Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/14/1976

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll in der nächsten Woche nur eine Fragestunde von 90 Minuten stattfinden. Da hiermit von der Geschäftsordnung abgewichen wird, muß dies vom Bundestag gemäß § 127 der Geschäftsordnung mit der Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. - Das Haus erhebt keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Auf eine Anregung des Bundesministers der Justiz haben die Fraktionen zur Mitwirkung an der Arbeit der Jugendstrafvollzugskommission - Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 176. Sitzung am 5. Juni 1975 - folgende Mitglieder benannt: Fraktion der SPD: Abgeordneter Brandt ({0}) Fraktion der CDU/CSU: Abgeordneter Dr. Eyrich Fraktion der FDP: Abgeordneter von Schoeler Der Vermittlungsausschuß hat zu dem vom Deutschen Bundestag in seiner 228. Sitzung am 12. März 1976 beschlossenen Dritten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen das Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlossen. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/5184 verteilt. Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Richtlinie des Rates zur Verringerung der Schallemissionen von Luftfahrzeugen ({1}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2}), Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({3}) des Rates über den Abschluß des Abkommens über handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan ({4}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({5}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren ({6}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Wir setzen die Behandlung des Punktes I der Tagesordnung fort: I. Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 ({7}) - Drucksachen 7/4100, 7/4629 Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses ({8}) Wir kommen zu Nr. 26: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - Drucksache 7/5041 Berichterstatter: Abgeordneter Krampe Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Etat des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ist der Haushalt, in dem vor allen anderen die Mittel für Maßnahmen und Gesetze enthalten sind, die Herr Strauß als „Gratifikation" bezeichnet. Der ganze Zynismus, zu dem nur ein Konservativer fähig ist, drückt sich in dieser Bezeichnung aus. Kriegsopferversorgung, Arbeitslosengeld, Rentenversicherung, Wiedereingliederung der Behinderten: alles Gratifikationen, Geschenke, Almosen. Flexible Altersgrenze: ein Geschenk, das man geben oder auch nehmen kann. Die Sicherung der betrieblichen Renten kann man je nach Wellenschlag beschließen oder auch nicht. Betriebsverfassungsgesetz: nur ein Zugeständnis an Arbeiter, Gratifikation, Geschenke, Almosen nach Herrn Strauß. Nirgends sonst, meine Damen und Herren, unterscheiden wir uns so deutlich voneinander wie an dieser Stelle. Sozialpolitik ist für Sie nur Ersatz für schiefgegangene Wirtschafts- oder Konjunkturpolitik. ({0}) Die soziale Sicherung, die wir geschaffen haben, ist kein Ersatz für irgend etwas, sondern Mittelpunkt unserer Politik. ({1}) Sie ist Baustein zur Erfüllung des Verfassungsauftrages, den sozialen Rechtsstaat zu schaffen. ({2}) Die CDU/CSU steht in diesem Punkt voll in der Kontinuität ihrer Geschichte. Die gleichen Fehler, die zu Beginn der dreißiger Jahre von Ihren Vorgängern gemacht worden sind, waren Sie 1966 im Begriff zu wiederholen. Das Ergebnis: In allen deutschen Landtagen saßen wieder die Nazis. Das ist der Ausdruck der Angst und den Instabilität; das ist das Ergebnis, wenn man Sozialpolitik als „Gratifikation" betreibt. Für uns ist der Haushalt kein Instrument zur Befriedigung der Bedürfnisse des Staates, sondern ein Instrument zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bürger und der Gesellschaft. Der diesjährige Haushalt ist erneuter Beweis dafür, welches Gewicht die sozialliberale Koalition der sozialen Sicherheit in unserem Lande beimißt. Wie wichtig dies ist, sollte auch denjenigen klargeworden sein, die noch vor einem Jahr die Arbeitslosen und heute die Rentner verunsichern wollen. Die in diesem Haushalt verankerten Leistungen kommen vor allen Dingen den alten Menschen, den Kriegsopfern und den von der Arbeitsmarktentwicklung Betroffenen zugute. Ich finde, Herr Strauß sollte endlich einmal klar sagen, welche dieser Leistungen gemeint sind, wenn er von den Grenzen des Sozialstaates spricht, die überschritten worden seien, und an welcher Stelle präzis der Staat von ihm „in Ordnung" gebracht werden müsse. Ich habe eine leise Ahnung, wie das aussehen könnte, und mir graust vor der Vorstellung, daß Herr Strauß den Staat „in Ordnung bringt". ({3}) Rund 22 Milliarden DM werden in diesem Jahr im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit für die Sozialversicherung bereitstehen. Die Renten werden mit Wirkung vom 1. Juli 1976 um 11% erhöht. Im Haushalt des Arbeitsministeriums findet dies seinen Niederschlag in den Zahlen über die Zuschüsse an die Rentenversicherung. Das gleiche gilt für die Kriegsopferversorgung. 11 Milliarden DM sind für die Leistungen an die Kriegsopfer vorgesehen. Das Achte Anpassungsgesetz wird hier eine Erhöhung der Versorgungsleistungen um ebenfalls 11 % bringen. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Jahr auch die Ausgabenansätze im Bundeshaushalt für Arbeit und Sozialordnung, mit denen sichergestellt wird, daß jeder Arbeitslose und jeder, der in Kurzarbeit steht, selbstverständlich die ihm zustehenden finanziellen Leistungen erhält. Trotz Panikmache der Opposition hat bis heute jeder Arbeitslose auf Heller und Pfennig das ihm zustehende Geld bekommen. Zur Absicherung dieser Leistungen wird der Bund der Arbeitslosenversicherung in diesem Jahr eine Liquiditätshilfe in Höhe von 4,5 Milliarden DM gewähren. Die Bundesregierung hat im übrigen durch ihre konjunktur- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen das Mögliche getan und eine spürbare Belebung der Wirtschaft erreicht. Insbesondere der rapide Rückgang der Zahl der Kurzarbeiter beweist, daß die Politik dieser Regierung in einer weltweiten Bewährungsphase erfolgreich gewesen ist. Wir jedenfalls haben das Problem der Arbeitslosigkeit sehr ernst genommen in einer Situation, in der der Opposition nichts anderes einfiel als das Gerede von der Pleite der Bundesanstalt für Arbeit. Die sozialliberale Koalition hat in ihren Reformen das Netz der sozialen Sicherheit dicht geknüpft. Es sind weitere Personenkreise in den sozialen Sicherungsschutz einbezogen worden, die früher weitgehend abseits stehen mußten. Hausfrauen, Selbständige, Studenten, Kinder in Kindergärten, Schüler und unsere behinderten Mitbürger erhielten mehr oder sogar erstmals den sozialen Schutz. Die Qualität der sozialen Sicherung wurde verbessert. Die Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze und die deutliche Anhebung von 1,4 Millionen Kleinrenten nach Mindesteinkommen sprechen für sich und für den Leistungsstandard unserer sozialen Sicherung. Die materielle Lebenslage unserer Rentner hat sich eindrucksvoll verbessert. Ich verstehe sehr gut, daß dies nicht ins Konzept der Opposition paßt. Nur, zerreden läßt sich dieses Ergebnis nicht. Das sind Verbesserungen, die die Bürger im Land unmittelbar in ihrem Geldbeutel spüren. Deshalb wird versucht, die Rentner zu verunsichern und ihnen Angst vor der Zukunft zu machen, wenn man schon die bisherigen Verbesserungen im Lebensstandard nicht wegdiskutieren kann. Das ist nicht seriös, meine Damen und Herren von der Opposition, und das ist nicht fair gegenüber den Rentnern. Wir erwarten von Ihnen keine Fairneß gegenüber der Bundesregierung, aber wir erwarten zumindest, daß Sie gegenüber den Rentnern fair sind. ({4}) Diese unsere soziale Sicherung ist beispielhaft geworden. Daran ändert auch Ihre „Neue Soziale Frage" - besser: soziale Phrase - nichts, meine Damen und Herren von der Opposition. Diese sogenannte Neue Soziale Frage ist bestenfalls für den Fragesteller neu. Denn die sozialliberale Koalition hat durch ihre Gesetzgebungsarbeit in wenigen Jahren bereits mehr Antworten darauf gegeben als die CDU/CSU während zweier Jahrzehnte. Gerade die soziale Lage früher benachteiligter Bevölkerungsgruppen wurde in den letzten Jahren ganz wesentlich verbessert. Da sind erstens die Behinderten. In den letzten Jahren ist ein fortschrittliches Behinderungsrecht und Leistungssystem für Behinderte geschaffen worden. Zweitens. Die sozialen Leistungen für Familien, insbesondere für Familien mit niedrigem Einkommen, wurden wesentlich verbessert und erweitert. Drittens. Arbeitnehmerähnliche Personen wie freie Journalisten, freie Mitarbeiter beim Funk und Fernsehen, Künstler und die Personengruppe der Heimarbeiter erhielten mehr Rechte, die ihre soziale Situation verbessern helfen. Viertens darf ich hier nochmals auf die Leistungsverbesserungen für Rentner, Kriegsopfer und Arbeitslose hinweisen. Für Sozialdemokraten ist die Neue Soziale Frage eine alte Frage. An der sozialpolitischen Leistungsbilanz seit 1969 können Sie ablesen, wie wir diese Frage angepackt haben und daß wir sie mit großem Erfolg angepackt haben. Wir müssen hierfür - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Arendt, besonders danken. ({5}) Das dichte Netz der sozialen Sicherung in unserem Land garantiert auch den sozialen Frieden. Sie trägt damit ganz entscheidend zum allgemeinen inneren Frieden in der Bundesrepublik Deutschland bei. Wer den sozialen Fortschritt kritisiert und beklagt, wie das Teile der CDU/CSU seit Jahrzehnten tun, schätzt den Wert des sozialen Friedens sehr gering ein und verzichtet auf die tragende Rolle, die der soziale Frieden für den allgemeinen inneren Frieden spielt. Sie, Herr Strauß - das haben Sie in dieser Woche zweimal gesagt -, wollen das deutsche Volk von dieser Regierung und den sie tragenden Kräften befreien oder erlösen. Haben Sie dabei auch das gemeint, was von dieser Regierung und den sie tragenden Kräften an sozialem und innerem Frieden geleistet worden ist? Auf der Grundlage des inneren Friedens ist auch der äußere Frieden sicherer geworden. Ein Staat, der keine sozialen Spannungen kennt, ist gefestigt genug, um in den auswärtigen Beziehungen den Weg der Entspannung zu gehen. Die Verträge mit den Staaten Osteuropas sind ein Beweis dafür. Für unsere Freunde in der Europäischen Gemeinschaft und im Atlantischen Bündnis sind wir gerade wegen unseres inneren Friedens und unserer inneren Stabilität ein zuverlässiger und mitentscheidender Partner. Wer in die soziale Sicherung und damit in den sozialen Frieden hineinschneiden will, gefährdet daher auch die gewonnene Stellung der Bundesrepublik Deutschland in der Welt. In den letzten Tagen ist hier auch sehr viel von Freiheit gesprochen worden. Lassen Sie mich dazu ein paar Worte sagen; denn Freiheit hat eine nicht unerhebliche soziale Komponente. Wer Freiheit sagt und nicht auch soziale Sicherung des einzelnen Bürgers meint, vertritt nur die Freiheit der Starken und der Reichen. ({6}) Für die große Mehrheit der Bürger, die nicht auf Vermögen zurückgreifen können, garantiert die soziale Sicherheit die persönliche Freiheit, weil sie vor Not im Alter, bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Invalidität bewahrt. Nur wer frei von materiellen Risiken und Not ist, ist wirklich frei; denn Freiheit bedeutet auch frei sein entwürdigenden Abhängigkeiten und Angst. Insofern ist Ihre Scheinalternative von Freiheit und Sozialismus Makulatur. ({7}) Voraussetzung der sozialen Sicherung ist die Solidarität der Bürger in unserem Lande; denn Sozialleistungen sind Umverteilungsleistungen. Die Erwerbstätigen müssen über Beiträge und Steuern solidarisch für diejenigen mit einstehen, die nicht mehr oder vorübergehend nicht erwerbstätig sein können oder die aus anderen Gründen in besonderer Weise auf die Verantwortung der Gesellschaft angewiesen sind. Als Korrektiv gilt selbstverständlich auch die Solidarität der Leistungsempfänger mit denjenigen, die diese Leistungen mit Steuern und Sozialbeiträgen ermöglichen. Diese wechselseitige Solidarität ist in unserem Lande gesund. Der Einzelplan 11 hat vor allen anderen Plänen des Bundeshaushaltes die Funktion der solidarischen Einkommensumverteilung. Damit leistet dieser Einzelplan einen erheblichen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und zur Stabilität in unserer Gesellschaft. Aus diesem Grunde werden wir dem Einzelplan zustimmen. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Katzer.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung ist 1969 mit dem Anspruch angetreten: Wir schaffen das moderne Deutschland. ({0}) Dem Bürger versprach diese Bundesregierung eine höhere Lebensqualität, ({1}) und in ihrem Wahlprogramm für 1976 behaupten die Sozialdemokraten jetzt: Aus Überzeugung hat das soziale Element bei uns ein größeres Gewicht als in jeder anderen Partei. ({2}) Wie auf diese Anmaßung Ihr Koalitionspartner, die FDP, reagiert, überlassen wir der FDP sehr gern selbst. ({3}) Aber was die CDU/CSU-Fraktion angeht, halte ich diese Überheblichkeit für unerträglich. ({4}) Wer hat denn in den 20 Jahren von 1949 bis 1969 das Netz der sozialen Sicherheit in Deutschland aufgebaut? ({5}) Wer hat denn die Montan-Mitbestimmung durchgesetzt, die den Arbeitnehmern sehr viel mehr gebracht hat, als Sie 25 Jahre später mit Ihren Gesetzen bewirkt haben? ({6}) Wer hat denn Betriebsverfassungsgesetz, Familienlastenausgleich, dynamische Rente 1957, Vermögensbildungsgesetz und Arbeitsförderungsgesetz, ({7}) um nur einige Schwerpunkte zu nennen, zur Verabschiedung gebracht? Es geht mir hier nicht um kleinliche Rechthaberei, sondern es geht mir darum, daß hier nicht die Tatsachen verfälscht werden können. ({8}) Der Bundeskanzler hat an die Verpflichtung des „C" in unserem Namen erinnert. ({9}) Ich nehme dies sehr ernst. Aber ich glaube, das „S" in Ihrem Namen gibt Ihnen kein Recht, die Wahrheit zu verdrehen. Das möchte ich deutlich hinzugefügt haben. ({10}) Unser früherer Kollege, der Herausgeber der „Zeit", Gerd Bucerius, hat - ich glaube, für jedermann einprägsam und sehr überzeugend - gesagt: Die Verfemung der CDU/Wähler ist vorbei. Sie war immer unsinnig: Die Partei Adenauers hat mehr Reformen geschaffen ..., als die Linke je zustande bringen wird. Ich glaube, dem ist überhaupt nichts hinzuzufügen. ({11}) Die Sozialdemokraten wollen den Anschein erwecken, als ob sozialer Friede und politische Stabilität unseres Landes ihre ureigenste Neuentdeckung seien, seitdem sie die Regierung stellen. Jedermann weiß, daß das nicht so ist. Der Punkt Null unseres Staates liegt nicht im Jahre 1969 in der Regierungsübernahme durch die SPD/FDP-Koalition, der Punkt Null war der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Terrorsystems, als Deutschland in Trümmern lag, als Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend die bedrückendsten Probleme der deutschen Politik waren. Das war der Punkt Null, und da haben wir angefangen, das aufzubauen, was Sie jetzt ihr soziales Netz genannt haben. ({12}) Wir haben damals mit Ludwig Erhard die Soziale Marktwirtschaft gegen den erbitterten Widerstand der Sozialdemokraten durchgesetzt. ({13}) Wer die Diskussionen zwischen Erhard und Nölting noch in Erinnerung hat, kann das gar nicht leugnen. ({14}) Wir haben das Fundament einer Politik der wirtschaftlichen und sozialen Sicherung gelegt. Soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft, wie wir sie verstehen. Sie bietet die Garantie für den sozialen Frieden und die politische Stabilität unseres Landes. Dies war, ist und bleibt die Politik der Union Christlicher Demokraten. Schauen wir uns die sozialpolitische Bilanz dieser Bundesregierung an, vergleichen wir den Anspruch dieser Regierung mit der politischen Wirklichkeit, dann läßt sich die soziale Entwicklung unseres Landes in der Tat sehr genau am Sozialhaushalt ablesen, für den der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung verantwortlich zeichnet. Der Sozialhaushalt hat 1975 und im vorliegenden Entwurf für 1976 eine beachtliche Höhe erreicht. Der Sozialhaushalt hat im Vergleich zu den anderen Aufgabenbereichen den größten Umfang angenommen. Der Bundesarbeitsminister zieht daraus den Schluß, daß seine sozialpolitische Bilanz ein Erfolg sei. ({15}) - Sie sagen „So ist es!". Der Bürger sieht dies offenbar etwas anders. ({16}) Für den Bürger bemißt sich die soziale Leistung nicht an der Höhe des finanziellen Aufwands des Bundeshaushalts, sondern an den Realitäten seiner eigenen Haushaltskasse. Und da sieht die Sache ganz anders aus! ({17}) „Seit Herbst 1974 dient die Finanzpolitik der Sicherung von Arbeitsplätzen", heißt es in Ihrer Wahlplattform. ({18}) - Das erinnert mich etwas fatal an den Jungen, der erst einen Fußball in die Schaufensterscheibe hineinschießt und sich anschließend rühmt, wieviel sein Vater dafür bezahlen mußte, daß er dies getrieben hat. ({19}) Steigende Steuerbelastung, höhere Beiträge in der Arbeitslosenversicherung und in der Kranken-und Rentenversicherung können nicht ohne Auswirkung auf das Verhalten von Arbeitnehmern und Unternehmern bleiben. ({20}) Was ist denn den Arbeitnehmern von den Lohnerhöhungen geblieben? ({21}) Nach Berechnungen des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung bleiben von je 100 DM, die in diesem Jahr zusätzlich verdient werden, im Durchschnitt gerade noch 41 DM netto übrig. ({22}) - Das finden Sie einen großartigen Erfolg? Auch darüber denkt der Bürger ganz anders. Von der Steuerentlastung durch die Steuerreform im letzten Jahr ist nichts mehr zu spüren. Berücksichtigt man die Preissteigerungsrate, dann haben die Arbeitnehmer sogar einen realen Kaufkraftverlust von 2 bis 3 °/o. ({23}) Der Rückgang des Realeinkommens ist in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands einmalig. ({24}) Was meinen Sie denn eigentlich, warum in der Druckindustrie bis zum gestrigen Tag Streiks stattgefunden haben? Das hat doch seinen Sinn; die Leute wollen wenigstens das halten, was sie realiter bis jetzt gehabt haben. ({25}) Das war doch der Sinn. Darüber können Sie am allerwenigsten hinweggehen. ({26}) Das ist nicht zuletzt ein verschärfter Verteilungskampf mit dem Ziel, den erreichten Lebensstandard wenigstens zu halten. ({27}) Hohe Lohnkosten und hohe Preise bedeuten aber eine geringere Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Vor allem müssen diejenigen Unternehmen, die ihre ständigen Kosten nicht auf die Preise abwälzen können - das sind in erster Linie kleine und mittlere Betriebe -, ihre Investitionen einschränken oder in Konkurs gehen. Der Herr Bundeskanzler meinte, als die ersten Konkurse kamen, das müsse man mal so hinnehmen, das sei ja wohl in der Marktwirtschaft normal und üblich, das sei ein Gesundschrumpfungsprozeß. Ich nehme an, er hat dabei übersehen, daß dadurch Hunderttausende von Arbeitsplätzen mit betroffen sind, wodurch die jetzige Arbeitslosigkeit bewirkt wurde. ({28}) Wir haben seit 16 Monaten eine Arbeitslosigkeit in Höhe von über 1 Million Mitbürgern. Es ist doch bezeichnend und muß für Sie einfach beschämend sein, daß die Maikundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes seit 20 Jahren erstmals wieder unter das Motto „Vollbeschäftigung - soziale Sicherheit" gestellt wurden. Das ist doch ein Thema, das wir 20 Jahre lang gar nicht mehr zu kennen glaubten. ({29}) - Es ehrt Sie ja, daß Ihnen das wenigstens weh tut. Ich stelle nur rein sachlich fest, wofür die Gewerkschaften am 1. Mai dieses Jahres haben demonstrieren müssen. Ich glaube, dies beweist mehr als die hochstilisierten Leistungsbilanzen des Bundeskanzlers, wie schlecht Arbeitnehmerinteressen unter dieser Regierung gewahrt worden sind. ({30}) Angesichts dieser Situation muß es wie Hohn klingen, der den betroffenen Arbeitnehmern ins Gesicht schlägt, wenn es im Wahlprogramm der SPD heißt - ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin -: „Das Ziel der Vollbeschäftigung wird von der Opposition nur widerwillig akzeptiert." ({31}) Die Dreistigkeit dieser Aussage ist kaum zu überbieten. ({32}) Die SPD erklärt die Vollbeschäftigung zur wichtigsten Aufgabe, nachdem sie in Deutschland die höchste Arbeitslosigkeit nach Wiederaufbau zu verantworten und zu vertreten hat. ({33}) Die SPD unterstellt der Opposition, daß sie das Ziel der Vollbeschäftigung nur widerwillig akzeptiere, obwohl es in Deutschland noch nie eine so lange Phase der Vollbeschäftigung gegeben hat wie unter den Regierungen, die von CDU/CSU geführt worden sind. ({34}) Diese Regierung rechnet nach ihren eigenen Zielvorstellungen sogar bis 1979 noch mit einem Sockel - hören Sie gut zu; 1965 gab es 450 000 Arbeitslose - von rund 750 000 Arbeitslosen. ({35}) Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinz Oskar Vetter, hat dies, wie ich meine, zu Recht als unerträglich zurückgewiesen. Nein, diese Bundesregierung hat die hohe Arbeitslosigkeit, den Rückgang der Investitionen und die Preissteigerungen zu verantworten. Von Alleinschuld der Weltwirtschaftskrise etc. kann weiß Gott keine Rede sein. Wer den Zusammenhang von Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik außer acht läßt, degradiert den Sozialhaushalt zur Reparaturwerkstatt der wirtschaftspolitischen Folgeschäden. ({36}) Eine Aufstellung der Reparaturkosten ergibt folgendes Ergebnis. ({37}) Für über eine Million Arbeitslose mußte die Bundesanstalt für Arbeit 1975 an Arbeitlosengeld und Arbeitslosenhilfe mehr als 8 Milliarden DM leisten. Dazu kamen fast 2 Milliarden DM Beiträge an die Krankenkassen, eine halbe Milliarde DM betrugen allein die Beitragsausfälle der Bundesanstalt. Für die Rentenversicherungen errechnet sich für das vergangene Jahr ein Einnahmeausfall von mehr als 3 Milliarden DM. Der Staat hat einen Steuerausfall in gleicher Höhe zu verzeichnen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geiger?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte zunächst meine Bemerkungen zu Ende bringen. ({0}) - Lieber Herr Kollege, das müssen ausgerechnet Sie sagen! Darüber kann ich nur lachen. Hätten die Arbeitslosen demgegenüber eine Beschäftigung gehabt, so hätten sie mit etwa 17,5 Milliarden DM zum Wohlstand unseres Landes beitragen können. Aber damit sind die Schäden der ver17190 fehlten Wirtschaftspolitik noch nicht einmal alle erfaßt; denn etwa 300 000 Gastarbeiter sind wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes in ihre Heimat zurückgekehrt. ({1}) Auch diese sind bei uns produktiv gewesen und haben Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt. Berücksichtigt man all dies, so kann man die wirtschaftspolitischen Folgeschäden dieser Bundesregierung allein für 1975 auf rund 40 Milliarden DM beziffern; ({2}) ähnliche Ergebnisse müssen wir leider auch für das Jahr 1976 erwarten. Schlimmer noch als diese wirtschaftlichen Schäden sind aber die, die nicht in Mark und Pfennig auszudrücken sind: die moralischen Auswirkungen der Arbeitlosigkeit für den Betroffenen und seine Familie. ({3}) Als ich vorhin einen Zwischenruf von Ihnen hörte, Sie hätten das Arbeitslosengeld erhöht, so kann ich dazu nur sagen: welcher Zynismus steckt dahinter! ({4}) Dies ist doch eine totale Verkennung der wirklichen Situation. Natürlich ist das vernünftig; das haben wir auch mitgemacht; aber das geht am Kern der Dinge vorbei. Der Kern der Dinge ist: wir müssen den Menschen wieder Arbeit beschaffen! Das ist der Sinn, und er besteht nicht etwa darin, die Arbeitslosigkeit zu bezahlen. ({5}) - Entschuldigen Sie, Sie müssen sich natürlich einmal darüber klarwerden, was Sie eigentlich wollen. Sie müssen sich an dem messen lassen, mit dem Sie angetreten sind. Sie sind mit dem Versprechen angetreten: Bei uns gibt es keine Arbeitslosigkeit. Jetzt haben Sie sie, und jetzt haben Sie das auch zu verantworten. Das ist die Position. ({6}) Der Herr Bundeskanzler fordert die CDU/CSU auf, sich endlich zu dem zu bekennen, was wir an sozialstaatlichem Fortschritt im Auftrag des Grundgesetzes erreicht haben. Wir können nur feststellen, daß das Modell Deutschland, von dem Sie so gerne sprechen und das, wie gehabt, Vorbild für die Welt sein soll, zur größten Reparaturwerkstatt der Nachkriegsgeschichte ausgebaut worden ist. Die Bürger stellen sich das Modell Deutschland offenbar ganz anders vor. 40 Milliarden DM an wirtschaftspolitischen Folgeschäden wollen sie nicht mühsam über die Mehrwertsteuer finanzieren. Diese Gelder fehlen bei der Bildung und nicht zuletzt bei der beruflichen Bildung. Sie selber schieben die Probleme der sozialen Sicherung vor sich her, und zwar nach der einfachen Devise, der Aufschwung werde alle Probleme lösen. Sie wissen sehr wohl, daß dies von den Bürgern unseres Landes nicht akzeptiert wird und selbst von Ihrem Koalitionspartner, der FDP, nicht geglaubt wird. So warnte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Funcke, zu Beginn dieser Woche, am 10. Mai 1976, vor dem Deutschen Ärztetag in Düsseldorf - ich zitiere - „eindringlich vor der Illusion, der wirtschaftliche Aufschwung mache die Konsolidierung des Sozialstaates entbehrlich". ({7}) Folgendes ist festzuhalten. Die Koalition ist in dieser zentralen Frage unserer sozialen Sicherung zerstritten. Die Koalitionspartner beurteilen die Lage der Rentenversicherung kontrovers. Es braucht hier wohl nicht lange gefragt zu werden, wer denn eigentlich den Bürger in dieser Frage verwirrt und wer hier Unruhe stiftet. Der eine Koalitionspartner sagt, es sei alles in bester Ordnung, und der andere Koalitionspartner sagt: Nein, keineswegs, auch ein Aufschwung löst hier die Probleme nicht. Der Bundesarbeitsminister sagte am 20. Februar 1976 hier von dieser Stelle aus: Die Bundesregierung hat ... keine Veranlassung, im gegenwärtigen Zeitpunkt Vorschläge zur Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu machen. Die Rentenversicherung hat ein solides finanzielles Fundament. ({8}) - So ist es? Sehr schön! Ich schlage Ihnen vor, sich dann einmal mit Ihrem Koalitionspartner zu unterhalten, denn dieser sieht das ganz anders. Sie müßten sich bitte einmal untereinander verständigen, denn hier geht es um etwas, was der Bürger zuallererst wissen will. Sie dürfen sich nicht wundern, daß Unglaube und Unsicherheit aufkommen, wenn der Bürger aus den Koalitionsfraktionen zwei diametral entgegengesetzte Meinungen hört und wenn diese draußen artikuliert werden. ({9}) Der Koalitionspartner FDP hat seine Meinung ja nicht leise und still im Kämmerlein, sondern hier in der Öffentlichkeit, vor dem Plenum des Deutschen Bundestages in der Debatte am 20. Februar 1976 - wir haben das ja alle erlebt - gesagt. Herr Kollege Schmidt ({10}) hat hier gesagt - ich zitiere -, daß einiges zu der „nun einmal nicht zu leugnenden Tatsache zu sagen ist, daß wir in einigen Jahren möglicherweise vor der Frage einer Beitragserhöhung oder anderen Maßnahmen stehen". ({11}) - Ich spreche jetzt von morgen, nicht von gestern und von vorgestern. ({12}) Nebenbei bemerkt, verehrter Herr Kollege, haben Sie diese Beitragserhöhung, zu der es unter meiner Verantwortung kam, mit getragen. Diese BeitragsKatzer erhöhung hat Sie überhaupt erst in die Lage versetzt, das soziale Netz, das Sie der staunenden Welt draußen heute so anpreisen, so dicht zu knüpfen. Ohne uns wäre das überhaupt nicht möglich gewesen. ({13}) Daß die Probleme von der FDP nicht erst in einigen Jahren, also gewissermaßen nicht rückwärts, sondern vorwärts gesehen werden, wird dadurch deutlich, daß der FDP-Sprecher eine Aktualisierung der Renten fordert, ohne den Bürgern allerdings zu sagen, daß „Aktualisierung" derzeit nichts anderes als eine Kürzung der Renten bedeutet. Darüber müssen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sich doch einmal mit Ihrem freidemokratischen Partner unterhalten. Sie müssen sich darüber einig werden, was Sie wollen. ({14}) - Ich hatte Sie angesprochen, bitte schön!

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich Sie bitten, nicht nur einen Satz zu zitieren, sondern weiter nachzulesen und zu sagen, daß ich in diesem Hause auch dargelegt habe, daß auf Grund der Spannungsverhältnisse, die sich dann zwischen den jetzt vorgesehenen Raten und einer Aktualisierungsrate ergeben, natürlich auch ein Problem auf die Rentner zukommt? ({0}) Das habe ich hier gesagt. Deshalb bitte ich Sie, das noch einmal nachzulesen und nicht etwa zu sagen, das hätte ich nicht gesagt.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt ({0}), ich bestätige gern, daß Sie dies gesagt haben. Aber das unterstreicht genau das, was ich hier gerade sehr deutlich ausgesprochen habe. ({1}) Der Bundesarbeitsminister verschleiert und beschönigt, nur um heil über den Oktobertermin zu kommen, und der Koalitionspartner beurteilt die Lage so kritisch, daß er schon Vorschläge unterbreitet, wie die Renten zu kürzen sind. ({2}) - Entschuldigen Sie, ich stelle ja nur für die Opposition die Fragen. Ich denke, daß der Herr Bundesarbeitsminister endlich einmal Gelegenheit nimmt, eine Antwort darauf zu geben, und zwar nicht nur für sich, sondern für diese Regierung und gleichzeitig für den Koalitionspartner FDP. Das ist es, worum es hier geht. ({3}) Tatsache ist nämlich, daß die Politik dieser Regierung in der Rentenversicherung tiefe Schleifspuren hinterlassen hat. So spricht z. B. die Deutsche Bundesbank in ihrem neuesten Geschäftsbericht von der „notwendigen Konsolidierung" im Bereich der Sozialversicherungen und meint, diese sei lediglich bei der Bundesanstalt für Arbeit eingeleitet worden. Bei den Rentenversicherungen bleibe diese Aufgabe noch zu bewältigen. Zitat: „Hier sind zunächst wachsende Defizite vorprogrammiert." Tatsache ist doch auch - damit müssen Sie sich bitte einmal auseinandersetzen -, daß alle Sachverständigen - die Vertreter des Verbandes der Rentenversicherungsträger, dessen stellvertretender Vorsitzender Herr Muhr ist, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist, dem Sie doch wohl nicht unterstellen, daß er etwas Böses mit den Rentnern oder den Renten im Sinne hat, die Vertreter der Bundesbank, des Sozialbeirats, des Verbandes der Rentenversicherungsträger und der Bundesversicherungsanstalt - in einem Hearing vor dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung durch ihre Darlegungen erneut bestätigt haben ({4}) - ich kann Protokolle lesen, wie hoffentlich auch Sie sie lesen können , daß es in der Rentenversicherung in den nächsten Jahren Probleme gibt. Die vordergründigen Darstellungen des Bundesarbeitsministers wurden dabei völlig widerlegt. Nun wird darauf hingewiesen - Herr Kollege Schmidt hat das gelegentlich getan -, wir hätten mit der Rentenreform von 1972 und der Vorziehung der Rentenanpassung zur Belastung der Rentenversicherung beigetragen. Wir war denn damals, Herr Kollege Schmidt, die Lage? Die Rentner waren doch die Hauptleidtragenden der Inflationsentwicklung. ({5}) Wir standen vor der Notwendigkeit, den Rentnern einen Ausgleich für die Inflationsverluste zu geben und das Rentenniveau zu erhöhen. SPD und FDP haben unsere Initiativen erst dreimal abgelehnt. Dann hat sich die Union durchgesetzt. Ich freue mich, daß SPD und FDP heute bereit sind, das anzuerkennen, was die Union damals für die Rentner getan hat. Im Wahlkampf 1972 hörte sich das alles ja ganz anders an. ({6}) Heute frage ich Sie: Meinen Sie eigentlich, daß die Renten in unserem Land zu hoch sind? Meinen Sie, die Renten sind zu hoch? ({7}) Nach der letzten Untersuchung des Statistischen Bundesamtes 1974 auf Grund eines Mikrozensus mußten 8 % der Rentner mit monatlich bis zu 300 DM und 40 % bis zu 600 DM auskommen. Fast 15 % aller Rentnerhaushalte mußten sich mit einem Einkommen begnügen, das noch unter den Bedarfssätzen der Sozialhilfe lag. Meine Damen und Herren, da können Sie reden, wie Sie wollen - die Inflation schafft neue soziale Fragen, die wir angehen müssen, an denen Sie aber vorbeigehen, da Schmidt ({8}) Sie nur alte, traditionelle soziale Fragen zu begreifen in der Lage sind. ({9}) Ich empfehle Ihnen, doch einmal in ein Altersheim zu gehen. Schauen Sie sich einmal die Situation in den Altersheimen an. ({10}) Ich denke daran, daß 400 000 Rentner nicht zu Hause sind. In meinem Wahlkreis in Köln gestern - ({11}) - Ich pflege meine alten Freunde, die im Heim sind, zu besuchen - ich weiß nicht, ob Sie dies auch tun, verehrter Kollege -, ({12}) und ich stelle dabei folgendes fest: daß heute selbst Leute mit einer Rente von 800, 900 Mark nicht in der Lage sind, sich in einen Heimplatz einzukaufen. ({13}) Und ich bin der Meinung, wir sollten einmal gemeinsam überlegen, ({14}) ob es nicht möglich ist, daß wir jedem Rentner einen Teil seiner Rente vorab als Taschengeld zuerkennen und ihn nicht dazu bringen müssen, daß er sich nach lebenslangem Arbeiten sein Taschengeld von der Sozialhilfe abholen muß. ({15}) Dies wäre einer gemeinsamen Anstrengung wert und stünde, wie ich glaube, diesem Hohen Hause sehr gut an. ({16}) Meine Damen und Herren, der Kanzlerkandidat der Union, Helmut Kohl, hat mit aller Klarheit und aller Entschiedenheit ausgesprochen, was die Rentenpolitik für uns bedeutet, als er sagte: „Die Union gibt eine Sozialgarantie." Das bedeutet, daß an der Rentenformel, daß an wohlerworbenen Rechten nicht gerüttelt wird. Wir wissen um die Schwere dieser Aufgabe, können aber auch - und hier möchte ich dem Bundeskanzler, wenn er das C in unserem Namen anspricht, sehr gern antworten - feststellen: Rentenpolitik war für mich - und das wissen Sie alle sehr genau aus den Zeiten, in denen wir gemeinsam in der Koalition waren, aus den Zeiten, in denen Sie in der Opposition waren, und aus den Zeiten, in denen wir in der Opposition waren; das gilt also unbeschadet der Rolle, die wir gespielt haben, ob Regierung oder Opposition - mehr als Gesetzestechnik; sie war für mich immer das Eintreten für den Menschen. Und hier, im Bild vom Menschen, liegt im Grunde der Kernpunkt der Auseinandersetzung. ({17}) - Ja, natürlich! ({18}) - Aber entschuldigen Sie, ich meine doch gar nicht Sie! Aber nehmen Sie doch einmal das, was sich in unserem Lande in Mitteldeutschland vollzieht, was sich dort in dem angeblichen Arbeiter-und-BauernStaat vollzieht. Dort ist der Rentner so viel wert, ist der Mensch so viel wert, wie er als Rädchen in der Maschinerie des Staatssozialismus wert ist, und wenn er ausgedient hat, darf er zu uns kommen, dann gibt's keine Schüsse an der Mauer, dann gibt's keinen Stacheldraht. Diese Menschen dürfen zu uns kommen! Und dies darf uns nicht passieren! Die Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, müssen am Ende ihres Lebens voll in unsere Gesellschaft integriert bleiben, und sie müssen teilnehmen können auch am kulturellen Leben unseres Volkes. Das ist, was die Sicht des Menschen anlangt, der entscheidende Punkt; das ist die Art, wie die Christlich-Demokratische Union das sieht. ({19}) Deshalb hat der Kollege Kohl - und ich bin ihm sehr dankbar dafür - diese deutliche Garantie ausgesprochen. Das bedeutet, daß sich die Rentner, die Alten in unserem Lande darauf verlassen können, daß wir das Werk, das wir 1957 unter Anton Storch begonnen haben, konsequent fortsetzen werden. Neben der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung ist nun auch die dritte Säule des Sozialversicherungssystems, die Krankenversicherung, in Bedrängnis geraten. Folgt man dem Sozialbericht der Bundesregierung, dann wird die Kostenexplosion nur noch mit einer Beitragserhöhung von heute durchschnittlich 10,6 % auf etwa 13 % im Jahre 1979 finanziert werden können. SPD und FDP sind sich auch hier über den Weg zur Konsolidierung nicht einig. Das ist die zweite fundamentale Frage, in der zwischen den beiden Koalitionspartnern fundamentale Unterschiede bestehen. Im Wahlprogramm der SPD heißt es: Wir reformieren aber auch, um Geld zu sparen. So z. B. muß das Gesundheitswesen verbessert werden, um die steigenden Kosten einzudämmen. Dies sagt die SPD, und sie tut so, als hätte sie erst seit gestern für alle diese Dinge Verantwortung. Ich stelle fest: Die Sozialdemokraten stellen seit zehn Jahren den Gesundheitsminister und können sich doch jetzt vor den Wahlen nicht aus der Verantwortung herausschleichen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Funcke?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Katzer, ist Ihnen bei dem Gespräch über die Konsolidierung entgangen, daß im Haushaltsstrukturgesetz beide Koalitionsfraktionen gemeinsam Vorschläge etwa zur Änderung bei der Ausbildungsförderung gemacht haben, um Überbeanspruchungen abzubauen?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das ist mir überhaupt nicht entgangen. Ich habe es nur bedauert, daß Sie es auf dem Felde, wo es am wenigsten geeignet war, für geeignet hielten, und wir auf dem Felde, wo wir Klarheit verlangten - Rentenversicherung, Krankenversicherung -, keine Einigkeit haben. Dies scheinen Sie aber indirekt zuzugestehen mit der Bemerkung, die Sie soeben gemacht haben. ({0}) Die SPD hat auf ihrem Mannheimer Parteitag ein gesundheitspolitisches Programm verabschiedet, das die Krankenversicherung noch weiter belasten wird. Dagegen schlägt die FDP, Frau Kollegin, eine Selbstbeteiligung der Patienten mit einem Wahltarif vor, der nicht nur die Solidargemeinschaft der Versicherten sprengen, sondern auch zu Lasten der älteren und krankheitsanfälligen Bürger gehen würde. Die Union lehnt es ab, die Probleme im Gesundheitswesen auf dem Rücken einer einzelnen Gruppe - seien es die Ärzte oder seien es die Patienten -auszutragen. ({1}) Die Union fordert ein ausgewogenes Konzept, von dem zwar auch der Arbeitsminister redet, zu dem er aber keinen Beitrag leistet. Wir möchten ein Konzept, in das alle beteiligten Gruppen gleichermaßen einbezogen werden müssen. Was Arbeits- und Gesundheitsminister versäumt haben, hat, ich sage gottlob, in letzter Stunde die Selbstverwaltung als Aufgabe erkannt. Die Krankenkassen und die kassenärztliche Bundesvereinigung haben mit ihrem Abkommen die Herausforderung erkannt und, wie ich glaube, einen ersten konstruktiven Beitrag zur Lösung der Probleme geleistet. Lassen Sie mich zusammenfassen! Der aller Erfahrung widersprechende Glaube, mit Inflation lasse sich Vollbeschäftigung sichern, hat der Bundesrepublik Deutschland die schwerste Arbeitslosigkeit seit 1945 beschert. ({2}) Dauerarbeitslosigkeit und Jugendliche ohne Arbeit sind die Folge dieses wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Irrtums. Das soziale Sicherungssystem ist durch Beitragsausfälle und zusätzliche Ausgaben in seinen finanziellen Fundamenten erheblich belastet. Alle Arbeitnehmer, Beschäftigte wie Arbeitslose müssen in diesem Jahr fühlbare Einkommensminderungen in Kauf nehmen. Die sozialen Auswirkungen aus Beschäftigungsverlust und drohender Arbeitslosigkeit auf unsere soziale und wirtschaftliche Ordnung sind heute noch nicht abzusehen. So haben sich, glaube ich, die SPD-Wähler von 1969 und 1972 das Versprechen „Wir schaffen das moderne Deutschland" wahrscheinlich nicht vorgestellt. Die Wahlen in Baden-Württemberg haben jedenfalls gezeigt, daß die Wähler dieses moderne Deutschland gerne ganz anders sehen würden, als Sie es praktiziert haben. ({3}) Angesichts dieser negativen Bilanz ist die Union gefordert. ({4}) Unser Ziel heißt: den Aufschwung sicherer machen ({5}) und das Netz der sozialen Sicherung festigen. Wer das Netz der sozialen Sicherung erhalten will, muß für ausreichendes wirtschaftliches Wachstum sorgen. ({6}) Der sich abzeichnende Aufschwung ist mit Risiken verbunden. Das gilt nicht nur für das Wachstum, wo ein Anstieg der Investitionstätigkeit noch fehlt, sondern dies gilt insbesondere für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Lassen Sie mich die Prinzipien nennen, von denen unsere Sozialpolitik während der Zeit unserer Regierungsverantwortung getragen war und von denen wir uns auch in Zukunft leiten lassen werden. Erstens. Eine moderne Sozialpolitik vollzieht sich nicht nach dem primitiven Strickmuster, den Unternehmen und den Arbeitnehmern mehr und mehr Kosten aufzuerlegen, um dann mit der einen Hand geben zu können, was mit der anderen genommen wird. Sie kann sich auch nicht mehr in den Bahnen des 19. Jahrhunderts bewegen, wo sie die wirtschaftspolitischen Folgeschäden auszugleichen hatte. Sie ist nicht die Feuerwehr zur Löschung sozialer Brände. Eine moderne Sozialpolitik muß produktiv und wachstumsfördernd sein, Investitionen für die Zukunft und für die Gestaltung der Gesellschaft sowie durch die Sicherung des sozialen Friedens und der Freiheit in unserem Lande. ({7}) - Ja, die konkrete Politik haben wir an Ihnen erlebt. Sie ist vernichtend genug, wie ich vorhin dargelegt habe. Aber wenn Sie es nicht verstanden haben, können Sie es ja noch einmal nachlesen. ({8}) Zweitens. Eine moderne Sozialpolitik folgt dem Prinzip der „gläsernen Taschen", wo die Einnahmen und Ausgaben - ({9}) - .Ja, Sie kommen immer nur mit den Ausgaben. Mit den Einnahmen, das funktioniert bei Ihnen nicht so sehr; Sie sind mehr für Ausgaben zuständig. ({10}) Eine moderne Sozialpolitik folgt dem Prinzip der „gläsernen Taschen", wo die Einnahmen und Ausgaben, wo die Auswirkungen auf andere Bereiche der Politik ersichtlich sind und die Grundlage für Solidität und Vertrauenswürdigkeit bilden. Das Sozialbudget, von uns geschaffen, muß wieder zur rationalen und kostenbewußten Orientierungs- und Entscheidungshilfe für den Politiker werden. ({11}) Wer wie die Bundesregierung den Sozialbericht zur Absegnung einer Politik der Gesundbeterei entwertet, gefährdet auch die langfristige Festigung des Systems unserer sozialen Sicherung. ({12}) Drittens. Eine moderne Sozialpolitik ist eng verzahnt mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik ({13}) und wird zur übergreifenden Gesellschaftspolitik. Sie berücksichtigt gegenseitige Abhängigkeit und wird durch ein abgestimmtes Konzept zum Motor des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts der Gesellschaft. Die Bundesregierung hat diesen inneren Zusammenhang vernachlässigt. Sie hat die ganze Kraft ihrer Arbeit für die Reparaturen der wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen aufbringen müssen. Sie war dadurch im Kern zur Reformunfähigkeit verurteilt. Unsere Prioritäten heißen: Wirtschaftliches Wachstum schaffen, Arbeitslosigkeit beseitigen, Reformen mit Augenmaß im Bereich der sozialen Sicherung, nicht ein Versprechen für heute und morgen, sondern ein Ziel für die Zukunft. Wir wollen auf gesichertem Boden das fortsetzen, was wir in 20jähriger Arbeit solide, für unsere Menschen erkennbar und erschaubar geschaffen haben. ({14}) Wir gehen davon aus, daß uns die Wähler im Oktober dieses Jahres das Vertrauen dazu geben werden. ({15})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister Arendt. ({0})

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst eine Bemerkung zu dem Diskussionsbeitrag des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Professor Carstens, am Dienstag. Er hat am Dienstag die Anteile der Parteien am Ausbau unserer sozialen Sicherungssysteme festgelegt und lapidar erklärt, 90 % seien von den Oppositionsparteien geschaffen worden, als sie die Regierungsverantwortung trugen, und die Koalition sei allenfalls mit 5 % beteiligt. ({0}) Nun hat auch Herr Katzer wieder aus dem langen Katalog vorgetragen, was, wie er meint, unter der Regierungsverantwortung der CDU/CSU geschaffen worden ist. Herr Katzer und Herr Carstens: Weder die Bundesregierung noch die Koalitionsparteien haben jemals behauptet, daß die Geschichte der Sozial- und Gesellschaftspolitik im Oktober 1969 mit der Regierungsübernahme begonnen habe. ({1}) Wir haben gesagt - und das wiederhole ich mit allem Nachdruck -: es gibt große Versäumnisse, es gibt weiße Flecken auf der sozialpolitischen Landkarte, und es gibt vernachlässigte Gebiete, und diese wollen wir durch eine entsprechende Reformpolitik aufarbeiten. ({2}) Wir haben das aber nicht nur gesagt, wir haben es auch getan. ({3}) Wir haben systematisch, zielstrebig in den vergangenen sieben Jahren ({4}) die Versäumnisse der CDU/CSU-Regierungen aufgearbeitet. Wenn es Ihnen auch Mühe und Unbehagen bereitet, so kann ich Ihnen nur empfehlen: Lesen Sie einmal die sozialpolitische Bilanz 1976, damit Sie endlich begreifen, was an Veränderungen auf diesem Felde vor sich gegangen ist. ({5}) Ich könnte das auch mit einem anderen Satz sagen: Fragen Sie die Bürger draußen im Lande. Es hat in der Geschichte Deutschlands - dabei schließe ich alle Zeiträume ein - noch keine Zeit gegeben, in der in einem so kurzen Zeitraum für breite Schichten unseres Volkes so viel geschehen ist wie von 1969 bis heute. ({6}) Wer diese Fakten bestreitet, wie es Herr Carstens getan hat, dem muß ich sagen, daß er bei der Analyse der Sozialbilanz Sand im Auge gehabt hat; sonst könnte er nicht zu solchen Ergebnissen kommen. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maucher?

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Bitte sehr!

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie nur in der Beziehung recht haben, als in den letzten sieben Jahren nichts so sehr gestiegen ist wie die Preise? ({0})

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Maucher, Sie sind ein liebenswerter Kollege; aber Ihnen stimme ich in der Sache nie zu, damit Sie das einmal wissen. ({0}) Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ist der größte Einzelhaushalt im Gesamthaushalt. ({1}) Ich sage das nicht, um, wie man so sagt, damit zu prunken, sondern ich sage das, weil daran deutlich wird, welchen Stellenwert diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen den Fragen der Sozial-und Gesellschaftspolitik einräumen. ({2}) Ich denke, ich kenne meinen Amtsvorgänger lange genug, um zu wissen, daß Sie, Herr Katzer, stolz darauf gewesen wären, wenn Sie es fertiggebracht hätten, in Ihrer Amtszeit, die allerdings - das gebe ich zu - recht kurz war, den Einzelhaushalt 11 zum größten Einzelhaushalt zu machen. Das ist ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert wir ihm zumessen. ({3}) - Ich werde darauf zu sprechen kommen. ({4}) Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums erreicht in diesem Jahr die 38-Milliarden-Marke. ({5}) Im einzelnen werden 22 Milliarden DM an Zuschüssen für die Rentenversicherungen, 11 Milliarden DM für die Kriegsopferversorgung und 5 Milliarden DM für Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz bereitgestellt. ({6}) Mit einem Abstand von 6 Milliarden DM steht der Haushalt des Arbeitsministeriums weit an der Spitze aller Einzelhaushalte. ({7}) Zu diesem Haushalt müssen Sie noch die in anderen Einzelplänen enthaltenen Sozialaufwendungen hinzurechnen. Dazu zählen z. B. die Leistungen im landwirtschaftlichen Bereich, das Kindergeld und das Wohngeld, die Spar- und die Wohnungsbauprämien sowie die Wiedergutmachung. Der Sozialhaushalt in diesem weiteren Sinne umfaßt 61 Milliarden DM. Das sind fast 38 °/o des Gesamthaushalts 1976. ({8}) Der diesjährige Haushalt ist ein weiterer Beweis für das erfolgreiche Bemühen dieser Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, mehr soziale Sicherheit und mehr soziale Gerechtigkeit für die Bürger in unserem Lande zu schaffen. ({9}) - Herr Müller, jetzt nicht. Wir lassen uns nicht von denjenigen beirren, die soziale Leistungen als Wohltaten oder materielle Gratifikationen diskriminieren und abqualifizieren ({10}) und die Sozialpolitik - das hat man in der Vergangenheit des öfteren spüren und hören können - als Sündenbock für Haushaltsschwierigkeiten hinstellen wollen. ({11}) Die Menschen in unserem Lande erwarten mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit. Genau das ist auch der Wunsch und der Wille der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen. ({12}) Meine Damen und Herren, trotz Erdölkrise und trotz weltweiter Rezession ist es uns auch in den vergangenen Jahren gelungen, ein beachtliches Stück auf dem Wege des sozialen Fortschritts voranzukommen. Wir haben das Netz der sozialen Sicherung noch weiter gespannt und noch dichter geknüpft. Was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, verursacht haben, waren allenfalls Laufmaschen. ({13}) Dieses Netz hat sich in der Krise bewährt und wesentlich zu sozialem Frieden und politischer Stabilität in unserem Lande beigetragen. Die Sozialleistungen haben nicht zuletzt auch die Kaufkraft gestärkt und ein zu starkes Absacken der Konjunktur verhindert. Ohne diese sozialen Leistungen wäre unsere Volkswirtschaft von der Weltwirtschaftskrise weit härter getroffen worden, als sie getroffen worden ist. Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen. Die Bundesregierung hatte in der vorigen Legislaturperiode begonnen, durch eine zielstrebige Reformpolitik mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu verwirklichen. Diese Politik haben wir auch in der 7. Legislaturperiode konsequent fortgesetzt. Ich nenne die Schwerpunkte: Einbeziehung bisher nicht oder nicht ausreichend geschützter Personenkreise in die soziale Sicherung, Anpassung der Sozialleistungen an die wirtschaftliche Entwicklung, Verbesserung, Ergänzung und Modernisierung des Leistungssystems. Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit der letzten Zeit haben die Bedeutung der ausreichenden Absicherung durch die Leistungen des Arbeitsförderungs17196 gesetzes noch unterstrichen. Wir alle wissen - darüber brauchen wir uns doch gar nicht zu unterhalten -, wohin Arbeitslosigkeit führen kann. Wir haben deshalb, Herr Katzer, die materiellen Auswirkungen einer kurzzeitigen Arbeitslosigkeit für die betroffenen Arbeitnehmer ausgeglichen. Niemand, der kurzzeitig arbeitslos wird, fällt materiell ins Bergfreie - um es einmal so auszudrücken. Da gibt es große Unterschiede. ({14}) Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld sind durch die Mehrheit im Bundestag dynamisiert worden. Diese Leistungen nehmen damit seither an der allgemeinen Einkommensentwicklung teil. Das Arbeitslosengeld ist auf 68 %, die Arbeitslosenhilfe auf 58 % des früheren Nettoeinkommens angehoben worden. Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wurde verlängert. Meine Damen und Herren, mir fehlt das Verständnis, wie Herr Katzer bei solch entscheidenden Veränderungen im Sinne der Arbeitnehmer davon sprechen kann, hier seien nur Reparaturwerkstätten aufgebaut worden. ({15}) - Da muß ich Ihnen gleich ein konkretes Beispiel sagen, Herr Katzer: Wir haben als eine ganz neue Leistung das Konkursausfallgeld geschaffen. ({16}) - Herr Kollege Katzer, woher Sie Ihre Überheblichkeit nehmen, wundert mich sehr. Unsere Konkursordnung stammt aus dem vorigen Jahrhundert. Sie werden mir doch nicht ernsthaft erzählen wollen, es habe im vorigen Jahrhundert nicht schon Konkurse gegeben, obwohl es bereits eine Konkursordnung gab. Konkurse hat es gegeben, Konkurse gibt es, und Konkurse wird es auch in Zukunft geben. Was es aber nicht mehr geben wird, ist daß die Arbeitnehmer zweimal die Leidtragenden bei solchen Vorgängen sind. ({17}) Herr Katzer, das wissen Sie viel zu gut: Mit dieser neuen Sozialleistung wurde eine besonders empfindliche Lücke im System der sozialen Sicherung geschlossen. Jetzt müssen Arbeitnehmer im Falle des Konkurses nicht mehr neben dem Verlust des Arbeitsplatzes auch noch Lohn- oder Gehaltseinbußen hinnehmen. ({18}) Das Konkursausfallgeld, das durch die Arbeitsämter ausgezahlt wird, sichert dem Arbeitnehmer den vollen Nettolohn für die letzten drei Monate vor Eröffnung des Konkurses. Mancher Gewerkschaftssekretär weiß mehr als eine Strophe des Liedes zu singen, wie er sich früher um diesen Personenkreis von Arbeitnehmern insbesondere kümmern mußte, weil noch nicht einmal die Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden waren. ({19}) Sprecher der Opposition versuchen immer wieder, die Situation so darzustellen, als ob die Bundesregierung für die Arbeitslosigkeit allein verantwortlich sei oder nichts dagegen getan habe. ({20}) Auch Sie gehören dazu! - Diese Kritiker haben entweder nicht gemerkt oder wollen nicht merken, daß die Bundesregierung sowohl für materielle als auch für strukturelle Hilfen gesorgt hat. Ich werde das gleich belegen. Falsch war es auch, daß die Opposition in den letzten Monaten immer wieder versuchte, den wirtschaftlichen Aufschwung in Zweifel zu ziehen. Die tatsächliche Entwicklung hat sie inzwischen eines Besseren belehrt. Selbst notorische Zweckpessimisten kommen nicht mehr daran vorbei, daß der wirtschaftliche Aufschwung da ist. Praktiker wie Wissenschaftler urteilen übereinstimmend, daß der Aufschwung kräftiger ausfallen wird, als noch vor Monaten angenommen werden konnte. Wie in früheren Rezessionsphasen folgt die Besserung auf dem Arbeitsmarkt mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Die Zeichen des konjunkturellen Aufschwungs sind jedoch inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt mehr als deutlich. Die Arbeitslosenzahl geht seit Februar deutlich zurück. Und im Laufe dieses Monats wird die Zahl der Arbeitslosen weiter zurückgehen. Die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl ist schon seit Juli 1975 rückläufig. Ich bin gespannt, was in den nächsten Wochen und Monaten, wenn die neuesten Arbeitsmarktzahlen bekannt werden, die Opposition noch an Argumenten hat, um auf diesem Feld zu trommeln. ({21}) Besonders anzumerken ist der überproportional starke Rückgang jugendlicher Arbeitsloser. Hier wird in der Diskussion - auch, aber nicht nur, von der Opposition - sehr viel durcheinandergewürfelt was der Sache gar nicht gut tut. Die starke Abnahme der Jugendarbeitslosigkeit beweist, daß sie in erster Linie ein konjunkturelles Problem ist. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs wird dieses Problem, das sicher für alle ein Problem ist, an Brisanz verlieren. ({22}) Der kräftige Rückgang der Kurzarbeit und die weitere Zunahme der offenen Stellen vervollständigen den positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung hat Konjunktur und Beschäftigung gestützt, soweit dies in einer Weltrezession durch binnenwirtschaftliche Maßnahmen möglich ist. Auch die Arbeitsmarktpolitik hat durch den vollen und gezielten Einsatz ihres Instrumentariums die Konjunkturpolitik aktiv unterstützt, um die Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten und einen hohen Beschäftigungsstand wiederzuerlangen. Ich nenne hier nur folgende Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme: Erstens. Finanzielle Hilfen der Bundesanstalt für Arbeit zur Verbesserung der regionalen Mobilität der Arbeitnehmer. Sie sichern besonders auch Arbeitsplätze für schwer vermittelbare Arbeitnehmer. 1975 wurden in 350 000 Fällen Leistungen im Gesamtumfang von rund 140 Millionen DM gewährt. Für 1976 sind weitere 180 Millionen DM vorgesehen. Zweitens. Die besonderen arbeitsmarktpolitischen Beschäftigungshilfen nach dem Konjunkturprogramm des Bundes vom Dezember 1974. Für diese Hilfen hatte der Bund 600 Millionen DM bereitgestellt. Insgesamt wurden mit Lohnkostenzuschüssen und Mobilitätszulagen fast 140 000 Arbeitnehmer gefördert. Drittens. Weiter haben die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt haben einen aktiven Einfluß auf die Beschäftigungslage ausgeübt. 1975 wurden hierfür weit über eine Milliarde DM bereitgestellt, davon rund 800 Millionen unmittelbar an Bundesmitteln. Für 1976 stehen erneut rund 500 Millionen DM für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereit, davon 100 Millionen DM aus dem arbeitsmarktpolitischen Zusatzprogramm des Bundes. Eine besondere Bedeutung haben schließlich auch die Maßnahmen zur beruflichen Bildung. Sie haben sich gerade in der Rezession bewährt. Sie entlasten nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern verbessern anschließend die Beschäftigungschancen der Teilnehmer. Ich nenne die Fortbildungs-, Umschulungsund Einarbeitungsmaßnahmen und die berufsvorbereitenden Maßnahmen für Jugendliche, die von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert werden. Mehr als 3 Milliarden DM wurden allein 1975 für berufliche Bildungsmaßnahmen ausgegeben. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das so sagen: In der Sorge um die Arbeitslosen und in dem Bemühen um einen hohen Beschäftigungsstand wird sich die Bundesregierung von niemandem übertreffen lassen; ganz bestimmt nicht von der Opposition. ({23}) Wir wollen einen hohen Beschäftigungsstand. Für die Bundesregierung hat diese Aufgabe höchste Priorität. Im Zuge des Ausbaus der sozialen Sicherung ist auch die soziale Krankenversicherung weiterentwickelt worden. Der Krankenversicherungsschutz wurde zeitgemäß auf weitere Personen ausgedehnt, verbessert und erweitert. Das Gesetz zur Verbesserung der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung brachte den Wegfall der Aussteuerung bei der Krankenhauspflege bei einem länger dauernden Krankenhausaufenthalt; das war ein Relikt aus alter Zeit. ({24}) Diese Reformen brachten den Anspruch auf Haushaltshilfe in bestimmten Fällen, und sie brachten den Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Pflege eines erkrankten Kindes und auf Krankengeld bei Lohnausfall. Das Krankengeld ist dynamisiert worden. Das ist für den Kranken bei lang anhaltender Krankheit von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Mit der Einbeziehung der Studenten und Praktikanten in die gesetzliche Krankenversicherung ist für rund 800 000 Studenten die soziale Sicherung während des Studiums weiter verbessert worden. Wir alle wissen - lassen Sie mich das auch sagen -, daß das System unserer sozialen Krankenversicherung im Kern gut ist und sich bewährt hat. Aber es bereitet auch Sorgen. Ich habe das nie geleugnet. Hiermit meine ich insbesondere die Kostenentwicklung. Kostensteigerungen in einem gewissen Umfang sind auch auf diesem Felde unvermeidlich. Z. B. muß der medizinische Fortschritt in allen Bereichen von allen Versicherten solidarisch getragen werden. Aber die Kostensteigerungen dürfen deshalb noch längst nicht ausufern. Hier soll gar keine Verantwortung verlagert werden. Aber wer die Selbstverwaltung in diesen Bereichen bejaht, der muß auch die Verantwortung der Selbstverwaltung sehen. ({25}) Um auf diesem Wege voranzukommen, hat die Bundesregierung - vor allem ich selbst, Herr Maucher - schon vor etwa einem Jahr Gespräche mit den Selbstverwaltungsorganen der Krankenkassen, der Ärzte, aber auch mit den Ländern, die für das besonders kostenträchtige Krankenhauswesen zuständig sind, und mit der pharmazeutischen Industrie und den Apothekern aufgenommen. Diese Politik, durch Gespräche mit den Beteiligten auf eine dämpfende Kostenentwicklung hinzuwirken, wurde von vielen Kritikern, auch aus Ihren Reihen, als wirkungslose Augenauswischerei abqualifiziert. Die Beteiligten - so wurde gesagt - seien gar nicht imstande, Kostenfragen verantwortungsbewußt zu regeln. Heute können wir feststellen, daß diese Gespräche erste Erfolge gezeitigt haben. Es gibt inzwischen Empfehlungsvereinbarungen zur Begrenzung des Anstiegs der Arztgebühren. Auch im Krankenhausbereich wurden schon kostendämpfende Maßnahmen bei den Pflegesätzen wirksam. Ich könnte hier auch noch weitere Beispiele anführen. ({26}) - Durch die Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes, verehrter Herr Kollege, wird z. B. ebenfalls eine Kostendämpfung erreicht. ({27}) Damit sind zwar noch nicht alle Probleme gelöst, aber immerhin können wir beachtliche Fortschritte zur Kostendämpfung registrieren. ({28}) Wir, die Bundesregierung, werden diese Entwicklung, die wir eingeleitet haben, sorgfältig verfolgen und fördern. ({29}) Meine Damen und Herren, Herr Katzer hat natürlich - wie könnte es anders sein - auch über die Rentenversicherung gesprochen. Lassen Sie mich auch dazu noch ein paar Bemerkungen machen. Ich habe es schon bei der Debatte über die Rentenanpassung ausgeführt: Hier ist in letzter Zeit sehr viel geredet, sehr viel geschrieben worden, viel Falsches und viel Verunsicherndes. ({30}) - Herr Franke, ich will Sie jetzt nicht fragen, bevor Sie eine solche Frage an uns stellen ({31}) - ich rede für die Bundesregierung -, wieviel Meinungsverschiedenheiten in Ihren eigenen Reihen, in Ihrer eigenen Fraktion über diese Frage vorhanden sind. ({32}) Ich lasse das einmal alles beiseite und halte mich an die Fakten. ({33}) Da ist als erstes festzustellen, daß die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung Jahr für Jahr programmgemäß, ohne jegliche Abstriche, angepaßt worden sind: ({34}) - Ja, ja sicher, das ist ja eines Ihrer Prunkstücke, Herr Katzer. ({35}) Ich weiß das ja, das haben Sie ja oft genug gesagt. - 1973 um 11,35 °/o, 1974 um 11,2 °/o, 1975 um 11,1 N. Zum 1. Juli dieses Jahres, also in wenigen Wochen, werden die Renten um weitere 11 % erhöht. Zusammen mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 1976 haben sich dann die Renten seit 1969 - und jetzt sage ich nicht: seit 1957 -, in einem Zeitraum von sieben Jahren, verdoppelt, seit 1957 vervierfacht. ({36}) - Von 1957 bis 1969 - das sind zwölf Jahre, Herr Katzer - haben sich die Renten dann auch verdoppelt. ({37}) Mit fast 22 Milliarden DM bilden die Zuschüsse an die Rentenversicherung auch im Haushalt 1976 wieder den größten Ausgabenposten innerhalb des Haushalts des Arbeitsministeriums. Von diesem Betrag entfallen rund 15 Milliarden DM auf die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter. Die Bundeszuschüsse entwickeln sich entsprechend der allgemeinen Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung und sind daher um 11 °/o höher als 1975. Mit dem Zuschuß an die knappschaftliche Rentenversicherung von 6,4 Milliarden DM ist auch die Finanzierung dieser Renten gesichert. Die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung war in den letzten Monaten Gegenstand vielfältiger Betrachtungen und Spekulationen. Das muß ich hier auch einmal sagen. So ist noch zu Beginn dieses Jahres für das Jahr 1975, das hinter uns liegt, ein Defizit von mehr als 1 Milliarde DM vorausgesagt worden. Diese Voraussagen, meine Damen und Herren, sind inzwischen durch die Tatsachen entkräftet und widerlegt worden. ({38}) Es hat nämlich im letzten Jahr, im Jahre 1975, bei den Rentenversicherungsträgern überhaupt kein Defizit gegeben. ({39}) Und auch 1976 - das sage ich Ihnen voraus - wird es in der Rentenversicherung keine Liquiditätsprobleme geben. ({40}) Auf Grund der Rechnungsabschlüsse für 1975 und auf Grund des Wirtschaftsaufschwungs kann für 1976 mit einem besseren Ergebnis gerechnet werden, als noch vor wenigen Monaten vorausgeschätzt wurde. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat mit ihrer vorsichtigen Lagebeurteilung recht behalten. ({41}) Ich sage folgendes - nicht als Arendt, sondern als Arbeitsminister dieser Koalitionsregierung -, da Herr Katzer mich danach gefragt hat. Erstens. Die Zahlungsfähigkeit der Rentenversicherungsträger ist nicht gefährdet. Zweitens. Es besteht zur Zeit kein Anlaß zu irgendwelchen Änderungen des Rentenrechts, weder auf der Leistungs- noch auf der Beitragsseite. ({42}) Drittens. Jede Rente wird auch in Zukunft pünktlich und ungekürzt zur Auszahlung kommen. Erlauben Sie mir noch einen Satz. Herr Katzer, welcher Unterschied eingetreten ist, will ich Ihnen einmal in etwas burschikoser Weise sagen. Sie erinnern sich wohl noch daran, daß in früherer Zeit die älteren Menschen, die ein ganzes Leben lang gearbeitet hatten und dann in den - wie man so sagte - wohlverdienten Ruhestand getreten waren, froh waren, wenn sie von ihren Kindern, von den Jüngeren, unterstützt wurden. Heute ist es so - und darüber freue ich mich -, daß Oma und Opa die Enkelkinder einkleiden, und das ist eine gute Entwicklung! ({43})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke? - Bitte.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, können Sie mir erklären, weshalb bei der Sachverständigenanhörung die Vertreter der RentenverFranke ({0}) sicherungsträger - der Vorsitzende war damals Gerd Muhr, heute ist er stellvertretender Vorsitzender -, die Deutsche Bundesbank, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und Professor Meinhold, Vorsitzender des Sozialbeirats beim Bundesarbeitsministerium, gesagt haben, im nächsten Jahr, nämlich 1977, träten Probleme in der Finanzierung der Rentenversicherung auf und auch der Aufschwung werde diese Probleme nicht beseitigen? Können Sie mir erklären, wieso die Sachverständigen zu dieser Äußerung kommen und wieso die FDP zur selben Auffassung kommt? Nur Sie sehen das hier anders. Können Sie mir das Phänomen erklären? ({1})

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Ich will Ihnen das an einem Vorgang zu erklären versuchen. Im Oktober vorigen Jahres hat der Verband der Rentenversicherungsträger ein Presseseminar veranstaltet. ({0}) - Lassen Sie mich doch einmal den Hintergrund schildern. Im Oktober vorigen Jahres wurde ein solches Presseseminar veranstaltet. Von den damaligen Zahlen ausgehend haben auch Vertreter des Verbands der Rentenversicherungsträger für das Jahr 1975 ein relativ hohes Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben vorausgesagt. Die Vertreter des Verbands der Rentenversicherungsträger mußten sich durch die eingetretene Entwicklung zum Positiven hin korrigieren. Auch zu Anfang dieses Jahres - ich habe das ja gerade gesagt - wurden noch höhere Defizite - allerdings vermindert gegenüber Oktober - vorausgesagt. Aber inzwischen ist eine Entwicklung eingetreten, die bewirkt, daß bei den Rentenversicherungsträgern kein Defizit eintritt. Das beweisen die Rechnungsabschlüsse. Insofern ist eine Korrektur nicht bei der Bundesregierung, sondern bei diesen Sachverständigen eingetreten. ({1}) Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Diejenigen, die mit viel Getöse eine finanzielle Krise der Rentenversicherungsträger vorausgesagt haben, müssen sich heute den Vorwurf gefallen lassen, daß sie die Rentner und die Versicherten mit falschen Behauptungen unnötig verunsichert haben. ({2}) Ich habe die herzliche Bitte an Sie, meine Damen und Herren: Stellen Sie das endlich ein! Ich will gar keine vollständige Liste aller Maßnahmen auf dem Gebiet der Sozialversicherung vorlegen. Einige Stichpunkte muß ich aber dennoch nennen. Mit der Reform des Ehe- und Familienrechts ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer eigenständigen Sicherung der Frau getan worden. Künftig findet grundsätzlich bei jeder Ehescheidung ein Versorgungsausgleich statt. Die bisherigen Benachteiligungen der Frau in diesem Bereich wurden beseitigt. Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung kommt etwa 12 Millionen Arbeitnehmern zugute. Diese betrieblichen Renten sind keine Erfindung der sozialliberalen Koalition. Sie bestehen schon sehr lange durch Tarifvereinbarungen, in den wenigsten Fällen durch Betriebsvereinbarungen oder durch Einzelabreden. Aber wir haben die Nachteile für den Arbeitnehmer durch die Reform der betrieblichen Altersrenten beseitigt. Heute sind 12 Millionen Arbeitnehmer im Positiven davon betroffen. ({3}) Weiter ausgebaut wurde die soziale Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Damit wurden die Lebensverhältnisse der in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Menschen in den letzten beiden Legislaturperioden gezielt verbessert. Seit 1975 werden auch die Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte regelmäßig angepaßt. Die Ausgaben des Bundes für die landwirtschaftliche Sozialpolitik sind seit 1969 auf etwa das Dreifache gestiegen. Erlauben Sie mir auch noch einige Bemerkungen zum Kriegsopfer- und Behindertenrecht. Mehr als 2,1 Millionen Kriegsopfer und mehr als 4 Millionen Behinderte leben unter uns. Sie bedürfen unserer besonderen Fürsorge, und sie haben einen Anspruch auf einen vollwertigen Platz in unserer Gesellschaft und im Erwerbsleben. Wenn die Opposition heute auszieht, ihre sogenannten neuen sozialen Fragen zu entdecken, dann wird man bei genauem Hinsehen sehr schnell feststellen können, daß das im Grunde sehr alte Hüte sind. ({4}) Es sind Fragen, die sie zu Zeiten ihrer Regierungsverantwortung entweder geflissentlich übersehen oder bewußt hintangestellt hat. Das sind die sogenannten neuen sozialen Fragen. Wir war es denn früher? Rentenerhöhungen und Strukturverbesserungen konnten von den Kriegsopfern oft nur durch Massendemonstrationen bis hin zu Protestmärschen auf Bonn erkämpft werden. In einer noch schlechteren Lage befanden sich die Zivilbehinderten, sie mußten sozusagen im Dauerabseits stehen. Es gab zwar einige Förderungsprogramme, aber sie waren wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Meine Damen und Herren von der Opposition, was haben Sie damals getan? Ich will das einmal an zwei Zahlen verdeutlichen. Für die institutionelle Förderung der Rehabilitation wurden vom Bund in den Jahren 1962 bis 1969 rund 39 Millionen DM investiert. In den Jahren von 1970 bis 1975 hat der Bund dagegen rund 250 Millionen DM für Rehabilitationseinrichtungen bereitgestellt. ({5}) Das sind 39 Millionen DM gegenüber 250 Millionen DM, und dies schon in einem um zwei Jahre kürzeren Zeitraum! Das heißt: mehr als das Sechsfache wurde für diesen wichtigen Bereich zur Verfügung gestellt. ({6}) Ich denke, daß diese Zahlen jedermann beweisen, daß früher wenig und in den letzten Jahren sehr viel für die Behinderten getan worden ist. - Herr Burger, bitte schön!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben soeben behauptet und auch im amtlichen Bulletin verkündet, es sei von der Christlich-Demokratischen Union und von der CSU in Ihrer Regierungszeit für die Behinderten nichts oder wenig getan worden. Darf ich Sie fragen, ob Sie vergessen haben, daß die fundamentalen Gesetze für die Rehabilitation, das Bundesversorgungsgesetz, das Schwerbeschädigtenrecht, die Rentengesetze von 1957 mit der erstmaligen Einführung der Heilverfahren auch für Zivilgeschädigte, das Unfallversicherungsneuregelungsgesetz, ...

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, stellen Sie bitte eine Zwischenfrage, und bringen Sie keine Aufzählung!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin sofort fertig. Wir haben so viel getan; deshalb muß ich das alles aufzählen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Nein, das können Sie in einer Rede zur Diskussion tun, aber nicht in einer Zwischenfrage.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

... das Sozialhilfegesetz ...

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Kollege, stellen Sie eine Zwischenfrage!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich bin mit der Frage gleich fertig ... und das Arbeitsförderungsgesetz, von uns geschaffen worden sind?

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Burger, wenn Sie so fragen, so vergesse ich vor allen Dingen nicht, daß Sie das natürlich maßlos ärgert, wenn man die Fakten einmal nebeneinanderstellt ({0}) und feststellt, daß hier ein Aufwand des Bundes von 250 Millionen DM für Rehabilitationseinrichtungen einem Aufwand von 39 Millionen DM des Bundes für Rehabilitationseinrichtungen gegenübersteht, was Ihnen nicht angenehm sein kann. Das kann ich gut verstehen, und das werde ich nicht vergessen. Damit Sie sich noch weiter ärgern, werde ich noch häufiger solche Vergleiche bilden. ({1}) Meine Damen und Herren, nicht nur die Aufwendungen im institutionellen Bereich, sondern auch die Aufwendungen für die Kriegsopfer sind in den letzten Jahren ganz beträchtlich gestiegen. Im Jahre 1969 sah der Bundeshaushalt für die damals etwa 2,7 Millionen Kriegs- und Wehrdienstopfer Aufwendungen in Höhe von rund 6,3 Milliarden DM vor. Der Haushalt 1976 weist demgegenüber für rund 2,2 Millionen Kriegsopfer - es sind weniger geworden - Ausgaben in Höhe von rund 11,1 Milliarden DM aus. Mit anderen Worten: Der Versorgungsaufwand pro Berechtigten hat sich also seit 1969 mehr als verdoppelt. Diese Ausgabensteigerung ist in erster Linie eine Folge der 1970 eingeführten Dynamisierung der Kriegsopferrenten. Ich verstehe, offen gesagt, nicht, wie die CDU/CSU draußen im Lande in Flugblättern sagen kann, sie habe die Dynamisierung der Kriegsopferleistungen eingeführt. 1970 wurde diese Dynamisierung eingeführt. Herr Barzel, fragen Sie einmal Ihren Nachbarn. ({2}) - Das Parlament hat zugestimmt. Das ist richtig. Der Vorschlag kam aber von der Bundesregierung. ({3}) Hinzu gekommen sind Strukturverbesserungen, die z. B. dazu geführt haben, daß die Rentensätze der Beschädigten, der Waisen und Eltern um fast 118 % und die Rentensätze in der Witwenversorgung im Durchschnitt sogar um 135 % gestiegen sind. Dies hat es in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands für diesen Teil unserer Gesellschaft noch nicht gegeben. ({4}) In dem Haushaltsansatz 1976 wirken sich diese Erhöhungen mit rund 4,5 Milliarden DM aus. Ich denke, daß diese Zahlen für sich sprechen. In engem Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts steht natürlich auch das neue Behindertenrecht. Lassen Sie mich dies mit einem gewissen Stolz sagen: Von grundlegender Bedeutung ist dabei die Abschaffung des früheren Kausalitätsprinzips. Für die Leistungsansprüche sind heute allein die Tatsache und das Ausmaß einer Behinderung, nicht mehr die Ursache der Behinderung maßgebend. ({5}) Durch das neue Rehabilitations-Angleichungsgesetz werden umfassende medizinische und berufliche Eingliederungshilfen für alle Behinderten zur Verfügung gestellt. ({6}) - Bitte schön, Frau Kollegin.

Agnes Hürland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000976, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß durch das Fehlen der Rechtsverordnung eine größere Unsicherheit als bisher und ein Mangel an Harmonisierung draußen in der Praxis der Rehabilitation eingetreten sind? Ist Ihnen nicht bekannt, daß Sie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bis heute noch keine Frist für eine freiwillige Einigung gesetzt haben? Ist Ihnen nicht bekannt, daß laufend Gerichtsurteile ergehen, wonach in der Regel die berufliche Bildung 24 Monate nicht übersteigen darf? Ist Ihnen nicht bekannt, daß Rehabilitanden, die behindert sind, ihre berufliche Umschulung selbst bezahlen müssen, weil die Ausbildungszeit mehr als 24 Monate beträgt? Und das nennen Sie eine Verbesserung?

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Frau Hürland, ich nenne das eine Verbesserung, weil hier die Grundlagen des Behindertenrechts auf eine ganz andere Basis gestellt worden sind. ({0}) Auch wenn noch die eine oder andere Verordnung fehlt - das, was hier zu tun ist, werden wir tun. Hier sind die gesetzlichen Grundlagen verändert worden. Das ist das Entscheidende. Die Eingliederung in das Erwerbsleben ist durch das neue Schwerbehindertengesetz für alle Schwerbehinderten wesentlich verbessert worden. Sie haben ein Recht auf bevorzugte Einstellung, einen erweiterten Kündigungsschutz und einen Anspruch auf Zusatzurlaub. Durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter wurden Behinderte, die in Werkstätten für Behinderte tätig sind oder in Anstalten und Heimen beschäftigt sind, zum erstenmal in das Sozialversicherungssystem einbezogen. Sie können das doch nicht leugnen. Ferner ist ein geschlossenes Netz von Rehabilitationseinrichtungen entstanden. Von 21 geplanten Berufsförderungswerken sind 19 bereits in Betrieb oder werden noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen. Für jugendliche Behinderte sind ebenfalls 21 Berufsbildungswerke geplant. Acht davon werden in diesem Jahr fertiggestellt sein. Wenn diese Berufsförderungswerke ihren Betrieb aufgenommen haben, wird z. B. das entfallen, was früher ein Stein des Anstoßes war, nämlich, daß es zwischen der medizinischen Rehabilitation und der beruflichen Umschulung sehr lange Wartezeiten gibt. Das ist dann beseitigt. ({1}) Ein anderes Thema unserer Politik - es ist in der Vergangenheit ein zentrales Thema gewesen - waren die stärkere Humanisierung des Arbeitslebens und eine Stärkung der Position des Arbeitnehmers in der Wirtschaft. Diese Ziele bildeten einen Schwerpunkt der sozialpolitischen Arbeit in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode. Die Sicherheit am Arbeitsplatz, seine Qualität, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, seine Beteiligung an den Entscheidungen des Betriebs sind mitentscheidend für die Lebensqualität des arbeitenden Menschen. Wo über ihre Angelegenheiten entschieden wird, sollen die Arbeitnehmer auch mitbestimmen, meine Damen und Herren. ({2}) Die Bundesregierung hat deshalb den Ausbau der Mitbestimmung als eine ihrer Hauptaufgaben angesehen. Mit dem neuen Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahr 1972 ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb erheblich erweitert und gestärkt worden. Auch den im öffentlichen Dienst Beschäftigten sind im neuen Personalvertretungsrecht bessere Möglichkeiten der Mitbestimmung eingeräumt worden. In der Unternehmensmitbestimmung wurde nach rund 20jährigem Stillstand ein neuer wichtiger Durchbruch erzielt: Neben die Mitbestimmung in der Montanindustrie und die Ein-Drittel-Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952, tritt jetzt die Mitbestimmung in Großunternehmen und Konzernen mit mehr als 2 000 Beschäftigten. Künftig werden sich in diesen Unternehmen die Aufsichtsräte aus der gleichen Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzen, und jedes Unternehmen wird einen Arbeitsdirektor haben. Wichtige Fortschritte wurden auch durch unsere Bemühungen um eine stärkere Humanisierung des Arbeitslebens erzielt. Mit dem Gesetz über Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte sind die Voraussetzungen für die Verringerung der Zahl der Arbeitsunfälle und der Berufskrankheiten geschaffen worden. Die Bemühungen aller Beteiligten um einen verbesserten Arbeitsschutz haben bereits zu sichtbaren Erfolgen geführt. Erstmals seit 20 Jahren konnte bei den Arbeitsunfällen wieder die ZweiMillionen-Marke unterschritten werden. ({3}) Das neue Jugendarbeitsschutzgesetz ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Humanisierung des Arbeitslebens. Es wird helfen, für eineinhalb Millionen Jugendliche Überbeanspruchung und Überforderung im Arbeitsleben zu verhindern. Zugleich bietet es eine gute Grundlage für eine qualifizierte Ausbildung der Jugendlichen. Das Jugendarbeitsschutzgesetz ist am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getreten. Am selben Tage sind auch zwei wichtige Maßnahmen der Bundesregierung zur humaneren Gestaltung der Arbeitswelt wirksam geworden: die Arbeitsstättenverordnung und die Arbeitsstoffverordnung. Beide Verordnungen setzen neue Normen und Mindestanforderungen für eine menschengerechte und menschenwürdige Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsumgebung. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf unser Forschungsprogramm zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit hinweisen. Durch dieses Programm sollen Schutzdaten und Richtwerte für die Weiterentwicklung staatlicher Vorschriften gewonnen sowie humane Arbeitstechnologien und Modelle für Arbeitsorganisationen und Arbeitsplatzgestaltung entwickelt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, soweit dieser kurze und gedrungene Überblick über unsere Sozialbilanz. Er ließe sich in vielen Punkten ergänzen und erweitern. Ich will es mit dieser Darstellung aber bewenden lassen. Jeder, der diese Bilanz unvoreingenommen betrachtet, wird anerkennen, daß in den letzten Jahren viel geleistet worden ist. Selbst in den Rezessionsjahren hat es keinen Stillstand und schon gar keine Demontage in der Sozialpolitik gegeben. Im Gegenteil, auch in dieser schweren Zeit haben wir den Ausbau unseres sozialen Rechtsstaates ein großes Stück vorangebracht. ({4}) Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden - das hat ja Herr Katzer auch zum Ausdruck gebracht - diesen Haushalt ablehnen. ({5}) Ich kann das nur für inkonsequent halten. Denn Sie haben in der Vergangenheit allen Einzelgesetzen, die von uns zur Verbesserung und Vervollkommnung unseres sozialen Netzes eingebracht wurden, zugestimmt, und dieser Haushalt, den wir heute behandeln, stellt gewissermaßen die Summe aller dieser Gesetze dar. Wenn Sie diesen Einzelplan 11 ablehnen, widersprechen Sie in Wahrheit Ihrer eigenen Politik. Sie sind damit auch auf diesem Felde unglaubwürdig. ({6}) Wir dagegen, meine Damen und Herren, sind stolz auf das Geleistete, ({7}) und wir bekennen uns dazu. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke ({0}).

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ursprünglich gar nicht vorgesehen, daß hier noch eine weitere Runde eingeläutet wird, aber nach den Äußerungen des Herrn Bundesarbeitsministers sehen wir uns gezwungen, darauf noch einmal ganz kurz einzugehen. Herr Minister, Sie haben eben die Behauptung aufgestellt, bei der Rentenfinanzierung gebe es keine Probleme. Da stehen Sie vollkommen im Widerspruch zu all denjenigen, die sich in den letzten Wochen und Monaten als Sachverständige zu dieser Frage geäußert haben. Lassen Sie mich einmal ganz kurz zitieren, was der Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank zu dieser Frage sagt; wir können das nicht oft genug wiederholen. Die Deutsche Bundesbank sagt zu dieser Frage, aus der Sicht der Deutschen Bundesbank im Jahre 1976 und in den nachfolgenden Jahren gebe es Probleme. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren: Weiterhin Konsolidierungsbedarf bei den Sozialversicherungen Ungelöst sind weiter einige Finanzprobleme im Bereich der Sozialversicherungen. Die notwendige Konsolidierung ist hier mit dem Haushaltsstrukturgesetz von 1975 lediglich bei der Bundesanstalt für Arbeit eingeleitet worden. Nun können Sie, Herr Minister, sagen: Na ja, das ist eine Stelle, die von der Verfassung und von ihrem Auftrag her hier den Finger erheben muß. Aber Sie müssen das jetzt doch einmal im Zusammenhang mit dem sehen, was Herr Dr. Doetsch - das ist der im Augenblick amtierende Vorsitzende des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger, und der stellvertretende Vorsitzende dieses Verbandes der deutschen Rentenversicherungsträger ist Herr Gerd Muhr, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes ({0}) am 29. April 1976 - das heißt also, es ist 14 Tage alt! - zu dieser Frage gesagt hat. Er sagt nämlich, auch mit Zustimmung von Gerd Muhr, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes: Die angespannte Finanzlage der Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung zeigt sich in dem Ergebnis für das Jahr 1975. Herr Minister, ich kann verstehen, daß Sie von Ihrer Nachbarin etwas stärker angezogen sind als von diesen Aussagen; ich bitte Sie nur noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit, denn Sie sollen hier gerade widerlegt werden. Es hieß also, die angespannte Finanzlage zeige sich im Ergebnis des Jahres 1975. Sie haben das eben ganz anders gesagt. Sie haben das nur deshalb tun können, weil Sie von einem buchungsmäßigen Trick ausgegangen sind. Das Defizit ist eindeutig. Es hat sich zwar das Ergebnis um einige Millionen verbessert, aber nur durch die Nachzahlungen, die die in der Angestelltenversicherung Versicherten für die Verbesserung ihrer Renten für die Zukunft geleistet haben. ({1}) Generell gibt es aber keine Verbesserung der Einnahmen! Herr Kaltenbach von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte führte diese um 3 bis 4 % erhöhten Einnahmen auf die Nachzahlungen zurück; das hat mit den laufenden Beitragszahlungen überhaupt nichts zu tun. ({2}) Aber weiter Herr Doetsch: Das vorläufige, nach den Vorschriften der Rechnungsbestimmungen aufgestellte Rechnungsergebnis - diese Vorschriften werden von Ihnen erlassen weist einen geringen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben aus. Dieser Überschuß beruht aber nur auf buchungstechnischen Vorschriften. Das verfügbare Rücklagevermögen ist im Laufe des Jahres 1975 um 1,3 Milliarden von 44,3 Milliarden auf 43 Milliarden DM zurückgegangen. Ich weiß wohl, daß Sie, Herr Minister, und auch der Bundeskanzler in der Abendsitzung hier gesagt haben: da liegen ja 43 Milliarden DM als Rücklage. 43 Milliarden DM als Rücklage bedeuten lediglich eine Rücklage für 7,2 Monate bei den Ausgaben der Rentenversicherung. Das ist die niedrigste Rücklage seit 1957. Franke ({3}) Jetzt kommt ein weiteres! Der Verband der Rentenversicherungsträger, Herr Dr. Kolb, und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte haben das bereits zum Ausdruck gebracht. Herr Kaltenbach von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sagte in der Sachverständigenanhörung am 10. März 1976, also vor gerade zwei Monaten - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin -: Für die BfA bedeutet das, daß sie irgendwann Mitte 1977 den Schwellenwert der Viermonatsausgaben erreichen wird und nach der derzeitigen gesetzlichen Situation den Finanzausgleich nicht mehr leisten würde, weil sie selber kein Geld mehr hat. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit dem Rücklagevermögen von 43 Milliarden DM! Das würde bedeuten - immer unter den Prämissen -, daß die Rücklagen bei der BfA im Jahre 1977 auf eine Ausgabe von vier Monaten und in der Arbeiterrentenversicherung auf die Ausgabe von einem Monat abschmelzen würden. Das sagen die Sachverständigen, das sagt Herr Kaltenbach. - Aber bevor ich Herrn Hölscher

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Frage?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, sofort, wenn ich das bitte eben noch zu Ende zitieren darf, weil ich Herrn Hölscher gerne mit Herrn Schmidt ({0}) gleich noch konfrontieren würde. Das gleiche sagt Herr Dr. Schlesinger von der Deutschen Bundesbank. Hier wäre es mir ganz lieb, wenn Herr Hölscher seine Frage jetzt plazieren würde.

Friedrich Hölscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Franke, wenn es denn nun so wäre, reicht denn Ihre Redezeit aus, Ihre Lösungsvorschläge heute mal zu unterbreiten, auf die wir so lange warten, oder wollen Sie in dieser Frage wieder passen?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hier kann ich nur mit dem antworten, was Rainer Barzel einmal gesagt hat: Sie fahren mit Blaulicht und Mercedes durch die Landschaft, und uns wollen Sie die unangenehme Aufgabe der Konsolidierung überlassen. ({0}) - Uns wollen Sie den Rotstift in die Hand drücken, uns wollen Sie die Aufgabe in die Hand drücken, hier Vorschläge zu machen. Ich darf nur sagen - und hier sitzen Zeugen genug -: ich habe ab Oktober 1974, Katzer am 20. Februar 1976 und ich in der März-Sitzung angeboten, daß wir bereit sind, auch unpopuläre Aufgaben hier mitzutragen. Aber nicht uns können Sie den Rotstift in die Hand drükken, sondern Sie haben die Verantwortung, Sie haben die Mehrheit hier im Hause, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Wir sind bereit, auch unpopuläre Maßnahmen mit zu tragen. Aber die Hauptverantwortung für das Kassenbuch der Nation tragen Sie, und das haben Sie in die Pleite geführt, meine Damen und Herren von SPD und FDP!

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen Sund?

Olaf Sund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, können Sie in diesem Zusammenhang einmal deutlich machen, wie denn eigentlich Ihre Unterstützung für einen Gesetzentwurf des Bundesrates zu verstehen ist, der das Rentenniveau erhöhen würde, wenn er angenommen wäre, und der eine Mehrbelastung der Rentenversicherungsträger in Milliardenhöhe beinhaltet?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber, lieber Herr Kollege Sund, Sie wissen doch ganz genau, daß Sie ein paar Tage, nachdem Sie hier 1972 die Mehrheit im Hause durch Entscheidung des Wählers errungen hatten, daran gegangen sind, das Rentenniveaugesetz von 1972 nach unten hin zu manipulieren. Das, was der Bundesrat vorgelegt hat, war lediglich eine etwas kleinere Abstützung dessen, was Sie hier an sozialer Demontage gleich 1972 betrieben haben, meine Damen und Herren. ({0}) Ich will nachher noch einmal aufgreifen, was der Kollege Katzer eben gesagt hat. Ich will das mit einem Zitat belegen. Jetzt aber möchte ich mir erlauben, mit der Genehmigung der Frau Präsidentin einmal Herrn Kollegen Schmidt ({1}), den Koalitionspartner der SPD, den Sprecher für Fragen der Sozial- und Gesellschaftspolitik der FDP im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu zitieren. Ich erspare Ihnen, was Herr Dr. Schlesinger hier gesagt hat. Ich beziehe mich lediglich auf das, was Herr Schmidt ({2}) in der Sachverständigenanhörung am 10. März 1976 gesagt hat. Abgeordneter Schmidt ({3}) ({4}) - Frau Präsidentin, ich darf zitieren -: Ich möchte gleich an das anknüpfen, was Herr Dr. Schlesinger zuletzt gesagt hat. Ich glaube, es ist überall deutlich geworden: 1977/78 gibt es auf alle Fälle Probleme . . . Herr Minister, Sie haben das hier zu vernebeln versucht und haben gesagt, 1976 gebe es keine Probleme. Das hat auch niemand behauptet. 1976 gibt es keine Probleme, die Probleme kommen am 4. Oktober. Dann gehen Sie daran, nachdem Sie vorher den Wähler getäuscht haben, es sei alles in Ordnung. Schmidt ({5}) sagt, es ist nicht in Ordnung, und der gehört der Koalition an: ({6}) 1977/78 gibt es auf alle Fälle Probleme, auch wenn wir uns im Aufschwung befinden, weil einfach Lohnzuwachs und Beschäftigtenzahlen nicht in der Form steigen werden, wie es notwendig wäre, um über alles hinwegzukommen, auch gar nicht steigen dürfen, weil das wiederum andere Probleme aufwerfen würde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wir teilen die sorgenvollen Aus17204 Franke ({7}) lassungen des Koalitionspartners der SPD, nämlich des Kollegen Schmidt ({8}). - Sie haben damit einige Probleme in meine Familie hineingetragen, denn auch meine Frau sagt, ich soll nicht den Zeigefinger erheben. Meine Damen und Herren, wir teilen die Auffassung von Schmidt ({9}) ({10}). Wir haben angeboten, nachdem wir die Sachverständigen zu dieser Frage gehört haben: Es ist Ernst um die Finanzierung der Rentenversicherung, wir sind bereit, auch unpopuläre Maßnahmen mitzutragen. Aber Sie, meine Damen und Herren, haben hier den ersten Schritt zu tun und nicht durch Verschönen und Beschönigen der wirklichen Lage unser Volk über die wirkliche Lage der Probleme in der Rentenversicherung zu täuschen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Franke, ich bin wirklich froh, daß ich Ihnen Gelegenheit gegeben habe, noch zehn Minuten vor mir zu sprechen. Ursprünglich war ich ja als nächster Redner vorgesehen. ({0}) - Wollen Sie schon eine Frage stellen? - Fangen wir gleich an. ({1})

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt ({0}), ist Ihnen § 33 der Geschäftsordnung bekannt, daß nach jeder Rede eines Bundesministers zuerst ein Abgeordneter der Opposition das Wort erhält? Ich bitte um Entschuldigung, daß ich vor Ihnen gesprochen habe; ich wollte nur die Möglichkeiten der Geschäftsordnung ausnutzen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, ich wollte nur sagen, daß die Geschäftsordnung zunächst einmal von Präsidenten und gegebenfalls auch von anderen Stellen ausgelegt wird. Es heißt nicht „muß", sondern „soll", aber die kurze Intervention war gerechtfertigt.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Vereinbarung war anders, aber ich habe es ja gern getan, ich bin sogar froh darüber, weil ich dadurch auf Sie beide antworten kann, auf Herrn Kollegen Katzer als den Senior in diesen Fragen und auf Sie als den Juniorpartner in diesen Fragen in der CDU/CSU. ({0}) Es waren ja sehr verzweifelte Bemühungen, Herr Kollege Katzer und Herr Kollege Franke, hier in sozialpolitischen Fragen irgendwelche Gegensätze in die jetzige Koalition zwischen FDP und SPD zu bringen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu einiges sagen. Zuerst aber dieses, Herr Kollege Katzer: Ich habe Sie schon besser gehört. ({1}) Ich war eigentlich überrascht, wie Sie hier so in Moll über die Dinge hinweggegangen sind. Ich hatte Sie aggressiver erwartet und hatte mir eigentlich für die Antwort viel mehr vorgenommen. Es reicht aber trotzdem. Wenn Sie am Schluß Ihrer Ausführungen sozusagen als das große Konzept der Opposition sagen: „Wir wollen den Aufschwung sicherer machen und das soziale Netz sicherer machen", Herr Kollege Katzer, so haben Sie doch genau wie in den letzten sieben Jahren gerade noch den Aufschwung auf das Trittbrett des sozialliberalen Zuges in der Sozialpolitik geschafft. Denn diesen Aufschwung, den Sie sicherer machen wollen, haben wir ja geschafft. ({2}) Vor einem Jahr haben Sie noch gesagt, es gebe ihn nicht, jetzt wollen Sie ihn mitmachen. Dieses soziale Netz, das in den letzten Jahren sicherer wurde und über das der Bundesarbeitsminister jetzt noch einmal in sehr eindrucksvollen Zahlen zu den einzelnen Gesetzen diesem Hohen Hause genügend gesagt hat, haben Sie bei jedem Einzelgesetz mitgestrickt, Herr Kollege Katzer. Immer im letzten Moment waren Sie da und haben gesagt: Natürlich machen wir auch mit. Heute tun Sie plötzlich so, als ob das alles nichts gewesen wäre, meine Damen und Herren. Ich möchte hier für die Freien Demokraten zunächst einmal klar sagen, daß wir die Leistungen der sozialliberalen Koalition zugunsten der sozialen Sicherheit in den letzten vier oder, besser gesagt, sieben Jahren als ein Ergebnis sozialliberaler Arbeit ansehen, das von Schwerpunkten getragen wurde, die wir Freien Demokraten für sozialliberale Aufgaben in unserer Gesellschaft gesetzt haben. Bei allen Gesetzen stand der Mensch und nicht das System oder die Institution im Mittelpunkt. Ich denke hier an die Humanisierung der Arbeitswelt, ich denke an das Betriebsverfassungsgesetz, ich denke an die flexible Lösung des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Bei allen Gesetzen standen im Mittelpunkt wieder die Mitwirkung, die Mitbestimmung, die Eigenbestimmung des Menschen am Arbeitsplatz, nicht die irgendwelcher Funktionäre oder Organisationen. Auch hier nenne ich wieder das Betriebsverfassungsgesetz, das Personalvertretungsgesetz, die Mitbestimmung. Die gruppenspezifischen Probleme unserer Gesellschaft wurden in allen Gesetzen - Betriebsverfassungs-, Mitbestimmungs-, Personalvertretungsgesetz - durch die entsprechenden Wahlverfahren nach Gruppenrechten und durch die klare Verankerung des leitenden Angestellten in der Mitbestimmung berücksichtigt. Für den Bereich der Minderheiten, dem wir Freien Demokraten immer ein großes Gewicht beigelegt haben, konnten wir hervorragende Gesetze für Behinderte durch Rehabilitationsmöglichkeiten und auch im Bereich der Familienpolitik durch die AusSchmidt ({3}) weitung des Kindergeldes auf alle Kinder schaffen. Die freiheitlichen Verfahren unseres Sozialsystems wurden mit Selbstverwaltungsgliederungen erhalten. Bei Gesetzesmaßnahmen wie der betrieblichen Altersversorgung blieb die Freizügigkeit dieses Systems erhalten. Bei der Krankenversicherung der Studenten wurden Wahlfreiheit und Befreiungsmöglichkeiten wie in der Vergangheit gewährt. Herr Kollege Katzer, ich habe Verständnis für Ihre etwas schwierige Situation und auch Verständnis dafür, daß Sie versucht haben ({4}) - dazu komme ich noch -, Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Koalitionspartnern heraufzubeschwören, und zwar deshalb, weil einiges bei dieser Opposition merkwürdig ist. Als der Herr Kollege Carstens - er ist, glaube ich, im Moment nicht anwesend - am Dienstag seine Rede hielt, ({5}) haben mich zwei Dinge sehr beeindruckt. ({6}) Er hat an einer Stelle gesagt: „Keine Freiheit ohne soziale Sicherheit." Als Herr Strauß gestern sprach, hat er alle Dinge, die für die soziale Sicherheit notwendig sind, als Gratifikationen, die man eigentlich streichen müßte, bezeichnet. ({7}) - Gratifikationen sind etwas, was man gewähren oder nicht gewähren kann. Es besteht doch ein erheblicher Unterschied zwischen sozialer Sicherheit als Maßstab für Freiheit und Gratifikationen oder überspannten Situationen, wovon der Herr Kollege Strauß gesprochen hat. ({8}) Herr Kollege Carstens hat weiterhin etwas sehr Beeindruckendes gesagt. ({9}) - Na, das werden wir gleich sehen. Er hat erklärt: „Die Wähler haben Anspruch auf die ungeschminkte Wahrheit." ({10}) - Sehr richtig. Anschließend hat er die gesamte Entwicklung der sozialen Sicherheit für die CDU/ CSU vereinnahmt, indem er gesagt hat: Wir haben das alles gut gemacht, wir haben das alles gemacht ({11}) - lassen Sie mich doch ausreden! -; all das, was jetzt läuft, ist bereits unter CDU-Kanzlern, unter CDU- oder CSU-Arbeits- und Finanzministern geschehen. - Nun, wie steht es denn um die Wahrheit dieser Äußerung des Kollegen Carstens? Herr Kollege Katzer, Sie haben in ähnlichen Worten gesagt, alle Grundtatsachen seien schon vorher geschaffen 1 worden. Hier zeigen sich die Spannungen, die es nun einmal bei Ihnen gibt. Herr Kollege Katzer, wie war es denn zur Zeit der Großen Koalition? Wie war es denn zu der Zeit, als der große Vorsitzende Franz Josef Strauß Finanzminister war? ({12}) Wie war es denn damals mit der Kriegsopferversorgung, Herr Kollege Katzer? Wie war es denn damals, als der große Vorsitzende Franz Josef Strauß Ihnen und dem sozialdemokratischen Partner sogar zumuten wollte, die Anpassungsklausel, die wenigstens im Versorgungsgesetz stand, zu streichen? Wie waren denn die Haushaltszahlen, die man Ihnen damals für die Fortführung der Kriegsopferversorgung aufs Auge drücken wollte, Herr Kollege Katzer? Haben Sie das alles vergessen? Sie wollten es nicht; ich gebe Ihnen das zu. Aber dann sollte man sich doch nicht hier herstellen und sagen: alles das haben wir gemacht. Wenn es damals nicht Ihrem damaligen sozialdemokratischen Partner gelungen wäre, wenigstens das Schlimmste zu verhindern, damit wir dann im Jahre 1969 als sozialliberale Koalition die Dynamisierung der Kriegsopferversorgung einführen konnten, wäre das doch geschehen. So waren doch die Dinge. ({13}) - Herr Kollege Zink, Sie brauchen gar nicht den Finger zu heben; ich kann Ihnen die Zahlen vorlesen, die Herr Strauß damals in der mittelfristigen Finanzplanung in der Großen Koalition durchsetzen wollte. Da hätte es für die Kriegsopferversorgung auf Jahre keine Anpassung gegeben. Da hätte es nicht die Raten gegeben, die im Sozialbudget stehen und die auch Herr Bundesminister Arendt soeben noch einmal angesprochen hat. Alles das hätte es nicht gegeben, weil ein CSU-Finanzminister und ein CDU-Kanzler - gegen Ihren Willen, Herr Kollege Katzer - ({14}) - Aber stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten damals keinen Partner gehabt wie unseren jetzigen Partner, die Sozialdemokraten! ({15}) Glauben Sie, daß Sie sich dann gegen Ihren Kanzler Kiesinger und gegen Ihren Finanzminister Strauß durchgesetzt hätten? ({16}) Das war doch die Wahrheit. Da soll doch Herr Carstens nicht hier hergehen und sagen, wie er es wörtlich tat: Diese Kriegsopferversorgung haben wir so geschaffen. Diese Kriegsopferversorgung mit ihrer Dynamik und ihrem hohen Anteil am Bruttosozialprodukt, der jedes Jahr steigt, ist ein Ergebnis der sozialliberalen Koalition. ({17}) Schmidt ({18}) - Na gut, machen wir zwischendurch eine Zwischenfrage! Ich wollte gerade zu einem anderen Thema kommen.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, haben Sie denn vergessen, daß in den Jahren, die Sie soeben angesprochen haben, unter Katzer das 3. Neuordnungsgesetz beschlossen worden ist - in einer Situation, die außerordentlich schwierig war? Als überall gespart wurde, haben wir das 3. Neuordnungsgesetz beschlossen. In den drei Neuordnungsgesetzen sind doch die wesentlichen strukturellen Verbesserungen geschaffen worden. Haben Sie das denn vergessen?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das habe ich gar nicht vergessen, Herr Kollege Burger. Bloß ist das nicht unter einem großen Vorsitzenden und Finanzminister Strauß geschehen. Dieser große Vorsitzende bestimmt heute noch Ihre Politik mit. Sie können sich dann also nicht so hier hinstellen. ({0}) - Ich möchte jetzt fortfahren, sonst überziehe ich die Zeit zu sehr. Wir müssen ja heute einigermaßen im Zeitplan bleiben. Eine zweite Bemerkung: Der Kollege Carstens hat - und Sie haben es soeben noch einmal angesprochen - die Montan-Mitbestimmung als eine große Tat der CDU bezeichnet. Ich frage mich: Weshalb hat dann Ihr heutiger Generalsekretär in seinem Bericht diese Montan-Mitbestimmung mit sehr vielen Fragezeichen versehen, wenn das damals eine große Tat war? Und weshalb haben wir dann gemeinsam, zum Schluß auch mit Ihrer Zustimmung, etwas anderes geschaffen, wenn das wirklich eine so gute Sache war? Wir wollen das doch einmal ein bißchen näher durchleuchten und vielleicht auch der Öffentlichkeit klarmachen, wie die Dinge wirklich sind. Nun lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen; damit muß ich mich wohl etwas länger aufhalten. Wie sieht es nun in der Rentenversicherung aus? Gibt es da Probleme, oder gibt es keine Probleme? Zunächst einmal möchte ich hier eine Feststellung treffen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat völlig recht, wenn er hier feststellt, daß es für die Finanzierung der Rentenversicherung zur Zeit keine Probleme gibt. Das hat der Bundesarbeitsminister gesagt; dazu steht diese Koalition. Es muß aber einmal unterschieden werden - und das wird von Ihnen nicht gemacht -, inwieweit die Rentenentwicklung von der Beschäftigungsquote allein abhängig ist, d. h. von mehr oder weniger Arbeitslosen, Aufschwung usw., und inwieweit es einfach ein Problem der Struktur unserer Bevölkerung ist. Das muß man doch einmal klar sehen. Und so ist das zu verstehen, was Frau Funcke gesagt hat: daß trotz des zweifellos vorhandenen Aufschwungs, trotz der Tatsache, daß wir die Arbeitslosenzahlen konsequent abbauen werden, in der Rentenversicherung Fragen und Probleme bestehen. Aber sie bestehen nicht zur Zeit, und sie bestehen nicht für die Auszahlungsquote der Renten. Man sollte also nicht wie Sie einfach Panikmache betreiben, sondern konsequent unterscheiden. Es ist kein Ergebnis inflationärer Entwicklungen, Herr Kollege Katzer, - wo ist er? -({1}) wenn es hier in Zukunft Probleme gibt. Denn - und deshalb sollte man die Dinge nicht durcheinanderbringen - nichts wäre ja leichter gewesen, als über hohe Inflationsraten und damit hohe Beitragseinnahmen das in Ordnung zu bringen. Aber weil die Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung und die Vernunft der Gewerkschaften zu niedrigen Lohnerhöhungen und damit zu niedrigen Beitragsleistungen geführt haben, ist ein Problem aufgetaucht, das zu gewissen Rücklageabschwüngen führt. Es ist notwendig, hierüber nachzudenken. Darüber sind sich alle einig. Herr Kollege Franke, lassen Sie mich kurz sagen: Wenn wir als eine der Möglichkeiten die Aktualisierung der Anpassung ansehen und zur Diskussion stellen - wobei ich von dieser Stelle schon klar gesagt habe, daß das auch eine gewisse Belastung für die Rentner darstellt, allerdings keinen Rentenabschlag, sondern nur eine niedrigere, den Lohnkosten- und Preisentwicklungen entsprechende Anpassung -, dann deshalb, weil wir die Renten auch dann sicherer machen wollen - darüber werden wir uns alle unterhalten müssen -, wenn die Bevölkerungsstrukturen zu anderen Zahlen führen. Es ist ja etwas Gutes, daß unsere Menschen heute auf Grund des Fortschritts in der Gesundheitspolitik und auf Grund besserer Lebensmöglichkeiten länger leben. Das bedeutet aber auch, daß sich andere Verhältnisse zwischen Arbeitenden und aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen ergeben, die zu anderen Aufbringungsnotwendigkeiten führen. Wenn man sich einig ist, daß die Beiträge nur bis zu einer gewissen Grenze steigen können, muß man diese Fragen prüfen. So bitte ich das zu sehen. Man kann es sich nicht so leicht machen, Herr Kollege Franke, ({2}) hier das vorzulesen, was im Ausschuß anläßlich der Sachverständigenanhörung gesagt wurde, ohne auf diese Details hinzuweisen. Andererseits hätten Sie als einer der Experten in dieser Frage Ihren Bundeskanzlerkandidaten und Bundesvorsitzenden etwas besser beraten sollen, statt ihn in die Messer zu jagen. Er gibt ja leichtfertig eine Sozialgarantie, ohne gleichzeitig von einer Beitragsgarantie zu sprechen. Diese ist nur möglich, wenn Sie auch sagen, wie Sie die Belastungen sehen. Eine Beitragsgarantie haben der Kollege Katzer und vor allem seine Vorgänger gegeben. 1957 wurde in diesem Hause gesagt: Was wir wollen, nämlich die dynamische Schmidt ({3}) Rente und die Bruttolohnbezogenheit - Ziele, die auch wir für richtig halten -, - ({4}) - Das habe ich nie bestritten; aber das ist inzwischen geklärt. Der Herr Kollege Spitzmüller hat von dieser Stelle die Überlegungen der FDP aus der neuen Sicht dargelegt. Aber Sie, Herr Kollege Katzer - und das vergessen Sie bitte nicht -, und Ihre Freunde haben damals gesagt: Mit 14 °/o Beitrag sind 60 °/o Rente zu erreichen. Wir wissen inzwischen - und ich habe, weil diese Strukturveränderungen in unserer Bevölkerung vorhanden sind, Verständnis dafür -, daß wir auf 18 °/o gehen mußten. Sie haben das unter Ihrer Regierungszeit tun müssen. Wir wissen inzwischen, daß damit 60 °/o des letzten Bruttoeinkommens nicht erreichbar sind. Aber wir haben auf der andern Seite erreicht - ({5}) - Sicher! Ich sage ja nur: Man soll mit Garantien vorsichtig sein - denn Sie haben auch einmal eine Beitragsgarantie gegeben -, wenn man nicht gleichzeitig alles prüft. Das wollen wir. Und daß Sie, Herr Kollege Katzer es uns und wahrscheinlich auch sich selber - nicht leichter gemacht haben, mit dieser Frage fertig zu werden als Sie damals das halbe Jahr - ({6}) - Nein! Herr Kollege Katzer, sind wir uns bei diesen Fragen und Problemen, über die wir nachdenken müssen, nicht einig darin, daß die Gemeinsamkeit aller notwendig ist? Deshalb brauchen Sie sich nicht einzubilden - zumal ich keine Gedanken von Ihnen dazu kenne -, daß das irgend etwas mit unserer Koalition zu tun hat. Aber ich bin der Meinung, Sie müssen bei der Lösung dieser Fragen genauso mitarbeiten. ({7}) Sie hätten uns und sich selbst die Antwort auf diese Fragen sicher leichter gemacht, wenn Sie damals den Vorschlag, die Erhöhung der Renten um ein halbes Jahr vorzuziehen - aus wahltaktischen Gründen -, nicht gemacht hätten. ({8}) Herr Kollege Katzer, das war die erste Durchbrechung des seinerzeit von Ihnen mit beschlossenen Systems. ({9}) - Das war die erste Durchbrechung bezüglich des Drei-Jahres-Rhythmus, weil eben zweieinhalb Jahre herauskamen. Herr Kollege Katzer, wenn Sie das als sozial notwendig ansahen - darüber kann man reden -, ({10}) müßten Sie heute allerdings auch die Überlegung anstellen, ob die gegensätzliche Entwicklung -5,5 °/o Lohnerhöhung, 6 °/o Preissteigerungsrate, 11 °/o Rentenerhöhung - nicht zu Schwierigkeiten der Beitragszahler führen kann, ob der Generationenvertrag auf Grund dieser Entwicklung nicht gegebenenfalls Probleme aufwirft, über die wir nachdenken müssen. Aber lassen Sie mich noch zu einigen weiteren Dingen kommen, die vielleicht noch etwas deutlicher machen, Herr Kollege Katzer, warum diese sozialliberale Koalition und wir Freien Demokraten in dieser Koalition glauben, in der Sozialpolitik in den letzten Jahren den besseren Weg gegangen zu sein und auch in der Zukunft gemeinsam gehen zu können. Sie haben am Schluß Ihrer Rede eine große Aufzählung von, na, sagen wir einmal: formalen Aussagen gemacht, wie Sie sich das alles vorstellen: von „keiner Feuerwehr" über die „gläsernen Taschen" bis zur „Reform mit Augenmaß". Wie sieht das denn nun wirklich bei der CDU/CSU aus? Erstes Thema: Betriebliche Altersversorgung. ({11}) - Ich kann zum Schluß ja noch einmal kurz darauf zurückkommen. Ich glaube, ich habe deutlich genug gemacht, worum es geht. Ich kann gerne noch einmal darauf zurückkommen, ich kann Ihnen gerne noch einmal sagen: Wir halten die Aktualisierung für eine notwendige Angelegenheit. Wir sind uns klar darüber, daß auf Grund der Bevölkerungsstruktur - nicht wegen irgendeiner Arbeitslosenentwicklung, so oder so, sondern auf Grund der Bevölkerungsstruktur - nicht nur in der Rentenversicherung, sondern in allen Bereichen etwas geschehen muß. ({12}) - Hat in diesem Hause überhaupt schon einmal jemand behauptet, daß hierzu keine Notwendigkeit besteht? Zur Zeit ist die Rentenversicherung sicher. Die Strukturen müssen wir überprüfen. Das werden wir im Interesse all derer, die in diesem Netz der sozialen Sicherheit verankert sind, gemeinsam tun müssen. Herr Kollege Katzer, wie war es denn bei der betrieblichen Altersversorgung? Die CDU/CSU, die immer mit sehr grundsätzlichen Überlegungen zur Hand ist - und zwar in jeder Richtung, je nachdem -, wollte die Zwangsdynamisierung der betrieblichen Altersrenten. Ich erinnere an Ihren Antrag. ({13}) - Herr Kollege Zink, Sie wissen sehr genau, wie Ihr Antrag lautete und in welcher Fassung er dann angenommen wurde. Von einer Anpassungsüberlegung ist jetzt im Gesetz die Rede. Sie wollten die Zwangsdynamisierung der betrieblichen Altersversorgung und wollten damit praktisch alle weiteren Möglichkeiten der Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung ausschließen; denn kein Betrieb Iwäre mehr den Weg der freiwilligen zusätzlichen Schmidt ({14}) Altersversorgung gegangen, wenn sie unter diesen Dynamisierungszwang gefallen wäre. Wie war es denn bei der Krankenversicherung der Studenten? Sie haben im Bundestag den Vorschlag der Bundesregierung bzw. der sozialliberalen Koalition für richtig gehalten, und Herr Geißler, ebenfalls Mitglied der CDU, legte einen Entwurf vor, der die Pflichtversicherung für alle Studenten vorsah. Wie war es denn beim Kassenarztrecht? Die Bundesregierung, die sozialliberale Koalition, hat einen Entwurf vorgelegt, der im Rahmen des Sicherstellungsauftrags die ärztliche Versorgung besser regelt, aber das bisherige System weiter beinhaltet. Der zuständige bayerische Minister, Herr Pirkl, legte über den Bundesrat einen Entwurf vor, der den staatlichen dirgistischen Eingriff in die Versorgung mit Ärzten auf dem Lande vorsah. Daß der inzwischen gestorben ist ({15}) - der Vorschlag ist gestorben, nicht Herr Pirkl, das ist klar -, ist eine schöne Sache, aber jedenfalls kam der Vorschlag aus der CSU. Es wird nicht mehr darüber geredet. Wieso konnte es passieren, wie können Sie es mir erklären, Herr Kollege Katzer - Sie haben ja auch vorhin wieder von Selbstverwaltung, von Gliederung gesprochen -, daß hier am 6. Mai 1976 ein CDU-Sprecher einheitliche Honorarverhandlungen in der Krankenversicherung wollte, daß die Gesundheitsminister der CDU/CSU auf der Gesundheitsministerkonferenz die Forderung nach Einheitshonoraren aufgenommen haben? Auf der einen Seite stellen Sie sich hier her und bezeichnen den guten ersten Ansatz für finanzielle Regelungen in der Krankenversicherung, das in Selbstverwaltung und Partnerschaft entstandene Bündnis mit der Plafondierung von 8 % als etwas Gutes, während auf der anderen Seite von Mitgliedern Ihrer Partei von Einheitshonoraren und diesen Dingen gesprochen wird. Die Bundesregierung jedenfalls, die sozialliberale Koalition - und damit auch wir Freien Demokraten -, gedenkt diese Wege nicht zu gehen, wenn wir uns auch bewußt sind - lassen Sie mich einige wenige Sätze zum Krankenversicherungssystem und den sich hier ergebenden Entwicklungen sagen -, daß ähnlich wie im Bereich der Rentenversicherung Überprüfungen notwendig sind. Denn das soziale Netz, das wir in den letzten sieben Jahren verstärkt gewirkt haben, hängt nun einmal - und hier komme ich noch einmal auf die Belastungssituation zurück - von zwei Komponenten ab, es wird nun einmal von zwei Säulen getragen. Die eine Säule ist - solange wir das System, das gegliederte System, das freiheitliche System behalten - die Zahl derer, die Beiträge leisten, die Zahl derer, die im Arbeitsleben stehen. Die andere Säule ist die Bereitschaft dieser im Arbeitsleben Stehenden, auch so viel aufzubringen, wie bei den Strukturveränderungen unserer Bevölkerung notwendig ist. Hier müssen wir uns darüber im klaren sein - und das ist in diesem Hohen Hause ja schon mehrmals gesagt worden -, daß die Belastung mit Beiträgen einen Punkt erreicht hat, bei dem man sich fragen muß, ob - über Beitragserhöhungen oder Steuerzuschüsse - der Weg noch weiter gegangen werden kann. Hier müssen in den nächsten Jahren auf alle Fälle die Ansätze erfolgen. Hier, im Bereich des Gesundheitswesens, müssen alle mehr Verantwortung zeigen. Die Ärzte haben einen ersten Schritt getan. Wir hoffen, daß die pharmazeutische Industrie auf Grund der ihr auferlegten Verpflichtungen und Selbstverpflichtungen einen ähnlichen Weg geht. Wir erwarten, daß sich durch eine Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Pflegesatzverordnung Möglichkeiten ergeben, hier zu Pflegesätzen und damit zu Kosten zu kommen, die für die Zukunft tragbar sind. Wir gehen dabei davon aus, daß nicht unbedingt nur dem Großkrankenhaus die Zukunft gehört, sondern daß auch die kleineren, kostengünstigeren Krankenhäuser für die erste und zweite Versorgungsstufe notwendig sind. Wir gehen auch davon aus, daß dem Versicherten mehr Möglichkeiten zur Durchschaubarkeit des jetzt anonymen Systems gegeben werden, daß mehr Transparenz für den Versicherten und auch mehr Eigenverantwortungsmöglichkeiten eingebaut werden. In diesem Zusammenhang haben wir den von vielen Seiten noch kritisch betrachteten Wahltarif für Modellversuche angeboten, zur Verfügung gestellt. Wir halten ihn weiterhin für einen vernünftigen Weg, der allerdings modellmäßig geprüft werden muß. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus der Gesamtsituation heraus, aus der Situation der sozialen Sicherheit, ihrer Kosten und der Belastungsgrenzen heraus für die Freien Demokraten zusammenfassend folgendes sagen. Wir begrüßen noch einmal die klare Politik, die das Bundesarbeitsministerium in diesem gesamten Bereich zusammen mit der sozialliberalen Koalition und den Regierungsfraktionen in den letzten Jahren durchgeführt hat. Wir begrüßen, daß es trotz schwieriger Situation gelungen ist, weitere Maschen und weitere Möglichkeiten in das Netz der sozialen Sicherheit einzubauen. Wir sind uns aber darüber im klaren, daß Leistungsausweitungen im sozialen Bereich zunächst nicht möglich sein werden, um das Jetzige besser zu konsolidieren. Wir sind uns ferner darüber im klaren, daß in manchen Bereichen Anreize zu mehr Sparsamkeit und mehr Wirtschaftlichkeit auch im sozialpolitischen Bereich notwendig sind. Wir glauben, daß mehr Wettbewerb, und Eigenverantwortung und mehr Einschaltung des einzelnen Menschen auch mehr Engagement des einzelnen an diesem System ermöglichen. Wir sehen darüber hinaus die Erhaltung des jetzigen Systems unserer sozialen Sicherheit, des freiheitlichen Systems, als eine Voraussetzung für freiheitliche weitere Entwicklungen an. Systemveränderungen in irgendeiner Richtung halten wir für untragbar. Wir glauben, daß sich in den nächsten vier Jahren durch Überprüfung der Gesamtbereiche der sozialen Schmidt ({16}) Sicherung ohne Leistungsabbau und ohne soziale Demontage Möglichkeiten der Einsparung ergeben, und zwar dort, wo manches durch Zeitabläufe nicht mehr die Wirksamkeit hat, die es einmal haben sollte. Wir halten den Generationenvertrag und die Solidarität für zwei Grundsätze dieses Systems, die aber nicht überfordert werden dürfen, weder von dem einen noch von dem anderen. Wenn wir diese Möglichkeiten erhalten wollen, müssen die Menschen dazu stehen, die zur Leistungserbringung, zur Beitragszahlung gebraucht werden und die demgemäß nicht durch zu hohe Beiträge die Lust an diesen Dingen verlieren dürfen. Wir sind der Auffassung, daß Selbstverwaltung und Partnerschaft, freie Wahl und Mitverantwortung Grundlagen dieses Systems bleiben müssen. Wir sehen sowohl in den Entwicklungen der letzten vier Jahre als auch im diesjährigen Etat eine gute Ausgangsbasis für eine Politik der sozialen Sicherheit, für mehr Sicherung, aber auch für mehr Konsolidierung im Rahmen der Fortsetzung dieser Koalition. ({17})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Krampe.

Wilhelm Krampe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001196, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer als Leser oder Beobachter den Einzelplan 11, den Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, aufmerksam betrachtet, dem wird nicht entgangen sein, daß sich die schon einmal gestellte Frage dort niederschlägt, nämlich ob es einen Verbund zwischen Arbeits-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gibt. Von einem Loslösen aus den Zwängen der Wirtschafts- und Finanzpolitik - ein Wunsch, der dem Bundesarbeitsminister zugeschrieben wurde - ist in diesem Einzelplan 1976 jedenfalls nichts mehr zu sehen. Vielmehr gilt, daß eine gestörte Wirtschaft und ungeordnete Finanzen ein Stagnieren der Sozialpolitik zur Folge haben. Diese Erkenntnis hat der Bundesarbeitsminister sicher für sich gewonnen; er sollte es auch öffentlich bekennen. Sein Nichtbekennen hat seine Ursache darin, daß er sicherlich sein ganzes Sinnen und Trachten auf den 3. Oktober diese Jahres ausgerichtet hat. Als Beispiel für diese Aussagen sind die Vorgänge um die Finanzierung der Arbeitslosigkeit im Haushalt 1975 - ebenso wie 1976 -zu sehen. Auf das Hin und Her der Ansätze im Jahre 1975 soll hier nur hingewiesen werden. Erst als das Haushaltsstrukturgesetz im Jahre 1975 verabschiedet wurde, stellte sich heraus, daß 1 Milliarde DM an Liquiditätshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit einzusparen war. Dieses Verhalten ist für die Bundesregierung symptomatisch. In dem Haushalt 1976 waren zunächst 6 Milliarden DM als Liquiditätshilfe an die Bundesanstalt eingestellt. 574 Millionen DM wurden schon auf Grund der Berichterstattervorschläge vom Haushaltsausschuß gestrichen. Der weitere Kürzungsvorschlag der CDU/CSU-Haushaltsgruppe in einer Größenordnung von 500 Millionen DM, der im einzelnen auf Grund der Ergebnisse des Jahreswirtschaftsberichts, der Beitragsbemessungsgrenzenerhöhung, der Beitragsmehreinnahmen begründet wurde, wurde von der Mehrheit mit ausdrücklicher Bestätigung der Bundesregierung abgelehnt. Das war am 12. Februar 1976. Am 7. April 1976 kommt die Bundesregierung im Haushaltsausschuß zu der Auffassung, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt um 1 000 Millionen DM gekürzt werden könne. ({0}) Dennoch bleibt festzustellen, daß ab 1. Januar 1976 - das sind die Fakten - die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit um 50 0/o angehoben wurden, der Bund sich also entlastete. Die Beitragszahler aber wurden mit der stolzen Zahl von 4 000 Millionen DM allein für 1976 belastet. Ähnlich sieht es im Kap. 11 13 - Zuschüsse an die Sozialversicherungsträger - aus. Der Anteil des Bundes an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung betrug 1957 noch 29,8 %, 1975 waren es noch 15,7 %, und im Jahre 1976 macht sich eine weiter sinkende Tendenz der Bundeszuschüsse bemerkbar. Das und weitere Faktoren, wie Arbeitslosigkeit, Einschränkung der Überstundenarbeit, Abwanderung von ausländischen Arbeitnehmern, damit Minderung der Versichertenzahl, und abgeschwächte Lohnsteigerungsraten, machen für die kommenden Jahre, gemessen am heutigen Beitrags-und Leistungsrecht, die prekäre Finanzsituation unserer Rentenversicherung, der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung, deutlich. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesarbeitsminister, will das nicht sehen. Sie erklärt - wir haben das heute wieder erlebt - und wird nicht müde dabei, daß 1975 die Rentenversicherung kein Defizit habe, die Abschlüsse günstiger seien, als ehemals dargestellt. Tatsache ist - das weiß jeder, der im Selbstverwaltungsbereich der Rentenversicherungsträger tätig ist -, daß hier seit dem 1. Januar 1975 eindeutig mit buchungstechnischen Kniffen gearbeitet wird: auf der einen Seite 13 Monatseinnahmen, auf der anderen Seite 12 Monatsausgaben. Dabei muß doch irgendwie ein Überschuß übrigbleiben, wenn das nicht ganz in die Hose gehen soll! Das kann also nicht lange gut gehen mit dem Optimismus der Regierung. Hinzu kommen bei den Überschüssen die Einmalzahlungen in Höhe von 1,9 Milliarden DM im Jahre 1975 auf Grund der Nachversicherungsmöglichkeiten, ein Betrag, der nicht in die allgemeine Finanzierung der Rentenversicherung einbezogen werden kann. Der Bundesregierung - und dem Bundesarbeitsminister - ist deshalb als Lektüre die Rede des Vorsitzenden des Zusammenschlusses der Selbstverwaltungsorgane, des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger, in der letzten Mitgliederversammlung, am 28. April 1976 gehalten, zu empfehlen, und zwar auch dann, wenn sie gegen das, was aus München kommt, mehr allergisch und mit Einwänden schnell bei der Hand ist. Ich kann mich nur der Meinung der Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger anschließen und nur hoffen, daß sich die Bunderegierung den mehrmals auch hier im Hause vorgetragenen Argumenten nicht verschließt und möglichst bald Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Finanz- und Liquiditätslage der Rentenversicherungsträger finden wird. Wir von der CDU/CSU sind bereit, unsere Möglichkeiten mit einzubringen und mitzuhelfen, ({1}) um dem bisherigen echten soliden Fundament der sozialen Rentenversicherung weiterhin die feste Basis innerhalb unseres Systems sozialer Sicherheit zu geben. Dazu gehört auch, daß der Bundesarbeitsminister die notwendigen Beitragsbemessungsverordnungen im Bereich der Krankenversicherung der Rentner erläßt, damit Klarheit darüber geschaffen wird - darauf warten die Geschäftsführer aller Krankenkassen, alle Selbstverwaltungsorgane, gleich ob Vertreter der Versicherten oder der Arbeitgeber -, wer in Zukunft was bezahlen muß. Damit ist das Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz angesprochen. Ich kann es mir nicht verkneifen, dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Buschfort folgendes zu sagen. Gewiß, die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf dem Parlament zugeleitet. Nach seiner Auffassung liegt es am Bundestag, wann das Gesetz verabschiedet wird. So weit, so gut. Es ist doch aber so, daß die Koalitionsfraktionen hier in diesem Hause die Mehrheit haben, daß sie die Regierung tragen und für die Verzögerungspolitik in diesem Bereich verantwortlich sind. Die Krankenkassen und die Selbstverwaltungsorgane, die Rentenversicherungsträger und ihre Vorstände und Vertreterversammlungen warten darauf, daß dieses Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz verabschiedet wird. Es ist ein Unding, politisch einmal mit den möglichen Auswirkungen und einmal ohne sie zu operieren. Beitragsbemessungsverordnung und Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz stehen mit der Frage der Liquidität unserer Rentenversicherung und des Beitrags zur Krankenversicherung in engstem Zusammenhang. Damit wird die Frage nach den Liquiditätsengpässen aufgeworfen. Um solche Engpässe zu vermeiden, ist es nach Meinung von Fachleuten an der Zeit, daß der Bund seine Schuldverpflichtungen aus der Vergangenheit gegenüber den Rentenversicherungsträgern in barem Geld einlöst, um den Rentenversicherungsträgern letzten Endes finanzielle Vermögensverluste durch Versilberung ihres Vermögens zu ersparen. Dies berührt aber wiederum den Haushalt und die Finanzplanung des Bundes für die kommenden Jahre. Damit sind wir bei dem Thema, wie hart - das spüren wir, und darauf haben wir uns einzustellen, Herr Bundesminister der Verbund zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in der Realität ist. Zum dritten. Zur Situation und Lage unserer Kriegsopfer ist bei den Beratungen über das Haushaltsstrukturgesetz und im Zusammenhang mit den von der CDU/CSU gestellten Anträgen zur Wiedergutmachung von - sicher im Eifer des Gefechts -abgebauten Sozialleistungen, insonderheit bei den Kriegerwitwen, einiges gesagt worden. In dem vorliegenden Einzelplan wird der stolze Betrag von 11 Milliarden DM ausgewiesen. Dies wird als Leistung der Bundesregierung herausgestellt. Es bleibt aber folgendes festzuhalten. Die Dynamisierung der Kriegsopfer- und der Versorgungsleistungen ist hier im Hohen Hause gemeinsam beschlossen worden. Ersparen Sie es mir, die Geschichte und den geschichtlichen Hintergrund - bis hin zu den Berliner Sitzungen - darzulegen. 1975 wurden in diesem Bereich haushaltsmäßig jedenfalls 330 Millionen DM eingespart, und zwar deswegen, weil der Bundesarbeitsminister drei Verordnungen, die eigentlich schon 1975 in Kraft gesetzt werden sollten, nicht in Kraft setzte. 1976 sollen sie nun in Kraft gesetzt werden. Ich weiß nicht, ob es inzwischen geschehen ist. Ich will in diesem Zusammenhang auch nicht die Frage nach den Stabilitätsopfern der Kriegsopfer neu stellen. Mein Hinweis sei nur als Erinnerungsposten für bessere Zeiten in diesem Bereich gedacht. Wir stellen auch keine Anträge, weil auf Grund der Erfahrung vergangener Monate mit der Ablehnung durch die Koalition zu rechnen wäre. Sie gibt ja lieber mehr für Papier aus, als direkte Hilfe in diesem Bereich anzubieten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, von besonderm Interesse ist sicherlich die Entwicklung im Personalbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Wer den Haushalt des Jahres 1969 einmal zur Hand nimmt, kann nachlesen, daß bei allen Dienststellen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1969 1 449 Bedienstete tätig waren. 1976 sind im Einzelplan 11 1 968 Bedienstete ausgewiesen, also 519 Bedienstete mehr. Im Bundesarbeitsministerium selbst zeigt sich folgende Entwicklung: 1969: 389 Beamte, 1976: 501 Beamte. Die Bezüge für planmäßige Beamte im Bundesarbeitsministerium, also im engeren Bereich, waren 1969 mit 10,9 Millionen DM ausgewiesen. 1976 stehen dafür 24, 5 Millionen DM zur Verfügung. Dem Haushaltsausschuß gelang es, diesen Wildwuchs der Personalvermehrung - anders ist es ja nicht zu bezeichnen im gesamten Bereich des Arbeitsministeriums anzugehen, indem er 33 Stellen, zumindest in den unteren Vergütungsgruppen, weggefallen ließ bzw. mit einem kw-Vermerk versah. Eine gewaltige Personalvermehrung kommt aber in einem anderen Bereich auf uns zu. Ob und inwieweit die Personalbesetzung beim Bundesamt für Zivildienst in der bestehenden und angeforderten Höhe der Effektivität dieses Amtes und seinen Notwendigkeiten entspricht, wird in den nächsten Monaten zu beobachten und zu überprüfen sein. Wildwuchs gab es auch bei einer anderen Position des Haushalts. 1969, auch in einem Wahljahr, standen, als Herr Kollege Katzer Arbeitsminister war, für Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung 650 000 DM zur Verfügung. 1976, ebenfalls in einem Wahljahr, stellen die Koalitionsfraktionen dem Arbeitsminister für diese Position 4,6 Millionen DM zur Verfügung. ({2}) Das entspricht einer Steigerung von rund 700 °/o. Schlußfolgerung. Beide Zahlen lassen den Verdacht aufkommen, daß des Guten zuviel getan wird, was an den Informationsständen der Sozialdemokratischen Partei im Land deutlich zu sehen ist. Bei den Betreuungsmitteln für ausländische Arbeitnehmer erhöhte sich der Bundeszuschuß von 15,3 auf 17,6 Millionen DM. Die Berichterstatter hatten 18 Millionen DM vorgeschlagen. Die von der Mehrheit des Ausschusses geforderte Kürzung trifft die Betreuungsorganisationen besonders hart, in einer Zeit, in der Betreuungsmaßnahmen nicht absondern infolge der großen Zahl der ausländischen Arbeitnehmerarbeitslosen ausgebaut werden müßten. 200 Millionen DM wurden vom Bundesarbeitsministerium für zusätzliche Arbeitsförderungsmaßnahmen, die insbesondere für Jugendliche gedacht sind, in den Haushalt eingestellt. Wir begrüßen das. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß ein ähnliches Programm schon im Jahre 1975 von der CDU/ CSU-Fraktion vorgelegt wurde. Leider kamen wir damals nicht zum Erfolg. Die jetzt eingeleiteten Maßnahmen kommen mit Verspätung. Ein Jahr, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedeutet im Leben eines jungen Menschen sehr viel. In diesem Zusammenhang sei es mir gestattet, von dieser Stelle all denen Dank zu sagen, die sich in der Vergangenheit in den freien Organisationen und auch heute noch um die berufliche Bildung und die individuelle Förderung berufsvorbereitender Maßnahmen, um die berufliche Bildung und Umschulung junger Arbeitnehmer bemüht haben. Ich komme zum Schluß. Einzelplan 11 zeigt dem aufmerksamen Beobachter und Leser, daß das Netz der sozialen Leistungen in seinen Grundstrukturen von der CDU/CSU und nicht von der SPD/FDPKoalition geknüpft wurde. Die Fundamente des Sozialstaats der Bundesrepublik Deutschland sind von der CDU/CSU gelegt worden. ({3}) Die Politik der jetzigen Bundesregierung hat sicherlich manche Masche des sozialen Netzes geknüpft, aber manche Masche wurde auch wieder zerrissen, und manche Masche ist fallengelassen worden. Durch diese Löcher sind noch im Mai 1976 1 Million und mehr Arbeitslose gefallen. ({4}) Nicht zuletzt wegen dieser Tatsache lehnen wir, die CDU/CSU, den Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ab. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gleich mit dem letzten beginnen. Herr Kollege Krampe hat die unglaubliche Behauptung aufgestellt, daß 1 Million Arbeitslose in diesem Land durch die Maschen unseres Netzes der sozialen Sicherheit gefallen seien. Das glaubt er wohl selbst nicht, denn zu keiner Zeit hat die Qualität der Leistungen innerhalb der Arbeitslosenversicherung einen so hohen Rang gehabt wie zu dieser. ({0}) Und das ist doch wohl unbestreitbar ein Verdienst der sozialliberalen Koalition. Da kann man doch nicht so tun, als lebten die Arbeitslosen von heute in einem ähnlichen Elend wie die Arbeitslosen vor dein ersten Weltkrieg, zwischen den beiden Weltkriegen oder nach dem letzten Weltkrieg. ({1}) - Na ja, das liegt in der Behauptung, die Arbeitslosen seien durch die Maschen des Netzes der sozialen Sicherheit gefallen. Ich glaube, das muß richtiggestellt werden. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte, bevor ich zu ganz anderen, für Sie hoffentlich neuen Erkenntnissen komme, noch ganz kurz auf die Finanzlage der Sozialversicherung eingehen und dazu eine kurze Bemerkung machen, obwohl alle wesentlichen Argumente bereits mehrfach vorgetragen worden sind. Aber ich meine, hier muß zum Abschluß noch etwas klargestellt werden. Die Rentenversicherung befindet sich in einer konjunkturell bedingten, also in einer vorübergehenden Phase ungünstiger Einnahmen- und Ausgabenentwicklung; das wird von uns nicht bestritten. Der weitere Konjunkturaufschwung, den ja nun selbst die CDU/CSU nicht mehr leugnet, wird die Finanzsituation der Rentenversicherung verbessern; auch das ist ja wohl unbestritten. Die ungünstigen langfristigen Vorausrechnungen, die von interessierter Seite immer wieder auf den Markt gebracht werden, beruhen auf einem Wachstumspessimismus, der zwar konjunkturpsychologisch erklärbar, aber nicht gerechtfertigt ist. ({2}) Wir sollten uns allesamt den Blick nicht trüben lassen, auch am heutigen Tage nicht. Es kommt jetzt darauf an, bewußt die antizyklische Funktion - die Sie, wenn ich es richtig verstanden habe, ja doch vor allem auch gewollt haben - in unserem System der Rentenversicherung wirken zu lassen, wenn notwendig - und ich lege besonderen Wert darauf, das zu sagen - unter Einsatz der Rücklagen. Es müßte eigentlich selbstverständlich sein, daß die Rücklagen der Rentenversicherung nicht um ihrer selbst willen angesammelt werden, sondern eigens zu dem Zweck, im Interesse der Rentner, der Beitragszahler und der ganzen Volkswirtschaft die Renten auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ohne Schmälerung und ohne Beitragserhöhung zahlen zu können. Die Versicherungsträger müssen auch mit ihren Rücklagen die Liquidität sicherstellen. Wir wissen, daß sie bereits entsprechende Vorsorge getroffen haben. Die Sicherheit der Renten ist aber von diesen finanz17212 technischen Fragen nicht abhängig, und ich glaube, es ist gut, mit dieser Verunsicherung der Rentner und der Versicherten aufzuhören. Meine Damen und Herren, Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß ich jetzt einige Ausführungen mache, die nicht so sehr die Sozialpolitik von Herrn Katzer - der ja als Exponent der Sozialpolitik der CDU/CSU angesehen wird - im Mittelpunkt haben, sondern eigentlich diese andere Art und Richtung von Sozialpolitik, die ich einmal als konservative Sozialpolitik bezeichnen möchte und die doch, so meine ich, hier in diesen Tagen so plastisch zum Ausdruck gekommen ist. Ich denke, das kann so wirklich nicht unwidersprochen bleiben. Ich meine, hier muß auch einmal dieses ganze Spannungsfeld zwischen der konservativen Sozialpolitik auf der einen Seite und der von Ihnen, Herr Katzer, vertretenen Sozialpolitik - wenn sie nicht auch als konservativ bezeichnet werden soll - auf der anderen Seite dargelegt werden, und dasselbe gilt für das Spannungsfeld zwischen der konservativen Sozialpolitik der Union auf der einen und der fortschrittlichen Sozialpolitik der Sozialdemokraten auf der anderen Seite. ({3}) Meine Damen und Herren, es ist doch ein nicht zu beschreibender Unsinn, ({4}) in einem solchen Zusammenhang so ein Wort wie „Freiheit oder Sozialismus" ins Spiel zu bringen. Wenn ich mir vor Augen halte, daß Herr Carstens am Dienstag dieser Woche in diesem Hause - er konnte auch durch sein sicherlich gewinnendes Lächeln seine Unkenntnisse auf dem Gebiet nicht verbergen, aber immerhin - den Versuch gemacht hat, gewisse Konturen dieser konservativen Sozialpolitik zu entwickeln - bei Herrn Strauß haben wir ähnliches erlebt, sogar bei Herrn Dregger, aber vor allem bei Herrn von Weizsäcker -, dann muß festgestellt werden, daß die CDU/CSU schon seit einiger Zeit versucht, nämlich seit dem vorigen Jahr, die Sozialpolitik oder das, was sie dafür hält, zum Schwerpunktthema des Wahlkampfes zu machen, und dann ist es notwendig, festzustellen, daß die Behauptungen der CDU/CSU in sich völlig widersprüchlich sind. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie die Versicherten und Beitragszahler mit dem dauernden Gerede vom Zusammenbruch der Sozialversicherungsfinanzen ängstigen wollen, dann können Sie doch nicht gleichzeitig einer Rentenerhöhung um 11 °/o zustimmen, wie Sie es tatsächlich getan haben. Sie können nicht auf der einen Seite behaupten, in einigen Monaten sei die Auszahlung der Renten gefährdet, und dann auf der anderen Seite durch den Mund Ihres Vorsitzenden, Herrn Dr. Kohl, die nächste Rentenerhöhung zum 1. Juli 1977 verbindlich zusagen - was sich ohnehin erübrigt, weil wir sie durchsetzen werden. ({5}) Außerdem versprechen Sie doch in Ihrem Wahlprogramm ganz generell, die Rentenansprüche nicht anzutasten. Sie können doch nicht im Ernst der Koalition vorwerfen, sie habe die wirtschaftliche Basis der Rentenversicherung unterhöhlt, und gleichzeitig, wie vorige Woche geschehen, Herr Franke, einem Gesetzentwurf des Bundesrates Ihre Stimme geben, der die Rentenversicherung mit unabsehbaren Milliardenaufwendungen belasten und ihre Finanzierung mit Sicherheit ruinieren würde. ({6}) Da ist es ganz bestimmt ein Skandal, wenn Sie in diesem Zusammenhang behaupten, Herr Kollege Franke, daß dieses Gesetz eine Abstützung gegen die soziale Demontage bedeute; das haben Sie vorhin hier ausgeführt. Da kann ich nur sagen: das glauben Sie doch wohl selbst nicht. Meine Damen und Herren von der Opposition, ohne Sinn und Verstand benutzen Sie wahllos Schlagworte, mit denen Sie irgendwelchen Gruppen imponieren wollen. Der einen Gruppe sagen Sie, es sei nicht genug Geld für die Renten da, und anderen Gruppen kommen Sie mit der entgegengesetzten Behauptung, es sei genug Geld da, um weitere Forderungen finanzieren zu können. Sie handeln nach dem Motto: Für die einen die Sonthofener Krisenstrategie und für die anderen die Sozialgarantie; das ist ein ganz neuer, allerdings verschwommener Begriff. Der wahre Grund für diese Taktik ist der, daß die CDU/CSU sich in der Sozialpolitik in großer Verlegenheit befindet. Das ist wohl nicht mehr zu bestreiten. Sie hat der Erfolgsbilanz der sozialliberalen Koalition nichts entgegenzusetzen, und sie weiß genau, daß die Wählermeinung nicht ihr, sondern der SPD die größere Leistungsfähigkeit und Kompetenz in der Sozialpolitik zutraut. ({7}) - Es wird sich zeigen. Wir Sozialdemokraten haben - um das noch einmal zu unterstreichen - übrigens ja auch nie behauptet, daß zu Zeiten von Unionsregierungen keine sozialpolitischen Entscheidungen getroffen worden seien. Aber was hier geschehen ist - und das muß noch einmal unterstrichen werden in dem Zusammenhang -, blieb hinter dem Möglichen und hinter dem Notwendigen zurück oder konnte nur mit massivem Druck der Sozialdemokraten, der Gewerkschaften und anderer Sozialverbände durchgesetzt werden. ({8}) - Auch als Sie die absolute Mehrheit hatten, haben Sie solche Dinge - gerade in der Zeit - nur unter diesem Druck gemacht. ({9}) Als wir Sozialdemokraten im Bund die Regierungsverantwortung übernahmen - das begann ja bereits 1966, denn Sie waren damals am Ende und baten uns, in die Regierung zu kommen ({10}) - ja, so ist es gewesen -, war das System der sozialen Sicherheit durch schwerwiegende Mängel gekennzeichnet. Das ist doch wohl nicht zu bestreiten. Jahrzehntelang war unser Sozialversicherungsschutz auf die Arbeitnehmer, teilweise sogar nur auf die Arbeiter beschränkt. Viele Angestellte, die Selbständigen und die Hausfrauen waren aus der Sozialversicherung ausgesperrt. Die Kriegsopfer wurden vernachlässigt ({11}) - wurden vernachlässigt; das ist wiederholt nachgewiesen worden, ich kann es im einzelnen noch einmal nachweisen, aber leider haben wir die Zeit nicht -, und sie mußten sich - das ist doch auch unbestritten - ihre gelegentlichen Rentenerhöhungen mit Protestmärschen auf Bonn erkämpfen. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer?

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr!

Franz Xaver Geisenhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000653, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Glombig, auf Ihre Äußerung, die Kriegsopfer seien von den Unionsregierungen vernachlässigt worden, möchte ich Sie fragen: Würden Sie die unbestreitbare Tatsache bestätigen, daß erstmalig in der Geschichte der Kriegsopferversorgung der Nachkriegszeit Leistungen in Höhe von 150 Millionen DM, die die CDU/CSU den Kriegsopfern gewährt hat, von der SPD/FDP-Koalition wieder zurückgenommen wurden, ({0}) und würden Sie bestätigen, daß in den letzten drei Jahren der VdK Deutschland dreimal in Großkundgebungen in Bad Godesberg und in Bonn wegen Ihrer unsozialen Haltung demonstrieren mußte? Sie verdrehen ja die Tatsachen. ({1})

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, erst einmal muß ich feststellen, daß von 1969 bis 1976 der Ansatz für die Kriegsopferversorgung im Bundeshaushalt von 6 Milliarden auf 11 Milliarden DM gestiegen ist. ({0}) In dieser Zeit sind durch die Rentendynamisierung die Renten der Kriegsopfer mehr als verdoppelt worden. Das gilt vor allem für die Kriegerwitwen. ({1}) Die Kriegsopferverbände haben in den 60er Jahren hier vor diesem Hause demonstriert. Wollen Sie das vergleichen mit dem Unmut darüber, daß Witwenbeihilfen in den Fällen, in denen ein Einkommen von mehr als 1 700 DM im Monat bezogen wird, nicht noch zusätzlich zu dieser Alterssicherung gezahlt werden? Wollen Sie das etwa gleichsetzen mit der Witwenversorgung? ({2}) Hier wird niemandem etwas genommen. Doch meinen wir, daß in einem Punkte zuviel des Guten geschehen würde, wenn wir auf dieser Ebene fortführen. ({3}) Hier haben wir allerdings auch den Mut, Korrekturen vorzunehmen, von denen Sie so gerne sprechen, vor allen Dingen Herr von Weizsäcker, auf den ich in diesem Zusammenhang gleich noch kommen werde. Ich wollte sagen: Es gab keinen allgemeinen Rechtsanspruch z. B. auf Ausbildungsförderung. Das Stiefkind der Sozialpolitik war die Rehabilitation Behinderter. Da können Sie reden, wie Sie wollen. Verwechseln Sie bitte nicht Kriegsbeschädigte und Arbeitsunfallverletzte mit Behinderten, die von Geburt an oder seit frühester Jugend behindert sind. Für diese haben Sie in jener Zeit keinen Finger gerührt. Das ist doch nachweisbar. ({4}) Frühere Unionsregierungen hatten sich um die Absicherungen der Betriebsrenten, um die soziale Sicherung der geschiedenen Frauen oder um die Gesundheitsvorsorge in der Krankenversicherung nicht gekümmert. Das System des Familienlastenausgleichs haben wir nach sozialen Gesichtspunkten verändert, denn es war kopflastig geworden, und zwar zum Nachteil der Einkommensschwachen und zugunsten der Besserverdienenden. Auch die Kindergeldreform hat die Freiheitsspielräume der Betroffenen erweitert - und darum geht es doch in dieser Debatte -, ({5}) ebenso wie das, was wir für die Kriegsopfer getan haben, doch in Wahrheit ein Musterbeispiel für die Erweiterung der Freiheit durch soziale Sicherheit ist und nichts anderes. Wir lassen uns nicht von Ihnen im kommenden Wahlkampf diffamieren. Ich glaube, die Bürger draußen verstehen, was wir für sie getan haben. ({6}) Meine Damen und Herren, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsbeziehungen - hier komme ich auch wieder auf Herrn von Weizsäcker zurück - nimmt ganz gewiß in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung eine zentrale Position ein - nicht bei Ihnen, sondern bei uns. Es geht um das, was plakativ mit dem Slogan - und bei uns ist dies kein Slogan geblieben - „Humanisierung des Arbeitslebens" umschrieben wird. Der Slogan hat durch die Arbeit dieser Bundesregie17214 rung eine wachsende Zugkraft entwickelt; denn Namen von Sozialdemokraten, besonders der Walter Arendts - aber ich will in diesem Zusammenhang auch den Namen Hans Matthöfer nicht verschweigen -, stehen für vielfältige Aktivitäten, mit denen die Weichen für eine Humanisierung des Arbeitsleben gestellt worden sind. Die Opposition - um das auch gleichzeitig zu sagen -, einseitig darauf fixiert, stets neue Krisenstimmung zu erzeugen, hat keinen einzigen Beitrag zu dieser Humanisierung der Arbeitswelt geleistet. ({7}) Gestatten Sie mir auch eine Bemerkung zur arbeitsmarktpolitischen Situation, weil ich meine, daß das unumgänglich ist. Wir Sozialdemokraten übersehen nicht, was die Arbeitslosigkeit für den einzelnen bedeutet. Ich habe vorhin von der Qualität der Leistung gesprochen, die heute eine andere ist. Wir wissen sehr wohl, was Arbeitslosigkeit geistig-seelisch für den Menschen bedeutet. Das braucht man doch Sozialdemokraten nicht weiszumachen. ({8}) Aber die Arbeitslosigkeit ist auch durch strukturelle Komponenten gekennzeichnet, und das darf in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht verschwiegen werden. Dabei möchte ich Ihnen von der Opposition auch etwas Hoffnung machen. Im Entwurf unseres Regierungsprogramms für die Jahre 1976 bis 1980 haben wir die Sicherung der Arbeitsplätze zum obersten Ziel unserer Politik deklariert. Übrigens war das vorher schon unser oberstes Ziel; aber wir haben das damit den Menschen draußen noch einmal deutlich machen wollen. ({9}) - Ich glaube, Probleme wie Arbeitslosigkeit oder die Frage, wie Arbeitslosen zumute ist, sind für Sie, Prinz Botho, schwer nachzuvollziehen. ({10}) Wenn Sie es trotzdem versuchen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, bedarf es einer aktiven Beschäftigungspolitik, sicherer Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Jugendliche - ich finde, das ist ein Punkt, zu dem Sie hier völlig geschwiegen haben - sowie einer Modernisierung der Volkswirtschaft. Die Politik der Opposition ist auch in diesem Bereich durch sehr interessante Widersprüche gekennzeichnet. Während CDU und CSU z. B. die Jugendarbeitslosigkeit immer wieder anprangern - das ist in Ordnung -, wird gerade heute die Oppositionsmehrheit im Bundesrat den Versuch unternehmen, eine sinnvolle Neuordnung der beruflichen Bildung abzublocken. Wir hätten eigentlich erwartet, meine Damen und Herren auf der Seite der Opposition, daß sie von dieser Stelle aus an Ihre Freunde im Bundesrat die Aufforderung richten würden, dieses Gesetz im Interesse der arbeitslosen Jugendlichen nicht zu blockieren. Das haben Sie versäumt. ({11}) Es ist ein unverantwortliches Spiel, das Sie mit den Chancen der jungen Generation unseres Landes hier treiben. Ich will nicht noch einmal besonders auf das eingehen, was Sie über die Kosten der Altenheime gesagt haben. Hier ist die Entwicklung ähnlich wie bei den Krankenhäusern verlaufen. Einiges haben wir gewollt. Wir wollten z. B., daß die Arbeitnehmer in diesen Einrichtungen nicht mehr nur für Gotteslohn arbeiten. Aber ich will Ihnen eines sagen, Herr Katzer: Die Freibeträge, die Sie gefordert haben, sind von der SPD-Fraktion bereits bei der Verabschiedung des Bundessozialhilfegesetzes im Jahre 1961 gefordert worden. Sie haben sie damals als Regierungspartei abgelehnt. ({12}) - Ja, das ist die große Tragik bei mir. Ich sehe ein, daß es gut ist, alte Menschen zu besuchen. Sie sagten, Sie seien gestern bei Alten im Altersheim gewesen. Vielleicht hätten Sie ein bißchen länger hier sein sollen, um die Diskussion auch über Fragen der wirtschaftspolitischen Entwicklung besser verfolgen zu können. Sonst wären Sie sicherlich zu den Zahlen über das reale, verfügbare Einkommen der privaten Haushalte, die Sie in diesem Zusammenhang genannt haben, nicht gekommen. Denn der internationale Vergleich der realen, verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im Jahre 1975 zeigt in der Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozenten, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Plus von 4,5 °/o hat. Das ist doch wohl eine ganz andere Zahl als die, die Sie hier genannt haben. Fast alle von CDU und CSU zu verantwortenden Versäumnisse in der sozialen Sicherung haben wir nach und nach beseitigt, soweit es irgendwie möglich war. Letztlich mußte die CDU/CSU die Versäumnisse in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung zugeben, indem sie den meisten unserer sozialpolitischen Reformen zustimmte, da sie sich ihnen lediglich aus politischen Gründen nicht entgegenstellen konnte, und auch deshalb, weil sie ihnen nicht die Spur einer eigenen sozialpolitischen Konzeption entgegenzusetzen hatte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir stehen hier heute morgen erneut unter Zeitdruck. Ich möchte zum Schluß kommen und Ihnen sagen, daß für die SPD im Gegensatz zur CDU/CSU mit ihren verschiedenen Gruppen - dabei ist die Gruppe der Arbeitnehmer die schwächste - die Richtung der Sozialpolitik klar ist, sehr klar. ({0}) Sie ist in unserem Regierungsprogramm für die nächste Legislaturperiode festgelegt: Dank der Politik der Sozialdemokraten unter Mitarbeit der Gewerkschaften können sich die Menschen in unserem Lande heute auf ein dichtes und tragfähiges soziales Netz verlassen. Unser Sozialstaat garantiert Rechte. Das ist mehr als eine gnädige Hilfe im Notfall. Unser Sozialstaat hat damit eine neue, eine bessere Qualität gewonnen. Diese Leistung bleibt mit Walter Arendt, dem ersten Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung der SPD, untrennbar verbunden. Dafür danken wir ihm, dafür danken wir dem Bundeskanzler, dafür danken wir der ganzen Bundesregierung, ({1}) die auch uns als sozialdemokratische Fraktion bei unseren Bemühungen immer wieder großes Verständnis entgegengebracht hat. Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, sage ich zum Schluß: Art. 20 Abs. 2 GG verpflichtet uns auf einen demokratischen und sozialen Bundesstaat. Sozialdemokraten nehmen diese Verpflichtung ernst und werden auch in der Zukunft mit aller Kraft dafür sorgen, daß dieser Auftrag des Grundgesetzes erfüllt wird. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich komme zu Nr. 27 des Punktes I der Tagesordnung: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit - Drucksache 7/5045 Berichterstatter: Abgeordneter Schröder ({0}) Abgeordneter Carstens ({1}) Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Carstens ({2}) das Wort. ({3}) - Ich bitte Sie aber, sorgfältig zwischen den beiden Aufgaben zu unterscheiden.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten uns innerhalb der Fraktionen so geeinigt, daß ich hier als Berichterstatter spreche, aber durchaus auch mit politischen Aussagen an der Debatte teilnehmen kann. In den letzten Jahren hatte ich als zuständiger Berichterstatter im Haushaltsausschuß eine gute Möglichkeit, die Politik der Regierung und der Frau Ministerin auf diesem Gebiet aus nächster Nähe zu beobachten. Ich bin aber bedauerlicherweise nicht in der Lage, dieser Politik ein positives Zeugnis auszustellen. Sicher haben Sie, Frau Ministerin, sich bemüht, zumindest in einige Teilgebiete neue Überlegungen einfließen zu lassen. Das will ich Ihnen gern bestätigen. Aber insgesamt komme ich zu dem Schluß, daß aus Ihrem Haus keine neuen Ideen gekommen sind, ({0}) daß der eigentliche politische Schwung fehlte und daß Ihre Arbeit als wenig aussagekräftig zu bezeichnen ist. Oder sollte es etwa daran gelegen haben, Frau Ministerin, daß Sie sich mit Ihren Vorstellungen im Kabinett nicht durchsetzen konnten? ({1}) Offensichtlich sind ja die Familien- und die Gesundheitspolitik bei SPD und FDP nicht gut aufgehoben, sondern nehmen dort einen nachgeordneten Rang ein. ({2}) Oder was soll man sonst sagen, wenn für den Einzelplan 15 im Jahr 1976 zirka 500 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen als im Jahr zuvor, wenn Altes dürftig weitergeführt wird und neue Ideen spärlich bleiben, wenn hier hin und wieder ein neues Modellvorhaben durchgeführt wird und dort vielleicht mehrere Forschungsaufträge vergeben werden? Das ist doch keine konkrete Politik, über die zu reden sich lohnt. Damit können doch die Bürger unseres Landes nichts anfangen, meine Damen und Herren von der Koalition.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Carstens ({0}), ich stelle fest: Sie sprechen als Redner und nicht als Berichterstatter. Hier ist offenbar ein Irrtum unterlaufen. Zum Zweiten darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Grobecker gestatten.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Frage ist jetzt überflüssig, Herr Präsident. Ich wollte fragen, ob ich Sie falsch verstanden habe, als Sie Herrn Carstens als Berichterstatter angekündigt haben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Sie haben mich nicht falsch verstanden. Aber ich war falsch informiert. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Carstens, fahren Sie als Redner fort.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Recht schönen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie argumentieren, Familienpolitik sei nicht nur ökonomisch und nicht nur aus der Sicht des Einzelplans 15 zu sehen, dann haben Sie zwar recht. Aber das trübe Bild, das Ihre Familienpolitik abgibt, können Sie dadurch nicht aufhellen. Ganz im Gegenteil! Vor allen wichtigen Fragen sind Sie ausgewichen. Ihre sogenannte Bilanz vom April 1976 ist in Wirklichkeit eine Bilanz Ihrer Unterlassungen. ({0}) Ihre Beschlüsse etwa zur sogenannten Reform des § 218 StGB und zum Ehe- und Familienrecht können wohl schwerlich als politische Entscheidungen für die Familie angesehen werden. Und was die ökonomische Seite angeht, so kann man nicht gerade sagen, daß die Inflationspolitik, die Sie jahrelang betrieben haben, familienfreundlichen Charakter hatte. Hinzu kommt, daß von Ihnen ein Einfrieren der finanziellen Mittel, zum Beispiel des Kindergelds, des Wohngelds und der Mittel für den sozialen Wohnungsbau - sofern man ihn noch so bezeichnen kann - auf Jahre vorgesehen ist und somit ein ständiges Absinken der realen Familienförderung zu verzeichnen sein wird. Immer mehr Familien rutschen leider mit ihrem Einkommen unter die Sozialhilfeschwelle. Und was Sie von der SPD in Ihrer Wahlplattform zur Familienpolitik sagen, ist auch nicht gerade umwerfend. Das trifft übrigens auch für die Gesundheitspolitik zu, wo Sie sich mühsam angestrengt haben, fünf kleine Pünktchen zusammenzutragen; es sind zum Teil Auflistungen aus vergangenen Bundestagsperioden. Sehen wir uns nun Ihren Etat etwas näher an. 89 bis 900/0 entfallen auf das Kindergeld, 7 °/o auf das Krankenhausfinanzierungsgesetz, 2 bis 3 °/o auf internationale und gesetzliche Verpflichtungen, Personalkosten und sonstige faktisch gebundene Ausgaben an Zuwendungsempfänger. ({1}) Zu sagen, Sie hätten 1 °/o des Etats zu Ihrer freien Verfügung, scheint mir geprahlt zu sein. Aber was folgern Sie, Frau Ministerin, aus dieser Tatsache? Obwohl nicht einmal ein freier Finanzierungsraum von 1 °/o vorhanden ist, sahen Sie sich, Frau Focke, in der Lage - Herr Kollege Schröder, Sie machten mich darauf aufmerksam -, die Ansätze für Öffentlichkeitsarbeit im weiteren Sinn großzügig auf etwa 20 Millionen DM zu erhöhen. ({2}) Unbedingt förderungswürdige Vereine und Verbände hingegen mußten erheblich Federn lassen. Auch hierbei scheute die Frau Ministerin davor zurück, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Völlig einfallslos wurden die Zuwendungsempfänger mit mindestens 3,3 °/o über einen Kamm geschoren. Die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit aber wurden erhöht, und dies wurde mit sachlicher Notwendigkeit begründet. Es mutet komisch an, wenn bei der Titelgruppe „Maßnahmen für die ältere Generation" für 1976 und nur für 1976 ({3}) eine Aufstockung um 1,5 Millionen DM vorgenommen wird und innerhalb dieser Titelgruppe der Ansatz für Herstellung, Ankauf und Verbreitung von Material um fast 25 °/o ansteigt. ({4}) - Wieviel werden wir davon wohl, Herr Kollege Zwischenrufer, im Laufe des Wahlkampfes, so in den Monaten August, September, wiedersehen? Ähnlich ging es mir, als ich mir die Einzelheiten zu der Fernsehserie „Elternführerscheine" ansah; im bürgerlichen Sprachgebrauch ist das die sogenannte Sesamstraße für Erwachsene. Kostenpunkt: 200 000 DM. Es wird doch wohl kein Zufall sein, daß Fragebogen-Timing, Auswertung und Verleihung der Führerscheine terminlich direkten Bezug zur Bundestagswahl haben. Oder wie steht es mit dem Thema gesundheitliche Aufklärung? Das ist ein interessanter Titel. Auch hier wurde der Mittelansatz für 1976 - und nur für 1976 - um 4 Millionen DM aufgestockt, und das wurde mit sachlicher Notwendigkeit begründet. ({5}) - Gesundheitliche Aufklärung ist sicher überaus wichtig. Aber sollte diese Erhöhung denn nur im Jahre 1976 nötig sein? Sind das alles nur Zufälle, gerade im Jahr 1976? Ich meine, wir sollten doch so ehrlich sein und einen gewissen Grund, eine gewisse Absicht seitens des Hauses dahinter sehen, daß diese Mittel nur im Jahre 1976 erhöht werden. Frau Ministerin Focke, wir werden die Aktionen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in diesem Jahr genauestens unter die Lupe nehmen. Vorsorglich bitten wir den Bundesrechnungshof, sich ebenfalls darum zu kümmern, ob die Ausgaben für Filme, Broschüren usw. wirklich sachlichen Notwendigkeiten entsprechen. Wenn ich den Begriff „sachlich notwendig" höre, dann frage ich mich, wie das im Zusammenhang mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung überhaupt der Fall sein kann, ist doch die Stelle des Leitenden Direktors schon seit 1975 nicht besetzt. Frau Focke, Sie erhöhen die Mittel erheblich, begründen das mit sachlichen Notwendigkeiten und wissen noch nicht einmal, wer die Leitung des Hauses übernimmt. Es ist bezeichnend, daß der von Ihnen von den Bewerbern gewählte, als sehr linkslastig angesehene Kandidat vom Bundespersonalausschuß nicht für fachlich qualifiziert gehalten wurde, eine B 3-Stelle auszufüllen. ({6}) Wie paßt das eigentlich zusammen? Sie scheinen also auch bei Personalentscheidungen offensichtlich keine glückliche Hand zu haben, wie das ja schon die Carstens ({7}) Berufung des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes, Professor Fülgraff, gezeigt hat, zu dem Herr Professor Carstens bereits am ersten Tag der Haushaltsdebatte Ausführungen gemacht hat. Dieser Präsident ist in Ihrer Amtszeit, unter Ihrer Verantwortung, Frau Focke, in sein Amt gekommen. Als letztes noch einige Sätze zu einem Thema, das uns kostenmäßig sicherlich noch lange Zeit beschäftigen wird. Ich sage Ihnen das als Mitglied des Haushaltsausschusses und nicht als Gesundheitsexperte. Mir geht es - und da habe ich ernste Sorgen - um den Bereich des Gesundheitswesens, speziell aber um den Krankenhausbereich. Dazu haben wir den Bericht des Ministeriums vorliegen. Er enthält aber keine konkreten Vorschläge, sondern listet Zahlen über die Krankenhausverweildauer, über die Bettenzahl auf und macht eine Prognose des Bettensollbestandes. Das hilft uns nicht weiter. Hier müssen konkrete Vorschläge gemacht werden. Herr Minister Friderichs hat das Thema gestern auch angesprochen und weise über die Länder geredet, hat dann aber das Rednerpult verlassen und hat sich aus der Affäre gezogen, ohne dazu Aussagen zu machen. Ich will Ihnen dazu eines sagen: Das Hauptübel der Kostensteigerungen liegt darin begründet, daß es keinen Anreiz und auch keine Motivation zum wirtschaftlichen Handeln gibt. Der Gewinn- und Verlustausgleich - auch der Verlustausgleich - ist in vollem Umfang, bis auf den letzten Pfennig, gesichert. Das gilt auch für die Selbstkostendeckung. Alle sogenannten notwendigen Kosten werden im Pflegesatz untergebracht. Es kommt also nicht so sehr auf wirtschaftliches Handeln an, sondern lediglich darauf, daß die Notwendigkeit der angefallenen Kosten nachgewiesen wird. Das muß zwangsläufig dazu führen, daß eine besondere Geschicklichkeit entwickelt wird, die Notwendigkeit der Kosten nachzuweisen. Das Ziel müßte sein, wirtschaftliches Handeln zu bewirken. Dafür gibt es aber keinen Anreiz, keine Motivation. Selbst Krankenhäusern in freier Trägerschaft wurde zusätzlich noch diese Motivation zum wirtschaftlichen Handeln weitgehend genommen. Alles ist geregelt, alles scheinbar gut kontrolliert, alles muß genehmigt werden. Aber nichts, auch gar nichts, reizt zum wirtschaftlichen Handeln an. Diesen Punkt, meine Damen und Herren, sollten wir uns als Parlament vornehmen. Es ist ein wesentliches Thema. Die Regierung ist offensichtlich nicht in der Lage oder nicht bereit, dazu konkrete Vorschläge zu machen. Wir sollten diesen Punkt angehen, sobald wir die Möglichkeit dazu haben. Meine Damen und Herren, insgesamt entwickelt der Einzelplan falsche Vorstellungen zur Familie, zur Jugend, zur Gesundheit. Aus diesem Grunde werden wir von der CDU/CSU den Einzelplan 15 ablehnen. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Carstens, der Versuch, hier als Berichterstatter zu sprechen, ist mißlungen. Es hätte wohl für Sie die Reise Ihres Namensvetters nach Angola bedeutet, wenn man von Ihnen erwartet hätte, Ihre Debattenredner-Rede in eine Berichterstatter-Rede umzuändern. Daß Ihnen dies nicht gelungen ist, tut mir leid. Sie haben sich hier auf diese Art und Weise das Erstgeburtsrecht erschlichen. Es steht Ihnen eigentlich nicht zu. ({0}) Normalerweise würden wir erwarten, daß Ihr Namensvetter Carstens ({1}) das macht und nicht Sie. Ich möchte zu den Zahlen des Haushalts kommen. Die große Ziffer, die im Einzelplan 15 - Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit - steht, lautet auf 12,7 Milliarden DM. Diese 12,7 Milliarden DM sind das Kindergeld. Wenn man sich diese Zahlen im Rahmen der Diskussion, die wir hier geführt haben, genauer anschaut, dann ist das ein gutes Prozent des Bruttosozialprodukts und damit auch ein gutes Prozent Staatsquote. Alle diejenigen, die hier gegen die Höhe der Staatsquote zu Felde gezogen sind, sollten sich diesen Sachverhalt einmal überlegen: fast 8 % des Bundeshaushalts und 1 % Staatsquote. Vielleicht gelingt es Herrn Schröder ({2}), Herrn Carstens ({3}) oder auch dem Kollegen Blüm, der aber jetzt nicht da ist, es denjenigen in der Fraktion der „U"-Parteien klarzumachen, was es mit Staatsquote und Kindergeld auf sich hat, die dort eine Philosophie gegen die Staatsquote anwenden wollen und nicht merken, wie wenig Wirklichkeitsgehalt diese Philosophie hat. ({4}) Und dies gilt bis zu dem Punkt, an dem hier mancher dargelegt hat, daß von den zusätzlich verdienten Mark-Stücken oder Hundert-Mark-Scheinen nur noch wenig in den Händen und Taschen der Bürger bleibe. Wesentliches von dem, was abgegeben wird, fließt zurück über die Staatsquote. Die zusätzlich verdienten Mark-Stücke oder Hundert-Mark-Scheinen kehren zum Teil, zu einem erheblichen Teil über Wohngeld, über Kindergeld und eine Vielzahl von anderen Leistungen zurück, die niemand missen möchte. Diese von meinem Kollegen von Bülow genannten Transferleistungen sind Ausdruck - und hier ist das zweite philosophische Problem, das Sie, wenn Sie es aufrühren, in diesem Zusammenhang behandeln müssen - von Solidarität, Solidarität der Starken mit den Schwachen. Dies ist wohl auch die Solidarität, die Sie eigentlich meinen, wenn es darum geht. Nur dann, bitte schön, führen Sie es durch und machen Sie keine allgemeine Philosophie darüber! Sie haben ja, wenn man Ihr Wahlprogramm liest, zu diesem Zweck auch ab und zu einmal vernünftige Sätze geschrieben. Es gibt einen Satz, der drückt die Philosophie der Mehrheitsparteien dieses Hauses und der Regierung präzise in Ihrem Programm aus. Ich mache Ihnen sogar das Lob: Den haben Sie in der Formulierung nicht bei uns abgeschrieben wie die anderen Grundwerte, sondern dies ist nach meinem Eindruck in der Tat einmal eine gelungene Wortschöpfung der Arbeitsgruppe Semantik. Der Satz in Ihrem Programm, der haargenau - haargenau! - die Philosophie dieser Regierung und ihrer Mehrheit in diesem Hause ausdrückt, heißt: Der Rechtsstaat ermöglicht und der Sozialstaat verwirklicht die Freiheit. Genau dies glauben wir. Wenn Sie das genauso meinen, dann geben Sie bitte all die billige Polemik auf. „Der Sozialstaat verwirklicht die Freiheit" ; dies gilt auch, wenn der Sozialstaat in der Staatsquote gewisse Anstiegsziffern zu verzeichnen hat. Nun wollen wir einmal durchgehen, wie das beim Kindergeld aussieht. Herr von Weizsäcker sollte das wenigstens erfahren. Das Kindergeld betrug noch für den Haushalt 1973 oder 1974 - vor der Umstellung durch die Steuerreform - knapp ein Drittel der heutigen Summe. Heute beträgt die Summe 12,7 Milliarden DM; damals waren es gut 3,5 Milliarden DM. Das macht ein knappes drittel Prozent der Staatsquote aus, wenn man es auf das heutige Bruttosozialprodukt umrechnet. ({5}) Ein zweites Drittel, sogar ein etwas größeres Drittel, stand in den Steuerfreibeträgen. Ein drittes Drittel dieses Prozents ist durch die Neuregelung hinzugekommen. Das zweite, etwas größere Drittel, das früher mit den Steuerfreibeträgen gewährt wurde, Herr Burger, war ein unsolidarisches Drittel, denn bei diesem System hatten diejenigen, die viele Kinder und wenig Einkommen hatten, gar nichts davon. Das haben wir geändert, mit Ihrer Zustimmung. ({6}) Diese Überlegungen sind aber nie von Ihnen gekommen. Was aber von Ihnen kommt, das ist der philosophisch-polemische Angriff. Setzen Sie sich einmal mit den Einzelheiten der Staatsquote auseinander, und Ihre ganze Philosophie bricht zusammen. ({7}) Dies gilt auch für das kleinere Bröckchen im Haushalt dieses Ministeriums, wenn der große Brocken das Kindergeld ist. Das kleinere Bröckchen betrifft die Krankenhausfinanzierung in Höhe von 1 Milliarde DM. Das ist ein knappes zehntel Prozent der Staatsquote. Gegen diese 1 Milliarde DM Krankenhausfinanzierung läßt sich nichts sagen. Wozu sich aber etwas sagen läßt, ist, ob diese Milliarde genutzt wird, um kostengünstige Zukunftsgestaltung im Gesundheitsvorsorgebereich zu erreichen. Hier muß man sagen: Dies geht nur über die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Da ist nicht die Bundesregierung allein dran, sondern auch die Länder, die Selbstverwaltungskörperschaften, die Verbände der Ärzte - auch ihre Kammern -, die Apotheker. Wenn man sich wie Herr Carstens ({8}) mit dem Problem ein bißchen auseinandersetzen will, sollte man hinzufügen, Herr Kollege, daß, die Kostengünstigkeit im Gesundheitswesen herbeizuführen, sicher etwas mit der Motivation zur Wirtschaftlichkeit zu tun hat, daß dies aber nur gelingt, wenn man das Problembewußtsein aller Beteiligten fördert, nutzt und es in eigenes Verhalten umschlüsselt. ({9}) Ich will dies an einem ganz kleinen Beispiel darlegen. Gehen Sie einmal in eine Apotheke und lassen Sie sich Arzneimittel vorlegen, die gegen eine beliebige Krankheit wirksam sein sollen. Da finden Sie immer mehrere und darunter mehrere, die eine identische Zusammensetzung haben. Wenn Sie auf das Preisschild schauen, finden Sie heraus, daß Sie bei zwei Arzneimitteln von unterschiedlichen Herstellern, aber bei gleicher Mengenabpackung und bei gleichem Inhalt für eine 50er Packung einmal 40,00 DM, das andere Mal 70,00 DM bezahlen müssen. Nun kommt das Problem. Ich hielte es für falsch, wenn den Ärzten ein Ukas ins Haus flatterte, in dem stünde: Ihr dürft nur noch das Arzneimittel X von der Firma Meier verwenden und verschreiben. - Das, was auf dem Rezept steht, bestimmt, was nachher verkauft wird. Es geht nicht, daß man den Ärzten einen Ukas ins Haus schickt. Aber die Ärzte müssen in der Tat preisbewußt werden, sie müssen wissen, was das Präperat kostet, das sie verschreiben. Sie müssen wissen, daß es einen Preiswettbewerb gibt. Ich wünschte es dem Deutschen Ärztetag, daß er etwas für das Preisbewußtsein der deutschen Ärzte und den Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt tut; denn dieser funktioniert nur, wenn die Ärzte dabei mithelfen. Ohne deren Problembewußtsein geht es nicht. ({10}) Ein zweites Beispiel. Die Kosten im Gesundheitswesen hängen von der Zusammenarbeit der daran Beteiligten ab. Die Schnittstellen, die wir heute haben, müßten zu Bandbreiten der Überschneidungen verändert werden. Es darf keine Schnittstelle der scharfen Trennung geben. Es gibt Kreise in der Bundesrepublik, in denen alle Facharztspezialisierung noch nicht dazu geführt hat, daß sie über einen Kinderarzt in ambulanter Praxis verfügen. Deswegen wird in solchen Kreisen die Behandlung von kranken Kindern auch im Krankenhaus vorgenommen; denn die Praxis des Kinderarztes ist im Krankenhaus, es sind dieselben Ärzte. Dort ist die Verweildauer um zehn Tage niedriger als im Durchschnitt des Bundesgebietes. Durchschnittsverweildauer eines kranken Kindes im Bundesgebiet ist knapp 17 Tage. In den Kreisen, in denen der Kinderarzt fehlt, kommt man, wenn das Krankenhaus gut funktioniert und die Ärzte kostenbewußt sind, mit 7 Tagen aus, weil das entlassene Kind von denselben Ärzten mit der entsprechenden psychologischen Einfühlung, die es vorher erlebt hat, weiterbehandelt wird. Dies ist eine Überlappung, für die wir mehr sorgen müssen. Dies geht aber nur bei gegenseitigem Verständnis von Krankenhäusern und Ärzten. Solange sie wie Katz und Maus gegeneinander stehen, wird dies nicht gelingen. Dennoch ist dies die Richtung, in die wir gehen müssen. Die Situation, die wir vorfinden, ist, daß manche Gruppen beinahe mit Fluglotsenmentalität eigentlich nur ihr Einkommen und nicht die Kostengünstigkeit des Gesundheitswesens im Auge haben, und andere - ({11}) Ich meine einige der Funktionärskader, gegen die auch Sie immer so viel haben, die Bürokratie der Ärzteverbände. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Botho Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001928, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie, geehrter Herr Kollege Sperling, darauf aufmerksam machen, daß die für das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Ministerin die Dinge offensichtlich anders sieht; denn sie hat neulich bei den Ärzten gesagt: Die Tätigkeit der Ärzte und insbesondere die Einkommensentwicklung dieser Berufsgruppe sind Gegenstand einer undifferenzierten, wenig sachdienlichen und sehr einseitigen Diskussion in der Öffentlichkeit geworden? Würden Sie das zur Kenntnis nehmen? ({0})

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dem stimme ich sogar zu. Daran sind die verschiedensten Gruppierungen beteiligt. Nur meine ich: auch die Ärzte oder die Ärzteverbandsfunktionäre sorgen nicht für die entsprechende differenzierte Betrachtung. ({0}) Wenn ich mit Ärzten rede - manchmal werde ich auch krank und muß mich behandeln lassen -, frage ich nach. Ich kann mich in der Tat sehr differenziert zu Ärzteeinkommen äußern. Auch Ärzte können sich sehr differenziert dazu äußern. Die viel zu einfache Form der Verteidigung von Einkommen von bestimmten Verbandsfunktionären führt dazu, daß wir über dieses, was Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhäusern werden muß, gar nicht reden, weil die Ärzte fürchten, daß das einkommensschmälernd wirken könnte. Wir sind gar nicht auf eine Einkommensschmälerung der Ärzte aus, sondern auf eine kostengünstige und gute Versorgung derjenigen, die im Krankheitsfall auf Ärzte, Krankenhäuser oder auf beides angewiesen sind. ({1}) Das erfordert mehr Zusammenarbeit und weniger Polemik. Deswegen sollte man mit diesen Anzeigen betreffend Hexenjagd usw. zurückhaltend sein; denn das war auch nicht besonders differenziert. Vielleicht haben die Ärzteverbandsfunktionäre die Kritik in den Worten der Frau Ministerin nicht verstanden, die Sie soeben zitiert haben. Diese Undifferenziertheit gibt es auf allen Seiten. ({2}) Wir bemühen uns darum, daß diese Zusammenarbeit aller Beteiligten, aller Betroffenen einschließlich ihrer Selbstverwaltungskörperschaften, passiert. ({3}) Woher kommt es denn, Herr Burger, daß sich die Beteiligten inzwischen zusammengesetzt und gewissermaßen einen Tarifvertrag für die nächsten zwei Jahre ausgehandelt haben? ({4}) - Aber unter welchem Druck der Öffentlichkeit - dies hat viel Druck bedeutet - ist das geschehen! Zunächst hat man leider auch von der Verbandsfunktionärsseite sehr undifferenziert über die Einkommenssituation diskutiert. Ich meine, wir können hierüber ruhig weiterstreiten; aber dies wird nicht lohnen. Ich wollte nur darauf hinweisen: das, worum es geht, läßt sich nicht ohne Beteiligung der betroffenen und beteiligten Bürger und auch ihrer Verbandsfunktionäre erreichen. Deswegen ist es wichtig, daß Sie in die Schranken verwiesen werden und daß sich Ihr Geschrei gegen die Bürokratie auch einmal gegen die richtet, die in anderen Bürokratien als den staatlichen sind. ({5}) Beide großen Zahlen, die ich genannt habe -12,7 Milliarden DM und 1 Milliarde DM -, sind also Bestandteil der Staatsquote. Nun frage ich mich: wollen Sie an die Staatsquote wirklich heran? Gestern hat der Abgeordnete Strauß hier gesprochen. Zu Anfang seiner Rede schien es so, als würde er die Katze aus dem Sack lassen. Er hat sich nämlich dazu verführen lassen, zu sagen: Die Stunde der Wahrheit wird kommen. Dann wurde er in lebhaften Zurufen offensichtlich gefragt, wann das sein werde. Daraufhin hat er auf die Zeit nach dem Wahltag vertröstet. Was heißt es denn im Zusammenhang mit der Staatsquote, daß die Stunde der Wahrheit kommen wird? Frau Wex, CDU und CSU werden Vereinbarungen über den familienpolitischen Teil ihres Wahlprogramms zu treffen haben. Das Erziehungsgeld ist in Ihrem Programm noch enthalten, obwohl es in Sonthofen schon einmal gestrichen worden zu sein schien. Ich bin gespannt, was Sie gemeinsam herausbringen werden. Ich bin gespannt, ob das Erziehungsgeld in Ihrem Programm stehenbleiben wird. ({6}) Im Haushaltsausschuß haben sich die Kollegen Schröder ({7}), Carstens ({8}) und andere in diesem Jahr durchaus vernünftig verhalten. Sie haben nämlich das Erziehungsgeld nicht noch einmal - wie vor zwei Jahren - beantragt. Von denen lernen heißt finanzpolitische Einsichten über das lernen, was machbar ist. Wünschbar ist das Erziehungsgeld, Frau Wex. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Sperling, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wex?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Sperling, würden Sie mir verzeihen, daß ich Sie trotz der kurzen uns noch zur Verfügung stehenden Zeit im Hinblick auf diese Frage, die ja gestern schon eine Rolle gespielt hat, darauf hinweise, daß wir das Erziehungsgeld als Zielsetzung nicht aufgegeben haben, sondern unseren diesbezüglichen Antrag nur wegen Ihrer schlechten Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht aufrechterhalten konnten. ({0})

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Katzer, Sie hätten jetzt nicht klatschen dürfen. Sonst tragen Sie hier in der Debatte doch immer vor, daß durch den Aufschwung allein das, was eigentlich regelungsbedürftig ist, nicht geregelt werden kann. Entweder stimmt dies oder Sie sagen: Der Aufschwung allein führt schon dazu, daß sich die Staatskassen so füllen, daß wir getrost das Erziehungsgeld für die nächste Wahlperiode versprechen können. So stellt sich die Frage. ({0}) - Sie wollen etwas Zusätzliches. Uns geht es darum, durch die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung und das, was die mittelfristige Finanzplanung für die kommenden Jahre beinhaltet, das Bestehende zu wahren und zu verteidigen und einiges - auch im familienpolitischen Bereich - zu verbessern. Die Milliarde, Frau Wex, die Sie mindestens versprechen müssen, und zwar zusätzlich zur Dynamisierung des Kindergeldes, die Sie in diesem Wahlprogramm auch noch versprechen wollen - vielleicht streicht Ihnen dies Franz Josef Strauß in der Stunde der Wahrheit der gemeinsamen Programmberatungen auch noch -, wird Ihnen bei gleichzeitiger Verminderung der Staatsquote nicht zur Verfügung stehen. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie sagen: Die Staatsquote muß erhöht werden, denn sonst können wir unsere Versprechungen nicht halten. ({1}) Im übrigen ist das, was Sie hier tun, Frau Wex, genau das, wogegen Sie - in dieser Debatte hat dieser Aspekt merkwürdigerweise keine Rolle gespielt - in den vergangenen Jahren immer zu Felde gezogen sind. Sie haben immer gesagt, von unserer Seite würde eine Anspruchsinflation ins Leben gerufen. Was Sie betreiben, ist in der Tat die Inflationierung von Ansprüchen, und zwar in einer Situation, in der wirklich keine materielle Deckung erfolgen kann. ({2}) Dies sind sozusagen die beiden Hauptbrocken. Es gibt aber noch ein paar andere Brocken.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Hermann Kroll-Schlüter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zum besseren Verständnis möchte ich Sie folgendes fragen: Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Vorbeugen generell besser und billiger ist, als die Korrekturen später mit Milliarden bezahlen zu müssen? Dies ist der Punkt, auf den es uns ankommt. ({0})

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kroll-Schlüter, wir haben entdeckt, daß Sie bei uns die Grundwerte für Ihr Parteiprogramm abgeschrieben haben. ({0}) In der Philosophie sind wir uns offensichtlich sehr einig. Es kommt aber nicht nur darauf an, gemeinsame philosophische Grundüberzeugungen zu haben. Wenn man diese Überzeugungen in die Wirklichkeit übertragen will, muß man auch wirklichkeitsgerecht handeln und wirklichkeitsgerechte Versprechungen machen. Die Versprechungen, die Sie hinsichtlich des dynamisierten Kindergeldes und des Erziehungsgeldes gemacht haben, können Sie gar nicht halten. Dies wissen Ihre Finanzpolitiker auch. ({1}) - Herr Burger, Sie möchten auch noch eine Frage stellen. Dies ist dann aber die letzte Zwischenfrage, die ich zulasse, denn ich möchte zum Ende kommen.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Sperling, sehen Sie ein, daß auch wir davon überzeugt sind und wissen, daß die Kunst der Politik darin besteht, sozialethische Grundsätze in die Wirklichkeit umzusetzen, und glauben Sie nicht auch, daß es langfristig kostengünstiger sein könnte, das Erziehungsgeld einzuführen, als die Kinder vielleicht in teure Heime abzudrängen?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Burger, völlig in Ordnung! Nur sagen Sie jetzt bitte, wo Sie streichen wollen, wem Sie etwas wegnehmen wollen, um das kostengünstiger zu gestalten; denn ohne das geht es nicht. ({0}) Machen Sie den materiellen Deckungsvorschlag. Das heißt, daß Sie bei anderen etwas wegnehmen müssen. Dies trauen Sie sich nicht zu sagen. Hier haben eine ganze Reihe von Rednern gestanden, auch schon in den vergangenen Jahren, und haben gesagt: „Wir werden nicht sagen, wo gestrichen werden soll." Das ist ja auch der Inhalt der Stunde der Wahrheit, daß dies alles erst nachher gesagt werden sollte. Herr Katzer hat es erzählt, Herr Häfele hat es erzählt, Herr Strauß hat es erzählt, und Sie sagen es auch: Wir werden nicht sagen, wo wir streichen wollen; denn dann rennt ihr Sozialdemokraten und ihr Freien Demokraten draußen herum und sagt den Leuten, daß es die CDU/CSU mit ihnen böse meine. Was meinen Sie denn, was wir jetzt machen? Wir gehen jetzt hinaus und sagen: Die versprechen euch, eine Stunde der Wahrheit, und niemand sagt euch was das für euch selber bedeutet. Sie selber sagen, daß Sie Angst haben. Auch Herr Althammer hat das hier ausgeführt. Sie haben Angst, das hier zu sagen, weil wir es draußen weitergeben könnten. Wir geben auch heute draußen weiter, daß Sie mit der Stunde der Wahrheit und aus Angst, zu sagen, wo Sie etwas wegstreichen wollen, den Wählern im Grunde genommen Sand in die Augen streuen wollen. ({1}) Herr Strauß hat gestern den Rufer in der Wüste zitiert. Da war er, und da hat er den Kopf in den Sand gesteckt. Dann ist er hierher gekommen und hat ihn geschüttelt. Der Sand soll tatsächlich in die Augen gestreut werden. Lassen wir dieses Ganze sein! Sie müssen eine materielle Deckung aus dem Vorhandenen, nicht aus Zuwächsen machen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Burger?

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Sperling, warum weigert sich denn das Ministerium, einen Forschungsauftrag dahin zu vergeben, ob nicht das Erziehungsgeld eben doch unter den vielen Modellen das günstigste, für die Familien und die Kinder das wertvollste und auch das billigste unter allen Lösungen ist? Warum weigern Sie sich denn? Die Wahrheit auf den Tisch!

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Burger, es ist unbestritten, daß durch die Förderung der frühkindlichen Erziehung im Elternhaus in der Tat der wertvollste Beitrag geleistet wird, den Burger, Eltern, für die Erziehung ihrer Kinder leisten können. Aber nun wollen wir doch einmal nachfragen: Warum haben Sie damals das Babyjahr zum Scheitern gebracht? ({0}) Das war damals ein sehr vernünftiger Ansatz. ({1}) - Nein, nein. In dem Moment, als Sie die Rentenversicherung mit Ihrer Zufallsmehrheit von einer Stimme verändert haben, flog auch das Babyjahr aus dem Programm. ({2}) Dies war der Fehler. ({3}) Wenn Sie schon damals die Philosophie gehabt hätten, dann hätten wir heute den Anfang dessen, worauf Sie hinauswollen, nämlich daß Mütter nicht mehr sagen: Um meiner eigenen Altersversorgung willen höre ich auf. Herr Burger, es tut mir leid, daß Sie solange vergeblich haben stehen müssen. Aber ich will jetzt zum Haushalt zurückkommen. Also zurück zum Haushalt; denn um den geht es. Neben den genannten dicken Brocken gibt es noch ein paar Krümel. „Krümel" ist vielleicht eine nicht ganz zulässige Beschreibung, aber gemessen an den Milliardensummen bleiben nur noch Summen von 100 Millionen DM übrig für eine unterschiedliche Zahl von Programmen und Plänen, die aus diesem Einzelplan finanziert werden. Zu einem erheblichen Teil wird Aufklärungsmaterial im Bereich der Gesundheitsvorsorge, der Gesundheitsfürsorge und der Krankenfürsorge gefördert. ({4}) - Dagegen läßt sich kaum etwas sagen, wenn man die Schriften vor der Nase hat, Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein. Aber es läßt sich natürlich wiederum allgemein als Propaganda verleumden, was man selber für sehr vernünftige Arbeit hält. ({5}) Sie halten mehr für vernünftig, als Sie zuzugeben bereit sind. Wenn Sie für dieses Aufklärungsmaterial noch die Regierung lobten, würden Sie ja völlig aus der Rolle fallen. Außerdem gibt es in diesem Einzelplan den Bundesjugendplan. Dieser enthält eine Reihe von Mitteln für Jugendverbände. Da gibt es zu einem der Jugendverbände einen Antrag von Ihnen; da wollen Sie das Geld streichen. Wenn ich mir anschaue, warum Sie das wollen, dann möchte ich das doch ein bißchen in einen Zusammenhang stellen. Schauen Sie, die dickste Wirtschaftskrise, die unser Land je erlebt hat, war die von 1929 bis 1932. ({6}) - Als die auf ihrem Höhepunkt war, Herr Barzel, hatten wir Millionenscharen von Arbeitslosen und viele Extremisten in diesem Land. Damals wuchsen auch die Leute auf, die heute die Parole „Freiheit oder Sozialismus" verbreiten. Wer sie erfunden hat, hätte eigentlich von dem Gegensatz zwischen Freiheit und Nationalsozialismus sprechen sollen; denn dann wäre deutlich geworden, wo sein persönlicher Bruch in der Entwicklungsgeschichte vom 3. Reichskriegsgerichtsrat bis zum baden-württembergischen Ministerpräsidenten liegt. ({7}) Das wäre dann klargeworden, wenn er gesagt hätte: Es geht um „Freiheit oder Nationalsozialismus". ({8}) - Das war nicht gut? ({9}) - Ja, das, was der Ministerpräsident von Baden-Württemberg gemacht hat, war nicht gut. Wir stimmen wieder einmal überein, Herr Burger; es war nicht gut, was der gemacht hat. ({10}) Diese Krise führte zu vielen Extremisten. Als Sie sich 1966 vor der Notwendigkeit sahen, mit uns die Regierungsbänke zu teilen, hatten wir auch eine Krise. Auch damals tauchten Extremisten auf -von der NPD. Diese Extremisten tauchen nach dieser Krise offenkundig nicht auf. Und hier gibt es einen ganz großen Unterschied. Wenn Sie die früheren Krisen nehmen, sehen Sie, daß es diese extremistischen Tendenzen infolge mißlungener Wirtschafts- und Sozialpolitik gab. Und dann, wenn man Ihr Begleitgerede zu unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik hört, hat man manchmal den Eindruck, als wären Sie immer noch gern Brünings Berater: ({11}) Sparen an der falschen Stelle, Arbeitsplätze wegschaffen, Konjunkturpolitik falsch fördern. ({12}) Die Korrekturen, die 1966 von uns durchgeführt werden mußten, haben auch dazu geführt, daß die Extremisten verschwunden sind, ({13}) und bei dieser Wirtschaftskrise müssen Sie jetzt sehen, ob Sie denn noch welche finden. Nicht alles, was in dieser Wirtschaftskrise zur Vermeidung von Extremistengefahr in der Bundesrepublik geschehen ist, ist durch die Regierung geschehen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Auch Sie haben in Ihrer Partei mitgewirkt, Extremisten aufzufangen, zu integrieren. ({14}) In meinem Wahlkreis gibt es das herrliche Beispiel eines CDU-Gemeinderates, der soeben für 25jährige Mitgliedschaft in der CDU geehrt wurde, der aber nach der Krise 1966 für die NPD im Gemeinderat gesessen hatte. Den haben Sie integriert; dazu meinen herzlichen Glückwunsch. Ich frag' mich bloß, woher er die 25 Jahre CDU gekriegt hat, wenn er zwischendurch bei der NPD war. ({15}) Ich will dies nicht verkleinern. In der Tat ist mit manchem, was Sie reden, einiges von rechts aufgefangen worden, was sonst wohl aufgetreten wäre. Dies sollte man mit sehen. ({16}) Nur sollte dies dann auch umgekehrt dazu führen, daß Sie sehen, was woanders mit integriert werden muß. Nun sagen Sie, wir haben also hier im Bundesjugendplan die Förderung eines Verbandes, in dem wir einige Extremisten entdeckt haben - sogar in der Vorstandsspitze -, nämlich der Naturfreundejugend. ({17}) Und deswegen - so meinen Sie - müssen die Mittel gestrichen werden. Der Haushaltsausschuß hat in seiner Mehrheit nicht für Streichung plädiert. Er hat gesagt: Wir bringen eine qualifizierte Sperre an; wir wollen sehen, was dieser Verband eigentlich mit den Mitteln tut, denn wir sind nicht bereit, Steuerzahlergelder für Aktivitäten auszugeben, die wir als nicht im Einklang mit dem Geist dieser Verfassung stehend sehen können. Und wir haben dazugesagt, der Verband möge seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. ({18}) - Die Naturfreundejugend, Herr Katzer; das hatte ich schon gesagt. - Wir haben gesagt, der Verband möge seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, und für die Zeitschrift, die dieser Verband herausgibt, dürfe nichts ausgegeben werden, weil genau in ihr jene merkwürdigen Formulierungen vorkommen, von denen wir meinen, daß sie von außerhalb dieses Verbandes gesteuert werden; und wir sind nicht bereit, dafür das Geld auszugeben. Inzwischen befinden wir uns - nicht Sie sich mit Ihrem Antrag - im Konflikt mit dem gesamten Deutschen Bundesjugendring, der auf Antrag des Bundes der katholischen Jugend gesagt hat: macht dies alles wieder rückgängig. Und es entsteht nun genau das, von dem wir in einer längeren Diskussion im Haushaltsausschuß gemeint haben, daß wir es nicht haben wollen: falsche Solidaritäten, falsche Solidarisierungen, ({19}) weil nämlich auch die Entscheidung, die wir als Mehrheit getroffen haben, als ein diskriminierender Akt mißverstanden wird. Diskriminierend ist er aber bloß, weil Sie mit dieser Tatsache ja im Grund genommen eine Hatz auf Kommunisten verbinden wollen. ({20}) Dazu möchte ich nun doch noch ein paar Bemerkungen machen: Diese Gesellschaft, in der wir leben, für deren Freiheit wir alle gemeinsam sind, wird Kommunisten nur zu Nichtkommunisten machen oder Saulusse nur zu Paulussen, wenn sie ihnen selbst auch Freiheit gewährt; das heißt, nicht durchgehend und nicht an Stellen, wo diese die Freiheit selbst gefährden. ({21}) - Dies würde ich für Nazis genauso gelten lassen, Herr Reddemann. Ja, ich will auch Nazis von ihrem Nationalsozialismus wegkriegen. Wenn ich sie dazu kriegen will, muß ich ihnen Freiheit gewähren.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Sperling, Ihre Redezeit ist wegen der Zwischenfragen schon um sieben Minuten verlängert worden. Ich bitte Sie, jetzt langsam zum Ende zu kommen.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin gleich am Ende. - Dann will ich Ihnen Freiheit gewähren. Diese Freiheiten, die wir Ihnen gewähren sollten, um sie von ihrer Parteiliniengläubigkeit wegzuwerben, bestehen auch darin, daß man nicht kurzsichtig, kurzfristig zuschlägt und ihnen auch nicht die falschen Freunde dafür schafft. ({0}) Deswegen bin ich dafür, daß wir den Beschlüssen des Haushaltsausschusses auch im Plenum zustimmen und uns dem Problem „Naturfreundejugend" im Haushaltsausschuß noch einmal ausführlicher widmen. Nun noch eine letzte Bemerkung, weil der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU sich auch dazu geäußert hat: Naturheilmittel. Auch da geht es um ein Gesetz, das von diesem Haushalt und von diesem Ministerium her verantwortet wird. Auch dort haben Sie den merkwürdigen Gegensatz von Freiheit und Sozialismus zu konstruieren versucht. Vielleicht darf man doch noch einmal ganz nachdrücklich folgendes unterstreichen. Das neue Arzneimittelrecht hat all das geschützt, was es an schützenswerten Arzneimitteln in dieser Bundesrepublik gibt. Auch die Regierungskoalition und auch die Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes und auch die Mitarbeiter im Ministerium haben dafür gesorgt, daß jene Ärztegruppierungen sich nicht durchsetzen konnten, die meinten, nur Stahl und Chemie wären nützlich. Vielmehr ging es um alles, was in der Erfahrung der Medizin vorhanden ist. ({1}) Natürlich gibt es dies! - Auch die Vertreter der Schulmedizin haben natürlich versucht, im Grunde genommen Vorrangstellungen zu entwickeln. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Hammans, möglichst keine Zwischenfragen, weil der Redner seine Redezeit bereits erheblich überschritten hat. - Ich bitte Sie, Herr Dr. Sperling, zum Schluß zu kommen.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte hiermit auch Schluß machen. Das, was an falschen Parolen verbreitet wird - auch in dieser Beziehung über das, was in Regierung oder Fraktionen entstanden ist -: ({0}) dieses Arzneimittelrecht hätten wir auch ohne Ihre Zustimmung verabschiedet. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst an das anknüpfen, was der Herr Kollege Sperling soeben zu dem Erziehungsgeld der CDU/CSU gesagt hat. Herr Kollege Höcherl hat gestern in einer Rede behauptet, wir hätten uns mit diesem Problem überhaupt noch nie befaßt. Leider wissen wir aber, daß dem Steuerzahler die dazu erforderlichen 1,7 Milliarden DM derzeit nicht zuzumuten sind. Auf die Staatsquote brauche ich wohl hier nicht mehr einzugehen; das hat der Kollege Sperling gerade getan. Daß wir uns aber noch nicht damit befaßt hätten, das dürfte keineswegs stimmen. Wir Freien Demokraten haben in unserem Programm die Forderung stehen: Vor jeglicher Fremdunterbringung eines Kindes - damit ist gemeint: bei der Tagesmutter, in der Kurz- oder Dauerpflegestelle oder in der Heimunterbringung - muß geprüft werden, ob das Kind nicht durch die Zahlung eines gleichen oder gar minderen Betrages an den Sorgeberechtigten, also Vater oder Mutter, der für die Fremdunterbringung notwendig geworden wäre, bei diesem Sorge-berechtigten bleiben kann. Damit ist denen geholfen, die wirklich der Hilfe bedürfen. Es werden nicht nach dem Gießkannenprinzip Gelder verteilt, die wahrscheinlich doch nicht helfen und gewährleisten, daß die Kinder in den Familien bei ihren Eltern bleiben können. Die CDU/CSU hat gestern ein Programm vorgelegt, das die Familienpolitik beinhaltet. Ich kann dazu nur sagen, daß ich das reichlich spät finde. ({0}) Die Freien Demokraten haben dies bereits 1972 getan und - ({1}) - Nein, es ist noch nicht zu spät. Es ist ja gut, wenn sie für die nächste Legislaturperiode eines haben. Aber wir haben es auch. Wir haben es 1972 verabschiedet. Wir schreiben unser Programm laufend fort, und wir können am Ende dieser ersten Legislaturperiode feststellen, daß wir unser Programm in dieser einen Legislaturperiode schon fast vollständig verwirklicht haben. Wenn gestern und vorgestern in den Debatten hier gesagt worden ist, die Familienpolitik werde vernachlässigt, dann ist die Tatsache, daß unser Programm verwirklicht ist, der Beweis des Gegenteils. Die CDU/CSU behauptet immer wieder, daß z. B. im Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge die Funktionen der Familie und die Stellung der Eltern gegenüber ihren Kindern zum Teil ideologisch verzerrt gesehen und dargestellt werden. So hat sich der Herr Kollege Stark vorige Woche bei der Verabschiedung des Adoptionsgesetzes geäußert. Aber, meine Damen und Herren, das stimmt einfach nicht. Diese Ihre Auffassung rührt meines Erachtens daher, daß Sie nur die heile Welt kennen und die Augen vor der Realität verschließen. ({2}) Auch wir würden es uns wünschen, daß die Mütter oder Väter zumindest bis zum Eintritt ihres Kindes in den Kindergarten für die Versorgung des Kindes zur Verfügung stehen könnten. Aber Sie verschließen einfach die Augen davor, daß allein im Jahre 1975 ca. 100 000 Kinder durch Ehescheidung, aber bitte, meine Damen und Herren, nach dem alten Ehescheidungsrecht, bei nur einem Elternteil lebten. Ich habe den Eindruck, daß Sie es im Zusammenhang mit diesen Kindern und dem Vorwurf der Ideologie lediglich darauf abgesehen haben, die Koalitionsfraktionen ideologisch zu verteufeln. Gehen Sie einmal an die Basis, gehen Sie in die großen Wohnblocks, gehen Sie in die Stadtrandsiedlungen und sehen Sie, daß es dort Kinder gibt, leider Gottes, die vor ihren leiblichen Eltern zu schützen sind. Gehen Sie einmal in Kinderheime und Pflegefamilien und fragen Sie danach, wie oft sich die leiblichen Eltern um ihre Kinder kümmern, lesen Sie vormundschaftsrichterliche Urteile, dann wissen Sie, wie nötig es ist, Gesetze zu schaffen, die Kinder vor ihren leiblichen Eltern schützen. Das Grundgesetz sieht dies ja auch vor, denn nach dem Grundgesetz hat auch das Kind ein Recht auf freie Entfaltung. ({3}) - Ja, Gott sei Dank, darauf komme ich auch noch, Herr Burger. Seien Sie ganz beruhigt. ({4}) Wir Freien Demokraten wehren uns dagegen, daß Sie uns unterstellen, wir wollten in das im Grundgesetz garantierte Elternrecht eingreifen. Das stimmt nicht. Wir freuen uns über jede intakte Familie und hoffen, daß sie auch in Zukunft die Grundlage unseres Staates sein wird. Meine Damen und Herren, Herr Dr. Dregger ist jetzt leider nicht anwesend. Er hat vorgestern Ulrike Meinhof zitiert. Wissen Sie, daß Ulrike Meinhof erst im Alter von 19 Jahren adoptiert wurde und vorher laufend andere Bezugspersonen zu verkraften hatte? ({5}) - Herr Burger, das sagen wir ja, und deshalb bemühen wir uns ja, daß die Kinder in Familien aufwachsen. Ich glaube, dies tut niemand mehr als ich. ({6}) Wir wollen, daß die Kinder aus den Heimen heraus und in die Familien hineinkommen, und zwar in intakte Familien. Gerade Sie, Herr Burger, dürften wissen, wie sehr ich mich im Ausschuß engagiert habe, daß das Adoptionsvermittlungsgesetz durchkommt, und daß ich mich auch darum bemüht habe, daß die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge noch verabschiedet wird. Ich habe außerdem Thesen zum Pflegekinderrecht vorgelegt. Ich glaube, damit habe ich bewiesen, daß für uns Freie Demokraten das wichtigste ist, daß die Kinder in intakten Familien - ich betone, in intakten Familien, d. h. auch bei einem Elternteil, aber bei einem liebevollen Elternteil - aufwachsen dürfen und nicht etwa Schlüsselkinder sind oder überhaupt nicht versorgt werden, wie ich es leider kenne. Aus einer Pflegefamilie ist kürzlich ein Kind herausgenommen worden. Sieben Jahre lang hat es dort Geborgenheit erfahren. Eine alleinstehende Mutter hat es durch Gerichtsbeschluß zurückbekommen. Sie kannte das Kind im Alter von neun Jahren gar nicht; Mutter und Kind kannten sich nicht. Acht Wochen später war das Kind wieder bei der Pflegefamilie. Es hatte 450 km überwunden, um dorthin zu kommen. Es hatte in dieser Zeit 8 1/2 Pfund abgenommen. Es war verprügelt worden und hatte, ärztlicherseits bescheinigt, viele blaue Flekken auf dem Rücken. Trotzdem ist dieses Kind auf Grund unserer heutigen Gesetze wieder zu seiner Mutter gekommen. Deshalb müssen wir den § 1666 noch vor der Sommerpause novellieren, damit so etwas in Zukunft nicht mehr geschieht. Denn das sind die Menschen, die sich später an uns oder an der Gesellschaft dafür rächen, daß wir ihnen in der Kindheit so etwas zugemutet haben. Das ist das Schlimme. ({7}) - Ja, das will ich nicht ausschließen. Aber wenn Ulrike Meinhof die Möglichkeit gehabt hätte, in Geborgenheit in einer intakten Familie großzuwerden, weiß man nicht, was aus ihr geworden wäre. Ich kann das nicht beurteilen. Ich will sie mit all dem, was sie dieser Gesellschaft angetan hat, auch nicht in Schutz nehmen; das habe ich nicht vor. ({8}) - Nicht daß Sie jetzt denken, ich wollte mich hier hinstellen und das verteidigen. Keineswegs! Aber da Herr Dregger gestern von ihr gesprochen hat, fühlte ich mich verpflichtet, dies hier einmal zu sagen. Eine intakte Familie hätte all das vielleicht verhindert. Aber ich weiß es nicht. Meine Damen und Herren, ich habe leider Ihr Programm zur Familienpolitik erst vor anderthalb Stunden auf den Tisch gelegt bekommen. Mir ist es natürlich jetzt nicht möglich, es Punkt für Punkt durchzugehen. Aber ich habe darin viele kontroverse Punkte festgestellt, und ich habe festgestellt, daß es Widersprüche enthält. Vieles darin sind zwar schöne Worte, aber es fehlen konkrete Vorstellungen. Vieles hebt sich auch gegenseitig wieder auf. So kann ich eigentlich nur sagen: das Pfingstwunder vollzieht sich bei der CDU/CSU nie ganz. Darin heißt es: „Sie redeten mit vielen Zungen, aber sie verkündeten eine Botschaft." Zu dem Programm der CDU/CSU kann man eigentlich nur sagen: Sie redeten mit vielen Zungen, aber sie verkündeten viele Botschaften. ({9}) In Ihrem Programm heißt es z. B. an einer Stelle, Kinder sollten für ihre Eltern sorgen. Aber gleich im nächsten Halbsatz heißt es: Sie dürfen dadurch jedoch nicht zu stark belastet werden. Ja, was soll denn ein solcher Ausspruch? Er besagt doch überhaupt nichts. ({10}) Das soll nun ein Programm sein. Dafür habe ich praktisch kein Verständnis. Ich sagte vorhin: Sie werfen uns vor, daß wir in die Familien eingreifen. Ich frage mich, was der Satz in Ihrem Programm bedeuten soll: „Familie ist nicht ausschließlich Privatangelegenheit." Ich meine, daß das, was innerhalb der Familie geschieht, durchaus deren Privatangelegenheit ist und die Familie freiheitlich zu entscheiden hat, was in ihr getan wird und wer wofür verantwortlich ist. Es muß ihre freie Entscheidung sein, wer arbeiten geht und wer sich um die Kinder kümmert. Das, meine ich, sollte doch die Freiheit der einzelnen Familie sein. ({11}) - Dann sind wir uns ja einig. Es ist schön, das festzustellen. ({12}) Im Grunde kann ich nur sagen: Im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit waren wir uns immer relativ einig. Es gab wenige Kontroversen in diesen Fragen. Ich bedauere es, daß man heute, da der Einzelplan 15 hier beraten wird, plötzlich anfängt zu polemisieren und Gegensätze aufzeigen zu wollen. ({13}) - Nein, Herr Carstens vorhin. ({14}) Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zum Bundesjugendplan sagen. Auch da gibt es nur einen Kuchen, dessen Gesamtmasse nur einmal verteilt werden kann. Die Bundesregierung hat die Priorität diesmal den jugendlichen Zuwanderern gegeben. Im Jahre 1969 wurden für jugendliche Zuwanderer 8,1 Millionen DM verbraucht. Im Jahre 1974 waren es 35,1 Millionen DM, und in diesem Haushaltsplan sind 56 Millionen DM veranschlagt. Wir Freien Demokraten sind der Bundesregierung dankbar, daß sie damit der gegenüber dem Jahre 1969 erhöhten Zahl der zu erwartenden Aussiedler aus Polen Rechnung getragen hat, um diesen Aussiedlern die schnelle Eingliederung in die Gesellschaft und in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen. Es ist zwar bedauerlich, daß auf Grund der vermehrten Hilfen für die Zuwanderer die Mittel für verschiedene Gruppen und Jugendverbände in den Einzeletats gekürzt werden mußten, wir haben es aber für richtig angesehen, daß die derzeit schwächsten Jugendlichen, nämlich die Aussiedler, Priorität erhalten. Ich glaube, daß wir dafür draußen im Lande, wenn wir das nur richtig interpretieren, auf Verständnis stoßen. Für die jugendlichen Arbeitslosen hat die Bundesregierung ein Sonderprogramm mit 300 Millionen DM beschlossen. Das wird niemand kritisieren wollen. Aber irgendwoher muß das Geld ja kommen. Meine Damen und Herren, ich meine, daß diese Bundesregierung und die sie tragenden Parteien eine verantwortungsvolle Familienpolitik betrieben haben; wir werden sie auch in der Zukunft konsequent fortsetzen. Ich darf nun noch eines sagen: Die Opposition hat im letzten Jahr im gesamten Gesetzgebungsverfahren den Gesetzen auf diesem Gebiet, manchen allerdings mit ein bißchen Unbehagen, zugestimmt. Jetzt aber wird hier angekündigt, sie werde den Einzelplan 15 ablehnen. Vizepräsident von Hassel: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stark? - Bitte.

Dr. Anton Stark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002217, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, würden Sie mir bestätigen, daß wir die Regierung im Bereich des Adoptionsrechts praktisch zwingen mußten, einen Entwurf vorzulegen, daß wir also hierzu die Initiative ergriffen haben?

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich kann nur eines sagen: Ich bin erst 1973 in den Bundestag gekommen, aber schon vorher habe ich mich immer wieder dafür eingesetzt, daß dieses Gesetz verbes17226 sert wird. Die Koalitionsfraktionen waren es, die im Jahre 1973 wenigstens den § 1747 a BGB novelliert haben, damit auf diesem Gebiet geholfen wird. Ich meine, wir müßten, wenn wir die Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vor der Sommerpause nicht mehr schaffen sollten, wenigstens den § 1666 BGB vorab novellieren, um auch diesen Kindern zu helfen. Vizepräsident von Hassel: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark?

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte!

Dr. Anton Stark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002217, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, da Sie das Recht der elterlichen Sorge ansprechen: halten Sie es für richtig, daß in diesem Entwurf davon gesprochen und es als Grundanliegen angesehen wird, daß die Kinder von der elterlichen Fremdbestimmung und von der „Gewaltunterworfenheit" befreit werden müssen?

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, also so was der Regierung unterstellen zu wollen! ({0}) - Das steht nicht drin, sondern das steht auf dem Deckblatt, und das ist ja nicht Gesetzestext. ({1}) - Auch ich bedaure das. Ich habe für dieses Wort nichts übrig. ({2}) - Ich habe bestritten, daß es im Gesetz steht. Und da steht es tatsächlich nicht drin. ({3}) - Doch! Das hat er gesagt. Ich kann es jetzt nicht wörtlich wiederholen. Aber wir werden es im Protokoll nachlesen können, wer recht hat. Sie haben gesagt: im Gesetz. Und darauf habe ich ja gewartet, damit ich Ihnen die Antwort geben konnte, Herr Kollege. ({4}) - Das war ein wirklich alter Hut. Mein Schlußsatz sollte sein: Ich habe kein Verständnis dafür, daß die Gesetze, die Sie alle im einzelnen mitbeschlossen haben, nun in der Zusammenfassung in dem Haushaltsplan von Ihnen abgelehnt werden und daß Sie sich damit der Verantwortung entziehen. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Frau Bundesminister Dr. Focke.

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Familien in unserem Land und die Familienpolitik der Bundesregierung haben in diesen Tagen bei der zweiten Lesung für die Opposition herhalten müssen, um die demagogische Alternative „Freiheit oder Sozialismus" oder, um es mit den Worten des Herrn von Weizsäcker auszudrücken, die andere demagogische Alternative „Selbstverantwortung oder Bevormundungsstaat" zu belegen. ({0}) Dem möchte ich hier eine sachliche familienpolitische Bilanz entgegenhalten. Für die wirtschaftliche Situation der Familien standen die Reform des Kindergelds und die Steuerreform im Mittelpunkt. Allein die Kindergeldreform hat Mehrleistungen für die Familien in Höhe von 4 Milliarden DM gebracht - 40 % mehr, als bis dahin der Familienlastenausgleich betrug. Ich frage Sie: Wann hat eine Bundesregierung einen solchen großen Schritt nach vorn im Familienlastenausgleich gemacht? ({1}) Es gibt jetzt bereits für das erste Kind ein Kindergeld; für die weiteren sind die Leistungen erheblich angehoben. Entscheidend ist natürlich - das hat gerade mein Kollege Sperling hier nochmals herausgestellt - die gerechtere Gestaltung des Familienlastenausgleichs derart, daß jetzt jeder für seine Kinder bei gleicher Kinderzahl dieselben Barleistungen erhält und der frühere ungerechte, unsolidarische Zustand beendet worden ist, daß diejenigen, die mehr verdienen, mehr für ihre Kinder bekommen. Für weitere materielle Leistungen, die zum größten Teil von der sozialliberalen Koalition geschaffen oder ausgebaut worden sind und als Hilfe für die Familie zusammen gesehen werden müssen, nur einige Stichworte: Wohngeld, Ausbildungsförderung, Unfallschutz für Kindergartenkinder, Schüler und Studenten, die erheblichen Familienleistungen in der Krankenversicherung. Auch das neue Sozialbudget ist ein Beweis dafür: Die sozialliberale Koalition hat die wirtschaftlichen Leistungen für die Familie so ausgebaut, wie es in dieser Legislaturperiode finanzwirtschaftlich überhaupt zu verantworten war. Dieses Mehr an sozialer Gerechtigkeit ist auch ein Mehr an realer persönlicher Freiheit für die Betroffenen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wie wollen Sie erklären, daß Sie auf der einen Seite immer noch mehr fordern, gerade jetzt wieder durch das vorgelegte familienpolitische Programm der CDU - was die CSU dazu sagt, werden wir ja noch erfahren -, in dem Sie Erziehungsgeld, Partnerrente - und geben Sie sich bitte keinen mathematischen Täuschungen hin: das, was Sie an Partnerrente fordern, ist im Hinblick auf die Rentenversicherung nicht kostenneutral - und zusätzlich noch Dynamisierung des Kindergeldes fordern, ohne zu sagen, wie das überhaupt finanziert werBundesminister Frau Dr. Focke den soll, und andererseits behaupten, die soziale Reformpolitik der sozialliberalen Koalition habe bereits die Staats- und Soziallastquote allzusehr erhöht? Diesen Widerspruch zwischen Ihrem allgemeinen Vorwurf und Ihren konkreten Forderungen - wenn ich, wie gesagt, allein an die Mehrforderungen im familienpolitischen Bereich denke - müssen Sie lösen. Das gelingt Ihnen nicht. Was Sie uns und der Öffentlichkeit im Grunde weismachen wollen, ist doch dies: Wenn Sie, die CDU/CSU, mehr für die Familien in unserem Lande fordern, dann ist das eine gute Sache und macht die Familien frei; wenn dagegen Sozialdemokraten praktisch mehr für die Familien tun, dann ist das etwas Böses und führt zu Staatsgängelung und Unfreiheit. ({2}) Auf diesen Leim werden Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Bürger dieses Landes nicht gehen. ({3}) Über diese sozialen Leistungen hinaus ist es für die Familien natürlich wichtig, daß sich die allgemeine wirtschaftliche Situation, von der wir alle zusammen abhängig sind, positiv entwickelt. Deswegen möchte ich ganz klar feststellen: Unsere solide Wirtschafts- und Finanzpolitik, die der Stabilität unseres Geldes und der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen dient, ({4}) wie sie die Bundesregierung erfolgreich betreibt, wie mein Kollege Walter Arendt sie hinsichtlich der Arbeitsplätze für die weiteren Monate dieses Jahres auch dargestellt hat, ist zugleich Politik für unsere Familien. ({5}) Mit dieser Familienpolitik können wir uns gerade auch im internationalen Vergleich außerordentlich gut sehen lassen. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Frau Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hammans?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Bitte schön.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gnädige Frau, sind Sie bereit, dem Hause mitzuteilen, wie Sie die ganz besonders hohe Belastung der Familien mit mehreren Kindern durch die von Ihnen beschlossene Mehrwertsteuererhöhung erklären?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Auf das Problem der Familien mit mehreren Kindern komme ich gleich zu sprechen, Herr Kollege; wenn Sie mir noch einen Moment weiter zuhören. ({0}) Die Behauptung nämlich, daß in den letzten Jahren immer mehr Familien - ich komme zu Ihrer Frage -, insbesondere die mit mehreren Kindern, in eine Armutsituation geraten seien, weise ich mit Entschiedenheit zurück. Infolge der gewachsenen Realeinkommen der Arbeitnehmerhaushalte und der seit 1969 vorgenommenen Verbesserungen der Sozialeinkommen - also: Ausbildungsförderung, Wohngeld, Kindergeld -, die gerade den kinderreichen Familien zugute kommen - denn in all diesen Sozialeinkommensfaktoren steckt immer ein erheblicher kinderbezogener Anteil -, hat sich im Gegenteil die reale Situation auch dieser Familien verbessert. Bei uns gibt es kein Problem Massenarmut und schon gar keins, das der Politik dieser Bundesregierung angelastet werden könnte. Die Leistungen der Sozialhilfe sind in den letzten Jahren allerdings erheblich verbessert und bewußt dem allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung - nicht nur strukturell, sondern auch in der Größenordnung - stärker angepaßt worden. Die Sozialhilfe gewährleistet nicht nur das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige, also das materielle Existenzminimum, sie hat vielmehr zum Ziel, allen Bürgern in der Bundesrepublik ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Wir Sozialdemokraten halten das für gut, weil die Sozialhilfe eine der tragenden Säulen unseres sozialen Sicherheitssystems ist. Benutzt man jedoch, wie Damen und Herren der Opposition das tun, die Sozialhilfe als Meßlatte für Armut - insbesondere Herr Geißler versucht, das zu tun -, kommt man zu der paradoxen Feststellung, daß der Armutsdruck steigt, wenn, wie geschehen, die Sozialhilfeempfänger verstärkt an der allgemeinen Entwicklung des Lebensstandards beteiligt werden. ({1}) Ich möchte hier nachdrücklich sagen: Wer die Sozialhilfe zu einer Armutsdiskussion mißbraucht, um seine angeblich neue soziale Frage zu belegen, darf sich nicht wundern, wenn sie dann auch wieder stärker in den Ruch einer Armenfürsorge hineingerät, den wir beinahe schon überwunden hatten, ({2}) wo wir es fertiggebracht hatten, daß die Menschen in unserem Lande es nicht so sehen, sondern sie als einen Anspruch auf soziale Sicherheit wie andere Ansprüche auch betrachten. Und der ist dann allerdings verantwortlich dafür, wenn es nach wie vor leider so ist, daß sich Anspruchsberechtigte, vor allen Dingen ältere Mitbürger, scheuen, zum Sozialamt zu gehen. D a hätte ich mir gern mehr Aktivität des Kollegen Geißler gewünscht. ({3}) Meine Damen und Herren, die materiellen Hilfen sind nur ein Teil der Maßnahmen, mit denen wir versuchen, die Ziele unserer Familienpolitik zu verwirklichen. Eines unserer wichtigsten Anliegen war, die rechtlichen Voraussetzungen für Gleichberechtigung und Partnerschaft in Ehe und Familie zu schaffen. Es hat mich gefreut, hier zu hören, daß auch Herr von Weizsäcker eingeräumt hat, daß Freiheit vom Rollenzwang ein Beitrag zur Freiheit ist. Nun, das neue Ehe- und Familienrecht wie unsere ganze Politik für die Frauen sind praktische Schritte auf einem solchen Weg zu mehr Freiheit. Mit dem neuen Adoptionsrecht - es ist hier soeben schon erwähnt worden -, einschließlich der Neuregelung der Adoptionsvermittlung, haben wir praktisch dafür gesorgt, daß möglichst viele elternlose Kinder in eine Familie aufgenommen werden und die gleichen Rechte und Ansprüche erhalten wie die ehelichen. Gerade weil wir uns bewußt sind, welche Schlüsselrolle die Familie nach wie vor für die Erziehung unserer Kinder einnimmt, sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, den Eltern - nun nicht im Sinne des Schulmeisterns, sondern im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe - bei ihren Erziehungsaufgaben zu helfen. Wir haben deshalb Maßnahmen der Elternbildung- und -beratung in Gang gesetzt, für die im Einzelplan des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit inzwischen 8 Millionen DM veranschlagt sind. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen natürlich, daß diese Zuständigkeiten weitgehend Angelegenheit von Ländern, Gemeinden und freien Trägern in Ländern und Gemeinden sind. Aber ich stelle, wie gesagt, fest: Bei uns sind für Modell-, Forschungs- und Beratungsorientierung in diesem Bereich 8 Millionen DM veranschlagt. Solche Ansätze habe ich in früheren Haushalten von CDU/CSU-geführten Regierungen vergeblich gesucht. Und ich kann an diesem Beispiel nur wieder einmal feststellen: Sie klagen, Sie fordern, Sie bedauern, während wir praktisch etwas tun, was familienpolitisch notwendig ist und was Sie früher hätten tun können, aber versäumt haben. ({4}) Unser Etatentwurf sieht ferner die Fortführung des Modellprogramms zur Förderung von Familien-und Familienplanungsberatung, Schwangerschaftskonfliktberatung sowie Beratungen über soziale Hilfen vor. In einer großen Anzahl dieser 53 Modellberatungsstellen sind Schwangerschaftskonfliktberatung, Beratung über Familienplanung mit Ehe-und Erziehungsberatung im Sinne umfassender Lebensberatung zusammengefaßt, um hierdurch den Familien mit ihren sehr unterschiedlichen Sorgen, Nöten, Problemen ohne Verweisung auf mehrfache Stellen, die sie sonst anlaufen müßten, zu helfen. Die bisherigen guten Erfahrungen mit dem Modellprogramm zeigen, daß die Bundesregierung in dem Bestreben, mit eigenen konkreten Leistungen den Ländern und freien Trägern beim Ausbau eines Netzes qualifizierter Beratungsstellen fundierte Erkenntnisse zu vermitteln, nachhaltige Impulse zu geben, auf dem richtigen Wege ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, dieses Programm macht aber auch besonders deutlich, wie unsinnig die Alternative von Herrn von Weizsäcker ist: Selbstverantwortung oder Bevormundungsstaat. Sie ist ebenso demagogisch - ich sage es noch einmal - wie die: Freiheit oder Sozialismus. Was wir tun, ist, Hilfe anzubieten, wo sie gebraucht wird. Wir geben sie in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit freien Trägern, mit kirchlichen Einrichtungen. Wir haben dabei mehr Solidarität von einzelnen und von Gruppen motiviert als je zuvor. Der Spielraum der freien Träger ist ebenso gewachsen wie die Förderung, die sie von uns erhalten. Nachbarschaftshilfe, Bürgerinitiativen gedeihen heute so wie nie zuvor. Die sozialen Berufe und Dienste haben bei der Jugend an Stellenwert gewonnen. Das ist mit ein Erfolg unserer Politik und dessen, was wir versuchen, den Menschen als Lebensqualität näherzubringen. Ihr Bild, wie es Herr von Weizsäcker vom Bürger gemalt hat - ich zitiere die Eigenschaften, die er dabei genannt hat: anfällig, mißgünstig, passiv, anspruchsbewußt und uniformiert -, halte ich für eine arrogante, böse Karikatur der Menschen in unserem Lande. ({5}) Ich weise es ganz entschieden zurück. Unsere praktische, an den heutigen Problemen der Familien orientierte Politik ist besser als die Auseinandersetzung um Familienideologien, die den meisten Familien ohnehin völlig unverständlich sind und an den Bedürfnissen der Familien jedenfalls völlig vorbeigehen. ({6}) Dies gilt auch für die Lösung der Probleme, die sich der Familienpolitik durch das Zusammenfallen elterlicher Berufstätigkeit und Kindererziehung stellen. Der Verbesserung der außerfamiliaren Betreuungsmöglichkeiten dient das mit rund 2 Millionen DM im Haushaltsplan des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit veranschlagte Tagesmüttermodell. Es unternimmt den Versuch, die Bedingungen, unter denen Kinder in Pflegestellen betreut werden, zu verbessern und im Rahmen einer begleitenden Forschung zugleich auch die Qualität der Kinderkrippenerziehung zu untersuchen. Darüber hinaus haben wir natürlich Überlegungen angestellt, wie es Elternteilen ermöglicht werden kann, auf Berufstätigkeit zu verzichten, um sich in den früheren Jahren ihrer Kinder ganz dieser Erziehung widmen zu können. Wir alle in diesem Hause wissen, daß ein Karenzurlaub oder Erziehungsgeld gegenwärtig nicht finanzierbar ist, und sollten, einschließlich der Opposition, den Mut haben, dies auch draußen in der Offentlichkeit genauso zu erklären, statt es zum Gegenstand einer unnötigen ideologischen Auseinandersetzung zu machen. Das Bundesministrium für Jugend, Familie und Gesundheit hat im übrigen auf diesem Felde das unternommen, was im Augenblick untersucht werden kann. Wir haben durch eine repräsentative Befragung die Voraussetzungen zu klären versucht, unter denen eine solche Maßnahme ihr Ziel erreichen würde. Ich werde den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gerne über die Auswertung und ihr Ergebnis unterrichten. Kürzlich ist in der Öffentlichkeit behauptet worden - Stimmen aus der Opposition haben sich dem angeschlossen -, die Bundesregierung habe in den letzten Jahren nicht genug für die Müttererholung getan. Das Gegenteil ist wahr! Die gesamte Förderung aus dem Einzelplan 15, Zonenrandförderungsmitteln, Konjunkturprogrammen hat gerade zwischen 1973 und 1975 erheblich zugenommen. Sie belief sich auf rund 5 Millionen DM, 10 Millionen DM bzw. 7 Millionen DM jährlich gegenüber 3 Millionen DM früher. Auch in diesem Jahre 1976 werden es noch 4,5 Millionen DM sein. Das sind also in den letzten 4 Jahren insgesamt 26 Millionen DM für das Müttergenesungswerk. Wir lassen die Mütter nicht im Stich, und wir lassen auch die Familien keineswegs im Stich. Ich könnte noch viele Aktivitäten nennen, die für die Lebensbedingungen der Familie von elementarer Bedeutung sind: die Schwerpunktförderung des Wohnungsbaues speziell für kinderreiche Familien, die Verbesserung des Mieterschutzes, neue Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, Freistellung zur fünftägigen Pflege eines erkrankten Kindes und die Hilfe bei Krankenhausaufenthalt zur Fortführung des Familienhaushalts, die Modelle für Betreuungsangebote von Kindern aus Familien ausländischer Arbeitnehmer, die gesundheitlichen und sozialen Lebenshilfen, die wir den Familien mit der Aufklärungsarbeit anbieten. Aber meine Zeit ist begrenzt. Ich stelle zusammenfassend fest: die Familienpolitik dieser Koalition hat den Familien im Lande geholfen. In wenigen Jahren ist mehr geschehen als in vielen Legislaturperioden zuvor. Familienpolitik ist ein Schwerpunkt der Politik dieser Bundesregierung durch alle ihre Aufgabenbereiche. ({7}) In unseren jugendpolitischen Zielsetzungen, bessere Erziehungs- und Bildungschancen, und zwar für alle Jugendlichen, ein Aufwachsen ohne materielle Not und in körperlicher und seelischer Gesundheit und mehr Mitwirkungsmöglichkeiten zu schaffen, haben wir unverändert festgehalten. Wir haben diese Ziele weiterverfolgt, auch wenn dies unter erschwerten yolks- und finanzwirtschaftlichen Bedingungen geschehen mußte. Die für den Lebensweg junger Menschen elementare Frage, eine zukunftsträchtige Ausbildung und einen zukunftssicheren Arbeitsplatz zu finden, ist im Rahmen dieser Haushaltsberatungen schon mehrfach diskutiert worden. Die finanziellen Grenzen, an die auch Länder und Gemeinden gerieten, haben ein ganz wichtiges Reformvorhaben hinausgeschoben. Ich meine die Reform des Jugendhilferechts. Ein kabinettreifer Entwurf war fertiggestellt, mußte jedoch mit Rücksicht auf die Haushaltssituation der Länder und Gemeinden zurückgestellt werden. Dies geschah in vollem Einvernehmen mit ausnahmslos allen Ministerpräsidenten, auch denen der von der CDU/CSU-regierten Länder. Deshalb halte ich diesen Punkt für ganz sicher nicht für polemische Auseinandersetzungen geeignet. Wir haben klargemacht, daß dieser Punkt für uns hohe Priorität behält und sofort wieder auf die Tagesordnung kommen wird und soll, sobald die finanziellen Voraussetzungen dafür gegeben sind, sobald vor allen Dingen auch von seiten der Länder und der Gemeinden hierzu irgendein Anstoß oder irgendeine Initiative gegeben wird. Vizepräsident von Hassel: Frau Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Bitte!

Hermann Kroll-Schlüter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Minister, darf ich Sie fragen, wieso Sie z. B. bei der Mehrwertsteueranhebung die Gemeinden mit mindestens 300 Millionen DM mehr belasten und dort, wo es um die Jugend geht, nein sagen?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Ich glaube, die Antwort auf die Frage, wieso die Mehrwertsteuererhöhung notwendig ist, ist gegeben worden. Auf diese Frage haben wir in dieser Legislaturperiode eine gesamtverantwortliche Antwort gegeben. Wir haben hierbei gerade auch - ich wiederhole das noch einmal_- auf die Wünsche ausnahmslos aller Länder und Gemeinden Rücksicht genommen. Vizepräsident von Hassel: Frau Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stahl?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Bitte!

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, daß der CDU/CSU-Antrag im Parlament auf Erziehungsgeld in Höhe von 300 DM pro Monat und Kind bis zum 6. Lebensjahr von uns deshalb abgelehnt worden ist und die CDU/ CSU ihn wohl zurückgestellt hat, weil die Finanzlage des Bundes nicht besonders rosig ist, und deshalb die jetzige Frage des Kollegen Kroll-Schlüter woanders und zu einem anderen Zeitpunkt gestellt werden sollte?

Dr. Katharina Focke (Minister:in)

Politiker ID: 11000564

Ich versuchte soeben, ihm das zu sagen. Ich habe im übrigen anerkannt, daß der Antrag mit dem Erziehungsgeld hier aus einer gewissen Einsicht zurückgenommen worden ist. Um so weniger kann ich natürlich verstehen, daß er jetzt in der Form, wie das geschieht, im CDU-Wahlprogramm dennoch wieder auftaucht. ({0}) Ich muß versuchen, meine Ausführungen zu konzentrieren. Ich komme auf das wichtigste Förderungsinstrument für die Jugend: den Bundesjugendplan. Wir haben ihn seit 1969 sowohl finanziell stark ausgebaut als auch inhaltlich weiterentwickelt. Von 1969 bis 1976 ist das Mittelvolumen des Bundesjugendplans von 73,5 Millionen DM auf rund 146,7 Millionen DM angehoben worden. Das entspricht einer Steigerung von nahezu 100 °/o. Neben der Förderung der allgemeinen, politischen kulturellen, sportlichen Bildung haben wir neue Schwerpunktprogramme für solche Jugendliche geschaffen, die zum Ausgleich individuell oder gesellschaftlich bedingter Benachteiligungen der besonderen Hilfe bedurften. Hierzu gehört die Hilfe für lernbehinderte, für berufsunreife, für arbeitslose Jugendliche. Zur Lösung des brennenden Problems der Jugendarbeitslosigkeit sind gezielte Maßnahmen zur Bildungs-und zur Arbeitsmarktpolitik notwendig. Darüber haben wir an anderer Stelle schon gesprochen. Insbesondere ist natürlich die Verabschiedung der Berufsbildungsreform zu erwähnen, über die jetzt gleichzeitig und parallel zur heutigen Beratung eine so wichtige Entscheidung im Bundesrat fällt. Die Jugendarbeit muß jedoch mit ihren Möglichkeiten dazu beitragen, daß diesen Jugendlichen ergänzende Bildungsangebote und Hilfen gemacht werden. Weitere neue Schwerpunktprogramme dieser Art zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen beziehen sich auf die Jugendarbeit mit Behinderten, auf die Kinder ausländischer Arbeitnehmer, auf Hilfen zur Eingliederung jugendlicher Zuwanderer, wobei ich insbesondere auf die gesteigerten Anstrengungen für jugendliche Zuwanderer aus Polen hinweisen möchte. In der 27jährigen Geschichte des Bundesjugendplans wird es im übrigen zum erstenmal von dieser Bundesregierung versucht, in den Perspektiven zum Bundesjugendplan eine programmmatische Konzeption für die Weiterführung des Bundesjugendplans zu entwickeln. Diese Konzeption soll den Jugendlichen und ihren Organisationen nicht etwa von oben herab aufgepfropft werden. Sie wird vielmehr in Diskussion und partnerschaftlicher Auseinandersetzung mit den Jugendverbänden und den Trägern der Jugendhilfe erarbeitet. Ich bin überzeugt, daß am Ende der zweiten Diskussionsrunde eine gute Basis für die Fortentwicklung des Bundesjugendplans gegeben sein wird. Was im Hinblick auf die Erziehungsbedingungen junger Menschen in der Familie alles geschehen ist, habe ich bereits dargelegt. Die Bundesregierung hat die Entscheidungs-, Mitwirkungs-, Mitverantwortungschancen weiter ausgebaut, und zwar durch die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters - nach der des Wahlalters - genauso wie durch den Ausbau der Rechte der Jugendvertretungen nach dem Personalvertretungsgesetz wie zuvor durch das Betriebsverfassungsgesetz. Wir haben das Gesetz über das freiwillige soziale Jahr novelliert und damit für das Engagement junger Menschen in der Sozialarbeit bessere Bedingungen geschaffen. Ich wiederhole es noch einmal: Das Engagement junger Menschen in der Sozialarbeit ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. ({1}) Schließlich haben wir den Kampf gegen die Gefährdung junger Menschen durch Drogen, insbesondere auch durch Alkoholmißbrauch, fortgeführt und intensiviert, und zwar durch ein ganzes Netz von Beratungsstellen und gezielter Information. Auch im Bereich der internationalen Jugendpolitik gibt es eine positive Leistungsbilanz. Wir haben gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode eine Strukturreform des Deutsch-Französischen Jugendwerks durchgeführt. Wir haben die Verwaltung um 25 °/o gestrafft und die Durchführung der Programme qualitativ verbessert. ({2}) Wir haben erreicht, daß unter gewissen Voraussetzungen jetzt auch Teilnehmer aus anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft an den Programmen des Deutsch-Französischen Jugendwerkes beteiligt werden können. Der internationale Jugendaustausch ist überhaupt erweitert und qualitativ verbessert worden. Wir sorgen beim internationalen Austausch - z. B. auch bei den deutsch-französischen Programmen - dafür, daß vermehrt junge Berufstätige und auch Behinderte an solchen Programmen teilnehmen können. Die Ostpolitik der Bundesregierung trägt im Hinblick auf eine erleichterte Zusammenarbeit mit osteuropäischen Ländern auch auf diesem Felde des Jugendaustauschs Früchte. Auf der Ebene des Europarates ist das Europäische Jugendwerk, das auf einer Initiative und erheblichen finanziellen Beiträgen der Bundesrepublik beruht, nach der Anlaufphase nun zu einer bewährten Dauereinrichtung geworden. Am Schluß dieses Teils über die Jugendpolitik möchte ich gern noch einige grundsätzliche Worte sagen. In der Jugendpolitik beweist sich die Liberalität eines Staates und einer Gesellschaft. Jugendförderung ist für uns kein Mittel zur Disziplinierung. Zur politischen Bildung, die wir unterstützen, gehören die Einübung in die Demokratie, die Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden, ja, auch mit Gegnern unserer Gesellschaftsordnung. Dazu bedarf es eines weiten Freiheitsraumes. Gerade für junge Menschen dürfen die Grenzen nicht zu eng gezogen werden. Diskussionen über die Ordnung, in der wir leben, und darüber, wie sie weiterentwickelt werden kann, dürfen nicht abgewürgt werden. Wir wollen keinen Zwang zu Anpassung und Konformismus. Um eine Gesellschaft, die es nicht ertragen kann, in Frage gestellt zu werden, wäre es schlecht bestellt. ({3}) Auf der anderen Seite sind wir natürlich sorgsam darauf bedacht, daß die Förderungswürdigkeit eines Verbandes gemäß § 9 Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes gegeben sein muß, wenn er aus dem Bundesjugendplan finanziert wird. Die Entscheidung darüber, ob ein Jugendverband die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet, machen wir uns aber alles andere als leicht. Die Aberkennung der Förderungswürdigkeit kann nur das letzte Mittel sein, dem sorgfältige Klärungen, Beobachtungen, Gespräche mit den jungen Menschen und eine gewisse Zeit des Abwartens, in der für den jeweiligen Verband die Chance gegeben ist, sich womöglich eines Besseren zu besinnen, vorausgehen müssen. Dies ist ein Punkt, an dem sich beweist, wie ernsthaft man es mit seinen Beschwörungen der Freiheit meint. ({4}) Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung der sozialliberalen Koalition war und ist schließlich das dritte Feld des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, die Gesundheitspolitik, eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges. In den letzten Jahren sind entscheidende Fortschritte gemacht worden. Mein Kollege Walter Arendt hat dies heute vor mir in einer Reihe von Punkten dargestellt. Ich füge einige Beispiele aus dem Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit hinzu. Ein größerer Schutz unserer Bürger vor Gesundheitsgefahren ist durch eine Reihe von Gesetzen geschaffen worden. Ich greife die erst in der letzten Woche in zweiter und dritter Lesung behandelte Arzneimittelrechtsreform heraus. Sie wird die Arzneimittelsicherheit erheblich erhöhen. Sie wird dafür sorgen, daß der Arzneimittelverbraucher in Zukunft sehr viel besser informiert ist, auch daß einmal zugelassene Mittel sehr viel strenger beobachtet werden. Sie wird darüber hinaus bei dennoch eintretenden Schäden den wirtschaftlichen Schutz der Geschädigten sicherstellen. Das Gesetz bringt, wie ich betone, auch dem Arzt größere Transparenz und läßt zugleich der Therapiefreiheit vollen Raum. Durch die Gesamtreform des Lebensmittelrechts wird der Verbraucher vor möglichen gesundheitlichen Gefährdungen durch Lebensmittel, vor Täuschung und Irreführung erheblich besser geschützt. In der immer wieder entstehenden Konfliktsituation zwischen wirtschaftlichem Nutzen und Gesundheit der Menschen hat sich die Reform des Lebensmittelrechts praktisch als eine Entscheidung für den Vorrang der Gesundheit erwiesen. Wir sind dabei, das Gesetz selber durch eine Reihe von Verordnungen noch mehr für die Menschen zu aktivieren. Diese und andere Maßnahmen für einen besseren gesundheitlichen Schutz unserer Bürger muß man natürlich im Zusammenhang mit der Umweltschutzgesetzgebung der sozialliberalen Koalition und auch z. B. mit den Maßnahmen für eine gesundheitsgerechtere Gestaltung der Arbeitsbedingungen sehen. Durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die Bundespflegesatzverordnung wiederum wurden die Finanzierung und Planung unseres Krankenhauswesens auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Meine Damen und Herren, dies ist eine Grundlage, um die uns andere Länder beneiden. Bund und Länder haben seit 1972 insgesamt 10,5 Milliarden DM an Finanzhilfen für Investitionen der Krankenhäuser aufgebracht. Damit ist der lange zurückgestaute, notwendige Neubau ermöglicht worden. Überalterte Bausubstanz konnte ersetzt werden. Medizinisch-technische Einrichtungen wurden verbessert. Vor allen Dingen wurden auch die früheren finanziellen Defizite der Krankenhausträger abgebaut. Mit dem Bericht über die Auswirkungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, d. h. über unsere Erfahrungen in den ersten drei Jahren damit, hat die Bundesregierung eine Bilanz der positiven und negativen Erfahrungen offengelegt und Vorschläge gemacht, wie die Steuerungsinstrumente, die wir eigentlich schon haben - die Krankenhausbedarfsplanung, die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, die Art, wie die Kosten ermittelt werden, nach denen die Pflegesätze festgelegt werden -, besser als bisher ausgeschöpft werden können. Im übrigen sind wir mit den zum Teil außerordentlich schwierigen Verordnungen, die eine sehr intensive Abstimmung mit allen Beteiligten erfordern, ein erhebliches Stück weitergekommen. Zusammen mit den Ländern und allen Beteiligten hat die Bundesregierung für das Gesundheitswesen insgesamt - hier spreche ich jetzt aber insbesondere vom stationären Bereich - Maßnahmen ergriffen und nicht nur davon geredet, die zur Dämpfung der Kostenentwicklung beitragen. Während wir dabei sind, meine Damen und Herren von der Opposition, nüchtern, in zäher Kleinarbeit, in vielen Gesprächen, gerade auch mit den Trägern der Selbstverwaltung - das gelungene Beispiel der Begrenzung des Kostenanstiegs im ambulanten Bereich ist heute morgen schon erwähnt worden , das Kostenproblem in den Griff zu bekommen, erlebe ich von seiten der Opposition ständig neue Zahlengebäude und den Versuch, auch hier einen Katastropheneffekt zu erhaschen. Die Opposition versucht damit nur zu verdecken, daß sie sich bisher eben nicht zu eigenen Vorschlägen hat durchringen können. Die könnten ja jemandem wehtun. ({5}) Auch in dem Entwurf einer Wahlplattform habe ich nur den lapidaren Satz gefunden, daß Sie eine Reihe geeigneter Maßnahmen ergreifen wollen. ({6}) Welche, fragt sich der Leser vergebens. ({7}) Aber ich kann Ihnen einen ganz konkreten Vorschlag machen. Ich kann Ihnen vorschlagen, daß z. B. im Lande von Herrn Kohl durch den Einsatz von Herrn Geißler versucht wird, das gute Beispiel nachzuahmen, das der Kollege Horst Schmidt im Lande Hessen für das Jahr 1975 schon geschaffen hat. Dort sind nämlich durch die konsequente AnWendung der bestehenden Instrumente für die Pflegesatzentwicklung diese Sätze nur noch um 6 % gestiegen, in Rheinland-Pfalz leider um beinahe das Doppelte. ({8}) Dies wäre ein sehr konkreter Beitrag, der zum Beispiel zu diesem so wichtigen Punkt der Kostenbegrenzung in einer Wahlplattform der CDU durchaus auch Erwähnung finden könnte. ({9}) Wir haben - ein Punkt, den ich trotz der vorgerückten Zeit nicht außer acht lassen möchte - in einer Frage, bei der, glaube ich, die Solidarität in unserer Gesellschaft ganz besonders angesprochen ist, in dieser Legislaturperiode wenigstens eine Bestandsaufnahme, Vorschläge und erste Schritte zu konkreten Maßnahmen geschaffen; ich meine den Bereich der psychiatrischen Versorgung. ({10}) - Dies war eine gemeinsame Initiative, ({11}) und es ist zustande gekommen durch die Arbeit der Enquete-Kommission in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. ({12}) Wir haben festgestellt, wie die Situation aussieht, wie groß der Nachholbedarf ist, ({13}) und wir haben vor allem eines getan: Wir haben den Bericht der Enquete-Kommission an die Länder weitergereicht. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen sehr gut, daß fast alles, was hier geschehen muß, Zuständigkeit und Verantwortung der einzelnen Bundesländer ist, ({14}) aber wir versuchen zugleich, hier durch Modellvorhaben auch aus unserem Einzeletat zu helfen, und für gesundheitliche Modellaktionen stehen deshalb im Einzelplan 15 für das Jahr 1976 31/4 Millionen DM. Schließlich noch ein letztes Wort zur Gesundheitserziehung, Aufklärung und Beratung über das, was jeder einzelne persönlich für seine Gesundheit tun kann. Sie besitzen für diese Koalition einen hohen Stellenwert, sie sind in unseren Augen für moderne Gesundheitspolitik genauso wichtig wie staatliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes oder der Ausbau der Gesundheitsversorgung durch Staat und Selbstverwaltung. Sie können allerdings letzteres nicht ersetzen. Wir brauchen dazu keine Ermahnung, meine Damen und Herren von der Opposition. Wer hat denn - wenn ich daran auch noch einmal erinnern darf - eigentlich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dieses dafür so entscheidend wichtige Instrument, geschaffen? ({15}) Es war die sozialdemokratische Gesundheitsministerin Käte Strobel, und ich danke ihr dafür. ({16}) Zur Verbesserung der dringend notwendigen gesundheitlichen Aufklärung der Bevölkerung wurden die Gesamtaufwendungen für diesen Bereich von 5,3 Millionen DM im Jahre 1972 auf rund 13 Millionen im Haushaltsansatz 1976 gesteigert. Aber - und das haben wir ja eben hier wieder gehört - das wird von der Opposition dann wiederum als Regierungspropaganda verdammt. Der Erfolg unserer Kampagnen - gegen Rauchen, Alkoholmißbrauch, falsche Ernährung, für mehr Bewegung, ({17}) unsere Informationen über die Probleme von behinderten Mitbürgern, über Familienplanung, über soziale Hilfen für Schwangere - kann man unter anderem daran ermessen, daß inzwischen wöchentlich 20 000 Einzelanforderungen an die Bundeszentrale gehen - neben der riesigen sonstigen Verteilung durch eine Reihe von Gruppen, die sich hier sehr aktiv beteiligen. In mehr als 30 000 Schulen in der Bundesrepublik Deutschland werden jetzt Unterrichtshilfen angewandt, die dort entwickelt worden sind. Als besonders positiv möchte ich die Kooperation mit der Ärzteschaft herausstellen. Die „Aktion Wartezimmer führt dazu, daß jetzt mehr als 10 000 Ärzte das Informationsmaterial in ihren Wartezimmern für die Patienten auslegen. Die betriebene gesundheitliche Aufklärung richtet sich an Jugendliche, an junge Familien, an alle, die gesundheitlich besonders gefährdet sind, an Kranke, an Behinderte, an Eltern, an werdende Mütter, an alte und pflegebedürftige Menschen, also an alle diejenigen, die auch sonst zu der Gruppe derer gehören, um die sich das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ganz besonders zu kümmern hat. Der Ihnen zur Abstimmung vorliegende Haushaltsplan ist so bemessen, daß wir diese Aufgaben trotz erheblicher Einsparungen - auch bei uns -, über die wir nicht glücklich sein können, die wir jedoch für unumgänglich hielten, erfüllen können, Aufgaben, die erfüllt werden müssen, wenn wir nicht diejenigen vernachlässigen wollen, die ihre Interessen nicht so sehr aus eigener Kraft durchsetzen können. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe deshalb sehr wenig Verständnis dafür, daß Sie dem Einzelplan 15 Ihre Zustimmung verweigern wollen. ({18}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, zu diesem Einzelplan liegen insgesamt noch drei Wortmeldungen vor. Ich möchte die Rednerinnen und Redner bitten, sich möglichst an eine knappere Zeit zu halten, weil wir sonst mit unserer Gesamttagesordnung nicht fertig werden. ({19}) Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wex.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich gern an Ihre Mahnung halten. Aber die Frau Ministerin hat hier gerade Ihre Rede beendet. Es wäre dringend nötig, daß wir uns mal zusammentäten, um zu erreichen, daß die Fragen Jugend, Familie und Gesundheit nicht nur am Ende einer solchen Debatte behandelt werden. ({0}) Denn wir können ein paar dieser wichtigen Fragen - das gilt natürlich verständlicherweise für alle, die jetzt eine besondere Verpflichtung haben - nicht in dieser Schnelligkeit besprechen und verabschieden. Das war ein freundliches Angebot von mir. Ich meine, das wäre auch eine politische Aussage, wenn wir daraus Konsequenzen zögen. Das Erstaunliche an der familienpolitischen Debatte des heutigen Tages ist für mich, daß die familienpolitischen Leitsätze der CDU im Mittelpunkt der Debatte gestanden haben. ({1}) Da gehören sie natürlich auch hin. ({2}) Was für ein Unterschied: Auf der einen Seite dieses Konzept, auch wenn es sich nur um Leitsätze handelt; auf der anderen Seite haben wir ein ganzes Ministerium vor uns, das kein Konzept anzubieten hat. Das sehen wir auch in den Auswirkungen. Aber da schon gestern Herr Minister Friderichs und Herr Ehrenberg auf Anfrage diese familienpolitischen Leitsätze in die Diskussion eingeführt haben, muß ich ein paar Dinge zur Richtigstellung dazu sagen. Erstens steht darin: „Dabei ist die erste Voraussetzung für eine optimale Familienpolitik, daß Arbeitslosigkeit und Inflation abgebaut werden. Damit wird der Familie direkt und indirekt am besten geholfen." ({3}) Dann: „Die dauerhafte Sicherung des wirtschaftlichen Aufschwungs und die Gesundung der Staatsfinanzen sind unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung der von der CDU konzipierten Familienpolitik. Jetzt kommt das Wichtigste: „Die familienpolitischen Vorschläge fügen sich in das gesellschaftspolitische Gesamtkonzept der CDU ein, nämlich: die Staatsausgaben effektiver einzusetzen, sie umzustrukturieren, um neue Akzente und Prioritäten zu setzen." Das kann man nur, wenn man ein Konzept hat. ({4}) „Die Familienpolitik bietet ein gutes Beispiel dafür, daß der Sozialaufwand wirtschaftlich sinnvoller und humaner im Sinne einer Selbsthilfe eingesetzt werden kann." Meine Damen und Herren, wir sind eben der Meinung, nur innerlich und äußerlich starke Familien, sichere Familien können die Ausweitung des Staatshaushalts auf die Dauer wirksam verhindern. Dies alles können Sie doch nicht bestreiten, auch nicht, was dann folgt: In einem mittelfristig wirksamen Stufenprogramm ist im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Staates die wirtschaftliche Benachteiligung der Familie zu beseitigen. ({5}) Es ist billiger, Frau Lüdemann, und menschlicher, die Funktionsfähigkeit der Familie zu stärken, als Aufgaben der Familie Institutionen wie Heimen und Tagesstätten für Kleinkinder zu übertragen. ({6}) Wir wissen, daß ein Heimplatz heute 1 800 DM im Monat kostet. Wir möchten dieses Geld zunächst einmal den leiblichen Eltern anbieten, insbesondere jungen Ehepaaren, die aus finanziellen Gründen, besonders auch wegen Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik, gezwungen sind, arbeiten zu gehen, auch wenn sie kleine Kinder zu Hause haben. ({7}) Dies alles - das können Sie doch nicht bestreiten - ist ein ideenreiches Programm und ist eine realistische Politik, die Sie unterstützen müßten, wenn Sie wirklich den Familien helfen und nicht mit Worten verbrämen wollen, daß Sie die Institution Familie auf die Dauer für eine überholte Angelegenheit halten. Meine Damen und Herren, wir können doch nicht aufhören, Politik für die Zukunft zu machen, nachdem durch Ihre schlechte Wirtschafts-und Finanzpolitik die Kassen dieses Staates leer geworden sind. Hier fängt das Nachdenken über die Zukunft auch für die Opposition erst richtig an. Was sagen Sie denn zu Ihrem Bundeskanzler, ({8}) der in seinem Regierungsprogramm, und zwar in seinem „Anspruchsprogramm" für die Jahre 1976 bis 1980, z. B. den Ausbau der Ganztagsschulen angekündigt hat? ({9}) - Wir haben ja nichts dagegen, Sie sollen nur nicht mit zweierlei Maß messen. Wenn wir Zukunftsaussagen machen, so bestimmen wir damit die Richtung, die wir mit unserer Politik ansteuern. ({10}) Alle Redner haben von dem Erziehungsgeld gesprochen. Das Schwergewicht der Aussage liegt hier nicht auf dem Geld, sondern auf der Stärkung der Erziehungskraft der Familien. Wenn Sie das gut finden, meine Damen und Herren, dann legen Sie das doch einmal einem Ihrer Parteigremien vor. Sie würden nie eine Zustimmung bekommen, weil Sie sich gerade bei diesen Fragen in allen Flügel auseinanderemanzipieren würden. ({11}) Es geht Ihnen doch gar nicht um das Geld. Für Dinge, die weitaus weniger wichtiger waren, haben Sie sinnlos Geld ausgegeben. Sie wollen diese Richtung nicht, und was Sie wirklich wollen, steht in den Rahmenrichtlinien von Hessen, NordrheinWestfalen und Niedersachsen. ({12}) Frau Focke, Sie haben hier eine Bilanz vorgelegt, bei der man gegenüber dem, was heute im Lande vor sich geht, schon ziemlich unempfindlich sein muß, um das noch als Erfolg zu verkaufen. Die jungen Menschen warten immer noch auf ein modernes Jugendhilferecht, ein Gesetz, das die Bundesregierung einmal vorrangig behandeln wollte. Die Familien sehen sich im Stich gelassen, denn die hier gepriesene und von uns unterstützte Kindergeldreform kann nicht verdecken, daß das Niveau des Familienlastenausgleichs insgesamt unter das Niveau von 1964 zurückgefallen ist. ({13}) - Meine Damen und Herren, wir könnten hier viel besser diskutieren, wenn wir ein bißchen mehr Zeit hätten. Der Entscheidungsspielraum der Frauen - ich weiß, was ich damit jetzt sage -, soweit er von Ihrer Politik abhängig war, ist enger geworden, denn noch nie war die Zahl der weiblichen Arbeitslosen prozentual so hoch wie heute. ({14}) - Machen Sie doch einmal einen Entwurf und bestreiten, daß es noch nie so viel Unbeweglichkeit für Frauen gab, die gerne berufstätig sein wollen, es in einer Zeit der Arbeitslosigkeit heute aber nicht können. ({15}) Die eigenständige soziale Sicherung aller Frauen erleidet das Schicksal aller Reformen dieser Bundesregierung. Sie verläuft im Sande, enttäuscht die Gutgläubigen und macht damit auch einen großen Elan in dieser Bevölkerung zunichte, der für eine zukunftsorientierte Politik dringend notwendig ist. Zur Gesundheitspolitik ist von der Bundesregierung in den letzten Jahren kein Vorschlag gekommen, der geeignet gewesen wäre, dieses Gebiet langfristig zu sichern. Es gab widersprüchliche Aussagen prominenter Politiker, Ärztebeschimpfung überall. Meine Damen und Herren, einmal sind die Beamten schuld an vielen Entwicklungen, ein andermal die Ärzte, nur niemals diese Bundesregierung, die eigentlich für die Politik in diesem Lande verantwortlich ist. Seit vier Jahren fehlen Verordnungen zum Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie Ausführungsbestimmungen zur Bundespflegesatzverordnung. Beim Jugendalkoholismus gehen die Zahlen nach oben. Ich empfand es als eine unglaubliche Unverfrorenheit von Herrn Sperling, zu sagen, ({16}) das Arzneimittelgesetz - ich habe mir das wörtlich aufgeschrieben, Herr Sperling - wäre auch ohne die Opposition verabschiedet worden. Das glauben wir wohl; aber die Naturheilmittel wären damit auf der Strecke geblieben. ({17}) Es gibt kein Konzept der Familienministerin. Ich erinnere daran, daß wir wesentliche Stellungnahmen zu wichtigen Gesetzen nicht gehört haben, daß dieses Ministerium z. B. zum neuen Ehe- und Familienrecht nichts Entscheidendes beigetragen hat. Auch die Kindergeldreform ist kein ernsthaftes Argument gegen diese Feststellung; denn diese Reform ist durch die Inflationspolitik der Regierung weithin aufgehoben worden. Unter dieser Bundesregierung sind viele Familien mit mehreren Kindern an den Rand unserer Gesellschaft gedrückt worden. Dies kann den Rückschritt in der Familienpolitik nur noch näher bezeichnen. Es kommt folgendes hinzu. Es sind nicht immer nur finanzielle Dinge, die bei einem solchen Haushalt eine Rolle spielen, sondern wichtig ist auch die Atmosphäre, in der dieser Haushalt vorgelegt und durchgeführt wird. ({18}) Der Familie mit mehreren Kindern fehlt es heute an gesellschaftlicher Anerkennung. Aber die Bundesregierung vernachlässigt den Schutz und die Förderung solcher Familien seit Jahren. Sie hat zugesehen, wie unser Staat immer kinderfeindlicher wurde. Appelle reichen nicht aus. Auch Klagen darüber, was alles heute notwendig ist, reichen nicht aus. Die Kinderfeindlichkeit besteht zum großen Teil im Atmosphärischen, im mangelnden Zutrauen in die Zukunft dieses Landes. Ein großer Teil der jungen Frauen und jungen Ehepaare bekommt nicht etwa deswegen keine Kinder, weil sie zu bequem sind, sondern weil sie Angst davor haben, was heute aus den Kindern in dieser Gesellschaft wird. Die Geburtenrate der Bundesrepublik hat einen Stand erreicht ({19}) - wenn Sie eigene Kinder haben, weiß ich nicht, warum Sie das bestreiten -, die sie an das Ende der Liste aller vergleichbaren Länder verweist. Dazu kommt, daß sich der Prozeß der Überalterung in unserem Lande beschleunigt. Wenn keine Änderung eintritt, ist bereits heute abzusehen, daß die aktive, im Arbeitsprozeß stehende Generation so stark abnehmen wird, daß selbst die Erhaltung des Volkseinkommens aufs höchste gefährdet und auf reales Wachstum kaum zu hoffen ist. ({20}) Die zwangsläufige Folge - Sie wollen doch eine Arbeitnehmerpartei sein - wäre, daß die Erwerbstätigen - und das muß Ihnen doch auch zu denken geben - nur dann ihren Aufgaben und Pflichten gegenüber den alten und nicht erwerbstätigen Menschen gerecht werden können, wenn ihnen noch größere Opfer abverlangt werden. Nach Auffassung der CDU/CSU ist es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, daß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Generationen erhalten und die Belastung des im Arbeitsprozeß stehenden Bevölkerungsteils zumutbar bleibt. ({21}) Familienpolitik ist keine Bevölkerungspolitik. Das betont die zuständige Ministerin dauernd. Aus ihrem Munde ist das mehr als peinlich, wenn sie es lediglich feststellt, anschließend den Kopf in den Sand steckt und sich von den Problemen überraschen läßt. Mit ideenreicher Politik hat das nichts zu tun. ({22}) Die Folgen für die Familien sind bereits schlimm genug. Natürlich ist die Familienpolitik eine Politik zugunsten der Bevölkerung, ebenso wie eine sinnvolle Vermögenspolitik oder eine gute Wirtschaftspolitik. Das sollte doch ganz emotionslos gesehen werden. Die Probleme der Zukunft aber dürfen doch nicht durch Untätigkeit noch verschärft werden. ({23}) Die Bundesregierung verschließt sich den akuten Problemen in diesem Lande. Bereits seit mehreren Jahren gehört die Arbeitslosigkeit zu den Problemen, unter denen die betroffenen Familien in einem überdurchschnittlichen Maße zu leiden haben. Neben den materiellen stellen sich psychische Schwierigkeiten ein, und meist ist es doch die Frau, die es mit diesen extrem schwierigen Situationen zu tun hat. Das ist eine Herausforderung auch an eine aktive Familienpolitik. Die Antwort des zuständigen Ministeriums aber bestand eigentümlicherweise z. B. in der Kürzung der Mittel für das Müttergenesungswerk - das, was Sie, Frau Focke, hier gesagt haben, hat sich doch nur auf bauliche Maßnahmen bezogen und gar nicht z. B. auf die notwendigen Kuren , eine Organisation, die sich beispielhaft der überlasteten Mütter annimmt. Dieser Umgang mit einer Einrichtung der freien Träger zeigt einmal mehr, daß die Gruppen, die nicht über eine mächtige Verbandslobby verfügen, bei dieser Regierung denkbar schlecht aufgehoben sind. ({24}) Betroffen sind vor allem Arbeiterfrauen, Mütter von zwei, drei oder vier Kindern und Mütter, die durch die doppelte Belastung in Haushalt und Beruf besonders beansprucht werden. An einem solchen Beispiel wird so recht deutlich, was Sozialdemokraten meinen, wenn sie in ihrer Wahlplattform formulieren: Sozialdemokraten wissen den unverzichtbaren Beitrag zu schätzen, den die Wohlfahrtsverbände und die Kirchen in der Bundesrepublik in der Sozialarbeit erbringen. Solche Hintergründe müssen die Bürger wissen, um diese Wahlplattform richtig würdigen zu können. Die Politik der Bundesregierung engt die Freiheit der betroffenen Bürger und der freien Träger in einem Ausmaß ein, das sich gegen die Interessen der Bürger wendet. So wie die Bundesregierung in diesen Fragen versagt hat, so versagt sie in den Fragen der Erziehung in Elternhaus und Schule. Wir sehen jetzt überall Reformer durch die Lande ziehen, die erzählen, die Schule habe unsere Kinder krank gemacht. Meine Damen und Herren, diese sachfremden Reformer haben zuerst einmal unsere Schule krank gemacht und dann durch Aufhetzung der Kinder durch Rahmenrichtlinien auch noch die Familien. ({25}) Das ist doch der Zusammenhang in dieser Sache. ({26}) Hier hätten wir von der Familienministerin wirklich einmal ein Angebot erwartet, sich mit den Kultusministern der Länder über diese Fragen zusammenzusetzen, um eine Konzeption zu erarbeiten, die auch der Sorgfaltspflicht gegenüber den Familien gerecht wird. Sie wissen, daß es eine Aussage von Herrn Nipperdey, einem Mitglied der SPD, gibt: Es geht um die Auflösung einer personalen Bindung durch Soziologisierung, und zwar mit pädagogischen Mitteln, mit dem totalen Informations- und Machtanspruch der Schule, wie sie bisher nur vom Nationalsozialismus und Kommunismus bekannt waren. Wenn der verantwortliche Minister zu solchen massiven Angriffen gegen die Familie schweigt, dann muß er sich fragen lassen, ob er nicht vielleicht doch mit solcher Grundrichtung der Politik einverstanden ist, die die Familie nicht als Chance, sondern als Gefängnis unserer Gesellschaft begreift. Das halte ich für die denkbar schlechteste Vertretung der Interessen der Familie in unserem Land. Eine solche Politik nimmt die Verantwortung für die Familien in unserem Land nicht ernst. Ernst nimmt diese Regierung hingegen die Reform der Familien, um so die Grundlage für gesellschaftsverändernde Reformen zu schaffen. ({27}) Bundesregierung und SPD beschwören in Worten die herausgehobene Stellung der Familie. Die Taten aber sind genau anders. So wird folgerichtig im Regierungsprogramm 1976 bis 1980 formuliert: „Das Grundgesetz hat die Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Das gilt auch für die Erziehung der Kinder durch die Familie." Wer könnte dem nicht zustimmen? Nur, was wir erwarten, ist, daß etwas für die Erziehung der Kinder in der Familie getan wird. Laut diesem Regierungsprogramm soll etwas für die Erziehung der Kinder außerhalb der Familie getan werden: Tagesstätten, Kindergärten, Ganztagsschulen. Folgt man der SPD, so heißt das Motto: Die Erziehung der Kinder in der Familie findet am besten außerhalb der Familie statt. Wir dagegen sagen: Jedes Kind hat das Recht auf seine Familie - und nicht auf irgendeine Familie, die die alten Strukturen ersetzt. ({28}) Wir haben in den letzten Jahren erlebt, was man alles unter „Demokratisierung" und „Fortschritt" in der Interpretation durch diese Bundesregierung zu verstehen hat. Wir sehen vor allem: In der Stellungnahme der Bundesregierung zum Familienbericht wird einer undifferenzierten Demokratisierung der Familie das Wort geredet. Es wird schlicht behauptet, das Grundgesetz sei offen für die unterschiedlichsten familienpolitischen Zielvorstellungen. Lapidar formuliert sie: Es ist offen für den Fortschritt - wobei sie sich freilich um die Frage, worin denn dieser Fortschritt besteht, überhaupt nicht mehr kümmert. Das Entscheidende ist - und damit komme ich zum Abschluß -: für die Familienpolitik dieser Bundesregierung heißt das: Die Familie wird zu einer öffentlichen Veranstaltung erklärt. Ihre Funktionen werden folgerichtig am besten vom Staat wahrgenommen. Dem Bürger wird dieses Konzept als ein Zuwachs an persönlicher Freiheit angeboten. Aber schwächere, weniger belastbare Familien werden die Folge sein. Hier trifft sich die Bundesregierung in ihrer Politik mit den Hauptströmungen des 2. Familienberichts. Denn auch dort wird die Familie als eine öffentliche Einrichtung gesehen, deren Funktionen am wirkungsvollsten vom Staat wahrgenommen werden können. Auch die Bundesregierung verfährt ja seit langem nach der Methode, einseitig die Probleme der Familie darzustellen, die positiven Leistungen hingegen hintanzustellen. Auf so eine Weise wird hier eine systemändernde Bewußtseinsbildung betrieben. Wir aber wollen, daß die Familie Zufluchtsort und Startbasis der Menschen bleibt und nicht zu einer Sozialisationsveranstaltung funktionierender Glieder wird. Nach unserer Auffassung von Familienpolitik muß an erster Stelle die Frage stehen, wie die Funktionsfähigkeit der Familie politisch abgesichert werden kann, und nicht die Frage, wie man die Familie von ihren Funktionen befreien kann. Es ist ein großer Fehler, Familienpolitik allein vor dem Hintergrund von Emanzipationstheorien zu entwikkein; denn dann wird das bald offizielle Politik sein, was die SPD München zu diesem Themenkomplex vor einigen Wochen formuliert hat: Die Beschränkung der Frauen auf den häuslichen Bereich ist eines der wirksamsten Instrumente der Herrschaftssicherung und trägt dazu bei, die Chancen einer neuen Gesellschaft zu verschlechtern. ({29}) Diesen Weg können wir nicht mitgehen; denn die Zerstörung der freien Gesellschaft beginnt mit der Zerstörung der Familie. ({30}) Aus diesen vorgetragenen Gründen ({31}) lehnen wir diesen Haushalt, der nach unserer Ansicht für eine falsche Politik dieser Regierung steht, ab. ({32}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, bevor wir in der Aussprache fortfahren, möchte ich folgendes feststellen. Insgesamt liegen noch drei Wortmeldungen vor. Wir können daher davon ausgehen, daß die Abstimmung über das Haushaltsgesetz - es ist namentliche Abstimmung angekündigt worden - zwischen 14.45 und 15 Uhr stattfindet. Das wird jedoch nur gelingen, wenn wir uns alle bemühen, Ruhe zu bewahren; dann geht es etwas flüssiger. Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers ({33}).

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme, drei Vorbemerkungen. Erstens. Ich habe den Eindruck, daß die Ausführungen der sehr verehrten Frau Kollegin Wex auf der gleichen Linie bzw. auf der gleichen Nichtlinie lagen wie die Gesamtdebatte der CDU/CSU und deren Programmatik; denn sie waren voller Widersprüche und ohne jegliche Klarheit. ({0}) Zum zweiten möchte ich feststellen: Es muß ein eigentümlicher Zufall sein, daß die familienpolitischen Leitsätze der CDU, die gestern veröffentlicht wurden, in dieser Debatte eine Rolle spielen. Allerdings müssen wir dabei auch feststellen, daß wieder einmal keine Bereitschaft bestanden hat, weder bei Herrn Biedenkopf, der die Leitsätze veröffentlicht hat, noch im Parlament, Antworten auf die Frage zu, geben, wo Abstriche gemacht werden sollen, um dieses Programm, das in einigen Passagen durchaus auch sozialdemokratische Vorstellungen beinhaltet, verwirklichen zu können. ({1}) - Darauf komme ich später noch zurück. Zum dritten möchte ich feststellen: Das Regierungs- und Wahlprogramm der SozialdemokratiFrau Eilers ({2}) sehen Partei beschäftigt sich selbstverständlich mit der Familie und mit den Hilfen, die Familien zur Verfügung gestellt werden müssen. Aber sehen Sie: So anmaßend sind wir nicht, daß wir uns mit der Individualität der einzelnen Familie beschäftigen und ihre Inhalte bestimmen wollen; sondern wir als Regierungspartei fühlen uns verpflichtet, den Rahmen zu setzen, der es Familien erlaubt, gesichert zu leben. ({3}) Die sozialdemokratische Familienpolitik geht vom Prinzip der Partnerschaft zwischen allen Familienmitgliedern aus. Frauen und Männer sollen nach unserem Verständnis in allen Lebensbereichen Partner sein. Sie sollen auch die gleichen Chancen haben, ihre Persönlichkeit voll zu entfalten, um auf diese Weise den Kindern ein Bild vermitteln zu können, das es diesen wiederum ermöglicht, zu Persönlichkeiten heranzuwachsen. Dabei ist es Aufgabe sozialdemokratischer Politik für Frauen, Hilfen anzubieten, die die Frauen in die Lage versetzen, in der Familie, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Leben überhaupt erst Partner werden zu können. Zu den Ausführungen der Frau Kollegin Wex bezüglich des Münchener Zitates - ich bin weiß Gott kein Freund von Münchener Verhältnissen ({4}) muß ich Ihnen sagen, daß diese dort gemachten Ausführungen nach meiner Meinung den Kern getroffen haben, daß Frauen nämlich nicht allein auf den Haushalt verwiesen sein sollen. ({5}) Wir weiblichen Abgeordneten dieses Hauses würden uns schämen müssen, wenn das der Platz der Frauen wäre ({6}) und wir uns hier herumtummeln. ({7}) Darum sage ich zum wiederholten Male und möchte es betonen: Sozialdemokraten haben sich zu keiner Zeit das Leitbild der berufstätigen Frau zum Vorbild genommen. Nach unserer Vorstellung sollen Frauen die Freiheit haben, zu wählen, ob sie ihre Aufgabe im Beruf, im Haushalt oder in beiden Lebensbereichen gleichzeitig wahrnehmen möchten. Nur, eines muß ich dazu sagen: Wenn wir den Frauen diese Wahlfreiheit nicht geben, wenn wir ihnen nicht die Chance zur Bildung und Ausbildung geben, haben sie gar nicht die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitslosigkeit, die bei Frauen überproportional groß ist - das hat auch Frau Kollegin Wex vorhin beklagt -, ist doch das Produkt der Erziehung von Jahrzehnten und Jahrhunderten, einer Erziehung, die Mädchen schlechtere Chancen gegeben hat. ({8}) Wir haben also den Frauen von politischer Seite her Hilfen anzubieten, damit sie eine solche Wahl auch wirklich verwirklichen können. Wir haben die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich Frauen beruflich ebenso gut qualifizieren können wir ihre Kollegen, damit sie am Arbeitsplatz Partner sind. Wir haben die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Doppelbelastung von Frauen, wenn sie sich für Beruf und Haushalt gleichzeitig entscheiden, in zumutbaren Grenzen gehalten wird. Wir haben aber auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Frau auch dann mit gesellschaftlichen Hilfen rechnen kann, wenn sie sich für eine ausschließliche Betätigung im familiären Bereich entscheidet. Diese Ziele oder diese gesellschaftspolitischen Eckwerte lassen nun einen breiten Raum für gesetzliche Maßnahmen. Hier konnte in den vorhergehenden Jahre sehr viel Positives erreicht werden, wenngleich wir uns darüber im klaren sind, daß noch manches zu tun bleibt. Und nur einmal die finanzielle Größenordnung - hier ist so viel von Ausgaben, Daten und Zahlen gesprochen worden - zu verdeutlichen: Alles in allem sind den Familien im Jahre 1975 finanzielle Leistungen in Höhe von mehr als 75 Milliarden DM zugute gekommen. Läßt man hier einmal die Ausgaben für Ausbildungsförderung sowie die Leistungen für Familien in der gesetzlichen Krankenversicherung und Wohngeld unberücksichtigt, dann sind für Kindergeld, Steuerermäßigung, Familienzuschläge im öffentlichen Dienst und für die Jugendhilfe im Jahre 1975 insgesamt 54 Milliarden DM ausgegeben worden. Das sind 26 % mehr als im vorhergehenden Jahr. Wir reden also nicht nur von Familienpolitik, sondern wir handeln, um diesen Raum wirklich ausfüllen zu können. ({9}) Daran ändern auch die demagogischen Töne nichts, die Herr Biedenkopf gestern angeschlagen hat, als er das Programm seiner Partei vorstellte, indem er sagte: Seit Jahren haben die Koalitionsfraktionen den Schutz und die Förderung der Familien vernachlässigt. Ich glaube, daß die von mir soeben genannten Daten gerade das Gegenteil beweisen. Und noch einmal: Ein Rezept, wie das Programm, das er vorgestellt hat, finanziert werden soll, ist nicht mitgeliefert worden. So bedeutet für Familien mit kleinen Kindern die Freistellung berufstätiger Elternteile von der Arbeit, um ein erkranktes Kind zu Hause pflegen zu können, eine nicht zu unterschätzende Hilfe. Besonders gern weise ich darauf hin, daß diese gesetzliche Maßnahme auf eine Initiative von Sozialdemokratinnen zurückgeht. Mit der Haushaltshilfe, die Mütter während eines Krankenhaus- oder ärztlich verordneten Kuraufenthalts in Anspruch nehmen können, haben wir vielen Müttern und Vätern helfen können. Frauen sind nicht mehr gezwungen, aus Sorge um unversorgt gebliebene kleine Kinder eigene gesundheitssichernde Maßnahmen zu verzögern. So ist in diesem Zusammenhang nur als ein ganz kleines Beispiel das Müttergenesungswerk zu nennen. Frau Kollegin Wex hat es vorhin angesprochen. Ihr scheint jedoch nicht bekannt zu sein, daß es Frau Eilers ({10}) der Bundesregierung nur möglich ist, Baumaßnahmen zu fördern. Und die werden in einer Höhe von jährlich 3,5 Millionen DM gefördert. Allerdings sind in den letzten vier Jahren für das Müttergenesungswerk aus der Zonenrandförderung rund 4 260 000 DM dazugekommen. Aus den Konjunkturprogrammen der beiden letzten Jahre sind dem Müttergenesungswerk 9 088 000 DM zusätzlich zugeflossen, um dadurch die Renovierung und Modernisierung von Müttergenesungswerken zu ermöglichen. Die Eherechtsreform wurde vor kurzem von Bundesrat und Bundestag verabschiedet. Sie tritt in zwei Etappen in Kraft, Mitte 1976 und Mitte 1977. Dann werden Mann und Frau in den neu zu schließenden Ehen erstmals Partner sein, die die Möglichkeit haben, ihren Familiennamen frei zu bestimmen, die auch Aufgabenteilung innerhalb der Familie frei vereinbaren. Ein humaneres Scheidungsverfahren, eine sozial gerechtere Unterhaltsregelung und nicht zuletzt eine auf neue Rechtsgrundlagen gestellte soziale Absicherung nach der Scheidung, die in erster Linie den nicht erwerbstätigen Frauen zugute kommt, fügen sich in das politische Konzept der Sozialdemokraten ein. Soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen und den Frauen zu tatsächlicher Gleichberechtigung zu verhelfen ist dabei unser Ziel. § 218 ist in dieser Legislaturperiode nach einem 50jährigen Kampf endlich geändert worden. Die strafrechtliche Regelung, die nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen verabschiedet worden ist, wird in Kürze in Kraft treten können. Die sozial begleitenden Maßnahmen, die für uns den primären Bereich darstellen, weil sie nämlich dazu beitragen, ungewollte Schwangerschaften von vornherein zu verhindern, sind dabei für uns ein wichtiger Tatbestand gewesen. Aber wir sind vor allen Dingen auch froh, Frauen durch diese Gesetzgebung endlich zu entkriminalisieren. Die im sozialliberalen Regierungsbündnis durchgesetzten Maßnahmen und Hilfen für Frauen sind aber keinesfalls sozialistische Experimente, um ein Schlagwort aus der CDU/CSU-Wahlplattform zu gebrauchen. Die Sozialdemokraten haben damit, daß sie mehr Einrichtungen für Familien geschaffen haben - und noch schaffen wollen , tatsächlich dazu beigetragen, die Lebenswirklichkeit der Familien zu ändern. Unsere Leistungsangebote haben - darauf ist unsere Politik in der kommenden Legislaturperiode auszurichten - die unterschiedlichen Lebens- und Familiensituationen zu berücksichtigen. Das Wahlprogramm meiner Partei sieht daher auch im frauenund familienpolitischen Teil spezielle Maßnahmen für alleinstehende Elternteile, für junge Ehepaare, berufstätige Eltern sowie für kinderreiche Familien vor. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir eine alte Forderung der sozialdemokratischen Frauen verwirklichen, durch Unterhaltsvorschußkassen die ökonomischen Grundlagen der alleinstehenden Elternteile - meistens handelt es sich dabei um die Mütter - mit kleinen Kindern zu sichern. Junge Ehepaare sollen durch einen zinsgünstigen Kredit eine Starthilfe bekommen, und auch diese Maßnahme soll die Wahlfreiheit für Frauen, die sich zwischen familiären und beruflichen Verpflichtungen entscheiden müssen, erleichtern. Ebenfalls in der kommenden Legislaturperiode wollen wir das Angebot an Plätzen in Tagesstätten, Kindergärten, Ganztagsschulen weiter verbessern. Damit werden vor allen Dingen berufstätige Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe entlastet. ({11}) - Das Geld kommt, wie Sie nicht nur aus unseren Vorstellungen, die Sie vielleicht für zu optimistisch halten, sondern auch aus den wirtschaftspolitischen Daten ablesen können, aus dem, was sich zukünftig wirtschaftlich entwickeln wird. ({12}) Zugleich werden aber auch die Startchancen von Kindern im Vorschul- und Schulalter verbessert, wenn ihnen im häuslichen Bereich nicht entsprechend geholfen werden kann. Wir werden uns in den kommenden vier Jahren auch dafür einsetzen, daß die Wohnungspolitik noch stärker als bisher auf die Belange der kinderreichen Familien zugeschnitten wird, daß also familiengerechte Wohnungen gebaut werden. Hierzu stellt der DeutschlandUnion-Dienst vom 11. Mai 1976 fest: Sollte die SPD Gelegenheit bekommen, dieses Wahlprogramm in die Tat umzusetzen, wird unser Land weiter in den Sozialismus abgleiten. Dieses Zitat spricht für sich. Die Opposition kann also - so verstehe ich den Deutschland-UnionDienst-dem von uns befürworteten Ausbau der Erziehungseinrichtungen und der wirtschaftlichen Absicherung von alleinstehenden Müttern nicht zustimmen. Allerdings ist das durch die gestrigen Aussagen im familienpolitischen Programm, wie mir scheint, als sozialistische Möglichkeit mit eliminiert worden. ({13}) Es sind einige Zweifel an den Aussagen zum Wahlprogramm der CDU anzumelden. Hier darf ich noch einmal die etwas eigentümliche Gegeneinanderstellung von Frau Wex zitieren, die mir nicht ganz verständlich geworden ist. Sie sprach davon, daß Erziehungskraft wichtiger sei als Erziehungsgeld. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Egert?

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Jürgen Egert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000437, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Eilers, Sie setzen sich sehr ernsthaft mit den Argumenten der Kollegin Wex auseinander. Haben Sie bemerkt, daß die Kollegin Wex, die hier sehr engagiert Angriffe vorgetragen hat, gar nicht mehr im Saal ist und dadurch ihr Desinteresse an den Antworten auf ihre Fragen bekundet?

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe es zwar nicht gewußt; denn ich war auf meinen eigenen Aufgabenbereich stärker als auf das Plenum konzentriert. Aber es wundert mich nicht, Herr Kollege; ich hatte nicht sehr viel anderes erwartet. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen?

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte!

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Eilers, sind Sie nicht der Meinung, daß diese Debatte über Gesundheit, Frau und Familie von so großer Bedeutung ist, daß wir erwarten könnten, daß der Bundeskanzler wenigstens dabei mit anwesend ist und zuhört, was das Plenum meint? ({0})

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ihm wird es wahrscheinlich so gehen wie ungefähr 200 Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die auch nicht anwesend sind. ({0}) Aber ich möchte mich einmal ganz kurz auseinandersetzen - Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mahne?

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber ja, gern! Herr Präsident, nur müßte das meiner Redezeit zugerechnet werden.

Erhard Mahne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001409, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Eilers, wäre es vielleicht nicht auch sinnvoll, daß der Oppositionsvorsitzende Carstens hier anwesend wäre?

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich vermag nicht über seine Zeit zu entscheiden; das wird ihm wahrscheinlich einer seiner stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sagen. Vizepräsident von Hassel: Frau Kollegin, ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir normalerweise für jede Zwischenfrage eine Minute Redezeit zugeben. Sie haben also noch drei Minuten Redezeit.

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke. Ich möchte auf das Erziehungsgeld für Kinder bis zu drei Jahren zu sprechen kommen, das die CDU in ihrem Programm stehen hat. Offen bleibt in der Wahlaussage die Höhe des Erziehungsgeldes, offen bleibt der zu erwartende Gesamtaufwand, der von Experten in Milliardenhöhe geschätzt wird, offen bleibt, wie diese kostenaufwendige Maßnahme finanziell und vor allen Dingen auch gegen die CSU durchgesetzt werden soll. Denn in der Sonthofener Rede von Herrn Strauß heißt es zum Erziehungsgeld wörtlich: „für das sowieso jede finanzielle Verwirklichungsmöglichkeit überhaupt fehlt". ({0}) - Auch zur Zeit, Herr Kollege! - Da das auch der CDU schon von selbst aufgegangen ist, hat sie auch den Gesetzentwurf im Parlament zurückgezogen. Im familienpolitischen Programm meiner Partei, dessen ersten Entwurf wir vor vier Jahren vorgelegt haben, wird auch eine Freistellung zur Erziehung von kleinen Kindern gefordert, die wir insbesondere dann für vordringlich halten, wenn entweder nur ein Elternteil vorhanden ist oder das Einkommen der Eltern so niedrig liegt, daß beide aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Prinzip befürworten wir also eine solche Freistellung, wobei wir realistisch genug sind, in Anbetracht der damit verbundenen immensen Kosten diese Forderung zunächst einmal zurückzustellen. Einen ersten Schritt in diese Richtung, nämlich eine geschiedene Mutter oder einen geschiedenen Vater von nennenswerter Erwerbstätigkeit freizustellen, soweit sie kleine Kinder haben, haben wir mit der Eherechtsreform verwirklicht. Wenn nämlich ein unterhaltsverpflichteter Ehepartner verstirbt, steht der geschiedenen Frau bzw. dem geschiedenen Mann eine zeitlich befristete Erziehungsrente zu, die je nach Anzahl und Alter der Kinder gestaffelt ist und in Höhe einer Berufsoder einer Erwerbstätigkeitsrente gezahlt wird. Wenn die CDU/CSU in ihrer Wahlplattform nunmehr die Einführung einer Partnerrente fordert, die den Frauen eine eigenständige soziale Sicherung schaffen soll, so ist gerade hier allergrößte Skepsis angebracht. Die Opposition hat hierzu ihre Modellvorstellungen entwickelt, die in sich nicht ausgereift sind und zahlreiche offene Probleme beinhalten. An erster Stelle ist hier die Finanzierung zu nennen. Den nicht erwerbstätigen Hausfrauen wird an Stelle der 60%igen Witwenrente eine Partnerrente in Höhe von 75 % der gemeinsamen Rentenansprüche in Aussicht gestellt. Sehr viel seltener wird aber darüber gesprochen, daß die jetzige Mannesrente von 100 auf 75% reduziert werden soll. Vizepräsident von Hassel: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, es muß deutlich herausgestellt werden, daß hier nicht nur Wohltaten verteilt, sondern zur gleichen Zeit erhebliche Einschränkungen vorgenommen werden sollen. Wir Sozialdemokraten stellen fest: Wir haben eine Politik für Frauen und Familien gemacht, auf die wir stolz sind. Die Frauen und Familien in der Bundesrepublik haben das erkannt und werden es auch zu honorieren wissen. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Frau Abgeordnete Stommel.

Maria Stommel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002260, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst eine Bemerkung machen, die ich mir nicht auf die kurze Redezeit anzurechnen bitte. Es ist erfreulich, festzustellen, daß an einem Freitagnachmittag bei der Etatberatung über den Einzelplan 15 so viele Damen und Herren hier anwesend sind. Ich habe das in den vergangenen zwölf Jahren noch nie erlebt. Ich sage dies aber mit einem ironischen Unterton: Ich weiß, daß die Anwesenheit einer Reihe von Kollegen nur durch die kommende namentliche Abstimmung zu erklären ist. Ich bin Realpolitiker genug, um dies zu erkennen. Lassen Sie mich zunächst auf das entgegnen, was Frau Minister Focke gesagt hat. Die Aussage von Frau Focke, die Kindergeldreform habe eine Leistungsverbesserung von 40 °/o gegenüber dem alten System gebracht, ist irreführend, weil die Erwerbseinkommen ständig mehr belastet werden. Rechnet man Nettoerwerbseinkommen und Kinderentlastung zusammen, so ergibt sich, daß ein durchschnittlich verdienender Industriearbeiter mit drei Kindern im Jahre 1964 92,5 % seines Bruttoarbeitseinkommens verfügbar hatte. 1975 waren es nur noch 85 °/o, und in diesem Jahr werden es nur noch etwas mehr als 80 % sein. Dieser Vergleich sagt mehr über die Einkommenslage der Familien aus als nur der Vergleich der Zahlen über die staatliche Kinderentlastung. Meine Damen und Herren, ich muß in meinen kurzen Ausführungen einige Fehlentwicklungen aufzeigen, die Ausfluß eines Familienverständnisses sind, das dem Wert und den Funktionen der Familie als einer autonomen Gemeinschaft nicht mehr gerecht wird. Zunehmende Unsicherheit über die Sinngehalte von Ehe und Familie, der Prozeß der ständig zunehmenden materiellen Benachteiligungen der Familien mit Kindern und das Infragestellen des Wertes ungeborenen Lebens machen die Gesamtproblematik deutlich, die sich bereits im generativen Verhalten der Bevölkerung niederschlägt. Die demographische Situation ist z. B. durch ein Geburtendefizit der deutschen Bevölkerung von rund 240 000 im Jahre 1975 gekennzeichnet. Die weiterhin zu erwartenden Geburtenrückgänge werden tiefgreifende Auswirkungen auf fast allen Gebieten der Gesellschaftspolitik haben. Verheiratete Frauen sind weniger als früher durch Kindererziehung daran gehindert, sich am Erwerbsprozeß zu beteiligen. Wir wollen diese Tatsachen keineswegs grundsätzlich negativ werten. Im Gegenteil! Das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Mann und Frau dokumentiert sich hinsichtlich der Teilung der außer- und innerfamiliären Aufgaben auch in der Bejahung der Erwerbstätigkeit der Ehefrauen und Mütter. Bedenklich erscheint uns nur die einseitige Überbewertung und Idealisierung der Berufstätigkeit der Frau, so als sci der Kern der Emanzipation allein die Selbstverwirklichung der Frau im Beruf. Die Zunahme der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen ohne Kinder liegt hauptsächlich in den Jahrgängen, die schwergewichtig für Geburten in Betracht kommen. Damit ist belegt, daß jüngere verheiratete Frauen die Entscheidung zur Berufstätigkeit zunehmend mit dem Verzicht auf Kinder verbinden. Der Gesetzgeber wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß es eine Gesellschaft, die zu einseitig die Berufstätigkeit auch verheirateter Frauen und Mütter ideell und indirekt - durch Benachteiligung der Hausfrauen in der sozialen Sicherung - auch materiell forciert, hinnehmen muß, daß jüngere verheiratete Frauen einer Dreifachbelastung von Kindererziehung, Haushaltsführung und Beruf zunehmend dadurch auszuweichen trachten, daß sie vornehmlich auf Kinder verzichten. Dies hat aber für die Zukunft entscheidende gesellschaftspolitische Konsequenzen: Der Geburtenrückgang dürfte noch weiter anhalten, insbesondere nach der Reform des § 218. Jüngere verheiratete Frauen, die in früheren Jahren die Tätigkeit in interessanten Frauenberufen zeitweilig oder ganz aufgaben, werden jetzt und künftig an ihren Arbeitsplätzen festhalten und somit sehr stark die Berufschancen für die aus dem Bildungssystem herausgewachsenen Mädchen mindern. Wir stellen hier die Frage - sie ist heute morgen im Zusammenhang mit dem Erziehungsgeld schon oft angeschnitten worden -, ob nicht mit der Einführung eines Erziehungsgeldes die Basis dafür zu schaffen wäre, daß die Frau in ihren familiären Aufgaben eine Alternative zur Berufstätigkeit sehen könnte, ohne unzumutbarer sozialer Benachteiligung und arbeitsmäßiger Überlastung ausgesetzt zu sein. Der Familienbund der deutschen Katholiken hat im Januar dieses Jahres in „Stimme der Familie" belegt, daß bei durchschnittlichem Bruttoarbeitseinkommen eines Alleinernährers eine Familie mit zwei Kindern von 1850 DM das verfügbare Einkommen einschließlich Kindergeld und eventuellem Wohngeld nur noch die Sozialhilfeschwelle erreicht, während bei drei Kindern bereits ein Sozialhilfeanspruch von über 150 DM und bei vier und mehr Kindern von 250 DM gegeben ist. Wie katastrophal die Aussichten für die Familien mit Kindern sind, kann daran abgelesen werden, daß nach der mehrjährigen Finanzplanung und auch nach dem Zahlenmaterial des jetzt vorgelegten Sozialbudgets bis einschließlich 1979 keine Verbesserungen beim Kindergeld vorgesehen sind. Auch beim Wohngeld ist noch offen, wann mit Verbesserungen gerechnet werden kann. Daß in einer solchen Situation die Bereitschaft zu Kindern zurückgeht, ist selbstverständlich. Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann ich in dieser Situation nur einen Appell an die Mehrkinderfamilien richten - ich habe Ihnen eben die Zahlen genannt , derzeit bestehende gesetzliche Leistungsansprüche des Sozialhilferechts voll auszuschöpfen. Dies gilt besonders für das Wohngeld, aber auch für die Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Millionen von Familien verzichten aus Unwissenheit oder falschem Stolz auf ihre Rechtsansprüche auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und auch auf einmalige Beihilfen für die Anschaffung von Bekleidung, Hausrat, Heizungsbedarf und für Aufwendungen zu Weihnachten, obwohl im Regelfall eine RückFrau Stommel erstattung geleisteter Sozialhilfe nur noch ganz selten in Betracht kommt. An alle in der Sozialarbeit stehenden Organisationen, an die Personalbüros der Unternehmen, die Betriebsräte und Personalräte, an Kirchen und Träger der kirchlichen Sozialarbeit sowie an die Gewerkschaften möchte ich den Appell richten, die Beratung über die Hilfsmöglichkeiten für die Familien auszubauen und sich, wo es notwendig ist, über die Leistungsvoraussetzungen voll sachkundig zu machen. Die Bundesregierung hat auch nicht das Notwendige veranlaßt, um den Familien zu helfen, die wirtschaftlich durch über 18jährige Kinder in besonderem Maße belastet sind, die weder eine Arbeitsnoch eine Ausbildungsstelle finden und nicht einmal kindergeldberechtigt sind. Die notwendige Eigenversicherung der Kinder muß auch durch diese Familien aufgebracht werden. Auch das Haushaltsstrukturgesetz hat für viele Betroffene Verschlechterungen für die Familie gebracht. Der Entwurf eines Regierungsprogramms der SPD enthält im Hinblick auf die materielle Unterstützung der Familie neben der Reform der Jugendhilfe, die unter finanzielle Vorbehalte gestellt wird, lediglich eine Willenserklärung, einkommensgrenzenabhängige zinsbegünstigte Kredite von 5 000 DM für junge Ehepaare einzuführen. Das ist eine vernünftige, von der CDU schon viele Jahre erhobene und im Saarland realisierte Forderung. Aber sie bringt keinerlei Entlastung für bestehende Familien, die auch einen Anspruch auf ausreichende materielle Absicherung haben. Im übrigen enthält das Regierungsprogramm der SPD, soweit dort finanzaufwendige Forderungen erhoben werden, z. B. beim eben genannten Familiengründungsdarlehen, keine Deckungsvorschläge. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, weshalb wird hier mit zweierlei Maß gemessen? ({0}) Wenn wir den Einzelplan 15 auch aus familienpolitischen Gründen ablehnen, so hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt, daß Frau Focke als Minister für Jugend, Familie und Gesundheit ihre Pflicht nicht wahrgenommen hat, ({1}) den Familien mit Kindern eine angemessene Position in unserer Gesellschaft zu sichern. Daß die 1975 wirksam gewordene Neuordnung des Familienlastenausgleichs keine Entlastung für die Familie ist, habe ich Ihnen eben bewiesen. In der Gesamtwertung der Politik des Ministers für Jugend, Familie und Gesundheit kommen wir nicht an der Feststellung vorbei, daß die Fehlleistung dieser Ministerin im Bereich der Familienpolitik darin zu sehen ist, daß sie eine maßgebliche Verfechterin der Abtreibungsliberalisierung und der öffentlichen Abtreibungsfinanzierung war, ({2}) aber im Kern so gut wie nichts geboten hat, um den Familien, insbesondere den Frauen, eine positive Einstellung zum ungeborenen Leben und zur Aufgabe der Kindererziehung überhaupt im Rahmen der großen Möglichkeiten, die unser hoher Lebensstandard generell bieten könnte, zu erleichtern. Sehr geehrte Frau Minister Focke, das wird auch nicht durch ganze Pakete von Broschüren über die „Aktion Familienplanung" wettgemacht, die uns gestern in Glanzpapier auf den Schreibtisch gekommen sind. Wenn sich die Bundesregierung mit sozialpolitischen Erfolgen in der 6. und der 7. Legislaturperiode brüstet, so werden Menschen mit kritischem Urteil nicht darüber hinwegzutäuschen sein, daß der vermeintliche soziale Fortschritt durch kräftige Neuverschuldung und gleichzeitige starke Investitionsrückgänge, aber eben auch durch Raubbau an der biologischen Substanz unseres Volkes finanziert wurde. Er wird unbezahlbar sein, wenn in unserer Gesellschaftspolitik nicht bald die Weichen neu gestellt werden, um allen denkbaren Ansätzen einer langfristigen Verzerrung der Altersstruktur entgegenzuwirken. Das ist zwangsläufig nur in der Familienpolitik möglich. Unser Appell richtet sich an alle Gruppen der Gesellschaft, sich auf die Aufgaben einzustellen, die in den nächsten Jahren bewältigt werden müssen. Die CDU wird dazu sicher ihren Beitrag leisten. ({3}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache über den Einzelplan 15 liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag auf Drucksache 7/5154 auf. Er wird durch den Abgeordneten Schröder ({4}) begründet.

Dr. h. c. Horst Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002080, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag beabsichtigt die CDU/CSU-Fraktion, die Mittel für die „Naturfreundejugend" im Rahmen des Bundesjugendplans zu streichen. Die Opposition hat sich zu diesem Antrag veranlaßt gesehen, weil es sich bei dieser ehemals ehrwürdigen sozialdemokratischen Organisation leider um einen Jugendverband handelt, der völlig ins kommunistische Fahrwasser geraten ist. Wir können nicht zulassen, daß aus Mitteln des Steuerzahlers Organisationen unterstützt und finanziert werden, ({0}) deren personelle Führung und deren inhaltliche und politische Zielvorstellungen eindeutig darauf ausgerichtet sind, in der Bundesrepublik Deutschland ein kommunistisches System nach dem Vorbild der DDR zu etablieren. ({1}) Diese Organisation bietet nicht die Gewähr, daß die Voraussetzungen, die der § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes an die finanzielle Unterstützung von Jugendverbänden stellt, erfüllt werden. Schröder ({2}) Aus diesem Grunde ergibt sich die zwingende Konsequenz - wenn Sie nicht in den Verdacht kommen wollen, Herr Kollege Sperling, nicht etwa eine Integration, sondern eine offene Flanke nach ganz links zuzulassen -, daß die Mittel für diesen kryptokommunistischen Verband gestrichen werden. ({3}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, Herr Schröder würde uns die Abstimmung ersparen und Sie würden so vernünftig sein, den Antrag zurückzuziehen. Denn das, was Sie mit diesem Antrag machen, ist, abermals eine Organisation zu verleumden, ({0}) indem Sie sie ganz und gar und pauschal als im kommunistischen Fahrwasser befindlich durch den Herrn Schröder ({1}) darstellen lassen. - Dies ist gegenüber den „Naturfreunden" in der Tat falsch. ({2}) - Nein, dies ist nicht mal wie beim SHB. Aber selbst wenn es so wäre, ({3}) dann könnten wir immer noch versuchen - und dies ist sinnvoller -, dem jetzigen Vorstand die Mehrheit in seiner eigenen Organisation zu entziehen. Nur eines würde dabei sicherlich sinnlos sein: das, was Herr Schröder ({4}) im Haushaltsausschuß das Zerschlagen der Organisation genannt hat. In dieser Organisation „Naturfreundejugend" gibt es eine Vielzahl von aufrechten und guten Demokraten, die für das Grundgesetz eintreten. ({5}) Diese Demokraten verdienen ihre Chance. Wir sollten uns davor hüten, denjenigen, die in der „Naturfreundejugend" als Kommunisten tätig sind, zu helfen, ihre Organisation zu teilen und insgesamt im Auftrage einer fremden Parteilinie die Arbeit zu zerstören. Aber wenn wir jenen Demokraten eine Chance geben wollen, dürfen wir ihnen nicht die falschen Freunde beschaffen. Die falschen Freunde beschaffen wir ihnen genau damit, daß wir ihnen administrative Regelungen aufzwingen. Im gleichen Moment würden sämtliche Jugendverbände, die im Deutschen Bundesjugendring versammelt sind, Solidaritätsadressen aus falschen Beweggründen abgeben - nach meiner Ansicht. Damit wir auch mit den anderen Jugendverbänden vernünftig über das reden können, was richtig und sinnvoll ist und worüber sie sich ebenfalls Gedanken zu machen haben, sollten wir den Antrag, den Herr Schröder ({6}) hier vorgetragen hat, ablehnen. Der deutsche Bundesjugendring sagt mit der Gesamtheit seiner Mitgliedsverbände: Eine politische Bewertung der Arbeit der „Naturfreundejugend Deutschlands", die eigenständiger Mitgliedsverband des deutschen Bundesjugendrings ist, steht dem deutschen Bundesjugendring nicht zu. Dazu sagen wir: dies ist genau falsch. Selbstverständlich steht allen demokratischen Organisationen ein Urteil zur politischen Bewertung der Arbeit anderer Organisationen zu, dies um so mehr, wenn es irgendwo Zweifel gibt, ob ein Verband voll im Sinne des Grundgesetzes tätig ist. Deswegen: wenn wir ein vernünftiges Gespräch mit den Verbänden des deutschen Bundesjugendrings, mit den Mitgliedern der Naturfreundejugend, die für die freiheitliche Grundordnung unserer Verfassung eintreten, führen wollen, sollten wir den Antrag ablehnen. Es fließt dadurch auch keine Mark mehr in die falschen Hände, denn die qualifizierte Sperre, die der Haushaltsausschuß angebracht hat und die mit Ablehnung des Antrags von Herrn Schröder ({7}) in Kraft gesetzt wird, sorgt dafür, daß kein Pfennig für verfassungsfeindliche Tätigkeit ausgegeben wird. ({8}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Antrag nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich wiederhole: es handelt sich um den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/5154. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 15, Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Wer diesem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. Ich rufe Ziffer 28 des Tagesordnungspunktes auf: Haushaltsgesetz 1976 - Drucksachen 7/5058, 7/5104 Berichterstatter: Abgeordneter Kirst Abgeordneter Leicht ({9}) Ich danke den Berichterstattern. Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir haben zunächst über den Antrag auf Drucksache 7/5158 abzustimmen. Das Wort dazu hat der Herr Abgeordnete Leicht. ({10}) - Darf ich Sie bitten, noch Platz zu behalten.

Albert Leicht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001309, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ich Optimist bin bzw. es jetzt einmal sein will, gehe ich davon aus, daß Sie die Begründung zu dem in unserem Antrag enthaltenen Anliegen gelesen haben. Ich möchte um Annahme dieses Antrages bitten. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich glaube, es bestehen keine Zweifel, daß wir geschlossen über den Antrag abstimmen können. Ich müßte ihn sonst bei den jeweiligen Paragraphen aufrufen. - Es erheben sich keine Bedenken. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/5158. Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt. Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1976 in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 26 in der Fassung des Ausschußantrages, Einleitung und Überschrift auf. Es ist namentliche Abstimmung begehrt worden. Ich darf Sie bitten, mit der Abstimmung zu beginnen. Die Abgabe der Stimmkarten ist beendet. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Meine Damen und Herren, der Kollege Behrendt hat gebeten, nach § 36 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung abgeben zu können. Dies könnte normalerweise erst nach Abwicklung der Tagesordnung oder dieses Tagesordnungspunktes erfolgen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir diese Erklärung während der Auszählung entgegennehmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Behrendt.

Walter Behrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß ich die Erklärung nicht früher abgeben konnte, aber ich bin erst gestern von einer Plenartagung des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Bonn zurückgekehrt und konnte erst dann die Ausführungen des Kollegen Carstens nachlesen. Gemäß § 36 der Geschäftsordnung gebe ich hiermit folgende Erklärung ab. Der Abgeordnete Professor Carstens hat in der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages - während der noch jetzt laufenden Haushaltsdebatte - am Dienstag, dem 11. Mai 1976, ein Interview der Zeitschrift „Stern" mit dem kommunistischen italienischen Abgeordneten Amendola vom 4. März 1976 zitiert. Herr Amendola hat im „Stern" u. a. erklärt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich -: Der vorige Präsident dieses Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Walter Behrendt, konnte ja auch nur mit unseren Stimmen gewählt werden. Die hatten wir nicht angeboten, sondern die Sozialdemokraten hatten sich an uns mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Diese Behauptung des Abgeordneten Amendola, auf die sich Herr Carstens bezogen hat, entspricht nicht der Wahrheit. Gegenüber der Redaktion der Zeitschrift „Stern" wurde umgehend vom Obmann der deutschen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, dem Kollegen Horst Seefeld, erklärt - ich zitiere wieder wörtlich -: Die Behauptung des kommunistischen Abgeordneten Amendola, der Kontakt zwischen deutschen Sozialdemokraten und der KPI „findet vor allem im Europäischen Parlament in Straßburg statt", ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß es keine bilateralen Kontakte zwischen deutschen Sozialdemokraten und kommunistischen Parteien anderer Länder oder der kommunistischen Fraktion im Europäischen Parlament gibt. Kontakte mit kommunistischen Parlamentariern gibt es gelegentlich in den Ausschüssen und bei der sonstigen parlamentarischen Arbeit. Dies gilt aber für alle politischen Fraktionen in diesem Parlament. Unrichtig ist auch die Aussage von Herrn Amendola, daß sich deutsche Sozialdemokraten im Europäischen Parlament bei der Wahl des SPD-Abgeordneten Walter Behrendt zum Präsidenten des Europäischen Parlaments an die italienischen Kommunisten mit der Bitte um Unterstützung gewandt haben. Wie bei jeder jährlich im März stattfindenden Wahl des Parlamentspräsidenten gibt es zuvor Gespräche der Vorsitzenden aller Fraktionen untereinander. Dabei kündigen die Fraktionen an, welche Kandidaten sie zu unterstützen beabsichtigen. Bei der Wahl von Walter Behrendt zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gab es darüber hinaus eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Sozialistischen Fraktion, der Liberalen Fraktion und der Gaullistischen Fraktion ({0}). Für Behrendts Wahl zum Parlamentspräsidenten waren kommunistische Stirmmen nicht erforderlich. ({1}) Entsprechende Pressemeldungen über diese Richtigstellung des Kollegen Seefeld hätten von Herrn Carstens in der „Frankfurter Rundschau" oder in „Die Welt" nachgelesen werden können. Ich erkläre hiermit noch einmal: 1. Bei meiner Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gab es keine Wahlvereinbarung mit der Kommunistischen Partei Italiens. Meine Wahl wurde getragen auf Grund eines schriftlichen Abkommens zwischen der Sozialistischen Fraktion, der Fraktion der Liberalen und Nahestehenden und der Fraktion der Europäischen Demokraten für den Fortschritt. 2. Die genannten drei Fraktionen besaßen damals wie heute die absolute Mehrheit im Europäischen Parlament. Für die Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments waren daher keine kommunistischen Stimmen erforderlich. 3. Ich hätte mich nicht zum Präsidenten des Europäischen Parlaments wählen lassen, wenn dies nur durch die Stimmen der Kommunisten möglich gewesen wäre. ({2}) 4. Ich fordere abschließend den Abgeordneten Carstens auf, von diesem Tatbestand Kenntnis zu nehmen und nicht länger die falschen Behauptungen eines Abgeordneten der Kommunistischen Partei Italiens weiterzuverbreiten. ({3}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, wir kehren zurück zur Abstimmung in der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1976. Insgesamt haben sich an der Abstimmung nach dem vorläufigen Ergebnis der Zählung 413 uneingeschränkt stimmberechtigte und 12 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 247 uneingeschränkt stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete, mit Nein 166 uneingeschränkt stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete gestimmt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 412 und 12 Berliner Abgeordnete; davon ja: 246 und 6 Berliner Abgeordnete, nein: 166 und 6 Berliner Abgeordnete Ja SPD Adams Ahlers Dr. Ahrens Amling Anbuhl Dr. Apel Arendt ({4}) Dr. Arndt ({5}) Augstein Baack Bäuerle Bahr Barche Dr. Bardens Batz Dr. Bayerl Becker ({6}) Behrendt Biermann Blank Dr. Böhme ({7}) Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({8}) Bredl Brück Buchstaller Büchner ({9}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Dr. Corterier Frau Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({10}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Dr. Eppler Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Flämig Franke ({11}) Frehsee Friedrich Gansel Geiger Gerlach ({12}) Gerstl ({13}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Frau Dr. Glotz-Martiny Gnädinger Grobecker Grunenberg Haar Haase ({14}) Haase ({15}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({16}) Jahn ({17}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kater Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Dr. Lauritzen Lautenschlager Leber Lemp Lenders Frau Dr. Lepsius Liedtke Löbbert Dr. Lohmar Lutz Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann Dr. Meinecke ({18}) Meinike ({19}) Metzger Möhring Müller ({20}) Müller ({21}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Offergeld Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({22}) Rappe ({23}) Ravens Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Richter Röhlig Rohde Sander Saxowski Schäfer ({24}) Dr. Schäfer ({25}) Scheffler Scheu Frau Schimschok Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({30}) Schwabe Dr. Schweitzer Dr. Schwencke ({31}) Dr. Schwenk ({32}) Seefeld Simon Simpfendörfer Spillecke Stahl ({33}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Suck Tietjen Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({34}) Vogelsang Walkhoff Waltemathe Dr. Weber ({35}) Wehner Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel. Wilhelm Wimmer ({36}) Wischnewski Dr. de With Wittmann ({37}) Wolf Wolfram ({38}) Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Löffler Mattick Dr. Schellenberg Frau Schlei FDP Dr. Bangemann Baum Dr. Böger Christ Engelhard Gallus Geldner Grüner Hölscher Hoffie Vizepräsident von Hassel Jung Kirst Kleinert Krall Dr. Kreibaum Dr. Graf Lambsdorff Dr. Dr. h. c. Maihofer Dr. h. c. Mertes ({39}) Mischnick Ollesch Peters ({40}) Schleifenbaum Schmidt ({41}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Wolfgramm ({42}) Wurbs Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Fraktionslos Emeis Nein CDU/CSU Alber von Alten-Nordheim Dr. Arnold Dr. Barzel Dr. Becker ({43}) Frau Benedix Benz Bewerunge Biechele Biehle Dr. von Bismarck Dr. Blüm von Bockelberg Böhm ({44}) Braun Breidbach Bremer Bremm Carstens ({45}) Dr. Carstens ({46}) Dr. Czaja Damm Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({47}) Engelsberger Dr. Erhard Erhard ({48}) Ernesti Dr. Evers Ey Dr. Eyrich Freiherr von Fircks Franke ({49}) Dr. Franz Dr. Fuchs Frau Geier Geisenhofer Gerlach ({50}) Gerster ({51}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Graß Dr. Gruhl Haase ({52}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser ({53}) Hauser ({54}) Dr. Heck Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Dr. Hupka Dr. Jaeger Jäger ({55}) Dr. Jahn ({56}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Kiechle Dr. Klein ({57}) Dr. Klein ({58}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({59}) Dr. Köhler ({60}) Krampe Dr. Kraske Dr. Kreile Kroll-Schlüter Dr. Kunz ({61}) Lagershausen Lemmrich Lenzer Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Dr. Mertes ({62}) Dr. Mikat Dr. Miltner Möller ({63}) Dr. Müller-Hermann Frau Dr. Neumeister Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Pfeffermann Pfeifer Picard Pohlmann Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({64}) Dr. Riedl ({65}) Dr. Ritgen Dr. Ritz Rollmann Rommerskirchen Sauer ({66}) Dr. Schäuble Schedl Schetter Frau Schleicher Schmidt ({67}) Schmitt ({68}) Schmitz ({69}) Dr. Schneider Frau Schroeder ({70}) Dr. Schröder ({71}) Schröder ({72}) Schröder ({73}) Schulte ({74}) Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({75}) Graf Stauffenberg Dr. Stavenhagen Stücklen Susset Thürk Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({76}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Dr. Wallmann Wawrzik Weber ({77}) Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({78}) Frau Dr. Wolf Baron von Wrangel Dr. Wulff Ziegler Dr. Zimmermann Zink Berliner Abgeordnete Frau Berger ({79}) Kunz ({80}) Müller ({81}) Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe Damit ist das Haushaltsgesetz 1976 in zweiter Lesung angenommen. Wir sind damit am Ende unserer heutigen Arbeit angelangt. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, den 19. Mai 1976, Beginn 13.00 Uhr. Ich wünsche einen guten Heimweg und schließe die heutige Sitzung.