Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Abelein! Zu dem tragischen Zwischenfall am 30. April 1976, bei dem ein Mensch sein Leben verlor, sind zwei Dringlichkeitsfragen hier im Bundestag an die Bundesregierung gerichtet worden. Gestatten Sie mir deshalb, daß ich zunächst eine kurze Schilderung des Vorfalls gebe, damit der Sachverhalt und seine Problematik klar werden.
In den Abendstunden des 30. April 1976 hat der in Hamburg wohnhaft gewesene Michael Gartenschläger in Begleitung der Herren Lienicke und Uebe die Grenze zur DDR bei Bröthen, Kreis Herzogtum Lauenburg aufgesucht, um an den Grenzbefestigungen der DDR ein Selbstschußgerät SM 70 zur Detonation zu bringen. Sie wissen, daß es Herrn Gartenschläger bereits am 30. März gelungen war, ein solches Gerät zu demontieren. Die Presse hat darüber ausführlich berichtet. Herr Gartenschläger war zwei Tage vor dem 30. April 1976 von der Kriminalpolizei in Lübeck ausdrücklich gewarnt worden, sich den Grenzbefestigungen zu nähern.
Nach Angaben seiner beiden Begleiter robbte er zum Grenzzaun, der sich in etwa 40 m Tiefe hinter der Grenze befindet. Als Gartenschläger etwa 15 m vom Metallgitterzaun entfernt war - also schon auf dem Gebiet der DDR -, eröffneten Grenzsoldaten der DDR, die sich nach bisherigen Feststellungen diesseits des Metallgitterzauns zwischen Grenze und Zaun befanden und Herrn Gartenschläger vermutlich erwartet hatten, auf ihn das Feuer aus Maschinenwaffen. Herr Gartenschläger brach zusammen und ist nach einer ADN-Meldung inzwischen verstorben.
Die Zeugen Lienicke und Uebe, die nach eigenen Angaben auf Bundesgebiet verblieben waren, flüchteten. Die DDR-Soldaten beschossen auch den flüchtenden Lienicke, ohne ihn jedoch zu verletzen. Einschüsse auf Bundesgebiet wurden festgestellt.
Das ist der Sachverhalt. Ich darf nun Ihre Frage beantworten.
Über die Beurteilung der Sperranlagen der DDR an der innerdeutschen Grenze und der Mauer gibt es, so hoffen wir, in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheiten. Die Bundesregierung braucht daher nicht aufgefordert zu werden, mit den ihr gebotenen Möglichkeiten auf die DDR-Regierung im Sinne dieses gemeinsamen Anliegens einzuwirken. Sie hat, was Ihnen inzwischen bekannt sein dürfte, unmittelbar nach Bekanntwerden des Zwischenfalls bei der Regierung der DDR schärfsten Protest gegen den unangemessenen Schußwaffengebrauch eingelegt. Die bereits anberaumte Sitzung der Grenzkommission in Bayreuth wurde genutzt, um diesen Protest zu wiederholen. Auch der Chef des Bundeskanzleramtes hat den Grenzzwischenfall in einem Gespräch mit dem Leiter der Ständigen Vertretung der DDR am 3. Mai 1976 angesprochen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Hat die Bundesregierung Hinweise darüber, daß die DDR vorher - und eventuell von wem - über die Aktion von Gartenschläger orientiert war?
Nein.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Wie vertragen sich nach Auffassung der Bundesregierung die Installierung von Todesautomaten und die Ermordung Gartenschlägers mit den Bestimmungen von Art. 2 des Grundvertrages?
Bundesminister Franke hat sich in einer ersten Erklärung am 1. Mai bereits eindeutig dazu geäußert und gesagt, daß hier menschenunwürdig verfahren worden ist. Wir haben solche Maßnahmen schon mehrmals verurteilt, und ich glaube, wir sind einer Meinung, daß diese Dinge als unmenschlich zu bezeichnen sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becher ({0}).
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon einmal die Regierung in Ost-Berlin offiziell aufgefordert, die Mordwaffen vom Trennungszaun zu entfernen, und, wenn nicht, ist sie vielleicht gewillt, diesen Vorfall jetzt zum Anlaß zu nehmen, dies in aller Form und vor aller Welt zu tun?
Herr Kollege Becher, man kann doch wohl feststellen, daß diese und ähnliche Vorfälle durch die Erklärungen der Bundesregierung in der Vergangenheit in aller Form und vor aller Welt eindeutig verurteilt worden sind, auch in den Protesten, die vorgebracht worden sind, sowohl im Zusammenhang mit Gesprächen und Verhandlungen wie in der Grenzkommission. Nur be-. steht - ich glaube, hier sind wir doch einig - für die Bundesrepublik Deutschland keine Möglichkeit, die DDR zu zwingen, die Todesautomaten abzubauen.
Vizepräsident von Hassel: Frau Abgeordnete Berger zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Weltöffentlichkeit und - jetzt kommt mein Punkt - insbesondere die Vereinten Nationen mit ihrer Menschenrechtskommission über die Installierung dieser menschenrechtswidrigen Todesautomaten und über diesen unerhörten Vorgang der Ermordung eines Mitbürgers zu informieren?
Frau Kollegin Berger, ich habe bereits in mehreren Fragestunden im Zusammenhang mit ähnlichen Aufforderungen von Kollegen Ihrer Fraktion die Haltung der Bundesregierung eindeutig dargelegt. Ich habe erklärt, daß all diese Schwierigkeiten, die wir hier haben, auf jeden Fall auf der Konferenz in Belgrad über die Ergebnisse und Erfahrungen mit den Abschlußerklärungen der KSZE zur Sprache kommen werden.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm ({1}).
Herr Staatssekretär, was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „unangemessene Reaktion", mit dem sie den Mord der Grenztruppe der DDR an Gartenschläger qualifiziert hat?
Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, daß wir jeden Schußwaffengebrauch als völlig überflüssig und unmenschlich ansehen. Wahrscheinlich hätte auch dieser Vorfall durch andere Polizeimaßnahmen verhindert werden können.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Staatssekretär, wie Sie erklärt haben, hat sich dieser Herr Gartenschläger also schon auf dem Gebiet der DDR befunden. Auf welche Art und Weise kann die Bundesregierung sicherstellen, daß den Bundesbürgern klargemacht wird, - wo sich die tatsächliche Grenze befindet, um solche Ereignisse und solche Schadensfolge von den Menschen der Bundesrepublik fernzuhalten?
Herold, Pari. Staatssekretär: Das wird bei jeder Gelegenheit durch die Grenzorgane der Bundesrepublik Deutschland, also Bundesgrenzschutz und Zoll, getan. Zeitungen nehmen dankenswerterweise diese Dinge auch immer wieder auf. Weiter hat die Grenz16580
kommission ihr Teil dazu beigetragen, um die räumlichen Differenzen zwischen Metallgitterzaun und tatsächlicher Grenze zu markieren.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Straßmeir.
Herr Staatssekretär, Sie haben nicht nur von „unangemessener Reaktion" im Zusammenhang mit der Ermordung Gartenschlägers gesprochen, sondern soeben auch von „unangemessenem Schußwaffengebrauch". Können Sie mir sagen, ob es in diesem Zusammenhang für Sie überhaupt einen „angemessenen Schußwaffengebrauch" geben kann?
Herr Kollege Straßmeir, ich habe mich wohl klar ausgedrückt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, welche Qualifizierung mißt die Bundesregierung angesichts dieser erneuten Erschießung fast drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundvertrages der Äußerung von Bundesminister Bahr vom 13. November 1972 zu, daß der Grundvertrag den Anfang vom Ende des Schießens in Deutschland bedeute?
Herr Kollege Nordlohne, ich werde Ihnen im Zusammenhang mit einer
anderen Frage, die vom Herrn Kollegen Abelein gestellt ist, einmal die Zahlen vor Augen führen, die die Todesfälle vor Abschluß des Grundvertrages von 1961 bis 1971/72 betreffen. Sie werden dann erkennen, daß diese Zahlen in keinem Verhältnis zu den Zahlen seit Abschluß des Grundvertrages stehen.
Gleichzeitig möchte ich sagen: Ob es sich jetzt um einen Todesfall handelt oder ob es um 105 Fälle geht, wir verurteilen diese Vorfälle generell und grundsätzlich.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kunz ({0}) .
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung fast drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundvertrages bereit, dem Hause und der deutschen Öffentlichkeit eine Publikation vorzulegen, die auf das lückenlos gewordene Absperrungssystem an der innerdeutschen Grenze hinweist und zeigt, daß dort Methoden praktiziert werden, die denen des braunen Deutschlands ähnlich oder gleich sind?
Herr Kollege Kunz, ich darf hier erklären, daß die Bundesregierung bei jeder Gelegenheit, bei jedem neuen Vorfall ausführlich ihre Haltung zu diesen Fällen dargelegt und auch den betreffenden Ausschüssen umfassend über die Situation an der Grenze und die Geschehnisse berichtet hat.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, anläßlich dieses jüngsten Mordes an der Zonengrenze das in dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vorgesehene Verfahren gegen die DDR einzuleiten?
Ich kann hier nur sagen und wiederhole damit, daß die Absichtserklärungen, die gegeben worden sind, auf Gegenseitigkeit beruhen. Ich glaube, der Bundesregierung ist im Augenblick keine Möglichkeit gegeben, diese Dinge einzuklagen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Mertes ({0}).
Herr Staatssekretär, wird die besondere Schwere des Falles Gartenschläger die Bundesregierung veranlassen - ich greife die nicht beantwortete Frage der Kollegin Berger noch einmal auf -, insbesondere die Vereinten Nationen in gebührender und besonders nachdrücklicher Weise auf die menschenrechtswidrigen Zustände in Deutschland hinzuweisen, auch mit dem Ziel, daß die doppelte Moral nicht nur in der Beurteilung menschenrechtswidriger Zustände im Nord-Süd-Konflikt aufhört, sondern auch im Zusammenhang mit dem Ost-West-Konflikt gesehen wird?
Ich glaube, die sogenannte doppelte Moral, wie Sie sie hier in den Raum stellen, wird auch von anderen Völkern und verantwortlichen Politikern erkannt. Ich kann daher bei meiner Erklärung gegenüber der Kollegin Berger in diesem Zusammenhang bleiben.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß nach der Demontage des Schießapparats durch Herrn Gartenschläger die zuständige Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik mit Zustimmung der schleswig-holsteinischen Landesregierung ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn Gartenschläger in Gang gesetzt hat, um auf der Grundlage unserer Rechtsordnung die strafrechtliche Relevanz dieses Verhaltens zu überprüfen?
Herr Kollege Gansel, ich habe das im Moment nicht zu würdigen. Hier wird ein Akt vollzogen, der auf Grund unserer Rechtsordnung notwendig geworden ist.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die dringliche Frage 2 des Abgeordneten Dr. Mertes ({0}) auf:
Welche Umstände führten nach den Erkenntnissen der Bundesregierung dazu, daß der 32jährige Michael Gartenschläger in der Nacht zum 1. Mai an der Zonengrenze von Angehörigen der Grenztruppe der DDR erschossen worden ist, und welche Sofortmaßnahmen wird die Bundesregierung aufgrund dieser Vorgänge ergreifen?
Dazu verweise ich auf folgendes: Unter den Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, die allerdings heute eigentlich nicht mehr aufgerufen werden, befindet sich die Frage 80, die einen ähnlichen Gegenstand betrifft. Ich schlage vor, im Anschluß an Ihre dringliche Frage die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Abelein aufzurufen. - Sie sind damit einverstanden.
Zur Beanwortung der dringlichen Frage 2 des Abgeordneten Dr. Mertes ({1}) hat nun Herr Staatssekretär Herold das Wort.
Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Mertes, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Ich beziehe mich auf die Erklärung von Herrn Bundesminister Franke, in der dieser feststellte, daß die Reaktion der DDR-Grenzorgane auf den erneuten Versuch des Herrn Gartenschläger und seiner Begleiter, ein Schießgerät SM 70 aus den DDR-Grenzanlagen zu entfernen oder zur Auslösung zu bringen, völlig unangemessen und unmenschlich war. Hierbei stellte Bundesminister Franke gleichzeitig fest, daß Herr Gartenschläger ein unverantwortliches Risiko eingegangen ist.
Ich kann hinzufügen, daß er bei den polizeilichen Vernehmungen über die von ihm vorher unternommenen Versuche dieser Art ausdrücklich davor gewarnt worden ist, solche Aktionen zu wiederholen.
Wie ich bereits in der Beantwortung der dringlichen Frage des Kollegen Dr. Abelein ausgeführt habe, hat die Bundesregierung unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Zwischenfalls bei der Regierung der DDR schärfsten Protest eingelegt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Mertes ({0}).
Herr Staatssekretär, da der Bundesregierung als Instrument ihrer innerdeutschen Politik und ihrer Außenpolitik der Pakt über internationale bürgerliche Rechte zur Verfügung steht, möchte ich nochmals fragen, ob innerhalb der Bundesregierung bereits Überlegungen in der Richtung angestellt werden, das in diesem Pakt vorgesehene Verfahren in diesem Fall gegenüber der DDR zu veranlassen.
Ich habe vorhin bereits auf eine Frage angedeutet, daß das selbstverständlich in die Überlegungen einbezogen wird. Ich
bitte aber um Verständnis, daß die Bundesregierung, bevor sie weitere Schritte unternimmt, den gesamten Sachverhalt, dessen Aufklärung durch das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Lübeck in Gang gebracht worden ist, berücksichtigen muß.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob es wirtschaftlich abhängige Familienangehörige von Herrn Gartenschläger gibt, und überlegt die Bundesregierung, sie wirtschaftlich zu sichern?
Im Augenblick ist uns nicht bekannt, daß es Angehörige gibt. Anschließend möchte ich Ihnen, Herr Kollege von Fircks, nur sagen: Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß Herr Gartenschläger 1961 zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt worden ist. Die Gründe könnte ich Ihnen ohne weiteres mitteilen. Durch unsere 1965 eingeleiteten besonderen Bemühungen haben wir erreicht, daß Herr Gartenschläger 1971 freigelassen worden ist. Das wollte ich Ihnen nur ergänzend sagen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung Äußerungen von Politikern, die in Kenntnis der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Herrn Gartenschläger diese Ermittlungen als formalistisch abgetan, das Verhalten von Herrn Gartenschläger als Nothilfe entschuldigt und indirekt dazu beigetragen haben, daß er sein selbstmörderisches Tun fortsetzte?
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Ich möchte zu dieser Schelte im einzelnen und zu Äußerungen von Kollegen nicht - ({0})
- Danke schön, Herr Reddemann; mir war das klar.
Ich wollte nur sagen, daß wir die ganze Diskussion um diesen Fall, der so tragisch ist, sehr bedauern. Ich glaube, es sollten alle verantwortlichen Politiker einiges dazu beitragen, daß solche Dinge schon vom Ansatz her verhindert werden.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter van Delden.
van Delden ({1}) : Herr Staatssekretär, was hindert eigentlich die Bundesregierung daran, den wiederholten Bitten der Opposition, daß sich die Menschenrechtskommission der UNO mit diesen und ähnlichen verabscheuungswürdigen Vorgängen befassen soll, nachzukommen?
Herr Kollege van Delden, ich habe diese Frage in diesem Hause schon mehrfach beantwortet und dabei immer auf die Problematik der Zusammensetzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen hingewiesen.
({0})
- Auch das ist ein wichtiger Grund. Ich bitte, das in Ihre Überlegungen einzubeziehen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, könnte sich die Bundesregierung nicht dazu entschließen, zuzugeben, daß Herr Gartenschläger und andere, die die Existenz der Mordwaffen gegenüber der Öffentlichkeit aufdecken wollen, zwar ein Risiko übernommen haben, aber keineswegs unverantwortlich, sondern im Dienste der Freiheit und unter Hinweis auf die Not in Deutschland sogar in höherem Sinne äußerst verantwortlich, und daß wir uns davor verneigen und das nicht noch kritisieren sollten?
Herr Kollege Dr. Becher, ich würde vor allen Dingen vor Ihren letzten Worten etwas warnen.
({0})
Ich würde vor solchen Bemerkungen warnen. Wir sollten in diesem Zusammenhang das tragische Einzelschicksal sehen, aber nicht noch in eine Richtung gehen, die wir beide - Sie und ich - nicht einschlagen wollen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die hier in einer Frage aus den Reihen der SPD zum Ausdruck gekommene Auffassung, wonach die strafrechtliche Schuld für diesen Zwischenfall offensichtlich mehr bei Gartenschläger und nicht bei denen liegt, die menschenrechtswidrig Mordanlagen mitten in Deutschland errichtet haben?
({0})
Herr Kollege Abelein, ich habe diese Fragen, die hier gestellt worden sind, nicht zu analysieren.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Berger.
Herr Kollege Herold, abgesehen davon, daß es schwerfällt, den Sinn Ihrer Worte über die Problematik der Zusammensetzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu verstehen - ich habe auch von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen gesprochen -, möchte ich Sie fragen, nachdem wir wohl 1975 mehr als 300 Millionen DM an die UNO gezahlt haben und unser jährlicher Beitrag an die UNO rund 40 Millionen DM beträgt: Wären Sie bereit, auch vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Tage zu überprüfen, ob nicht der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland an die UNO um 10 %, also von 40 Millionen DM auf 36 Millionen DM, solange zu kürzen ist, bis eine objektive Behandlung auch unserer Sorgen in den Vereinten Nationen möglich ist?
Frau Kollegin Berger, ich sehe keinen Zusammenhang und ich muß Ihnen sagen: Mit solchen Methoden würde ich von unserer Seite aus nicht beginnen,
({0})
um solche Verhandlungen zu erzwingen.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Böhm ({2}).
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es nicht richtig ist, vor tatsächlichen oder angeblichen Mehrheitsverhältnissen innerhalb der UNO zu resignieren, sondern daß es vielmehr im Interesse der Wahrung der Menschenrechte in unserem geteilten Vaterland besser und richtiger wäre, wenn gerade auch ein solcher Vorgang wie der Mord an Gartenschläger erneut zum Anlaß genommen würde, auf diese Mehrheitsverhältnisse in dem Sinne einzuwirken, daß sich die Völker dieser Welt für die Menschenrechte in Deutschland ebenso engagieren wie für die Menschenrechte in anderen Teilen der Erde?
Ich betrachte dies nicht als Ausdruck der Resignation, sondern es geht hier um eine Frage der Zweckmäßigkeit, wie man die Dinge anpacken soll.
Vizepräsident von Hassel: Es liegen nur noch ein paar Zusatzfragen vor. Sie müssen unsere Maßnahmen gegenüber der DDR zum Gegenstand haben. Es ist damit keine UNO-Debatte ausgelöst. Ich bitte Sie, das bei den nächsten Zusatzfragen zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hösl.
Herr Staatssekretär, wenn ein Schritt über unsere nationalen Grenzen hinaus - zunächst denke ich an die UNO - nicht für ratsam angesehen wird, wären Sie dann bereit, nach Vorliegen eines umfassenden UntersuchungsergebHösl
nisses dem innerdeutschen Ausschuß zu berichten und eine Beratung in Anwesenheit des deutschen Vertreters bei der Menschenrechtskommission hier vornehmen zu lassen, um eine parlamentarische Entscheidung herbeizuführen?
Herr Kollege Hösl, das erste ist selbstverständlich. Das ist sowieso schon vorgesehen. Ob das zweite möglich ist, entscheiden der Bundeskanzler und das Kabinett.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, ist es nicht notwendig, die Kollegen des Hauses einmal darauf hinzuweisen, daß der Menschenrechtspakt der UNO noch gar nicht in Kraft getreten ist, weil ihm noch nicht genügend Nationen beigetreten sind, und aus diesem Grunde der Bundesregierung lediglich eine Deklamation, aber keine rechtlichen Schritte mit bestimmten Wirkungen offenstünden.
({0})
Ich brauche das hier nicht zu wiederholen. Herr Kollege Höhmann, Sie haben es hier erklärt. Ich bin jetzt überfragt, ob dies zutreffend ist. Aber wenn Sie es hier sagen, wird es wohl stimmen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß den Menschenrechten in Deutschland nicht dadurch gedient werden kann, daß man hier falsches Heldentum beschwört, und daß sich die Weltöffentlichkeit auch nicht deshalb mit der Lage der Menschenrechte in Deutschland befassen wird, weil man gegenüber der UNO mit dem Geldbeutel klappert?
Ich stimme Ihnen in dieser Auffassung zu.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Bemerkung über die Mehrheitsverhältnisse in der UNO und über die Sinnlosigkeit des Unternehmens, dort unser Petitum vorzutragen, so verstehen, daß Sie es für abwegig halten, bei der UNO eine Menschenrechtsdiskussion auszulösen, die die deutschen Anliegen betrifft, weil sie nicht sachlich erörtert würden?
Das, was Sie hier sagen, können Sie mir nicht unterstellen. So möchte ich nicht ausgelegt werden.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf.
Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der seit Inkrafttreten des Grundvertrags durch Tötungsautomaten, auf Grund des Schießbefehls oder durch Minen ums Leben gekommenen/verletzten Personen an der innerdeutschen Grenze von Lübeck bis Hof bzw. im Raum Berlin?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold.
Herr Präsident! Herr Kollege Abelein, ich möchte dazu folgendes ausführen. Nach Auskunft der zuständigen Behörden vom 3. Mai 1976 sind seit Inkrafttreten des Grundvertrages am 21. Juni 1973 an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR folgende Todesfälle zu beklagen: im Jahre 1973 ein Todesfall, im Jahre 1974 zwei Todesfälle und im Jahre 1975 ein Todesfall. Im Raum um Berlin ({0}) gab es im Jahre 1974 einen Todesfall. Von den vier Todesfällen an der innerdeutschen Grenze sind zwei durch Selbstschußanlagen, einer durch Schußwaffengebrauch und einer durch andere Gewalteinwirkung der DDR-Grenzorgane ums Leben gekommen. Der eine Todesfall im Raum von Berlin ({1}) ist auch auf Schußwaffengebrauch zurückzuführen.
Im vergleichbaren Zeitraum vor Inkrafttreten des Grundvertrages, also in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis zum 20. Juni 1973, sind an der innerdeutschen Grenze zwölf und im Raum um Berlin vier Todesfälle zu beklagen. In der Zeit vom 13. August 1961 bis zum Inkrafttreten des Grundlagenvertrags am 21. Juni 1973 sind an der innerdeutschen Grenze 93 Personen und im Raum von Berlin 69 Personen bei Fluchtversuchen ums Leben gekommen. Die genannten Zahlen umfassen nur solche Fälle, in denen nach Erkenntnissen der zuständigen Behörden beachtliche Tatsachen dafür sprechen, daß von einem Todesfall ausgegangen werden kann. Über die Zahl der Verletzten und Schwerverletzten für diese Zeiträume liegen den zuständigen Behörden keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, wieso berücksichtigt die Bundesregierung bei dieser Aufstellung nicht die hohe Dunkelziffer, wie sie sich aus den Angaben des Leiters der Zentralen Erfassungsstelle der Länderjustizverwaltungen in Salzgitter ergibt, wonach es praktisch jeden Tag entlang der Grenze knallt und nur sehr wenige dieser Vorkommnisse tatsächlich von ihrer Seite ermittelt werden können?
Die Bundesregierung kann sich auf Spekulationen nicht einlassen. Sie hat dem Parlament Tatsachen vorzutragen. Die können wir geben, die sind festgestellt. Die Bundesregierung sieht sich daher außerstande, hier eine Dunkelziffer anzugeben, mit der nichts auszusagen wäre.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, würden Sie denn angesichts dieser Ereignisse und des Zwischenfalls in der letzten Woche die Politik der Bundesregierung, die versprochen hat, die neue Deutschlandpolitik und der Grundlagenvertrag würden - so fast wörtlich - der Anfang des Endes des Schießens in Deutschland sein, als erfolgreich bezeichnen?
Herr Kollege Abelein, diese Frage hätte ich nach der Beantwortung Ihrer Frage nicht erwartet. Die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache, und wir hoffen gemeinsam, daß der Schießbefehl eines Tages durch unsere Politik völlig wegfällt.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mertes.
Herr Staatssekretär, in welcher Weise werden die Vier Mächte, die für Deutschland als Ganzes Rechte und Verantwortlichkeiten innehaben - und damit auch für die Deutschland teilende innerdeutsche Grenze -, mit diesen Fragen befaßt?
Sie sind und werden laufend über die Lagezentren informiert.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind damit mit den Dringlichkeitsfragen am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt.
Ich komme zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Josten:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister Bahr, daß für die Vergabe von Entwicklungshilfe die „Bedürftigkeit" das einzige Kriterium sei?
Zur Beantwortung bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Brück.
Herr Kollege Josten, Bundesminister Bahr hat die Auffassung, die Bedürftigkeit sei das einzige Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Mitteln der Bundesrepublik an Entwicklungsländer, nicht vertreten. Zwar ist für die Frage, welche Länder grundsätzlich als Entwicklungsländer einzustufen sind, der Entwicklungsstand alleiniges Kriterium. Hiernach richten sich OECD und alle Industrieländer. Auf diesen Tatbestand hat Bundesminister Bahr in einem Interview in „Bild am Sonntag" aufmerksam gemacht. Hingegen ist für die Auswahl der Entwicklungsländer, mit denen die Bundesregierung zusammenarbeitet und denen sie öffentliche Mittel zur Verfügung stellt, die Bedürftigkeit ein wichtiges, aber keineswegs das einzige Kriterium. Im übrigen begrüßt es die Bundesregierung, daß auch der entwicklungspolitische Sprecher der Opposition mehrfach im Deutschen Bundestag gefordert hat, die tatsächliche Bedürftigkeit stärker zum Maßstab der Entwicklungspolitik zu machen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, kann ich also nach Ihren Ausführungen davon ausgehen, daß Ihr Ressortminister Bahr die gleiche Meinung vertritt, die Herr Staatsminister Wischnewski für die Bundesregierung in der Fragestunde am 7. April dieses Jahres zu der Frage, welchen Ländern wir Entwicklungshilfe gewähren, geäußert hat, wo er wörtlich sagte:
Ein wichtiges Kriterium ist aber auch unser außenwirtschaftliches Interesse, insbesondere an der langfristigen Versorgung unserer Wirtschaft mit Rohstoffen.
Herr Kollege Josten, Bundesminister Bahr hat immer wieder betont, daß wir Entwicklungshilfe auch aus unserem eigenen Interesse leisten.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung künftig solchen Staaten keine Entwicklungshilfe zukommen lassen, welche in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind?
Herr Kollege Josten, dort, wo geschossen wird, ist Entwicklungshilfe nicht möglich.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Frage 2 des Abgeordneten Dr. Dübber:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in Nummer 16 der Zeitschrift „Der Spiegel" vom 12. April 1976 auf den Seiten 68 bis 76 geschilderte Tendenz der Rechtsprechung, die Eltern erwachsener Kinder immer stärker zur Finanzierung einer zweiten Berufsausbildung ihres Nachwuchses heranzuziehen, und gedenkt die Bundesregierung, notfalls das Bundesausbildungsförderungsgesetz zur Novellierung vorzuschlagen, um solche im „Spiegel" geschilderten sozialen Härten zu vermeiden?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Jochimsen.
Herr Abgeordneter, die in Ihrer Frage vermutete Tendenz der Rechtsprechung, die Eltern erwachsener Kinder immer stärker zur Finanzierung einer zweiten Berufsausbildung heranzuziehen, ist von der Bundesregierung nicht beobachtet worden. Zweifellos erhalten immer mehr junge Menschen eine qualifizierte Ausbildung, wobei die Ausbildung des einzelnen häufig auch länger andauert. Diese Entwicklung ist als Vorausetzung für eine qualifizierte Berufsausbildung
in unserer hochindustrialisierten Gesellschaft notwendig und wird auch von allen politischen Kräften begrüßt und gefördert. Im Rahmen dieses Anstrebens einer höheren und breiteren Qualifikation kommt es dazu, daß mehr Jugendliche häufig auch für einen längeren Zeitraum den nach den Bestimmungen des bürgerlichen Unterhaltsrechts begründeten Anspruch gegen ihre Eltern auf Tragung der Ausbildungskosten realisieren. Das insoweit seit langem unveränderte bürgerliche Unterhaltsrecht führt zwangsläufig zu dieser vermehrten Inanspruchnahme der Eltern. Andererseits - das möchte ich hervorheben
ist die Rechtsprechung aber gerade dann, wenn bereits ein qualifizierter Abschluß erreicht war, in der Zuerkennung des Unterhaltsanspruchs für eine weitere Ausbildung eher zurückhaltend und hat ihn im Prinzip nur bei besonderer Eignung für eine in derselben Fachrichtung weiterführende Ausbildung, die ohne wesentliche zeitliche Unterbrechung angeschlossen wurde, zugebilligt. Durch das Zweite Änderungsgesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz ist dieser Interpretation des Unterhaltsrechts bereits 1974 dadurch Rechnung getragen worden, daß zur Entlastung der Eltern dementsprechend die Tatbestände der elternunabhängigen Förderung in § 11 Abs. 3 BAföG erweitert bzw. in § 25 a BAföG eine großzügigere Freibetragsregelung vorgesehen wurde.
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die Verwaltung einzelnen Härtefällen im Rahmen der bestehenden Normen gerecht werden kann, etwa durch die Gewährung besonderer zusätzlicher Freibeträge vom Elterneinkommen nach § 25 Abs. 6 BAföG oder durch volle oder teilweise Verneinung eines Unterhaltsanspruches des Auszubildenden gegen seine Eltern im Rahmen der rechtlichen Prüfung, die nach § 37 Abs. 1 BAföG vor jeder Überleitung eines solchen Anspruchs vorzunehmen ist. Ich darf hier daran erinnern, daß auch der auf den Staat übergeleitete Unterhaltsanspruch nur mit Hilfe eines zivilgerichtlichen Urteils gegenüber den Eltern durchsetzbar ist.
Wird aber der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern als überzogen angesehen, so ist Abhilfe nur durch eine Änderung der unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches möglich. Für eine grundsätzliche Änderung des BAföG sieht die Bundesregierung derzeit indessen keine Veranlassung.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Dübber.
Herr Staatssekretär, ich darf es demnach wohl für einen Extremfall halten, wenn im „Spiegel" der Fall einer Serviererin mit 1 000 DM Nettogehalt geschildert wird, die von ihrem erwachsenen Sohn, der Kaufmann ist, mit dem Erfolg verklagt worden ist, daß sie von den 1 000 DM Nettogehalt nun 355 DM an den Sohn für eine Zweitausbildung zahlen soll. Sie würden das nicht für typisch halten?
Nein.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Wann ist nunmehr mit dem Beginn von Versuchen in Richtung einer Einführung besonderer Hochschulaufnahmeverfahren im Bereich der Humanmedizin im Sinne der Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes zu rechnen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär Professor Jochimsen.
Bereits vor der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft einen Auftrag zur Entwicklung von Hochschuleingangstests für das Fach Humanmedizin vergeben. Die Arbeit an diesem Projekt wurde am 1. Juli 1975 aufgenommen. Das Projekt endet am 30. Juni 1977. Die Länder werden spätestens zu diesem Zeitpunkt zu entscheiden haben, ob, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt die in diesem Projekt erarbeiteten Tests zur Grundlage eines besonderen Auswahlverfahrens nach § 33 des Hochschulrahmengesetzes gemacht werden sollen. Wie weit die Tests hierfür geeignet sein werden, wird bereits gegen Ende des Wintersemesters 1976/77 absehbar sein, wenn erste Auswertungen eines für den Beginn des Wintersemesters 1976/77 geplanten Probelaufs mit zirka 2 000 Probanden vorliegen werden. Ein weiterer Probelauf kann im Wintersemester 1977/78 durchgeführt werden.
Soweit also heute absehbar ist, werden die Testinstrumente für die Einführung des besonderen Auswahlverfahrens voraussichtlich zum Wintersemester 1978/79 zur Verfügung stehen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Staatssekretär, angesichts der großen Unruhe, die gerade unter den Zehntausenden der jetzt schon Wartenden im Bereich der Humanmedizin entstanden ist, darf ich Sie fragen, ob in den jetzt entwickelten Verfahren besondere Quoten für diejenigen Bewerber vorgesehen sind, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelungen zu dem von Ihnen angedeuteten Zeitpunkt bereits eine lange Wartezeit hinter sich gebracht haben werden.
Ich möchte darauf zwei Antworten geben. Zum einen werden die Länder für diese Regelung verantwortlich sein, zum anderen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die tatsächliche, wesentliche Verschlechterung der Zulassungschancen durch die Verlängerung der Wartezeiten in der Medizin, die jetzt sechs bis sieben Jahre betragen, sich auch bei einer Einführung eines besonderen Auswahlverfahrens in besonderen Übergangsregelungen niederschlagen muß und wird, daß diese aber die Zulassungschancen der Wartenden insgesamt nicht verbessern können.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Ist jetzt schon abzusehen, Herr Staatssekretär, ob in den Verfahren, die kommen werden, sowohl studienfachspezifische als auch sozusagen interviewtechnisch vorzunehmende Prüfungen vorgesehen sind?
Es ist beides in der vollen Prüfung. Wir gehen dabei davon aus, daß der Sinn des besonderen Auswahlverfahrens auch nach der Auffassung der dafür zuständigen Länder nicht in einer Wiederholung des Abiturs, sondern in einer Ergänzung besteht. Die dazu erforderlichen Instrumente werden neben dem Test auch andere Überlegungen mit einbeziehen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen danken.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf.
Die Frage 4 des Abgeordneten Zywietz wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Welche Gründe veranlassen die Bundesregierung in der Frage, die Deutsche Nationalstiftung in Berlin einzurichten, eine zögernde Haltung einzunehmen?
Zur Beantwortung bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schmude.
Herr Kollege Wohlrabe, die in der Frage liegende Unterstellung wird zurückgewiesen. Richtig ist vielmehr, daß trotz der erfreulichen Fortschritte bei den Bund-Länder-Verhandlungen und des im Grundsatz positiven Beschlusses der Kultusminister der Länder vom 8. und 9. April 1976 noch wesentliche Sachfragen offen sind. Dies sind vor allem die für Bund und Länder gleichermaßen bedeutsame Finanzierung der Stiftung und die Stimmverteilung im Stiftungsrat.
Weiterer Klärung bedarf auch noch die Umschreibung des Stiftungszweckes im Sinne einer Verdeutlichung des gesamtstaatlichen Rangs der Stiftung. Es ist von Anfang an die Auffassung der Bundesregierung gewesen, daß vor einer Klärung dieser grundsätzlichen Fragen über den Sitz der Stiftung nicht isoliert entschieden werden sollte.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, können Sie mitteilen, bis wann ein Entscheid zu erwarten ist?
Es liegt nicht in der Hand der Bundesregierung, die noch offenen Sachfragen jetzt abschließend zu klären, sondern vor allem bei den Ministerpräsidenten der Länder.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Sind auf Seiten der Bundesregierung mit den dafür in Betracht kommenden Stellen - Länder, Alliierte etc. - bereits Gespräche aufgenommen worden?
Diese Frage muß ich unterschiedlich beantworten. Die Verhandlungen mit den Ländern werden seit sehr langer Zeit geführt und haben die erfreulichen Fortschritte gebracht, die ich eingangs erwähnt habe.
Zu Konsultationen mit den Alliierten bestand noch keine Veranlassung, weil das Sachprogramm der Stiftung noch nicht abschließend fertiggestellt ist. Dessen bedarf es, bevor solche Konsultationen, wenn man sie für zweckmäßig hält, begonnen werden.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der Entwurf, der in seinem § 1 Berlin als Sitz für diese Stiftung vorsieht, in einem Staatssekretär-Ausschuß unter Beteiligung des Bundesinnenministers erarbeitet worden ist?
Der Entwurf ist in gemeinsamen Gesprächen und Verhandlungen erarbeitet worden, nicht aber einschließlich jener Regelung, in der Berlin als Sitz bezeichnet wird. Dies ist nicht vom Bund eingesetzt worden, und dies ist auch nicht mit dem Bund vereinbart worden - nicht etwa wegen einer Ablehnung oder Enthaltsamkeit, sondern weil sich diese Frage noch nicht stellte, weil sie noch nicht entscheidungsreif war.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß seitens der Bundesregierung alle Bemühungen unternommen werden, um die von Ihnen angesprochenen, noch offenen Sachfragen zu klären, daß man also wegen der strittigen Fragen die Zeit jetzt nicht dazu benutzt, die Sache zu verzögern?
Herr Kollege Freiherr von Fircks, nach den bisherigen Erfahrungen, die ausweisen, daß sich die Bundesregierung mit großem Nachdruck und aller Kraft um das Zustandekommen dieser Stiftung bemüht, können Sie davon ausgehen, daß diese Bemühungen auch fortgesetzt werden. Auch der Bundesregierung liegt daran, hier zu einem Erfolg zu kommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Straßmeir.
Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung den Dissens in der Standortfrage Berlin zwischen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin, der sich auf die Zusagen zweier Bundeskanzler beruft?
Die Bundesregierung und der Senat von Berlin sind durchaus in der Lage, jeweils eigene Standpunkte und Meinungen zu dieser Frage in die Diskussion einzubringen: die Bundesregierung so, wie ich es heute hier getan habe - in dem Sinne, daß die Sitzfrage noch nicht zur Entscheidung ansteht -; der Senat von Berlin - da gibt es keine Möglichkeit und auch keinen Wunsch, irgend etwas zu verhindern oder zu beeinflussen - kann natürlich anderer Auffassung sein und die Sitzfrage schon jetzt zur Sprache bringen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß auf Grund des Sitzes der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, daß auf Grund der Aufgabe Berlins als Kulturzentrum, daß auf Grund der weiteren Verstärkung von Bindungen zwischen dem Bund und Berlin Berlin der einzig denkbare Standort einer Nationalstiftung sein kann?
Ich kann Ihnen bestätigen, Herr Kollege Kunz, daß Berlin von Anfang an im Gespräch gewesen ist, seit über die Nationalstiftung gesprochen wird. Ich kann Ihnen auch bestätigen, daß die Bundesregierung bei einer Entscheidung, die hier zu treffen sein wird, voll im Rahmen ihrer Verantwortung für Berlin handeln wird.
Aber ich meine, es ginge wirklich zu weit, zu sagen, - ich bin auch nicht bereit, Ihnen das zu bestätigen -, daß Berlin der einzig denkbare Standort für diese Stiftung ist. Dafür sind zu viele andere Überlegungen in die bisherige Diskussion mit eingeflossen, die andere Möglichkeiten zumindest erwägenswert erscheinen lassen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, gilt heute noch, was der damalige Bundeskanzler Brandt in seiner Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 über diesen Gegenstand ausgesagt hat?
Das gilt heute noch; denn diese Erwähnung in der Regierungserklärung war ja der Ausgangspunkt aller Bemühungen um die Stiftung, die seither stattgefunden haben.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen und alle erforderlichen Vorbereitungen unverzüglich treffen, daß die Deutsche Nationalstiftung ihren Sitz in Berlin haben wird?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Die Bundesregierung wird entsprechend den mit den Alliierten getroffenen Absprachen erst nach Durchführung der Konsultationen mit den Alliierten endgültig über die Sitzfrage entscheiden und sich dazu äußern. Die Bundesregierung wird auch bei dieser Entscheidung voll im Rahmen ihrer Verantwortung für Berlin handeln.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, können Sie uns erklären, wie es kommt, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Schütz, vor dem Berliner Abgeordnetenhaus behauptet, der Bundeskanzler habe ihm zugesagt - definitiv zugesagt -, der Sitz dieser Stiftung werde in Berlin sein. Hat der Bundeskanzler dies zugesagt, ja oder nein? Das ist die Frage.
Die Bundesregierung hat sich durch ihren Sprecher zu dieser Frage schon eindeutig geäußert, und zwar in dem Sinne, daß hier ein Mißverständnis aufgekommen sein muß, daß jedenfalls eine definitive Zusage allenfalls infolge eines Mißverständnisses vom Regierenden Bürgermeister als solche verstanden worden sein kann.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Wie erklären Sie sich ein derartiges Mißverständnis?
Da ich bei diesem Gespräch nicht anwesend war, kann ich Ihnen das hier nicht erklären. Aber die Erfahrung zeigt: Mißverständnisse dieser Art, besonders wenn eine Seite einen bestimmten Wunsch mit einem solchen Gespräch verfolgt, liegen im Bereich des Möglichen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der frühere Innenminister Genscher, also der jetzige Außenminister, bereits 1974 der Meinung war, daß Berlin der einzig mögliche Standort sein könnte?
Das kann ich Ihnen auf eine Frage in dieser Form hier nicht bestätigen, Herr Kollege Kunz.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hösl.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die sehr zweifelhafte Behandlung der Standortfestlegung und die Aussprache darüber der politischen Situation von Berlin nicht dienlich sind?
Herr Kollege Hösl, ich bin der Meinung, daß eine übereilte Entscheidung auf Grund noch nicht völlig ausgereifter Vorstellungen der Situation und Stärkung Berlins nicht dienlich wäre. Ich bin der Auffassung, daß alles, was dazu führt, eine solche Entscheidung sorgfältig vorzubereiten und dann verantwortlich zu treffen, letztlich auch den Interessen Berlins dient.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund der Antwort der Bundesregierung betreffend „Deutsche Nationalstiftung", Drucksache 7/3704, vom 28. Mai 1975 möchte ich Sie fragen: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Berlin zuallererst geeignet ist, die Bedingungen einer gesamtstaatlichen Repräsentation zu erfüllen, wie sie in der „Konzeption zur Errichtung einer Deutschen Nationalstiftung" vom 11. April 1974 gefordert wird?
Die Bundesregierung hat mehrfach die Auffassung deutlich gemacht, daß Berlin geeignet ist, eine solche Aufgabe zu übernehmen, wie Sie sie jetzt bezeichnen. Das kann allerdings nicht in dem Sinne verstanden werden, wie es soeben in der Frage des Kollegen Kunz anklang, daß Berlin als einziger Standort in Betracht zu ziehen sei.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Trifft es zu, daß bei einem Seminar der Internationalen Studiengesellschaft für Politik in Interlaken mit dem angeblichen Thema Betriebsschutz und Abwehr von Betriebsspionage Ende März 1976 in Schaffhausen Angehörige der Bundeswehr und des Bundeskriminalamts mit dem Einverständnis ihrer Vorgesetzten referiert haben?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Sperling, wahrscheinlich meinen Sie ein Seminar für Betriebsschutz, das von der Vereinigung für Sicherheit in der Wirtschaft, Mainz, Ende März 1976 in Schaffhausen durchgeführt worden ist. Bei diesem Seminar hat ein Beamter des Bundeskriminalamtes auf Einladung des Veranstalters mit Einwilligung seiner Vorgesetzten referiert. Die Teilnahme von Beamten an Seminarveranstaltungen von Verbänden ist nicht unüblich. Sofern nicht besondere Bedenken entgegenstehen, wird die Einwilligung der Dienstvorgesetzten im allgemeinen gegeben. An dem Seminar in Schaffhausen haben weiterhin drei Dozenten der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der Schule für psychologische Verteidigung der Bundeswehr teilgenommen. Sie waren von
der mit dem Veranstalter offenbar zusammenarbeitenden Internationalen Studiengesellschaft für Politik, Interlaken, eingeladen worden und hatten ebenfalls die Zustimmung ihrer Dienstvorgesetzten erhalten.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, dieser Veranstalter in Mainz war mir bisher nicht bekannt. Aber ist denn der Bundesregierung bekannt, daß diese Internationale Studiengesellschaft in Interlaken ein Zweigverein eines weitverzweigten Netzes von Quasi-Tarnorganisationen und Tarnorganisationen ist, so daß niemand so recht weiß, von wem eingeladen und für wen gesprochen wird?
Ich habe gleich bei der Antwort auf Ihre Frage 8 noch Gelegenheit, zu diesem Problem Stellung zu nehmen, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, ist denn der Bundesregierung bekannt, daß die Person hinter diesen vielen verzweigten Vereinen, ein Herr Karl Friedrich Grau, mit seiner Zitierweise immer andere Personen in Anspruch nimmt - sowohl auf Referentenlisten wie mit Zitaten wie mit der Behauptung, daß sie irgendwo anwesend gewesen seien - und diese Personen sich dann eilends davon distanzieren, etwas gesagt zu haben, referiert zu haben oder anwesend gewesen zu sein, und ist es von daher nicht eigentlich verwunderlich, wenn die Bundesregierung ihre Mitarbeiter ermutigt, bei so komischen Tagungen anwesend zu sein?
Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär: Ich habe eingangs klargestellt, Herr Kollege, daß nicht die von Ihnen genannte Vereinigung der Veranstalter dieses Seminars war. Im übrigen ist der Bundesregierung bekannt, daß in einem Presseartikel die von Ihnen geschilderten Vorgänge berichtet wurden. Eigene Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber nicht vor.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Ziele die Interlakener Internationale Studiengesellschaft für Politik verfolgt und welche politischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland von der Gesellschaft ausgehen oder unterstützt werden?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Auch hier, Herr Kollege, muß ich sagen: Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse über Ziele und politische Aktivitäten der Studiengesellschaft für Politik in Interlaken.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, wäre es denn da nicht Zeit, daß die Bundesregierung sich Erkenntnisse verschafft, nachdem der Herr Grau Kontakte zur NPD aufgenommen hatte und diese alle gerichtsnotorisch geworden sind durch ein Verfahren, das in Frankfurt stattgefunden hat, und nachdem im übrigen durch einen Nachrichtendienst, der von dieser Organisation herausgegeben wird, behauptet wird, daß der BND zu diesem „InternDienst" durchlässig sei und man dort vertrauliche Informationen aus dem BND bekommen könne? Wäre das denn nicht ein Grund für die Bundesregierung, sich darum zu kümmern, was für ein merkwürdiger Betrieb das ist?
Wenn Sie der Bundesregierung Hinweise dieser Art geben, die eine Nachforschung erfolgreich erscheinen lassen, wird die Bundesregierung nicht säumen, sich sofort darum zu kümmern. Im übrigen aber sind die von Ihnen dargestellten Vorgänge nicht geeignet, zu einer besonderen Aktivität der Bundesregierung Veranlassung zu geben, daß sie sich regierungsoffiziell Erkenntnisse verschafft. Sie können davon ausgehen, daß die Mitglieder der Bundesregierung mit großem Interesse Berichterstattungen der von Ihnen zitierten Art verfolgen. Eine andere Frage ist es, ob die Regierung als solche sich mit diesen Vorgängen befaßt.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, verfügt denn die Bundesregierung nicht über einige Ermittlungsmöglichkeiten, um herauszukriegen, was es mit der Tätigkeit von Herrn Grau auf sich hat, wenn er Mitarbeiter der „Deutschen National-Zeitung" ist und mit der NPD verhandelt? Ich meine, es wäre Aufgabe derjenigen, die von der Bundesregierung zur Beobachtung und Ermittlung eingesetzt werden könnten, die Bundesregierung etwas kenntnisreicher zu machen.
Herr Kollege Sperling, Sie wissen, daß die Ermittlungstätigkeiten, soweit sie im Auftrage der Bundesregierung erfolgen, mit großem Argwohn betrachtet werden, und zwar mit der Tendenz, diese zurückhaltend zu gestalten. Das, was Sie schildern, gibt mir noch nicht Veranlassung, hier eine Aufgabe für Ermittlungsbehörden zu sehen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon keine eigenen Erkenntnisse über die hier zur Rede stehenden Vorgänge haben, können Sie mir dann sagen, inwieweit und wodurch sich der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Herr Gehlen, während seiner Diensttätigkeit dafür qualifiziert hat, auf dieser Veranstaltung einen Vortrag über die Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft zu halten?
Ohne daß ich Sie, Herr Kollege Hansen, jetzt an meinen Kollegen aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verweise, werden Sie mir die Einlassung abnehmen, daß bei der Fragestellung des Kollegen Sperling diese Sonderqualifikation des früheren BND-Präsidenten Gehlen beim besten Willen nicht als Gegenstand der heutigen Fragestunde in Betracht gezogen werden mußte.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Haenschke auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Hösl auf:
Trifft es zu, daß ein Streifenboot der DDR-Streitkräfte am 10. April 1976 ein auf der Elbe fahrendes Sportboot zum Anlegen am östlichen Ufer gezwungen hat und das Boot wie Insasse mit einem Militärfahrzeug abtransportiert wurden, und wird die Bundesregierung - bejahendenfalls - diesen neuerlichen Vorfall zum Anlaß nehmen, das rechtswidrige Auftreten Ost-Berlins auf dem in ganzer Breite zum freien Teil Deutschlands gehörenden Elbabschnitt, notfalls mit Hilfe des britischen Verbündeten, ein für allemal zu unterbinden?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hösl, es trifft zu, daß am 10. April 1976 ein auf der Elbe fahrender Schlauchbootfahrer aus Hamburg, nachdem er etwa vier Kilometer östlich von Lauenburg für kurze Zeit das DDR-Ufer der Elbe betreten hatte, von einem Streifenboot der DDR-Grenztruppen gezwungen wurde, am DDR-Ufer anzulegen. Von dort wurde er in das Hinterland abgeführt. Am 12. April 1976 ist er wieder abgeschoben worden. Das Boot, das die DDR-Grenztruppen gleichfalls abtransportiert hatten, befindet sich mittlerweile wieder im Besitz des Eigentümers; er mußte eine Geldbuße von 50 DM zahlen.
Die Bundesregierung hat die Angelegenheit gegenüber der DDR durch die Ständige Vertretung in Berlin ({0}) zur Sprache bringen lassen. Die DDR wurde hierbei darauf hingewiesen, daß das Verhalten des Streifenbootes der bisherigen Praxis auf der Elbe widerspricht und geeignet erscheint, die Lage dort zu verschärfen.
Ein Auftreten von östlichen Hoheitsorganen auf der Elbe ist nicht erst in jüngster Zeit zu beobachten, sondern bereits seit Beginn der 50er Jahre. Die DDR ist schon seit dieser Zeit auf der Elbe mit Streifenbooten hoheitlich tätig. Die Bundesregierung hat wiederholt deutlich gemacht, daß es ihr in den mit der DDR geführten Verhandlungen und Gesprächen vor allem darum geht, die im Grenzbereich bestehenden praktischen Probleme zu regeln und damit Vorfälle der soeben angesprochenen Art für die Zukunft auszuschließen. In ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit solcher Regelungen sieht sich die Bundesregierung durch das Vorkommnis vom 10. April 1976 bestätigt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hösl.
Herr Staatssekretär, hatte jener Schlauchbootfahrer denn nicht vorher Warnungen der Grenzorgane der Bundesrepublik - ich spreche von den Zollorganen auf der Elbe - erhalten?
Mir ist nichts davon bekannt, Herr Kollege Hösl, daß dieser Schlauchbootfahrer zu den Zollbeamten, die dort tätig sind, einen Kontakt hatte, bei dem überhaupt erst ein solches Gespräch hätte stattfinden können.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hösl.
Ergeben Ihre Ermittlungen, daß der Schlauchbootfahrer von den Grenzorganen der DDR auf dem Wasser oder am Ufer, also bereits auf dem Boden der DDR, festgenommen wurde?
Nach den Feststellungen der Bundesregierung ist es so gewesen, daß er das DDR-Ufer bereits wieder verlassen hatte, dann auf dem Wasser erneut zum DDR-Ufer abgedrängt worden ist und dort festgenommen wurde.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Trifft es zu, daß auf dem in der Zeit vom 22. bis zum 25. März 1976 unter der Leitung von Herrn Prof. Lange von der Akademie für öffentliche Verwaltung des Bundesinnenministeriums in Bad Neuenahr durchgeführten Seminar für Führungskräfte der obersten Bundesbehörden über Rhetorik als Führungsmittel eine Wahlkampfrede Adolf Hitlers aus dem Jahr 1932 und Goebbels Sportpalastrede den Teilnehmern als positive Rhetorikbeispiele vorgestellt wurden, während Reden von Paul Löbe und Heinrich Brüning als Beispiele für schlechte Rhetorik gewählt wurden, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung dies?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Walkhoff, bei den in dem Seminar eingesetzten zwei Filmen mit Redeausschnitten handelt es sich um Lehr- und Quellenmaterial, das im Rahmen der von den Kultusministern der Länder genehmigten jährlichen Produktionspläne des Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht in Grünwald bei München hergestellt und für den Einsatz in Schule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung freigegeben worden ist. Dieses Material gehörte zu den von Professor Dr. Gerhard Lange, Universität Köln, bereitgestellten Seminarunterlagen. Die Vorführung nahm in dem viertägigen Rhetorikseminar etwa 15 Minuten in Anspruch. Sie wurde mit dem vorherigen Einverständnis der Teilnehmer durchgeführt. Anschließend erfolgte eine kritische Analyse aller Reden hinsichtlich der unterschiedlichen Anwendung rhetorischer Mittel durch die Redner. Dabei sind keine positiven oder negativen Wertungen vorgenommen worden, aus denen politische Rückschlüsse irgendwelcher Art hätten gezogen werden können.
Im übrigen veranstaltet die Bundesakademie bei insgesamt 200 Seminaren jährlich nach einer Bedarfsfeststellung bei den obersten Bundesbehörden elf Seminare im Bereich Rhetorik und Verhandlungsführung mit dem Ziel, die Teilnehmer zu befähigen, bei Besprechungen und Verhandlungen sachlich und methodisch effizienter mitzuarbeiten. Neben theoretischen Grundinformationen und praktischen Übungen werden hierbei gelegentlich Filmausschnitte von politischen Reden als Beispiele unterschiedlicher rhetorischer Ausdrucksformen eingespielt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Herr Staatssekretär, welche Recherchen haben Sie konkret durchgeführt, um zu Ihrem Ergebnis zu kommen, das die Dinge wesentlich harmloser erscheinen läßt, als ich sie auf Grund der mir vorliegenden und, wie ich meine, zuverlässigen Informationen einschätzen muß?
Noch heute morgen, Herr Kollege Walkhoff, habe ich zur Vorbereitung dieser Fragestunde selber mit dem zuständigen Referenten in der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung telefoniert und mir von ihm bestätigen lassen, daß er an den Veranstaltungen speziell dieses Rhetorikseminars selbst teilgenommen hat. Von daher ist auch ein Augenzeugenbericht über den Ablauf des Seminars eingeholt worden, abgesehen davon, daß die organisatorische Vorbereitung und sonstige Dinge, die ich Ihnen eben berichtet habe, natürlich aktenkundig sind.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß Inhalt und rhetorische Form oft eine Einheit bilden und beispielsweise die Sportpalastrede von Goebbels auch rhetorisch starke Merkmale der Volksverhetzung zeigt, so daß es in einem demokratischen Staat eigentlich nicht zu verantworten ist, derartige Reden offiziell als positive Beispiele für Rhetorik herauszustellen?
Was den ersten Teil Ihrer Frage anlangt, Herr Kollege Walkhoff, so teile nicht nur ich Ihre Auffassung, sondern es hat sich auch in diesem Seminar gezeigt, daß die Seminarteilnehmer zu dieser Bewertung gekommen sind.
Im übrigen meine ich, daß man solche Redebeispiele von einem Rhetorikunterricht nicht schlechthin ausschließen sollte, geben sie doch ein gutes Beispiel für eine besonders negative Art der demagogischen Rhetorik.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß, auch wenn Lehrmaterial - das hier inkriminiert wurde - zugelassen ist, es doch sehr darauf ankommt, in welcher Weise es benützt wird, und daß entsprechende Kommentare die Absicht der politischen Bildung z. B. ins Gegenteil verkehren können?
Unabhängig von diesem Einzelfall, Herr Kollege Hansen, kann ich Ihnen durchaus zustimmen. Das gilt allgemein, was Sie sagen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Trifft es zu, daß Herr Prof. Lange, der Professor Rubins Methoden als Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Radikalen bezeichnete, von der Bundesregierung dazu ausgewählt wurde, höhere Bundesbeamte mit rhetorischen Mitteln zur Bekämpfung von Radikalen vertraut zu machen, und wenn ja, betrachtet die Bundesregierung dies als einen Beitrag zur Lösung des Problems der Radikalen im öffentlichen Dienst?
Herr Kollege Walkhoff, es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung Herrn Professor Lange ausgewählt hat, um Bundesbeamte mit rhetorischen Mitteln zur Bekämpfung von Radikalen vertraut zu machen. Im übrigen hat sich Professor Lange in den Veranstaltungen der Bundesakademie nicht zu Professor Rubins Methoden geäußert.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob Herr Professor Lange in diesen Lehrgängen gesagt hat, daß die Sicherheitsorgane der Bundesrepublik zu lasch seien, während in Amerika die Polizei kurzerhand mit gezogener Pistole auf dem Campus stünde?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Walkhoff.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß in Zukunft sichergestellt ist, daß bei der Weiterbildung von Beamten die Normen des demokratischen Rechtsstaates zugrunde gelegt werden?
Die Bundesregierung trägt seit jeher dafür Sorge, daß die von Ihnen angesprochenen Belange gewahrt werden. Wenn sich aus dieser Fragestunde und vielleicht aus ergänzenden Informationen, die Sie mir geben können, Veranlassung zu der Annahme ergibt, daß dieses Bemühen nicht ganz so erfolgreich ist, wie wir es wünschen, werden wir natürlich den Einzelheiten nachgehen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage 13 des Herrn Abgeordneten Niegel wird auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 16 des Herrn Abgeordneten Höcherl. - Der Kollege ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, und die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 65 des Herrn Abgeordneten Gansel auf :
Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefährdung der Umwelt bei der zufälligen Beschädigung eines atomgetriebenen Herzschrittmachers, und hält sie die gegenwärtigen Kontrollmaßnahmen für ausreichend?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Dr. Schmude.
Herr Kollege Gansel, die Verwendung von Herzschrittmachern mit Radionuklidbatterien bedarf der Genehmigung nach § 3 der Strahlenschutzverordnung. Der Bundesminister des Innern hat dafür 1973 die „Empfehlungen zum Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren für den Umgang mit Radionuklidquellen in Herzschrittmachern" aufgestellt. Danach bedürfen diese Herzschrittmacher einer Bauartzulassung und der Begutachtung durch Bundesanstalten - Bundesanstalt für Materialprüfung, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Bundesgesundheitsamt - zur Qualitätsüberwachung sowie der Begutachtung von Gesundheitsrisiken des Herzschrittmacherträgers und seiner Angehörigen und der Überprüfung jedes einzelnen Herzschrittmachers.
Die Prüfungsvorschriften sind außerordentlich streng und berücksichtigen selbst extreme Einwirkungen auf die Radionuklidbatterie. Dadurch ist sichergestellt, daß keine radioaktiven Stoffe aus der Radionuklidbatterie austreten können, selbst wenn es zu einer Beschädigung des Herzschrittmachers kommen sollte. Außerdem ist der implantierende Arzt verpflichtet, jeden einzelnen Herzschrittmacher nach Explantation sicherzustellen und zurückzuführen. Eine Gefährdung der Umwelt wird durch die beschriebenen Maßnahmen weitestgehend ausgeschlossen.
Im übrigen geht die Zahl der in Herzschrittmachern zur Verwendung kommenden Radionuklidbatterien zurück, da die sonst üblichen chemischen Batterien in ihrer Betriebsdauer laufend verbessert werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, können Sie das bestätigen, was der Bonner Herzchirurg Funke gesagt hat, daß nämlich bei extremer Einwirkung -wie etwa bei einem Zugunglück - der Schrittmacher getroffen, der Isotop beschädigt werden und dadurch eine Umweltverseuchung großen Ausmaßes entstehen kann?
Herr Kollege Gansel, das kann ich nicht bestätigen. Ich konnte Ihnen eben schon berichten, daß die Prüfungsvorschriften so streng sind, daß selbst extreme Einwirkungen auf die Radionuklidbatterie ohne diese schädigenden Folgen bleiben müssen. Das geht so weit, daß man in Versuchen auf diese Batterie geschossen hat und daß man auch getestet hat, ob sie etwa die Temperaturen bei einer Einäscherung überstehen würde. In beiden Fällen hat sich gezeigt, daß die Batterie unversehrt geblieben ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Herr Staatssekretär, können Sie in Anbetracht des Umstandes, daß im Umgang mit radioaktiven Materialien auch andere Vorkommnisse, die als absolut ausgeschlossen dargestellt worden waren, gezeigt haben, welche Unwägbarkeiten es gibt, bestätigen, daß es sinnvoll ist, daß dann, wenn andere Herzschrittmacher medizinisch dasselbe Ergebnis haben können, darauf hingearbeitet wird, daß keine weiteren atomgetriebenen Herzschrittmacher implantiert werden?
Ich konnte Ihnen eben schon sagen, daß die Zahl der zur Verwendung kommenden Radionuklidbatterien in Herzschrittmachern zurückgeht, und zwar wegen der enormen Verbesserung der chemischen Batterien. Ich füge hinzu: Die Bundesregierung sieht diese Entwicklung mit einer gewissen Erleichterung, denn sie hat sich, wie ich ebenfalls in der Eingangsantwort sagen konnte, sehr große Mühe damit gemacht, im einzelnen festzulegen, was alles zu beachten ist, um Gefährdungen auszuschließen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Welchen Anteil an den im ersten Quartal 1976 auf die Länder verteilten Aussiedlern aus den Oder-Neiße-Gebieten und Polen machen jene Aussiedler insgesamt aus, die als Frührentner, Rentner und von ihnen abhängige Familienangehörige in die Bundesrepublik Deutschland kamen?
Herr Kollege Czaja, von den im ersten Quartal 1976 auf die Länder verteilten 4 814 Aussiedlern aus dem polnischen Bereich waren 177 Frührentner und 381 Altersrentner. Das entspricht bei den Frührentnern einem Anteil von 3,7 % der verteilten Aussiedler, bei den Altersrentnern einem Anteil von 7,9%, also insgesamt 11,6%. Weitere 567 Personen waren Familienangehörige dieser Rentner. Davon waren 311 Angehörige von Frührentnern und 256 von Altersrentnern.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, könnten Sie den Anteil angeben, nach dem gefragt ist, den Frührentnern, Rentnern und von ihnen unterhaltenen Personen, an der Gesamtzahl ausmachen?
Herr Kollege Czaja, das kann ich Ihnen nicht als Prozentanteil angeben. Sie werden aber beim Nachlesen dieser Anwort im Protokoll feststellen, daß ich Ihnen genaue Zahlen mitgeteilt habe, die zum Teil in Prozentanteile umgesetzt sind, so daß es eine sehr leichte Aufgabe sein dürfte, nunmehr auch den gesamten Prozentanteil zu ermitteln.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, trifft es also zu, daß über 26 % der legalen deutschen Aussiedler aus den Oder-Neiße-Gebieten - das sind nämlich die auf die Länder verteilten -- entweder selbst Rentner sind oder von Rentnern unterhalten werden?
Es kann sein, daß dieser Prozentsatz herauskommt. Ich habe das jetzt im Kopf nicht überschlägig gerechnet. Ich möchte aber darauf verweisen, daß dies keine Besonderheit ist, sondern in etwa dem Anteil der Rentner an der Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik entspricht.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage des Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf den Prozentsatz in der Bundesrepublik abgehoben, wo er ja durchaus nicht normal ist, sondern Überalterung anzeigt. Entspricht dieser Prozentsatz aber auch dem des Zuganges an Rentnern, Frührentnern und von ihnen Abhängigen aus den Oder-Neiße-Gebieten während der zwei Jahre davor?
Die Zahlen der früheren Jahre, Herr Kollege von Fircks, habe ich jetzt nicht hier. Ich kann Ihnen das aus dem Stand nicht sagen. Gefragt war auch nur nach den Zahlen des ersten Quartals 1976.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen für die Beantwortung der Fragen danken.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Wir kommen als erstes zur Frage 17 des Abgeordneten Hansen:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um Leistungsverweigerungen von Versicherungen auf Grund geringfügiger sogenannter Obliegenheitsverletzungen und oft ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der Versicherten zu verhindern?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With.
Es trifft zu, daß die Verletzung gesetzlicher und vertraglicher Obliegenheiten durch den Versicherten zur vollen Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann, wenn den Versicherten ein Verschulden trifft und nicht einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände vorliegt. Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip" der geltenden gesetzlichen Regelung, die jeweils durch Allgemeine Versicherungsbedingungen vertraglich ergänzt wird, führt gelegentlich zu unbilligen Ergebnissen. Ins- gesamt gesehen ist allerdings der Prozentsatz der
Parl. Staatsekretär Dr. de With
Schadensfälle, in denen der Versicherer die Dekkung verweigert, sehr klein.
Die Rechtsprechung hat bereits im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen die rechtliche Stellung des Versicherten bei Obliegenheitsverletzungen durch eine Reihe von Entscheidungen erheblich verbessert. Die Versicherungsunternehmen selbst haben kürzlich in Fortführung dieser Linie durch eine Änderung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für diesen wichtigen Bereich eine etwaige Leistungsfreiheit auf den Höchstbetrag von 1 000 DM, bei Vorsatz auf 5 000 DM, begrenzt.
Weiterhin wird zur Zeit bei der EG-Kommission eine Richtlinie zur Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts in der EG vorbereitet, nach der an die Stelle des „Alles-oder-Nichts-Prinzips" ein flexibleres System der Behandlung von Obliegenheitsverletzungen, das gegebenenfalls nur eine prozentuale Kürzung der Leistungen vorsieht, treten soll. Die Bundesregierung hält vor der Fertigstellung dieser EG-Richtlinie, mit der in den nächsten drei Jahren gerechnet wird, eine Änderung der deutschen gesetzlichen Vorschriften für unzweckmäßig.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie zunächst einmal fragen, ob Sie beide Fragen beantwortet haben oder bisher nur meine Frage 17?
Die zweite Frage beantworte ich getrennt.
Dann möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung einen Überblick über die Zahl der unbilligen Leistungsverweigerungen in den vergangenen Jahren hat, da Sie davon sprachen, daß die Zahl sehr gering sei.
Das von mir geäußerte Ergebnis beruht auf einem Überblick anhand von Rückfragen - wiewohl man nie genau sagen kann, wie groß er ist. Das läßt sich prozentual sehr schlecht erfassen. Außerdem hat die Bundesregierung keine Möglichkeit, selber Untersuchungen anzustellen.
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Einblick, ob bestimmte Versicherungsgesellschaften an dieser Zahl oder gar an eklatanten Fällen besonders beteiligt sind?
Ich kann Ihnen darüber keine klare Auskunft geben, weil ich diese
Frage nicht vorhergesehen habe. Ich bin aber gern bereit, Ihnen insoweit eine Auskunft zu geben: Mir persönlich sind derartige krasse Unterschiede nicht geläufig.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Weber ({0}).
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung über das Bundesversicherungsaufsichtsamt bemühen, in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Klauseln aufnehmen zu lassen, daß Obliegenheitsverletzungen nur dann zur Leistungsbefreiung der Versicherungsgesellschaften führen, wenn diese Obliegenheitsverletzungen kausal für die Schadensabwicklung sind?
Das ist zum Teil schon in der von mir soeben erwähnten neuen Bestimmung für das Kraftfahrzeugwesen. Ich gehe davon aus, daß das auch in andere Bereiche Eingang finden wird. Aber zunächst muß geprüft werden, wo es wirklich pressante Fälle dieser Art gibt. Das Hauptgewicht liegt ja - was sicher jeder Anwalt bestätigen kann - im Kraftfahrzeugwesen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Hansen auf und bitte um Beantwortung:
Hält die Bundesregierung auf Grund der Tatsachen, daß das Versicherungsrecht weitgehend gesetzlicher Grundlagen entbehrt und damit zur exklusiven Domäne einiger oft interessengebundener spezialisierter Versicherungsanwälte geworden ist, dieses für grundsätzlich reformbedürftig, und wenn ja, wird sie eine entsprechende Initiative ergreifen?
Das geltende System des deutschen Versicherungsvertragsrechts, nur die grundsätzlichen Fragen für alle Versicherungszweige einheitlich im Gesetz zu regeln und die Einzelregelungen für die verschiedenen Versicherungszweige den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu überlassen, hält die Bundesregierung für grundsätzlich zweckmäßig und nicht reformbedürftig. Die berechtigten Interessen der Versicherten und Geschädigten können auch bei diesem System voll berücksichtigt werden. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterliegen mit dem ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag, die Belange der Versicherten zu wahren, der Prüfung und der Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen; sie unterliegen darüber hinaus der richterlichen Inhaltskontrolle. Der den gesetzgebenden Körperschaften bereits zugeleitete Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird zusätzlich zur Verbesserung der Stellung der Versicherten beitragen. Eine Initiative zur grundsätzlichen Änderung des deutschen Versicherungsvertragsrechts erscheint daher der Bundesregierung nicht erforderlich.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, halten Sie in den von mir angezogenen Fällen der Leistungsverweigerung die Kompetenzen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen für ausreichend, um hier für den notwendigen Ausgleich zu sorgen?
Ich bin nicht ganz sicher, auf welche Fälle Sie Bezug nehmen. Erst wenn ich das weiß, kann ich die Frage konkret beantworten.
Es sind die Fälle, die in meiner ersten Frage generell angesprochen waren.
In Ihrer ersten Frage wird nur allgemein auf geringfügige sogenannte Obliegenheitsverletzungen hingewiesen. Ich habe darauf, Herr Kollege Hansen, bereits ausführlich - wie ich meine - geantwortet.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Brandt ({0}) auf:
Welchen Stand haben die Vorbereitungen für ein Jugendstrafvollzugsgesetz, und wann ist mit einer Vorlage der Bundesregierung zu rechnen?
Zur Beantwortung, bitte, der Herr Staatssekretär.
Eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzugs soll nach der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 5. Juni 1975 durch eine Kommission vorbereitet werden. Dem wird die Bundesregierung Rechnung tragen. Ein Regierungsentwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes oder einer Rechtsverordnung über den Jugendstrafvollzug kann danach erst dann vorgelegt werden, wenn der Stand der Kommissionsarbeiten dies gestattet. Die Bundesregierung jedenfalls wird bemüht sein, dann so rasch wie möglich ihren Entwurf vorzulegen.
Inzwischen sind bereits die Landesjustizverwaltungen sowie Fachverbände aus dem vollzugs- und jugendpolitischen Bereich gebeten worden, neben den schon bisher benannten Persönlichkeiten weitere Fachleute für die Kommission zu benennen. Der Bundesminister der Justiz hat auch die Präsidentin des Deutschen Bundestages gebeten, Fraktionsvertreter zu benennen, die an den Kommissionsarbeiten teilnehmen können. Die Mitglieder der Kommission werden in diesem Sommer berufen werden, damit die Kommission entsprechend der Entschließung des Deutschen Bundestages noch in dieser Legislaturperiode ihre Arbeit aufnehmen kann.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Brandt ({0}).
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, verfolgt die Bundesregierung dabei das Ziel, es nach diesen Vorbereitungen in der 8. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags zu einer Gesetzgebung kommen zu lassen?
Sie verfolgt dieses Ziel, aber ich betone noch einmal: Zunächst einmal muß der Kommissionsbericht abgewartet werden. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung alles tun wird, um auch in diesem Bereich alsbald zu einer Reform zu kommen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfragen. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 21 des Abgeordneten Dr. Hauser ({0}) auf:
Entspricht es den Tatsachen, daß Hauptzollämter bei Hinterlegung von Bundesschatzbriefen als Sicherheitsleistung bei Zahlungsaufschub für die Branntweinsteuer nur 80% des Nennwerts als Sicherheit anerkennen, und hält die Bundesregierung eine derartige Übung für angemessen, nachdem der besondere Vorteil der Bundesschatzbriefe gerade darin liegt, daß keine Kursverluste eintreten?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser.
Haehser, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, Bundesschatzbriefe sind den Bundeszollbehörden bisher ganz selten als Sicherheit für Abgabeforderungen angeboten worden. Es erschien deshalb vertretbar, Bundesschatzbriefe in eine generelle Bestimmung einzubeziehen, nach der alle nicht notierten verzinslichen Schatzanweisungen des Bundes zu 80 % des Nennwerts als Sicherheit anzunehmen sind. Diese pauschalierende Regelung ist aus Vereinfachungsgründen getroffen worden, um die Verwaltungsarbeit nicht durch Sonderbestimmungen für einzelne Wertpapiere zu erschweren.
Ich werde aber Ihre Frage, Herr Kollege, zum Anlaß nehmen, festzustellen, ob Bundesschatzbriefe neuerdings als Sicherungsmittel an Bedeutung gewonnen haben. Wenn sich dies bestätigt, werden die Bestimmungen über die Sicherheitsleistungen geändert werden, damit den Vorzügen des Bundesschatzbriefs - vor allem der Möglichkeit der Rückgabe bereits nach einem Jahr zum vollen Nennwert - auch auf dem Gebiet der Sicherheitsleistung Rechnung getragen wird.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hauser.
Herr Staatssekretär, muß eine derartige Handhabung, wie sie in der Frage angesprochen ist, nicht den merkwürdigen Eindruck erwecken, daß hier der Fiskus sich selbst mißtraut, wenn er zwar festverzinsliche Schatzbriefe ausgibt, die ihren vollen Nennwert behalten, nie Kursverluste erleiden, ja sogar als mündelsichere Anlage garantiert sind, auf der anderen Seite aber plötzlich dieselben Schatzbriefe nur noch mit einem Abschlag von 20 % des Nennwerts anDr. Hauser ({0})
erkennen will, wenn es darum geht, sie wieder als Sicherheit anzunehmen?
All diese Besorgnisse vermag ich nicht zu teilen, Herr Kollege. Ich sagte Ihnen ja eingangs, daß Bundesschatzbriefe den Zollbehörden bisher ganz selten, ich will einmal sagen: vereinzelt als Sicherheit für Abgabeforderungen angeboten worden sind. Ich sagte Ihnen auch: sollte sich das ändern - ich werde das nachprüfen lassen -, werden wir aus 80 % einen anderen Prozentsatz machen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans, die Fragen 22 und 23, auf. Sie sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Weber ({1}) auf.
Hält die Bundesregierung die steuerlich absetzbare Kilometerpauschale von 0,18 DM/km angesichts der Kostensteigerung im Automobilbereich noch für ausreichend, und wenn nein, ist die Bundesregierung bereit, entsprechend den gestiegenen Kosten Änderungen hinsichtlich der Höhe der Kilometerpauschale vorzunehmen?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren wiederholt zu der Forderung nach einer allgemeinen Anhebung des Kilometer-Pauschbetrags von 0,36 DM je Entfernungskilometer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geäußert. Sie hat dabei dargelegt, daß die verkehrspolitischen und haushaltsmäßigen Gründe, die für die Ermäßigung des Kilometer-Pauschbetrages auf Grund des Steueränderungsgesetzes 1966 maßgebend waren, unverändert fortbestehen und daß Kostensteigerungen im Automobilbereich nicht zwangsläufig dazu führen, daß der Pauschbetrag angepaßt werden müßte.
Die Verkehrssituation vor allem in den Ballungszentren ist nach wie vor kritisch. Es müssen deshalb auch im steuerlichen Bereich solche Maßnahmen vermieden werden, die diese Situation verschärfen könnten.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Wie hoch würden Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Steuermindereinnahmen schätzen, wenn eine den Preissteigerungen angepaßte Erhöhung der Kilometerpauschale vorgenommen würde?
Herr Kollege, ich habe einmal ausrechnen lassen, wie hoch die Mindereinanhmen oder die Ausfälle wären, wenn man von 36 Pf beispielsweise auf 50 Pf ginge. Dann würde immerhin die stattliche Summe von rund 1,2 Milliarden DM als Mindereinnahme auftreten.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Hält es die Bundesregierung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, mit dem Gleichheitsgrundsatz für vereinbar, daß bei Betriebsausgaben von Unternehmen oder freiberuflich Tätigen zwischenzeitlich eingetretene Kostenerhöhungen weitestgehend steuermindernd berücksichtigt werden können, bei Arbeitnehmern dagegen nicht?
Herr Kollege, ich darf in diesem Zusammenhang an die Steuerreform erinnern. Hier sind Wohltaten erfolgt - so darf man sie wohl nennen -, und zwar nicht zuletzt im Interesse der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmerfreibetrag ist verdoppelt worden, und es ist eine ziemlich große Ausdehnung der Proportionalzone zum Schutz von kleinen und mittleren Einkommen vorgenommen worden. Hier sind die Möglichkeiten des Staates, Ungerechtigkeiten, wenn man sie so nennen will, zu korrigieren. Sie haben, wie ich weiß, daran mitgewirkt, daß das geschehen ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß eine Heraufsetzung der Kilometerpauschale zumindest in peripheren, strukturschwachen Gebieten angezeigt wäre, weil dort weitaus höhere Benzinpreise als in anderen Bereichen zu bezahlen sind und auch für den täglichen Verkehr im Vergleich zu anderen Gebieten mehr Kilometer zurückgelegt werden müssen?
Ich stimme Ihnen zu, daß eine Unzahl von Wohltaten denkbar wäre. Aber ich muß dieser Zustimmung hinzufügen, daß die größte Wohltat, die wir allen Mitbürgern erweisen können, die ist, daß wir für unseren Staatshaushalt sorgen und nicht zulassen, daß ein Einnahmeausfall von 1,2 Milliarden DM eintritt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, da ja dieser Verwaltungsmehraufwand, von dem Sie soeben sprachen, nur unter der Annahme erfolgen dürfte, daß man auf 50 Pfennige geht, möchte ich die Frage stellen: Hält die Bundesregierung nicht die Gefahr für gegeben, daß die Verwaltungskosten bei der Steuerverwaltung merklich ansteigen, wenn der Arbeitnehmer bei gestiegenen tatsächlichen Kosten immer mehr dazu übergehen - das Recht haben sie ja nach der Lohnsteuerdurchführungsverordnung -, anstatt der. Pauschale ihre Kosten im einzelnen aufzustellen, zu berechnen und mit ihrem Lohnsteuerjahresausgleichsantrag dem Finanzamt vorzulegen?
Ich kann Ihnen diese Zusatzfrage deswegen nicht beantworten, weil sie
von einer Auskunft ausgeht, die ich gar nicht gegeben habe. Ich habe gar nicht von Verwaltungskosten, sondern von Steuerausfällen in Höhe von 1,2 Milliarden DM gesprochen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, fühlt sich die Bundesregierung nicht mehr an die Zusage des damaligen Bundesministers Wehner gebunden, der gerade den Arbeitnehmern im strukturschwachen Zonenrandgebiet versprach, eine höhere Kilometerpauschale durchzusetzen?
Herr Kollege, für die Arbeitnehmer gerade im Zonenrandgebiet ist nicht zuletzt zu der Amtszeit von Herrn Wehner als Gesamtdeutscher Minister soviel an Wohltaten erfolgt, daß damit den Arbeitnehmern mehr gedient ist als durch eine Veränderung der Pauschale.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, ohne daß ich auf Ihre wiederholte Aussage, daß es sich hier bei der Kilometerpauschale um Wohltaten handelte, eingehen will, möchte ich Sie fragen, ob nicht angesichts der Tatsache, daß sich die Bundesbahn immer mehr aus der Fläche zurückzieht, eine Verpflichtung gegenüber den Bürgern, insbesondere aber auch gegenüber den Arbeitnehmern in schwach strukturierten Gebieten besteht, daß das, was 1972, bereits versprochen wurde, nämlich die Anhebung der Kilometerpauschale auf 50 Pfennige, nun einer näheren Untersuchung unterzogen wird?
Untersuchen kann man alles. Aber wenn man etwas zu untersuchen zusagt, muß man darauf hinweisen dürfen, daß die Herabsetzung der Kilometerpauschale seinerzeit unter der Kanzlerschaft eines Ihrer Parteikollegen erfolgt ist.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf:
Welches waren die Gründe dafür, daß entgegen einer mir erteilten Antwort des Bundesfinanzministeriums vom 11. März 1976 auf meine Schriftliche Anfrage vom 3. März 1976 bezüglich der sogenannten Butterfahrten im Ems-Dollart-Gebiet die zum 1. April 1976 angekündigten Änderungen der allgemeinen Zollordnung nicht in Kraft gesetzt worden sind?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich habe soeben deswegen so knapp geantwortet, Herr Nordlohne, damit Sie diese Frage noch beantwortet bekommen. Die beiden Fragen von Ihnen hängen sehr eng miteinander zusammen. Ich wäre deshalb dankbar, wenn ich sie zusammen beantworten dürfte.
Vizepräsident von Hassel: Es bestehen keine Bedenken. Dann wird auch die Frage 26 aufgerufen:
Welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung nunmehr in dieser Angelegenheit, und wann ist mit einer Lösung der sich aus diesen Einkaufsfahrten ergebenden Probleme zu rechnen?
In meiner schriftlichen Antwort vom 11. März 1976 hatte ich Ihnen mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, die in Rede stehende Änderung der allgemeinen Zollordnung möglichst bald in Kraft zu setzen. Als denkbaren Termin hatte ich Ihnen den 1. April 1976 genannt.
Bei der weiteren Behandlung der Angelegenheit und nicht zuletzt der Veröffentlichung dieses Termins sind Einwendungen gegen die beabsichtigte Rechtsänderung geltend gemacht worden. Es wurde darauf hingewiesen, daß die negativen Auswirkungen einer Einschränkung der sogenannten Butterfahrten stärker sein könnten, als ursprünglich angenommen worden war. Vor allem wurde auf die Nachteile für die deutsche Grenzbevölkerung insbesondere mit niedrigem Einkommen, für das deutsche Gaststättengewerbe im Grenzgebiet und für die deutschen Schiffahrtsunternehmen und deren Beschäftigungssituation aufmerksam gemacht.
Die Bundesregierung war verpflichtet, den Einwendungen nachzugehen. Das ist inzwischen durch Gespräche mit allen Beteiligten, die mit mir geführt worden sind, mit folgendem Ergebnis geschehen:
Die Änderung der Allgemeinen Zollordnung wird nunmehr am 11. Juli 1976 in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt an werden Butterfahrten im EmsDollart-Gebiet mit der Möglichkeit des zoll- und steuerfreien Einkaufs nicht mehr zulässig sein.
Unberührt von der neuen Regelung bleiben folgende Möglichkeiten.
Erstens. Bei Stichfahrten mit mindestens achtstündigem Aufenthalt außerhalb des Zollgebiets - also auch in der Emsmündung - mit Berührung der Hohen See wird die sogenannte große Drittlandsfreimenge gewährt, d. h. 200 Zigaretten, 1 1 Spirituosen, 2 kg Butter. Ein holländischer Hafen darf dabei nicht angelaufen werden. Diese Regelung entspricht den Möglichkeiten an der übrigen Nord- und Ostseeküste.
Zweitens. Bei Stichfahrten mit Aufenthalt von weniger als acht Stunden außerhalb des Zollgebiets oder ohne Berührung der Hohen See gibt es die sogenannte kleine Freimenge, d. h. 40 Zigaretten, 2 kg Butter, aber keine Spirituosen. Ein holländischer Hafen darf auch hierbei nicht angelaufen werden.
Drittens. Bei Fahrten von Emden nach niederländischen Häfen ist der Einkauf von Waren zulässig, die sich im freien Verkehr der Europäischen Gemein- schaft befinden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nordlohne.
Herr Staatssekretär, ich habe nur eine Zusatzfrage: Waren im Entwurf des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes bzw. im Entwurf der 26. Verordnung zur ÄndeNordlohne
rung der Allgemeinen Zollordnung, um die es hier ja geht, Vorschriften enthalten, nach denen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, nämlich ab 1. April 1976, die sogenannten Butterfahrten im Ems-DollartBereich unterbunden worden wären?
Selbstverständlich war das Datum genannt, Herr Kollege. Nur habe ich selber auf dem Standpunkt gestanden - und dabei wurde ich von Herrn Minister Dr. Apel voll unterstützt -, daß wir nicht im Staate Kaiser Wilhelms leben, wo man etwas verordnet, sondern in einem Staate, in dem man, wenn massive Proteste kommen, möglichst Gespräche mit den Beteiligten führt. Genau dieses habe ich getan: mit dem Einzelhandel, dem Großhandel, den Schiffsreedern und Ausrüstern - mit dem Ergebnis, das ich Ihnen vorgetragen habe.
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs und zugleich am Ende der uns für die heutige Fragestunde zur Verfügung stehenden 90 Minuten. Ich beende die heutige Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 6. Mai, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.