesrepublik wegen ihres Rückstandes in der Krebsforschung profitieren. Es wäre sinnvoll, wenn wir zu einer echten internationalen Zusammenarbeit die Initiative ergreifen würden. Nach den bisherigen Versäumnissen wäre dies sogar dringend notwendig. Da nach der Selbstdarstellung der SPD der Rat des Bundeskanzlers überall gehört wird, wäre eine solche Initiative sicher auch erfolgreich.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die bisherige internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Krebsforschung im Gegensatz zur Meinung der Bundesregierung nicht ausreicht. Es trifft auch nicht zu, daß die vorhandenen internationalen Organisationen die gestellten Aufgaben bewältigen und den Anforderungen genügen.
Ein eigenes, europäisches, multidisziplinäres Programm zur Krebsforschung und Krebsbekämpfung, am besten, wie ich sagte, auf der Ebene des Europarates und bei einer entsprechenden Zusammenlegung vorhandener internationaler Organisationen, wäre wünschenswert. Mich wundert, daß die Kollegen von den Koalitionsparteien heute die Lücken in der internationalen Zusammenarbeit gar nicht mehr sehen, obwohl sie doch in ihrer Frage 1 in der Großen Anfrage dies selbst angesprochen haben.
Notwendig ist - wie ich eingangs erwähnte - ein internationaler Kreuzzug gegen den Krebs. Nur so, meine Damen und Herren, wird es möglich sein, daß es hoffentlich bald einmal, und zwar generell, heißen kann: Krebs ist heilbar.
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Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute vormittag hier geführt haben, hat manchmal den Eindruck erweckt, als ob die Krebsforschung ausschließlich in der Zuständigkeit des Bundes und in den Möglichkeiten der Bundesregierung läge und als ob es nicht Bund, Länder, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Sonderforschungsbereiche, Krankenhäuser, Krankenhausträger und was nicht alles gäbe - in einem sehr bunten Kompetenzgewirr, das zu einer sinnvollen Zusammenarbeit zusammengeführt werden muß.
Es hat keinen Wert, die Augen vor den Problemen, die sich in der Koordination stellen, zu verschließen und nur Forderungen zu erheben, ohne zu sehen, welche institutionellen Probleme damit unmittelbar ausgelöst sind.
Ich möchte noch auf einige Punkte eingehen, die mich zwingen, einiges richtigzustellen, was hier im Verlauf der Debatte gesagt wurde und teilweise unrichtig oder mindestens mißverständlich ist. Dies beginnt mit der Dotierung der Finanzmittel des Bundes für das Deutsche Krebsforschungszentrum. Ich halte es für falsch und für gefährlich, im öffentlichen Bewußtsein draußen den Eindruck erwecken zu wollen, als ob das Deutsche Krebsforschungszentrum nicht im Rahmen des sachlich Gebotenen finanzielle Zuwendungen empfangen hätte, um die sachlich gebotenen Arbeiten durchführen zu können.
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Wir haben - und da muß man ein bißchen auf die Zahlen gucken - 1972 etwa 9 Millionen DM Betriebsmittel für das Deutsche Krebsforschungszentrum zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr, im Jahre 1976, sind es über 35 Millionen DM.
Das ist, Herr Kollege Sayn-Wittgenstein, in vier Jahren eine Steigerung von 400 %! Dies ist ohne Beispiel im Bereich der Großforschung der Bundesrepublik und ist Ausdruck dafür, daß wir der Krebsforschung ganz klar eine Priorität in der Forschungsförderung eingeräumt haben,
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und zwar nicht nur deswegen, weil wir das für sachlich geboten halten, sondern auch deswegen, weil 1969
in diesen Bereichen eine katastrophale Ausgangslage
bestand und der Bund in den Jahren bis 1969 so viel wie nichts getan hatte, um diese Bereiche tatsächlich zu fördern. Erst seit dieser Zeit konnte das Krebsforschungszentrum wirklich zu dem ausgebaut werden, was es jetzt ist und was hoffentlich dann auch mit entsprechenden Forschungsergebnissen angefüllt werden kann.
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Ich bedaure es, daß das Diskussionsangebot, das die Bundesregierung mit der Vorlage des Programmbudgets über das Deutsche Krebsforschungszentrum an das Parlament gemacht hat, ein Programmbudget, das ja die Ziele, die Maßnahmen und die Schwerpunkte der Forschungsförderung nennt - der Kollege Kern hat heute morgen noch einmal im einzelnen genannt, wo wir die Schwerpunkte dieser Arbeiten für das Deutsche Krebsforschungszentrum sehen - von der Opposition bis jetzt in der Sache ausgeschlagen wurde.
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Man hat sich auf Randprobleme beschränkt. Man hat aber in der Diskussion sowohl in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages wie im Plenum des Deutschen Bundestages versäumt - dies wäre ja wohl der Ort -, etwas zu tun, wenn man in der Sache Bedenken hätte, daß hier Schwerpunkte gesetzt wurden. Dies gilt im übrigen auch für den generellen Ansatz der Krebsforschung, den wir vorgelegt haben und der besagt, daß wir uns im nationalen Bereich vor allem auf Fragen der Krebsbekämpfung und der Umsetzung von Forschungsergebnissen konzentrieren und daß wir im internationalen Bereich - ich komme auf das, was Sie, Herr Kollege Alber, gesagt haben, nachher noch einmal zurück - die Koordinierung und die Abstimmung verstärken, weil wir der Meinung sind, es sei wenig sinnvoll und übersteige unsere Kapazität, ein autonomes nationales Krebsforschungsprogramm zu machen. Es muß in den internationalen Verbund eingegliedert werden, wobei ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe, daß die Opposition der Meinung ist, der Europarat sollte die Krebsforschung koordinieren. Ich bin sicher, daß das die Wissenschaftler draußen im Land nicht nur sehr interessieren, sondern auch sehr erheitern wird, wenn sie von dem Vorschlag hören, den Sie heute hier unterbreitet haben. Auch zu dem generellen Ansatz, zu der Frage, ob das richtig ist, ist von der Opposition in dieser Debatte nichts ausgeführt worden.
Nun zu dem Programm „Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit", von dem Sie gesagt haben, es sei Propaganda. Herr Kollege SaynWittgenstein, Sie verkennen die besonderen Bedingungen der Forschungsförderung, wenn Sie meinen, ein solches Programm würde sozusagen aus dem Leeren geschöpft. Es ist ein normaler Vorgang und hat vielfältig Beispiele, daß ein bestimmtes Gebiet gefördert wird, weil hier, von den Wissenschaftlern empfohlen, interessante Anträge vorliegen, und daß es dann in diesem Bereich Wachstumsraten gibt. Übrigens hat die Gesundheitsforschung im Bereich der Bundesregierung insgesamt in den letzten drei Jahren jeweils zweistellige Prozentsätze an Haushaltssteigerungen. Dann wird man an einem bestimmten Punkt sagen, nun ist es an der Zeit, dies zu systematisieren, zusammenzufassen, die Prioritäten zur Diskussion zu stellen und mit der Öffentlichkeit und den interessierten Wissenschaftlern darüber zu diskutieren, ob die Feststellungen so, wie sie getroffen sind, eigentlich richtig sind. Deswegen ist es ein Diskussionsangebot, das auf einer bestehenden Förderungspraxis aufbaut, die ja darin ihren Ausdruck findet, daß allein im Gesprächsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie in diesem Jahr rund 1/4 Milliarde DM an Forschungsgeldern in dem Bereich „Forschung und Technologie im Dienst der Gesundheit" zur Verfügung gestellt werden.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein?
Selbstverständlich.
Einem solchen Verfahren kann man durchaus zustimmen. Nur möchte ich Sie dann fragen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär,. warum Sie diesen Diskussionsentwurf in der Wahlpropaganda dieser Regierung schon als ein abgeschlossenes Programm der Bevölkerung anbieten und warum Sie, wenn Sie hinten die Finanzierung nennen, nicht auch gleichzeitig sagen, daß diese Mittel weitestgehend durch personelle Aufgaben gebunden sind.
Herr Kollege Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, das Programm soll so, wie es jetzt in der Öffentlichkeit vorgelegt wurde, die Absicht der Bundesregierung darstellen, und zwar nicht in der Zukunft, sondern - das werden Sie merken, wenn Sie das Programm einmal aufschlagen und aufmerksam lesen, was darin steht - dies ist 1/4 Milliarde DM Förderungsgelder im Jahre 1976. Dies ist kein Wechsel auf die Zukunft, sondern es ist die Systematisierung dessen, was in diesem Bereich bereits geschieht. Das gilt nicht nur für Forschung und Technologie, sondern für den Gesamtbereich der Bundesregierung. Dieses Verfahren, die Forschungsplanung nicht am grünen Tisch zu betreiben, sondern die Schwerpunkte auch im öffentlichen Dialog zur Diskussion zu stellen, ist, wie ich glaube, ein nützliches und vernünftiges Verfahren. Im übrigen ist das Programm selbst ja wirklich ein mustergültiges Beispiel für die Kooperation und Koordinierung zwischen verschiedenen Bundesressorts. Man kommt hier entsprechend den Beschlüssen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zu einem koordinierten Vorgehen.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zu Ihrem Vorwurf sagen, die Deutsche Krebshilfe und das Bundesministerium für Forschung und Technologie
täten zur Zeit das gleiche. Ich glaube, daß Sie hier einem kleinen Irrtum aufgesessen sind. Ich nehme an, Sie beziehen sich auf die Umfrage, die die Deutsche Krebshilfe durchführt, und die Umfrage, die das Bundesministerium für Forschung und Technologie durchgeführt hat. Zur Arbeitsteilung ist folgendes zu sagen.
Erstens. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie hat eine Umfrage durchgeführt, die den Gesamtbereich von Forschung und Technologie im Dienste der Gesundheit umfaßt. Die Deutsche Krebshilfe hat eine Umfrage mit der klaren Zielrichtung durchgeführt, in dem Schwerpunktbereich, den sie schon innerhalb der Krebsforschung ausgewählt hat, herauszufinden, wo sich sehr differenzierte Ansatzpunkt für sie bieten. Es gibt hier also einen thematischen Unterschied.
Zweitens gibt es einen zeitlichen Unterschied. Unsere Umfrage war längst durchgeführt, als die Krebshilfe mit ihrer Umfrage begann.
Drittens. Sie werden lachen: Die Dinge sind sogar abgestimmt. Sie sind nicht nur von der Zielsetzung und der Anlage her, sondern auch von der Durchführung her abgestimmt. Professor Munk, der wissenschaftliche Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums, der innerhalb der Deutschen Krebshilfe zugleich ja sozusagen die Federführung oder Moderation für die Forschungsförderung übernommen hat, ist in unserem Bereich ebenfalls mit dieser Umfrage befaßt. Der Deutschen Krebshilfe stehen unsere Daten, die etwas grobrastiger sind und es entsprechend der Zielsetzung der Umfrage auch sein müssen, voll zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen Punkt hinweisen, der meines Erachtens in der Debatte etwas zu kurz gekommen ist. Bei aller Anerkenntnis der Leistungsfähigkeit der Wissenschaft und der Notwendigkeit, die Krebsforschung zu intensivieren, dürfen wir nicht der Illusion erliegen, daß die Wissenschaft dieses Problem allein lösen könne. Sosehr wir die Krebsforschung auch intensivieren, eines ist heute bereits deutlich - und diese Erkenntnis ist schmerzhaft; wir sollten auch schmerzhafte Erkenntnisse der Wissenschaft zur Kenntnis nehmen -: Die Pille gegen den Krebs wird es niemals geben. Es wird niemals ausreichen, nur wissenschaftliche Mittel einzusetzen, um den Krebs zu bekämpfen. Es wird vielmehr notwendig sein, daß die Menschen ihr eigenes Verhalten überdenken und daß sie sich selbst für ihre Gesundheit verantwortlich fühlen. Nur dann, wenn dies gelingt, wird die Krebsforschung überhaupt erst in vollem Umfang zum Tragen kommen können. Mir wird unvergeßlich bleiben, wie der Leiter des amerikanischen Krebsforschungszentrums auf meine Frage, wo denn seines Erachtens politisch die Hauptansatzpunkte lägen, um den Krebs zu bekämpfen, ohne jedes Zögern sagte: Das Wichtigste wäre, das Rauchen einzuschränken, wenn nicht gar zu verbieten. Dies ist der Rat eines Mannes, der in der internationalen Krebsforschung einen absoluten Spitzenplatz innehat und hinsichtlich des Rauchens einen Nachweis geliefert hat. Dies gilt nicht nur für das Rauchen, sondern auch für wichtige andere Bereiche in diesem Zusammenhang. Was wir brauchen, sind deshalb nicht Kreuzzüge. Es ist vielmehr nötig, daß zunächst einmal diejenigen, die es angeht - und es geht jeden einzelnen an, denn jeder ist vom Krebs bedroht -, den Kampf gegen den Krebs zu ihrem eigenen Kampf machen. Im Rahmen der Krebsforschung sind dann insbesondere die Risikofaktoren herauszufinden, um präventiv tätig sein zu können. Wir dürfen uns in der Krebsforschung nicht darauf beschränken, das Übel dann, wenn es eingetreten ist, zu heilen, sondern wir müssen versuchen, die Dinge wirklich an der Wurzel zu pakken.
Ich möchte den Wissenschaftlern in der Bundesrepublik, die auf diesem Gebiet tätig sind und auf einigen Gebieten auch eine wirkliche Spitzenstellung erreicht haben - Herr Kollege Prinz zu SaynWittgenstein, es gibt wichtige und große Bereiche der Krebsforschung, in denen die Wissenschaftler aus der Bundesrepublik einen führenden Platz einnehmen; es wäre also falsch zu sagen, daß sich in der Forschung bei uns überall nur Lücken auftäten; es gibt auch bei uns große und wichtige Erfolge, etwa im Bereich der experimentellen Zytologie, der Biochemie und vor allen Dingen der Radiologie; aber auch im Bereich der neuen Technologien für die Früherkennung sind durchaus Erkenntnisse vermittelt worden --, Dank und Anerkennung aussprechen. Ich möchte diesen Dank und diese Anerkennung mit dem Appell und mit der Ermunterung an diese Wissenschaftler verknüpfen, auch unkonventionelle Vorschläge, den Krebs zu bekämpfen, unvoreingenommen und sehr ernsthaft zu prüfen. Kein Vorschlag auf diesem Gebiet darf mit der linken Hand weggewischt werden. Dies kann nur durch die Wissenschaftler selbst geschehen, wenn sie verantwortlich ihrer Arbeit nachgehen und auch solche Vorschläge weiter verfolgen, die zunächst nicht unmittelbar überzeugen. Das ist notwendig.
Es darf nicht eine weitere Zentralisierung geben, sondern wir müssen sehen, daß auch die Gefahr entstehen kann - wenn wir große neue leistungsfähige Einrichtungen erstellen -, daß ein gewisser Monopolanspruch mehr oder weniger als ungewolltes Nebenprodukt entsteht. Wir müssen höllisch aufpassen, daß Leute, die etwas abseits der normalen, anerkannten Straßen der Wissenschaft sich aufhalten, dann nicht daran gehindert sind, zum Zuge zu kommen. Dies gilt gerade für die Krebsforschung, bei der es ja um ein Problem geht, wo man bereits in der Anlage der Forschung, d. h. im Ansatzpunkt, wo eigentlich Forschungsstrategien einzusetzen haben, weitgehend im dunkeln tappt.
Deswegen kommt es entscheidend darauf an, daß wir hier wirklich einen pluralistischen Ansatz finden, der keinen Lösungsweg verschüttet und der die Möglichkeit aufrechterhält, auf die Weise tatsächlich eine Hilfe zu leisten, um den Krebs zu bekämpfen, insbesondere dort zu bekämpfen, wo man ihn von seinen Ursachen her bekämpfen kann.
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Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu dieser Großen Anfrage.
Ihnen liegen zwei Entschließungsanträge vor, Drucksachen 7/5330 und 7/5336. Es wird vorgeschlagen, beide Vorlagen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 23. Juni 1976, um 13 Uhr ein.
Ich schließe die Sitzung.