Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen ergänzt werden:
1. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Empfehlungen der Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik" ({0})
zu Punkt 27 TO
2. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ({1})
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
zu Punkt 28 TO
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1976 ({2})
Überweisungvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({3}), Ausschuß für wirtschafliche Zusammenarbeit, Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über den Seeverkehr ({4})
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5}) Finanzausschuß
Das Haus ist damit einverstanden; damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Die Fraktion der FDP hat vorgeschlagen, den Abgeordneten Schmidt ({6}) als Mitglied des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank wiederzuwählen. - Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Schmidt ({7}) gemäß § 7 Abs. 4 des Gesetzes über die Lastenausgleichsbank als Mitglied des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank wiedergewählt worden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident hat gemäß § 96 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO den Entwurf eines Gesetzes über Rahmenvorschriften für Naturschutz und Landschaftspflege sowie zur Anpassung bundesrechtlicher Vorschriften an die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege ({8}) - Drucksache 7/3879 - in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auch dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({9}) des Rates über den Aufschub der Anwendung der durch die Verordnungen ({10}) Nrn. 88/76, 90/76, 91/76 und 92/76 festgesetzten Richtplafonds für die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in einigen EFTA-Ländern ({11})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Fortschreibung und Durchführung der Umweltpolitik und des Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz ({12})
überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte umVorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({13}) des Rates zur Tilgung einiger Waren in der Anlage zur Verordnung ({14}) Nr. 2603/69 des Rates zur Festlegung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung ({15})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür ({16})
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({17}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({18}) Nr. 2886/75 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs und zur vorübergehenden Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte andere Papiere ({19})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Assoziationsrates EWG-Malta zur Abweichung vom Begriff „Ursprungserzeugnisse" für Empfangsgeräte der Nummer 85.15 des Brüsseler Zolltarifschemas
Verordnung ({20}) des Rates zur Anwendung des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Malta zur Abweichung vom Begriff „Ursprungserzeugnisse" für Empfangsgeräte der Nummer 85.15 des Brüsseler Zolltarifschemas ({21})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Zollschuld ({22})
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern ({23})
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren ({24})
überwiesen an den Finanzausschuß ({25}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Präsident Frau Renger
Verordnung des Rates
zur Festsetzung der Hauptinterventionssorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1976/77
betreffend die Ausgleichsbeträge für Raps- und Rübsensamen ({26})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden statistischen Erhebungen zur Ermittlung des Produktionspotentials bestimmter Baumobstanlagen ({27})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({28}) des Rates zur Festsetzung des Mindestpreises und des besonderen Mindestpreises für Tomatenkonzentrate ({29})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entscheidung des Rates über die Weiterführung der von Mitgliedstaaten durchzuführenden Erhebungen über den Rinderbestand ({30})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnungen ({31}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko und Tunesien ({32})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({33}) des Rates zur Aussetzung der Bedingung, der die Einfuhr bestimmter Zitrusfrüchte mit Ursprung in Marokko und Tunesien in die Gemeinschaft gemäß den geltenden Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und jedem der beiden Länder unterliegt ({34})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({35}) des Rates
über die Einfuhr von Sardinen, zubereitet oder haltbar gemacht, mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaft
über die Einfuhr von Sardinen, zubereitet oder haltbar gemacht, mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaft ({36})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates betreffend den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Japan über den Handel mit Textilerzeugnissen ({37})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz ({38})
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({39}) des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Algerien, Marokko und Tunesien ({40})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({41}) Nr. 796/76 des Rates vom 6. April 1976 zur Änderung der Verordnung ({42}) Nr. 986/68 hinsichtlich der Gewährung einer Beihilfe für denaturiertes Magermilchpulver
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({43}) Nr. 798/76 des Rates vom 6. April 1976 zur Änderung der Verordnung ({44}) Nr. 567/76 über allgemeine Regeln für die Destillation von Tafelwein, für den der Destillationsvertrag vor dem 15. April 1976 genehmigt werden muß
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn ins Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({45}) Nr. 667/76 des Rates vom 25. März 1976 zur Verlängerung der Geltungsdauer der vollständigen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für Frühkartoffeln der Tarifstelle 07.01 A II a) und Kartoffeln der Tarifstelle 07.01 A III b)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({46}) Nr. 873/76 des Rates vom 13. April 1976 über den Transfer von Weichweizen aus Beständen der französischen Interventionsstelle zur italienischen Interventionsstelle
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Überweisung einer Zollvorlage
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Aufhebbare Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung ({47})
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um
Vorlage des Berichts rechtzeitig an das Plenum bis 25. Juni 1976
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 23. Februar 1973
- Drucksachen 7/215 ({48}), 7/4121 - sowie den ersten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP betr. Empfehlungen der Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik"
- Drucksache 7/5119 Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als der Bundestag am Ende der 5. Legislaturperiode das Instrument der Enquete-Kommission in seine Geschäftsordnung aufnahm, sollte damit eine Möglichkeit geschaffen werden, Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe besser vorbereiten zu können, als dies in der normalen, von Tagespolitik ausgefüllten Ausschußarbeit möglich ist.
Die Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik war die erste, die eingesetzt wurde, und ist auch die erste, die ihren Abschlußbericht im Plenum vorlegt. Er soll heute diskutiert werden. Die Erfahrungen unserer Kommission haben deutlich gemacht, daß dieses Instrument gut und nützlich ist, wenn die Mitglieder intensiv am Sachkomplex selbst arbeiten und sich nicht von sachfremden Überlegungen bestimmen lassen.
Obwohl die Kommission entsprechend ihrem Auftrag in fünf Bereichen organisatorische und finanzielle Reformvorschläge zu erarbeiten hatte, war ihren Mitgliedern von Anfang an klar, daß der Auftrag nur dann zu erfüllen ist, wenn eine Verständigung über den unserer Arbeit zugrunde gelegten Kulturbegriff möglich ist. Daß wir dennoch keine Zeit auf Theoriediskussionen über die Definition des Kulturbegriffs im demokratischen Staat verwenKern
den mußten, verdanken wir der Persönlichkeit des Vorsitzenden Dr. Berthold Martin, für den Kultur Menschlichkeit war. Nach seinem für uns alle schmerzlichen Tod war es zeitweilig für die Kommission nicht leicht, diese grundlegende Übereinstimmung durchzuhalten; doch hat sie sich schließlich im vorgelegten Bericht wieder durchgesetzt.
Wenn wir im Bericht von einer Öffnung und Erweiterung unseres Kulturbegriffs sprechen, dann ist damit eine klare Abkehr von jenem individualistisch verengten Kulturbegriff des 19. Jahrhunderts gemeint, der unter „Kultur" die Beschäftigung mit Kunst und Literatur zur Daseinsverschönerung im gehobenen Bürgertum verstand. Kultur ist im demokratischen Staat die an den Grundwerten orientierte Ausgestaltung mitmenschlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Lebens. Daß Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität nicht allein im Godesberger Programm der SPD als Grundwerte des demokratischen Sozialismus, sondern neuerdings auch im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der CDU als die drei Grundwerte bezeichnet werden, die dort als Maßstab genommen werden, bestätigt die grundlegende Übereinstimmung der Enquete-Kommission in der Definition des erweiterten Kulturbegriffs, ebenso wie es diejenigen ins Unrecht setzt, die aus welchen Gründen auch immer - die demokratischen Parteien durch gegensätzliche Grundwerte kennzeichnen wollen.
In unserer kulturellen Außenpolitik kommt es darauf an, daß jene Lebenselemente der Demokratie in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung sichtbar werden und möglichst unmittelbar zur Geltung kommen. Weil es heute kein Nebeneinander von geschlossenen Kulturen mehr gibt, sondern wir uns in einem Prozeß in Richtung einer Weltzivilisation befinden, kommt es bei den internationalen Kulturbeziehungen darauf an, ob wir fähig sind, partnerschaftlich und offen anderen Kulturen zu begegnen.
Damit wird kulturelle Außenpolitik ein eigenständiger Bereich, der dauerhafte Gemeinsamkeiten zwischen Menschen verschiedenster kultureller Herkunft schaffen kann und die Möglichkeit in sich trägt, politische Konflikte nicht nur zu unterlaufen, sondern auch zu verhindern. Das heißt konkret sowohl Verzicht auf einseitige Selbstdarstellung, die eher Kulturpropaganda autoritärer und totalitärer Staaten ist, als auch Verzicht auf jenes immer noch beliebte Ausweichen in unverbindliche, problemfreie und zeitfremde Themen aus dem Erbe vergangener Jahrhunderte. Nur im wechselseitigen Verstehen und ausgerichtet auf die Fragen der Gegenwart kann kulturelles Erbe lebendig werden und damit auch kulturelle Bedeutung gewinnen. Die Förderung isolierter Inseln des Deutschtums im Ausland kann daher nicht mehr Ziel unserer kulturellen Außenpolitik sein.
Kulturelle Beziehungen dürfen sich nicht in bürokratischen Bahnen bewegen, sondern haben sich den Spannungen auszusetzen, die durch die Lebensprobleme der Gegenwart erzeugt werden, auch wenn sie nur dem besseren Erkennen der Probleme dienen und nicht zu Lösungen führen.
Internationale kulturelle Beziehungen sind auf staatliche Unterstützung angewiesen, dürfen aber nicht als machtpolitisches Instrument mißbraucht werden.
Zwischen Industriestaaten muß sich die Eigenständigkeit kultureller Beziehungen immer mehr dadurch bewähren, daß sie die Gefahren der Technisierung, der technokratischen Apparaturen und der damit zusammenhängenden Entfremdung des Menschen, der Enthumanisierung der Gesellschaft, erkennt und Freiheitsräume für Menschlichkeit, Verantwortlichkeit, für den Mitmenschen und für die spontanen Kräfte des Menschen schafft.
Für die europäischen Staaten wird die Frage, wie wir unsere Umwelt vor den durch die starke Industrialisierung entstehenden Schäden bewahren können, zur Frage des Bestehens unserer Kultur überhaupt.
Für unsere kulturellen Beziehungen zu den kommunistischen Staaten wird es wegen der systembedingten staatlich dirigierten Organisation der Kultur darauf ankommen, daß wir eine Ausgewogenheit der Austauschverfahren erreichen.
Wie der erweiterte Kulturbegriff zu verstehen ist, wird besonders deutlich in den Beziehungen zu den Entwicklungsländern. Daß Kultur Ausdruck von Gerechtigkeit und Solidarität ist, muß sich an unserem kulturellen Beitrag zum sozialen und wirtschaftlichen Aufbau in diesen Ländern zeigen.
Die Konzentration der Entwicklungshilfekompetenzen im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird von der Kommission für richtig gehalten. Dadurch wird das Eigengewicht dieser Beziehungen und die besonderen Akzente der Bildungsbeihilfe und Wissenschaftshilfe unterstrichen. Das Ziel, leistungsfähige Institutionen in den Entwicklungsländern zu schaffen, ist immer zeitlich, personell und finanziell begrenzt. Lehrwerkstätten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die heute von uns nach den von den Gastländern gesetzten Prioritäten gefördert werden, sind Grundlage und Wegbereiter für differenziertere kulturelle Beziehungen.
Auch in den internationalen Organisationen kommt es mehr denn je auf diese solidarische Einstellung gegenüber den Entwicklungsländern an. Multilaterale Kulturinvestitionen sind für die Empfängerländer oft leichter zu akzeptieren als nationale. Sie helfen mit vergleichbaren Begriffen, Methoden und Werten einen internationalen Organisationsstil und eine gemeinsame Sprache der Weltkultur zu entwickeln.
Daß der Bericht der Kommission gerade bei der Mitarbeit in internationalen Kulturorganisationen verstärktes Engagement fordert, hängt mit der Beobachtung zusammen, daß die Bundesrepublik in der Vergangenheit bei den Unesco-Generalversammlungen in Paris mehr durch die große Zahl ihrer Delegationsmitglieder als durch stark engagierte Sachbeiträge aufgefallen ist.
Die Kommission hielt es für erforderlich, das Thema der kulturellen Außenpolitik auch auf die Si16722
tuation der Ausländer in der Bundesrepublik auszudehnen. Die kulturelle Betreuung ausländischer Gäste liegt, abgesehen von dem gut funktionierenden Gästeprograrnm des Auswärtigen Amtes und des Presse- und Informationsamtes, weithin im argen. Wenn Jahr für Jahr ausländische Kinder, deren Eltern als Arbeiter zum steigenden Wohlstand der Bundesrepublik beitragen, unser Land als gescheiterte Existenzen verlassen, für die die Schulzeit in Deutschland zum Alptraum geworden ist und die auch keinen Anschluß mehr im Bildungssystem ihres Heimatlandes finden, weil sie darauf nicht vorbereitet wurden, dann ist das für unsere Seite ein Versagen als Kulturstaat, das nicht mit den höheren finanziellen Aufwendungen für eine bikulturale Ausbildung gerechtfertigt werden kann.
Die Kommission hat weniger, als vom Auftrag her zu erwarten war, die Reform der kulturellen Außenpolitik in der Verlagerung von Kompetenzen und Veränderungen der Organisationsstrukturen gesehen. Sie sieht in der besseren gegenseitigen Information und Koordination den Ansatz für eine effektivere kulturelle Außenpolitik.
Trotz des zunehmenden Gewichts der internationalen Kulturbeziehungen hat die Kommission auch darauf verzichtet, wesentliche finanzielle Forderungen zu stellen. Sie hat vielmehr mit der Erstellung einer funktionalen Haushaltsübersicht dazu beigetragen, mehr Klarheit in das Volumen der sogenannten Kulturmilliarde zu bringen.
Daß viele Aktivitäten im Bereich der Länder und Gemeinden keine Erwähnung gefunden haben, geschah nicht deswegen, weil wir sie gering geachtet hätten, sondern weil ihre Behandlung im Bericht den Rahmen des Kommissionsauftrags gesprengt hätte.
Weil an uns oft die Frage nach dem Sinn der Auslandskulturarbeit gestellt wurde, habe ich heute die Menschlichkeit als Mittelpunkt der kulturellen Beziehungen dargestellt. Damit will ich nicht einer verflachten Humanitätsidee das Wort reden, sondern diejenigen, die die Grunderfahrung des zur Freiheit bestimmten Menschen als Mitmenschlichkeit kennen, zu einem leidenschaftlichen Wollen um Freiheit und Menschlichkeit ermuntern. Ob die Bundesrepublik als Kulturstaat bestehen kann, hängt wesentlich davon ab, ob wir genug Menschen finden, die sich zu diesem leidenschaftlichen Engagement bereit finden. Voraussetzung ist aber auch, daß sie genug eigenverantwortlichen Handlungsspielraum haben und nicht durch Bürokratie in Ministerien und Mittlerorganisationen eingeengt werden.
Ich habe zum Schluß allen zu danken, die uns jahrelang in unserer Arbeit unterstützt haben, allen voran Herrn Ministerialrat Hindrichs und den Mitarbeitern des Sekretariats der Enquete-Kommission.
Wenn wir mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag aller Fraktionen die Bundesregierung auffordern, bis zum 15. März nächsten Jahres zum Schlußbericht der Enquete-Kommission Stellung zu nehmen, wird es mit an uns liegen, ob mit dem Instrument Enquete-Kommission das, was erreicht wurde und erreicht werden kann, tatsächlich auch weiter erreicht wird. Es wird auf das Parlament ankommen, ob es beobachtet und verfolgt, was mit diesem Schlußbericht geschieht.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Die Enquete-Kommission hat nach gut 25 Jahren Praxis der auswärtigen Kulturpolitik eine Gesamterhebung über Wert, Erfolg und Wirkung angestellt. Das Ergebnis ist insgesamt positiv. Das gemischte System von privater Initiative und staatlicher Förderung hat sich bewährt. Man kann auf diesem Fundament weiterbauen. Neues kann unter Wahrung des Bewährten in Angriff genommen werden.
Der Bericht zeigt auf, was sich in diesen 25 Jahren entwickelt hat. In der ersten Phase der Wiederanknüpfung kultureller Kontakte lagen die Initiativen mehr bei privaten Einrichtungen. Der behördliche Einfluß nahm in der Folge zu. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß der vielbeschworene Wildwuchs sicherlich im Bereich der Mittlerorganisationen zu finden ist, aber auch bei der Bundesregierung, bei den Ressorts. Koordination ist notwendig, vor allem auf der Ebene des Bundes, auch gegenüber den Ländern. Dann wird eine sinnvolle Koordinierung der privaten Träger auswärtiger Kulturpolitik eher möglich sein, eher gefordert und gefördert werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Bericht ist der Begriff „kulturelle Außenpolitik" verwendet. Dieser Begriff ist weder „neu" noch ein „Zauberwort", wie uns Kritiker entgegengehalten haben. Er entspricht dem Grundgesetz: Die Bundesregierung ist für die Außenpolitik zuständig. Der Begriff betont auch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Darum haben wir auch auf die Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz großen Wert gelegt. Wir denken mit großer Befriedigung an die ausführlichen Beratungen, die im Berliner Reichstag stattgefunden haben. Der Begriff „kulturelle Außenpolitik" ist, um nur ein Beispiel zu nennen, von Außenminister von Brentano in einer Rede in München am 16. Januar 1958 verwendet worden. Brentano sagte damals, und ich glaube, das beweist, wie die kulturelle Außenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland von Anfang an angelegt war:
Kulturelle Außenpolitik muß nach dem internationalen Austausch streben. Austausch heißt, auch im eigenen Volk die Kenntnis des fremden wecken.
Brentano verwies damals darauf, und er hatte recht, daß es eine gute und große deutsche Tradition gibt, vor allem der Wissenschaftler, die die Welt draußen bereichert haben. Er erinnerte an Humboldt. Wir könnten hier an Max Müller erinnern, der viel für Indien bedeutet, oder an Geiger, der das gleiche für Ceylon tat.
Brentano sprach in seiner Rede auch von den beiden extremen Möglichkeiten, die auswärtige Kulturpolitik nämlich durch den Staat selbst durchführen zu lassen oder den Staat auszuschalten und die Kulturpolitik ausschließlich anderen zu überlassen. Beide Extreme sind in der Praxis, in Reinkultur, kaum vorstellbar. Darum sagte Brentano damals, und dabei ist es in der Bundesrepublik Deutschland geblieben, und auch unser Bericht bestätigt das ausdrücklich: „Wir kombinieren beide Methoden."
Herr Abgeordneter Kern, der Berichterstatter unserer Kommission, hat an Berthold Martin erinnert, der die Einsetzung der Enquete-Kommission gefordert und unsere Arbeit geleitet hat. Ich bin Ihnen dankbar dafür, Herr Kern. Ich darf auch an die prägende Persönlichkeit von Dieter Sattler erinnern, den ersten Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes. Wir haben in der Kommission einen ziemlichen Wechsel an Mitgliedern gehabt. Diese wurden Staatsminister und Staatssekretäre. Herr Moersch hat unserer Kommission angehört; er vertritt heute die Bundesregierung.
Ich darf in diesem Zusammenhang das Bedauern aussprechen, daß der Bundesaußenminister wegen seiner vielen Verpflichtungen heute morgen offensichtlich nicht da sein kann. Es ist schade, daß, wenn zum erstenmal ein Enquete-Bericht im Bundestag vorgelegt wird, der zuständige Bundesminister nicht dabei ist.
Wir sind dankbar, daß der damalige Bundesaußenminister Scheel, unser heutiger Bundespräsident, unsere Arbeit außerordentlich gefördert hat. Das hat sich auch in seiner Amtszeit als Bundespräsident gezeigt, als er den Bericht unserer Kommission übernahm. Ich glaube, daß der Bundespräsident auf Grund seiner hohen Funktionen manches, was zwischen dem Bund und den Ländern zu regeln ist, von seinem Amt aus fördern kann. Man sollte daran in Zukunft mehr denken, als das bisher geschehen ist.
Georg Kahn-Ackermann, der inzwischen Generalsekretär des Europarates ist, war Mitglied unserer Kommission, und ich bin ihm dankbar dafür, daß er einmal aufgezeigt hat, daß leider die kulturelle Außenpolitik von der politischen Prioritätenliste gestrichen worden ist. Hier gibt es gewisse Gegensätze zwischen dem häufigen Beteuern von der kulturellen Außenpolitik als „dritter Säule" der Außenpolitik, ein - wie ich meine - etwas schiefes Bild, und der Tatsache, daß die kulturelle Außenpolitik von der Prioritätenliste dieser Bundesregierung gestrichen wurde.
Wir haben in der Kommission an dem Bericht sehr gefeilt. Der fünfte Entwurf ist schließlich gebilligt worden. Die Mitglieder aus der CDU/CSU haben besonderen Wert auf den Grundsatzteil gelegt. Wer den ersten Entwurf sieht und die Entwürfe dann bis hin zu dem fünften verfolgt, der dem Schlußbericht entspricht, der wird spüren, daß hier ein deutlicher Einfluß aus der Kommission heraus immer wieder ausgeübt worden ist. Auch ich darf darum allen Mitgliedern und vor allem unseren Sachverständigen und unserem Sekretariat herzlich danken. Für den
Grundsatzteil war vor allen Dingen unser Kollege Rüdiger Altmann verantwortlich.
Auf viele Fragen haben wir uns in der Kommission befriedigende Antworten zu finden bemüht. Wir haben sie in Empfehlungen zusammengefaßt - der Berichterstatter sagt, es seien 130 -, die alle einstimmig beschlossen worden sind. Aus diesem Bericht darf ich kurz zitieren:
Die kulturelle Außenpolitik muß sich ... von den Prinzipien der Partnerschaft leiten lassen. Sie darf nicht einseitige Selbstdarstellung sein, sondern dient dem Austausch und der Begegnung der Kulturen. ... Die Wahrnehmung kultureller Aufgaben im Ausland muß für die deutschen Auslandsvertretungen gleichrangig neben der Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Aufgaben stehen. ... Ein wichtiges Element der auf Gegenseitigkeit und Offentlichkeit angelegten auswärtigen Kulturbeziehungen ist die konsequente und umfassende Förderung der deutschen Sprache im Ausland.
Die Kommission hatte den Auftrag, Empfehlungen für eine bessere kulturelle Repräsentanz der Bundesrepublik im Ausland vorzulegen. Diese Empfehlungen sind einstimmig erfolgt, und wir hoffen, daß das unserem Bericht Gewicht gibt.
Der erste und besondere Punkt, den uns der Bundestag aufgegeben hatte, betraf die Auslandsschulen und die Goethe-Institute. Bei den Auslandsschulen, meine Damen und Herren, hat die Kommission nicht nur eine kritisch-wohlwollende Aufmerksamkeit geübt, vielmehr kam es uns darauf an, angesichts der Vielfalt der deutschen Schulen deren Funktion nach der pädagogischen Leistung und Ausstrahlungskraft für das Bildungswesen des Gastlandes zu bestimmen. Daraus ergeben sich, wie die Kommission meint, einschneidende Empfehlungen für die Förderung der herkömmlichen deutschen Auslandsschule und insbesondere für die Expertenschule, auf der die Kinder deutscher Diplomaten, deutscher Journalisten und deutscher Geschäftsleute ihrer Schulpflicht genügen. Beide Formen sind im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Bildungs-und Erziehungsarbeit der deutschen Schule im Ausland unter Einbeziehung der beruflichen Bildung, nach Didaktik, Methodik und Abschlüssen zu differenzieren.
Wir bedanken uns bei den Lehrern, die ihre große und oft schwere Aufgabe draußen in der Welt erfüllen. Wir waren der Meinung, daß es wegen der sehr stark gestiegenen Kosten künftig vor allem darauf ankommen sollte, deutsche Lehrer ins Ausland zu schicken, um dort Lehrer auszubilden, vor allem Lehrer für die deutsche Sprache. Das wird wohl auch so sein müssen, wie das in unserem Bericht festgehalten ist. Wenn wir in der Zwischenzeit zunehmend von dem Problem bedrängt sind, daß es bei uns junge Lehrer gibt, die Stellen suchen, so glaube ich, daß es einer ernsten Anstrengung und gründlicher Überlegung wert ist, ob wir nicht diese jungen Lehrer zumindest zeitweise in der Bildungshilfe einsetzen wollen. Wir könnten so diesen jungen Lehrern, die auf eine Position warten und
ihre Fähigkeiten beweisen wollen sowie manchen Ländern einen Dienst erweisen.
Bei den Goethe-Instituten, meine Damen und Herren, darf ich sagen, daß die CDU/CSU dort manche Entwicklung kritisch sieht. Ich darf hier einmal den Marschall von Bieberstein zitieren, einen bekannten herausragenden Mitarbeiter der Goethe-Institute, der jetzt das Institut in Paris leitet. Er hat einmal gesagt: unsere Arbeit ist notwendigerweise politisch; sie sollte oder sie darf - so hat er wohl gesagt - notwendigerweise nicht parteipolitisch sein. Dem pflichte ich insgesamt bei. Ich möchte sagen, daß man über den Begriff „parteipolitisch" noch etwas philosophieren könnte: Betrifft das nur den. Entsendestaat, also uns: keine Parteipolitik im Sinne der Bundesrepublik? Ich bin der Meinung - so hat es Marschall Bieberstein sicherlich gemeint -, daß wir natürlich auch nicht in die Tagespolitik, in die aktuelle Parteipolitik etwa der Gastländer einzugreifen hätten. Darüber sind die Meinungen im Goethe-Institut aber wohl nicht ganz auf einen Nenner zu bringen.
Wir müssen unsere heutige Demokratie glaubwürdig auch durch unsere heutige Kultur draußen darstellen, die Bundesrepublik darstellen mit ihren Vorzügen und ihren Problemen.
Wichtig erscheint mir, daß wir den politischen Gegner gerade in diesem Raum, im Raum der deutschen Kulturpolitik im Ausland, im Raum unserer Kulturinstitute nicht zum Feind machen.
({0})
Das sollten wir auf keinen Fall fördern. Leider ist das da und dort geschehen.
In der Auseinandersetzung um die Goethe-Institute hat der Begriff der Autonomie eine große Rolle gespielt. Wir haben dafür gemeinsame Formulierungen und auch eine gemeinsame Empfehlung gefunden. Dennoch gibt es im Text die inzwischen berühmte Abweichung, ein Mehrheits- und ein Minderheitenvotum über die Beziehung zwischen der Bundesregierung und den Mittlerorganisationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die Mitglieder der CDU/CSU, haben hier keine eigene Formulierung gewollt, sondern die Formulierung, die uns der Berichterstatter vorgelegt hat und die wir ursprünglich alle akzeptiert haben, beibehalten. Es waren offensichtlich Einflüsse von draußen, die in die Kommission hineingetragen wurden - das wurde uns auch ganz offen erklärt -, Einflüsse, die dahin geltend gemacht wurden, daß man von dieser Formulierung abgehen müsse. So kam es zu einem Mehrheits- und einem Minderheitsvotum.
Die Autonomie dieser Mittlerorganisationen ist unbestritten. Aber ich darf empfehlen, in dem Zusammenhang einmal bei Professor Walter Rudolf, einem der Sachverständigen unserer Kommission, den Aufsatz „Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kulturverwaltung" nachzulesen. Dieser Aspekt sollte nicht übersehen werden. Wir sind für die Autonomie, und wir sind der Meinung, daß z. B. in der Zeit, als Peter Pfeiffer Präsident des GoetheInstituts und Werner Ross, ein Meister der deutschen Sprache, sein Generalsekretär war, ein fruchtbares Spannungsverhältnis bestanden hat. Wir halten es nicht für glücklich, daß neben einem erfahrenen Diplomaten als Präsident nun durch Jahre hindurch ein Diplomat aus dem Auswärtigen Amt abgestellt war, um dort ein paar Jahre Generalsekretär zu sein. Der Begriff der Autonomie wird fraglich, wenn man einen weisungsgebundenen Beamten für eine bestimmte Zeit beurlaubt und sagt: Jetzt mach' einmal autonom beim Goethe-Institut weiter! Die politische Verantwortung des Auswärtigen Amtes: klare Analyse, klare Konzeption, Kommunikation des Amtes mit allen Leistungsträgern, Autonomie der Mittlerorganisationen heißt und muß heißen: Garantie der eigenständigen Durchführung. So sehen wir es insgesamt.
Wir hatten dann die Aufgabe, uns mit der Bildungshilfe für Entwicklungsländer zu befassen. Darüber wird Herr Kollege Köhler ({1}) gleich noch etwas sagen. Interessant ist, daß dieser Punkt in der Regierung offenbar umstritten ist. Es fällt auf, daß er in den Leitsätzen, die wohl Professor Dahrendorf verantwortlich entwicklet hat, fehlte. Diese Leitsätze sind wirklich Leidsätze, wenn man überlegt, daß es von den 51 Leitsätzen über 15 Thesen schließlich zu 18 Leitsätzen kam und daß keine dieser verdienstvollen Bemühungen, dieser Ansätze ins Kabinett gelangt ist. Das Kabinett hat sich nicht damit befaßt, weil man sich nicht einigen konnte, weil es Widerstände aus anderen Ministerien gab.
In diesem Zusammenhang ein Wort zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es I ist eine deutsche Besonderheit. Diese Form eines Ministeriums gibt es, wenn ich es richtig weiß, in der ganzen Welt nicht wieder. Ob die Einrichtung eines solchen Ministeriums wirklich ein großer Fortschritt war, wird vor allem davon abhängen, inwieweit die Politik dieses Ministeriums in die Gesamtpolitik, vor allem in die gesamte Außenpolitik, eingebettet ist. Und das wird wiederum vor allem von den Amtsinhabern abhängen. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal sagen, daß wir damals große Hoffnungen daran knüpften, als der derzeitige Bundespräsident dieses Amt innehatte.
Wir hatten uns, meine Damen und Herren, weiter mit dem Wissenschaftsaustausch zu beschäftigen. Das ist ein Gebiet, das von selber laufen, auf dem der Staat möglichst wenig tun sollte. Er sollte vor allem keine Hindernisse aufbauen und sie dort, wo sie vorhanden sind, beseitigen. Das ist uns in den Gesprächen mit den Organisationen im Bereich der Wissenschaft klargeworden. Ich denke dankbar an die Stunden, Frau Präsidentin - auch Sie haben aktiv daran teilgenommen, wie Sie unsere Arbeit überhaupt so häufig gefördert haben -, in denen sich vor allem der verstorbene Professor Werner Heisenberg für seine jungen Wissenschaftler einsetzte. Das sind für mich bewegende Erinnerungen. Und ich darf noch einmal sowohl an den Finanzausschuß des Bundestages - wir haben Frau Präsidentin Funcke davon unterrichtet - als auch an den Bundesfinanzminister die herzliche Bitte richten, die Hemmnisse - es geht hier wirklich nicht um finanDr. Schulze-Vorberg
zielle Probleme, es geht im Grunde um bürokratische Hemmnisse - zu beseitigen. Denn gerade die qualifizierten Wissenschaftler leiden bei uns unter zu engen Bestimmungen.
Über die Frage der Koordinierung der Organisation mit dem Auswärtigen Amt habe ich einiges gesagt. Ich glaube, Herr Staatsminister Moersch, im Auswärtigen Amt sollte tatsächlich die Führung übernommen werden, wie das auch in unserem Bericht ausdrücklich gefordert wird.
Wir hatten uns auch mit den Finanzmitteln zu befassen. Dazu wird Herr Kollege Picard gleich noch kurze Ausführungen machen.
Lassen Sie mich an diesem Vormittag, an dem sich wieder einmal zeigt, daß wir dankenswerterweise einige Kollegen haben, die sich für dieses Thema interessieren, auch noch folgendes sagen. Hier spielt auch die berühmte Bundesmilliarde eine Rolle. Wir wissen inzwischen - etwa durch die Berechnungen der bayerischen Staatsregierung, welche diese uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat -, daß der Freistaat Bayern im Jahre 1974 etwa 150 Millionen DM auf diesem Gebiet ausgegeben hat. Wir haben also bei den Ländern, Städten und Gemeinden insgesamt wohl noch einmal eine Kultur-Milliarde.
Wir hoffen, daß sich auch in Zukunft einige Abgeordnete für dieses Gebiet interessieren; denn auch davon wird es abhängen, wie gut die deutsche Sprache in der Welt weiterhin gefördert wird. Sie ist die Muttersprache von 100 Millionen Menschen und wird von weiteren 20 Millionen gesprochen, zunehmend auch von den bei uns tätigen Gastarbeitern. Dieses Problem haben wir auch durchleuchtet. In den deutschen Auslandsschulen lernen etwa 100 000 Schüler die deutsche Sprache. Die Zahl bei den Goethe-Instituten dürfte in derselben Größenordnung liegen. Noch viel größer ist die Zahl derer, die die deutsche Sprache über die Medien lernen. Wenn man erfährt, daß z. B. in Japan ein einziger Fernsehkurs dazu führte, daß hunderttausende Lehrbücher für diesen Kurs in kurzer Zeit von der Bevölkerung gekauft wurden, dann weiß man, daß das Interesse für die deutsche Sprache in der Welt groß ist.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch als Journalist sagen, daß wir in der Kommission besonderen Wert darauf gelegt haben - ich glaube, das ist zum erstenmal in dieser Breite geschehen -, die Rolle der Medien in der kulturellen Außenpolitik zu betonen, die gar nicht überschätzt werden kann. Ich bin der Meinung, daß Rundfunk, Fernsehen und Presse, daß Bücher und Filme in ihrer Vielfalt draußen für uns werben. Daß Meinungsfreiheit Meinungsvielfalt erfordert, wollte ich an dieser Stelle ausdrücklich als unseren Standpunkt betonen.
Die deutsche Sprache hat etwas Besonderes, wenn man die Weltpolitik dieser Tage betrachtet: sie ist blockübergreifend. Wer etwa bei der KSZE in Genf dabei war - wenn auch nur kurz -, weiß, daß dort die deutsche Sprache ganz besonders beachtet wurde. Die Dokumente werden sorgfältig formuliert; auf der westlichen Seite von den Vertretern der
Bundesrepublik, auf der Seite der WarschauerPakt-Staaten, der kommunistischen Staaten, gibt es sorgfältige Formulierungen für die DDR. Außerdem haben dort noch drei neutrale Staaten, nämlich Osterreich, die Schweiz und Liechtenstein, für die deutsche Sprache optiert. Dieses Blockübergreifende ist, so glaube ich, für die Zukunft unserer deutschen Sprache außerordentlich wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir besitzen eine europäische Kulturvielfalt. Hoffentlich erhalten wir sie uns im Rahmen der wachsenden politischen Einheit. Wir wünschen diese Einheit. Das politisch und wirtschaftlich geeinte Europa muß seinen Reichtum, seine kulturelle Vielfalt erhalten. Doch sollten wir überall in der Welt, wo es überhaupt nur möglich ist, unsere Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern anbieten. Daß wir unsere Verbindung mit den Vereinigten Staaten gerade in diesem Jubiläumsjahr betonen, halte ich für eine Selbstverständlichkeit.
Kollege Kern hat auch schon die Zusammenarbeit mit den kommunistischen Staaten angesprochen. Wir haben dazu ein deutlich positives Wort gesagt. Wir fordern und wünschen das Prinzip der Gegenseitigkeit und der Ausgewogenheit der Austauschverfahren. Darauf ist besonders zu achten. Welche großen Möglichkeiten in den kommunistischen Ländern für die kulturelle Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland bestehen, ist mir bei den Besuchen drüben immer wieder deutlich geworden, etwa an der Sprachenhochschule in Minsk. Dort werden jährlich Tausende von Deutschlehrern ausgebildet. Wir konnten dort - Kollege Kern ist dabeigewesen - einige Stunden mit den Studenten sehr freimütig diskutieren. An dieser Sprachenhochschule war vorher noch kein Vertreter unserer Botschaft gewesen. Man hatte gemeint, das wäre gar nicht möglich. Ich glaube, daß es da manche verschlossene Tür gibt, die sich öffnen läßt, wenn man den entsprechenden Wunsch äußert. Vielleicht ist die eine oder andere Tür auch noch gar nicht entdeckt worden.
Ich muß zum Schluß kommen. Wir haben vieles in unserem Bericht nur streifen können. Wir bedauern, daß manches nur so kurz erwähnt worden ist, etwa die große Bedeutung der Musik. Dabei dachten wir in der Kommission sicher nicht nur an die Gastspiele weltberühmter Dirigenten und weltberühmter Orchester, sondern gerade an die pädagogischen Möglichkeiten, die in der Begegnung mit der Musik Asiens und Afrikas liegen können.
Wir haben die Bemühungen und die Erfolge der Kirchen draußen gewürdigt; wahrscheinlich auch in zu knapper Form. Sie nehmen manche Aufgabe wahr, die der Staat oder auch die Mittlerorganisationen nicht immer wahrnehmen können. Kultur, Kunst und Wissenschaft sich über alle Grenzen verbinden zu lassen - das ist der Ausdruck geistiger Freiheit.
Meine Damen und Herren, wir wünschen, daß die Bundesregierung aus unserem Bericht die notwendigen Konsequenzen zieht. Wir danken allen, die uns geholfen haben, vor allem den Organisationen. Ich habe mir vorhin noch einmal einige herausge16726
schrieben: dem DAAD, der Humboldt-Stiftung, Inter Nationes, dem Institut für Auslandsbeziehungen, deren Mitarbeiter besonders eifrig waren, wenn es darum ging, nach entsprechender Bitte unsererseits ihre Stellungnahme abzugeben. Alle Mitarbeiter kann ich heute nicht nennen. Wir sind dankbar für alles, was uns an gutem Willen entgegengebracht wurde.
Auch und vor allem sind wir unseren Kritikern dankbar; denn es gehört dazu, Kritik entgegenzunehmen. Die Kritik hat vor allem auch die Aufmerksamkeit auf unseren Bericht gelenkt. Bitte helfen Sie den Menschen in aller Welt, die sich für kulturelle Außenpdlitik der Bundesrepublik Deutschland einsetzen! Wir danken ihnen allen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn heute der Bericht der Enquete-Kommission behandelt wird, so hat das Hohe Haus allen Grund, sich darüber klar zu werden, daß das nicht nur ein Bericht für das Parlament ist, sondern -Herr Kollege Schulze-Vorberg und Herr Kollege Kern, Sie wissen das - auch ein Buch der Hoffnungen für viele im In- und Ausland. Auf Informationsreisen und in zahlreichen Gesprächen mit Hilfsorganisationen ist mir deutlich geworden, daß der Bundestag mit diesem Bericht in eine Pflicht genommen wird. Wenn es nicht gelingt, zumindest wichtige Hoffnungen zu erfüllen, dann wird dieser Bericht nachher ein Buch der enttäuschten Hoffnungen. Das ist - wie immer, wenn die Fülle der Probleme aufgelistet wird - eine Gefahr. Ich meine, daß es Bundesregierung und Bundestag gelingen muß, die Aufgabenstellungen sorgfältig zu prüfen, sie vor allem auch finanziell quantifizierbar zu machen und dann entscheidende Aufgaben der Realisierung zuzuführen.
Ich stelle noch einmal mit Freuden fest: Dieser Bericht ist eine der am meisten gelesenen Drucksachen dieses Hauses. In den Redaktionen der Zeitungen und der Medien, in den Schulen im Ausland, den Instituten, in den Universitäten - überall wird dieser Bericht ausgewertet, und ich wiederhole: große Hoffnungen knüpfen sich daran. Man hofft, daß die Leitlinien der auswärtigen Kulturpolitik deutlicher werden, daß der Bericht bei manchen Problemen Steine aus dem Weg räumt und auch dafür sorgt, daß keine zusätzlichen Komplikationen entstehen.
Ich will aber auch nicht verschweigen: Die Wirkung des Berichtes - Herr Kollege Mertes weiß das - ist natürlich geteilt. Die einen versprechen sich eine große Ausweitung ihrer Möglichkeiten, mehr Lehrer, bessere Bezahlung. Ich füge aber auch hinzu, daß es andere gibt, die Befürchtungen haben. Es sind alle, die vielleicht etwas zu verlieren haben, da - wie es so schön heißt - umgeschichtet werden soll. Da werden die Argumente schon gesucht, und da werden auch schon die Hilfstruppen organisiert. Aus dem einen und andern, was ich vorhin gehört habe, Herr Kollege Schulze-Vorberg, weiß ich auch bereits, wo schon Hilfstruppen für diese oder jene andere Lösung gesucht werden. Ich sage das, damit wir sehen, wie schwierig die Aufgabe ist, die, noch vor uns liegt.
Lassen Sie mich auf den Bericht zurückkommen. Er hat viele positive Seiten. Er bietet eine gründliche Bestandsaufnahme aller Programme der Bundesregierung für den internationalen Kulturaustausch, insbesondere die Bildungshilfe, die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik, und realistische Vorschläge. Die gesamten Aktivitäten der Kommission haben im Parlament und in der Öffentlichkeit deshalb mit Recht großes Interesse geweckt.
Im operativen Bereich veranschaulicht der Bericht, daß die Strukturen sowohl in den Ressorts des Auswärtigen Amts als auch bei den Mittlerorganisationen den gewachsenen Aufgaben nicht immer ausreichend entsprechen.
Im Konzeptionellen gelingt der Bestandsaufnahme jedoch noch keine voll befriedigende Beschreibung der Bedeutung und des Gewichts der auswärtigen Kulturpolitik als Teilbereich der auswärtigen Beziehungen. Das ist ja eines der wichtigsten Probleme.
Im Strukturellen - das wissen wir - ist es in der Frage der Klärung des - ich wiederhole die berühmte Feststellung - Dschungels der Zuständigkeiten bei vorsichtigen Ansätzen in dem Bericht geblieben. Ich verstehe das. Eine betonte Fixierung auf Verwaltungsfragen, zum Beispiel die Bildung neuer Gremien und Koordinierungsausschüsse, führt noch nicht dazu, daß der Dschungel gelichtet wird. Hier beginnen die entscheidenden Probleme. Hier wird es ernst. Da fängt es an, wirklich schwierig zu werden. Hier besteht die Gefahr, an der wir in der Freude über den Bericht nicht vorbeisehen und vorbeireden sollten.
Die schwierigste Aufgabe hat die Komission zweifellos der Bundesregierung überlassen: das Finden moderner Organisationsformen, eine bessere Handhabbarkeit für Künstler, Professoren, Studenten und sonstige Interessenten, Teilnehmer und Partner am Kulturaustausch sowie die Schaffung von Programmen, die den Geist der Gegenwart atmen und die Jugend ansprechen, Herr Staatsminister. Da liegt das Hauptproblem. Ich bin bei Reisen immer wieder auf diese Probleme angesprochen worden. Viele sehen die Probleme. Aber heute sind wir es, von denen verlangt wird, daß wir als Parlamentarier unsere ganze Kraft aufbieten, damit das alles in die Praxis umgesetzt wird. Und es muß sich nun zeigen, wie man kurzfristig, mittelfristig und langfristig all das personell und sachlich ausgewogen ausarbeiten kann.
Der Bericht ist sicher auch Anlaß für weitere Gedanken und Vorschläge. Ich muß gestehen, daß ich mit Interesse gehört habe, was der Kollege Schulze-Vorberg darüber gesagt hat, wie man nicht beDr. Schmitt-Vockenhausen
schäftigte Lehrer gegebenenfalls im Ausland beschäftigen kann. Wie Sie wissen, haben manche Schulleiter solche Vorschläge schon gemacht und dabei die Gehälter für Ortskräfte zugrunde gelegt. Ich bin gespannt, wie lange es, wenn die Damen und Herren draußen sind, dauern würde, bis alle Beteiligten es als unerträglich bezeichnen, daß sie nicht zum gleichen Gehalt wie die anderen Kollegen beschäftigt werden. Dann würden wir uns sehr bald einem neuen finanziellen Problem von hoher Größenordnung gegenübersehen. Gerade an diesem Beispiel, Herr Kollege Schulze-Vorberg, wird deutlich, wie schnell jeder noch so gut gemeinte Vorschlag sofort auch in finanzielle Dimensionen gerät, die offensichtlich nicht immer von allen Beteiligten gesehen werden. Überdies wissen Sie ja alle, daß die Frage der Gleichbehandlung draußen eine sehr große Rolle spielt und ständig zu finanziellen Aufwendungen führt - sicher vielfach auch im Interesse sozialer Gerechtigkeit.
Auf dem Gebiet des Schulwesens verlangen natürlich alle, daß die Vielfalt erhalten bleiben muß. An örtlichen Gegebenheiten soll nicht vorbeigegangen und auch an bestimmten Traditionen soll nicht gerüttelt werden. Die Frage der Primarstufe wird natürlich von Land zu Land unterschiedlich beurteilt. Die bikulturellen Schulen sollen nach Möglichkeit noch durch berufsbezogene Zweige, wie Handelsschulen usw., ergänzt werden. Schließlich wünschen die Schulen eine engere Zusammenarbeit mit den Sendeinstituten, wie z. B. dem BMZ.
Wir alle wissen, daß es natürlich notwendig ist, in gewissem Umfang auch etwas schematisch zu regeln. Aber da liegt auf dem Gebiet der kulturellen Aufgaben die große Gefahr. Wie ich meine, wird bei den Schulen, dem Goethe-Institut und den Sprachinstituten alles auch weiterhin sehr vielfältig bleiben. Es kommt aber darauf an, daß ein paar Leitgedanken bleiben, die hier von entscheidender Bedeutung sind.
Lassen Sie mich aus meiner Sicht einmal einige dieser Gedanken formulieren.
Die auswärtige Kulturpolitik ist ein wichtiges Gebiet der Außenpolitik, und - ich darf das sagen, Herr Staatsminister - sie muß vom Auswärtigen Amt ernst genommen und bei unseren Vertretungen von qualifizierten und engagierten Mitarbeitern getragen werden. Ich sage das, weil man sich gelegentlich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß nicht alle Mitarbeiter mit großer Freude in dem Bereich der Kulturpolitik tätig werden, und weil gelegentlich auch der Eindruck entsteht, daß es bei der Bewertung der einzelnen Aufgaben gut wäre, wenn diese fundamentale Beschreibung der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik auch in der Personalpolitik noch deutlicher ihren Niederschlag finden würde. Ich hoffe, daß ich verstanden werde.
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Die Bundesrepublik, als ein Staat mit einer auf Tradition beruhenden und modernen Kultur, die einen Beitrag zum Zusammenleben der Völker und zur Lösung der Probleme liefert, die sie bedrängen, muß hier natürlich eine wichtige Aufgabe sehen,
und dazu ist es hier im Inland notwendig - das ist hier schon gesagt worden -, eine bessere Koordination herbeizuführen. Hier müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Herr SchulzeVorberg, da gibt es ja schon, Herr Staatsminister, den Bericht zur Reform des auswärtigen Dienstes, an dem ich die Freude hatte mitzuarbeiten. Da haben wir vieles schon aufgeschrieben, was bei der Durchführung des Kommissionsberichtes helfen würde.
Die ausführenden Organisationen sollen natürlich rationell und modern arbeiten. Ihre Arbeit darf sich nicht überschneiden, und das Gestrüpp der Zuständigkeiten soll auch nicht unübersichtlich werden. Deshalb sage ich schon jetzt: wir sollten dem Minister nicht partiell in die Arme fallen, wenn er nun in den kommenden Monaten dabei ist, ein Konzept auszuarbeiten. Der Herr Staatsminister weiß, was ich damit meine. Ich richte diesen Appell auch an Sie alle, insbesondere auch an die verehrten Kollegen der Opposition.
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- Warum? Herr Kollege Mertes, Sie wissen genausogut wie ich, warum ich das hier sagen muß und warum es im Interesse aller ist, wenn ich das hier mit aller Klarheit ausspreche. - Wir brauchen nachher ein Konzept, und wir brauchen dabei Stehvermögen, damit wir die Entscheidungen, wenn sie gefallen sind, auch hier tragen und unterstützen.
Das alles geht aber nicht ohne Geld und ohne Menschen. Ich meine, ein Bericht, der Hoffnungen erweckt, braucht die Bewilligung der Mittel durch den Haushaltsausschuß. Alle Vorschläge, die sich hier ergeben, müssen ernsthaft geprüft werden. Vor allem dürfen wir das nicht auf die lange Bank schieben, denn Hoffen und Harren - so sagt schon der Volksmund - macht manchen zum Narren; sonst können Enttäuschungen zu groß werden. Vieles wird ohnehin wegen fehlender Haushaltsmittel kurzfristig nur schwer zu verwirklichen sein.
Lassen Sie mich folgendes auch einmal an das Haus sagen: es ist kein Schaden, wenn eine Haushaltsenge dazu führt, daß eingelaufene Maßnahmen auch einmal überprüft werden. Das wissen wir alle aus unseren Erfahrungen, wenn wir draußen sind.
Aber ich will auch hier für denjenigen etwas Wasser in den Wein gießen, der glaubt, daß die Mittelumschichtung hier so ganz einfach ist. Die gestiegenen Personalkosten und die Inflation in vielen Ländern müssen berücksichtigt werden. Sie wissen, daß das bei uns nicht das Problem ist; dafür haben wir durch unsere Regierungspolitik gesorgt. Aber sehen Sie sich einmal an, wie das draußen aussieht, welche Konsequenzen die finanzielle Situation in den einzelnen Ländern auch für die Kulturpolitik hat! Viele, die Forderungen zur Umschichtung erheben - das weiß ich schon jetzt -, sind die ersten, die das ihnen am Herzen Liegende mutig und tapfer verteidigen. Ich nehme da niemanden aus, nicht einmal mich selbst. Meine Damen und Herren, deshalb sollten wir, bevor wir Zusagen geben, uns erst einmal selbst fragen, was wir hier wollen und wie wir diese Fragen mit der Bundesregierung lösen können.
Meine Damen und Herren! Der Umfang der Sachmittel ist vielfach zurückgegangen. Das ist das eigentliche Problem. Die Personalmittel sind stark in die Höhe gegangen, zum Teil mittelbar, weil aus vielen Sachtiteln Personalausgaben geleistet werden. Das ist eine falsche Entwicklung. Wir müssen dafür sorgen, daß die Organisationen arbeiten können, daß soziale Gerechtigkeit herrscht, daß aber auch das Verhältnis der Personalmittel zu den Sachmitteln wieder so wird, daß sich die politischen und kulturpolitischen Aufgaben wirklich lösen lassen. Dazu können wir alle beitragen, wenn wir mit Augenmaß und Tatkraft die Regierung unterstützen, die hier in der Vorhand ist, nachdem das Parlament mit dem Kommissionsbericht seine Aufgabe erfüllt hat. Wir müssen um die Verwirklichung des Berichts schwer kämpfen, und wir alle hoffen ja, daß der Bericht dann ein Buch der erfüllten Hoffnungen wird.
Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen. Meine Damen und Herren, auswärtige Kulturpolitik und das, was wir heute behandeln, vollziehen sich nicht nur bei den Mittlerorganisationen hier und draußen im Ausland, sondern auch tagtäglich in unserem Lande. Ich habe die Bitte, daß wir uns, wenn Einzelbesucher, Gruppen, ja Touristenströme in unser Land kommen, auch einmal fragen, ob wir in diesem Hohen Hause, vor allem was unsere Besucher betrifft, nicht auch noch einiges besser machen können. Ich denke dabei daran, mit welcher Freude und mit welcher Ausdauer uns die Kollegen in anderen Ländern mit ihrem Land, ihrer Geschichte und ihrer Kultur vertraut machen. Wir alle müssen uns fest vornehmen, hier noch einiges besser zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, mit dieser Selbstbesinnung auf die großen Probleme, die vor uns liegen, habe ich nichts von dem hinweggewischt, was ich noch einmal ausdrücklich sagen möchte: Es ist hier eine wichtige und bedeutsame Grundlage für die Zukunft der kulturellen Außenpolitik geschaffen worden. Herzlichen Dank!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Köhler ({0}).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat eingangs seiner Rede auf die große Beachtung und Diskussion des Berichts über die auswärtige Kulturpolitik hingewiesen. Ich schmälere diese Feststellung nicht, wenn ich meine, daß es ein Feld gibt, in dem diese Beachtung und diese Diskussion noch wesentlich verstärkt und vertieft werden können, nämlich gegerade das Feld der Entwicklungspolitik. Auf diesem Gebiet scheint mir dieses Thema von der entwicklungspolitischen öffentlichen Meinung und Fachdiskussion noch nicht genügend aufgenommen zu sein. Ich möchte deswegen zu diesem Bereich einige Ausführungen machen.
Es war ja der Auftrag des Hohen Hauses am 18. März 1970 an die Enquete-Kommission ergangen,
auch und gerade den Beitrag der auswärtigen Kulturpolitik zur Bildungshilfe für die Entwicklungsländer untersuchen zu lassen. Der Abschlußbericht gibt dankenswerterweise entsprechend diesem Auftrag sehr genaue Auskünfte über diese Zusammenhänge. Es gibt zwei Anhaltspunkte dafür, wie wichtig es war, diesen Fragenkreis in die Aufgabenstellung der Kommission einzubeziehen. Einmal die Feststellung, daß, gemessen am Umfang im Jahre 1974, der Einzelplan 23 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit annähernd 307 Millionen DM oder 29 °/o der kulturrelevanten Ausgaben an der zweiten Stelle des Gesamtaufwands lag. Zum anderen aber - und das scheint mir noch wichtiger zu sein - betonen die Feststellungen in dem vorgelegten Bericht doch einige kritische Punkte, über die zu reden und nachzudenken sich offenbar lohnt. Hier ist ein Befund vor unseren Augen, den ich nicht unbedingt für schmeichelhaft für diejenigen halte, die in dem gesamten Zeitraum Regierungsverantwortung getragen haben. Wiederum finden wir unsere Annahme bestätigt, daß zwischen den Zielen und Aktivitäten der einzelnen Ressorts sowie dem Aufwand einerseits und dem mutmaßlichen Erfolg andererseits Mißverhältnisse und Widersprüche bestehen.
Wenn dem so ist, dann ist damit der politische Gestaltungsraum einer entwicklungsbezogenen auswärtigen Kulturpolitik erheblich eingeengt. Wenn dem so ist, dann sind einmal als richtig erkannte Ziele in das Netz der gesamten staatlichen Außenbeziehungen nur erschwert einzubringen und mit den entsprechenden Maßnahmen zu konkretisieren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Feststellungen der Kommission zu Fragen der Zuständigkeit für kulturelle Außenpolitik und Entwicklungshilfe und vor allem zur Zusammenarbeit. Hier geht es um den Vorwurf, daß Auswärtiges Amt und BMZ immer noch unabhängig voneinander regionale Planungen entwickeln, nach verschiedenen Methoden, mit unterschiedlichen Länderprioritäten und zudem noch unter Aufbau getrennter Informationswege.
Meine Damen und Herren, hier stehen wir wieder vor einem der Indizien, die darauf hindeuten, daß eben die vollkommene Integration der Entwicklungspolitik in die Gesamtpolitik dieser Bundesregierung noch nicht geleistet ist, wie wir es oft bei anderer Gelegenheit kritisch hervorgehoben haben. Nach wie vor bestehen offenbar Reibungsflächen zwischen Auswärtigem Amt und BMZ im Hinblick auf die Funktionsbestimmung einer entwicklungsbezogenen auswärtigen Kulturpolitik und deren Durchführung. Anders kann ich jedenfalls die Empfehlungen der Kommission nicht verstehen, die in dem Verlangen nach Neukonstruktion der Planung und Koordinierung gipfeln und die doch damit offensichtlich keine Beschreibung wünschenswerter Zustände darstellen, sondern Notwendigkeiten herauskehren und Forderungen für die Zukunft aufstellen, denen sich weder das Haus noch diejenigen, die in diesem Lande unmittelbare politische Verantwortung tragen, verschließen sollten.
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Dr. Köhler ({1})
Wir fordern daher die Bundesregierung auf, die angezeigten Konsequenzen aus dem Kommissionsbericht zu ziehen und eine Reorganisation des Instrumentariums in dem Sinne vorzunehmen, wie es die Enquete-Kommission anregt. Dabei sollte nach unserer Auffassung nicht angenommen werden, daß entwicklungsbezogene kulturelle Außenpolitik allein ein organisatorisches Problem ist. In dem Bericht wird hier sehr oft von Koordination, Konzentration oder Kontrolle gesprochen. Wir meinen, daß ausschlaggebend gleichermaßen die grundsätzliche politische Auseinandersetzung über die Inhalte und natürlich auch über die Finanzierung von Aktivitäten angesichts eines immer enger werdenden finanziellen Spielraumes ist.
Was nun die Frage der Zielsetzungen und Inhalte betrifft, so lassen wir uns davon leiten, daß in bezug auf die Länder der Dritten und der Vierten Welt entwicklungspolitische Ziele weiterhin vor rein kulturpolitischen den Vorrang haben müssen. Damit wird der Anspruch formuliert, auswärtige Kulturpolitik primär an den Problemlagen und Bedürfnissen der Entwicklungsländer zu orientieren; konkret heißt das: an dem Bedürfnis nach Entwicklung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, was immer das im Einzelfall heißen mag, ob Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistung, Abnahme der Analphabethenzahlen - wie auch immer es im einzelnen Lande sein mag. Kulturelle Außenpolitik als Entwicklungspolitik hat nach unserem Verständnis also keine einseitige instrumentelle Bedeutung, sondern versteht sich als Beitrag zur Identitätsfindung der Entwicklungsländer und zu deren wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.
Damit wir uns hier recht verstehen, meine Damen und Herren: Das schließt in meiner Sicht nicht aus, daß wir selbst in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit, in unserer Geschichte, in unserer Zivilisation uns in der rechtschaffensten und offensten Weise in diesem Zusammenhang in den Entwicklungsländern zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen haben. Nur durch einen solchen Dialog können Verständnis und Miteinanderleben und -arbeiten gefördert werden.
Wenn wir diesen Ansatz nun auf die praktische Ebene übertragen und nach konkreten Maßnahmen fragen, dann müssen wir uns darüber im klaren sein, daß unabhängig davon, daß wir in diesem Raum nach der entwicklungspolitischen Funktion einer jeden Maßnahme zu fragen und immer wieder den Zusammenhang zwischen Bildung und Gesamtentwicklung deutlich zu machen haben, der Stellenwert des Bildungswesens im System der auswärtigen Kulturbeziehungen wechselt, je nachdem, ob es sich um die Beziehungen zu Industriestaaten oder zu Entwicklungsländern in ihrer großen Verschiedenartigkeit handelt. Steht bei den Industriestaaten zumeist als Motiv auch und gerade die Förderung der deutschen Sprache und die politische Öffentlichkeitsarbeit im weitesten Sinne hinter der Arbeit, so ist in den Beziehungen zu den Entwicklungsländern die Dienstleistungsfunktion, wie ich meine, das dominierende Element. Bildung als Dienstleistung und als Entwicklungsfaktor muß hier nun auf der Zustimmung der Nehmerländer beruhen und mit den nationalen Entwicklungsplanungen harmonisieren. Es versteht sich damit von selbst, daß es hier nicht darum gehen kann, unsere Vorstellungen auf die Verhältnisse der Entwicklungsländer zu übertragen. Vielmehr sollten wir uns um einen offenen Dialog bemühen, wie wir der Lösung von Problemen im gemeinsamen Interesse näherkommen können, von Problemen, die von den Partnern verschiedener Kulturen und kaum vergleichbarer Traditionen doch an irgendeiner Stelle als gemeinsame Probleme empfunden werden.
Entsprechend dem Entwicklungsniveau der Entwicklungsländer werden wir von Bildungs- und Wissenschaftshilfe im ursprünglichen Sinn des Wortes oder mehr von wissenschaftlich-technologischer Zusammenarbeit zu reden haben, die den Gedanken von Austausch und auch von gegenseitiger Leistungsverpflichtung enthält. Meine Fraktion ist sich des Wertes beider Formen bewußt und verbindet mit ihrer Forderung nach differenzierter Bildungs-und Wissenschaftshilfe zugleich die Hoffnung, daß mit einer entwicklungsbezogenen auswärtigen Kulturpolitik ein Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und zur Vermittlung eines möglichst umfassenden Deutschlandbildes in den Ländern der Dritten und Vierten Welt geleistet wird. Wer als Entwicklungspolitiker immer wieder erfährt, mit welchen oft völlig überzogenen Vorstellungen von unserem Lande die Forderungen entwickelt werden, die man uns stellt, weiß, daß gerade dieser Punkt von ganz besonderer Bedeutung ist.
Die wissenschaftlich-technologische Ausbildung und Zusammenarbeit sollte nach unserer Überzeugung einer der Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik werden und somit auch eine zentrale Rolle in der auswärtigen Kulturpolitik einnehmen. Der Auf- und Ausbau der Infrastruktur von Bildung und Wissenschaft sowie von Forschungseinrichtungen in den Entwicklungsländern ist nach unserer Vorstellung in Zukunft verstärkt auch mit Kapitalhilfe zu fördern. Partnerschaftlich strukturierte Bildungs- und Wissenschaftshilfe wird man auch daran ablesen und messen können, inwieweit es gelingt, die Zusammenarbeit und den Austausch mit Universitäten und Forschungsinstitutionen der Entwicklungsländer mit geeigneten Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland zu verstärken und zu konkretisieren. Der berufsbezogenen Ausbildung, orientiert am tatsächlichen Bedarf, sollte dabei ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Meine Fraktion unterstützt in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Rüdckehrverpflichtung für Studenten aus Entwicklungsländern und spricht sich auch für eine Intensivierung der Surplace-Stipendien aus.
Wir meinen auch, daß in den Umrissen einer neuen Konzeption der kulturellen Außenpolitik die Notwendigkeit der angewandten Forschung über zentrale Probleme der Entwicklungsländer in der Bundesrepublik, aber auch in Zusammenarbeit an Ort und Stelle erkennbar sein muß. Bereits in der Vergangenheit haben wir deutlich zu machen versucht, daß Bildungs- und Wissenschaftshilfe gezielt
Dr. Köhler ({2})
zur Arbeitsplatzbeschaffung und unter der Zielsetzung der sozialen Öffnung eingesetzt werden sollen. Die Entwicklung und Anwendung angepaßter, arbeitsintensiver Technologien sind in erster Linie nach unserer Meinung Aufgabe der Entwicklungsländer selbst. Wir sollten jedoch bereit sein, die Entwicklungsländer hierbei zu unterstützen.
In diesem Sinne ist die im April unterzeichnete Ressortvereinbarung zwischen BMZ und dem Bundesministerium für Forschung und Technologie über den Technologietransfer in Entwicklungsländer durchaus zu begrüßen. Ich kann mir aber die Bemerkung nicht versagen, daß der Zeitaufwand, der benötigt wurde, um zu diesem Ziel zu kommen, und der sich nach Jahren messen läßt, doch einiges Licht auf die Kommunikationsschwierigkeiten wirft, die es offenbar zwischen den Ressorts gegeben hat.
Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber im klaren, daß die aktuelle Entwicklung des Bundeshaushalts, über dessen Beschaffenheit und die Gründe dafür, wir nächste Woche sicherlich noch kritisch miteinander zu reden haben - ich denke hier wiederum besonders an den Einzelplan 23 -, eine harte Begrenzung der Leistungen innerhalb der kulturellen Außenpolitik bewirkt. Wichtige Positionen sind erheblich gekürzt worden. Aber dieser Tatbestand darf uns nicht daran hindern, die unbestreitbaren Notwendigkeiten im Interesse unserer eigenen Zukunft klar beim Namen zu nennen und uns in aller Deutlichkeit die Frage vorzulegen, ob wir einen Rückgang der Aktivitäten verantworten können. Ich meine, das Schlimmste wird sich abwenden lassen, wenn wir uns bereit finden, den Weg zur Umstrukturierung von Förderungen, zu verbesserten Formen der Planung, zu verbesserter Koordinierung und Evaluierung zu gehen. Dabei wird es wichtig sein, wie weit es gelingt, die auswärtige Kulturpolitik weiter aus unnötigen Konfrontationen herauszuhalten und durch eine Konzentration auf klar umrissene Prioritätsbereiche die Empfehlungen zu realisieren, die uns von der Kommission vorgelegt worden sind. Meine Fraktion ist zu dieser Arbeit bereit.
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Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kommissionsbericht, von dem wir hier sprechen, ist vor einem guten halben Jahr veröffentlicht worden. Es gab inzwischen manche Kritik, die vorwiegend positiv und wohlwollend war. Es gab aber auch eine ganze Reihe von ablehnenden Stellungnahmen zu einzelnen der 500 Punkte des Berichts. Das war aber wohl nicht anders zu erwarten bei einem Bericht, der sich mit der zukünftigen Rolle von so zahlreichen Stellen und Organisationen befaßt.
Eine Bemerkung allerdings hat mit einigermaßen betroffen gemacht. Alfred Grosser äußerte in einer Festrede anläßlich des Jubiläums des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes die Befürchtung, der Bericht fordere mehr und zuviel Staat in unseren auswärtigen Kulturbeziehungen. Diese Befürchtung, so meine ich, entbehrt der Grundlage. Grossers Argwohn mag vielleicht daher rühren, daß der Bericht vor allem die Aktivität öffentlicher Stellen in den Kulturbeziehungen behandelt. Das entspricht aber dem der Kommission gestellten Auftrag. Es konnte nicht Aufgabe der Enquete-Kommission sein, im einzelnen die Vielfalt der Austauschbeziehungen im staatsfreien Raum darzustellen. Wir gehen aber ganz eindeutig von der Freiheit des kreativen Schaffens des einzelnen und von der Autonomie und Pluralität der Träger der kulturellen Austauschbeziehungen aus. Im Bericht wird festgehalten, daß sich der größere Teil der Kulturbeziehungen, vor allem mit den westlichen Industriestaaten, außerhalb staatlicher Einflußnahme vollzieht. Das Schwergewicht der staatlichen Maßnahmen liegt bei der Förderung des Austausches und der gegenseitigen Information und dem Abbau von Hindernissen, die diesen Austausch erschweren. Natürlich muß das staatliche Engagement in den Beziehungen zu bestimmten Staaten stärker sein. Das gilt einmal da, wo größere personelle und finanzielle Mittel für die Bildungshilfe eingesetzt werden müssen. Das gilt natürlicherweise aber ebenso gegenüber den sozialistischen Staaten, in denen Austausch und Zusammenarbeit zum größten Teil nur durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt und von öffentlichen Stellen durchgeführt werden können. Weil in sozialistischen Staaten oft nur ein zentral ansprechbarer Partner vorhanden ist, bedarf es auch auf unserer Seite eines gewissen Mindestmaßes an gegenseitiger Information und Abstimmung, wenn nicht unsere eigenen Interessen Schaden nehmen sollen.
Aus den Mittlerorganisationen, so z. B. aus dem Goethe-Institut mit seinen Zweigstellen im Ausland, hörten wir einige Klagen über ein Zuviel an Verwaltungsmaßnahmen des Auswärtigen Amtes. Diese Klagen sind, so erscheint es uns in der Kommission, zum Teil berechtigt. Deshalb ersuchen wir die Bundesregierung, es ernst zu machen mit der Abgabe von immer noch von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben an die Mittlerorganisationen. Auch da setzen wir uns also für ein Mehr an Freiheit und Verantwortung für die Mittler ein.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Feststellung des Berichts, daß wir in der Vielfalt der Meinungen und der künstlerischen Darstellungen einen Vorzug des demokratischen freiheitlichen Staates sehen, der auch im Ausland sichtbar werden soll.
Wir bemühen uns in dem Bericht um eine Verbesserung der Vorbereitung der ins Ausland gehenden Lehrer, Dozenten der Goethe-Institute und DAAD-Lektoren. Herr Grosser scheint nun zu be- fürchten, daß wir auf diese Weise aus den Mitarbeitern Funktionäre der Regierung machen wollten. Auch diese Besorgnis können wir aus der Arbeit der Kommission heraus zerstreuen. Gerade durch die bessere Vorbereitung wollen wir die Lehrer und Dozenten in den Stand setzen, ihre schwierige AufMöllemann
gabe im Ausland zu erfüllen; denn - davon gehen wir aus - nur wenn der Entsandte in der Lage ist, die Schwierigkeiten zu meistern, die ihn im Ausland erwarten, wird er auch weniger das Bedürfnis haben, seine Zentrale in möglichst vielen Einzelfällen um Weisungen und Entscheidungen zu bitten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Enquete konnte sich auf eine Reihe von Vorarbeiten für eine Reform stützen, darunter auf die Leitsätze zur auswärtigen Kulturpolitik aus dem Jahre 1970, an deren Formulierung Ralf Dahrendorf entscheidend mitgewirkt hat. Einer der darin formulierten Grundsätze, nämlich der, daß auswärtige Kulturpolitik nicht in einer Einbahnstraße verlaufen soll, daß sie vielmehr auf dem partnerschaftlichen Austausch basieren soll, zieht sich wie ein roter, man kann auch sagen: blau-gelber Faden durch die Empfehlungen der Kommission. Wir haben uns von der einseitigen Selbstdarstellung abgewendet, weil wir davon überzeugt sind, daß wir der Zukunft unserer Kultur am besten dienen, wenn wir den Austausch und die Begegnungen der Kulturen fördern und möglichst frei gestalten. Kulturen, die sich abkapseln, die sich dem gegenseitigen befruchtenden Austausch entziehen, müssen unseres Erachtens verkümmern.
Diese Bereitschaft zur Freiheit und Offenheit des Austausches muß bei uns im eigenen Lande anfangen. Deshalb sollen ausländische kulturelle Aktivitäten im Inland grundsätzlich keiner Beschränkung unterliegen. Jeder Staat kann in der Bundesrepublik kulturpolitische Möglichkeiten ausschöpfen, so wie sie die Bundesrepublik im Ausland auch für sich in Anspruch nimmt. Im Bereich der Kunst und der Hochschulen ist die Bundesrepublik, was die Aufnahmebereitschaft betrifft, unter den fortschrittlichsten Staaten. Ausländische Künstler und Hochschullehrer genießen weitgehend Gleichberechtigung. Zahlreiche ausländische Gelehrte wurden mit allen Beamtenrechten, die bei uns ja dazugehören, als Ordinarien berufen. Ausländer wurden zu Rektoren und Universitätspräsidenten, zum Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zum Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz gewählt. Mit dieser offenen Politik haben wir gute Erfahrungen gemacht. Diese guten Erfahrungen lassen hoffen, daß sich andere Staaten vielleicht im Laufe der Zeit von ihrer noch restriktiven Politik lösen werden.
Meine Damen und Herren, Wissenschaft läßt sich ihrem Wesen nach nicht an nationale Grenzen binden, auch nicht an ideologische Grenzen. Die Entwicklung der Wissenschaft wird durch nationalstaatliche und ideologische Barrieren nur gehemmt, und deshalb müssen wir sehr empfindlich reagieren, wenn da und dort - auch unbewußt - dem Austausch Hindernisse in den Weg gelegt werden. Die Kommission schlägt nun eine ganze Palette von Einzelmaßnahmen vor, die an den Stellen Abhilfe schaffen sollen, an denen sich solche Hemmnisse zeigen.
Wir stellen mit großer Sorge fest, daß trotz wachsender öffentlicher Förderungsmaßnahmen die Immobilität der deutschen Studierenden zunimmt. Das hat mannigfaltige Gründe. Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob die neuen Studienordnungen, ob die Praxis der Prüfungsämter und der Personalverwaltungen wirklich den doch so großen Wert des Studiums im Ausland berücksichtigen. Wir müssen uns auch fragen, ob es bei der Anerkennung ausländischer Studienzeugnisse nicht ein Zuviel an staatlichem Perfektionismus gibt. Wir empfinden es als unerträglich, daß die Erteilung einer verbindlichen Auskunft, ob ein ausländisches Studienzeugnis anerkannt wird, nicht selten mehr als ein Jahr dauert. Wir müssen uns von diesem kleinlichen Erbsenzähler bei der Anerkennung von solchen Zeugnissen schnellstens trennen.
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Wir müssen zu einer zügigeren Abwicklung gelangen. Auch bei den bilateralen und multilateralen Abmachungen über die Anerkennung von Studienzeugnissen und beruflichen Befähigungsnachweisen sollten wir doch mindestens im Bereich der Industriestaaten davon ausgehen, daß annähernd gleiche Maßstäbe an den beruflichen Ausbildungsstand gelegt werden, und wir sollten daher auf zu detaillierte Regelungen verzichten.
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Die Kommission hat sich frühzeitig und eingehend mit dem deutschen Auslandsschulwesen befaßt und dies nicht nur, weil die Schulen über 31 % des vom Auswärtigen Amt verwalteten Kulturhaushalts ausmachen, sondern weil die Schulen Gegenstand verschiedenartiger Kritik waren. Hervorgegangen aus sehr verschiedenen Epochen, Zielsetzungen und Gründungen, können viele Schulen eigentlich gar nicht als deutsche Schulen bezeichnet werden. Wir haben uns deshalb auch geeinigt, von den „von der Bundesrepublik im Ausland geförderten Schulen" zu sprechen. Unter diesen Begriff läßt sich die gesamte Spannbreite von der Volkstumsschule über die Begegnungsschule, den öffentlichen ausländischen Schulen bis zu den vornehmlich für deutsche Staatsangehörige errichteten sogenannten Botschafts- und Expertenschulen subsumieren.
Die Folgerung aus aller geäußerten Kritik kann nicht der Verzicht auf die Förderung von Schulen im Ausland überhaupt sein. Aus der Analyse der Situation der Schulen, ebenso aber aus den Zielsetzungen unserer kulturellen Außenpolitik ergibt sich allerdings die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Auslandsschulwesens. Von der Bundesrepublik im Ausland geförderte Schulen können auf die Dauer nur dann kulturpolitisch relevantes Instrument sein, wenn sie sich zu dem Grundsatz partnerschaftlicher Zusammenarbeit bekennen. Die Kommission hat, um ihre Konzeption zu verdeutlichen, den Modelltyp einer bikulturellen Schule entwickelt. Er sieht vor, daß die partnerschaftlich strukturierte Schule ihr Unterrichtsprogramm stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Gastländer ausrichtet, daß sie bereit ist, Träger von Innovationen zu werden, die in das einheimische Bildungswesen übernommen werden können, daß sie andere Zielgruppen in ihre Arbeit einbezieht, d. h., daß sie dem Anspruch auf soziale Öffnung begegnet, und schließlich, daß
16732 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Möllemann
sie den wachsenden Anspruch der Gastländer auf Übernahme auch der ausländischen Schulen in das einheimische Schulwesen bzw. in Europa ihre Internationalisierung akzeptiert.
Die 222 von der Bundesrepublik durch Entsendung von Lehrern geförderten Schulen sollen sich zu einer partnerschaftlich in das einheimische Bildungswesen eingegliederten Schule entwickeln, die jungen Menschen die Chance bietet, im vertieften Verständnis zweier Kulturen aufzuwachsen. Sie sollen sich nicht auf die Vermittlung der Hochschulreife konzentrieren, sondern in Anpassung an das Bildungswesen des jeweiligen Landes für weitere berufliche oder schulische Ausbildung verwendbare Abschlüsse und Qualifikationen vermitteln. Der deutsche Anteil soll in örtlich unterschiedlichem Umfang in der Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse, eines wirklichkeitsnahen Deutschlandbildes und moderner Unterrichtsverfahren - auch im naturwissenschaftlichen und musischen Bereich - bestehen.
Die zu erwartenden erhöhten Kosten für diese Maßnahmen, für die Gewährung von Freiplätzen und Lernmittelfreiheit und für die verstärkte Ausbildung einheimischer Lehrer sollen auf lange Sicht dadurch aufgefangen werden, daß die Zahl der sehr teuren entsandten deutschen Lehrer zurückgeht. Hier handelt es sich um erhebliche Finanzmittel, wenn man bedenkt, daß ein Auslandslehrer im Durchschnitt pro Jahr mit den Zulagen 75 000 DM bezieht. Die entsandten Lehrer sollen sich dann auf den Sprachunterricht und auf die Ausbildung einheimischer Lehrer konzentrieren.
Wir sind der Ansicht, daß die 25 sogenannten Botschafts- und Expertenschulen für deutsche Staatsbürger auch von den Bundesländern als den Trägern der deutschen Schulverwaltungen mitfinanziert werden sollten. Dieser Beitrag sollte dem finanziellen Aufwand entsprechen, den die Länder durch diese schulische Betreuung im Inland hätten. Auch den Eltern muß ein Kostenbeitrag zugemutet werden. Und schließlich sollten sich die Unternehmen der Wirtschaft beteiligen, die deutsche Mitarbeiter im Ausland oft überhaupt nur gewinnen können, wenn am Arbeitsort für eine schulische Betreuung der Kinder Sorge getragen ist. Solche Leistungen werden erfreulicherweise bereits an mehreren Orten erbracht.
Die Finanzierung unserer kulturellen Auslandspolitik wird uns in der nächsten Zeit vor wachsende Probleme stellen. Die Erwartungen und Ansprüche an das deutsche finanzielle Engagement werden steigen, die Mittel allerdings nicht in gleichem Maße. Von daher sind wir gezwungen, sparsamer zu wirtschaften. Wir können es uns nicht mehr leisten, daß zwei deutsche Stellen im Ausland am gleichen Ort mit Bundesmitteln gleichartige Projekte fördern. Wir können es uns nicht erlauben, daß vorhandene personelle und materielle Möglichkeiten ungenügend genutzt werden, nur weil die eine Stelle von der anderen nicht weiß oder - auch das haben wir festgestellt - nicht wissen will. Die Zeiten der überkommenen Fondsverwaltung sollten Vergangenheit sein. Die begrenzten Mittel müssen sinnvoll und nach wohldurchdachten Schwerpunkten verwendet werden. Dies soll und kann nicht durch mehr Zentralverwaltung geschehen, sondern durch die verantwortungsbewußte Kooperation der mit den Geldern des Steuerzahlers arbeitenden Stellen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Mittlerorganisationen.
In unserem Bericht werden solche Wege der Kooperation und Koordination vorgezeichnet, die das Auswärtige Amt und die Bundesregierung in die Lage versetzen sollen, ihrer Verantwortung bei der Formulierung unserer zukünftigen Außenpolitik und auswärtigen Kulturpolitik nachzukommen. Die Tatsache, daß alle Fraktionen dieses Hauses von der Notwendigkeit der neuen Wege überzeugt sind, sollte als deutlicher Appell verstanden werden, die empfohlenen Maßnahmen zügig und gegen die zahlreichen zu erwartenden Widerstände durchzuführen.
Wir haben feststellen können, mit wieviel Aufgeschlossenheit und Kooperationsbereitschaft, mit wieviel mühevollem und selbstlosem Einsatz zahlreiche Männer und Frauen im Inland und im Ausland daran mitwirken, daß unser Land seine Rolle in den internationalen Kulturbeziehungen wahrnimmt, und sollten bei dieser Gelegenheit auch einmal von dieser Stelle aus unseren Dank und unser Verständnis für die geleistete Arbeit aussprechen. In diesen Dank möchte ich aber auch ganz ausdrücklich die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und auch die politische Leitung des Auswärtigen Amtes einbeziehen, die unsere Arbeit nicht nur aufmerksam verfolgt haben, sondern schon während der Tätigkeit der Kommission eine Reihe der von uns erarbeiteten Anregungen aufgegriffen und in Angriff genommen haben.
Schließlich möchte ich ganz herzlich zwei weiteren Gruppen danken, nämlich den Mitarbeitern der Kommission, insbesondere Herrn Hindrichs, und darüber hinaus natürlich auch unseren Sachverständigen, die uns hier vielleicht zum Teil zuhören, die für die Parteien ihren Sachverstand mit in den Dienst dieser Angelegenheit gestellt haben.
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Es war schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen erfreulich, in dieser Kommission tätig zu sein, weil im Gegensatz zu sonstigen Verschärfungen des Klimas zwischen den Parteien in dieser Kommission die Kooperation an der Spitze aller Motivationen gestanden hat.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Picard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin eines von den Mitgliedern des Parlaments, die der Kommission nicht angehört haben, die aber mit Interesse das Ergebnis und die heutige Debatte verfolgen. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich sage, daß es eine gewisse Enttäuschung bei denen gab, die noch vor einigen Jahren gemeint haben, es seien grundlegende Veränderungen der Struktur und der Organisation innerhalb der auswärtigen Kulturpolitik erforderlich.
Die Empfehlungen der Kommission entsprechen dem nicht. Aber trotzdem möchte ich sagen: sie lassen nicht alles beim alten, und das ist gut so. Ich glaube nicht, daß man gerade im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik allzu radikale und weitreichende Veränderungen in zu kurzer Zeit vornehmen kann.
Wenn man allein an Hand des Haushalts der letzten zehn, elf Jahre die Entwicklung verfolgt, stellt man doch fest, daß es eine sehr deutliche Akzentverschiebung und Entwicklung gegeben hat, die meiner Ansicht nach den Notwendigkeiten und auch unseren Interessen weitgehend entspricht. Ich meine auch, daß die Legislative es nicht als ihre Aufgabe betrachten sollte, organisatorische Vorschläge in einem Ausmaß zu machen, daß sie in die Organisationsgewalt der Bundesregierung eingreifen. Das ist hier nicht geschehen. Meine Fraktion ist mit dem Bericht insoweit auch sehr zufrieden.
Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Verlauf der Debatte machen. Einer der Kollegen hat über die Autonomie der Mittlerorganisationen gesprochen und dabei auf die Meinung eines Mitglieds der Kommission verwiesen. Ich erlaube mir, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier einen Satz zu zitieren, der die Autonomie der Mittlerorganisationen betrifft. Professor Rudolf schreibt dazu:
Die Mittlerorganisationen sind, soweit sie im Rahmen der kulturellen Außenpolitik tätig sind, Mitträger der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland. Sie nehmen also eine staatliche Aufgabe par excellence wahr. Die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und auf Kunstfreiheit stehen ihnen also insoweit nicht zu, als sie im staatlichen Auftrag tätig werden, d. h. auswärtige Verwaltung darstellen.
Das ist, wenn man das so in dieser Kürze zitiert, zwar etwas deutlich und klar ausgesprochen, aber ich halte das nach wie vor für richtig und auch für eine Maxime, die befolgt werden muß. Ich möchte meinen, daß die Autonomie der Mittlerorganisationen dort, wo die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik überwiegen, wo sie auch nur tangiert sind, zurückzutreten hat. Ansonsten wäre dieses vielleicht nicht von allen akzeptierte Wort der auswärtigen Kulturpolitik als eines Teiles oder gar einer tragenden Säule der Außenpolitik nicht mehr zu verstehen.
Hin und wieder ist auch die Frage der inneren Kunstfreiheit der Mitarbeiter der Mittlerorganisationen diskutiert worden. Ich meine, daß derjenige, der sich bereitfindet, innerhalb einer Mittlerorganisation mitzuarbeiten, eine gewisse Grundübereinstimmung darüber akzeptiert, welcher Aufgabe er dient. Ich darf auch hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Satz zitieren:
Hinsichtlich der Mitarbeiter der Mittlerorganisationen taucht das Problem der inneren Kunstfreiheit nicht auf. Die Mitarbeiter sind Bedienstete der beliehenen, d. h. im staatlichen Auftrag tätigen Mittlerorganisationen, und nicht grundrechtberechtigte Künstler.
Das sind zwei Negativabgrenzungen, die ich hier vorgetragen habe.
Das bedeutet aber nicht, daß es keine Bewegungsfreiheit gibt. Im Gegenteil! Wir bejahen - ich tue dies insbesondere - eine sehr weitgehende Bewegungsfreiheit aller Mitarbeiter der Mittlerorganisationen. Ich wollte lediglich einmal deutlich gemacht haben, und zwar weil es in den letzten Jahren da oder dort unterschiedliche Auffassungen, die auch beinahe zu Konflikten geführt hätten, gegeben hat, daß es hier einen Rahmen gibt, in dem diese Freiheit vorhanden ist, daß aber auch der Rahmen zu beachten ist.
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur deutschen Sprache machen. Wir begrüßen es außerordentlich, daß die Enquete-Kommission feststellt - wie wir meinen, zu Recht -, daß das wesentliche Element der kulturellen Außenpolitik die deutsche Sprache ist und sie überall dort gefördert werden muß, wo Bedarf und Aufnahmebereitschaft bestehen. Der Bedarf steigt, auch ohne daß wir ihn wecken. Ich meine aber, es sei ein Teil der Aufgabe der auswärtigen Kulturpolitik, den Bedarf an der deutschen Sprache weiter zu wecken, insbesondere auch im internationalen Bereich, und die Aufnahmebereitschaft zu verstärken. Wir begrüßen deshalb nachdrücklich die Empfehlungen der Kommission, den Sprachunterricht in den einheimischen Bildungseinrichtungen, d. h. in den Bildungseinrichtungen des Gastlandes, zu fördern. Diese Förderung, meine Damen und Herren, hat - davon konnte ich mich überzeugen - in manchen Gebieten der Welt Fortschritte erzielt, ohne daß wir dafür erhebliche Mittel haben aufwenden müssen.
Dazu gehört auch ein Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache, den die Kommission empfiehlt. Dieser Lehrstuhl befindet sich in München in der Errichtung; das ist zu begrüßen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, ob dieser Lehrstuhl über die, soweit ich unterrichtet bin, bis jetzt vorgesehene Mini-Ausstattung hinaus ausgestattet werden könnte und ob es eine Möglichkeit der Mitfinanzierung durch die Bundesrepublik gibt, weil ja schließlich dieser Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache im Interesse der Bundesrepublik und der auswärtigen Kulturpolitik liegt.
Die Kommission fordert eine stärkere Förderung der deutschen Sprache durch Sprachunterricht im Inland wie im Ausland. Ich meine, daß darüber nachzudenken ist, ob der Deutschunterricht für Ausländer im Inland für jeden Ausländer, der am Deutschunterricht interessiert ist, überhaupt zu bekommen ist, und zwar der Kosten wegen. Ich bin eigentlich ein bißchen bestürzt und sogar traurig darüber, daß nach meiner Kenntnis viele Ausländer, die Deutschunterricht in einem Inlandsinstitut des Goethe-Instituts nehmen möchten, sich der Kosten wegen nicht mehr in der Lage sehen, diesen Unterricht zu nehmen. Das ist, so scheint mir, ein Punkt, welcher der Verbreitung der deutschen Sprache gerade an qualifizierte Ausländer, an Studenten, die aus dem Ausland für einige Monate hierherkommen, um Deutsch zu lernen, entgegensteht.
Nicht nur deshalb, weil die Finanzlage auch in den nächsten Jahren keine deutliche Erhöhung der
Mittel für die auswärtige Kulturpolitik erlaubt, damit auch nicht eine starke Vermehrung der Zahl entsandter Lehrer, bin ich der Auffassung, wir sollten die begonnene Verlagerung der Spracharbeit des Goethe-Instituts weiter fördern, die darin besteht, daß die Mitarbeiter des Goethe-Instituts im Ausland viel stärker als seither Teacher-Training betreiben und selbst nicht so sehr direkt im Sprachunterricht tätig werden.
Deutschlehrer in den Schulen des Gastlandes und einheimische Lehrkräfte in deutschen Auslandsschulen sind mit einer bestmöglichen Didaktik und Methodik vertraut zu machen. Dazu dient dieser Lehrstuhl, dazu dienen aber auch vielerlei Konferenzen in den entsprechenden Gastländern, wo die Mitarbeiter des Goethe-Instituts im Rahmen der pädagogischen Verbindungsarbeit dieses TeacherTraining in einer sehr guten Weise vornehmen. Die Erfolge, wie sie in den USA erzielt werden konnten, beweisen die Richtigkeit dieses Weges.
Wir müssen gleichzeitig die Bemühungen und die Vorschläge unterstützen, über den Sprachunterricht hinauszugehen und Deutschlandkunde als Erweiterung des Sprachunterrichts zu betreiben, um so die Aufnahmebereitschaft und das Interesse an der deutschen Sprache zu fördern.
Lassen Sie mich hierzu folgende Bemerkung machen. Das Erlernen einer fremden Sprache bedingt zwingend irgendwann den Aufenthalt in dem Land, in dem diese Sprache als Umgangssprache gesprochen wird. Das bedeutet: Es liegt auch in unserem Interesse, die Austauschmöglichkeiten zu vermehren, wenn wir den Sprachunterricht fördern wollen. Ich möchte hier einmal dankbar anerkennen, daß allein im letzten Jahr rund 1 000 amerikanische Highschool-Studenten - wir würden sagen: Besucher höherer Schulen - in der Bundesrepublik mehrere Wochen gewesen sind. Dafür hat eine ähnliche Zahl von Besuchern aus der Bundesrepublik mehrere Wochen in den Vereinigten Staaten geweilt. Das scheint mir ein hervorragendes Programm zu sein, das auch noch den Vorteil hat - das sage ich als Mitglied des Haushaltsausschusses -, daß es uns nichts gekostet hat. Das Interesse der Eltern der amerikanischen Schüler daran, daß ihre Kinder Deutsch lernen, war so groß, daß sie die entsprechenden Kosten aufgebracht haben.
Dennoch dürfen wir nicht übersehen, daß die Zahl der Stipendien für Studenten und die Aufenthaltsmöglichkeiten für Lehrer und Professoren in Deutsch in der Bundesrepublik zu gering sind. Das ist ein Punkt, welcher bei den zukünftigen finanziellen Planungen Beachtung verdient.
Herr Kollege Möllemann hat - dafür bin ich dankbar - darauf hingewiesen, daß in den sogenannten Expertenschulen deutsche Kinder unterrichtet werden, für die, wenn sie nicht im Ausland, sondern im Inland wären, die entsprechenden deutschen Länder den üblichen Kostensatz auferlegt bekämen. Das läßt sich nicht genau schätzen, aber es sind doch einige Millionen, die der Bund auf diese Weise den Ländern abnimmt, weil der Bund die Kosten für die entsandten Lehrer trägt. Ich bin der Auffassung, diese Empfehlung der Kommission ist ernst zu nehmen. Bei dem Ansatz, den wir für unsere Auslandsschulen benötigen - dieser Ansatz kann nicht geringer werden, er muß steigen -, ist es tatsächlich eine Frage - die zwischen Bund und Ländern zu klären ist -, ob der Bund die Aufgabe hat, die schulische Versorgung für all diejenigen sicherzustellen, die als deutsche Staatsbürger im Ausland sind; eine Aufgabe, die im Grunde Sache der Länder ist. Das ist eine Frage, die sicher nicht leicht zu beantworten ist, aber ich meine, daß wir auf die Klärung dieser Frage nicht verzichten sollten.
Wenn wir über deutsche Sprache, insbesondere als ein Mittel unserer auswärtigen Kulturpolitik, sprechen, müßten wir auch einmal - das ist bis jetzt noch nicht geschehen - die Konkurrenzsituation mit der DDR ins Auge fassen. In manchen Teilen der Welt, nicht zuletzt in unseren westlichen Industrienationen, besonders in den Vereinigten Staaten, sind die Aktivitäten der DDR teilweise größer als die unseren; nicht im Gesamtbereich auswärtiger Kulturpolitik, aber gerade in den Bereichen der Vermittlung der deutschen Sprache, der deutschen Literatur, der modernen deutschen Literatur, z. B. in den German Departments der amerikanischen Universitäten. Das darf man nicht überbewerten, und ich bin keineswegs der Auffassung, daß Vermittlung der deutschen Sprache durch Lehrer oder Professoren aus der DDR uns Sorge machen müßte. Dennoch läßt sich natürlich nicht leugnen, daß auf diese Weise, da die Sprache ein Mittel zur Vermittlung von Ideen, von politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen ist, ein gewisser Einfluß ausgeübt werden kann, der das Bild der Bundesrepublik Deutschland als eines freiheitlichen, demokratischen Staates berührt.
Wir stellen mit Dankbarkeit fest, daß die Kommission die Bedeutung der deutschen Sprache so sehr hervorhebt. Vor wenigen Jahren noch gab es Diskussionen darüber, ob in der auswärtigen Kulturpolitik die frühere - sagen wir - traditionelle Bedeutung der deutschen Sprache beibehalten bleiben sollte. Es gab Stimmen - dabei wurde der Anspruch erhoben, daß sie ernst genommen werden müßten -, die zum Ausdruck brachten, daß es zumindest nicht zwingend notwendig sei, die deutsche Sprache zu lernen. Besser sei es, deutsche Literatur in einer Übersetzung als überhaupt nicht kennenzulernen. Das mag sein, aber man muß sich darüber im klaren sein, daß es ohne Kenntnis der Sprache eines Volkes nicht möglich ist, es in der Vielfalt seiner Lebensäußerungen wirklich zu verstehen. Daher meine ich, daß es tatsächlich in unserem Interesse liegt, die Entwicklung, mehr Deutsch zu lernen, zu fördern, zu verstärken und der deutschen Sprache dort eine größere Bedeutung beizumessen, wo das Interesse vielleicht noch nicht so groß ist, wie wir das wünschen.
Wir möchten die Aufmerksamkeit der Regierung besonders auf die detaillierten Bemerkungen und Empfehlungen zur verbesserten Koordination und zur Umstrukturierung der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt lenken. Das ist auch mehrmals Diskussionsgegenstand bei Haushaltsberatungen gewePicard
sen, und man sage nicht, daß zur Verwirklichung dieser Vorschläge zuviel Geld nötig sei. Wenn man die Empfehlungen der Kommission unter den Rubriken 180 und 181 liest, kann man sicher nicht sagen, daß das so ist. Dennoch läßt sich natürlich nicht leugnen, daß dieses Parlament, wenn es mit der Einsetzung dieser Kommission wirklich die Absicht gehabt hat, eine Verbesserung der auswärtigen Kulturpolitik zu erreichen, und wenn es die Absicht gehabt haben sollte, das zum Schwerpunkt der Politik zu machen, auch über die steigenden Ansätze nachdenken muß.
Lassen Sie mich zur Koordination innerhalb der Regierung noch sagen, daß in den letzten Jahren verschiedene Versuche unternommen worden sind, die alle steckengeblieben sind. Dieses Steckenbleiben war vielleicht mit ein Grund für den verstärkten Versuch - oder für so etwas wie ein Ablenkungsmanöver -, den Mittlerorganisationen den Schwarzen Peter zuzuschieben, obwohl die Bereitschaft zur gegenseitigen Information und Koordination innerhalb der Mittlerorganisationen vorhanden war
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- Herr Präsident, ich bin sofort fertig -, während die Regierung das nicht in hinreichendem Maße unterstützt hat.
Herr Präsident! Da ich nicht genug Zeit habe, zum Haushalt und zur Aufteilung der Mittel Bernerkungen zu machen und da wir in der nächsten Woche Haushaltsberatungen haben, werde ich das, was in diesem Zusammenhang zu sagen ist, in der nächsten Woche bei der Beratung des Einzelplans 05 vortragen.
Ich danke der Kommission, deren Arbeit ich als Nichtmitglied verfolgt habe und deren Ergebnisse ich für außerordentlich hilfreich und gut halte.
Abschließend rege ich auch im Namen meiner Fraktion an, in der nächsten Legislaturperiode wie in früheren Jahren im Rahmen des Auswärtigen Ausschusses einen Unterausschuß für auswärtige Kulturpolitik einzusetzen.
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Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Lattmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beobachtet vielleicht, aber kaum kurzfristig reportiert von dem Teil der Medien, der der Tagespresse zugehört, führen wir hier eine Debatte, der mehr Bedeutung zukommt, als der Zahl der anwesenden Abgeordneten entspricht.
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Ich will mich hier für meine Fraktion nur mit einigen Äußerungen beschäftigen, die in der Debatte gemacht wurden. Es ist wichtig, die Eingangsworte meines Kollegen Kern aufgreifend, nochmals zu betonen, daß wir Sozialdemokraten in der Enquete-Kommission froh waren und im Rückblick froh sind, daß fast während der gesamten Arbeit eine
faire Verständigung, ja weitgehende inhaltliche Gemeinsamkeit möglich war. Dennoch gibt es ein paar Unterschiede. Sie sind, meine ich, noch nicht ganz umfassend zum Ausdruck gekommen. Deswegen möchte ich einiges nachtragen.
Herr Kollege Schulze-Vorberg, Sie haben Marschall von Bieberstein, den heutigen Leiter des Goethe-Instituts Paris, mit seiner gewiß berechtigten Äußerung zitiert, daß auswärtige Kulturpolitik notwendigerweise immer politisch sei, aber nicht von der Parteien-Politik überwuchert werden solle. Ich teile auch diese Einschätzung. Dennoch ist es erwiesene Tatsache und grundgesetzliche Voraussetzung, daß die Politik von den Parteien getragen wird. Deswegen müssen wir den Mut haben, zu sagen: Nicht nur die Auseinandersetzung der Parteien, sondern auch die Auseinandersetzung um die Qualität und die Inhalte unserer Kultur ist immer wieder Ursache von Konflikten. Damit sind diese Konflikte unwillkürlich, aber zugleich berechtigterweise auch Gegenstand unserer kulturellen Außenpolitik.
Die Frage ist in diesem Zusammenhang vor allem: Wo setzen wir die Reizschwelle an? Sie, Herr Schulze-Vorberg, haben indirekt eine ganz bestimmte Ausstellung im Goethe-Institut London erwähnt. Ich hatte damit zu tun und gestehe freimütig, daß auch mir nicht jede innerdeutsche Fortsetzung derselben Thematik an jedem Ort als das absolut Vernünftige erscheint. Dennoch muß man auch hier sagen: Wir alle miteinander als Zeitgenossen sind gegenüber denen, die uns aus der Position der Kultur heraus kritisieren, meist ungewöhnlich allergisch. Hier gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Bereich der kulturellen Tradition und dem Bereich der kulturellen Gegenwart. Denn über den Bereich der kulturellen Tradition einigen wir uns in der Regel rasch. Da sind die Größenordnungen erwiesen, und wir können, ungetrübt von Tagesauseinandersetzungen, sogar Geniekult betreiben. Aber für die Gegenwart ist unübersichtlich, wer denn eigentlich die künstlerisch und kulturell tragenden Persönlichkeiten unserer lebenden Generationen sind. Dies wird erst von der Nachwelt bestätigt werden.
In dem Zusammenhang möchte ich noch ein freies Wort zur Ausübung von Begrenzungen kultureller Gegenstände in der kulturellen Außenpolitik über den Weg des Haushalts sagen. In der Zeit, als es in Deutschland noch eine Majestät gab und Majestätsbeleidigung ein sehr einsehbarer Begriff war, hat man etwa den Verleger des Simplizissimus, Albert Langen, und Karikaturisten wie ThomasTheodor Heine, wie Thöny, wie andere, auch wie den Vater des heutigen Leiters der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, und zwar später in den Weimarer Jahren und zu Beginn des Dritten Reiches, wegen ihrer zeitkritischen Äußerungen bestraft und sie im Zuge dieser Intoleranz gegenüber Zeitkritik außer Landes gehen lassen. Ich glaube, wir sollten uns, wenn wir bewerten, wie künstlerisch der eine oder andere ist, der Sie oder uns heute kritisiert, auch sagen: dieselbe Toleranz, die wir gegenüber scharfer Kritik von Künstlern an der Politik in der Vergangenheit ausüben, sollten wir in der Gegenwart soweit wie möglich praktizieren.
Das kann natürlich nicht ohne Hautabschürfungen abgehen; aber wenn schon ein mächtiger Politiker oder die Politik insgesamt mit künstlerischer Kritik zusammenstößt, dann ist nach aller Erfahrung, wenn es bei diesen Konflikten ein bißchen staubt, nicht die Politik oder der Politiker schützenswert, sondern der Künstler.
Herr Abgeordneter Lattmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans?
Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Kollege Lattmann, bedauern Sie nicht mit mir, daß die Hautabschürfungen bei solchen Gelegenheiten nur immer in eine Richtung gehen?
Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, Herr Kollege, Ihnen in der Weise zu antworten, daß ich ein bißchen ausgreife. Gehen wir einmal in die Jahre, als Dieter Sattler der Leiter der Kulturabteilung war, gehen wir in die späten 50er, in die frühen 60er Jahre, als die damals jungen Autoren, wie Graß, Enzensberger, Walser, Lenz, als Revolutionäre galten - Graß als Pornograph - und die offizielle Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes eine ganze Reihe von Jahren brauchte, bis sie einsah, daß jene angeblichen Nestbeschmutzer in Wahrheit Repräsentanten unserer Kultur waren und daß sie mit ihrer Kritik an der Gegenwart in unserem Lande draußen als konstruktive deutsche Demokraten im engeren Feld der Kultur außerordentlich gut verstanden wurden.
Ich glaube, daß sich damals eine Menge Kritik gegen die verschiedensten Ausdrucksformen der Politik, auch gegen die SPD richtete. Erinnern Sie sich doch bitte, wie die Gruppe 47, als sie noch keinerlei parteipolitische Sympathie ausstrahlte, sondern sich in der heimatlosen Linken bewegte, insgesamt die parlamentarischen Parteien in der Bundesrepublik ablehnte oder jedenfalls massiv kritisierte. Da waren Sozialdemokraten keineswegs ausgenommen. Oder bedenken Sie bitte, wie bestimmte Künstler und Autoren in der heutigen Gegenwart mit Recht bestimmte Verhaltensweisen in der SPD kritisieren!
Herr Abgeordneter Lattmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg?
Bitte sehr.
Herr Lattmann, wenn Sie versuchen, hier heute morgen über die Freiheit der Kunst zu philosophieren, so darf ich Sie fragen, ob wir uns im Hinblick auf die Einengung auf das Problem, um das es im Rahmen des GoetheInstitutes nur gehen kann, darauf verständigen können, daß man im Rahmen der Goethe-Institute draußen, d. h. im Rahmen dessen, was von der Bundesrepublik mit Geld gefördert wird, den politischen Gegner nicht zum politischen Feind machen sollte
und daß sich die Bundesregierung dabei vor allem hüten sollte, das einseitig gegen die Opposition zu tun. Oder würden Sie es etwa für richtig halten - um einen letzten Satz anzuschließen; Herr Präsident, ich bedanke mich für die Freundlichkeit -, wenn eine von der CDU/CSU geführte Regierung Plakate der führenden Männer der SPD, die dann blutbesudelt, mit Waffen, mit einem offenen Messer dargestellt werden, als Kunst im Ausland mit Geld der Bundesrepublik förderte? Würden Sie das für richtig halten?
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Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, ich bin der Meinung, daß es hier auf das genaue Ausmessen der Reizschwelle ankommt und daß manchmal allzu eng und kurzfristig gesehen ist, was wir heute für bedeutend halten. Die Kunst ist eben nicht an diese tagespolitischen Dimensionen gebunden.
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- Herr Kollege Schulze-Vorberg, darf ich freimütig sagen: Als es hier um die Eröffnung einer StaeckAusstellung im Hause der Parlamentarischen Gesellschaft ging und ich gefragt wurde, ob ich die Eröffnungsrede halten würde, habe ich geantwortet, ich täte dies nur, wenn sich das von Ihnen angesprochene Plakat nicht dort befinde. Bitte beachten Sie dies in dem Zusammenhang auch einmal.
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- Ich bin der Meinung, daß wenn, wie in London, nicht Deutsche, nicht das Goethe-Institut, sondern englische Stellen eine Ausstellung über zeitgenössische deutsche politische Plakatkunst veranstalten, also in einer Veranstaltung, deren Träger nicht das Goethe-Institut ist, die Engländer bestimmen können müssen, was in England aus der Bundesrepublik gezeigt wird.
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In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren Kollegen, möchte ich noch einmal auf den einzigen Punkt in dem Bericht, in dem wir unterschiedlicher Meinung waren, eingehen und, um genau zu sein, dies auch zitieren. Hier kommt ein Punkt, an dem wir wahrscheinlich sagen müssen: Einigen wir uns darauf, daß wir verschiedener Meinung sind.
In dem Bericht spricht das Minderheitsvotum der CDU/CSU in bezug auf Kultur ungeniert von der „Verbesserung der zentralen Steuerung durch das Auswärtige Amt", Seite 13, Ziffer 42 des Berichts, während an anderer Stelle einstimmig formuliert wurde - Zitat -:
Die kommunistischen Staaten beanspruchen eine zentrale Steuerung und Kontrolle für alle kulturellen Aktivitäten.
Seite 21, Ziffer 93.
SPD und FDP sorgen sich im Votum der Mehrheit - Zitat -:
Bei einer so differenzierten und sensiblen Aufgabe, wie die auswärtige Kulturpolitik sie ihrem Wesen nach darstellt, liegen gelegentliche Konflikte zwischen kulturpolitisch entscheidender Institution und den Mittlerorganisationen in der Natur der Sache. ... Im Rahmen einer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung müssen sich Konflikte sachlich austragen lassen. In gravierenden Konfliktfällen in diesem Bereich soll der von der Enquete-Kommission vorgeschlagene Unterausschuß für kulturelle Außenpolitik des Deutschen Bundestags eingeschaltet werden.
Seite 13, Ziffer 45.
Die Union dagegen fordert - Zitat -:
Selbstverständlich muß aber der Staat das Recht haben, seine Unterstützung dann zu versagen, wenn das Ansehen oder das übergeordnete politische Interesse der Bundesrepublik Deutschland Schaden erleiden würde.
Wir werden dies, meine Damen und Herren, sicher nicht ausdiskutieren.
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- Herr Präsident, ich möchte bitten, mir, wenn ich diese letzte Zwischenfrage zulasse, die für die Zwischenfragen verbrauchte Zeit nach Möglichkeit nachzugewähren.
Ja, zumal ich sicher bin, daß sich Herr Kollege Schulze-Vorberg jetzt bei der Formulierung an die Geschäftsordnung erinnert.
Vielen Dank, Herr Präsident!
Herr Kollege Lattmann, nur damit die Sache klar bleibt, auch für das Protokoll des Bundestags: Stimmen Sie dem zu, daß die Formulierung, die die Minderheit der CDU/CSU für den Bericht vorgeschlagen hat und die im Bericht steht, vom Herrn Kollegen Kern stammt, daß sie ursprünglich von der gesamten Kommission gebilligt war und daß Sie nur durch Einfluß aus Ihrer Fraktion, wie Sie uns damals sagten, gezwungen waren, diese Änderung vorzunehmen? Das heißt also: Hier hat nicht ungeniert die Minderheit etwas gesagt -
Herr Kollege, keine weitere Erläuterung! Sonst ist es keine Zwischenfrage mehr.
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Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich möchte das nicht auf meinen Kollegen Kern hin personalisiert stehenlassen, aber einräumen, daß die Mehrheit der Koalition und dementsprechend auch der Berichterstatter diese Formulierung in einem
Zwischenstadium getragen haben, daß dann aber auch innerhalb der Koalition miteinander gerungen worden ist und daß hier als Mehrheitsvotum zu Buche steht und damit gilt, was sich in der Abstimmung durchgesetzt hat.
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Wir haben hier im Zusammenhang mit der Autonomie der kulturellen Mittler unserer Außenpolitik auch eine ganze Menge aktueller Überlegungen anzustellen. In dem Zusammenhang wird es wichtig sein, daß der 8. Deutsche Bundestag den ständigen Unterausschuß für kulturelle Außenpolitik so bald wie möglich konstituiert. Denn etwa im Bereich der größten Mittlerorganisation, des Goethe-Instituts, geht es ja gegenwärtig auch um einen neuen Vertrag dieses e.V. mit dem Auswärtigen Amt, und es geht darum, daß die Mitarbeiter des Goethe-Instituts besorgt sind, daß sich hier unter Umständen aus dem Amt heraus eine Tendenz zu mehr kultureller Bürokratie und weniger Autonomie durchsetzen könnte. Ich weiß, daß allerdings auch von einzelnen engagierten Beteiligten aus dem Amt heraus die Auffassung vertreten wird, daß man soviel Autonomie wie nur möglich praktizieren müsse.
In dem Zusammenhang erinnere ich an den anderen Punkt, daß wir einmütig fordern, daß die Kulturpositionen in der Außenpolitik flexibel besetzt sein müßten und daß auch Kulturreferenten aus der Reihe unabhängiger Persönlichkeiten unserer Gegenwartskunst und -literatur berufen werden könnten, daß man also bei der Besetzung dieser Positionen nicht immer nur an die Karrierediplomaten aus zum Teil kulturfremden Bereichen denkt.
Da wir von der Autonomie gesprochen haben, in diesem Zusammenhang noch ein Stichwort: Meine Damen und Herren, es gibt ja gerade gegenwärtig eine Art von verbalem Tumult um die Freiheit in der Bundesrepublik. Dabei wird das Wort „Freiheit" gerade dort sehr viel gebraucht, wo es nicht genügend durch tatsächliche, erfahrbare, erlebbare Freiheit für die gedeckt ist, für die es vor allem wichtig ist, nämlich für die jeweils Abhängigen. Deswegen gehört, glaube ich, diese Auseinandersetzung auch in unsere Diskussion hinein.
Nun aber ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Köhler. Sie haben vor allen Dingen den Bereich der Entwicklungspolitik angesprochen. Ich beharre darauf, daß, wie mein Kollege Kern eingangs sagte, der erweiterte Kulturbegriff gelten soll, der besagt: Die Instrumentarien der Entwicklungspolitik, überhaupt das Spektrum der auswärtigen Politik, also Bereiche bis weit hinein in die Übermittlung von Technologie und von modernen Erkenntnissen auch medizinischer Art, etwa im Bereich der Schwangerschaftsverhütung, können sehr wohl im Dienste der kulturellen Außenpolitik gesehen werden, und davon eben wird ein erheblicher Teil im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erarbeitet, betreut und geleistet.
Allerdings gibt es überall zu viele grüne Schreibtische, an denen man nicht ausreichend durch eigene schmerzliche Erfahrung weiß, wie es in der Wüste
aussieht. Meine Damen und Herren, die kulturelle Außenpolitik hat doch die Aufgabe, Friedenspolitik in einer Welt zu sein, in der wir reichlich unerschüttert die Tatsache hinnehmen, daß jeder dritte Mensch in der Welt von 500 DM im Jahr leben muß. Dann, wenn wir die immensen sozialen Spannungen zwischen der Dritten und der Vierten Welt und der Bundesrepublik - wie insgesamt den wohlhabenden Industrieländern - in den nächsten Jahren und Jahrzehnten konstruktiv und friedlich bewältigen wollen, müssen wir gerade im Bereich der Entwicklungshilfe das volle Instrumentarium einsetzen, und da ist etwa die entwicklungspolitische Zusammenarbeit auch auf den Gebieten des Bildungswesens und der Wissenschaft zu nennen. Sie hat einige wesentliche Akzente, die wie folgt aussehen. Sie zielt auf wirtschaftliche und soziale Veränderungen in den Entwicklungsländern ab. Sie unterstützt mit ihren Maßnahmen von unserer Seite die Eigenanstrengung der zuständigen Organisationen und Einrichtungen in den Entwicklungsländern, wobei das Setzen von Prioritäten in erster Linie den verantwortlichen Regierungen der Entwicklungsländer nach ihren Bedürfnissen obliegt. Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit hat den Auf-und Ausbau leistungsfähiger einheimischer Institutionen zum Ziel. Sie ist nicht auf Dauer angelegt, sondern stets zeitlich, finanziell und personell begrenzt. Das verlangt von uns allen, die wir hier engagiert und beteiligt sind, Flexibilität, denn Kultur in diesem erweiterten Sinn kann niemals etwas Starres sein. Unsere Bürokratien aber neigen natürlicherweise auf allen Ebenen immer wieder zur Verkrustung.
Herr Kollege Möllemann, Sie haben dankenswerterweise insbesondere den Bereich der Schulen angesprochen, und Sie, Herr Kollege Picard, sind auch noch einmal auf die Akzentverschiebungen im Bereich der kulturellen Autonomie, aber auch der ganzen pädagogischen Instrumentarien eingegangen. Ich möchte hier zusammenfassend noch eine Überlegung anstellen.
Die kulturelle Außenpolitik, wie wir sie jetzt nennen, wird nach den Vorschlägen dieses Berichts vor allem Aufgabe für den kommenden, den 8. Deutschen Bundestag sein. Und es geht darum, den interfraktionellen Konsens über das, was hier gewollt wird, zu erhalten und zu bestärken, denn das meiste ist interfraktionell möglich. Bei der allgemeinen Neigung dieses Bundesparlaments, das so wenig kulturelle Kompetenz besitzt, der Kultur zwar verbal hin und wieder, aber in toto nicht den Stellenwert zu geben, der ihr zukommt, sollten wir uns doch gemeinsam zumindest in diesem Augenblick, in dem wir über den Enquete-Bericht der Kommission Auswärtige Kulturpolitik diskutieren, den Ruck geben, zu sagen: Entbürokratisieren wir die Kultur und lassen wir sie wirklich zu einem Instrumentarium der Friedens- und Verständigungspolitik für die Bundesrepublik Deutschland in aller Welt werden!
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Das Wort hat Herr Staatsminister Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es, daß der Deutsche Bundestag die heutige Debatte einem Teilbereich der Außenpolitik widmet, der in der Parlamentsarbeit, wenn ich das hier einmal anmerken darf, und in der Öffentlichkeit häufig zu kurz kommt und deshalb in seiner Bedeutung manchmal nicht richtig eingeschätzt wird, nämlich der auswärtigen Kulturpolitik.
Um eine Kritik aufzunehmen, die der Herr Kollege Schulze-Vorberg zu Beginn angebracht hat, möchte ich hier ausdrücklich erwähnen, daß der Bundesminister des Auswärtigen es außerordentlich bedauert, daß er durch die mehrmalige Terminänderung, die hier notwendig war und die nicht zu kritisieren ist, einen anderen Termin, nämlich beim Überseetag in Hamburg, nicht mehr verändern konnte. Ich möchte aber, um gar keinen Zweifel zu lassen, sagen, daß das, was hier von der Bundesregierung dargestellt wird, selbstverständlich Wort für Wort vom Bundesminister des Auswärtigen getragen wird und selbstverständlich auch genauso verstanden wird, wie es hier im Namen der Bundesregierung vorgetragen wird. Es ist also nicht so, daß hier etwa eine Abstinenz herrscht. Ganz im Gegenteil. Wir haben uns genügend Zeit nehmen können, sorgfältig die Konsequenzen zu überlegen, die sich auch aus den Anregungen des EnqueteBerichts ergeben und die ja noch im einzelnen zu behandeln sein werden.
Das Gefühl, daß hier in diesem Bereich eine Überprüfung, eine Gewichtung der Ziele und der Instrumente fällig war, stand ja vor ungefähr sechs, fast sieben Jahren, wenn ich mich recht entsinne, Pate für den Entschluß des Deutschen Bundestags, eine eigene Enquete-Kommission mit dieser Aufgabe zu betrauen. Damit der Legendenbildung vorgebeugt wird, möchte ich noch hinzufügen, daß die Anregung, diese Überpriifung vorzunehmen, aus dem Bereich der sogenannten Bürokratie gekommen und vom Parlament aufgenommen worden war und nicht etwa umgekehrt. Ich sage das nur, damit die Tatbestände noch einmal klar sind. Ich erinnere mich nämlich genau dieser Vorgänge.
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- Herr Kollege Picard, wenn eine solche Aufgabe unternommen wird, ist es immer mit Mehrarbeit für alle verbunden. Aber beim Niederschreiben dieses Berichts wird sich mancher sicherlich daran erinnert haben, daß unter Journalisten der Satz „Schreiben bildet" gilt, und daß es insofern eine längere Ausbildungszeit auch für einige Kollegen gewesen sein mag.
Ähnliche Überlegungen der Bundesregierung
ich habe es schon gesagt - haben dann schließlich zur Einleitung einer Reform der auswärtigen
Kulturpolitik geführt, die ja schon Jahre vorher
auch in diesem Parlament in der Diskussion war,
und zwar aus Gründen, auf die ich nachher noch
kurz eingehen werde. Nun liegt dieser Bericht der
Enquete-Kommission vor. Auf Grund des EntschlieStaatsminister Moersch
ßungsantrags der drei Fraktionen wird die Bundesregierung bis zum 15. März 1977 einen schriftlichen Bericht über den Stand der auswärtigen Kulturpolitik vorlegen und dabei dann zu der Frage der Realisierung der Empfehlungen Stellung nehmen. Herr Kollege Picard hat schon angekündigt, daß in der nächsten Woche bei der Haushaltsdebatte dazu einiges gesagt wird. Diese Debatte wird sicher unsere Aufmerksamkeit verdienen. Ich hoffe, daß es zu dieser Debatte kommt, denn angekündigt war sie während der Haushaltsberatungen schon des öfteren. Sie können uns keine größere Freude machen, als sie auch zu führen. Sie werden daher heute von mir nicht erwarten, daß ich auf den Bericht im einzelnen eingehe, zumal der Bericht selbst und seine Empfehlungen die Arbeit mehrerer Ressorts betreffen. Der Prozeß der Abstimmung und Meinungsbildung wird formell erst beginnen, wenn der Deutsche Bundestag den Bericht gutgeheißen hat.
Schon jetzt aber kann ich sagen, daß die Bundesregierung den Bericht der Enquete-Kommission positiv bewertet. Es ist eine gründliche und umfassende Bestandsaufnahme der Maßnahmen, mit denen wir unsere kulturellen Beziehungen und Kontakte zum Ausland pflegen. Seine Gedanken zu organisatorischen und strukturellen Fragen enthalten bemerkenswerte Anregungen. Es ist richtig und wertvoll, die Programme der auswärtigen Kulturpolitik, der Bildungshilfe, der wissenschaftlichtechnologischen Zusammenarbeit und die zahlreichen kleineren Programme der Ressorts als Einheit zu sehen und zu behandeln. Der Bericht wird sicher dazu beitragen, Verbesserungen einzuleiten, zu beschleunigen und zu bestätigen, die seit langem fällig sind und die sich zum Teil bereits in der Realisierung befinden. Und auch dies, Herr Kollege Picard, darf ich hier anmerken: Es ist vor drei Jahren eine Absprache zwischen den Mitgliedern der Enquete-Kommission und dem Auswärtigen Amt getroffen worden, jetzt keine Veränderungen vorzunehmen, die das Auswärtige Amt vorhatte, und abzuwarten, bis der Bericht der Enquete-Kommission vorliegt. Nun können Sie nicht gut hinterher kritisieren, daß wir diese Absprache eingehalten haben.
Ich möchte im Namen der Bundesregierung den Mitgliedern der Kommission, sowohl den Abgeordneten des Deutschen Bundestages als auch den Sachverständigen und ihren Helfern, unseren Dank aussprechen. Nur wer sich selbst einmal mit der Vielfalt der Einrichtungen und Möglichkeiten der internationalen Kulturbeziehungen beschäftigt hat - und ich darf mich ja wohl zu diesen Abgeordneten zählen -, kann abschätzen, wieviel Mühe und Arbeit in den 500 Punkten und 127 Empfehlungen des Kommissionsberichts stecken.
. Die Autoren des 'Berichts hatten meiner Ansicht nach die Wahl zwischen zwei Alternativen, nämlich entweder optimale Modelle für Umfang und Art der Wahrnehmung der auswärtigen Kulturpolitik zu entwickeln und damit eine langfristige, wenn auch eventuell nicht immer realisierbare Orientierungshilfe zu geben oder aber auf dem Boden der Realität zu bleiben, dabei auch den Kompromiß mit dem Unzulänglichen nicht zu scheuen, dafür aber Vorschläge zu unterbreiten, die sich im wesentlichen innerhalb des vorhandenen organisatorischen und finanziellen Rahmens verwirklichen lassen. Die Kommission hat den zweiten Weg beschritten. Er war mühsamer, weniger spektakulär. Aber ich finde, er war ehrlich. Der praktische Wert des Berichts ist dadurch gestiegen. Die Bundesregierung wird alle Vorschläge ernsthaft und positiv prüfen, besonders auch diejenigen, die die Organisationsgewalt der Bundesregierung unmittelbar betreffen. Dabei werden wir im Auge behalten, daß der Bundestag in Übereinstimmung mit der Bundesregierung eine Vergrößerung des für die Durchführung der auswärtigen Kulturpolitik zur Verfügung stehenden administrativen Apparats bisher abgelehnt hat und zur Sicherung unserer wirtschaftlichen Stabilität besonders strenge Maßstäbe an die Entwicklung des öffentlichen Haushalts legt und legen muß.
Als in der vorletzten Legislaturperiode die Enquete-Kommission ins Leben gerufen worden ist, lief dieser Entschluß zeitlich parallel mit der Absicht der Bundesregierung, eine Reform der auswärtigen Kulturpolitik in Angriff zu nehmen. Mit der Regierungserklärung vom Oktober 1969 wurde die Einleitung, mit der Regierungserklärung vom Januar 1973 die Fortsetzung dieser Reform festgelegt. Die Leitsätze des Auswärtigen Amtes - und danach hat die Bundesregierung ja gehandelt - erweiterten den Kulturbegriff und erklärten Austausch und Zusammenarbeit zu wichtigen Grundsätzen der Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland. Darauf aufbauend wurde ein politisches Konzept entwickelt und eine Gesamtplanung für die kommenden Jahre in Angriff genommen. Grundlage dieser Planungen war die Erkenntnis, daß sich neue Aufgaben stellten und damit eine neue Phase der auswärtigen Kulturbeziehungen und der auswärtigen Kulturpolitik begonnen hatte. Bis dahin mußte die Förderung kultureller Auslandsbeziehungen vornehmlich der Wiederherstellung des deutschen Ansehens in der Welt dienen. Später hat sie weitgehend im Zeichen der damaligen Deutschlandpolitik gestanden. Die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Vereinten Nationen bedeutete den Eintritt in einen neuen Kreis weltweiter Rechte und weltweiter Verantwortungen. Für die Bundesrepublik Deutschland wurde endgültig verbindlich, daß, wie es Bundesaußenminister Genscher am 24. September letzten Jahres in New York ausgedrückt hat, „der unaufhaltsame Trend zu immer engerer wechselseitiger Abhängigkeit der Staaten das Kennzeichen des neuen Zeitalters, der Zug der Weltgeschichte ist". Daraus ergebe sich, so sagte er, „die Notwendigkeit, das Bewußtsein der Interdependenz und als Konsequenz besonders die Politik der Kooperation durchzusetzen".
Die Aufgabe der Politik ist es - und hier zitiere ich ein Wort des damaligen Bundeskanzlers Brandt vom 26. September, ebenfalls bei der UNO in New York -, „durch intensiven wirtschaftlichen und technischen Austausch, durch die Begegnung von Menschen und durch bessere Kenntnis voneinander zu einer Verbesserung des Verhältnisses der Staaten
und damit zu einem besseren Zustand des täglichen Frieden zu kommen".
Diesen Vorstellungen entsprechend haben wir die Akzente unserer auswärtigen Kulturpolitik zunehmend darauf gelegt, unseren Partnern Informationen und Erfahrungen zu vermitteln, um das Verständnis für die kulturelle Wirklichkeit Deutschlands zu vertiefen und dadurch zum gegenseitigen Verstehen beizutragen. Wir haben Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine engere internationale Zusammenarbeit geschaffen und schaffen wollen. Um zur besseren Kenntnis und zum tieferen Verständnis Deutschlands in der Welt beizutragen, haben wir das Gebiet der kulturellen Information erweitert und insbesondere die verschiedenen Aspekte der deutschen Gegenwart stärker berücksichtigt. Ich sage ausdrücklich: die verschiedenen Aspekte. Unsere auswärtige Kulturpolitik betont im Einklang mit dem Bericht der Kommission den Fortbestand einer einheitlichen deutschen Kultur. In diesem Sinne sind wir zu einer Zusammenarbeit oder - solange die DDR dies ablehnt - zu einem geregelten Nebeneinander mit ihr in der kulturen Auslandsarbeit bereit. Wo es auf diesem Gebiet zu einem Wettbewerb zwischen den beiden Teilen Deutschlands kommt, darf dieser die bestehenden Gemeinsamkeiten nicht verdunkeln.
Das Angebot von Büchern, von Filmen, von Fernsehbeiträgen ist verbessert worden. Wir haben die auswärtige Kulturpolitik um einen ganz neuen Sektor erweitert, der es Angehörigen wichtiger gesellschaftlicher Gruppen ermöglicht, mit ihren Partnern im Ausland Kontakt aufzunehmen und Erfahrungen auszutauschen. Wir haben die Unterstützung gemeinsamer sportlicher Veranstaltungen und sportlicher Schulungen verbessert. Unsere Programme können sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen. Sie gelten vielfach als vorbildlich.
Unsere Bemühungen werden ihr Ziel aber verfehlen, wenn wir uns nicht auch darum kümmerten, daß in unserem Lande die Kenntnis der europäischen und überseeischen Länder vermittelt wird, daß das Verständnis für ihre historische und kulturelle Eigenart wächst. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zu den Aufgaben der deutschen Wissenschaft sagen. Es gab Zeiten, in denen unsere Lateinamerikanistik, die Indologie, die Afrikanistik mehr Bedeutung in der Welt hatten, als sie es heute zum Teil haben. Unsere Bemühungen, sich vertieft mit diesen Kontinenten, mit den Ländern, mit den Völkern, mit ihrer Geschichte, mit ihren Bedingungen zu befassen, können nur dann erfolgreich sein, wenn auf diesem Gebiet der nicht unbedingt berufsorientierten wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung wieder mehr geschieht, als es bisher hierzulande möglich war, und wenn wir auch die Bundesländer mehr als bisher dazu bringen, diese für sie vielleicht am Rande liegenden wissenschaftlichen Aufgaben stärker zu fördern.
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Ich glaube, daß wir dann, ohne daß der Staat überhaupt viel damit zu tun haben müßte - und ich
halte eine Kulturpolitik eigentlich dann für erfolgreich, wenn sie sich ohne den Staat entwickeln kann -, wenn wir ein qualitatives Angebot machen, das Ausländer in unser Land bringt, um sich mit ihrer eigenen Kultur und Geschichte, mit ihrer eigenen Sprache zu befassen, wieder einen großen Schritt nach vorn getan haben.
Es ist für manche vielleicht überraschend, für die, die in der Kommission waren und sich mit der Frage befaßt haben, aber gar nicht neu, daß es heute in der Germanistik in der Welt Plätze gibt, an denen man mehr und besser als an irgendeinem Platz in der Bundesrepublik Deutschland Forschung treiben kann.
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- Nicht nur leider, Herr Picard. Wir sollten aus einem Zustand, den deutsche Politik 1933 selbst verschuldet hat, auch eine Konsequenz ziehen, nämlich die, daß wir einen Vorteil daraus ziehen können, wenn wir dies weiter pflegen, z. B. durch Verbesserung der Möglichkeiten dieser Germanistik in den Vereinigten Staaten anläßlich der 200-JahrFeier, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.
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Nur gilt dann eben umgekehrt, daß wir auch für die anderen, für die Amerikanistik in unserem Lande entsprechende Positionen schaffen sollten und schaffen müssen. Dies ist nicht die Aufgabe des Bundestages. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundestages, Herr Picard, etwa Lehrstühle für die Didaktik der deutschen Sprache als Fremdsprache, so wichtig sie sind, etwa durch den Bund mitzufinanzieren. Das würde zu weiteren Komplikationen führen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß diese Gebiete in die Aufgabenbereiche der Hochschulen und damit in die Kulturhoheit der Länder gehören. Wir wollen die saubere Trennung durchaus beibehalten. Wir wollen nur darauf aufmerksam machen, daß hier noch Aufgaben sind, die bisher in ihrer Bedeutung von den Ländern nicht überall voll erkannt worden sind, was ich bedauere.
Lassen Sie mich nun, entsprechend meinen Notizen, fortfahren. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, unserer eigenen Bevölkerung den Zugang zu den fremden Kulturen zu erleichtern. Es liegt auch in unserem Interesse - das ist hier schon mit Recht gesagt worden -, daß diese Völker in einen Dialog mit uns eintreten. Ein großer Teil dieser Aufgabe wird dankenswerterweise heute ' von Ländern und Gemeinden geleistet, sei es im Rahmen der Kultur-und Veranstaltungsprogramme, sei es an den verschiedenen Universitäten, Schulen und Volkshochschulen.
Gegenseitige Kenntnis und besseres Verständnis sind auch die Voraussetzung für das zweite Hauptziel unserer auswärtigen Kulturpolitik: die Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit. Sie wird nicht nur auf kulturellem Gebiet vorwiegend in Hochschule und Forschung vorbereitet oder findet selbst dort statt. Die Bundesregierung hat daher den Wissenschaftsbereich zum Schwerpunkt der auswärtigen Kulturpolitik gemacht. Ein Fünftel bis ein Viertel des Kulturfonds werden hierfür ausgeStaatsminister Moersch
geben. Auf dem zweiten großen Sektor des Bildungswesens leitete sie Reformen ein, die diesem Ziel dienen. Wo immer möglich, sollen die von uns geförderten Schulen im Ausland als Begegnungsschulen junge Menschen verschiedener Kultur und Sprache zueinander führen und so die Voraussetzung für eine spätere Kooperation schaffen. Es ist mit Recht angemerkt worden: es sollen junge Menschen aus allen sozialen Schichten sein und nicht aus ganz bestimmten Schichten. Nur dann sind diese Schulen wirklich ein sinnvolles Instrument und sinnvolle Begegnungsschulen.
Ein wichtiges Element dieser Aufgaben ist - darauf ist hingewiesen worden - die Förderung des deutschen Sprachunterrichts. In den Ländern, die kulturell ähnlich wie wir strukturiert sind, sieht unsere Sprachförderung ihren Zweck nicht nur darin, den Angehörigen fremder Kulturen zu helfen, sich uns gegenüber verständlich zu machen; sie will ihnen auch einen Zugang zu unserer Kultur und eben zu unserem Denken öffnen. Im Verkehr mit den entfernter liegenden Regionen legen wir größeren Wert auf die Funktion der Sprache als Instrument der Vermittlung für den Austausch von Erfahrungen, von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Informationen. Das wachsende Interesse an der deutschen Sprache, das übrigens auch von vielen fremden Schulsystemen noch nicht ausreichend honoriert wird, führt dazu, daß sich die Anstrengungen der Bundesregierung zunehmend auf die indirekte Sprachförderung konzentrieren können, d. h. auf die wissenschaftliche Erarbeitung der linguistischen und methodischen Grundlagen, auf die Ausbildung von Sprachlehrern, auf eine beratende und sprachpädagogische Tätigkeit unserer Fachleute. Das kann aber nicht genügen.
Ich darf an dieser Stelle anmerken, daß ich den Umfang des Fremdsprachenunterrichts im deutschen Schulsystem für unzureichend halte. Unsere Schulen bereiten unseren Nachwuchs sprachlich schlecht auf die Aufgaben vor, die in Südeuropa - denken wir dabei auch an Lateinamerika -, in Osteuropa, in Afrika und in Asien auf uns warten. Wir sind eine Mittelmacht, die in besonderem Maße abhängig ist von der Kooperation mit der Welt. Es genügt nicht, sich darauf zu verlassen, daß Englisch zur lingua franca wird. Vielmehr wäre es wünschenswert, daß unser eigenes staatliches Bildungssystem sich sprachlich stärker diversifiziert, vor allem hinsichtlich wichtiger europäischer bzw. Weltsprachen wie des Italienischen, des Spanischen, des Russischen und des Arabischen, um nur einige zu nennen. Es ist nicht erfreulich, wenn man hört, daß die zahlreichen Studenten der Slawistik so gut wie keine Chance haben, etwa im höheren Schuldienst Verwendung finden zu können, jedenfalls in vielen Ländern, obwohl wir doch alle wissen, wie bedeutsam die Slawistik für uns ist, auch kulturell, nicht nur als Transportmittel gewissermaßen für Erfahrungsaustausch, und wie sehr Deutsch in diesen Ländern gefördert und gelernt wird. Es ist einigermaßen seltsam, wenn man sich bei uns oft auch in politischen Diskussionen überhaupt nicht vergegenwärtigt, wie unangenehm es unsere Nachbarn berühren muß, wenn wir wie selbstverständlich erwarten, daß in ihren Schulen Deutsch einen hohen Rang hat, aber kein Gegenangebot für ihre Sprachen in unseren Schulen machen können. Wir hatten kürzlich Gelegenheit, in der Fragestunde auf dieses Mißverhältnis etwa Italien gegenüber hinzuweisen. Ich glaube, wir sollten auch als Bundestag dieses Thema der Gegenseitigkeit in diesem Bereich stärker betonen. Auch wenn es nicht in unsere unmittelbare Kompetenz fällt, so ist doch ein Stück allgemeiner außenpolitischer Verantwortung damit verbunden.
Ich habe versucht, mit ein paar Worten den Hintergrund der Reform zu skizzieren, die wir vor sechs Jahren eingeleitet haben und die wir Schritt für Schritt weiterverfolgen. Dieser Prozeß ist noch keineswegs zum Abschluß gekommen. Die Einsichten und Empfehlungen der Enquete-Kommission liefern uns wichtige zusätzliche Impulse.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein paar Mißverständnisse aufklären, die in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Frage aufgetreten sind - das ist ja hier schon erörtert worden -, wieweit die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Kultur auch für die auswärtige Kulturpolitik gilt.
Die Besonderheit kultureller Vorgänge ist es, daß sie es mit den Neigungen, Interessen und Entwicklungsprozessen von Menschen zu tun haben. Die Kultur braucht einen Freiraum, um sich so zu entfalten, wie es unseren humanistischen und demokratischen Traditionen entspricht. Unsere Verfassung und unsere pluralistische Gesellschaftsordnung sichern der Kunst, der Bildung und der Wissenschaft diesen Freiraum im Innern der Bundesrepublik Deutschland.
Auch die Konzeption der auswärtigen Kulturpolitik basiert auf dem Prinzip der kulturellen Freiheit. Dies hat sich als richtig herausgestellt und uns im Ausland einen Respekt und eine Wirkung gesichert, die dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland genützt haben. Die Bundesregierung bekennt sich in vollem Umfang zur Freiheit der Kultur. Sie ist und bleibt ein wesentliches Prinzip des Austauschs mit dem Ausland. Auswärtige Kulturpolitik ist aber auch staatliches Handeln. Sie ist Teil unserer Außenpolitik und wird überwiegend nicht auf dem eigenen Staatsgebiet, sondern in fremden politischen und fremden Rechtssystemen tätig. In den meisten Fällen berührt sie auch das Verhältnis der Bundesregierung zu fremden Regierungen. Es ist daher selbstverständlich, daß die Programme der auswärtigen Kulturpolitik sich nicht nur im Rahmen der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes halten, sondern auch die im Gastland geltenden Gesetze und Regelungen beachten müssen, auch dann, wenn sie nicht mit unseren eigenen Normen übereinstimmen. Es gibt nun einmal Symbole und Verhaltensweisen, die in einem fremden Land eine andere Bedeutung besitzen als bei uns. Die Empfänger und Partner unserer Programme sind an andere Normen gebunden. Sie haben sich andere Traditionen gebildet und wurden mit anderen Informationen versorgt als unsere eigenen Bürger. Dies müssen wir bei unseren auswärtigen Kulturbeziehungen bedenken und berücksich16742
tigen, und wir müssen darauf achten, daß im Ausland das Bild unserer demokratischen Konfliktgesellschaft dargestellt wird, wenngleich die Konflikte selbst im Inland auszutragen sind, nicht aber auf fremdem Boden.
Bei der Bewältigung dieser Aufgaben nimmt die auswärtige Kulturpolitik, wie jeder andere von der Bundesregierung verwaltete Arbeitsbereich, öffentliche Interessen wahr, und zwar deutsche Interessen unter langfristigen Aspekten. Zur Erleichterung eines möglichst freien Austausches von kulturellen Informationen, Projekten und Programmen haben wir die Durchführung von Aufgaben an privatrechtlich organisierte Träger delegiert. Dieses Prinzip hat sich bewährt. Wir halten an ihm fest, ebenso wie wir den Freiraum sichern wollen, den diese Organisationen genießen und brauchen.
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Die politische und finanzielle Verantwortung für die Wahrung unserer Interessen liegt bei der Bundesregierung, wie dies das Grundgesetz und das Haushaltsrecht ausweisen. Daran führt kein Weg vorbei. Deshalb kann die politische Verantwortung nicht an halbautonome Institutionen delegiert werden, und sie kann der Bundesregierung bei strikter Beachtung der Verfassung auch und gerade in schwierigen Fällen nicht von einem Ausschuß des Bundestages abgenommen werden. Was immer dort zur Entlastung einer Regierung entschieden werden könnte, unsere Partner im Ausland würden immer die Verantwortlichkeit der Bundesregierung unterstellen und sich unserem Land gegenüber entsprechend verhalten. Dies muß man einfach als die notwendige Abgrenzung der Möglichkeiten nüchtern sehen.
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Wie immer die Sache in einem solchen Fall laufen würde, man könnte ja im Bundestag nicht die Mitglieder eines Ausschusses befragen, sondern der Bundestag würde die Bundesregierung nach dem Warum und Weshalb befragen. Damit ist, glaube ich, dieses Thema hier noch einmal klar und deutlich festgehalten. Ich habe es nur vermerkt, damit wir bei allem Bemühen, eine vernünftige Regelung zu finden, die Grenzen, die die Verfassung zieht, sehen und damit wir uns nicht verheddern in Bereichen, in denen wir nur zur Unklarheit beitragen könnten und nicht zur Klarheit.
Über die Grundlinien der auswärtigen Kulturpolitik, über die Bedeutung der wichtigsten Programme bestand seit der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland Einvernehmen zwischen den Fraktionen dieses Hauses. Das hat auch der Bericht der Enquete-Kommission bestätigt. Auch Regierungswechsel haben diese prinzipielle Übereinstimmung nicht berührt, denn es handelt sich um die Erfüllung langfristiger Aufgaben, die, wie auch in anderen westlichen Demokratien, bei Wahlentscheidungen eigentlich nicht zur Disposition stehen und stehen können. Die Bundesregierung begrüßt es daher besonders, daß es gelungen ist, den Bericht der Enquete-Kommission im ganz überwiegenden Teil einvernehmlich zu formulieren und daß die Empfehlungen einstimmig ausgesprochen worden sind. Die Bundesregierung hofft, daß diese Übereinstimmung künftig aufrechterhalten bleibt und daß sie auch in dem von der Enquete-Kommission vorgeschlagenen Unterausschuß „Auswärtige Kulturpolitik" herrscht. Die Bundesregierung nähme gerne die Gelegenheit wahr - das möchte ich hier gleich anmerken -, mit einem solchen Ausschuß des Bundestages den ständigen Informations- und Meinungsaustausch zu pflegen. Sie ist sicher, daß dies von allgemeinem Nutzen wäre. Wenn sich in einem solchen Ausschuß politischer Sachverstand und Aufgeschlossenheit für kulturelle Fragen vereinigen - und dessen bin ich sicher -, dann kann dies für die Tätigkeit unserer Vertreter im Ausland nur förderlich sein. Sie könnten viele Anregungen und viele Informationen mitnehmen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung zur Frage der Vertretung kultureller Aufgaben durch Beamte im Ausland machen. Ich habe wohl gehört, was hier von einigen Rednern gesagt worden ist. Und ich möchte ganz besonders das unterstreichen, was Herr Lattmann gesagt hat, nämlich daß es nützlich und notwendig sei - wie immer schon -, daß Außenseiter aus dem kulturellen Bereich selbst zeitweilig mit solchen Aufgaben betraut würden. Aber es ist ebenso wichtig - ich möchte das ganz ausdrücklich sagen -, daß ein Beamter des Auswärtigen Dienstes nicht dadurch von kulturellen Aufgaben, auch der Verwaltung von Kulturaufgaben im Ausland ferngehalten wird, daß hier gewissermaßen ein Spezialdienst eingerichtet (I würde. Es gibt zwar Kulturreferenten - es muß sie geben -, aber es muß ein Gesamtinteresse, eine Gesamtvertretung dieser Fragen im Ausland geben. Je mehr wir in der Lage sind, immer wieder - unsere - Beamten zeitweilig mit solchen Aufgaben zu betrauen, desto sicherer sind wir, daß der kulturelle Aspekt der Auslandsbeziehungen von allen Beamten im Ausland gewürdigt wird. Das schließt die zeitweilige Beschäftigung von Außenseitern nicht aus. Aber Herr Kollege Lattmann, ich muß auch offen bekennen: ich habe beobachtet, daß Kollegen aus dem Bereich des Journalismus und aus dem kulturellen Bereich, wenn sie im Auswärtigen Dienst für eine solche Aufgabe auf Zeit vertraglich gebunden worden sind, ihre wirkliche Berufung sehr oft im politisch-diplomatischen Dienst sehen und nicht so sehr in dem, für den sie eigentlich berufen worden sind.
Daraus kann man mehrere Schlüsse ziehen. Ich will das jetzt nicht tun. Ich will nur sagen, daß die Idealvorstellungen und die wirklichen persönlichen Interessen nicht immer harmonieren. Aber daß es notwendig ist, kulturell Tätige immer wieder in diese praktische Vermittlungsaufgabe einzuschalten, ist völlig unbestritten. Wir werden uns weiter darum bemühen.
Herrn Dr. Schmitt-Vockenhausen bin ich dafür dankbar, daß er auf den Reformbericht zum Auswärtigen Dienst hingewiesen hat. Die Lektüre dieses Berichts wird allerdings ausweisen, daß vieles, was wir uns vorgenommen hatten, um etwa zur
Auffrischung schon vorhandener Kenntnisse zu kommen, bisher nicht voll erfüllt werden konnte, weil dazu eine Personalreserve notwendig wäre, die es z. B. erlaubt, eine Art Ergänzungsstudium zu absolvieren oder eine Weiter- und Fortbildung in der Weise zu vollziehen, daß sie auch die bessere Darstellung deutscher kultureller Tätigkeiten im Ausland ermöglicht. Denn mit dem Abschluß eines Studiums und der Ausbildung kann man das nicht alles beherrschen. Da muß man sozusagen lebenslang lernen, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können. Vielleicht wird die Haushaltsdebatte, vielleicht werden andere künftige Debatten in diesem Hause, vielleicht wird auch diese Debatte dazu beitragen, daß ' das, was ich Fort- und Weiterbildung nennen möchte, nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit zur Vertretung deutscher Interessen im Ausland angesehen wird.
Ich wünsche mir, daß die erstaunlich gute Besetzung bei der Behandlung kultureller Fragen am Samstagmorgen
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- am Freitagmorgen, Entschuldigung; ich gebe zu: ich bin vorausgeeilt; ich sehe, daß hier viele Mitglieder der Fünf-Tage-Woche-Fraktion offensichtlich geistig anwesend sind -, eine Besetzung, die sich von früheren Besetzungen bei ähnlichen Debatten in der Zeit vor 1969 abhebt, vielleicht nicht nur ein verstärktes Interesse am Bericht der Enquete-Kommission, sondern auch an den kulturellen Auslandsbeziehungen signalisiert. Ich wäre dankbar, wenn die Maßstäbe, die Sie uns heute morgen auf diesem Gebiet für die Auswahl unserer Mitarbeiter im Auswärtigen Dienst mitgegeben haben, künftig auch immer die Maßstäbe der Fraktionen sein könnten.
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Meine
Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Es liegt Ihnen ein Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 7/5119 betreffend Empfehlungen der Enquete-Kommission „Auswärtige Kulturpolitik" vor. Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich schlage vor, daß wir darüber abstimmen.
Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 28 der Tagesordnung und den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten
Raumordnungsbericht 1972 Raumordnungsbericht 1974
Raumordnungsprogramm für die großräumige Entwicklung des Bundesgebietes ({1})
- Drucksachen VI/3793, 7/3582, 7/3584, 7/4786 -Berichterstatter: Abgeordneter Immer ({2})
Abgeordneter Dr. Jahn ({3})
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ({4})
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung der vorgelegten Berichte gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern.
Wir treten in die Aussprache ein. Zunächst wünscht Herr Bundesminister Ravens das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte gibt der Bundesregierung Gelegenheit, vor dem Deutschen Bundestag über die Leistungen und über die Probleme der Raumordnungspolitik in der 7. Legislaturperiode Rechenschaft abzulegen. Lassen Sie mich deshalb mit zwei Feststellungen beginnen.
Erstens. Sowohl die Aussprache über die Große Anfrage der Opposition zur Raumordnungspolitik vom 26. September 1974 in diesem Hause als auch die Beratung des Bundesraumordnungsprogramms und des Bundesraumordnungsberichts 1972 und 1974 in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages haben gezeigt, daß es bisher ein hohes Maß an Übereinstimmung auf dem Gebiet der Raumordnungspolitik zwischen Parlament und Regierung gibt.
Zweitens. Raumordnungspolitik, meine Damen und Herren, ist oft der Gefahr ausgesetzt, sich in allgemeinen und unverbindlichen Formulierungen zu verlieren. Ich denke, mit dem Bundesraumordnungsprogramm und der Umsetzung des Bundesraumordnungsprogramms ist diese Phase überwunden. Das zeigt der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der hier gestern fast einmütig verabschiedet worden ist. Sie, meine Damen und Herren, haben damit gleichzeitig über einen Teil der Raumordnungspolitik der Bundesregierung ein positives Urteil abgegeben; denn politisch und methodisch hat der fortgeschriebene Bedarfsplan für den Bundesfernstraßenbau Neuland betreten. Erstmals wurde nicht nur erfolgreich nach dem Grundsatz verfahren, daß Straßenbaumaßnahmen sich nicht allein nach dem prognostizierten Verkehrsaufkommen zu richten haben, sondern es wurde auch in Rechnung gestellt, daß Straßenbaumaßnahmen Instrumente der räumlichen Strukturpolitik sind und daß sie über die Anbindung und Erschließung strukturschwacher Regionen einen Beitrag für regionales Wirtschaftswachstum, regionale Infrastrukturversorgung, regionale Verbesserung der Raum- und Siedlungsstruktur leisten können und leisten müssen.
Ich möchte als Ergebnis noch einmal festhalten, daß von den bis 1985 für neue Maßnahmen vorgesehenen Mitteln im Rahmen dieses Programms in Höhe von 21,4 Milliarden DM rund 5 Milliarden DM auf Grund raumordnerischer Erwägungen räumlich umverteilt worden sind. Damit ist ein Beitrag für eine ausgewogenere Raum- und Siedlungsstruktur in der Bundesrepublik geleistet worden, und damit ist eine konkrete Koordinierung zwischen der Raumordnungs- und der Verkehrspolitik der Bundesregierung gegeben. Diese Verzahnung zwischen Raumordnungs- und Straßenbaupolitik ist möglich geworden, weil es seit dem vergangenen Jahr erstmals das Bundesraumordnungsprogramm gibt.
Allerdings, meine Damen und Herren: Eine räumliche Strukturpolitik der Bundesregierung gibt es nicht erst seit dem Bundesraumordnungsprogramm. Insbesondere die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben und der Finanzhilfen des Bundes an die Länder und Gemeinden hat die Möglichkeiten der räumlichen Strukturpolitik im Bundesstaat deutlich ausgeweitet. Die sozialliberale Bundesregierung hat dieses Instrumentarium im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten nicht nur genutzt, sie hat es auch mit großem Erfolg angewendet.
Lassen Sie mich diese Feststellung mit einigen Zahlen untermauern. In der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" hat die Bundesregierung von 1972 bis 1975 insgesamt 1,09 Milliarden DM an Gemeinschaftsaufgabenmitteln bereitgestellt. Aus Einnahmeverzichten nach dem Investitionszulagengesetz kommen noch einmal 1,27 Milliarden DM hinzu. Insgesamt sind damit ca. 419 000 Arbeitsplätze geschaffen und 404 000 Arbeitsplätze gesichert worden.
Für die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau" hat die Bundesregierung in den letzten sechs Jahren 8,2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt; das bedeutet von 1971 bis 1975 rund 210 000 neue Studienplätze - bedeutsame raumwirksame Maßnahmen.
Die dritte Gemeinschaftsaufgabe, „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hatte 1973 1,05 Milliarden DM an Bundesmitteln zur Verfügung; 1975 waren es 1,35 Milliarden DM. Nimmt man die Finanzhilfen des Bundes hinzu - 1971 bis 1975 9,13 Milliarden DM für die Gemeindeverkehrsfinanzierung, 1,1 Milliarden DM für die Städtebauförderung, seit Inkrafttreten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes im Oktober 1972 3,6 Milliarden DM für diese Aufgabe - und berücksichtigt man ferner die Mittel der Bundesverkehrsinvestitionen in den Jahren 1970 bis 1975 in Höhe von rund 45 Milliarden DM, so kann man wohl nur die Feststellung treffen: Hinter uns liegen Jahre erfolgreicher Strukturpolitik der Bundesregierung. Das war angewandte Raumordnungspolitik.
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Die Konjunkturprogramme der Bundesregierung haben ein Übriges getan: im Februar 1974 600 Millionen DM Bundesmittel für das Sonderprogramm für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen; im
September 1974 600 Millionen DM für das Sonderprogramm zur regionalen und lokalen Abstützung der Beschäftigung; im Dezember 1974 Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur in Höhe von 1,73 Milliarden DM, davon alleine 600 Millionen DM an raumwirksamen Investitionen beim Bundesverkehrsminister; und im September 1975 5,75 Milliarden DM für das Bauinvestitionsprogramm der Bundesregierung.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Das notwendige Netz sozialer Sicherung zur Verhinderung oder Milderung individueller sozialer Probleme ist im Laufe der letzten Jahre wirksam ergänzt worden durch das ebenso notwendige Netz raumordnungspolitischer Maßnahmen zur Herstellung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in unserem Lande. Das Bundesraumordnungsprogramm ist ein Instrument, um zu einem Ausgleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik zu kommen, um das Ausbluten des ländlichen Raumes zu verhindern, um die Lebensfähigkeit der ländlichen Räume zu sichern und um eine menschengerechte, eine menschenwürdige Entwicklung unserer städtischen Regionen zu ermöglichen. Das Bundesraumordnungsprogramm wird dabei schrittweise umgesetzt. Auf den Bereich der Bundesfernstraßen habe ich bereits hingewiesen.
Lassen Sie mich zur Einflußnahme der Raumordnung bei Standortentscheidungen von Bundesbehörden einige Worte sagen. Selbstverständlich müssen bei Standortentscheidungen durchschlagende betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte oder auch übergeordnete politische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Aber bei Standortentscheidungen ist natürlich eine Abwägung raumordnungspolitischer Gesichtspunkte vorzunehmen. Das haben wir in allen Einzelfällen sorgfältig getan, und wir werden auch in Zukunft so verfahren. Lassen Sie mich deutlich hinzufügen: Die Bundesregierung ist sich darüber klar, daß Verkehrswege, daß Schiene, Straße und Wasserstraße besondere raumordnungspolitische Funktionen haben.
Die Koordinierung der Raumordnungspolitik mit den Fachplanungen im Bundesbereich ist eine ständige und wechselnde, sie ist keine spektakuläre Aufgabe. Sie wird verstärkt wahrgenommen, so wie jetzt z. B. die Koordinierung der Regionsabgrenzungen zwischen den betroffenen Bundesressorts anläuft. Ich bin allerdings der Auffassung, daß das von Bund und Ländern gemeinsam erarbeitete Bundesraumordnungsprogramm nicht nur der Umsetzung im Bundesbereich, sondern ebenso in den Ländern bedarf.
Die Bundesregierung wird auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen. Das gilt auch für die Programmfortschreibung. Ich begrüße hier ausdrücklich den interfraktionellen Antrag des 15. Ausschusses, der noch einmal sehr deutlich gemacht hat, wo die Schwerpunkte dieser Fortschreibung liegen.
Das Raumordnungsprogramm geht auf einen Auftrag des Bundestags aus dem Jahr 1969 zurück. Die Ministerpräsidenten haben 1970 den Beschluß geBundesminister Ravens
faßt, die Bund-Länder-Ministerkonferenz für Raumordnung mit der Ausarbeitung des Bundesraumordnungsprogramms zu beauftragen. Da gab es dann zwei Aufträge: einen vom Deutschen Bundestag und einen von den Ministerpräsidenten - und dies, obwohl das Raumordnungsgesetz von 1965 ein Bundesraumordnungsprogramm überhaupt nicht kennt. Folglich gab es auch kein geregeltes Verfahren zur Aufstellung des Bundesraumordnungsprogramms.
Die schwierige Ausgangslage, von der ich sprach, hat es unausweichlich erscheinen lassen, eine möglichst breite Übereinstimmung anzustreben. Das bedeutet oftmals Kompromisse. Insofern konnte das Bundesraumordnungsprogramm nur so gut sein, wie es die Interessenvielfalt im föderativen Staat zuläßt. Denn Föderalismus bedeutet nun einmal Interessenausgleich.
Ich meine: Mit dem Bundesraumordnungsprogramm ist uns dieser Ausgleich gelungen. Dieses Programm ist ein tragfähiger Kompromiß. Hier liegen genügend Elemente vor, auf denen man aufbauen und mit denen man arbeiten kann - und tatsächlich erfolgreich arbeitet, wie die von mir angeführten Bereiche aus der Bundespolitik zeigen.
Ich nenne die Ziele für die gesamträumliche Entwicklung: die Gemeinsamkeit in der Beurteilung der derzeitigen räumlichen Situation unseres Landes, die Prognose, die Problemräume der Bevölkerungsentwicklung, die Schwerpunkträume mit besonderen Strukturschwächen und die großräumig bedeutsamen Achsen.
Im Bundesraumordnungsprogramm sind Entwicklungsschwerpunkte noch nicht ausgewiesen. Daher war es nur konsequent, daß die Ministerkonferenz für Raumordnung anläßlich der Programmverabschiedung ihre Gremien beauftragte, Kriterien für Entwicklungszentren zu entwickeln, damit die Länder nach bundeseinheitlich vergleichbaren Maßstäben Entwicklungszentren auf der Grundlage dieses Programms festlegen können.
Ich will nicht verschweigen, daß trotz intensiver Arbeiten die erforderlichen gemeinsamen Kriterien noch nicht vorliegen. Ich muß aber an dieser Stelle auch sagen, daß diese notwendigen Arbeiten in den Gremien der Ministerkonferenz durch die Haltung der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein nicht gerade förderlich behandelt werden, wenn erneut und vertieft die Diskussion von Grundsatzfragen in den Vordergrund gerückt wird. Die Grundsatzfragen sind vielfach diskutiert. Wir brauchen heute konkrete Ergebnisse, um sie in konkretes Handeln umzusetzen. Dazu benötigen wir die Mitarbeit aller Länder, weil diese Kriterien nachher ein gemeinsamer Maßstab für alle Länder werden sollen.
Raumordnungsprogramm und die darauf aufbauende Raumordnungspolitik kommen nicht ohne Prognosen aus. Wir kennen die Schwierigkeiten, diese Prognosen aufzustellen, und wir wissen, wie leicht man der Gefahr erliegen kann, die kurzfristigen konjunkturellen Erfahrungen allzu schnell zu langfristigen Tendenzen fortzuschreiben.
Aber was wir heute mit Sicherheit wissen und sagen können, ist der Bevölkerungsrückgang. Hierauf haben das Bundesraumordnungsprogramm bereits im Ansatz und der Bundesraumordnungsbericht deutlich und ausführlich hingewiesen. Der Bevölkerungsrückgang bedeutet Verzicht auf ehrgeizige Ausbaupläne und mehr Gewicht für die Bestandspflege gewachsener Siedlungsstrukturen. Der Bevölkerungsrückgang erfordert aber nicht eine grundsätzliche Korrektur des Zielsystems, das im Bundesraumordnungsprogramm angelegt ist. Er bedeutet vor allem nicht, daß man nun große, dünner besiedelte Landstriche sich selbst überlassen oder gar ihre Entleerung fördern sollte. Dies kann nicht Ziel der Bundesraumordnungspolitik sein. Die Bundesregierung wird jedenfalls ihre Politik für den ländlichen Raum, für die Menschen in diesen Räumen und für die Erhaltung der Lebensfähigkeit dieser Räume fortsetzen.
Der Antrag des 15. Ausschusses enthält die Schwerpunkte der Programmfortschreibung. Auch ich sehe diese Schwerpunkte. Der Bericht des 15. Ausschusses weist dabei auf die Schwierigkeiten hin, mit denen die Programmfortschreibung verbunden sein wird. Ich nenne hier nur die Datenlage und die Kompetenzlage im föderativen Staat. Das erste wird kurzfristig nur durch Forschungsintensivierung, wie sie unsere Forschungsprogramme ermöglichen, und das zweite nur durch verbesserte Kooperation und einen noch stärkeren Willen zur inhaltlichen Einigung überbrückt werden können. Notwendig ist es aber wohl vor allem, mit einem realistischen Erwartungshorizont an die Raumordnungspolitik heranzugehen.
Dazu gehört auch, überzogene Ansprüche auf ein realistisches Maß zurückzuführen. Das heißt etwa bei den Entwicklungszentren und den zentralen Orten: nicht jeder Ort in der Bundesrepublik kann Zentralort sein, nicht jeder Zentralort kann Entwicklungszentrum sein, und nicht jedes Entwicklungszentrum kann erste Priorität erhalten. Oder: nicht jede Verkehrsverbindung kann eine Raumordnungsache sein, nicht jede Raumordnungsachse ist von großräumiger Bedeutung, und nicht jede großräumig bedeutsame Achse kann mit Priorität ausgebaut werden. Raumordnungspolitik, so verstanden und so durchgeführt, dient gerade auch dem ländlichen Raum.
Ich will an dieser Stelle noch einmal einem weit verbreiteten Irrtum begegnen. Schwerpunktbildung in ländlichen Gebieten richtet sich nicht gegen den ländlichen Raum und die Menschen in diesen Gebieten. Schwerpunktbildung ist eine Politik für den ländlichen Raum. Sie gibt den Menschen in den Schwerpunkten und in den entsprechenden Einzugsbereichen dieser Schwerpunkte Haltepunkte. Sie sichert die Arbeitsplätze, sie schafft kulturelle und soziale Angebote, die anders gar nicht zur Verfügung gestellt werden könnten, und sie sichert eine vernünftige Entwicklung der Siedlungsstruktur.
Wenn wir heute über Raum- und Siedlungsstruktur in der Bundesrepublik sprechen, dann sollten wir uns allerdings nicht nur am nationalen Maßstab orientieren. Wenn ich mir den Stadt-Land16746 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Bundesminister Ravens
Gegensatz, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausrichtung auf eine oder wenige Metropolen oder umfangreiche Armutsgebiete in einigen unserer Nachbarstaaten vor Augen halte und die dortige Situation mit der unsrigen vergleiche, mit den vielen über das Bundesgebiet verteilten Metropolen, Zentren und Achsen, dann kann ich im internationalen Vergleich nur zu dem Schluß kommen: unser Land verfügt über eine relativ gute Raum- und Siedlungsstruktur. Aber nichts ist so gut, daß es nicht verbessert werden kann. Disparitäten müssen abgebaut werden; dies zeigt unser Programm. Aber die Disparitäten, diese großen Unterschiede im europäischen Maßstab, haben wir im Raumordnungsbericht 1974 erstmals deutlich werden lassen. Sie alle wissen, daß eine abgestimmte europäische Raumordnungspolitik nicht von heute auf morgen verwirklicht werden kann; aber als eine langfristige Perspektive ist sie im Raumordnungsbericht enthalten.
Wir nutzen hier sehr intensiv im Rahmen unserer Möglichkeiten die internationalen Kontakte. Das betrifft zum einen die grenzüberschreitenden Raumordnungskommissionen. Ich habe vor kurzem mit meinen niederländischen Kollegen ein Raumordnungsabkommen für den deutsch-niederländischen Grenzbereich unterzeichnen können. Das zweite betrifft die Europäische Raumordnungsministerkonferenz des Europarats. Diese Konferenz wird im Oktober dieses Jahres zum viertenmal, diesmal in Italien, zusammentreten. Ich denke, unser Bundesraumordnungsprogramm und unser Raumordnungsbericht 1974 sind ein Angebot und ein Beitrag für diese Konferenz in Richtung auf eine europäische Raumordnungspolitik.
Diese Bundesregierung hat nach schwierigen Verhandlungen in der 7. Legislaturperiode erstmals in der Geschichte unseres Landes ein Bundesraumordnungsprogramm vorgelegt. Die Bundesregierung arbeitet mit diesem Programm. Sie richtet ihre für die räumliche Entwicklung unseres Landes bedeutsamen Investitionsentscheidungen auf dieses Programm aus.
Daneben haben wir den Raumordnungsbericht vorgelegt. Er zeigt die zukünftigen Aufgaben für die weitere Raumordnungspolitik auf.
Die Bundesregierung hat im internationalen und unmittelbar grenzüberschreitenden Bereich erste konkrete Erfolge zur Abstimmung der Raumordnungspolitik zwischen den beteiligten Ländern erzielt.
Raumordnungspolitik ist für die Bundesregierung keine inhaltslose Vokabel, sie ist kein theoretisches Experimentierfeld. Sie ist handfeste Politik geworden. Sie konkretisiert sich an Fakten. Diese Politik hat die Lebensverhältnisse in unserem Lande verbessert. Sie dient dem Menschen. Sie gibt den Menschen in den ländlichen Gebieten unseres Landes Halt durch Konzentration der Mittel auf Schwerpunkte. Sie gibt Orientierung für die städtischen Regionen und beugt somit einer insgesamt unkontrollierten Siedlungsentwicklung vor. Durch eine auch an den Zielen der Raumordnung ausgerichtete Städtebaupolitik fördern wir die Lebensfähigkeit unserer Städte und Gemeinden.
Wenn ich dies alles zusammennehme, meine Damen und Herren, kann ich sagen: Die Bundesregierung betrachtet diese Bilanz ihrer Arbeit als eine solide Basis für Ihre Arbeiten in der nächsten Legislaturperiode.
({1})
Meine
Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jahn ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Raumordnungspolitik der Bundesregierung tritt auf der Stelle. Sie gleicht dem Versuch einer Schildkröte, sich im Stabhochsprung zu üben.
({0})
Die Raumordnungsberichte 1972 und 1974, das Bundesraumordnungsprogramm und die Ausführungen des Ministers soeben können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Lage für die Raumordnungspolitik unter dieser Bundesregierung wesentlich verschlechtert hat.
({1})
Herr Kollege Henke, ich zitiere, was die Bundesregierung im Raumordnungsbericht 1974 selbst schreibt. Dort steht, es zeige sich eine Tendenzwende der bisher auf ein Wachstum der Wirtschaft und des Wohlstands orientierten Entwicklung. Hieraus wird erkennbar, wie die Situation für die Raumordnung geworden ist.
Es kann nun einmal nicht bestritten werden, daß zwischen dem Handlungsspielraum der Raumordnungspolitik und dem Wachstum unserer Wirtschaft ein enger Zusammenhang besteht. Die Wachstumsfähigkeit und Modernisierungsfähigkeit ist, wie wir wissen, ihrerseits von Investitionen abhängig. In den letzten Jahren ist ein erheblicher Rückgang dieser Investitionen zu verzeichnen, sowohl im privaten als auch im staatlichen Bereich. Ein weiteres Absinken der staatlichen Investitionstätigkeit ist in der mittelfristigen Finanzplanung dieser Bundesregierung bereits vorgezeichnet. Für die Raumordnungspolitik besonders alarmierend ist in diesem Zusammenhang die Umwandlung des Verkehrshaushalts von einem klassischen Investitionshaushalt zu einem Haushalt mit überwiegend konsumtiven Ausgaben. Aber gerade diese Investitionen des Staates haben häufig Komplementärcharakter und sind daher notwendige Voraussetzungen für private Investitionen.
Die für die Raumordnung verhängnisvolle Investitionspause der letzten Jahre ist vom Kern her politischen Ursprungs. Die Bedeutung dieser Investitionspause mag folgendes Beispiel verdeutlichen - der Herr Minister ist bereits darauf eingegangen -: Die Neuerrichtung und Erweiterung von Industriebetrieben hat innerhalb der GemeinschaftsDr. Jahn ({2})
aufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in den letzten Jahren erheblich abgenommen. Nach dem Urteil der Fachleute wird sich daran auch in den nächsten Jahren wenig ändern. Dies bedeutet eine Konzentration und nicht eine Dekonzentration der regionalen Verteilung der Arbeitsplätze, ein für die Raumordnungspolitik nicht zu übersehendes negatives Signal mit noch stärkeren Belastungen für weitere Bürger, die täglich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz pendeln müssen.
Neben der besorgniserregenden Entwicklung auf dem privaten und staatlichen Investitionssektor hat der Geburtenrückgang unserer Bevölkerung großen Einfluß auf die raumordnerische Entwicklung.
({3})
Die akute Gefahr liegt darin, daß die Bevölkerungsentwicklung zu einer regionalen Konzentration der Bevölkerung in den großen Verdichtungsräumen führt, Herr Kollege Immer; unter raumordnerischen Status-quo-Bedingungen - das haben Sie selbst eingeräumt - ist dies die wahrscheinlichste Konsequenz des Bevölkerungsrückgangs. Und hier, meine Damen und Herren - darin stimmen wir überein -, ist für die Raumordnungspolitik ein notwendiges Feld der Gegensteuerung gegeben.
Wo aber, so fragen wir uns, ist der Steuermann, der die Probleme nicht nur sieht, sondern auch meistert? Herr Minister Ravens, Sie dürfen sich nicht immer, wie Sie es eben wieder getan haben, hinter den Bundesländern verstecken. Der Raumordnungsminister, sein Haus muß Signale setzen, muß Flagge zeigen - aber nicht die weiße. Was aber tun Sie? Sie lösen die Raumordnungsabteilung Ihres Ministeriums auf, verteilen sie auf andere Sachgebiete und wundern sich dann, daß Sie sich mit Ihren Vorstellungen im Kabinett nicht durchsetzen können. Dabei müßten Sie doch eigentlich wissen: Zu Hause, im eigenen Haus muß beginnen, was leuchten soll im Vaterland.
Doch was, meine Damen und Herren, leuchtet eigentlich noch? Die „Wirtschaftswoche" Nr. 13 vom 26. März dieses Jahres schreibt über den Wohnungsbauminister unter der Überschrift „Karl der Letzte" ; er soll - unabhängig davon, wie die Wahlen ausgehen - der letzte sozialdemokratische Bauminister sein.
({4})
Die Zeitschrift „Struktur" 3/1976 bringt das Gedicht von den zehn kleinen Negerlein als Grabgesang auf die personelle Handhabung der Raumordnung in Ihrem Ministerium. Herr Minister, hier müssen Sie nicht nur antworten, sondern, wie wir meinen, auch mitverantworten.
Sie müssen sich bei all dem nicht wundern, daß sich der Ihnen heute vorliegende einmütig zustande gekommene Ausschußbericht und der Entschließungsantrag wie eine Dienstanweisung an die Bundesregierung lesen. Die Einstimmigkeit hat uns übrigens, Herr Kollege Immer, verwundert. Ihre Partei
und die FDP sind von früheren Positionen abgewichen.
({5})
Wandel durch Annäherung, ein Schritt zur Mitte. Wir haben ja Wahlkampf!
Meine Damen und Herren, der Ausschuß vertritt einmütig die Auffassung, daß die Raumordnung trotz des Geburtenrückgangs weiterhin flächenabdeckend sein muß. Also - Sie haben es eben betont, Herr Minister - keine Verödungspolitik für ländliche Räume. Aber, so fragen wir Sie vor diesem Hohen Hause, wann endlich gibt die Bundesregierung eine Antwort darauf, welche Konsequenzen sie hieraus ziehen wird?
Zur Standortpolitik für Behörden heißt es im Ausschußbericht - und dies liest sich ebenfalls wie eine Dienstanweisung -, es könne von privaten Unternehmen nicht erwartet werden, daß sie durch Investitionen zur Entwicklung benachteiligter und zurückgebliebener Räume beitragen, wenn nicht auch die öffentliche Hand ihrerseits in diesen Gebieten Einrichtungen bestehen läßt und verstärkt schafft; es sei jedoch leider häufig festzustellen, daß Behörden in Ballungsräume verlagert werden. Dieser Tendenz müsse entgegengewirkt werden.
Und was erleben wir draußen, meine Damen und Herren? In weiten Bereichen, insbesondere auch dort, wo der Bund angesprochen ist, haben wir eine Verlagerung, einen Abzug von Verwaltungsdienststellen in die Verdichtungsgebiete. Neue Behörden - dies zeigt der Bundesraumordnungsbericht deutlich - gehen fast ausschließlich in Problemräume mit Zuwanderungsdruck, also in Ballungsgebiete, wenn man von dem Sonderfall Berlin einmal absieht. Herr Minister, auch in diesem Bereich hat sich die Politik Ihres Hauses meines Erachtens nicht durchsetzen können.
Nach dem Bundesraumordnungsgesetz hat der für die Raumordnung zuständige Bundesminister die langfristigen und großräumigen raumbedeutsamen planerischen Maßnahmen des Bundes zusammenfassend - und zwar in der Vorausschau und nach Sachgebieten getrennt - darzustellen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung sind Sie, Herr Minister Ravens, bis auf den heutigen Tag nicht nachgekommen.
({6})
- Die Koordination muß zu Hause beginnen, Herr Kollege Immer. Zunächst bedarf es einer Koordination aller raumrelevanten Maßnahmen der Ressorts dieser Bundesregierung, und Sie werden mir zugeben müssen, daß auch dieser gesetzliche Auftrag bis heute nicht erfüllt ist.
({7})
Und ein Zweites, meine Damen und Herren: Es fehlt in diesem Bundesraumordnungsprogramm auch eine Koordination der Sachplanung mit der Finanzplanung. Hier ist der Bund ebenfalls nicht vorausgegangen; er hat es auch im Bereich seiner Entscheidungskompetenzen bis heute zu keiner
Dr. Jahn ({8})
Koordination zwischen der Sachplanung und der Finanzplanung gebracht.
({9})
Herr Minister, all diese für den Erfolg der Raumordnung wichtigen Gesichtspunkte hat Ihnen der Ausschuß ins Stammbuch geschrieben.
Ich möchte hier feststellen: Ohne eine klare Aussage darüber, welche Mittel der Bund in welcher Zeit für welche Maßnahmen und in welcher räumlichen Verteilung einsetzen will, bleiben die Probleme der Raumordnung ungelöst. Sie müssen, Herr Minister, Ihren gesetzlichen Auftrag zur Koordinierung endlich wahrnehmen. Bislang läßt sich das Verhältnis zwischen Raumordnung und Fachplanung unter dieser Regierung nur so bezeichnen: Die Hunde bellen, die Karawane zieht vorüber
({10})
- Ihre nicht.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider hat es zwischen SPD, FDP und CDU/CSU - dies ist in der Tat ein wichtiger Gesichtspunkt - trotz der einmütigen Entschließung keine Übereinstimmung zur raumordnerischen Beeinflussung der Verdichtungsgebiete gegeben. Nach Auffassung der CDU/ CSU-Fraktion soll in stark belasteten Verdichtungsräumen einer weiteren Zunahme der Bevölkerung und der Arbeitsplätze entgegengewirkt werden. Zumindest soll der Zuzug nicht mit öffentlichen Mitteln noch weiter gefördert werden. Wenn es hierüber keine Verständigung gibt, dann müssen Sie, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, sich die Frage gefallen lassen, wie ernst Sie es denn mit der Herbeiführung gleichwertiger Lebensverhältnisse für Stadt und Land eigentlich meinen. Weitere Förderung der Verdichtung bei weniger Entwicklungspotential - was soll da für die strukturschwachen Gebiete eigentlich übrigbleiben? Ihre Vorliebe für die Förderung der Verdichtungsräume hält offenbar unvermindert an.
({12})
Hier einige Beispiele. Sie wissen, daß sich der Beirat für Umweltfragen und Raumordnung beim Parteivorstand der SPD in einer Stellungnahme zum Bundesraumordnungsprogramm dahin gehend ausgesprochen hat, daß eine Förderung von Verdichtungsräumen weiterhin erforderlich ist. In dem Orientierungsrahmen 85, den Sie auf dem Mannheimer Bundesparteitag verabschiedet haben, heißt es - ich möchte zitieren -:
Da die Städte und Verdichtungsgebiete fast alle Strukturprobleme unserer Gesellschaft wie mit einem Brennspiegel zusammenfassen, wirft der Versuch zur Lösung dieser Probleme auch sämtliche Fragen der Strategie sozialdemokratischer Politik auf.
({13})
- Warten Sie, Herr Kollege Henke. Die Zwischenfrage kam etwas zu früh. Bei der zentralen Frage nach den Grenzen einer auch von der CDU/CSU bejahten notwendigen und gesunden Verdichtung
({14})
beläßt es die Bundesregierung in Beantwortung unserer Großen Anfrage bei der nicht näher begründeten Feststellung, es gebe bei einem politisch formulierten Wertsystem Ansatzpunkte, um gesunde von den ungesunden Verdichtungen zu trennen. Ein politisch formuliertes Wertsystem in bezug auf stark belastete Verdichtungsräume birgt nach unserer Auffassung die Gefahr, daß weniger nach den Bedürfnissen der Bürger als nach parteiideologischen Vorstellungen entschieden wird. Mit einer solchen Antwort setzt sich die Bundesregierung dem Verdacht aus, die Grenzen der Verdichtung dort anzusetzen, wo die Wählergunst für eine bestimmte Partei ihr Maximum erreicht. Das ist keine solide Politik.
({15})
- Herr Kollege Immer, dies ist bisher die Haltung der Bundesregierung. Ich bin sicher, daß Sie aus dem Wahlergebnis von Baden-Württemberg gelernt haben, daß die Bürger, die Ihnen in den Großstädten Ihre Politik abnehmen, in der Tat abnehmen.
({16})
Ideologisch motivierte Begründungen sind nicht die Sprache der CDU/CSU. Die Qualität des Lebens besteht nicht in einer Quantität der Verdichtung, vielmehr in einer Ausgewogenheit zwischen geordneter Verdichtung und den ländlichen Räumen. Neben kostensparender Schwerpunktbildung muß die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft anerkannt werden. Herr Minister, wir sind nach wie vor erstaunt, warum auf dieses oberste, vom Gesetzgeber postulierte Ziel der Raumordnung von Ihnen damals in der Beantwortung und auch heute nicht näher eingegangen worden ist.
Raumordnungspolitik, in deren Mitte der Mensch zu stehen hat, muß darauf hinarbeiten, daß jeder ohne Einbuße an den modernen Grundbedürfnissen entscheiden kann, ob er in der Stadt oder auf dem Lande leben will. Deshalb täten wir alle gut daran, wenn wir uns die Frage vorlegten, wo denn der Bürger von heute eigentlich leben will. Aus einem schon einmal hervorgehobenen Gutachten des Bundesministers des Innern geht hervor, daß immer mehr Bürger eine Wohnung in Mittelstädten bevorzugen. Denn einerseits möchte man gern im Grünen wohnen, andererseits jedoch auf das Ausstattungsniveau, auf die Infrastruktur unserer Städte nicht verzichten. Aus dem Gutachten folgt aber auch weiter: Was in den letzten Jahren unseren sozial schwach gestellten Bürgern als besonders aparte Verwirklichung einer kultivierten Wohnidee angepriesen wurde - die zehn- bis zwanzigstöckigen Wohnsilos -, ist mit den individuellen Wohnwünschen unserer Bürger einfach nicht vereinbar. Dies sagen wir zum wiederholten Mal auf dem Gebiet
Dr. Jahn ({17})
der Wohnungsbaupolitik an die Adresse der Bundesregierung.
({18})
- Herr Kollege Immer, ich habe gesagt, der Bundeswohnungsbauminister hat hier eine Schrittmacher- und Signalfunktion. Er hat sie in diesem Punkte nicht wahrgenommen.
Damit wir nicht mißverstanden werden: auch wir bejahen selbstverständlich großstädtische Lebensformen, aber wir beten eben solche Städte nicht als einzige Möglichkeit der freien Entfaltung der Persönlichkeit an. Die SPD meint an einer Stelle - ich habe das nachgelesen -: Die Stadt muß auf das Land, das Stadtdefizit muß beseitigt werden. Wir sagen, Herr Kollege Immer, das Land darf seines Typs nicht beraubt werden, es muß seinem Typ nach entwickelt werden. Denn der Auftrag des Bundesraumordnungsgesetzes lautet eben nicht: gleiche, sondern gleichwertige Lebensverhältnisse überall zu schaffen. Wir wollen eben nicht die anonyme, austauschbare Großstadt, wie Sie sie durch Ihre Wohnungsbaupolitik im Grunde geschaffen haben, sondern Städte, in denen sich der Bürger wohlfühlt, mit denen er sich identifiziert, die für ihn Heimat sind.
({19})
- Ich lade Sie gerne ein, Herr Kollege Immer, nach Münster zu kommen. Sie werden sicher finden, daß die Bürger in dieser Stadt sich wohl fühlen. Sie können dann auch mal sehen, wer dort nach dem Krieg von 1946 an die Mehrheit im Rat stellen durfte. Ich lade Sie herzlich ein, sich hiervon ein gutes Bild zu machen, aus Liebe zu Münster. Sie können gern einmal dort hinkommen.
({20})
Die CDU/CSU bejaht Konzentration in der Fläche als einzige Möglichkeit, städtischen Lebensverhältnissen gleichwertige Umstände auch im ländlichen Raum zu schaffen. Das soll aber nicht heißen, daß nur in den zentralen Orten gebaut werden soll. Wir wollen angemessene Entwicklungs- und Siedlungstätigkeit auch in geeigneten kleineren Orten und Dörfern. Wir wollen keine Umsiedlung der Bürger aus ihren Gemeinden und erkennen daher örtlichen Baubedarf an. Wir wollen jedoch nicht, daß in jeder Gemeinde gezielt Wohnungsbau für weit entfernt Beschäftigte, für Pendler stattfindet. Der ländliche Raum hat eine eigenständige Aufgabe. Einer Freiraumtheorie in den ländlichen Gebieten erteilt die CDU/CSU eine klare Absage. Wir sind gegen eine passive Sanierung durch Mobilisierung von Abwanderungstendenzen, wir sind vielmehr, wie bereits gesagt, für eine flächendeckende Raumordnungspolitik. Die CDU/CSU hat dementsprechend im Ausschuß ihre Auffassung durchgesetzt, daß in Gebieten ohne ausreichende Verdichtung auch solche Orte als Entwicklungszentren in Betracht kommen, deren Einzugsbereich unter 40 000 Einwohnern liegt. Hier nimmt die SPD als Partei Abschied von ihren Raumordnungsthesen, Abschied hoffentlich nicht nur für die Dauer des Wahlkampfes, sondern
für immer, Herr Immer. Es geht nicht nur darum, in einigen schwach strukturierten Gebieten ein oberzentrales Defizit zu beheben, sondern auch darum, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen der Bundesrepublik herzustellen. In den ländlichen Räumen darf sich nach Auffassung der. CDU/CSU nicht der derzeitige Trend durchsetzen, der sich mit dem Satz umschreiben läßt: Erst gehst du in die Schule und dann anschließend in die Fremde!
Ebensowenig wie bei der Standortpolitik der öffentlichen Hand gelang es dem Bundesraumordnungsminister, die Interessen der Raumordnung bei den verkehrspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung zu vertreten. Die Verkehrspolitik ist zu einem ganz entscheidenden Hemmnisfaktor für eine ausgeglichene Raumordnungsstruktur geworden. Nur ein paar Stichworte. Öffentlicher Personennahverkehr! Aufgebracht werden die Mittel zu etwa gleich starken Teilen von den strukturschwachen Räumen und von den Verdichtungsräumen. Verwandt werden die Mittel fast ausschließlich in den Verdichtungsräumen. Die ländlichen Räume subventionieren die Ballung! Bis heute fehlt die Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage nach den optimalen Grenzen einer Verdichtung und nach den Folgekosten der Ballung. Diese Frage ist bei leeren Kassen um so berechtigter, wenn man weiß, daß der Verkehrshaushalt nicht mehr überwiegend ein Investitionshaushalt, sondern ein konsumtiver Haushalt geworden ist, wenn man weiß, daß sich die Unterhaltungskosten einer U-Bahn nun einmal nicht allein mit dem Fahrschein finanzieren lassen.
Herr Kollege Dr. Jahn, Münster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ewen?
Bitte schön!
Herr Kollege Jahn, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir gerade bei dem kürzlich verabschiedeten Bundesfernstraßenplan genau das getan haben, was Sie jetzt verlangen, nämlich die ländlichen Räume beim Straßenbau begünstigt haben?
({0})
Eine späte Einsicht,
({0})
die sich offensichtlich auf unseren Druck hin doch noch hat ermöglichen lassen, Herr Kollege.
({1})
Zweites Stichwort - und hier werden Sie es mit einer Zwischenfrage noch schwerer haben -: Streckenstillegungen bei der Bundesbahn. Ich will hier nicht im einzelnen darlegen, daß die Bundesbahn durch eine massive Streckenstillegung nicht saniert werden kann. Mir kommt es hier darauf an, daß der Raumordnungsminister im Kabinett einem Verfahren
Dr. Jahn ({2})
zugestimmt hat, das ganz erhebliche raumordnerische Konsequenzen hat.
({3})
Bis zur endgültigen Entscheidung in etwa drei Jahren steht immerhin die Hälfte des Steckennetzes zur Disposition. Dies bringt Unsicherheit für die Bewohner der betroffenen Gebiete, für die ansässige Wirtschaft, für die Kommunen, für die Fremdenverkehrsgebiete. Für die Dauer der Ungewißheit drohen nicht wiedergutzumachende Schäden an unserer Raumordnungsstruktur. Der zuständige Minister, Herr Ravens, hätte auf ein Verfahren drängen müssen, das diese Phase der Ungewißheit möglichst kurz hält. Dies war aber offensichtlich aus Gründen des Wahlkampfes nicht durchsetzbar.
Wiederholt haben wir darauf hingewiesen, daß öffentliche Bahnen auch einen öffentlichen Auftrag haben und daß betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte nicht alleiniges Kriterium für Streckenstillegungen sein können. Für die CDU/CSU ist nicht jegliche Streckenstillegung bei der Deutschen Bundesbahn tabu, wenn dies nach Abwägung - und das betonen wir aller entscheidungserheblichen Faktoren im Einzelfall sachlich geboten und eine zumindest gleichwertige Bedienung auf der Straße gewährleistet ist. Amputation allein aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen darf nicht das Patentrezept zur Sanierung der Deutschen Bundesbahn sein. Die vorgesehene totale Herausdrängung aus der Fläche ist unvereinbar mit dem gesetzlichen Auftrag des Bundesraumordnungsgesetzes, gleichwertige Lebensverhältnisse in städtischen und ländlichen Räumen zu schaffen.
({4})
Meine Damen und Herren, Raumordnungspolitik darf sich nicht darin erschöpfen, alle zwei Jahre einen Bericht zu schreiben, ein Raumordnungsprogramm zu formulieren und dann die gesamte politische Kraft darauf zu konzentrieren, das Programm möglichst bald fortzuschreiben. Wichtiger als die Fortschreibung ist die Durchführung des Bundesraumordnungsprogramms. Die Betonung der Notwendigkeit der Fortschreibung kann nur als Flucht der Bundesregierung vor der Verwirklichung des Bundesraumordnungsprogramms gewertet werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.
({5})
- Herr Wehner, ich hatte schon früher einen Zwischenruf von Ihnen erwartet. Daß Sie den Schluß meiner Rede begrüßen, verwundert uns nicht.
({6})
- Den haben Sie sehr spät gefaßt.
Aufgabe freiheitlicher Raumordnungspolitik ist es, den Raum für den Bürger zu ordnen und nicht umgekehrt den Bürger dem Raum anzupassen. Die Diskussion über die optimale künftige Raumordnungsstruktur muß deshalb von parteiideologischen Betrachtungsweisen ferngehalten werden.
({7})
- Je roter Ihr ideologischer Apfel, je größer die Wahrscheinlichkeit, daß darin der Wurm steckt.
({8})
Raumordnungspolitik der CDU/CSU hat zum Inhalt:
Erstens. Die entstandenen Ungleichgewichte zwischen den Teilräumen des Bundesgebietes sind Schritt für Schritt in der Weise abzubauen, daß künftige Bevölkerungs- und Arbeitsplatzzunahmen geeigneten Standorten in der Fläche und in der Ballungsrandzone zugute kommen - beides in gleicher Weise.
Zweitens. Der Zuzug in die Verdichtungsräume darf nicht durch öffentliche Mittel noch weiter gefördert werden. Es muß geprüft werden, wo die optimalen Grenzen der Verdichtung in den Verdichtungsräumen liegen.
Drittens. Den Gefahren einer passiven Sanierung ländlicher Räume durch Abwanderung ist durch eine aktive Strukturpolitik zu begegnen. Der ländliche Raum hat bei aller funktionalen Verflechtung mit den anderen Räumen, mit den Verdichtungsräumen für die CDU/CSU weiterhin auch eine eigenständige Entwicklungsaufgabe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden alles daransetzen, unsere Bürger zu überzeugen, damit wir nach dem 3. Oktober diese Politik in die Tat umsetzen können.
({9})
Meine
Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Immer ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf das letzte Wort des Kollegen Dr. Jahn werde ich noch im Laufe der Ausführungen zurückkommen. Zunächst möchte ich das Bild von der Schildkröte dadurch ergänzen, daß ich
weitere Vergleiche aus der Tierwelt heranziehe. Es hat sich leider gezeigt, daß die CDU-Bundesländer im Bereich der Raumordnung eher Schnecken gleichen oder im Krebsgang ihre Bahnen ziehen. Das wird gleich an einem Beispiel deutlich zu machen sein.
Ich möchte hier nicht einen Höhenflug theoretischer Erörterungen anschließen, sondern in aller Kürze nur einige Hinweise geben, weil ich mich vollinhaltlich mit dem Vortrag des Bundesministers identifiziere und ihm herzlich danke für die klaren Ausführungen programmatischer Art, die er hier gemacht hat.
Der Vorwurf der Opposition, der hier wiederum deutlich wurde, Bundesregierung und SPD förderten eigentlich die „Passivsanierung" - ich möchte dem Kollegen Henke eine Übersetzung anbieten, weil er mich darauf aufmerksam gemacht hat, daß den
Immer ({0})
Begriff nur Fachleute verstehen: „Heilung durch Auszehrung" -, ist völlig unberechtigt. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß - und das ist entscheidend - die Praxis der Raumordnung und die Raumordnungskonzepte primär von den Bundesländern erstellt werden. Herr Dr. Jahn, wir alle in diesem Hause wären sicherlich lieber daran beteiligt, die Bundeskompetenz zu erweitern, denn dann würde all das, was Sie hier vorgetragen haben, unmittelbar in den Ländern wirksam sein können, in denen solche Rückstände vorliegen.
Ich möchte schließlich noch auf einen Punkt eingehen, bevor ich meine weiteren Ausführungen mache. Sehen Sie, Herr Dr. Jahn, die Streckenstilllegung bei der Bundesbahn wird ja in ein anderes Licht gerückt, wenn wir etwa dem Staatsminister Heubi folgen, der allen Ernstes eine Privatisierung der Deutschen Bundesbahn vorgeschlagen hat. Wenn das käme, dann würde es kaum noch irgendwo eine Strecke der Deutschen Bundesbahn geben.
({1})
Die CDU hat in ihren Programmen - und das wird ja Ihr Programm für die nächste Bundesregierung sein, wenn Sie meinen, die Regierung bilden zu können - allen Ernstes vorgeschlagen, überhaupt die öffentlichen Dienstleistungen zu privatisieren. Dann gäbe es im ländlichen Raum keinen Briefträger mehr und keine Möglichkeit, ein Paket in 15 km Entfernung abzuliefern. Das müssen Sie Ihren Freunden sagen, um deutlich zu machen, daß Ihr Konzept, das Sie hier vortragen, eben nicht mit dem übereinstimmt, was Ihre Freunde in Land und Bund mit öffentlichen Diensten vorhaben.
({2})
Nun müssen wir ja „Butter bei die Fische bringen". Wenn ich schon sage, daß die Länder die Kompetenz der Raumordnung haben, dann möchte ich ein wenig dem nachspüren, welches Strickmuster in Mainz für Bonn gestrickt wird. Da will ich Ihnen als Beispiel für vieles ganz klar sagen, wie denn Mainz und wie denn Herr Ministerpräsident Kohl Raumordnung betreibt und ob denn da noch etwas sichtbar wird zur Stärkung des ländlichen Raums oder ob, wie es im Raumordnungsbericht des Landes Rheinland-Pfalz heißt, die Hauptförderung in die Ballungsräume Mainz, Trier, Koblenz, Ludwigshafen und Kaiserslautern gegangen ist. Wo bleibt denn die Entwicklung des ländlichen Raums als Beispiel für eine Entwicklung, wie sie im Bundesgebiet eines Tages zum Zuge kommen soll?
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: an der Problematik der Ausweisung von Vorzugsstandorten; ich habe im Ausschuß darauf schon hingewiesen. Natürlich ist die Festlegung von Schwerpunkten etwa für den Fremdenverkehr, für Naherholung, Wochenenderholung und Ferienerholung notwendig. Es ist auch notwendig, eine Bedarfsplanung und räumliche Festlegung etwa von Kurzentren vorzunehmen. Aber wer nicht mehr festhält an dem Prinzip der Schwerpunktbildung, der muß sich gefallen lassen, daß man ihm vorwirft: eine großflächige Ausweisung etwa von Fremdenverkehrsgebieten, von Erholungsgebieten, wie es in Rheinland-Pfalz
geschieht, stelle nur ein Alibi dafür dar, daß man nicht in der Lage ist, im ländlichen Raum in Schwerpunkten Arbeitsplätze industriell-gewerblicher Art anzubieten und zu entwickeln. Wir haben doch nun einmal in allen sieben Arbeitsamtsbezirken des Landes Rheinland-Pfalz die höchste Jugendarbeitslosigkeitsquote, die weit über 15 °/o beträgt und weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Das macht deutlich, daß in den vergangenen Jahren zuwenig getan worden ist, um etwa den ländlichen Raum in diesem Problemgebiet als Ganzem überhaupt zu erschließen. Wir haben, um ein Beispiel zu sagen, im Arbeitsamtsbezirk Neuwied allein einen Rückgang an Arbeitsplätzen durch Rationalisierung von rund 3 000 Arbeitsplätzen in den letzten drei Jahren, die nicht durch eine aktive Raumpolitik ersetzt worden sind, die Arbeitsplätze schafft.
({3})
- Entschuldigen Sie, ich möchte das nur deutlich machen, weil ein Strickmuster vorliegt, an dem wir ablesen können, wie in Zukunft Raumpolitik von Bundesseite betrieben würde, wenn die CDU/CSU das Sagen hätte.
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- Nein, der Herr Ministerpräsident, den Sie als Kanzlerkandidat vorgeschlagen haben. Da muß man einmal deutlich das Beispiel anführen.
Ich wollte Ihnen an dem Beispiel der Fremdenverkehrsentwicklung in diesem Lande ein wenig deutlich machen, wie dieses Strickmuster aussieht. Was bedeutet denn die Ausweisung von Fremdenverkehrsstandorten in der Fläche? Das bedeutet eine Abwanderung junger Menschen. Nur in qualifizierten Fremdenverkehrsstandorten gibt es eine Möglichkeit der Entwicklung qualifizierterer Arbeitsplätze, etwa ein Aufstieg in andere Bereiche beruflicher Tätigkeit. Wir erleben in den Flächengebieten einen Rückgang bei den jungen Menschen und eine Zuwanderung alter Menschen, die die negative Wanderungsbilanz kaschieren. Die Inhaber von Fremdenverkehrserwerbsbetrieben müssen in den Nebenerwerb abwandern. Das geht zu Lasten von Frauen und Kindern.
Das gleiche gilt im übrigen für die Ausweisung und Förderung von Kurzentren. Ein Mahnmal - ich wies schon einmal darauf hin, und das Ist noch nicht ausgestanden - in dieser Richtung stellt noch immer die Ruine des Kurmittelhauses im neu erbauten Kurzentrum Rengsdorf in Rheinland-Pfalz dar; ein Mahnmal für Fehlplanung und Fehlinvestition dieses Musterlandes auf Kosten der Bürger. Hatte man erst den Bürgern den Mund wäßrig gemacht durch die Anregung von Landeszuschüssen, hatte man bei der Grundsteinlegung von einem Modell für eine neue Fremdenverkehrs- und Kurortplanung gesprochen, so läßt man. jetzt eine Gemeinde mit 2 000 Einwohnern mit einer Ruine und einem jährlichen Defizit im Haushalt von rund t Million DM achselzuckend zurück. Alle Bemühungen, die Landesregierung für diese Fehlplanung verantwortlich zu machen, gipfeln nur darin, daß man dem Bürgermeister ein Disziplinarverfahren anhängt, obwohl
16752 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 239. Sitzung. Bonn, Freitag, den '7. Mai 1976
Immer ({5})
man jede dieser Planungen handschriftlich unterschrieben hat.
Ich möchte an dieser Stelle eine Parodie auf ein Goethesches Zitat bringen, um das deutlich zu machen. Dann können Sie gerne eine Frage stellen. Sie kennen das alle.
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
wer nie nach Wohlstand mußte dürsten, wer nie im kleinen Dörfchen saß,
der kennt Euch nicht, Ihr Landesfürsten. Ihr führt ins Defizit hinein,
Ihr laßt Gemeinden schuldig werden. Dann überlaßt Ihr sie der Pein,
denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
({6})
- Landesfürsten, habe ich gesagt.
Herr Kollege Immer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Immer, ist Ihnen bekannt, daß die Fehlplanung von Rengsdorf eine Fehlplanung der Gemeinde gewesen ist und nicht eine Fehlplanung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz?
Ich muß Ihnen leider widersprechen. Diese Planung ist von allen Instanzen sogar in einem Fremdenverkehrsgutachten abgesegnet und unterzeichnet worden von dem Herrn Wirtschaftsminister Holkenbrink und von dem Innenminister Schwarz. Sie können sich doch nicht vorstellen, daß ein Bürgermeister einer Gemeinde mit 2 000 Einwohnern etwa eine Planung aufzieht, die über 12 Millionen DM hinausgeht und die er selbst ohne Rückendeckung finanziert.
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- Das ist nicht geschehen. Ich könnte Ihnen Einzelheiten sagen, die überall bekannt sind, aber wir wollen das nicht weiter ausführen.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege, daß Sie selbst vorschlagen, daß wir jetzt wieder zum Thema zurückkehren.
Ich möchte noch eine Bemerkung anschließen, die sich auf eine Kontroverse bezieht, die die Opposition immer wieder mit der Bundesregierung, mit der SPD-Fraktion oder auch der Partei hat. Es geht hier um die zentralen Orte - auch der Herr Minister hat auf dieses Problem hingewiesen -, deren Qualität und Dichte unterschiedlich sind. Der Raumordnungsbericht 1974 hat sehr genaue Ausführungen darüber gemacht, daß eben Vergleiche zwischen den einzelnen Bundesländern nicht möglich sind. Die Ober-, Mittel- und Unterzentren - unter uns bekannt - sollen die
Versorgung mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen und das Angebot von Arbeitsplätzen sicherstellen. In jedem regionalen Planungsverband ist besonders auf der unteren Ebene - das wissen Sie aus den Erfahrungen der Länder - das Tauziehen unter den Bürgermeistern in Gang gesetzt worden. Denn jede Gemeinde hoffte, damit den Anspruch auf eine bestimmte Mindestausstattung und die öffentliche Förderung festschreiben zu können. Damit wurde zum Teil ein derart dichtes Netz von zentralen Orten geknüpft, daß die Ausgestaltung notwendigerweise zu einer Überversorgung führen mußte.
Und jetzt möchte ich Ihnen gern den Leidensweg eines zentralen Ortes schildern: Ausweisung als zentraler Ort, Erwerb eines Anspruchs für eine Mindestausstattung ohne Rücksicht auf die Entfernung bzw. die Erreichbarkeitswerte zum nächsten Zentrum. Diese betragen oft nur je 20 bis 30 km in einem Vier-Knoten-System, was einem Erreichbarkeitswert von 15 bis 40 Minuten - Isochrone, wie man das in der Fachsprache nennt - entspricht. Trotzdem wurde in diesen Bereichen mit Landesmitteln ein Anrecht auf Hauptschule, Sportzentrum und Hallenschwimmbad verwirklicht. Häufig wurde nach ein bis zwei Jahren die Hauptschule zur Grundschule abgestuft, aber die auf Erweiterungen abgestellten Investitionsbelastungen wurden nicht reduziert. Die Sportanlagen werden nur zu 25 % ausgelastet. Das ergibt in den Gemeindehaushalten jährliche Defizite von 250 000 DM bis 1 Million DM. Folgen: Streichung der freiwilligen Ausgaben durch die Aufsichtsbehörde, Zwang, alle Kommunalabgaben zu erhöhen bis zum Geht-nicht-mehr, Verpflichtung zum Verkauf des kommunalen Grundbesitzes. Schlußfolgerung - und das ist eben das Gegenstück zu der uns vorgeworfenen sogenannten Passivsanierung -: aktive Verdrängungssanierung. Denn die kräftigsten Steuerzahler verlassen im Defizit versinkende zentrale Orte dieser Art und machen nicht mehr mit.
Wenn Sie dann noch bedenken, daß z. B. die rheinland-pfälzische Landesregierung im Haushaltsplan 1976 alle Zuschüsse für Kanalisations- und Wasserleitungsstränge auf dem Lande gestrichen und Herr Kohl in der Haushaltsrede erklärt hat, daß solche innerörtlichen Stränge nur noch in Ballungsräumen finanziert werden, dann wird Ihnen deutlich, wie das Strickmuster für Raumordnung in Zukunft aussehen wird, wie sich die Sanierung des ländlichen Raums aus der Sicht des führenden Mannes der CDU/CSU wirklich darstellt.
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Herr Abgeordneter Immer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hammans?
Bitte, Herr Dr. Hammans.
Herr Kollege Immer, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß noch schwierigere Zuschußsituationen für die KanalbauDr. Hammans
maßnahmen im Lande Nordrhein-Westfalen gelten und daß dort nur andere Begründungen angeführt werden, im übrigen aber eine noch schlechtere Situation für die Gemeinden gegeben ist?
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Das nehme ich deshalb nicht zur Kenntnis,
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weil ich im nördlichsten Kreis des Landes Rheinland-Pfalz wohne und sich die Gemeinden im nördlichen Teil des Kreises Altenkirchen freuen würden, wenn sie die Schlüssel- und Bedarfszuweisungen des Landes Rheinland-Pfalz und nicht die Kürzungen des Landes Nordrhein-Westfalen erfahren würden.
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- Entschuldigung: - -, wenn Sie die Bedarfs-und Schlüsselzuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen und nicht die Kürzungen des Landes Rheinland-Pfalz bekommen würden.
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- Entschuldigen Sie vielmals, Sie haben keine Ahnung von Raumordnung. Lassen Sie doch Ihre Zwischenrufe!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß die Bundesregierung recht daran tut, sich nicht auf die Ausweisung von zentralen Orten und den Anspruch gewisser Länder einzulassen, aus diesen zentralen Orten Entwicklungszentren zu machen, die aus Bundesmitteln gefördert werden. Dadurch wird das Problem nicht gelöst, sondern noch verschärft.
Nach diesen mir notwendig erscheinenden und etwas eingehenderen Erörterungen, die an einem Beispiel deutlich machen, Herr Kollege Nordlohne, wo denn die Kompetenzen liegen, nämlich bei den Ländern, möchte ich noch folgendes sagen. Sie werden andere Beispiele bringen. Mir ging es nur darum, deutlich zu machen, daß der Einfluß des Bundes in bezug auf raumwirksame, Maßnahmen begrenzt ist. Sie merken es doch am eigenen Leibe: Wenn Sie als Bundestagsabgeordneter Ströme irgendwelcher Art in Ihren ländlichen Raum hineinfließen lassen wollen, geht es nur über die jeweilige Landesregierung, die genau bestimmt, ob, in welchem Maße und in welcher Weise diese Mittel überhaupt raumwirksam zum Zuge kommen können.
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Darum habe ich an diesem Beispiel deutlich gemacht, wie sehr der Bund Kompetenzen brauchte. Wir sind gern bereit, dem Bund das zuzugestehen, wenn die Länder mitspielen, um diesen Ausgleich als Bund herbeizuführen.
Herr Abgeordneter Immer, würden Sie die Möglichkeit einräumen, ein niedersächsisches Problem zu behandeln?
Herr Kollege Immer, da Sie sich eingehend mit Rheinland-Pfalz beschäftigt haben, darf ich Sie fragen, ob Sie in den vergangenen Wochen und Monaten noch einmal Gelegenheit hatten, die Konzipierung der Landesentwicklungsplanung der bisherigen Landesregierung Niedersachsen, die völlig im Widerspruch zur raumordnerischen Zielsetzung steht, zu untersuchen.
Ich habe die Landesentwicklungsplanung von Niedersachsen sehr genau studiert, weil mich das Problem interessierte, und zwar aus Anhänglichkeit an meine ehemalige Heimat Ostfriesland, um zu wissen, was daraus wird.
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- Das gebe ich gern zu; warum auch nicht? - Ich habe Übereinstimmung gefunden mit dem Landes-entwicklungsplan von Rheinland-Pfalz. Wenn der eine Plan dem ländlichen Raum gegenüber feindlich eingestellt wäre, dann auch der andere.
Ich möchte noch in aller Kürze einige wichtige Punkte anfügen. Erstens. Die 38 Gebietseinheiten, wie wir sie im Bundesraumordnungsprogramm ausgewiesen gefunden haben, haben sich für eine vergleichende Feststellung der Entwicklungstendenzen bewährt. Es ist zu fordern - ich habe das schon verschiedentlich angeführt, und zwar sowohl im Ausschuß als auch im Wissenschaftlichen Beirat -, daß Möglichkeiten geprüft werden, inwieweit Landesgrenzen überschreitende Verflechtungen eine besondere Berücksichtigung finden können, weil hier oft einfach starre Grenzen fixiert werden, die der Entwicklung nicht dienlich sind.
Zweitens. Leider ist trotz aller Bemühungen eine Grundvoraussetzung für sinnvolle Raumordnung noch nicht ausreichend gegeben, nämlich die raumbedeutsamen Bestimmungsmerkmale; man nennt sie in der Fachsprache Indikatoren. Sie reichen nicht aus. Sie sind zu statisch, sie sind zu starr. Sie sagen viel zu wenig über Entwicklungstendenzen aus.
Beispiel: Die Statistik einer erreichten Abiturientenzahl in einem Einzugsbereich sagt nichts darüber aus, ob für den Beruf, der später ausgeübt werden kann, in der Zukunft genügend qualifizierte Arbeitsplätze vorhanden sind, ob diese Menschen, obwohl sie eine ausreichende Bildung erfahren, nicht doch den Raum in großer Zahl verlassen müssen.
Drittens. Es ist dringend erforderlich, die gesamten Verkehrsbedingungen bzw. ihre Planung und Entwicklung in einem umfassenden Konzept zu vereinbaren. Ich betone: vereinbaren; denn der Herr Minister hat schon in seiner Antwort auf eine Frage von mir im Ausschuß darauf hingewiesen, daß natürlich vom Bunde her Landesstraßen, Kreisstraßen und eventuell Gemeindeverbindungswege nicht unmittelbar einbezogen werden können. Da fehlen die Kompetenzen. Dennoch halte ich es für notwendig, daß neben Bundesbahnstrecken und Bundesfernstraßen auch diese Straßen in das Funktionsnetz für den Verkehr aufgenommen werden können.
Immer ({1})
Viertens. Auf die Notwendigkeit, den europäischen Bezug stärker zu berücksichtigen, brauche ich nicht näher einzugehen.
Ich möchte zusammenfassen: Wir danken der Bundesregierung für die geleistete Arbeit und für die Zähigkeit, mit der sie einen Kompromiß mit den Bundesländern für die Verabschiedung des Bundesraumordnungsprogramms erreicht hat. Damit ist der Anfang gemacht.
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Weitere Schritte nach vorn sind notwendig, Herr Kollege Dr. Jahn.
Zum Schluß möchte ich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes - Drucksache 7/5108 - begründen. Im Ausschuß haben wir zwischen allen Fraktionen Einvernehmen darüber erzielt, § 11 des Raumordnungsgesetzes dahin gehend zu ändern, daß die Berichtsfrist von zwei auf vier Jahre verlängert wird. Leider wird der Gesetzentwurf nun nicht mehr von der CDU/CSU-Fraktion mitgetragen. Das ist nicht Ihre Schuld, Herr Kollege Dr. Jahn, auch nicht die Schuld der Kollegen aus dem Ausschuß. Ich hoffe jedoch, daß Sie der Überweisung zustimmen.
Eine Änderung des Berichtszeitraums von zwei auf vier Jahre ist aus folgenden Gründen notwendig.
Erstens. Den Fachleuten der Raumordnungspolitik ist längst bekannt, daß zwei Jahre einen zu geringen Zeitraum darstellen, um die typischen Entwicklungsprozesse in ihrer Tendenz zu analysieren.
Zweitens. Ein vierjähriger Rhythmus würde es unnötig machen, etwa in diesem Jahre, also bei auslaufender Legislaturperiode, einen neuen Bericht vorzulegen, der nicht mehr diskutiert werden könnte, aus dem keine unmittelbaren Konsequenzen gezogen werden könnten. Wir gehen davon aus, daß ein solcher Rhythmus, vier Jahre, so gestaltet wird, daß der Bericht etwa in der Mitte einer Legislaturperiode vorgelegt wird. Für Regierung und Parlament eine bessere Lösung.
Drittens. Vierjähriger Rhythmus bedeutet eine erhebliche Einsparung - darauf lege ich großen Wert - von Verwaltungsaufwand und Kosten bei Bund und Ländern. Damit wird auch dem Votum des Haushaltsausschusses, das einstimmig gefaßt worden ist, Rechnung getragen, das Berichtsunwesen ein wenig einzudämmen und zu Berichten zu kommen, die wirklich gelesen und verarbeitet werden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Böger.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Ziel und Aufgabe jeder Raumordnungspolitik muß es sein, für alle Bürger in unserem Lande gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen und zu sichern. Von dieser Auffassung ausgehend, möchte ich für die FDP einige Bemerkungen zum letzten Raumordnungsbericht 1974 und zum Bundesraumordnungsprogramm der Bundesregierung machen.
Der Bericht 1974 bilanziert und wertet die raumordnungspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung in den vergangenen Jahren, und er analysiert anschaulich die gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen. Das große Gebiet Raumordnungsplanung deckt mittlerweile fast sämtliche politischen Aufgabenbereiche ab oder berührt sie zumindest. Die Raumordnungspalette reicht von Bevölkerungsfragen und Siedlungsstrukturen über Arbeit, Verkehr, Energie und Umweltschutz bis hin zu den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen sowie Freizeit und Erholung.
In dem Bericht wird deutlich, wie spürbar nach wie vor vielfach die Unterschiede in den Lebens-und Arbeitsbedingungen zwischen ländlichen Gebieten und den Verdichtungsräumen in der Bundesrepublik sind. Die Hauptgründe für die teilweise erheblichen räumlichen Unterschiede liegen bei den ländlichen Räumen in unzureichenden Erwerbsmöglichkeiten, divergierenden Arbeitsmarktsituationen, mangelnder Infrastruktur sowie fehlender Verkehrserschließung; bei den Verdichtungsräumen im wesentlichen in der Überlastung.
Im Bereich Freizeit und Erholung läßt der Raumordnungsbericht gesicherte Daten für die Entwicklung des Tourismus im Berichtszeitraum noch vermissen. Angesichts der Bedeutung der Tourismusentwicklung gerade für die Raumordnung ist das bedauerlich. Es bleibt zu wünschen, daß hier in Verbindung mit dem neuen vorliegenden Tourismuskonzept der Bundesregierung in Zukunft differenzierte Untersuchungen vorgenommen werden, um zu einem überregional abgestimmten, verfeinerten Fremdenverkehrskonzept zu gelangen.
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Im Vergleich zu den früheren Raumordnungsberichten bringt der vorliegende Bericht 1974 ein wichtiges Novum. Erstmals wird in ihm eine Analyse der raumordnungspolitischen Situation in der Europäischen Gemeinschaft vorgenommen. Die Analyse zeigt auch hier die starken regionalen Disparitäten in der Wirtschaftskraft, in den Erwerbsmöglichkeiten und der Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen. Die FDP begrüßt den im Raumordnungsbericht spürbaren Impuls zur Formulierung von Zielvorstellungen für eine großräumige Entwicklung der Raumstruktur im EG-Bereich.
Nun zum Bundesraumordnungsprogramm. In unserer Debatte im Herbst 1974 über die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Opposition zur Raumordnung stand dieses Thema eigentlich schon im Mittelpunkt. Der entscheidende Vorteil unserer heutigen Diskussion ist darin zu sehen, daß wir das Programm selbst diskutieren - und nicht wie bisher ein Vorhaben, das noch verschiedene Entwicklungsstadien und schwierige Abstimmungsrunden zwischen Bund und Ländern und ihren Fachressorts zu durchlaufen hat.
Der Bundestag ist der originäre Auftraggeber für dieses Programm. Aber wir sollten uns dabei beDr. Böger
wußt sein, daß dieses Programm nicht allein von der Bundesregierung beschlossen wurde, sondern auch, Herr Dr. Jahn, von einer überzeugenden Ländermehrheit in der Ministerkonferenz für Raumordnung am 14. Februar 1975.
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Nach unserer Auffassung ist dem Auftrag des Bundestags durch das vorliegende Programm im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Genüge getan. Das Programm ist auch von - wie Sie, Herr Dr. Jahn sagten - ideologischer Betrachtung durchaus frei.
Es handelt sich um ein bedeutendes Planungswerk. Es bahnt nicht nur im spezifisch raumordnungspolitischen Sinn neue Wege, sondern leistet darüber hinaus einen gewichtigen Beitrag zur Lösung unserer großen gesellschaftspolitischen Probleme.
Es wäre sicher reizvoll, den fachlichen Fragen und ihrer Lösung in diesem Programm nachzugehen, zumal - ich darf das betonen - ein solches Programm erstmals für die Bundesrepublik aufgestellt worden ist. Die Zeit verbietet das. Doch die transparente Art der Darstellung erlaubt es uns als Politikern, die Diskussion auf das politische Programm zu konzentrieren.
Wir unterstützen zunächst den zentralen Ansatz dieses Programms, der bisher in dieser Deutlichkeit in der Raumordnung nicht herausgestellt wurde, nämlich das maßgebende Ziel, überall in der Bundesrepublik die Chancengleichheit für alle Bürger zu verwirklichen. Dazu sollen gleichwertige - nicht gleichartige - Lebensbedingungen in allen Teilräumen geschaffen werden, und zwar hinsichtlich Wohnen, Erwerbsmöglichkeiten, Versorgung, Bildungs-, Freizeit- und Kommunikationsmöglichkeiten in einer menschenwürdigen Umwelt. Quantitativ und qualitativ angemessene Angebote sollen allen Bürgern in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen. In keinem dieser Bereiche soll ein bestimmtes Niveau unterschritten werden.
Wir alle wissen, daß in vielen Gebieten dieses Ziel noch nicht erreicht ist. Noch sind die Chancen ungleich verteilt. Beispiele: unzureichende Schulverhältnisse, insbesondere durch das Fehlen oder die zu große Entfernung weiterführender Schulen; der regionale Arbeitsmarkt bietet eine zu geringe Anzahl qualifizierter Arbeitsplätze; die Krankenhausversorgung ist ungenügend. Offenkundige Mängel sind im übrigen nicht auf ländliche Gebiete beschränkt. Sie bestehen in manchen Bereichen auch in Verdichtungsräumen, insbesondere wenn wir die Umweltbedingungen hinzunehmen. Durch die Massierung von Menschen werden die Einrichtungen der Infrastruktur und die natürlichen Lebensgrundlagen bis an die Grenzen der Belastbarkeit beansprucht. Die noch vorhandene Lebensqualität ist dort bereits gefährdet.
Ein Auspendeln der ungleichen Chancen durch Abwanderung eines größeren Bevölkerungsanteils aus den am stärksten benachteiligten ländlichen Gebieten in Verdichtungsräume darf nicht hingenommen werden. Darin stimmen wir durchaus mit Ihnen überein, Herr Dr. Jahn. Aber wir finden, daß sich das Bundesraumordnungsprogramm in diesem Sinn sehr deutlich äußert. Ganz abgesehen davon, daß viele Menschen ihre angestammte Heimat verlassen müßten, würde es nicht dazu beitragen, Ungleichheit zwischen den Räumen abzubauen. Eine stärkere Abwanderung aus den jetzt schon dünn besiedelten ländlichen Räumen würde es vielmehr noch schwieriger machen, dort eine leistungsfähige Siedlungsstruktur bereitzuhalten. Eine soziale Erosion wäre die Folge. Stärkere Zuwanderungen in die Verdichtungsräume würden dort die Umweltbedingungen häufig überstrapazieren sowie - was nicht vergessen werden sollte - Grund und Boden weiter verknappen.
Die Chancengleichheit im räumlichen Sinn kann also nur erreicht und gesichert werden, indem unsere aus historischen Gründen relativ ausgewogene Siedlungsstruktur erhalten und durch dezentralisierte Konzentration weiterentwickelt wird.
Es ist ein Grundzug liberaler Politik, sich für die Chancengleichheit der Bürger einzusetzen. Deshalb begrüßen wir es besonders, daß das Ziel der Chancengleichheit in diesem Programm eine so zentrale Stellung erhalten hat.
Die Bundesregierung verpflichtet sich im Bundesraumordnungsprogramm dazu, großräumige Disparitäten durch verstärkten Mitteleinsatz abzubauen, um in allen Teilräumen gleichwertige Lebensbedingungen auf einem Mindestniveau herzustellen. Diesen gesellschaftspolitischen Ansatz für eine wirksame Raumordnungspolitik in der Bundesrepublik unterstützen wir vor allem deshalb, weil unter der Zielsetzung der Verbesserung der Lebensqualität und Erreichung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Räumen nicht jedem Bürger sein Lebensglück in vom Staat dosierten Portionen zugeteilt werden soll; wir wollen keinen verplanten Bürger. Die angestrebten gleichwertigen Lebensbedingungen dürfen nicht eine Gleichmacherei bedeuten und sollten keineswegs zu einer Nivellierung führen.
Der natürliche Gegensatz zwischen Stadt und Land sollte nicht verwischt werden. Die Auffassung darüber, was den Lebenswert eines Raumes ausmacht, ist erfreulicherweise bei den Menschen verschieden, und dabei soll es auch bleiben. Aber Versorgungsdefizite der Bevölkerung müssen dort ausgeglichen werden, wo die Versorgung am weitesten hinter der allgemeinen Entwicklung in unserem Lande zurückgeblieben ist. Auch zwischen den Regionen soll nicht in der Weise umgeschichtet werden, daß in einigen der erreichte Entwicklungsstand wieder abgebaut und zurückgenommen werden soll, damit ein Entwicklungsdefizit in den zurückgebliebenen Gebietseinheiten vollständig ausgeglichen werden kann. Es geht vielmehr darum, eine günstige Raumstruktur zu halten und weiter zu verbessern, künftig aber die Mittel stärker dort zu konzentrieren, wo die größten Defizite an Infrastruktur, Erwerbsmöglichkeiten und Umweltqualität bestehen. Das ist ein entscheidender Punkt für unsere Zustimmung zu
diesem Programm. Es ist geeignet, den Freiheitsraum jedes Bürgers zu erweitern.
Eine ausgewogene Entwicklung in unserem Land kann aber nur dann durchgesetzt werden, wenn die öffentlichen Investitionen im Infrastrukturbereich und die Investitionshilfen an die private Wirtschaft zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen wirklich in diesem Sinne steuernd beeinflußt werden. Im Programm selbst wird die Frage beantwortet, wie die investiven Mittel des Bundes in der Vergangenheit, zunächst für die zwei Haushaltsjahre 1969 und 1970, auf die Teilräume des Bundesgebietes verteilt worden sind. Damit ist unseres Erachtens ein erster wichtiger Schritt getan, um Transparenz in der räumlichen Mittelverteilung zu schaffen. Wird diese Analyse für die folgenden Haushaltsjahre in Fortschreibung des Programms weitergeführt, so wird man daraus auch ablesen können, inwieweit die Mittelzuweisungen an Gebietseinheiten mit den größten Strukturschwächen verstärkt worden sind.
Zu dem Vorteil einer zunehmenden Transparenz der räumlichen Mittelverteilung gesellen sich dann neue Möglichkeiten einer Erfolgskontrolle. Es ist erfreulich, daß dieses Programm sich nicht darauf beschränkt, eine geänderte räumliche Mittelverteilung anzustreben, sondern auch eine Art Rechnungslegung darüber einführt. Die Investitions- und Fördermittel des Bundes und auch der Länder, die aus den verschiedensten Töpfen fließen, sollten in Zukunft gezielter und besser koordiniert eingesetzt werden. Dies ersehen wir auch aus dem Bundesraumordnungsprogramm. Die strukturschwächsten Räume sollen in Zukunft bei der Mittelverteilung nicht mehr am schlechtesten abschneiden.
Das Bundesraumordnungsprogramm wird in einer Zeit vorgelegt, in der eine Wachstumssteigerung auf allen Gebieten wie in der Vergangenheit nicht zu erwarten ist. Im Programm selbst wird schon darauf hingewiesen - der Herr Bundesminister hat es noch unterstrichen -, daß unsere derzeitige Bevölkerung von 62 Millionen bis 1985 zahlenmäßig nicht mehr zunehmen, wahrscheinlich sogar um 3 Millionen bis auf 59 Millionen abnehmen wird. Ein solcher Mückgang der Bevölkerung kann einschneidende Veränderungen für die künftige räumliche Entwicklung bringen. Dies hat der Raumordnungsbericht 1974 deutlich gemacht. Da wir nicht mehr mit den hohen Wachstumsraten des Sozialproduktes wie in vergangenen Perioden rechnen können, wird auch der Spielraum für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben, insbesondere die Infrastruktur, eingeengt. Um so sorgfältiger muß mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgegangen werden. Der Gedanke der Bestandspflege des Vorhandenen wird gegenüber den bisherigen quantitativen Wachstumsvorstellungen sicher an Bedeutung zunehmen. Bei der beabsichtigten Fortschreibung des Programms wird darauf zu achten sein.
Eine kritische Bemerkung zum Zuschnitt der Gebietseinheiten. Es sind 38 in der Bundesrepublik, und sie sind so groß geschnitten, daß sie als Bezugsrahmen für die Infrastrukturpolitik Nivellierungstendenzen in sich bergen, die zu Lasten von schwach strukturierten Teilräumen dieser großen Gebietseinheiten gehen können. Das aber sollte vermieden werden. Der innergebietlichen Differenzierung der Gebietseinheiten muß bei der Fortschreibung aus unserer Sicht besondere Aufmerksamkeit zukommen.
Eine anerkennende Bemerkung: Während nach der ursprünglichen Fassung das Programm lediglich einen Orientierungsrahmen für den Einsatz raumwirksamer Bundesmittel bilden sollte, aber keine unmittelbaren Bindungswirkungen hatte, hat man sich nun doch darauf geeinigt, daß die Fachplanungen der Bundesressorts sowie die Landesplanungen in den Ländern dieses Programm beachten sollen. Diese Bindungswirkung ist zu begrüßen.
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Zweierlei ist zu tun: Einmal sollte das Programm im einzelnen nunmehr zügig verwirklicht werden. Zum anderen ist es erforderlich, das Bundesraumordnungsprogramm fortzuschreiben. Der Ausschuß für Raumordnung hat in seiner einstimmig gefaßten Entschließung im einzelnen dargelegt, was bei dieser Fortschreibung von besonderer Bedeutung ist. Meine Fraktion sichert der Bundesregierung für die weitere Arbeit ihre Unterstützung zu.
({3})
Meine
Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es liegt auf der Drucksache 7/4786 ein Antrag des Ausschusses vor. Berichterstatter waren die Herren Abgeordneten Immer ({0}) und Dr. Jahn ({1}). Das Wort wird dazu nicht begehrt. Ich kann wohl über den Antrag insgesamt abstimmen lassen. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir den von der SPD und der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes auf der Drucksache 7/5108 dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
({2})
Ich rufe Zusatzpunkt 3 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen 1976
- Drucksache 7/5028 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({3}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort wird zur Begründung nicht gewünscht. - Es wird auch in der Aussprache nicht gewünscht.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für Wirtschaft ({4}) in Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 4 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über den Seeverkehr
- Drucksache 7/5060 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5})
Finanzausschuß
Das Wort wird zur Begründung nicht gewünscht. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht begehrt.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend - und dem Finanzausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der heutigen Plenarsitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf Dienstag, den 11. Mai 1976, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.