Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. März 1973 dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Weingesetzes
zugestimmt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. März 1973 der Weitergeltung der folgenden Geschäftsordnungen zugestimmt:
Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses nach Artikel 53 a des Grundgesetzes
Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß
Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 20. März 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dürr, Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein, Kirst und Genossen betr. Entschwefelung von Brennstoffen - Drucksache 7/272 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7;417 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 21. März 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden bereits verkündeten Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung ({0}) des Rates mit der die neuen Mitgliedstaaten ermächtigt werden, einzelstaatliche Unterteilungen für einige landwirtschaftliche Erzeugnisse in das Schema des Gemeinsamen Zolltarifs zu übernehmen
Verordnung ({1}) des Rates zur Änderung des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Fischereierzeugnisse
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 26. März 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende bereits verkündete Verordnung keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung ({2}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden
- Drucksache 7/152 Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf:
Einbringung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1973 ({3})
- Drucksache 7/250 Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits in
der vorigen Legislaturperiode hatte die erste sozialliberale Bundesregierung mit einem Beschluß im September 1972 den Gesamtrahmen des Bundeshaushalts 1973 aus stabilitätspolitischen Gründen auf die Höhe von 120,4 Milliarden DM festgelegt. Auf eine Konkretisierung und Detaillierung des Haushaltsentwurfs 1973 und des neuen Finanzplans hatte die erste sozialliberale Bundesregierung damals verzichtet, um eine zu weitgehende politische Präjudizierung der von einem erst noch neu zu wählenden Parlament zu bildenden neuen Bundesregierung zu vermeiden.
Die vom Bundeskanzler für die zweite sozialliberale Bundesregierung in der Regierungserklärung im Januar dargelegten Zielsetzungen und Programme finden jetzt in wesentlichen Punkten in den Ihnen zugeleiteten Haushalts- und Finanzplanungsunterlagen ihren Niederschlag. Es war notwendig, zunächst das Regierungsprogramm zu beschließen und im Anschluß daran das zu seiner Verwirklichung notwendige finanzpolitische Konzept und seine Aufgliederung im einzelnen diesem Hause vorzulegen. Die zeitliche Verschiebung der Einbringung des Bundeshaushalts wegen des Beginns einer neuen Legislaturperiode war daher unvermeidlich.
Inzwischen ist es in weniger als drei Monaten nach der Verabschiedung des Haushalts 1972 gelungen, den Haushaltsentwurf 1973 bis zur Druckreife zu bringen und ihn zum 16. März den Berichterstattern des Haushaltsausschusses im Vorwege vollständig zu übergeben. Wir sind dankbar, daß die Kollegen im Haushaltsausschuß schon mit der Arbeit begonnen haben, und hoffen, daß es gelingt, die parlamentarische Beratung bis zur Sommerpause abzuschließen, damit der Haushalt Anfang Juli im Gesetzblatt verkündet werden kann.
Nun ist die heutige erste Lesung traditionell ein Anlaß für eine politische Generaldebatte. Die heutige Regierungserklärung will sich aber auf die Finanzpolitik beschränken, wenngleich nicht etwa bloß auf die Ausgabenseite der Haushaltsvorlage.
Durch die zeitliche Verschiebung der Haushaltsvorlage infolge der neuen Regierungsbildung hat sich als ungewollter, aber gleichwohl wohltätiger Effekt ergeben, daß die nationalen und internationalen wirtschaftlichen Tendenzen heute wesentlich besser abgeschätzt werden können, als das noch im September möglich war. Diesen Entwicklungen muß auch der Bundeshaushalt Rechnung tragen. Denn in
ihm spiegelt sich die Lage der Bundesrepublik wieder, die im Spannungsfeld und in der Wechselwirkung der internationalen Entwicklung steht.
Die uns besonders bedrängenden wirtschaftlichen Probleme haben eine weltweite Dimension. Die währungspolitischen Ereignisse der letzten Monate haben dies deutlich gezeigt. Aber sie sind nur ein Beispiel dafür, daß die zunehmende Verflechtung der westlichen Industriestaaten zwangsläufig auch eine stärkere Verflechtung der Probleme ihrer Volkswirtschaften zur Folge hat. Neben der Währungspolitik werden künftig auch konjunkturpolitische, fiskalpolitische, handelspolitische, struktur-, umwelt-, energie-, arbeitsmarkt- und steuerpolitische Fragen immer häufiger die Tagesordnung internationaler Konferenzen bestimmen, vor allem aber den Ministerrat der EWG beschäftigen. Jeder dieser Problemkreise hat europäische Dimension, teilweise sogar weltweite Dimension. Weil unsere wirtschaftlichen Fragen über den Bereich der Bundesrepublik weit hinausreichen, kann es nicht überraschen, daß auch die zu ihrer Lösung notwendige politische Willensbildung über den nationalen Rahmen hinausgehen muß.
Dieses ganze Haus hat sich schon lange für Europa entschieden. Das heißt aber auch: im Maße des Integrationsfortschrittes, für den wir uns einsetzen, findet zugleich ein Verlust an wirtschafts- und finanzpolitischer Autonomie statt, dafür jedoch eine Zunahme an Interdependenz und an Abhängigkeit von den Entwicklungen unserer Partner.
Herrn Friderichs und meine bisher erfolglosen Bemühungen um die dringend erwünschte konjunkturpolitische Zollsenkung der EWG hebt - als Beispiel sei das hier genannt - die institutionelle Abhängigkeit schmerzlich ins Bewußtsein. Viel größer noch ist aber die tatsächliche Abhängigkeit infolge der engen Verflechtung der früher einmal nationalen Märkte.
({0})
Beschäftigung, Preise und Wachstum sind in den meisten industriellen Bereichen und insbesondere im volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhang längst keine nur autonom zu steuernden Größen mehr. Eine hoch defizitäre Finanzwirtschaft des einen Staates ruft auch bei den anderen inflatorische Effekte hervor, und die Preise des einen ziehen die Preise des anderen mit sich.
Dieser internationale Zusammenhang gilt auch für die Kreditpolitik. Durch die jüngsten währungspolitischen Entscheidungen ist zwar der kreditpolitische Spielraum der Bundesbank erweitert worden - und ich bin dafür, daß er genutzt wird -, aber dieser Bogen darf im Verhältnis zum Ausland nicht überspannt werden.
Durch die Dollarschwäche in den Monaten Februar und März war eine wirksame Stabilitätspolitik in den meisten EWG-Ländern zunehmend erschwert worden. Die Bundesregierung suchte dabei von Anfang an eine Gemeinschaftslösung, die in enger internationaler Abstimmung mit den anderen wichtigen Industrienationen, vornehmlich mit den
USA, zu erzielen war. Die erreichte Lösung kann, (I wie bei früherer Gelegenheit der Kollege Friderichs schon betont hat, angesichts der gegebenen schwierigen Umstände als optimal angesehen werden, denn der bislang erreichte Integrationsstand zwischen den sechs Gemeinschaftsländern wurde auf dem währungspolitischen Gebiet voll gewahrt. Wir wissen, daß sich Großbritannien, Irland und Italien sobald wie möglich dem Beschluß über die Einhaltung der gemeinschaftlichen Bandbreiten anschließen wollen.
Der Beschluß der Bundesregierung, die D-Mark um 3 % aufzuwerten, hat das Zustandekommen der Währungsvereinbarungen und ihre zukünftige Einhaltung wesentlich erleichtert. Außerdem war diese Maßnahme für die Bundesrepublik angesichts der ungewöhnlich kräftig expandierenden Exportaufträge auch unter unseren eigenen stabilitätspolitischen und verteilungspolitischen Gesichtspunkten wünschenswert. Sie wird, verstärkt durch den Abwertungseffekt des US-Dollars, dämpfend auf die Gesamtnachfrage und auf die Preise einwirken, und zwar ohne Gefahr für das reale wirtschaftliche Wachstum.
Es liegt uns am Herzen, in diesem Zusammenhang zu unterstreichen, daß das europäische Zusammengehen in der Währungspolitik keinerlei Blockbildung bedeutet. Der Geist der europäischen Zusammenarbeit ist nicht auf Abkapseln von der übrigen Welt gerichtet. Wir wollen vielmehr weltweite Zusammenarbeit und weltweite Arbeitsteilung.
Die jüngsten währungspolitischen Ereignisse haben für jedermann deutlich gemacht, wie dringend eine Reform des Weltwährungssystems ist. Sie hängt allerdings von einer Tendenzwende im internationalen Vertrauen zum amerikanischen Dollar ab.
Die Reform wird wesentlich davon abhängen, ob und wie es gelingt, die Interessen der Industriestaaten und der Entwicklungsländer, die Interessen Japans, der USA und Europas in einem konstruktiven, auf Partnerschaft bedachten Geist auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Die Vereinigten Staaten von Amerika und die westeuropäischen Staaten müssen wissen, daß die Atlantische Allianz, wenn sie Bestand haben soll, sich nicht auf eine außen- und verteidigungspolitische Kooperation beschränken, sondern daß sie dringend der ökonomischen Kooperation bedarf,
({1})
von der Währungspolitik und von der nationalen Kreditpolitik bis zur Handelspolitik, bis zur Entwicklungshilfe. Eine politische Kontinentaldrift zwischen den USA und den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft könnte auf die Dauer für alle Beteiligten verhängnisvolle Folgen haben. Man darf aber heute sagen, daß die währungspolitischen Entwicklungen der letzten Wochen und Monate uns neben Schwierigkeiten doch auch hoffnungsvolle Ansatzpunkte für eine kooperative ökonomische Politik der westlichen Gemeinschaft eingebracht haben.
({2})
Ein stärkeres Zusammenwirken der westlichen Länder ist vor allem notwendig, um mit dem weltweiten Problem der steigenden Preise besser fertig zu werden. Dies ist um so dringlicher, als wir gegenwärtig in der großen Mehrzahl der westlichen Staaten eine deutliche Konjunkturbelebung zu verzeichnen haben. Wir müssen deshalb nach Kräften dagegen wirken, daß sich die Preise nach dem Prinzip kommunizierender Röhren über die Außenwirtschaftsbeziehungen gegenseitig immer weiter hochschaukeln. Dabei versprechen stabilitätspolitische Anstrengungen um so mehr Erfolg und um so eher, je mehr alle Länder sich um mehr Stabilität bemühen.
Freilich müssen wir in Rechnung stellen, daß eine Reihe von Ländern im Gegensatz zur Bundesrepublik neben Preissteigerungen auch mit dem sie noch mehr bedrückenden Problem der Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben. Solche gesamtwirtschaftliche Konstellation engt natürlich die stabilitätspolitischen Möglichkeiten des betreffenden Staates ganz zwangsläufig ein. Gleichwohl setzt die Bundesregierung sich natürlich für eine gemeinsame Stabilitätspolitik ein.
Wie sich nun tatsächlich die Preise im Inland und im Ausland verhalten haben, erkennen Sie aus den nachfolgenden, den neuesten verfügbaren statistischen Angaben über die internationalen Preissteigerungsraten bei den Lebenshaltungskosten. Diese Angaben zeigen, wo die Bundesrepublik sich innerhalb des internationalen Geleitzuges befindet. Es handelt sich um Februar-Zahlen, in einigen Fällen im internationalen Vergleich nur um Januar-Zahlen, weil wir die Februar-Zahlen noch nicht haben. Ich nenne erst die Bundesrepublik: im Februar ein Anstieg plus 6,8 %.
({3})
- Plus 6,8 %, für uns alle erschreckend. - Ich nenne als nächstes: Österreich plus 8,1 %, Großbritannien plus 7,9 %, die Schweiz plus 7,6 %, Belgien plus 6,9 %, Italien plus 8,1 %, die Niederlande plus 7,6 %, Dänemark plus 7,2 %, Norwegen plus 7,6 %. Als einziges Land von den bedeutendsten Ländern Europas ist lediglich Frankreich
({4})
ein bißchen unter uns mit 6,6 % im Januar, aber auf Grund einer in jenem Monat eingetretenen Senkung der dortigen Mehrwertsteuer.
Es ist vielleicht ganz gut; wenn dieses Hohe Haus zur Kenntnis nimmt - ich hoffe, daß auch die Opposition sich dieser Kenntnisnahme nicht verschließen wird -, daß die bisherigen stabilitätspolitischen Bemühungen der Bundesregierung jedenfalls dazu geführt haben, daß nach wie vor die Bundesrepublik sich am Ende des Geleitzuges befindet, wo sie hingehört.
({5})
Daß dabei eine große Rolle die internationale Verflechtung spielt, der wir uns nicht entziehen können,
wird vielleicht auch der Zwischenrufer aus der Tatsache entnehmen,
({6})
daß im Februar 1973 der gewogene Durchschnitt aller Importpreise, d. h. der gewogene Durchschnitt der Preise für alle in die Bundesrepublik Deutschland importierten Güter aus dem Ausland,
({7})
im Zwölfmonatsdurchschnitt bei plus 12,1 % liegt. Im Januar lag er bei plus 11,8 %.
Ich will das mit einigen ausgewählten Produkten aus dem Rohstoffbereich illustrieren. Ich rede von den Kontraktpreisen deutscher Importeure; ich rede von dem Preisanstieg im Februar 1973 gegenüber dem Februar 1972. Die Preise für Wolle sind in diesem Zeitraum um 141,7 %,
({8})
die Preise für Häute und Felle um 68,4 %, die Preise für Leder um 40,7 %, für Rohkaffee um 25 %, für Rohkakao um 34 %, für Ölkuchen, Ölschrole um 98 % gestiegen.
({9})
Ich könnte die Liste noch wesentlich erweitern.
({10})
- Die Zwischenrufe aus den Reihen der Opposition zeigen ein mangelndes Interesse für nationalökonomische Daten.
({11})
Sie erkennen an diesen Daten, wie einige Weltmarktpreise im Laufe der letzten Monate explodiert sind,
({12})
und Sie erkennen wohl auch, daß die EWG und daß Bonn auf solche Steilkurven von Weltmarktpreisen von hier aus kaum einen wesentlichen Einfluß nehmen können.
Der enorme Einfluß der Einfuhrpreise - ich sage noch einmal: plus 12,1 % in zwölf Monaten - läßt sich insbesondere dann abschätzen, wenn man sich darüber klar ist, daß das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr rund 900 Milliarden DM ausmachen wird, die Importe aber allein 150 Milliarden DM betragen werden. Es ist überflüssig zu erwähnen, daß unsere Exportpreise in wesentlich geringerem Maße gestiegen sind als die Importpreise.
Unser nationales konjunkturpolitisches Bestreben ist die Eindämmung dieses Preisauftriebs und eine Tendenzumkehr. Dieses Ziel und die dazu beschlossenen Maßnahmen hat die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht und in der Plenardebatte über diesen Bericht dargelegt. Das Paket reicht von der Währungspolitik bis zur Steuerpolitik, von der Kreditpolitik der Bundesbank bis zur Stabilitätsanleihe. Natürlich fügt sich auch der Haushaltsentwurf 1973 in das stabilitätspolitische Konzept ein,
das schon verfahrensmäßig dadurch aus dem Rahmen des Gewohnten fiel, daß das Kabinett seine haushalts-, steuer- und anleihepolitischen Vorhaben im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht erarbeitet und beschlossen hat. Der Haushaltsentwurf ist also Bestandteil eines weitergreifenden stabilitätspolitischen Konzepts.
Aber ich muß gleich zwei Dinge hinzufügen, zum einen: Der Bundeshaushalt allein kann nicht Fehlentwicklungen, die in anderen Sektoren der Volkswirtschaft eingetreten sind, in vollem Umfang ausgleichen.
({13})
Dazu ist weder das finanzielle Volumen noch der konjunkturpolitische Handlungsspielraum des Bundeshaushalts in seiner Gesamtgrößenordnung für die Wirtschaft unseres Bundesstaates groß genug.
({14})
Zum anderen: Es ist auch weder die einzige noch etwa die wichtigste Funktion der öffentlichen Haushalte, etwa nur als Instrument der Globalsteuerung für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu dienen. Es wäre verfehlt, wenn wir es zuließen, daß angesichts der umfänglichen und bedeutsamen Aufgaben, die mit dem Ausbau eines modernen Sozialstaats und mit der Fortsetzung der notwendigen Reformpolitik verbunden sind, in dieser Situation die öffentlichen Haushalte und damit die öffentlichen Leistungen in die Rolle eines konjunkturpolitischen Lückenbüßers abgedrängt würden.
({15})
Der Entwurf des Haushalts 1973 weist eine Ausgabensteigerung gegenüber dem Ist 1972 von 9,7 % oder gegenüber unserem ursprünglichen Soll für 1972 von 10,5 % aus. Diese Begrenzung der Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr wertet die Bundesregierung als eine beachtliche konjunkturpolitische Leistung,
({16})
als eine beachtliche konjunkturpolitische Leistung, der einige der Ministerpräsidenten, die sich in den letzten Tagen dazu geäußert haben, in ihren Ländern folgen sollten, Herr Müller-Hermann.
({17})
Um diese Begrenzung der Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr zu erreichen, bedurfte es natürlich im Detail mancher harter Entschlüsse. Zwar haben wir keine bisherigen Leistungen des Staates eingeschränkt, wohl aber war an manchen Stellen ein Verzicht auf Leistungsverbesserung unumgänglich.
Wer aber, wie einige Oppositionssprecher, klagend behauptet, der Bund habe lediglich auf der Einnahmenseite, jedoch nicht auf der Ausgabenseite gehandelt, der sollte sich vergegenwärtigen, daß dieses Ausgabevolumen exakt dem in den Rahmenbeschlüssen vom 6. September 1972 festgelegten Betrag entspricht, Beschlüssen, die damals von Ihnen als inhaltsleere Versprechungen abgetan worden waren.
({18})
Er sollte übrigens würdigen, daß dies bei einem natürlich sich ständig weiter entwickelnden Haushalt erreicht ist. Seither hat sich allein ein zwangsläufiger Mehrbedarf von mehr als 600 Millionen DM ergeben - Personalausgaben, sächliche Verwaltungsausgaben, Kriegsopferversorgung, Kohlehilfe und anderes -, der zur Einhaltung des beschlossenen Gesamtplafonds durch Kürzungen in anderen Bereichen aufgefangen worden ist.
Die Opposition macht es sich zu leicht, wenn sie darüber hinaus weitere Streichungen verlangt, ohne zu sagen, wo diese weiteren Streichungen erfolgen sollen, und ohne zu sagen, wieviel weiterhin gestrichen werden soll.
({19})
Die Opposition treibt ein doppeltes Spiel. Einerseits verlangt Herr Kollege Strauß vom Bund geringere Ausgaben. Andererseits aber erheben die Herren Katzer, Warnke, Stoltenberg, Wörner, Pfeifer und andere ständig Forderungen nach zusätzlichen ausgabewirksamen Maßnahmen
({20})
- ich rufe Ihnen, der Opposition, Ihre eigenen Stichworte Bildung, Kindergeld, Kriegsopferversorgung, Ergänzungszuweisung, um nur einige wenige zu nennen, in Erinnerung -, ohne daß Sie zum mindesten erkennen lassen, aus welchen zusätzlichen Einnahmen Sie diese von Ihnen vorgeschlagenen Mehrbelastungen finanzieren wollen. Herr Strauß wiederum hat am 19. Februar Steuererhöhungsvorschläge ausdrücklich abgelehnt,
({21})
obgleich er selbst weiland als Bundesminister der Finanzen in seiner letzten veröffentlichten Finanzplanung schon ab 1970 eine deutlich über 24 % des Bruttosozialprodukts hinausgehende Steuerquote vorgesehen hatte. Wir werden dagegen auch 1973 aller Vorausberechnung nach an dieser Marke verharren. Nach den Zwischenrufen, die ich hier höre, fürchte ich, daß wir in der anschließenden Debatte noch genügend Beispiele für die inneren Widersprüche der Opposition erhalten.
({22})
Die im Jahreswirtschaftsbericht vorgesehenen sofortigen Schritte zur Stabilitätspolitik - Stabilitätsanleihe, steuerliche Maßnahmen, Stillegung von Mitteln, Reduzierung der Kreditaufnahme usw. - bilden die konjunkturpolitische Voraussetzung dafür, daß auf noch weitergehende Einschränkungen
auf der Ausgabenseite verzichtet werden kann. Damit wird ein ausgewogenes Verhältnis der Schritte auf den beiden Seiten des Haushalts erzielt, auf der Einnahmenseite wie auf der Ausgabenseite. Aber die Schritte auf der Einnahmenseite, die steuerlichen Maßnahmen, sind auch in sich ausgewogen, insbesondere ausgewogen unter dem sozialen Aspekt. Neben der Breitenwirkung der Mineralölsteuererhöhung steht die besondere Belastung der überwiegend gewinnbestimmten hohen Einkommen, womit deren voraussehbarer Entwicklung in der konjunkturellen Aufschwungphase Rechnung getragen worden ist. Wir können dagegen keinen Geschmack am Vorschlag des Kollegen Narjes finden, der statt dessen die Arbeitnehmer erneut mit einem Konjunkturzuschlag beglücken möchte.
({23})
Nach unseren Vorschlägen wird z. B. ein verheirateter Steuerpflichtiger mit 220 000 DM steuerpflichtigem Einkommen vom 1. Juli an 12 Monate lang zusätzlich zu seinen bisherigen Steuern monatlich 783 DM Stabilitätsabgabe bezahlen. Ein Arbeitnehmer hingegen, der mit seinem Fahrzeug von der Mineralölsteuererhöhung betroffen wird, wird bei 230 Arbeitstagen und einer Entfernung von 10 km zwischen Arbeitsstätte und Wohnung
({24})
durchschnittlich 2,15 DM mehr an Mineralölsteuer für Benzin aufzubringen haben. Wenn es statt 10 km 20 km sind, ergibt sich - das können Sie selbst ausrechnen - statt 2,15 DM ein Betrag von 4,30 DM.
({25})
Von den Steuermehreinnahmen fließen 700 Millionen DM aus der Mineralölsteuererhöhung und 700 Millionen DM aus der Vorverlegung von Zahlungsfristen in den Haushalt 1973. Dadurch soll die Nettokreditaufnahme gesenkt werden, was konjunkturpolitisch angezeigt ist.
({26})
Das Aufkommen aus der Stabilitätsabgabe steht dagegen nicht zur Verfügung. Es wird bei der Deutschen Bundesbank stillgelegt und damit dem Wirtschaftskreislauf entzogen.
({27})
Darüber hinaus wird der Ertrag aus der Stabilitätsanleihe im Umfang bis zu 4 Milliarden DM ebenfalls auf ein Stillegungskonto bei der Bundesbank eingezahlt werden. Von dieser Anleihe konnten in sehr kurzer Zeit bereits 1,5 Milliarden DM plaziert werden, die dadurch der Investitionsfinanzierung entzogen sind und auch nicht mehr als Grundlage neuer Kreditausweitung dienen können.
Die Bundesregierung leistet einen weiteren Beitrag zur Stabilität und zur Begrenzung der Bundesausgaben auch mit dem von ihr beabsichtigten restriktiven Vollzug des Bundeshaushalts 1973. Ausgaben und Verpflichtungen sind durch eine Verschärfung der vorläufigen Haushaltsführung eingeschränkt worden. Die Zahlungen an Zuwendungsempfänger sollen im Haushaltsvollzug um 5 % vermindert werden. Weiter ist beabsichtigt, die Zahl der im Haushalt ausgebrachten Planstellen um 2000 zu verringern. Dabei ist es mir durchaus bewußt, daß im Laufe des Jahres an manchem Ort auch die Schaffung neuer Stellen notwendig ist.
({28})
- Sicherlich, die UNO-Delegation oder die Delegation nach Peking brauchen natürlich Planstellen, Herr Kollege.
({29})
Die Bundesregierung hat außerdem im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht beschlossen, im Jahre 1973 anfallende Steuermehreinnahmen, soweit sie nicht zum Ausgleich für neu auftretende unabweisbare Mehrbelastungen benötigt werden, ebenfalls bei der Bundesbank stillzulegen.
({30})
Ais Resultat dieser haushalts- und finanzpolitischen Entscheidungen des Kabinetts ergibt sich im Haushaltsentwurf eine Nettokreditaufnahme von 3,8 Milliarden DM. Das sind 2 Milliarden DM weniger, als noch im letzten Finanzplan für dieses Jahr 1973 vorgesehen war.
({31})
Der Bundeshaushalt entspricht damit sowohl der im letzten Herbst im Fünfzehn-Punkte-Programm der damaligen Bundesregierung beschlossenen Stabilitätspolitik und den gemeinsamen Beschlüssen des Rates der Europäischen Gemeinschaft als auch der Empfehlung des Finanzplanungsrates vom September letzten Jahres. Inzwischen hat sich der Finanzplanungsrat vor wenigen Tagen auf meinen Vorschlag hin der Kreditaufnahmebegrenzung für alle Gebietskörperschaften zugewendet, es ist eine Rechtsverordnung nach dem Stabilitätsgesetz beabsichtigt.
({32})
- Lieber Herr Kollege Leicht, wenn Sie die Gesetze sorgfältiger nachlesen würden, würden Sie sehen, daß der Finanzplanungsrat zur Entscheidung nicht befugt ist. Er ist ein Konsultativorgan. Die Entscheidungen treffen Bundesregierung und Bundesrat durch Rechtsverordnung.
({33})
Außerdem sind nach dieser Empfehlung des Finanzplanungsrates Steuermehreinnahmen gegenüber der Steuerschätzung vom 27./28. Februar bei der Bundesbank stillzulegen - das gilt auch für die Länder -, soweit sie nicht zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwandt werden. Der Finanzplanungsrat hat schließlich seine einheitliche Auffasstung dahin gehend dargelegt, daß die von der Bun1210
desregierung empfohlene Streckung bei der Durchführung der Rahmenpläne für die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a des Grundgesetzes, insbesondere durch Verschiebung noch nicht begonnener Maßnahmen, möglichst bald auf den Weg gebracht werden sollte.
Mit dieser am 29. März, vor wenigen Tagen, vom Finanzplanungsrat verabschiedeten Empfehlung haben wir eine konjunkturgerechte Gestaltung des öffentlichen Gesamthaushalts geschaffen - wenn sich alle öffentlichen Haushalte danach richten, nicht etwa nur der Bundeshaushalt.
Die Zielsetzungen für den Bundeshaushaltsentwurf haben auch für die mittelfristige Finanzplanung gegolten, die Ihnen vorliegt. Sie entspricht gleichfalls den Beschlüssen des vorigen Kabinetts vom 6. September 1972. Sie ist übrigens aus der Erfahrung der letzten sechs Jahre heraus diesmal weniger detailliert als bisher. Dennoch drückt sie in Finanzzahlen das politische Programm der Regierung Brandt/Scheel vollständig aus.
Zurück zum Bundeshaushalt 1973! Trotz aller Beschränkungen ist es gelungen, in einigen Bereichen die Ansätze wesentlich zu erhöhen und im übrigen die von der sozialliberalen Koalition eingeleitete Politik kontinuierlich fortzusetzen.
Der Bildungspolitik, der Wissenschaft und der Forschung kommt unverändert Priorität zu. Auch hier war es unumgänglich, der konjunkturell erforderlichen Begrenzung des Ausgabevolumens Rechnung zu tragen. Das Problem lautet jedoch nicht, zwischen der Reformpolitik und einer stabilitätspolitischen Ausgabenbemessung eine einseitige Entscheidung zu treffen. Es geht vielmehr darum, beide Zielsetzungen in angemessener Weise miteinander zu vereinbaren.
Nach meiner Ansicht ist dies beim Bundeshaushalt 1973 und bei dem vorgelegten Finanzplan erreicht. Innerhalb des festliegenden Ausgabenrahmens ist es gelungen, entsprechend ihrem politischen Stellenwert die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft wiederum mit überproportionalen Wachstumsraten auszustatten. Die Aufwendungen für diese Zwecke werden im Zeitraum der Finanzplanung mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von rund 12 % schneller steigen als die übrigen Ausgaben. Während 1969 auf diesen Bereich, Bildung und Wissenschaft, nur 3,2 % des Bundeshaushalts entfielen, werden es 1973 bereits 5,5 % sein. 1976 werden es nach unserer Finanzplanung 6,1 % des Bundeshaushalts sein.
Auch im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Innere Sicherheit" sind erhebliche zusätzliche Mittel für das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesgrenzschutz und die Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder vorgesehen, um die personelle und die technische Ausstattung dieser Sicherheitsorgane zu verbessern.
Ein besonderes Gewicht hat nach wie vor der Agraretat. Er steigt 1973 um 920 Millionen DM auf rund 5,4 Milliarden DM. Diese beträchtliche Ausgabensteigerung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß sich die im Vorjahr eingeleiteten Verbesserungen der landwirtschaftlichen Sozialpolitik - Krankenversicherung, Erhöhung von Altersgeld und Landabgaberente - jetzt mit einem vollen Jahresbetrag auf den Haushalt auswirken. Zudem ist wieder ein Bundeszuschuß - 300 Millionen DM - für die landwirtschaftliche Unfallversicherung vorgesehen, da das zunächst in Aussicht genommene Gesamtgemeinlastverfahren zur Zeit nicht verwirklicht werden kann. Erstmals sind Zuschüsse zur Zusatzversorgung für landwirtschaftliche Arbeitnehmer veranschlagt. Damit erhöhen sich die Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik gegenüber dem Vorjahr um insgesamt fast 800 Millionen DM.
Im Rahmen der Energiepolitik wird der Anpassungs- und Gesundungsprozeß im Kohlebergbau auch künftig durch steigenden Einsatz von Bundesmitteln unterstützt. Die Konsolidierung des Kohlebereichs ist unvermeidlicher Teil eines umfassenden Energiekonzepts, das die Bundesregierung im Laufe des Jahres vorlegen will, um die Energieversorgung mittel- und langfristig zu sichern.
({34})
Große finanzielle Sorgen bereitet nach wie vor die Deutsche Bundesbahn, die trotz erheblicher Zuweisungen des Bundes in den letzten Jahren im wesentlichen wegen der überproportional ansteigenden Personalkosten ständig steigende Verluste ausgewiesen hat. Auch bei Ausschöpfung aller Rationalisierungsmöglichkeiten muß hier auch in der Zukunft mit Verlusten gerechnet werden, da die Bundesbahn als einer der Hauptträger des öffentlichen Personennahverkehrs in weiten Bereichen keine kostendekkenden Tarife erheben kann.
Der Ausgleich dieser Verluste durch den Bund muß wie bisher prinzipiell in Kauf genommen werden, da der Schienenverkehr als besonders umweltfreundlicher Verkehrsträger unentbehrlich bleibt und an Bedeutung eher noch zunehmen soll und wird.
Die Bundesregierung hat aus diesen verkehrspolitischen Erfordernissen die notwendigen Konsequenzen gezogen und diesem Hause vorgeschlagen, die Zweckbindung der Mineralölsteuer neu zu regeln.
Auf Grund dieser verkehrspolitischen Umstrukturierung wird die stärkere Steigerung bei den Ausgaben nicht beim Bundesfernstraßenbau liegen, sondern bei den Ausgaben für den Schienverkehr und für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, die um 22 % zunehmen werden.
({35})
Die Verkehrsausgaben insgesamt, die noch 1969 bei
6,4 Milliarden DM lagen, werden sich bis 1976 auf
11,4 Milliarden DM, also fast das Doppelte, erhöhen.
({36})
Für das Wohnungswesen sind 1973 insgesamt 1,55 Milliarden DM vorgesehen.
({37})
Das sind 10,4 °/o mehr, als 1972 für das Wohnungswesen ausgegeben wurden.
({38})
Die Förderung nach dem langfristigen Wohnungsbauprogramm wird im bisherigen Umfang fortgesetzt.
({39})
- Die Herren Zwischenrufer von der CDU/CSU müssen sich darüber einig werden, ob sie das alles für zuviel oder für zuwenig halten. Die Zwischenrufe widersprechen sich gegenseitig.
({40})
Die Ausgaben im Sozialbereich insgesamt, der ja weit über das Ressort meines Freundes Walter Arendt hinausreicht, bilden auch im Bundeshaushalt 1973 und in der Finanzplanung bis 1976 den größten Ausgabenblock. Ein Volumen von 48,3 Milliarden DM wird im Jahre 1976 für diese Aufgaben aufzuwenden sein; ein Betrag, der die Bedeutung der sozialen Umverteilungsfunktion deutlich macht, die als gesamtstaatliche Leistung in besonderem Maße vom Bundeshaushalt zu erbringen ist.
Das Schwergewicht liegt bei den Zuschüssen des Bundes an die Rentenversicherungen sowie bei den Aufwendungen für die Kriegsopfer.
Der Anteil des Sozialbereichs am Bundeshaushalt weitet sich dementsprechend immer mehr aus und wird 1976 einen Anteil von 31 °/o an den Gesamtausgaben des Bundeshaushalts erreichen.
Dazu ein Wort über die Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten. 1973 wird ein kleiner Anteil des Bundeszuschusses
({41})
zinslos gestundet. Um es gleich vorwegzunehmen: Keine Rente -- keine einzige! - wird durch diese Regelung um einen einzigen Pfennig geschmälert.
({42})
Den Versicherungsträgern bleiben allein im Jahr 1973 Überschüsse von voraussichtlich 6 Milliarden DM, die nicht für Rentenzahlungen benötigt, sondern in Vermögenswerten angelegt werden. Bei dieser Finanzsituation der Rentenversicherungsträger ist die zeitliche Streckung eines Teils der Bundeszuschüsse vertretbar.
({43})
- Herr Kollege Katzer, auf Ihren Zwischenruf muß ich Ihnen sagen, daß Sie sich in Ihre eigene Erinnerung rufen sollten, daß unter Ihrer Zeit als Arbeitsminister Bundeszuschüsse - insgesamt 4 Milliarden
DM - nicht gestundet, sondern für mehrere Jahre endgültig gekürzt wurden.
({44})
Im übrigen, Herr Kollege Katzer, wird dieses Haus ja noch in dieser Woche die Gesetzesvorlage zu behandeln haben, die vorsieht, die Renten zum 1. Juli diesen Sommers abermals zu erhöhen, und zwar um 11,35 %.
({45})
Nach dem Bereich der sozialen Sicherung stellen die Verteidigungsausgaben einschließlich der Anteile am Einzelplan 60 und der Zivilverteidigung den nächstgrößten Ausgabenblock dar. 1973 werden die Verteidigungsausgaben ein Volumen von 27,8 Milliarden DM erreichen; das sind 23,1 °/o des Gesamthaushalts. Auch weiterhin werden die Ausgaben der äußeren Sicherung einen wichtigen Teil des Bundeshaushalts darstellen. Es wäre eine Illusion, von einer noch so erfolgreichen Entspannungspolitik auf diesem Gebiet schnelle oder gar spektakuläre Einsparungen zu erwarten. Eine Politik des Gleichgewichts, die letztlich allein dem Frieden Sicherheit geben kann, wäre falsch verstanden, wenn man sie als eine Politik einseitiger Vorleistungen begreifen wollte. Beiderseitige, gleichgewichtige Fortschritte, das ganze Unternehmen MBFR brauchen noch manches Jahr.
Die hier vorgesehenen Haushaltsansätze reichen aus, damit wir unsere politischen und militärischen Verpflichtungen im Rahmen des westlichen Bündnisses erfüllen können. Die Ansätze sind notwendig, um das solide Fundament unserer Außenpolitik in Takt zu halten. In einer weltpolitischen Phase des Wandels wäre niemandem damit gedient, wenn wir der Instabilität Vorschub leisteten. Mit Bezug auf Bemerkungen, die der Oppositionsführer gestern öffentlich gemacht hat, muß ich einen Satz einfügen: Die Bundesregierung - wie aus diesen Zahlen zu entnehmen ist - nimmt unsere Bündnispflichten stets ganz ernst.
({46})
Sie tut dies auch in dem Bewußtsein, daß Verteidigung und Entspannung einander ergänzen und daß die entspannungspolitischen Bemühungen der Sicherheitskonferenz und der beiderseitigen ausgewogenen Rüstungsbegrenzungen nur vor dem Hintergrund des sicheren Bündnisses Aussicht auf Erfolg haben.
({47})
Durch ihre haushalts- und stabilitätspolitischen Maßnahmen und Beschlüsse hat die Bundesregierung den konjunkturellen Erfordernissen Rechnung getragen. Sie erwartet allerdings auch von den Ländern, daß diese der stabilitätspolitischen Konzeption folgen. Ich bin der Ansicht, daß die bisherige Entscheidung jener hauchdünnen Mehrheit des Bundesrates, die steuerpolitischen Vorschläge der Bundes1212
regierung abzulehnen, keinen positiven Beitrag zur stabilitätspolitischen Kooperation darstellt.
({48})
Wir können von unseren steuerpolitischen Vorschlägen nicht abgehen, weil sie ein wichtiger Teil der stabilitätspolitischen Gesamtanstrengung sind. Die von einigen Landesregierungen betriebene Herstellung eines zeitlichen und politischen Junktims mit der gesetzlichen Regelung des Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer ab 1. Januar 1974 würde eine baldige Verabschiedung der vorliegenden Steuergesetzentwürfe und den rechtzeitigen Einsatz der stabilitätspolitischen Maßnahmen unmöglich machen.
Vor vier Wochen hat im baden-württembergischen Landtag Herr Ministerpräsident Filbinger noch heftig gegen dieses Junktim, das ich ablehne, polemisiert. Damals unterlag er allerdings dem Irrtum, es handle sich um ein Angebot des Bundesfinanzministers.
({49})
Am 7. März sagte Herr Filbinger, es sei unerhört, den Ländern die Annahme der Steuergesetze damit schmackhaft machen zu wollen, daß man ihnen einen höheren Anteil verspräche. Das letztere war nicht geschehen; ich habe auch in Zukunft nicht die Absicht, solches dem Kabinett vorzuschlagen. Herr Filbinger hat dabei sehr starke Worte gegen mich gebraucht. Als er darauf aufmerksam gemacht worden war, daß sein Streit ohne jedweden tatsächlichen Boden war, hat er anschließend binnen drei Wochen im Bundesrat gemeinsam mit anderen jene Junktimposition selber bezogen und verteidigt, die er vorher in Stuttgart kritisiert und angegriffen hatte.
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Ich lese heute auch ein Interview in einer Zeitung, das der Ministerpräsident Stoltenberg gegeben hat. Er hat immer das Pech, daß sein Finanzminister im Finanzplanungsrat etwas ganz anderes sagt als der Ministerpräsident öffentlich.
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Herr Filbinger und Herr Stoltenberg wollen mehr Geld vom Bund. Das ist nichts Unmoralisches. Aber sie sollten dies klar und einfach sagen und auf die polemische Garnierung verzichten.
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Die sozialliberale Koalition hat sich stets für eine angemessene, den Aufgaben entsprechende Finanzausstattung auch der Länder, auch der Gemeinden verantwortlich gefühlt. Der Bundeskanzler hat diese gesamtstaatliche Verantwortung in der Regierungserklärung am 18. Januar ausdrücklich betont. Er hat dazu ausgeführt, daß steigende Forderungen an die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Rahmen der stabilitätspolitisch gebotenen Grenzen nur bei einer angemessenen Finanzausstattung von Bund, Ländern und Gemeinden erfüllt werden können.
Wir haben bereits im Jahre 1972 eine ganz erhebliche Verbesserung der Finanzausstattung der Länder herbeigeführt. Die Gesamtheit der Länder und Gemeinden hat auf Grund der Neuregelung des I Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer, auf Grund der Gewährung von Ergänzungszuweisungen an die ausgleichsberechtigten Länder sowie auf Grund der zugunsten von Ländern und Gemeinden im Jahre 1972 in Kraft getretenen Steuererhöhung im Jahre 1972 Steuermehreinnahmen von rund 4 Milliarden DM erzielt; 1973 werden es 41/2 Milliarden DM sein.
Der finanzielle Bewegungsspielraum des Bundes ist durch diese Neuregelung des Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer und die dadurch ab 1972 bewirkten Einnahmeausfälle sowie durch die Ergänzungszuweisungen an die Länder außerordentlich eingeschränkt worden.
Eine weitere Verbesserung der Finanzausstattung der Länder und Gemeinden ab 1974, etwa über die schon geplante Grundsteuererhöhung mit einem Volumen von 800 Millionen DM für die Gemeinden hinaus, ist aus der heute gegebenen Finanzmasse des Bundes nicht möglich. Ich will diesen Satz wiederholen; er ist sorgfätlig formuliert: Eine weitere Verbesserung der Finanzausstattung der Länder und Gemeinden ab 1974 ist aus der heute gegebenen Finanzmasse des Bundes nicht möglich.
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- Ich sage das ganz deutlich, weil derjenige, der
das will, dann selber auch eintreten muß für die Steuererhöhungen, die er herausfordert.
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Ich sage das auch deshalb sehr deutlich, weil einige Landesregierungen in ihre mittelfristigen Finanzpläne bereits eine Unterstellung einkalkuliert haben, nämlich die Unterstellung einer Erhöhung ihres Anteils an der Mehrwertsteuer von jetzt 35 % auf dann 40 %, die ja eine entsprechende Verringerung der Finanzmasse des Bundes zwangsläufig mit sich bringen müßte.
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- Auch Ihnen, Herr Kollege, der Sie gerade einen unsachlichen Zwischenruf machen, - ({56})
Wenn Sie meinen, er war sachlich, können Sie ihn ja wiederholen, Herr Kollege. Machen Sie ihn dann einmal laut, damit jeder ihn hören kann!
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Um Ihnen eine Vorstellung von der Größenordnunng der bestehenden Forderungen der Länder zu geben, möchte ich die Belastung des Bundeshaushalts einmal öffentlich darstellen, die sich in diesen Forderungen niederschlägt. Herr Ministerpräsident Stoltenberg hat am 18. Januar 1973 einen Umsatzsteueranteil der Länder in Höhe von 40 % verlangt und zusätzlich dazu Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder in Höhe von 1,1 Milliarden
DM gefordert, was zusammen für 1974 für den Bund Einnahmeverminderungen bzw. Ausgabevermehrungen von insgesamt 3,8 Milliarden DM bedeuten würde.
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Dies ist eine für die Finanzverantwortlichen des Bundes unzumutbare Forderung, es sei denn, Herr Stoltenberg bekenne sich zu entsprechenden Steuererhöhungen. In seinen öffentlichen Interviews sagt er in diesem Punkt aber das Gegenteil.
Es ist schon in den letzten Jahren ein beträchtlicher Rückgang des Anteils des Bundes festzustellen. Die Steuereinnahmen der Länder haben 1972 um 18,2 % zugenommen, diejenigen des Bundes jedoch nur um 9,3 %. Infolgedessen haben die Länder insgesamt im Haushaltsjahr 1972 im Vergleich zum Bund nur ein geringes Finanzierungsdefizit gehabt. Sie sind sogar mit einem Kassenbestand von 3 Milliarden über den Jahresultimo in das neue Haushaltsjahr gegangen. Sie planen für 1973 ausweislich der bisher vorgelegten Haushaltsgesetzentwürfe der Länder einen Ausgabenzuwachs von im gewogenen Durchschnitt 14,1 %.
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Beim Bund sind es lediglich 9,7 %; ich sehe dabei von den Doppelzählungen einmal ab.
Mit anderen Worten gesagt: Die Steigerung der Bundesausgaben liegt unterhalb der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts; die Steigerung der Ausgaben der Länder - und übrigens auch der Gemeinden - liegt oberhalb der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts.
Seit 1965 haben sich die Steueranteile der drei Ebenen der Gebietskörperschaften ich lasse den Lastenausgleich, die Anteile der EWG usw. der Einfachheit halber einmal weg kontinuierlich zugunsten der Länder verschoben. Der Bund hatte 1965 über 55 % aller Steuereinnahmen; 1972 war er auf unter 52 % gefallen. Die Länder hatten damals 32 %; 1972 erreichten sie über 35 %. Das ist eine gewaltige Verschiebung in den Finanzmassen, die ich nicht beklage, die man sich aber ins Bewußtsein rufen muß, wenn man solche Forderungen wie die von Herrn Filbinger und Herrn Stoltenberg aufstellt.
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Der Vollständigkeit halber soll hinzugefügt werden, daß sich in diesem Zeitraum der Anteil der Gemeinden an den Steuereinnahmen im wesentlichen konstant gehalten hat.
Bei alledem ist noch zu berücksichtigen, daß trotz der aus den Steuerbeschlüssen der Bundesregierung - von denen wir annehmen, daß die Mehrheit dieses Hauses ihnen zustimmt - resultierenden Mehreinnahmen ab 1. Juli dieses Jahres, die ja in erster Linie dem Bund zugute kommen, nach den Ergebnissen der Steuerschätzung die Steuereinnahmen des Bundes mittelfristig auch weiterhin nur unterdurchschnittlich zunehmen werden, während Länder und Gemeinden auch weiterhin mit einem überdurchschnittlichen Zuwachs rechnen können.
Ich nenne einmal drei Zahlen. Für den Bereich der mittelfristigen Finanzplanung wird die durchschnittliche jährliche Zunahme der Steuereinnahmen betragen: beim Bund 8,5 %, bei den Ländern 9,9 %, bei den Gemeinden 9,8 %. Dabei ist schon berücksichtigt, daß Länder und Gemeinden auf Grund der im Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 vorgesehenen Maßnahmen auch mit Steuermehreinnahmen rechnen können, die mittelfristig bis auf 700 Millionen p. a. ansteigen. Dazu kommen dann die vorhin schon genannten 800 Millionen p. a., die den Gemeinden durch die Grundsteuerreform schon ab 1. Januar 1974 zufließen werden.
Trotz all dieser Tatsachen und Zahlen ist die Bundesregierung zu einem erneuten Gespräch über die Verteilung der Finanzmassen bereit.
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Ich stelle aber in diesem Zusammenhang fest, daß in der Frage des Finanzausgleichs zwischen dem Bund und der Gemeinschaft von Ländern und Gemeinden ab 1974 alle Aspekte der Ausgaben- und Einnahmenentwicklung berücksichtigt werden müssen. Es geht nicht an, wie jüngst geschehen, einen Teil unserer notwendigen Verteidigungsausgaben mit der politisch unsinnigen Begründung außer Ansatz lassen zu wollen, daß sie nicht auf gesetzlicher Verpflichtung beruhten. Nach dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 23. Februar wird die Ausgaben- und Einnahmenentwicklung demnächst in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einiger Länderchefs und Bundesminister behandelt werden.
Übrigens hat nach Vorlage der steuerpolitischen Beschlüsse des Bundeskabinetts der Oppositionsführer beklagt, die Bundesregierung habe nunmehr die Steuerreform im unklaren gelassen oder verschoben. Für die Bundesregierung und für die sie tragende Koalition, Herr Kollege Dr. Barzel, weise ich dies als eine ungerechtfertigte Unterstellung zurück und verweise auf die jüngste Plenardebatte zum zweiten Steuerreform-Paket.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Fußnote. Nach meiner, wie ich zugebe, bisher nur kurzen Erfahrung in der Finanzverwaltung ist eine sorgfältige Prüfung der Möglichkeiten zur, wenn ich einmal so sagen darf, „Entfeinerung" einiger der überkomplizierten materiellen und prozeduralen Steuervorschriften notwendig. Ein Staat, dessen Steuergesetze so kompliziert sind, daß er ihnen nicht mehr volle Verwirklichung verschaffen kann, legt die Axt an die Wurzel des Vertrauens. das ihn trägt.
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Das Parlament wird dies bei seiner Steuerreformarbeit bedenken wollen.
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Um hier zu helfen, beabsichtige ich gemeinsam mit einigen Landesfinanzministern, uns die Einsicht und die Erfahrung der ausführenden Verwaltung, der Verwaltung vor Ort, zunutze zu machen. Das heißt: ich beabsichtige eine Bestandsaufnahme der Leistungsfähigkeit der Steuer- und Finanzverwaltun1214
gen und werde die Abgeordneten des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages dazu einladen.
Wenn der Bundesregierung im Bundesrat vorgeworfen worden ist, sie torpediere mit der Erhöhung der Mineralölsteuer die Möglichkeit für die notwendige Reform der Kraftfahrzeugsteuer, so ist auch dies eine falsche Behauptung. Die Bundesregierung wird in Kürze einen Entwurf zur Vereinfachung der Kraftfahrzeugsteuer vorlegen - Plakettenverfahren, Jahressteuer -, einen Entwurf allerdings, der einerseits ein gleichbleibendes Aufkommen sicherstellt und andererseits, dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit gehorchend, die Kraftfahrzeugsteuer nach der Motorstärke in drei Klassen differenziert. Die aufkommensneutrale Reform der Kraftfahrzeugsteuer, die viele Kräfte in der Steuerverwaltung einsparen wird, bedeutet, daß aus diesem Anlaß die Mineralölsteuer keineswegs erneut erhöht werden muß.
Neben der Erhöhung der Mineralölsteuer dient natürlich auch der Abbau einiger Steuervergünstigungen, obwohl aus stabilitätspolitischen Überlegungen geboren, langfristig der Konsolidierung der Einnahmeseite des Bundeshaushalts. Es handelt sich um die im Steueränderungsgesetz 1973 vorgesehene Reduzierung von Investitionszulagen, um die Beseitigung der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, mit denen von Großeinkommensbeziehern vielerlei Mißbrauch getrieben wird - wobei für kleine Leute natürlich die entsprechenden Möglichkeiten, die das Einkommen- und Lohnsteuerrecht bei der außergewöhnlichen Belastung vorsieht, erhalten bleiben werden -, und die Aufhebung der degressiven Abschreibung auf Gebäude. Die Bundesregierung zeigt damit, daß sie die allgemein erhobene Forderung nach dem Abbau von Subventionen, von Steuervergünstigungen ernst nimmt. Die Opposition sollte sich reiflich überlegen, ob sie tatsächlich taktische Einwände dagegen vorbringen will.
Eine letzte Bemerkung zu den Einnahmeverbesserungen. Die Regierung hatte schon am 6. September 1972, also im beginnenden Wahlkampf, in ihren damaligen Rahmenbeschlüssen zum Haushalt 1973 öffentlich klar zum Ausdruck gebracht, daß für 1973 Einnahmeverbesserungen bis zu 1,9 Milliarden DM vorgesehen werden müßten. Tatsächlich sind nunmehr statt 1,9 Milliarden nur 1,4 Milliarden DM vorgesehen, wovon zudem noch die Hälfte auf eine bloße Vorverlegung von Zahlungsfristen entfällt. Wer hier immer noch von Offenbarungseiden redet, läßt das ökonomische Augenmaß vermissen.
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Ich benutze aber diese Gelegenheit, dankend zu quittieren, daß die Haushalts- und Steuervorlagen von der öffentlichen Meinung, von den Gewerkschaften und von den Unternehmensverbänden, im allgemeinen mit interessierter und zugleich gelassener Vernunft aufgenommen worden sind. Das galt ja auch schon für das Echo auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Bei einigen ist nach dem 19. November ein angenehmer Wechsel zu verzeichnen von vorher plakativer Besserwisserei zu heute - ich zitiere - „fairem und offenem Meinungsaustausch".
Es ist den Betreffenden sicher klar, daß die Sozialdemokratie mehr zu den Arbeitnehmern neigt. Gleichwohl meinen wir: Unternehmer haben in dieser Gesellschaft eine der tragenden Rollen zu spielen.
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Dafür ist es nötig, daß sich die Zusammenschlüsse der Unternehmer nicht - auch nicht vor Wahlen in prinzipielle Opposition gegen die Bundesregierung drängen lassen.
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Die Bundesregierung ist zur Zusammenarbeit bereit. Aber es möge sich niemand täuschen: die Bundesregierung hat keineswegs die Nachtwächteraufgabe, die Großen so wie vor Raub und Einbruch auch vor höheren Steuern zu schützen. Diese Aufgabe haben wir nicht.
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Die Bundesregierung wird, wo es nötig ist, alle verfassungsmäßigen Instrumente benutzen, um der Gerechtigkeit und der Chancengleichheit des politischen Einflusses zu dienen. Dies gilt für die Besteuerung der Großen wie für die Kontrolle der Zusammenschlüsse der Großen.
Wer als Industrieunternehmer oder als Industrieunternehmung ohne erkennbare finanzielle Anstrengung genug Bargeld auf den Tisch legen kann, um die Aktienmehrheit eines anderen Großkonzerns zu kaufen, der möge mit der öffentlichen Wehklage über schlechte Erträge vorsichtig werden.
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Wer sich als Privatbank oder als Privatbankier einen Brauereikonzern zusammenkauft, der möge sich fragen, wieweit eigentlich die Bundesregierung das ohnehin nur in Deutschland so weit geltende Universalbankprinzip strapazieren lassen darf, ehe sie zur Gesetzgebung schreitet.
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Gesamtwirtschaftliches Verantwortungsbewußtsein muß man auch ansonsten von der Geschäftspolitik der Kreditwirtschaft erwarten. Wer sich in der Kreditwirtschaft für den Sparer einsetzt, denke bitte auch an die Habenzinsen, die er selber dem Sparer zahlt.
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Und wer als Bankier die Bundesregierung öffentlich stabilitätspolitisch ermahnt, lege sich bitte auch selbst über die naiv-rigorose Ausweitung der Kreditvolumina der Banken in den letzten Monaten Rechenschaft ab.
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Die Bundesbank war 1972 - und sie war heuer - zeitweise außerstande, der stürmischen Kreditausweitung der Banken entgegenzuwirken. Um auch in Zukunft den durch die währungspolitischen Maßnahmen gewonnenen außenwirtschaftlichen Handlungsspielraum für die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank verstärkt nutzen zu können, wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen,
durch den das kreditpolitische Instrumentarium fortentwickelt und verbessert werden soll.
Indem ich, meine Damen und Herren, am Schluß meiner Ausführungen bei der Bundesbank angekommen bin, hat sich zugleich auch jener Kreis geschlossen, dessen einzelne Segmente zusammengehören und innerhalb dessen die Benutzung aller Instrumente aufeinander abzustimmen notwendig ist: Währungspolitik, Geld- und Kreditpolitik, Steuerpolitik, Einnahmewirtschaft in Bund, Ländern und Gemeinden ebenso wie die Ausgabenwirtschaft auf allen drei Ebenen - dies alles gehört zusammen.
Daß aus dem Aufgabenbereich des Kollegen Friderichs' nicht nur die Handels- und die Zollpolitik, sondern insbesondere die Wettbewerbspolitik wie auch die Energie- und Industriepolitik im gleichen Zusammenhang stehen, ist ihm wie mir gleichermaßen bewußt. Im Blick auf diesen Gesamtzusammenhang präsentieren sich die Haushaltsvorlage mit
Ausgaben- und Einnahmenseite, die Steuervorlagen und die mittelfristige Finanzplanung als organische Teile eines Ganzen, als Ausdruck der ökonomischen Vernunft und der Kontinuität unserer Reformpolitik.
Gestützt auf die Ihnen vorliegenden Zahlen und Tatsachen kann ich aus Überzeugung feststellen: Die Finanzen des Bundes sind in Ordnung, und die Bürger unseres Landes können sich darauf verlassen, daß dies so bleibt.
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Meine Damen und Herren, damit ist die heutige Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Plenarsitzung für Donnerstag, den 5. April 1973, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.