Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, am 25. März 1976 hat der Herr Abgeordnete Dr. Gradl seinen 72. Geburtstag gefeiert. Er ist zwar nicht im Raum, aber wir alle gratulieren ihm nachträglich dennoch sehr herzlich.
({0})
Der Bericht der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung vom 26. bis 30. Januar 1976 in Straßburg - Drucksache 7/4835 - soll gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 30. März 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rawe, Dr. Jobst, Reddemann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Lemmrich, Dr. Schulte ({1}), Dreyer, Straßmeir, Vehar, Milz, Dr. Stark ({2}) und Genossen betr. Folgerungen aus dem Schriftlichen Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des 6. Deutschen Bundestages ({3}) - Drucksache 7/4852 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4946 verteilt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({4}) zu dem Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend ({5})
- Drucksache 7/4906 - Berichterstatter: Senator Willms
Der Herr Berichterstatter, Senator Willms, hat das Wort.
Senator Willms ({6}) : Meine sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für den Vermittlungsausschuß erstatte ich Ihnen zum Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend folgenden Bericht.
In seiner Sitzung vom 18. März 1976 hat sich der Vermittlungsausschuß mit den drei Anrufungsbegehren befaßt, die der Bundesrat in seiner 431. Sitzung am 20. Februar 1976 formuliert und zur Einleitung des Vermittlungsverfahrens genutzt hat.
Mit dem ersten Anrufungsbegehren zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes sollte erreicht werden, daß Jugendliche an Berufsschultagen mit mindestens sechs Stunden Unterricht anschließend vom Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt werden dürfen, nicht aber, wie im Gesetzesbeschluß des Bundestages vorgesehen, bereits nach fünfstündigem Berufsschulunterricht. Der Vermittlungsausschuß konnte sich dieses Anliegen nicht zu eigen machen.
Anders dagegen war es bei dem zweiten Anrufungsbegehren zu § 14 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes. Mit diesem wurde vom Bundesrat angestrebt, daß Jugendliche, soweit sie in der Landwirtschaft beschäftigt werden und vom Arbeitgeber in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen worden sind, außer zum Melken ab 5 Uhr nicht erst ab 7 Uhr, sondern bereits ab 6 Uhr zu allen übrigen Tätigkeiten herangezogen werden dürfen. Diesem Vorschlag hat der Vermittlungsausschuß zugestimmt, weil er den tatsächlichen Gegebenheiten in der Landwirtschaft Rechnung trägt.
Mit dem dritten Anrufungsbegehren zu § 17 Abs. 2 Nr. 4 und § 18 Abs. 2 sollte erreicht werden, daß die Beschäftigung Jugendlicher im Gaststättengewerbe an zwei Sonntagen im Monat zulässig bleibt. Der Vermittlungsausschuß hat sich dem Anrufungsbegehren in dieser Form nicht angeschlossen. Er legt vielmehr einen Kompromißvorschlag vor, der den Interessen der Beteiligten eher gerecht wird, und zwar sowohl den betroffenen Gewerbeunternehmen als auch den dort beschäftigten Jugendlichen. Nach diesem Kompromiß ist die Beschäftigung von Jugendlichen an zwei Sonntagen im Monat nur in den Betrieben des Gaststättengewerbes zulässig, in denen a) die Schichtzeit der Jugendlichen anstatt 11 Stunden nur maximal 10 Stunden in derselben Woche beträgt und b) der Betrieb der zuständigen Aufsichtsbehörde vorher angezeigt hat, in welchen Wochen er Jugendliche auf diese Weise beschäftigen will. Mit dieser Kombination von verkürzter Schichtzeitlänge und Sonntagsarbeit im Wege des Wahlrechts können die Gaststätten mit stärkerem Werktagsgeschäft ebenso wie die haupt16226
Senator Willms ({7})
sächlich an Wochenenden besuchten Ausflugslokale auch in Zukunft ihren Geschäftsbetrieb ohne völligen Verzicht auf die Mitarbeit ihrer jugendlichen Arbeitnehmer an Sonntagen sicherstellen. Andererseits ist damit dem Schutz jugendlicher Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes angemessen Rechnung getragen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt schließlich zur Vermeidung einer offensichtlichen Unstimmigkeit im Gesetzestext vor, an § 15 folgenden Satz 2 anzufügen: „§ 5 Abs. 3 gilt entsprechend." Mit dieser notwendigen Anfügung sind die Bestimmungen über die Beschäftigungsverbote in der vom Gesetz gewollten Weise schlüssig geregelt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweise ich auf die Drucksache 7/4906.
Ich bitte Sie, den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses zu folgen.
({8})
Ich danke Herrn Senator Willms.
Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4906 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist gegen drei Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ({1})
- Drucksache 7/4907 Berichterstatter: Abgeordneter Vogel ({2})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Vogel ({3}).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner 431. Sitzung am 20. Februar 1976 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 30. Januar 1976 verabschiedeten Gesetz aus mehreren Gründen den Vermittlungsausschuß anzurufen.
In zwei Punkten ist der Vermittlungsausschuß dem Anrufungsbegehren des Bundesrats gefolgt.
In § 1 wird in einem neuen Absatz 4 die Gewährung der Versorgung an Ausländer von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht. Damit ist dem Begehren des Bundesrates sachlich entsprochen.
§ 2 wird entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates gestrichen. Damit wird die Erstreckung der Entschädigungspflicht auf Sachschäden beseitigt.
In einem Punkt hat der Vermittlungsausschuß das Anrufungsbegehren des Bundesrates abgelehnt: Er konnte sich nicht für die Ergänzung der in § 3 aufgeführten Versagungsgründe durch eine Mitverschuldensklausel aussprechen.
In einem weiteren Punkt ist der Vermittlungsausschuß schließlich dem Anrufungsbegehren des Bundesrates teilweise gefolgt. Der Bundesrat hatte eine Änderung des § 5 Abs. 1 dahin gehend beschlossen, daß die Kostenlast in vollem Umfang den Bund treffen soll. Dem ist der Vermittlungsausschuß insoweit gefolgt, als er in § 5 in einem neuen Absatz 2 vorsieht, daß der Bund 40 v. H. der Ausgaben trägt, die den Ländern durch Geldleistungen nach diesem Gesetz entstehen. Dementsprechend sollen die Länder die auf Geldleistungen entfallenden Beträge, die sie auf Grund der auf sie gemäß § 81 a des Bundesversorgungsgesetzes übergegangenen Ansprüche eingezogen haben, zu 40 v. H. an den Bund abführen.
Ich darf Sie namens des Vermittlungsausschusses bitten, dem Antrag zuzustimmen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Auch hier hat der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4907 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zum Verwaltungsverfahrensgesetz ({1})
- Drucksache 7/4908 -Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer ({2})
Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens des Vermittlungsausschusses darf ich folgendes vortragen.
Der Bundesrat hat in seiner 431. Sitzung am 20. Februar 1976 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 15. Januar 1976 verabschiedeten Verwaltungsverfahrensgesetz zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Der Vermittlungsausschuß hat sich in zwei Sitzungen, und zwar am 11. und am 18. März 1976, mit dem Anrufungsbegehren befaßt. Die Empfehlung des Vermittlungsausschusses liegt Ihnen auf Drucksache 7/4908 vor.
Ich darf zum entscheidenden politischen Punkt folgendes vortragen. Der Bundesrat beantragte, § 1 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 1 Abs. 2 zu streichen. In diesen Vorschriften steht, daß das VerwaltungsverfahrensDr. Schäfer ({0})
Besetz für die Behörden „der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts" gilt, „wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes" ausführen. Das Gesetz gilt nach Abs. 2 auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der angeführten Behörden, wenn - ich zitiere wieder die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.
Bei den Erörterungen im Vermittlungsausschuß bestand Übereinstimmung dahin gehend, daß die Einheit des Verwaltungsverfahrensrechts auch für die Zukunft erhalten bleiben sollte. Es gibt nämlich keine Stelle im Bundesgebiet, die das Verfahrensrecht für die Bundesbehörden und für die Landes- und Kommunalbehörden einheitlich regeln kann. Man kann einmal den Weg beschreiten - wie es das Gesetz getan hat -, indem man anordnet, daß Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden das Bundesverfahrensrecht anzuwenden haben, wenn sie Bundesrecht anwenden, und dabei davon ausgehen, daß die gleichen Behörden bei der Anwendung von Landesrecht dann wohl genauso verfahren werden. Solange keine Verwaltungsverfahrensordnung des Landes vorliegt, werden die Behörden dies auch sicherlich so tun.
Der Bundesrat hat in seinem Anrufungsbegehren wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die Länder eigene Verfahrensgesetze erlassen wollen, wobei sie sich nach dem Bundesgesetz ausrichten werden, und eine möglichst weitgehende Angleichung an das Bundesgesetz erreichen wollen. Es ist in dem Anrufungsbegehren auch die Formulierung gebraucht, daß Bleichlautende Landesverwaltungsverfahrensgesetze erlassen werden sollen. Dies würde in der Entwicklung bedeuten, daß die Länder in absehbarer Zeit ihre Bleichlautenden Gesetze erlassen und dadurch eine Rechtseinheit sichern.
Im Vermittlungsausschuß fand sich keine Mehrheit dafür, den Weg, den der Bundesrat mit seinem Anrufungsbegehren vorgeschlagen hatte, zu gehen. Nach Erörterung verschiedener weiterer Möglichkeiten beschloß der Vermittlungsausschuß - nicht wörtlich, sondern dem Inhalt nach -, folgende Regelung vorzuschlagen: Es bleibt bei der Formulierung des § 1. Wenn jedoch ein Land für seine Behörden ein Verwaltungsverfahrensgesetz erlassen hat, so soll dieses auch für die Landesbehörden gelten, die Bundesrecht anwenden. Das bedeutet, daß es von der Entscheidung der Länder abhängt, durch ein möglichst Bleichlautendes Gesetz ihr Verfahrensrecht zu regeln und damit für die Landesbehörden, gleichgültig, ob sie Bundesrecht oder Landesrecht anwenden, einheitliche Verfahrensregeln zu schaffen. Demgemäß empfiehlt der Vermittlungsausschuß, in § 1 einen Abs. 3 mit dem Wortlaut einzufügen, der Ihnen in der Drucksache vorgelegt wird.
Der Vermittlungsausschuß befaßte sich im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Verfahrensrechts auch mit der vom Bundestag verabschiedeten Entschließung. Er geht bei der von ihm vorgeschlagenen Regelung davon aus, daß die Bundesregierung die angestrebte Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts binnen acht Jahren insbesondere dadurch nachdrücklich unterstützt, daß Rechtsvorschriften des Bundes, die inhaltsgleiche oder entgegenstehende Regelungen enthalten und die dem § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgehen, möglichst im Wege einer umfassenden Rechtsbereinigung vereinheitlicht werden.
Der Bundesrat hat angeregt, eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt, revisibel zu machen. Das heißt, daß zur Sicherung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Verfahrensordnungen d as Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz angerufen werden kann.
Der Vermittlungsausschuß empfiehlt die Annahme dieser Regelung. Sie ergänzt die Regelung, die nun in § 1 Abs. 3 vorgeschlagen wurde. Der Vermittlungsausschuß hat im übrigen die anderen Anrufungsbegehren, die sich auf unbedeutende Korrekturen und Richtigstellungen beziehen, zur Empfehlung angenommen.
Ich bitte namens des Vermittlungsausschusses, dem Vorschlag auf Drucksache 7/4908, über den einheitlich abgestimmt werden soll, zuzustimmen.
({1})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Vermittlungsausschuß hat nach § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß gemeinsam abgestimmt werden soll. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4908 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Pockenschutzimpfung
- Drucksache 7/4909 - Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dürr.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In dem vom Bundestag am 12. Februar 1976 beschlossenen Gesetzentwurf war vorgesehen, daß die zuständige Behörde, d. h. in der Regel das Gesundheitsamt, die Erfüllung der Impfpflicht auch beim Personal von Krankenhäusern und Laboratorien überwacht.
Der Bundesrat schlägt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vor, daß die Erfüllung der Impfpflicht von den Krankenhäusern und Laboratorien selbst kontrolliert werden soll. Diesem Vorschlag hat sich der Vermittlungsausschuß angeschlossen. Der Antrag, ,der Ihnen auf Drucksache 7/4909 vorliegt, dient diesem Ziel. Er enthält außerdem eine redaktionelle Berichtigung des Gesetzestextes, der dem Bundsrat vorlag.
Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich, dem Vorschlag zuzustimmen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichtertatter.
Der Vermittlungsausschuß hat keinen Vorschlag dazu gemacht, in welchem Modus abgestimmt werden soll. ist das Haus damit einverstanden, daß wir entsprechend § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung über die Empfehlungen des Vermittlungsausschusses gemeinsam abstimmen? - Das ist der Fall. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses im ganzen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung des Altölgesetzes
- Drucksache 7/4910 - Berichterstatter: Abgeordneter Russe
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Müller ({1}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Stellvertreter des Kollegen Russe im Vermittlungsausschuß habe ich heute auch die Aufgabe, ihn in der Berichterstattung zu vertreten.
Die Beseitigung von Altöl, die gesetzlich geordnet ist, verursacht bekanntlich Kosten. Diese werden bisher und seit Jahren mittels einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 7,50 DM je 100 kg bzw. 6,75 Pfennig je Liter Schmierstoff vom Verbraucher getragen.
Seit 1969 ist nun klargeworden, daß diese Ausgleichsabgabe in der Höhe nicht mehr ausreicht. Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause aus diesem Grunde in Drucksache 7/4368 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Altölgesetzes vorgelegt, wonach die Ausgleichsabgabe von 7,50 DM auf 9 DM je 100 kg erhöht werden sollte.
Der Deutsche Bundestag hat diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Altölgesetzes in seiner Sitzung am 13. Februar 1976 in dritter Lesung zugestimmt, und zwar auf Grund des Berichts und des Antrages des Ausschusses für Wirtschaft.
Der Bundesrat hat in seiner 432. Sitzung am 12. März beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 13. Februar verabschiedeten Gesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen. Das Vermittlungsbegehren des Bundesrates ging dahin, das genannte Gesetz nicht rückwirkend ab 1. Januar 1976, sondern erst am 13. Februar 1976, dem Tage der Verabschiedung des Gesetzes in dritter Lesung im Deutschen Bundestag, in Kraft treten zu lassen. Gegen das rückwirkende Inkrafttreten des Gesetzes erhob der Bundesrat verfassungsrechtliche Bedenken; er berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Aber auch aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ließ sich nach Ansicht des Bundesrates für diesen Sachzusammenhang der Verfassungsrechtssatz ableiten, daß belastende Steuergesetze ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürften; für andere Abgabegesetze müsse dies analog gelten.
Demgegenüber hatte die Bundesregierung eingewandt, die betroffenen Kreise der Mineralölwirtschaft seien von der Erhöhung der Ausgleichsabgabe zum 1. Januar 1976 unterrichtet worden.
Der Bundesrat wiederum meinte dazu, daß die rückwirkende Inkraftsetzung des Gesetzes nicht zuletzt auch den Vertrauensschutz beim Verbraucher in Frage stelle, und dieser könne nur verletzt werden, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls das abdeckten. Diese zwingenden Gründe liegen nach Auffassung des Bundesrates auf keinem Fall vor.
Der Vermittlungsausschuß teilte diese Meinung des Bundesrates; er schloß sich deshalb dem Vermittlungsbegehren an. Einstimmig wurde der 13. Februar 1976 als neuer Termin des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes beschlossen.
Ich bitte daher als Berichterstatter das Hohe Haus, dem Beschluß des Vermittlungsausschusses zu folgen und den Termin des Inkrafttretens des Gesetzes zu ändern.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 7/4910 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zollkontingent für feste Brennstoffe 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976 - Drucksache 7/4687 Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({0})
- Drucksache 7/4936 Berichterstatter: Abgeordneter Christ ({1})
Präsident Frau Renger
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur zweiten Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschusses auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reuschenbach.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Im April des vorigen Jahres, in der damaligen Debatte über die erste Fortschreibung des Energieprogramms, hatten wir dargelegt, daß das Energieprogramm kein einmaliger Plan sei, der auf Punkt und Komma und für alle Zeit gelte und ohne neue Prüfung verwirklicht werde. Die Opposition hatte uns damals vorgeworfen, wir beschlössen die erste Fortschreibung, ohne alle Unsicherheiten und Zweifelsfragen, die sich natürlich künftig stellen könnten, schon im vorhinein geklärt zu haben.
Wir haben dieses Energieprogramm immer als einen Handlungsrahmen verstanden. Seine Ziele waren uns Orientierungsdaten für die jeweiligen Maßnahmen. Die Maßnahmen waren und sind jeweils an den aktuellen und vorhersehbaren Entwicklungen zu messen.
Heute wollen wir also einen weiteren Schritt zur Verwirklichung dieses Handlungsprogramms tun. In der ersten Fortschreibung des Energieprogramms stand u. a. - ich zitiere -:
Neben der Eröffnung eines Importkontingents in Höhe von 3 Millionen t für die Verbraucher von Hüttenkoks wird die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften vorschlagen, das am 31. Dezember 1976 auslaufende Kohlezollkontingent bis 1981 zu verlängern.
Das hat die Bundesregierung getan. Heute soll und wird dieses Gesetz beraten und verabschiedet werden. Wir halten es um der Sicherung des Stein-kohleabsatzes willen für nötig, die Einfuhr von festen Brennstoffen auch weiterhin auf etwa 5,5 Millionen Tonnen pro Jahr zu begrenzen. Auf der anderen Seite geht es darum, den Importeuren durch eine rechtzeitige Verlängerung die Chance für längerfristige Importverträge zu geben und dabei günstige Marktchancen nutzen zu können.
Außerdem soll bei dieser Gelegenheit der Verlängerung des entsprechenden Gesetzes die Möglichkeit wahrgenommen werden, vorsorglich eine Regelung für Importkontingente für Kokskohle in Höhe von 3 Millionen Tonnen pro Jahr grundsätzlich zu verankern. Heute ist es so, daß die Eisen- und Stahlindustrie ihre Versorgung voll aus deutscher Produktion bezieht. Diese Lieferbeziehungen werden durch einen exklusiven Bedarfsdeckungsvertrag geregelt. Hierdurch nötige Absatzbeihilfen für Kokskohle sollen verringert werden und deshalb das erwähnte Kokskohlenimportkontingent eröffnet werden, wenn zum einen die gesamtwirtschaftliche Lage das erfordert und zum anderen die bisherigen Bestimmungen der Lieferverträge zwischen Kohle und Stahl, insbesondere der mit der Ruhr bestehende Hüttenvertrag, einvernehmlich der veränderten Lage angepaßt werden.
Dieses Einvernehmen ist bis zur Stunde nicht hergestellt. Deshalb soll die vorgesehene zusätzliche Regelung lediglich eine Ermächtigung für die Bundesregierung beinhalten, von der sie nach Anhörung des Bundesrates und mit Zustimmung des Bundestages dann Gebrauch machen kann.
Unter Nr. 53 der ersten Fortschreibung des Energieprogramms ist auch dargelegt worden, welche Elemente in der neuen noch ausstehenden - aber hoffentlich kommenden - vertraglichen Regelung zwischen Stahl und Kohle enthalten sein müssen:
- Die Stahlindustrie bezieht zukünftig und längerfristig eine bestimmte Grundmenge zu jeweils kostendeckenden Preisen.
- Der Steinkohlenbergbau liefert der deutschen Stahlindustrie die Restmenge zu Preisen, die der Wettbewerbssituation der Stahlindustrie Rechnung tragen. Die Bundesregierung ist bereit, verbleibende Differenzen zum Listenpreis im Rahmen des Kokskohlenbeihilfesystems der Gemeinschaften auszugleichen, soweit ein solcher Ausgleich erforderlich ist.
- Die Ausnutzung des Einfuhrkontingents erfolgt in Konsultation mit dem deutschen Steinkohlenbergbau.
- Ein Nachfragerückgang darf nicht einseitig zu Lasten eines der Beteiligten gehen.
Uns liegt daran, daß diese Maßstäbe auch künftig gelten und bei der notwendigen einvernehmlichen Regelung beachtet und respektiert werden.
Es scheint, daß auch die Stahlindustrie an einer solchen Regelung interessiert ist. Offensichtlich wird der Stahlaufschwung Realität. Der Auftragseingang nimmt weiter zu. Der größte der deutschen Stahlkonzerne hat in seiner Bilanzbesprechung außergewöhnlich günstige Prognosen abgegeben. Die Belebung läßt sich auch an der Entwicklung der Preise erkennen. Die Erlöse für Januar/Februar 1976 waren um 30 bis 40 DM besser als im Januar/Februar 1975. Auch die EG-Kommission rechnet für 1976 mit einer elf- bis zwölfprozentigen Steigerung der Rohstahlproduktion. Damit wäre das Niveau von 1972 erreicht. Daraus ergäbe sich auch eine Steigerung des Koksverbrauches gegenüber 1975 um 6 bis 8 Millionen Tonnen.
Auch auf diesem Gebiet stehen die Zeichen also auf Belebung und Aufschwung. So ist es eigentlich kein Wunder, daß die Wahlstrategen der Union umgeschaltet haben. Nicht mehr die düsteren Zukunftsprognosen beherrschen ihr Vokabular, sondern jetzt möchte sich die Union zur Sicherheitspolizei des Aufschwungs hochstilisieren. Aber jeder darf natürlich klüger und einsichtiger werden. Wir heißen die
Reuschenbach
Opposition im Lager der realistischen Optimisten herzlich willkommen. Vielleicht können Sie auf Dauer da bleiben.
Zurück zum Gesetz: Die Union hat im Wirtschaftsausschuß der Verlängerung der Begrenzung der Einfuhr von Kohle und anderen festen Brennstoffen nicht zugestimmt. Sie hat eine Randfrage zum Hauptpunkt erhoben, um das Ja zu vermeiden. Nach all der Kurventechnik, die die Union im Laufe der letzten Monate auf dem Felde der Energiepolitik an den Tag gelegt hat, ist diese Stimmenthaltung schon fast keine Überraschung mehr. Hier im Plenum wird uns, der Koalition, gesagt, wir täten nicht genug zum Schutze der heimischen Energie und zur Sicherung des Kohleabsatzes, und draußen wird dargelegt, daß wir eigentlich zu viel Geld für Subventionen ausgeben und zu hohe Belastungen für die Verbraucher, z. B. beim Dritten Verstromungsgesetz, beschließen. Aber mit dieser unionsinternen Flügelproblematik muß sie selbst fertig werden. Wenn sie allerdings auch heute, wie im Wirtschaftsausschuß, die Zustimmung im Plenum verweigerte, dann wüßten die Menschen an Rhein und Ruhr, was sie von der Union zu halten haben.
({0})
Wir haben uns ebenfalls vorgenommen, diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen und Maßnahme um Maßnahme durchzusetzen, um die Ziele des Energieprogramms so weit wir nur irgend möglich zu erreichen. Dazu gehört ein möglichst hoher Sicherheitssockel an heimischer Steinkohle. Nahtlos fügt sich dieses Gesetz in diese Kette der Bemühungen ein. Dem Aufbau der nationalen Kohlenreserve und der Änderung des Dritten Verstromungsgesetzes folgt heute ein weiterer Schritt.
Ich bitte namens meiner Fraktion um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Köhler ({0}).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ein so in der Wolle durchgefärbter Freihändler wie ich muß schon ein hohes Maß an Selbstdisziplin aufbringen, um das Einverständnis seiner Fraktion zu einem Gesetzesvorhaben zu erklären und zu begründen, das nun seit 1959 mit durchaus wechselnden Begründungen allen Liberalisierungsbestrebungen widerstanden und den Bundestag regelmäßig mit großen überparteilichen Mehrheiten passiert hat. Einmal stand die Arbeitsplatzsicherung im Vordergrund, ein anderes Mal waren es Rationalisierungsmaßnahmen. Nun ist es die Sicherung der einheimischen Energiequellen. Dabei hat - ich habe es noch einmal nachgelesen - mein Kollege Burgbacher bei der ersten Einbringung des Gesetzes die damals in ihm enthaltenen Maßnahmen als lediglich vorübergehend angekündigt und auf eine einheitliche europäische Lösung verwiesen. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, von dieser einheitlichen europäischen Lösung sind wir noch weit entfernt.
Weit und breit ist nichts davon zu sehen. Ähnliche Schutzgesetze gibt es in den anderen kohlefördernden Ländern der Gemeinschaft nicht. Und was das Wort „vorübergehend" bedeutet, wissen wir nun, 16 Jahre später, besser, nachdem die Verlängerungszeiträume immer größer geworden sind.
Aber auch die Beobachtung der aktuellen internationalen Szene erleichtert mein Vorhaben nicht. Durch die ganze Welt gehen Bestrebungen, die in Entwicklungsländern wie in hochindustrialisierten Ländern - wenn auch aus ganz unterschiedlichen Motiven - auf Maßnahmen hinauslaufen, den freien Welthandel einzuschränken und in das Korsett staatlicher Reglementierungen zu zwängen. Dabei weiß heute jedermann in unserem Lande, was wir eben diesem freien Welthandel und der liberalen Handelspolitik deutscher Regierungen, gleich welcher Zusammensetzung, zu verdanken haben.
Wir haben innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gerade einen Versuch erlebt und dank der gemeinsamen Bemühungen von Regierung, Industrie und Gewerkschaft und unterstützt von allen in diesem Hohen Haus vertretenen Parteien abgewehrt, staatliche Mindestpreise für Stahlerzeugnisse einzuführen und die Einfuhren aus Drittländern zu reglementieren. Der jüngste Angriff auf den freien Handelsaustausch stammt von dem amerikanischen Präsidenten, der unter dem Druck des Kongresses von staatlichen Importquoten für Edelstahlerzeugnisse in den kommenden 90 Tagen nur dann absehen will, wenn die exportierenden Länder bereit sind, ihre Exporte staatlich zu beschränken. Ich fürchte - sicher nicht ich allein -, daß sich solche Versuche wiederholen werden. In aller Regel werden sie mit dem Schutzbedürfnis der betroffenen Industrie begründet und selbstverständlich als nur vorübergehend verkauft werden. Da wir künftig immer größere Mühe darauf werden verwenden müssen, solche Versuche abzuwehren, wird es auf diesem Gebiet noch mehr als bisher auf unsere eigene Glaubwürdigkeit ankommen.
Ich möchte vermuten, daß auch aus diesem Grunde das heute zur Entscheidung anstehende Gesetzesvorhaben gewissermaßen in allerletzter Minute einen Hauch von Liberalisierung zu verspüren bekommen hat. Einmal sieht das Gesetz eine begrenzte Öffnung für Newcomer vor. Zum anderen macht es - übrigens zum erstenmal - einen wichtigen Unterschied zwischen der Kohle als Energieträger und der Kohle als Rohstoff und eröffnet unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigungsweise künftig einen Einstieg für die deutsche Stahlindustrie, sich auch aus ausländischen Quellen mit dem Rohstoff Kokskohle zu versorgen.
Dieser Hauch von Liberalisierung ermöglicht es mir nun auch, im Namen meiner Fraktion zu diesem Gesetz ja zu sagen und, anstatt das freihändlerisch Wünschenswerte zu bekommen, sich im Interesse der deutschen Kohle in das gegenwärtig offenbar Unvermeidliche zu schicken.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es mag auf den ersten Blick vielleicht wenig liberal erscheinen, ein Kohlezollkontingentgesetz gutzuheißen, das nicht nahtlos in das Bild eines freien Welthandels zu passen scheint. Dennoch votiert die FDP für dieses Gesetz und hätte es gern schon ein wenig eher gesehen, weil es doch wesentliche liberale Ansätze und Aspekte enthält, die - das muß man allerdings deutlich hinzufügen - mit zentralen Zielsetzungen der Energiepolitik in Einklang gebracht werden mußten. Auf dem Erfahrungshintergrund insbesondere des Olboykotts Ende 1973, aber nicht nur auf diesem Erfahrungshintergrund müssen wir feststellen, daß es zu riskant wäre, die Energieversorgung der Bundesrepublik heute ausschließlich den Grundsätzen eines freien Welthandels anzuvertrauen. Bei diesem Gesetz handelt es sich im Kern um eine energiepolitische Maßnahme, die einen Beitrag für preiswerte und auch sichere Energie dadurch leisten will, daß auch weiterhin die zollfreie Einfuhr eines Kohlekontingents von 5,5 Millionen Jahrestonnen für die Zeit von 1977 bis 1981 fortgeschrieben wird. Damit ist noch rechtzeitig für Importeure und Verbraucher ein sicherer Dispositionsrahmen gegeben, den wir begrüßen.
Dieses Gesetz steht nach unserer Auffassung nicht, wie man vielleicht vordergründig annehmen könnte, im Gegensatz zu den Interessen des Ruhrgebietes, der Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland und wird in diesen Bundesländern offensichtlich und erfreulicherweise auch nicht so gesehen.
Dieses Gesetz geht in seiner Grundstruktur auf das Jahr 1959 zurück und wollte einen flankierenden Anpassungsschutz für unseren einzigen und wesentlichen Energieträger, der Kohle, geben. Dieser Schutz ist, so meinen wir, auch noch bis zum heutigen Tage erforderlich. Alle Begründungen zu dieser Gesetzesmaterie betonen seit 1959, daß dieser Schutz „noch" erforderlich sei. Wir sind allerdings nach wie vor der optimistischen Hoffnung, daß sich dieses Erfordernis allmählich abbauen wird und die deutsche Kohle gegenüber anderen Kohlewettbewerbern einen fairen Wettbewerb selbst durchstehen kann.
Dieses Gesetz - darum füge ich noch gerne einige Sätze zur weiteren Erklärung hinzu - bewegt sich außerdem auf dem soliden Boden bewährter Handelsbeziehungen im norddeutschen Raum. Ich möchte hervorheben, daß die Importkohlenkontingente so gut wie ausschließlich zur Stromerzeugung in Norddeutschland eingesetzt werden. Da die Importkohle je nach Marktsituation unterschiedlich, aber im wesentlichen doch fühlbar billiger als die heimische Kohle zu beziehen ist, bedeutet dies eine nicht zu unterschätzende Hilfe für die Stromerzeugung in norddeutschen Kohlekraftwerken.
Nicht zuletzt möchte ich hervorheben, daß neben dem Import von bislang überwiegend US-Kohle in der jüngsten Vergangenheit insbesondere der Bezug von Kohle aus Polen eine erfreulich steigende Tendenz angenommen hat und uns hoffen läßt, daß dies
auch die Möglichkeit zu besseren Gegengeschäften mit unseren polnischen Nachbarn in Zukunft eröffnet, an denen insbesondere auch die norddeutschen Küstenländer ein vielfältiges Interesse haben.
Kurz zusammengefaßt, sehen wir in der Fortschreibung der Importkohlenregelung, die sich hinsichtlich des Volumens an den realistischen Einfuhrmengen des Jahres 1975 orientiert und somit als praxisgerecht zu betrachten ist, sowohl einen Beitrag für preiswerte Energieversorgung als auch ein Stück sicherer Energieversorgung durch eine breite Streuung der Bezugsländer.
Die energiepolitische Bedeutung dieses Gesetzes allgemein und insbesondere auch das Stück wichtiger Regionalpolitik, das es beinhaltet, läßt mich im Namen der FDP-Fraktion diesem Gesetz gerne zustimmen.
({0})
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht weiter begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in der dritten Lesung. Wer dein Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung auf:
8. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes
- Drucksache 7/2018 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4900 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({1})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2})
- Drucksache 7/4899 Berichterstatter: Abgeordneter Wrede ({3})
9. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
- Drucksache 7/2017 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4903 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({5})
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
- Drucksache 7/4902 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jobst ({6})
Präsident Frau Renger
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort?
- Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wiefel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier weder das Wort noch Zensuren zu erteilen, aber lassen Sie mich doch mit einigem Erstaunen vermerken, Herr Kollege Waffenschmidt: Daß diese Debatte angesichts der schwierigen Geschäftslage des Hauses in den vor uns liegenden Wochen noch stattfinden muß, geschieht wohl auf Wunsch der Fraktion der CDU/CSU, die das Bedürfnis verspürt, noch eine Erklärung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf abzugeben, wiewohl im Ältestenrat noch in der letzten Sitzungswoche beschlossen wurde, den Punkt ohne Debatte auf die Tagesordnung zu setzen. Die Koalitionsfraktionen gingen davon aus, daß es überflüssig sei, über Dinge zu debattieren, die der interessierten Öffentlichkeit in ihrem sachlichen Gehalt längst bekannt sind und die im Ausschuß eine Billigung erfahren haben - das wissen alle, die da mitgearbeitet haben -, wie sie einmütiger wohl selten war. Man kann das in den Protokollen der 54. und 55. Sitzung des zuständigen Fachausschusses nachlesen und bestätigt finden.
Doch zur Sache! Mit der Verabschiedung der Gesetzesnovellen zum Personenbeförderungsgesetz sowie zum Allgemeinen Eisenbahngesetz haben wir einen hoffentlich für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiß in der Frage der gesetzlichen Ausgleichsansprüche der Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs bei nicht kostendeckenden Tarifen gefunden.
Bei den Beratungen hatten wir davon auszugehen, daß die Bundesländer zwar grundsätzlich die Zielsetzung der Gesetzentwürfe begrüßen, sich aber nicht in der Lage sahen, bei ihrer derzeitigen Finanzausstattung die für den vorgesehenen Ausgleich erforderlichen Mittel aufzubringen. Sie waren der Auffassung, daß die Gesetzentwürfe der Bundesregierung die Länder zu Ausgleichszahlungen verpflichten und daß dies die Zuweisung einer neuen Aufgabe darstellt. Sie waren daher lediglich zu einem Ausgleich von 50 % der Tariflasten des Ausbildungsverkehrs bereit, machten aber zur Voraussetzung, daß diese sogenannte kleine Lösung beim Finanzausgleich zu berücksichtigen sei.
Bei unseren Beratungen war davon auszugehen, daß die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, einen Ausgleichsanspruch im Ausbildungs- und Berufsverkehr gesetzlich zu verankern, nicht zu verwirklichen war. Wir sind daher der Auffassung gewesen, man sollte entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates die Abgeltungsregelung zunächst auf den Ausbildungsverkehr begrenzen. Wir sind aber im Ausschuß einmütig der Auffassung gewesen, daß wir über die Vorstellungen des Bundesrates noch hinausgehen sollten. Die nunmehr einmütig beschlossenen Gesetzentwürfe sehen vor, daß die Einnahmeausfälle im Ausbildungsverkehr zu 75 v. H. und nicht, wie vorher beabsichtigt, zu
50 v. H. ausgeglichen werden. Wir sehen dies als einen ersten Schritt zur Verbesserung der Lage der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe.
Die Mehrbelastungen der Länder werden sich in engen Grenzen halten, denn bereits heute werden von vielen Bundesländern Ausgleichszahlungen gewährt, jedoch nach unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen bzw. Vorschriften. Ein einheitliches System besteht also nicht. Daher war es notwendig, diese Lücke durch eine bundeseinheitliche Regelung zu schließen und die Ausgleichszahlungen gesetzlich zu verankern.
Künftig werden die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs im Rahmen eines Vergleichs der tatsächlichen Einnahmen mit pauschalierten Kostensätzen den größten Teil ihrer Einnahmeausfälle im Ausbildungsverkehr erstattet bekommen. Sie werden aber weiter daran interessiert sein müssen, möglichst wirtschaftlich zu arbeiten. Uns muß es wie diesen Unternehmungen darum gehen - darüber haben wir sehr eingehend diskutiert -, daß die Verluste so gering wie möglich bleiben. Daher sollten sich die Unternehmen bemühen, die Beförderungsentgelte an die Ertrags- und Kostenlage anzupassen. Die unterschiedliche Kostenlage ist abhängig von dem Raum, in dem die Unternehmen ihre Verkehrsleistungen erbringen. Dieser Tatsache wird die Gesetzesnovelle dadurch Rechnung tragen, daß entsprechend der unterschiedlichen Kostenlage in den verschiedenen Verkehrsregionen - Ballungsgebieten, größeren Städten oder ländlichen Gebieten - bis zu drei Pauschalsätze festgelegt werden können. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah ursprünglich vor, daß das Unternehmen im Linienverkehr insgesamt keinen Überschuß ausweist. Es ist zu begrüßen, daß sich der Verkehrsausschuß darauf einigen konnte, diese Einschränkungen zu streichen, insbesondere wegen dadurch zu befürchtender Benachteiligungen privater Verkehrsunternehmer.
Mit der Verabschiedung der Gesetzesnovelle wird der Bundestag seinen Beitrag zur Verbesserung der Situation der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe leisten. Wir sind der Auffassung, daß die Unternehmen die in diesen Verkehrsbereichen entstehenden Lasten nicht alleine tragen können. Dies wird auch vom. Bundesrat nicht bestritten. Wir erwarten jetzt vom Bundesrat die Zustimmung zu diesen vorliegenden Gesetzentwürfen, da wir der Auffassung sind, daß mit dem im Verkehrsausschuß einstimmig beschlossenen Kompromiß ein akzeptabler Lösungsvorschlag gemacht wurde.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß ich Ihnen mit dieser unnötigen Pflichtübung die Meinung meiner Fraktion noch einmal hinreichend dargelegt habe. Wir werden diesen Gesetzentwürfen zustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waffenschmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber
Kollege Wiefel, Ihre Eingangsbemerkung und das, was dann noch von der „Pflichtübung" kam, waren, ich muß sagen, ein dickes Eigentor. Denn gerade heute ist die, Tagesordnung des Deutschen Bundestages für das Plenum so dünn besetzt, daß wir früher als üblich die Beratungen schließen und zu den Ausschußberatungen übergehen können. Ich meine also, es ist ganz richtig, daß wir diesen wichtigen Vorlagen im Plenum ein paar Minuten widmen.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die heutige Verabschiedung der Novellen zum Personenbeförderungsgesetz und zum Allgemeinen Eisenbahngesetz. Ich meine, es ist richtig, daß wir heute hier herausstellen, daß es immerhin darum geht, 450 bis 500 Millionen DM jährlich zur Förderung, Unterstützung und Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs, und wichtiger Aufgaben in den Städten, Gemeinden und Kreisen im Hinblick auf den Nahverkehr aufzuwenden. Man muß feststellen, vielen Betrieben des öffentlichen Nahverkehrs und auch kommunalen Körperschaften, die sie tragen müssen, steht heute, meine Herren von der Koalition, nachdem Sie sechs Jahre regieren, leider das Wasser bis zum Halse. Hier muß einmal ausgesprochen werden, daß es sich hier wenigstens um eine kleine Hilfe handelt, die unsere Unterstützung findet. Auf dem Wege über diese Gesetzentwürfe geben wir für die Nahverkehrsbetriebe wie auch für die kommunalen Körperschaften, die sie tragen, und damit für die Bürger eine wichtige Hilfe, es ist zugleich aber der Einstieg in eine grundsätzliche Hilfe. Deshalb will die Union hier auch ihr Jawort geben.
Lassen Sie mich noch zwei kurze Bemerkungen machen. Zunächst einmal müssen wir feststellen, daß das Gesetz in der Beratung leider zwei Jahre auf Eis gelegen hat. Das ist nicht von ungefähr gekommen. Bedauerlicherweise war die Beratung von vornherein mit einer Hypothek seitens der Bundesregierung belastet; denn es hatte nicht die notwendige Abstimmung zwischen der Fachplanung, der Sachinitiative, die hier ergriffen worden war, und der Finanzplanung stattgefunden. So mußte in der ersten Beratung des Bundesrates Finanzminister Reitz aus Hessen sagen: „Es ist unerträglich, daß solche Belastungen einseitig und ohne rechtzeitige Koordination mit den Länderfinanzministern den Ländern kurzfristig aufgelastet werden sollen, ohne daß sie in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt werden konnten."
Meine Damen und Herren, wir möchten hier heute gerade aus Anlaß des Einstiegs in diesen wichtigen Gesetzgebungsbereich noch einmal sagen: Leider hat die Bundesregierung dieses Verfahren
- alle Beteiligten haben die negativen Folgen davon in den beiden letzten Jahren zu tragen gehabt
- mit der Hypothek nicht ausreichender Koordination dieser Sachinitiative mit den geldlichen Möglichkeiten belastet. Wir sollten daraus die Lehre ziehen: alles, was wir hier im Bundestag wirklich solide machen wollen, muß in der Sachinitiative auch mit den finanziellen Möglichkeiten koordiniert werden. Sonst sind das alles unsolide Dinge, die
letztlich keinen guten Ausgang nehmen. Wir hoffen, daß das Gesetzgebungsverfahren trotz dieser Hypothek noch zu einem guten Ende kommt.
Lassen Sie mich noch einen Punkt aus der Änderung, die wir im Ausschuß vorgenommen haben, ansprechen. Der Kollege Wiefel hat schon darauf hingewiesen, daß einige wichtige Änderungen gegenüber der Initiative der Bundesregierung vorgenommen worden sind. Für die Union war das Wichtigste, daß wir nunmehr die typischen verkehrsspezifischen Leistungen und verkehrsspezifischen Aufwendungen als Ausgangsbasis nehmen. Es ist uns ein Anliegen, hier noch einmal aus Anlaß dieser Beratung zu sagen: Es war schon etwas abenteuerlich, was uns die Bundesregierung vorgeschlagen hat, nämlich daß ausgerechnet derjenige die dicksten Staatszuschüsse kriegen sollte, der die meisten roten Zahlen produziert. Das war alles andere als ein Anreiz zu wirtschaftlichen Überlegungen in diesem Bereich. Wir sind froh, daß wir im Ausschuß entscheidend die Weichen dafür haben stellen können, daß der Anreiz zu wirtschaftlichen Bemühungen in diesem Bereich erhalten bleibt. Das ist ein so wichtiger und auch so kostenintensiver Bereich, daß wir bei dem, was wir heute hier verabschieden, alle, die in diesem Bereich Verantwortung tragen, zur wirtschaftlichen Handhabung des Nahverkehrs aufrufen müssen. Das Äußerste zu tun, um die Dinge wirtschaftlich abzuwickeln, ist die Rahmenbedingung für die Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Last.
({0})
Wir konnten im Ausschuß die Weichen so stellen, daß deutlich wird: auch für den Bereich des öffentlichen Nahverkehrs, für den Milliarden an finanziellen Mitteln in diesem Jahr und in den kommenden Jahren erforderlich sind, müssen Wirtschaftlichkeit und wirtschaftliches Denken gelten. Den Bereich der Wirtschaftlichkeit dürfen nicht falsche gesellschaftspolitische Überlegungen überlagern und zuschütten.
({1})
Insofern können wir sagen, daß die Ausschußberatung eine wesentliche Verbesserung gebracht hat, die es auch uns ermöglicht, hier unsere Unterstützung zu geben. Ich sage aber noch einmal deutlich: Wäre der Gesetzentwurf so geblieben, daß Staatszuschüsse nur über rote Zahlen gegeben würden, wäre es uns sehr schwer gefallen, diese Unterstützung zu geben.
Zusammengefaßt kann gesagt werden: Wir haben eine Regelung, die den unterschiedlichen Belangen auch hinsichtlich der Siedlungsstruktur in den einzelnen Bundesländern Rechnung trägt. Wir haben die öffentlichen und die privaten Betriebe des Nahverkehrs gleichbehandelt, wir haben den Zwang zur Wirtschaftlichkeit verankert, und wir haben auch einen Berechnungsmodus gefunden, der im Hinblick auf die finanzielle Enge in den öffentlichen Haushalten die sparsamste Lösung für diesen wichtigen Aufgabenbereich ermöglicht. Unsere Hoffnung ist, daß mit dem Einstieg in diese seit langem disku16234
tierte Materie - Abdeckung gemeinwirtschaftlicher Lasten im Nahverkehr - nun eine Regelung geschaffen worden ist, die einmal die Attraktivität des Nahverkehrs erhöht, die weiterhin zu wirtschaftlichen Überlegungen in diesem wichtigen Bereich Anlaß gibt, die die privaten und kommunalen Träger unterstützt und die letztlich auch den Bürgern hilft. In diesem Sinne wird die Fraktion der CDU/ CSU der jetzt erarbeiteten Vorlage ihre Zustimmung geben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort an den Kollegen Wiefel. Herr Kollege Wiefel, wir hatten im Ältestenrat, wie Sie mit Recht sagten, vereinbart, beide Gesetzentwürfe, die jetzt zur Behandlung anstehen, ohne Debatte passieren zu lassen. Aber sehen Sie es der Opposition doch bitte nach! Wir Verkehrspolitiker haben so selten Gelegenheit, am frühen Morgen unter Anteilnahme einer zumindest zum Teil gefüllten Tribüne zu sprechen, daß wir diese Gelegenheit wahrnehmen sollten. In der Regel haben wir ja erst ab 23 Uhr nachts Gelegenheit, hier verkehrspolitische Themen vorzutragen.
Ein Wort an den Herrn Kollegen Waffenschmidt. Herr Kollege Waffenschmidt, auch Sie bleiben nicht ungeschoren.
({0})
Sie sagten vorhin, den ÖPNV-Betrieben stehe das Wasser bis zum Halse, seitdem die sozialliberale Koalition sich im Amte befinde. Herr Kollege Waffenschmidt, Sie irren, Ihre Rückerinnerung ist nicht vollständig. Das Wasser stand denen auch schon vor diesem Zeitpunkt bis zum Halse. Nur hat sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand bemüht, den ÖPNV-Betrieben zu helfen, niemand.
({1})
Ich erinnere daran, daß die Freien Demokraten es waren, die bei der Behandlung des Verkehrsfinanzgesetzes in der ersten Lesung forderten - das ist unstreitig und aus den Dokumenten zu entnehmen -, daß angesichts der damaligen Mineralölsteuererhöhung von 4 Pf die ÖPNV-Betriebe in die Mineralölsteuerrückgewähr einbezogen werden. Seit diesem Tage ist diese wirksame Hilfe den ÖPNV-Betrieben als der erste Schritt zur Sanierung dieser Betriebe gewährt worden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Waffenschmidt?
Herr Kollege Ollesch, sind Sie im Hinblick auf Ihre Bemerkung bezüglich der Defizite bereit, zuzugeben, daß nachweislich seit dem Jahre 1969 die Defizite bei den
Betrieben des öffentlichen Nahverkehrs sich vervielfacht haben, leider auch eine Folge der traurigen inflationären Entwicklung?
Herr Kollege Waffenschmidt, sind Sie denn bereit, zuzugeben, daß auf Grund der zunehmenden Motorisierung, nicht zuletzt auf Grund der guten wirtschaftlichen Leistungen dieser Bundesregierung der Individualverkehr zu Lasten des öffentlichen Personennahverkehrs spürbar anwuchs? Daran gibt es doch gar keinen Zweifel.
({0})
Mit diesem Gesetz soll den ÖPNV-Betrieben eine zweite wirksame Hilfe zuteil werden, eine Hilfe, die die Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen
({1})
- und Rheinland-Pfalz den Betrieben ohnehin schon gewähren. Ziel ist es, diese Leistung zu harmonisieren und die übrigen Länder dazu anzuhalten, ähnliche Leistungen zu gewähren.
Daß dieser Gesetzentwurf lange Zeit nicht behandelt werden konnte, liegt daran, daß die Länder eben nicht bereit waren, die Lasten der Übernahme eines Teils der gemeinwirtschaftlichen Leistungen der ÖPNV-Betriebe zu übernehmen, eine Weigerung, die um so unverständlicher ist, als die von mir gerade aufgezählten Länder von sich selbst aus schon bereit waren und noch sind, die durch die Hilfestellung für diese Betriebe sich ergebenden finanziellen Lasten zu tragen. Wir geben zu, daß die Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern ein wesentliches Hindernis dafür waren, die beiden Gesetzentwürfe, die hier in Rede stehen, vorzuziehen. Ich will auf die Veränderungen nicht im einzelnen eingehen. Herr Kollege Waffenschmidt, dies will ich aber doch noch sagen. Die von Ihnen hier ausgestoßene Drohung, Voraussetzung dafür, daß ein Ausgleich gezahlt werde, sei, daß in den Betrieben insgesamt kein Überschuß ausgewiesen werde, war doch rein hypothetisch. Ich glaube, bei niemandem im Verkehrsausschuß bestand die Absicht, diese Voraussetzung, obwohl sie im Entwurf niedergelegt war, gesetzlich zu verankern.
({2})
- Herr Kollege Waffenschmidt, sicherlich ist die Regierung für den Gesetzentwurf insgesamt verantwortlich; wie einzelne Passagen eines Entwurfes zustande kommen und wie sie aussehen, ist Ihnen aber ebenso bekannt wie mir selbst.
Wir waren uns alle darin einig, daß eine Unterdeckung für den gesamten Betrieb nicht Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung nach diesem Gesetz sein kann. Auch wir begrüßen diese einstimmig getroffene Entscheidung.
Wir haben den Personenkreis, für den dieser Ausgleich gelten soll, gegenüber der Regierungsvorlage verändert. Aus Kostengründen sind wir den Vorstellungen des Bundesrates gefolgt, weil wir der
Auffassung sind, ein erster Schritt - selbst unter Hintanstellung berechtigter Forderungen - sei wichtiger, als sich überhaupt nicht in dieser Richtung zu bewegen. Es wird Sache der Zukunft sein, auch den Berufsverkehr in den notwendigen Ausgleich einzubeziehen, allerdings unter Beachtung der dabei entstehenden Kosten.
Was uns Freie Demokraten etwas betrübt und was uns die Zustimmung zu diesem im Verkehrsausschuß gemeinsam verabschiedeten Gesetzentwurf erschwert, ist das Verfahren des Ausgleichs. Wir haben im Ausschuß die Vertreter von Baden-Württemberg, wo ein anderes Verfahren des Ausgleichs, ein Verfahren mit fünf Kostensätzen, praktiziert wird, und den Vertreter von Nordrhein-Westfalen, wo ein sehr vereinfachtes Verfahren angewendet wird, gehört. Der Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen - dies sei zugegeben - hat uns sicherlich keine wirksame Hilfestellung bei unseren Forderungen und Wünschen geleistet, das Verfahren, das Nordrhein-Westfalen praktiziert, einzuführen.
Wir bedauern, daß es nicht möglich war, das einfachste Verfahren einzuführen, also den Preis-PreisVergleich zur Anwendung zu bringen, wie ihn Nordrhein-Westfalen praktiziert. Aber es ist anscheinend ungeheuer schwierig, einfache Gesetze zu machen. Das beginnt sicherlich schon im Entstehungsgang, wenn die jeweiligen Referenten in den Häusern die Gesetze vorbereiten, setzt sich bei den jeweiligen Regierungen fort und reicht darüber hinaus bis ins Parlament hinein. In dem Bestreben, alles möglichst gerecht zu behandeln, leisten wir uns eine Kompliziertheit unserer Gesetze und eine Schwerfälligkeit der Anwendung, die den gewünschten Effekt gelegentlich sicher in Frage stellen.
Wir werden nicht das schwerfällige baden-württembergische Verfahren anwenden, das bei der Erstattung von Kosten sogar zwischen den Trägern Unterschiede macht. Der kommunale Träger erhält dort in bestimmten Regionen einen höheren Erstattungssatz zugebilligt als der private Träger. Welche Überlegungen dem zugrunde liegen, ist uns Freien Demokraten ziemlich schleierhaft. Aber es ist nun einmal so. Wir haben diese Unterscheidung beseitigt. Wir haben dadurch zu komprimieren versucht, daß wir uns bis zu drei Kostensätze zulassen, je nach Verkehrsregion und Verkehrsart, ob es sich um Schienenfahrzeuge handelt, ob es sich um Ballungsräume handelt oder um den ländlichen Bereich. Diese Spezifizierung der Kosten ist vertretbar, weil die Betriebskosten bei der Schiene und bei den ÖPNV-Betrieben, den Omnibussen, in den Ballungsräumen und in den ländlichen Räumen voneinander abweichen. In den ländlichen Räumen kann man große Kilometerleistungen mit geringerem Aufwand erbringen.
Hier hat der Ausschuß schon eingeengt und für Verwaltungsvereinfachung gesorgt. Uns wäre es sehr lieb gewesen, wir hätten das nordrhein-westfälische Verfahren einführen können, das auch vom Verkehrsgewerbe gewünscht wurde. Das hätte noch den weiteren Vorteil gehabt, daß die Gesamtkosten nicht so hoch ausgefallen wären, wie hier Belastungen für die Länder entstehen. Aber im Interesse der Verabschiedung des Gesetzes haben wir unsere Bedenken zurückgestellt. Wir werden den beiden Gesetzentwürfen in der zweiten und dritten Lesung unsere Zustimmung geben.
({3})
Das Wort wird nicht weiter begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe Art. 1 bis 4 in der Fassung des Ausschußantrags, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Einzelabstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Ich rufe auf Art. 1 bis 3 in der Fassung des Ausschußantrags sowie Einleitung und Überschrift. Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshelfer-Gesetzes
- Drucksache 7/4393
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/4934 - Berichterstatter: Abgeordneter Esters
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({1})
- Drucksache 7/4933 Berichterstatter:
Abgeordneter Stahl ({2})
({3})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort in zweiter Beratung wird nicht begehrt.
Präsident Frau Renger
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Artikeln 1 bis 10 in der Fassung des Ausschußantrags, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Stahl.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zurückblickend auf den Aufruf des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy wurden in zahlreichen westlichen Ländern zu Beginn der 60er Jahre Freiwilligendienste für die Dritte Welt eingerichtet. In diesen Diensten sollten junge Menschen die Möglichkeit erhalten, durch persönlichen Einsatz jungen unabhängigen Staaten in der Dritten Welt bei ihrem Aufbau helfend zur Seite zu stehen.
1969 wurde vom Deutschen Bundestag das Entwicklungshelfergesetz verabschiedet, also sechs Jahre nach Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes. Es schaffte erstmals einen Rahmen für die rechtlichen und sozialen Belange der Helfer im Ausland. Die Aussage des damaligen Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Jürgen Wischnewski, bei der Einbringung des Gesetzes in diesem Hause, daß die Helfer Qualifikationen besitzen müssen, die ihnen einen „wirklichen Beitrag zur Entwicklung des Gastlands ermöglichen", entsprach einer richtigen Einschätzung nach den heutigen Erfahrungen; denn das Ansehen der Freiwilligen-Dienste als Partner in der Dritten Welt hängt vom beruflichen Können, vom beruflichen Niveau der Helfer und von ihrer Anpassungsfähigkeit ab. In den letzten sieben Jahren wurden durch private Träger und den DED zirka 6 000 Helfer in der Dritten Welt eingesetzt.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3. Dezember des letzten Jahres war am 10. Dezember dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit - federführend - überwiesen worden. Heute liegt er - mit einigen Veränderungen - bereits zur abschließenden Beratung vor. Damit wird die gesetzliche Regelung zur Fürsorge für die Entwicklungshelfer dem enger geknüpften Netz der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik angepaßt. Dies ist heute der zweite Schritt, meine Damen und Herren. Daß beide getan worden sind, ist Sozialdemokraten im Parlament und in der Regierung zuzuschreiben.
In seiner Fassung von 1969 bedeutete das Entwicklungshelfergesetz für die Entwicklungshelfer nach sechs Jahren schwieriger Tätigkeiten zum erstenmal einen gesetzlichen Anspruch auf mehr soziale Sicherheit. Mit dem neuen Gesetzentwurf, der heute verabschiedet wird, unterstreichen wir Sozialdemokraten, daß wir die besondere Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der Entwicklungshelfer vorbehaltlos anerkennen. Im Gegensatz zu den gut bezahlten Experten privater Beratungsfirmen, z. B. der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, arbeiten sie für ein geringes Entgelt ohne Erwerbsabsicht. Dies soll auch so bleiben.
Diese Form der Zusammenarbeit mit der Dritten Welt lebt vom Grundsatz der Freiwilligkeit, vom freiwilligen persönlichen Einsatz unter Inkaufnahme materieller Nachteile, vom freiwilligen sozialen Einsatz für die Belange der Menschen in der Dritten Welt. Diese freiwillige Bürde der Helfer sollte nicht so weit gehen, daß ihr mehrjähriger Verzicht auf Verdienst auch noch soziale Nachteile in der Heimat mit sich bringt.
In der Novellierung des Gesetzes hat sich deshalb nicht nur die soziale Entwicklung in der Bundesrepublik der letzten Jahre niedergeschlagen, sondern es sind auch Erfahrungen berücksichtigt worden, die seit Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes im Jahre 1963 in der Dritten Welt gemacht worden sind. Immer mehr Ausländer und Staatenlose sind in deutschen Trägerorganisationen tätig, immer mehr Deutsche in internationalen Organisationen. Das Durchschnittsalter der Entwicklungshelfer ist von 22 auf 26 Jahre angestiegen. Immer mehr Entwicklungshelfer sind verheiratet und haben Kinder. Die Entwicklungshelfer haben längere Ausbildungszeiten hinter sich; Berufserfahrung ist erwünscht und nicht Seltenheit. Aus diesen Fakten haben wir Konsequenzen gezogen. Sie sind Bestandteil der Gesetzesvorlage. Es werden folgende Regelungen getroffen:
Erstens. Deutsche Organisationen, die mehr als 50 O/0 Ausländer und Staatenlose beschäftigen, werden als Träger des Entwicklungsdienstes anerkannt. Die Beschäftigung von Ausländern - möglichst in ihrer Heimat oder in ihrer Region - hat sich als sinnvoll erwiesen. Die zunehmende internationale Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungspolitik macht es erforderlich, daß das Gesetz auch auf deutsche Angehörige internationaler Entwicklungsdienste Anwendung finden muß.
Zweitens. Entwicklungshelfern muß die Gelegenheit zum Abschluß einer längeren Ausbildung oder zum Sammeln von Berufserfahrung gegeben werden. Deshalb werden Wehr- und Zivildienstpflichtige, die sich für den Entwicklungsdienst verpflichten, nicht mehr mit 22, sondern erst mit 30 Jahren eingezogen.
Drittens. Die Träger der Entwicklungsdienste werden verpflichtet, auf privatrechtlicher Basis - wie bei den kirchlichen Diensten schon üblich - auch für Ehegatten und unterhaltsberechtigte Kinder von Entwicklungshelfern eine angemessene Haftpflichtversicherung zu gewährleisten. Weitere Leistungen zur sozialen Sicherung können im Rahmen von Auflagen durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart werden.
Viertens. Entwicklungshelferinnen haben Anspruch auf die vollen Leistungen des Mutterschutzes. Dies gilt auch, wenn während der Schutzfristen der Dienst beendet wird, selbst dann, wenn dies vorzeitig geschieht.
Fünftens. Bei der Rentenversicherung erfolgt eine wesentliche Besserstellung. Die Bemessungsgrundlage, nach der der Bund für die Entwicklungshelfer an die Rentenversicherung Beiträge abführt, wird
Stahl ({0})
von der Hälfte auf zwei Drittel des Höchstbetrages der Bemessungsgrundlage erhöht. Das heißt: es wird ein fiktives Gehalt zugrunde gelegt, das zwei Drittel der Beitragsbemessungsgrenze entspricht.
Sechstens. Ehemalige Entwicklungshelfer können nun statt zwei Jahre drei Jahre nach Beendigung ihrer Tätigkeit in der Dritten Welt Arbeitslosenhilfe beanspruchen. Dies ist wichtig in einer Zeit, in der der rückkehrende Entwicklungshelfer nicht mehr nach Belieben Arbeitsplätze findet und in der die technische und wirtschaftliche Entwicklung schnell vorangeht.
Siebentens. Eine Beihilfe, die dem Entwicklungshelfer bei seiner Rückkehr zur Erleichterung seiner Wiedereingliederung in der Bundesrepublik gezahlt wird, gibt es künftig entgegen der alten Regelung auch bei vorzeitiger Beendigung des Dienstes, denn in der Regel hat der Entwicklungshelfer alle seine Zelte in der Heimat abgebrochen.
Achtens. Wie Wehr- und Zivildienstpflichtige werden Entwicklungshelfer künftig an den Vergünstigungen im Rahmen des 624-DM-Gesetzes teilhaben, wenn sie einen Kapitalansammlungsvertrag gemäß dieser Regelung vor Antritt ihres Dienstes abgeschlossen haben.
Meine Damen und Herren, mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Notwendigkeit einer Verbesserung der sozialen Sicherung der Entwicklungshelfer Rechnung getragen. Einige Wünsche und Forderungen, die von den Entwicklungsdiensten vorgetragen wurden, konnten nicht erfüllt oder berücksichtigt werden, weil sie sachlich nicht genügend begründbar waren oder Präzedenzfälle mit weitreichenden und unerwünschten Folgen für den öffentlichen Dienst geschaffen hätten.
Es ist dennoch ein gutes Gesetz, und es trägt - ohne Eigenlob - die Handschrift der Sozialdemokraten. Die Opposition hat allen unseren Vorschlägen zur Verbesserung des Gesetzes zugestimmt. Die Beratung war sachlich und fair. Dies ist nach den Auseinandersetzungen über die Entwicklungspolitik in der letzten Zeit eine Wohltat, meine Damen und Herren.
({1})
Dieses Gesetz soll nicht nur Ausdruck unserer besonderen Schutzpflicht gegenüber den Entwicklungshelfern sein, sondern auch Ausdruck der Anerkennung und des Dankes für ihre freiwillige und aufopfernde Tätigkeit in der Dritten Welt.
Meine Damen und Herren, es ist nicht übertrieben, hier in diesem Hause einmal hervorzuheben, daß Entwicklungshelfer zum positiven Ansehen unseres Landes in der Dritten Welt wesentlich beitragen. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf vorbehaltlos zu.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Köhler ({0}).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Novelle zum Entwicklungshelfergesetz, über deren Verabschiedung wir hier jetzt befinden. Nach unserer Ansicht bedeutet diese Novellierung kein Abrücken von der ursprünglichen Zielsetzung des Entwicklungshelfergesetzes vom 18. Juni 1969; seine Bestimmungen hatten sich im wesentlichen bewährt. Aber die Entwicklung hatte auch gezeigt, daß einzelne Regelungen revisions- und ergänzungsbedürftig waren, wenn dem Anspruch des Gesetzes Genüge getan werden sollte, das soziale Engagement deutscher Entwicklungshelfer zu stärken und rechtlich in befriedigender Weise abzusichern.
Als kritische Punkte hatten sich dabei zunehmend die Fragen der sozialen Absicherung der Entwicklungshelfer im Vergleich zu den inländischen Arbeitnehmern ergeben, und hier war ein allgemeiner Prozeß des Überdenkens in Gang gekommen, auch und gerade auf Grund der gemeinsamen Erfahrungen in Gremien wie z. B. dem Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes. Hier hatte sich im Laufe der Zeit eine gemeinsame Überzeugung herausdestilliert, und so haben wir uns dann ja auch gemeinsam an diese Arbeit gemacht, von der freilich der Kollege Stahl in diesem Augenblick zu meinen scheint, sie sei ausschließlich im Kreise seiner Freunde geschehen. Das ist - das muß ich Ihnen hier doch wohl noch einmal deutlich sagen - eine sehr merkwürdige Interpretation der wirklichen Tatsachen, Herr Stahl.
Wir haben uns - das spreche ich Ihnen auch nicht ab, und deswegen fand ich es um so erstaunlicher, daß Sie hier jetzt plötzlich anfangen, einseitige Geschäfte zu machen - bei den Überlegungen stets davon leiten lassen - und dies auch zum Ausdruck gebracht -, daß Regelungen gefunden werden müssen, die das Prinzip der freiwilligen Dienste stärken und die Unsicherheiten beseitigen helfen, die den Entwicklungshelfer bei der Erfüllung seiner Aufgaben belasten.
Nach unserer Auffassung kann wirkungsvolle Entwicklungspolitik mit dem klassischen Instrument der Kapitalhilfe, mit handels- und strukturpolitischen Maßnahmen nur zu einem Teil erreicht werden. Ein wesentliches, flankierendes Element auf dem Weg zur Partnerschaft und Solidarität ist und bleibt die personelle Kooperation. In diesem Bereich erfüllen die Träger des Entwicklungsdienstes und die von ihnen entsandten Berater hervorragende Aufgaben, die sowohl im Interesse der Entwicklungsländer als auch im Interesse des Entsenderlandes liegen.
Entscheidend für die Wirksamkeit des Handelns der Entwicklungshelfer ist ein entsprechendes fachliches Qualitätsniveau, das dem definierten Bedarf der Entwicklungsländer angepaßt ist. Aber genauso hoch sind die überfachlichen Qualifikationen zu veranschlagen, die für einen Brückenschlag gegenseitigen Vertrauens unverzichtbar sind. Erst wenn fachliche und überfachliche Qualifikation in der Durchführung von Programmen und Projekten in ein vernünftiges Verhältnis zueinander gebracht werden, können wir auf die Lernprozesse hoffen, die not16238
Dr. Köhler ({0})
wendig sind, um künftige Entwicklungen zwischen den Kulturen und das Nord-Süd-Verhältnis in aussichtsreichere Bahnen zu lenken. Gerade unter diesem Gesichtspunkt eröffnet die Novelle zum Entwicklungshelfergesetz neue Möglichkeiten, deren Nutzung, wie wir hoffen, positive Wirkung haben wird.
Dazu gehört eben die Heraufsetzung des Alters für die Freistellung vom Wehrdienst von 22 auf 30 Jahre; denn damit können die Helfer, die sich für den Entwicklungsdienst entscheiden, nach ihrer Berufsausbildung bzw. nach ihrem Studium noch über einige Zeit verfügen, in der sie praktische Erfahrungen und nützliche Erkenntnisse für ihren möglichen Einsatzbereich sammeln können. Wir begrüßen diese Regelung und ebenso den Hinweis, daß künftig auch Angehörige anderer Nationalitäten von den Diensten entsandt werden können, ohne daß dabei die Trägerschaft der Dienste grundsätzlich in Frage gestellt wird. Wir erhoffen uns davon auch einen Beitrag, die Reintegrationsproblematik für Fachkräfte aus Entwicklungsländern zu entschärfen, von Fachkräften, die bei uns eine Ausbildung durchlaufen haben.
Bei einer Würdigung der Regelungen, die mit der heutigen Verabschiedung in Kraft gesetzt werden, kommt den sozialen arbeitsrechtlichen Neuerungen nach unserer Auffassung besondere Bedeutung zu. Zu erwähnen ist hier in erster Linie die Ausweitung des Leistungsanspruchs bei Gesundheitsstörungen oder Tod infolge typischer Risiken des Entwicklungslandes auf den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder, und zwar in Form einer privatrechtlichen Lösung. Die CDU/ CSU legt insbesondere auf diese Regelung großen Wert. Auch die künftig bessere Absicherung der Entwicklungshelferinnen im Falle von Schwangerschaft durch Zubilligung der Rechte nach dem Mutterschutzgesetz ist ein Erfordernis und findet unsere uneingeschränkte Zustimmung. Daß in der Frage der Einbeziehung der Entwicklungshelfer in den durch das Dritte Vermögensbildungsgesetz begünstigten Personenkreis ebenfalls eine zufriedenstellende Regelung gefunden werden konnte, betrachten wir als wesentlichen Fortschritt, insbesondere auch deshalb, weil dadurch eine Gleichstellung mit anderen Personengruppen bewirkt wird.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß insbesondere die sozial- und arbeitsrechtlichen Verbesserungen einvernehmlich und in einer sachbezogenen und konstruktiven Diskussion mit den anerkannten Trägern des Entwicklungsdienstes in das Gesetz eingearbeitet werden konnten. Diese sachlich wie auch politisch sehr zielorientierte und vernünftige Diskussion sollten wir jetzt auch nicht nachträglich zerreden. Wenn ich die Form unserer Arbeit hervorhebe, wird das auch nicht dadurch geschmälert, daß wir die Forderungen der Dienste in einigen Punkten nicht erfüllen konnten, daß z. B. eine Verbesserung der Anrechnung des Entwicklungsdienstes auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit noch nicht ihren gewünschten Niederschlag finden konnte. Wir werden die Bemühungen der Dienste dahin gehend unterstützen, daß auch in dieser Frage soweit wie
irgend möglich eine Gleichbehandlung geschaffen wird.
({1})
Die zur Verabschiedung anstehende Novelle ist nach unserer Überzeugung eine geeignete Grundlage, das öffentliche Interesse an einer entwicklungspolitisch sinnvollen Aufgabenerfüllung der Freiwilligendienste zu unterstreichen und das soziale Engagement sowie die Bereitschaft der Entwicklungshelfer, draußen Dienst zu tun, zu stärken. Ich möchte gerade angesichts einiger aktueller Berichterstattungen in den letzten Tagen wünschen, daß man zwischen freiwilligen Helfern und zwischen Experten nicht nur Geld zu Geld vergleicht, sondern daß man auch gerade diese Gesetzesregelung in die Betrachtung einbezieht, um wirklich zu einer abgewogenen Stellungnahme zu kommen.
Wir richten aber auch an die Bundesregierung die Aufforderung, daß die in den Ausschußberatungen mit den Betroffenen gewonnenen Erfahrungen für eine integrierte Gesamtplanung im Bereich der personellen Kooperation nutzbar gemacht werden. Was wir in diesem Bereich bisher haben, verdient einige Kritik; denn es ist kein schlüssiges Konzept, in dem die teilweise positiven Ansätze wirklich genügend zusammengeführt und die Erfahrungen der einzelnen Träger ausgewertet werden.
({2})
Wir vermissen hier geeignete Koordinations- und Konsultationshilfen, um die einzelnen Träger miteinander im Gespräch zu halten und sie dazu zu bringen, Inhalt und Maßnahmen miteinander abzustimmen. Gerade unter diesen Gesichtspunkten hat die Diskussion mit den Diensten um eine Fortenwicklung dieses Gesetzes positive Erkenntnisse gebracht, die für die Zukunft fruchtbar gemacht werden sollten.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt diesem Gesetzentwurf zu.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist kein Aprilscherz: Das einstimmige Beratungsergebnis des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit bei der Novellierung des Entwicklungshelfergesetzes ergibt gegenüber dem Regierungsentwurf eine Kostenerhöhung um 560 % für 1976 und um je 750 % für die Jahre 1977 bis 1979.
Es ist auch kein Aprilscherz: Der Haushaltsausschuß hat keine Einwendungen. Die Mittel sind bereits im Entwurf des Bundeshaushalts 1976 eingeplant.
({0})
Ich möchte voreiligen euphorischen Schlüssen über einen neuen Stellenwert der Entwicklungspolitik im hart gebeutelten Bundeshaushalt vorbeugen. Es handelt sich lediglich um eine Erhöhung des Kostenansatzes um 560 000 bzw. 750 000 DM in den folgenden Jahren. Es handelt sich darum, daß die rund 1 500 Entwicklungshelfer in Zukunft mit maximal 50 DM pro Monat zusätzlich für Prämien zu Lebensversicherungen und Kapitalansammlungsverträgen gefördert werden sollen. Wir glauben, daß das Hohe Haus dem zustimmen sollte.
Meine Kollegen Stahl und Dr. Köhler haben bereits auf die weiteren Verbesserungen dieser Novelle für die Entwicklungshelfer hingewiesen. Wir wären gern auf weitere Vorstellungen der Entwicklungsdienste eingegangen. Doch standen dem insbesondere Einwendungen - wie es in einem Dokument so schön hieß - „präjudizieller Auswirkungen auf andere Personengruppen" und Kompetenzfragen entgegen.
Ich möchte an meine Ausführungen anläßlich der Einbringung des Gesetzes am 10. Dezember vorigen Jahres anschließen und hervorheben, daß die Beratungen im Ausschuß nicht kontrovers waren und zu einem einstimmigen Ergebnis führten. Allerdings ist es ein Aprilscherz, Herr Stahl, wenn Sie sagen: Das Gesetz trägt sozialdemokratische Handschrift. Ich würde sagen: Das Gesetz trägt die sozialliberale Handschrift der Bundesregierung. Da hat sich natürlich Herr Dr. Köhler angehängt.
({1})
Mit diesem Gesetz erkennen wir die weiterbestehende Bedeutung der Entwicklungshelfer für die Verwirklichung entwicklungspolitischer Zielsetzungen an. Wir tragen der schwierigen Situation des Entwicklungshelfers in Notfällen und bei der Wiedereingliederung Rechnung. Wir erleichtern jungen Menschen die Entscheidung für den Entwicklungsdienst durch die Anhebung der Freistellungsgrenze im Wehrdienst- und Zivildienstgesetz und die Verrechnungsmöglichkeit mit dem Grundwehrdienst.
Der Entwicklungsdienst ist auch durch dieses Gesetz nicht lukrativ geworden. Es ist hier die Stelle, den Entwicklungshelfern für ihr idealistisches Engagement Dank zu sagen.
({2})
Aber der Entwicklungsdienst bietet auch ein interessantes Betätigungsfeld. Wir sollten das Mögliche tun, das Interesse hierfür auch in Zukunft wachzuhalten.
Die FDP-Fraktion empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfs.
({3})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Brück.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die jetzt zu verabschiedende Novelle des Entwicklungshelfergesetzes soll dafür sorgen, daß die soziale Absicherung des freiwilligen Entwicklungshelfers mit der eines Arbeitnehmers im Inland vergleichbar bleibt. Die Vergleichbarkeit war die Ausgangsposition, als 1969 das Entwicklungshelfergesetz geschaffen wurde. Seitdem ist eine Fülle von Verbesserungen in vielen anderen Sozialgesetzen vorgenommen worden. Diese Verbesserungen sollen nun auch den Entwicklungshelfern zugute kommen. Der Entwicklungshelfer ist rechtlich kein Arbeitnehmer. Denn er leistet seine Tätigkeit im Ausland ohne Erwerbsabsicht, nur gegen ein Unterhaltsgeld. Daher und wegen der besonderen Umstände seiner Tätigkeit streben wir keine Gleichstellung, sondern eine Vergleichbarkeit der Stellung des Entwicklungshelfers mit der des Arbeitnehmers an.
Die Novelle orientiert sich außer an den Arbeitnehmern an einer zweiten gesellschaftlichen Gruppe, nämlich der der Wehr- und Zivildienstleistenden. Hierin kommt der zweite Grundsatz des Gesetzentwurfs zum Ausdruck: die Gleichrangigkeit von Entwicklungsdienst einerseits und Wehr- und Zivildienst andererseits. Wer Entwicklungsdienst leistet, braucht keinen Wehrdienst zu leisten. Dies ist schon in dem Gesetz von 1969 festgelegt worden.
Damit aber hat es nicht sein Bewenden. Die jetzige Novelle hebt zusätzlich den Gedanken hervor, daß in geeigneten Fällen soziale Leistungen, die der Wehrpflichtige erhält, ebenfalls dem Entwicklungshelfer zukommen sollen. Die Novelle paßt daher die Rentenaussichten von Entwicklungshelfern denen von Wehr- und Zivildienstleistenden an. Außerdem können Entwicklungshelfer, wie schon gesagt worden ist, in Zukunft wie Wehrdienstleistende monatlich bis zu 50 DM zur Erfüllung von Lebensversicherungs-, Bauspar- und prämien- oder steuerbegünstigten Kapitalansammlungsverträgen erhalten.
Ich möchte die jetzige Gesetzesänderung zum Anlaß nehmen, einige Worte zu dem System unserer personellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zu sagen. Die staatliche technische Zusammenarbeit wird von bezahlten Fachkräften durchgeführt, die einige Jahre der Aufgabe widmen, ihr Fachwissen in ein Entwicklungsland zu übertragen. Sie üben dabei ihren erlernten Beruf aus, nicht immer unter ganz leichten Bedingungen. Daneben gibt es eine etwa Bleichgroße Anzahl von freiwilligen, überwiegend jungen engagierten Leuten, die lediglich gegen ein Unterhaltsgeld beim Aufbau eines Entwicklungslandes helfen. Während die bezahlten Fachkräfte in der Regel in eigenen Projekten der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit angestellt sind, sind die Entwicklungshelfer Mitarbeiter eines einheimischen Projektträgers. Sie sind in die sozialen Strukturen des Entwicklungslandes weitgehend integriert, und ihr Erfolg ist zu einem großen Teil davon abhängig, daß sie in diesen Strukturen wirken und die einheimischen Mitarbeiter motivieren.
Von ihnen selbst wird auch eine hohe Lernbereitschaft gefordert, die dank einer entsprechenden Auswahl und auf Grund einer sorgfältigen Vorbereitung in den meisten Fällen gegeben ist. Übrigens ist die Chance, auch etwas für sich zu lernen, in vielen Fällen der Grund für die Entscheidung, zu einem Entwicklungsdienst zu gehen.
In den letzten Tagen ist durch Presseberichte in Frage gestellt worden, ob die Unterscheidung in Fachkräfte und Freiwillige einen Sinn habe, zumal die unterschiedliche Bezahlung zu Problemen führe. Die Frage ist berechtigt. Man sollte sich jedoch die Antwort nicht leichtmachen. Festzustellen ist, daß von seiten der Entwicklungsländer die Nachfrage nach beiden Formen der personellen Zusammenarbeit hoch ist. Die Entwicklungsländer wissen die Vorteile bezahlter Fachkräfte ebenso wie die von Entwicklungshelfern zu schätzen und berücksichtigen beide bei ihren Planungen. Dies zeigt, daß es richtig ist, nach Status und Wirkungsweise zu unterscheiden.
Man darf aber nicht außer acht lassen, daß die persönlichen Einschränkungen, die die Entwicklungshelfer in Kauf nehmen, durch bestimmte besondere Ansprüche und Leistungen gemildert werden. Außer der gesetzlichen sozialen Sicherung und der Gleichrangigkeit mit Wehr- und Zivildienst ist hier als Beispiel die Wiedereingliederungshilfe zu nennen. Im internationalen Vergleich mit Angehörigen anderer Freiwilligendienste schneiden die deutschen Entwicklungshelfer am besten ab. Wir werden aber deswegen die Hände nicht in den Schoß legen. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung sorgfältig beabachten und die Maßnahmen einleiten, die der aufopferungsvollen Tätigkeit der Entwicklungshelfer gerecht werden, einer Tätigkeit übrigens, die nicht nur zum wirtschaftlichen unid sozialen Fortschritt in vielen Entwicklungsländern beiträgt, sondern die auch viel für das Ansehen unseres Landes in der Welt bewirkt hat. Dafür gebührt den Freiwilligen unser Dank. Ich bedanke mich auch für die kooperative Zusammenarbeit aller Fraktionen bei der Beratung dieser Novelle in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages.
({0})
Das Wort wird nicht mehr begehrt. Ichschließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetz als. Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir haben noch über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses auf Drucksache 7/4933 abzustimmen. Der Antrag geht dahin, die zu dem Entwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu ,dem Abkommen vom 8. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache 7/4686 Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache 7/4901 -Berichterstatter: Abgeordneter Schreiber ({1})
Ich rufe die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. - Wer diesem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten
- Drucksache 7/4791 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort hat der Herr Staatssekretär de With.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten trägt einem wichtigen sozialpolitischen Anliegen Rechnung. Die Situation der minderjährigen Kinder geschiedener und getrennt lebender . Eheleute, denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften Unterhaltsansprüche zustehen, muß verbessert werden. Die Höhe der Unterhaltsansprüche dieser sogenannten Scheidungs- oder Trennungswaisen bemißt sich auf der einen Seite nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und auf der anderen Seite nach der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse bringt es mit sich, daß sich im Normalfall die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen infolge der Steigerung seiner Einkünfte erhöht, während gleichzeitig die Lebenshaltungskosten steigen und der Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten entsprechend wächst.
Hat ein Gericht erstmals über einen Unterhaltsanspruch zu entscheiden, so muß es bei der Bemessung der Unterhaltshöhe von den gegenwärtigen Verhältnissen ausgehen und kann allenfalls noch vorausschauend eine sich klar abzeichnende Entwicklung mit berücksichtigen. Das gleiche gilt für den Fall, daß über den Unterhalt eine Vereinbarung, insbesondere im Weg eines gerichtlichen Vergleichs, getroffen wird. An die Höhe der Unterhaltsgrenze, die auf diese Weise festgesetzt worden ist, bleiben die Parteien zunächst gebunden. Für später eintretende Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die bei der ersten Bemessung der Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnten, verweist das Gesetz den UnterhaltsberechParl. Staatssekretär Dr. de With
tigten auf den Weg einer Abänderungsklage. Die Notwendigkeit, ihre Rechte durch ein schwerfälliges Klageverfahren wahrnehmen zu müssen, läßt erfahrungsgemäß nicht wenige Unterhaltsberechtigte davon Abstand nehmen, eine Anpassung der Unterhaltsrente an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen. Die Erhebung der Abänderungsklage und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens erweisen sich für viele als eine Barriere, die zu überschreiten ihnen aus unterschiedlichen Gründen schwerfällt. Kinder getrennt lebender und geschiedener Eheleute müssen oft unter sozialen Bedingungen aufwachsen, die ohnehin für ihre persönliche Entwicklung ungünstig sind. Es darf daher nicht hingenommen werden, daß diese Kinder auch noch auf die Durchsetzung eines Teils ihrer Unterhaltsansprüche verzichten, von denen ihre persönliche Entwicklung in entscheidendem Maße abhängen kann.
Die Unterhaltstitel nichtehelicher Kinder können bereits nach dem geltenden Recht in einem vereinfachten Verfahren den Änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet es daher, daß auch den Scheidungs- und Trennungswaisen die Möglichkeit eröffnet wird, in einfacher Weise eine Anpassung einmal festgesetzter Unterhaltsrenten herbeizuführen.
Der Ihnen vorliegende Regierungsentwurf, meine sehr verehrten Damen und Herren, sieht deswegen eine - ich darf das in Anführungsstrichen sagen -„Dynamisierung" der Unterhaltsrenten von Scheidungs- und Trennungswaisen in der Form vor, daß die Bundesregierung von Zeit zu Zeit mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnungen eine prozentuale Anpassung der Unterhaltsrenten an erhebliche Änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmen kann. Dabei wird die Bundesregierung Feststellungen des Statistischen Bundesamtes über die Entwicklung der Einkommen und des Lebensbedarfs zugrunde zu legen haben. Einer solchen Rechtsverordnung wird zunächst die Bedeutung zukommen, daß sie eine einverständliche Anpassung von Unterhaltsrenten durch Vereinbarungen zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten erleichtert. Für den Fall, daß gleichwohl eine Vereinbarung über eine Anpassung nicht herbeigeführt werden kann, stellt der Entwurf ein einfaches, schnelles und, wie ich meine, kostengünstiges gerichtliches Verfahren zur Anpassung der Renten zur Verfügung. Dabei soll eine Bearbeitung der Abänderungsklage mit automatischen Datenverarbeitungsanlagen ermöglicht werden.
Soweit im Einzelfall die Entwicklung der besonderen Verhältnisse der Parteien wesentlich von der allgemeinen Entwicklung abweicht, muß eine Anpassung im Wege des Klageverfahrens möglich bleiben.
Der Entwurf wird die Stellung der Scheidungs-
und Trennungswaisen nachhaltig verbessern. Ich würde es begrüßen, wenn das Hohe Haus den Entwurf zügig beraten und das Gesetz zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten baldmöglichst verabschieden würde.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt es, daß die Bundesregierung diesen Entwurf eines Gesetzes zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten im Bundestag eingebracht hat. Wir haben die Bundesregierung zu einer solchen Gesetzesinitiative ermutigt. Wir werden das Unsere tun, um zu erreichen, daß dieser Entwurf noch in der laufenden Legislaturperiode des Bundestages Gesetz werden kann. Dann werden diejenigen Minderjährigen, die nicht mit den Unterhaltsverpflichteten zusammenleben und ihren Unterhalt in Natur beziehen, besser als bisher in der Lage sein, ihre Unterhaltsansprüche an eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Zusätzlich wird erreicht, daß die Realisierung solcher Ansprüche erleichtert wird.
Dieses Gesetz begünstigt insbesondere die ehelichen Kinder, deren Eltern getrennt leben oder geschieden sind und die zur Sicherstellung ihres Lebensbedarfs auf laufende Geldzahlungen des oder der Unterhaltsverpflichteten, meist ihrer Väter, angewiesen sind. Es handelt sich um ca. 1 Million Kinder, damit aber auch um ca. 1 Million von ihren Ehemännern getrennt lebende oder geschiedene Mütter, für die es von großer Bedeutung ist, ob und in welcher Höhe Unterhalt für die von ihnen zu betreuenden Kinder geleistet wird.
Während die Einkommen heutzutage laufend den sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen angepaßt werden, ohne daß es dazu individueller Bemühungen, Verhandlungen und Auseinandersetzungen bedarf, gehen Unterhaltstitel auf einen fixen Nominalbetrag, der von Veränderungen auf der Einkommensseite und bei den Lebenshaltungskosten nicht ohne weiteres erfaßt wird. Das Unterhaltsrecht geht davon aus, daß der tatsächliche Wert von Unterhaltsrenten auch über längere Zeit konstant bleibt, infolgedessen eine Umstellung von Unterhaltstiteln nur erforderlich ist, wenn sich die individuellen Bedingungen bei dem Unterhaltsberechtigten oder bei dem Unterhaltsverpflichteten oder bei beiden wesentlich verändern. Als Instrument für eine solche ausnahmsweise Abänderung von Unterhaltstiteln stellt das Gesetz die sogenannte Abänderungsklage zur Verfügung. Es muß ein neuer Prozeß angestrengt und in ihm bewiesen werden, daß sich seit der Entstehung des Unterhaltstitels die für die Festlegung der Höhe der Unterhaltsrente maßgebenden Verhältnisse so wesentlich geändert haben, daß eine Anpassung des Titels an diese Veränderungen gerechtfertigt ist.
Dieser Ausgangspunkt des geltenden Unterhaltsrechts ist angesichts der heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr aufrechtzuerhalten. Einkommen und Lebenshaltungskosten verändern sich kontinuierlich, und zwar unabhängig von den individuellen Gegebenheiten durch allgemein wirkende Umstände. Diesem Tatbestand hat der Gesetzgeber in wichtigen Bereichen der sozialen Grundsicherung durch Dynamisierung der Alters-, Unfall- und Kriegs16242
schadensrenten Rechnung getragen. Auch für den Unterhalt nichtehelicher Kinder ist es gelungen, die sich aus der permanenten Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen ergebenden Probleme zu bewältigen. Die Unterhaltstitel nichtehelicher Kinder können auf Zahlung des Regelunterhalts oder des Regelunterhalts mit einem prozentualen Zuschlag oder Abschlag lauten, und der Regelunterhalt wird im Zeittakt von ein bis zwei Jahren nach der Regelsatzverordnung den eingetretenen wirtschaftlichen Veränderungen angepaßt. Was für nichteheliche Kinder Rechtens ist, darf ehelichen Kindern nicht länger vorenthalten werden. Insofern führt der vorliegende Gesetzentwurf endlich konsequent weiter in die Richtung, die im Nichtehelichenrecht 1969 mit Erfolg eingeschlagen worden ist.
Wir sind bereit hinzunehmen, daß Unterhaltstitel Volljähriger von diesem Gesetz nicht miterfaßt werden, weil die Not der auf Unterhaltsrenten angewiesenen ehelichen Kinder schon von der Zahl der Betroffenen her am größten ist und nur durch einen Gesetzentwurf wie diesen sichergestellt werden kann, daß wenigstens ihnen jetzt geholfen wird. Zutreffend dürfte auch die Auffassung der Regierung sein, daß das Modell des Nichtehelichenrechts - Regelsatz und seine ständige Anpassung an die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse - für eheliche Kinder deshalb nicht übernommen werden kann, weil bei ihnen die erstmalige Festsetzung der Unterhaltsrenten unter Berücksichtigung aller individuellen Besonderheiten zu besseren und gerechteren Ergebnissen führt.
Durch die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Anpassungsverordnung kann hinreichend sichergestellt werden, daß Unterhaltsrenten ehelicher Kinder der allgemeinen Entwicklung, insbesondere der Entwicklung der Verdienste und des Lebensbedarfs angeglichen werden. Wir begrüßen es, daß in gleicher Weise wie im Nichtehelichenrecht diese Anpassung in einem vereinfachten und verbilligten Verfahren durchgeführt wird, das beträchtlich weniger Arbeitsaufwand erforderlich macht als die traditionelle Abänderungsklage, das der maschinellen Bearbeitung zugänglich ist, das die Schwellenangst der Unterhaltsberechtigten und ihrer gesetzlichen Vertreter vor gerichtlichen Verfahren erheblich herabsetzt, das Prozeß- und Prozeßkostenrisiko verringert und die Kalkulierbarkeit der gerichtlichen Entscheidung wesentlich verbessert. In den Fällen, in denen die individuellen Verhältnisse von den allgemein eingetretenen Veränderungen abweichen, bleibt der Rückgriff auf die Abänderungsklage des § 323 ZPO. Für den Unterhaltsverpflichteten wird zusätzlich die Möglichkeit eröffnet, den auf Grund der Anpassungsverordnung ergangenen Abänderungsbeschluß im Klagewege den individuellen Gegebenheiten entsprechend verändern zu lassen. Damit ist gewährleistet, daß die Besonderheiten des Einzelfalles trotz des notwendigerweise generalisierenden Maßstabes der Anpassungsverordnung berücksichtigt werden können und das Gebot der Einzelfallgerechtigkeit nicht vernachlässigt wird.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Gesetzentwurf im Zusammenhang mit den
vom Bundestag bereits im Ersten Eherechtsreformgesetz beschlossenen Verbesserungen des allgemeinen Unterhaltsrechts steht und auch von daher zu bewerten ist. Im Ersten Eherechtsreformgesetz haben wir im BGB zwischen Verwandten gerader Linie einen allgemeinen Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen normiert, sofern solche Auskünfte zur Feststellung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen erforderlich sind. Beweisschwierigkeiten zur Höhe des Unterhalts werden für eheliche Kinder dadurch ausgeräumt, daß als ihr Unterhaltsbedarf mindestens der Regelbedarf für nichteheliche Kinder der entsprechenden Altersstufe anzusehen ist.
Die Erlangung des Armenrechts ist erleichtert worden, und zwar einmal dadurch, daß zukünftig nicht nur nichteheliche, sondern auch eheliche Kinder bei Unterhaltsklagen das sogenannte Armenrechtszeugnis nicht mehr vorlegen müssen, zum anderen dadurch, daß für Personen, die unter Pflegschaft oder Vormundschaft stehen, das Armenrechtszeugnis auch vom Vormundschaftsrichter oder vom Jugendamt ausgestellt werden kann. Prozeßkostenvorschüsse können zukünftig in allen Unterhaltsverfahren auch durch einstweilige Anordnung erlangt werden. Dadurch wird für die Unterhaltsberechtigten die Prozeßführung und damit die Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche weiter erleichtert. Dazu wird nicht zuletzt auch die Einführung des Familiengerichts und des Entscheidungsverbundes zwischen Scheidung und Scheidungsfolgen, insbesondere auch des Kindesunterhalts, wesentlich beitragen.
Der Bundesrat hat eine Reihe von Abänderungsvorschlägen gemacht. Aus ihnen ergeben sich jedoch keine prinzipiellen Einwendungen gegen den Regierungsentwurf. Wir werden die Vorschläge des Bundesrates sorgfältig und aufgeschlossen prüfen, insbesondere auch sein Petitum, die Kosten dieses Gesetzes so gering wie möglich zu halten.
Wir gehen davon aus, daß auch die Opposition die Verabschiedung dieses Gesetzes für notwendig und dringlich ansieht. Wir plädieren für seine zügige Beratung in Bundestag und Bundesrat und bitten dabei um Unterstützung.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark ({0}).
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU unsere grundsätzliche Zustimmung zu dem hier vorgelegten Gesetzentwurf auf Drucksache 7/4791 zum Ausdruck bringen. Was hier vorgeschlagen wird, ist eine notwendige Anpassung, nachdem wir im Jahre 1969 bei der Verabschiedung des Nichtehelichenrechts für die unterhaltsberechtigten nichtehelichen Kinder den Regelunterhalt eingeführt haben. Es ist im Grundsatz richtig, daß auch für Kinder aus geschiedenen Ehen eine Vereinfachung der Anpassung der Unterhaltsrenten an den gestiegenen Lebensbedarf durchgeführt wird. Wir begrüßen auch, daß hier ein verDr. Stark ({0})
einfachtes Verfahren, das unseres Erachtens im großen und ganzen zweckmäßig ist - über einzelne Punkte kann man sich noch streiten; das werden wir im Ausschuß tun - gefunden wurde. Allerdings müssen wir sehen, daß durch diesen Gesetzentwurf ein weiteres Stück Privatautonomie und freie Gestaltung im Privatrecht abgeschafft wird. Das ist aber hinzunehmen, da das ganze Gesetz relativ flexibel ist, so daß für die Beteiligten noch ein Freiraum für eigene Gestaltung übrigbleibt.
Ganz entscheidend ist aber, daß wir, wenn dieses Gesetz seinen Sinn erfüllen soll, einmal darüber nachdenken, ob die Regelungen in der Steuerreform für den Unterhaltspflichtigen, nämlich den Leistungsverpflichteten, richtig waren. Er muß leistungsfähig bleiben; sonst kann dieses Gesetz seinen Sinn nicht erfüllen.
({1})
Hier sind eindeutig Fehler gemacht worden, die wir bereinigen müssen. Wir werden im Rahmen einer Kleinen Anfrage darauf zurückkommen. Ein geschiedener unterhaltsverpflichteter Mann wird durch die Steuerreform und durch die Gesamtregelung für das Kindergeld dermaßen benachteiligt, daß er unter Umständen nach der Scheidung Tausende von Mark weniger zur Bestreitung von Unterhalt hat. Wir können hier das schönste Anpassungsgesetz machen, es nutzt nichts, wenn der Mann nachher nicht mehr leistungsfähig ist. Ich möchte das nur andeuten. Wir werden im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs durch eine von uns einzubringende Kleine Anfrage dieses Problem angehen. Das geht auch in den Bereich der Besoldungspolitik hinein, wo durch das Haushaltsstrukturgesetz ebenfalls Benachteiligungen des geschiedenen Mannes, der Unterhalt leisten soll, erfolgt sind.
Mit diesen Einschränkungen sind wir an der Verabschiedung dieses Gesetzes interessiert. Wir werden uns an einer zügigen Beratung beteiligen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abgeordnete der Koalition haben mit Unterstützung der Fraktionen am 20. 2. 1974 auf Drucksache 7/1723 eine Kleine Anfrage zur Situation der Kinder getrennt lebender und geschiedener Eltern eingebracht. In der Kleinen Anfrage wurde auf das Problem aufmerksam gemacht, daß eheliche Kinder auch im Verhältnis zu nichtehelichen Kindern durch unser geltendes Unterhaltsrecht zunehmend materiellen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Der vorliegende Gesetzentwurf bemüht sich, die hier aufgezeigten Probleme durch Änderung sowohl im materiellen Recht als auch im Verfahrensrecht zu lösen. In einer Zeit stabiler Gehälter und Löhne auf der einen Seite und stabiler Lebenshaltungskosten auf der anderen Seite war es angängig, die notwendigen Anpassungen durch die Abänderungsklage nach § 323 der Zivilprozeßordnung vorzunehmen. Solche stabilen Verhältnisse existieren
heute in keinem Staat dieser Erde mehr, nicht einmal in der Bundesrepublik mit ihrer vergleichsweise niedrigen Preissteigerungsrate, der auf der anderen Seite seit vielen Jahren ein ständiger Einkommensanstieg breitester Bevölkerungskreise gegenüberstand, so daß schon vom Positiven her jene Stabilität, die Grund sein konnte, allein auf die Abänderungsklage zu verweisen, nicht mehr gegeben war. Für Anpassungsmöglichkeiten bestanden verschiedene Modelle. Ungeeignet wäre es ganz sicherlichklich gewesen, das System des Regelunterhalts einfach auf die Unterhaltsregelung für eheliche Kinder zu übertragen. Sehr bedenklich mußten auch Überlegungen sein, in diesem Bereich zu einer Automatisierung oder Indexierung irgendwelcher Art zu kommen. Denn damit wäre eine Entwicklung eingeschlagen worden, die gleichzeitig Signalwirkung für weite andere Bereiche gehabt und zu den schwersten wirtschaftspolitischen Bedenken Anlaß gegeben hätte. Der Regierungsentwurf sucht den geeigneten Weg über eine Dynamisierung der Unterhaltsrente für eheliche Kinder auf Grund von Anpassungsverordnungen der Bundesregierung. Der einzelne Unterhaltstitel wird dann in einem vereinfachten Verfahren angepaßt, das sowohl die Nerven der beteiligten Parteien wie auch die Arbeitskapazität der Gerichte nicht überstrapaziert.
({0})
Jeder Praktiker weiß doch, daß die Unterhaltsreferate unserer Amtsgerichte längst lahmgelegt wären, wenn die gesetzlichen Vertreter ehelicher Kinder in dem Umfange, wie es wirtschaftlich geboten wäre, bisher von der Abänderungsklage nach § 323 der Zivilprozeßordnung Gebrauch gemacht hätten. Die materielle Benachteiligung der eheligen Kinder im Unterhaltsbereich resultiert daraus, daß die gesetzlichen Vertreter in vielen Fällen sich gescheut haben, die Mühen solcher Prozesse auf sich zu nehmen.
Deswegen ist es sicherlich richtig, jetzt für den Regelfall der wirtschaftlichen Anpassung ein vereinfachtes Massenverfahren bereitzuhalten und die bisherige Abänderungsklage für alle jene Fälle vorzubehalten, die auf Grund der individuellen Situation genau untersucht werden müssen und in denen nicht die in der ganzen Breite vorhandene Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern andere Gründe Veranlassung geben, eine Änderung vorzunehmen.
Sicherlich wird es mit den Anpassungsverordnungen auch erleichtert, zu außergerichtlichen Einigungen in diesem Bereich zu kommen. Eine große Schwierigkeit unseres geltenden Unterhaltsrechtes war es immer für den Unterhaltsberechtigten, richtig abzuschätzen, in welcher Höhe sein Anspruch gerechtfertigt und begründet ist. Bei einem Verfahren, bei dem der Instanzenzug beim Landgericht endet, hat sich in verschiedenen Teilen unseres Landes eine höchst unterschiedliche Rechtsprechung entwickelt.
Die Anpassungsverordnungen werden im übrigen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, obwohl Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes dies nicht vorschreibt. Für die Bundesregierung waren sachpolitische Erwägungen ausschlaggebend, dies so vorzu16244
sehen. Das ist ein eklatantes Beispiel für die Praktizierung eines kooperativen Föderalismus von seiten des Bundes.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates können Sie der Tagesordnung entnehmen. Wer diesen Vorschlägen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 7/4825 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({2}) Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus unserem heutigen Leben - das ist beinahe schon eine Binsenwahrheit - sind Technik und der Gebrauch technischer Anlagen und Einrichtungen nicht mehr wegzudenken. Kehrseite der unentbehrlichen und zudem unaufhaltsam fortschreitenden Technisierung sind die für den einzelnen und seine Rechtsgüter von technischen Anlagen ausgehenden Gefährdungen. Ist diese Gefährdung notwendigerweise hinzunehmen, so muß andererseits vom Recht her dafür Sorge getragen werden, daß in den Fällen, in denen sich die Gefahr verwirklicht, das Risiko nicht zu Lasten des betroffenen Unfallopfers geht. Dem dient die Gefährdungshaftung, wie sie im Reichshaftpflichtgesetz, dem Sachschadenhaftpflichtgesetz, dem Straßenverkehrsgesetz und dem Luftverkehrsgesetz vorgesehen ist. Die genannten Regelungen werden ihrer Aufgabe, den Schutz der Unfallopfer umfassend sicherzustellen, nicht mehr in vollem Umfang gerecht.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, der Ihnen heute zur Beratung vorliegt, schlägt daher vor, das geltende Recht in einigen besonders dringlich erscheinenden Punkten den geänderten technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten anzupassen. Vordringlich anpassungsbedürftig sind zunächst die Haftungshöchstbeträge für die Gefährdungshaftung in den genannten Gesetzen. Haben sich die durchschnittlichen Bruttoverdienste in Industrie und Handel allein seit 1965 mehr als verdoppelt, gelten die Höchstsummen für die Gefährdungshaftung zum Teil seit den 40er Jahren unverändert fort. So beläuft sich z. B. der Höchstbetrag der Haftung für Personenschäden nach dem Straßenverkehrsgesetz
bisher auf 250 000 DM oder 15 000 DM Jahresrente, und zwar unabhängig davon, ob eine Person oder mehrere Personen verletzt wurden. Diese Höchstsumme ist in Anbetracht der heutigen Preis- und Einkommensverhältnisse schlechthin ungeeignet, einen wirksamen Schutz der Unfallopfer zu gewährleisten.
Der Entwurf sieht daher vor, die Haftungssumme auf 500 000 DM oder 30 000 DM Jahresrente zu verdoppeln. Für den Fall, daß durch dasselbe Ereignis mehrere Menschen verletzt oder getötet werden, soll sich die Haftungssumme künftig auf 750 000 DM oder 45 000 DM Jahresrente belaufen. Entsprechend soll die Jahreshöchstrente nach dem Reichshaftpflichtgesetz von 15 000 DM auf 30 000 DM angehoben werden. Im Luftverkehrsgesetz schließlich werden die Haftungsbeträge unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung auf diesem Gebiet heraufgesetzt. Die erhöhten Haftungssummen sollen zwar grundsätzlich nur für künftige Schadensereignisse gelten; aus Billigkeitsgründen soll jedoch auch für zurückliegende Fälle die Anpassung unzulänglich gewordener Renten unter Berücksichtigung der neuen Höchstrenten möglich sein.
Den zweiten Schwerpunkt des Entwurfs bildet die vorgeschlagene Erweiterung der Gefährdungshaftung bei Leitungsanlagen. Das geltende Recht beschränkt diese Haftung auf den Fall der Elektrizitäts- und Leuchtgasleitungen, bei diesen wiederum ausschließlich auf Anlagen, die der Fortleitung dienen. Diese Beschränkung versteht sich praktisch nur aus der Entstehungszeit der Vorschrift, in der die Gefährdung durch Leitungsanlagen erst im Bereich der Versorgung mit Elektrizität und Gas besonders deutlich geworden war.
Auf Grund der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung und der immer enger werdenden Verflechtung der Wirtschaft hat jedoch die Verwendung von Leitungsanlagen über den klassischen Rahmen hinaus - etwa zum Transport von Öl und Ölprodukten oder zum Transport von Industriegasen wie Stickstoff, Wasserstoff und Äthylen - eine hervorragende Bedeutung gewonnen. Der Betrieb solcher Anlagen, die im Interesse einer sicheren, kontinuierlichen und kostensparenden Versorgung unserer Wirtschaft unentbehrlich sind, ist aber mit nicht geringeren Risiken als etwa der Betrieb von Leuchtgasleitungen verbunden. Die bisherigen Beschränkungen der Gefährdungshaftung auf Elektrizitäts- und Gasleitungen sind daher überholt.
Nach dem Entwurf soll demnach künftig für alle Personen- oder Sachschäden durch Wirkung von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage ausgeht, eine verschuldensunabhängige Haftung bestehen. Damit wird der Schutz des einzelnen Betroffenen, der heute gerade in Fällen einer Schädigung durch technisch komplizierte Leitungsanlagen häufig mangels Nachweis eines Verschuldens leer ausgeht, wesentlich verbessert.
Neben diesen beiden Schwerpunkten sieht der Entwurf einige seit längerem fällige kleinere Änderungen haftungsrechtlicher Regelungen vor. So solParl. Staatssekretär Dr. de With
len auch Kraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 20 km/h, von denen bei dem heutigen schnellen Verkehrsfluß eine beträchtliche spezifische Gefahr ausgeht, in die Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz einbezogen werden. Soweit sich Bahnen im allgemeinen Verkehrsraum bewegen, wird ihre Haftung derjenigen für Kraftfahrzeuge angepaßt.
Schließlich wird die in anderen Gesetzen bewährte Regelung, wonach die Verjährung gehemmt ist, solange Regulierungsverhandlungen schweben, auch für den Bereich der unerlaubten Handlung des Bürgerlichen Gesetzbuches übernommen.
Wie ich bereits hervorgehoben habe, beschränkt sich der Entwurf unter Beibehaltung des geltenden Haftungssystems auf einige wenige, wenn auch wesentliche Korrekturen in besonders vordringlich erscheinenden Punkten. Es liegt auf der Hand, daß sich dabei die Frage aufdrängt, ob nicht gelegentlich eines solchen Vorhabens auch andere zur Erörterung anstehende Probleme des Haftungsrechts oder andere erwägenswerte Änderungsvorschläge auf diesem Gebiet in die Beratungen einbezogen und gegebenenfalls mit erledigt werden sollten. So hat denn auch der Bundesrat bei der Beratung im ersten Durchgang in mehreren Punkten eine nicht unerhebliche Erweiterung des Gesetzentwurfs angeregt. Die Bundesregierung hat dem, wie aus der Gegenäußerung ersichtlich, widersprochen. Maßgebend dafür wie auch für die von der Bundesregierung bei der Einbringung des Entwurfs selbst vorgenommene strikte Stoffbeschränkung war die Erwägung, daß im Interesse der möglichen Unfallopfer eine zügige Verabschiedung des Entwurfs absoluten Vorrang hat. Wünschenswerte Erweiterungen des Entwurfs sollten daher nur vorgenommen werden, wenn das Ziel, die Verabschiedung in dieser Legislaturperiode, dadurch nicht gefährdet wird.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, das Haus hat die Begründung zur Einbringung entgegengenommen. Wir treten in die Aussprache zur ersten Beratung ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Lambinus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kernpunkt des uns zur ersten Lesung vorliegenden Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften ist die Überlegung, daß das geltende Haftungsrecht trotz aller Mängel gegenwärtig keiner umfassenden Reform unterworfen werden kann. Aus diesem Grunde sieht der Regierungsentwurf lediglich zwei besonders dringliche Änderungen vor: erstens die Erhöhung der Haftungsgrenzen und zweitens die Erstreckung der Vorschriften über die Gefährdungshaftung bei Rohrleitungen auf weitere Sachverhalte.
Es sollten aber immerhin einige wichtige, notwendigerweise langfristig zu lösende Mißstände angesprochen werden, die vor allem im Verkehrsrecht auftreten, da dies im Bereich der Gefährdungshaftung den einzelnen Bürger besonders berührt. Noch immer müssen die meisten betroffenen Familien bei einem tödlichen Verkehrsunfall eine erhebliche Minderung ihres Lebensstandards hinnehmen. Nach einer 1970 erschienenen Untersuchung mußten zwei Drittel der Witwen und ein Drittel der Witwer einen wesentlichen Rückgang ihres Einkommens feststellen. Insbesondere sind es auch die teilweie sehr langen Wartefristen bis zur Auszahlung der Versicherungsleistungen, die den Betroffenen Nachteile und viel Ärger bringen. Fast ein Drittel aller Haftpflichtfälle werden nicht in Jahresfrist abgewickelt. Lange Verzögerungen treten bei der gerichtlichen Regulierung von Schadensfällen auf.
Ferner läßt die Koordination zwischen den verschiedenen Leistungsträgern zu wünschen übrig. Wegen des Nebeneinander von Haftpflichtversicherung, Sozialfürsorge und oft vorhandener privater Kaskoversicherungen sowie Unfall- und Krankenversicherung sind zahlreiche Versicherungsrisiken mehrfach gedeckt. Notwendigerweise treten dadurch schwierige Probleme auf, und zwar dann, wenn es darum geht, zu ermitteln, welcher Leistungsträger in welchem Umfang den Schaden letztlich zu tragen hat.
Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Mehrfachversicherung gleicher Risiken mehrfachen Prämien-, aber auch mehrfachen Verwaltungsaufwand erfordert.
Daneben gibt es Ärger bei Schutzlücken in unserem Haftungssystem. Der Haftungsausschluß des unabwendbaren Ereignisses läßt beispielsweise ein spielendes Kind ohne Entschädigung bleiben, das hinter einem entgegenkommenden Fahrzeug plötzlich seinem auf die Fahrbahn rollenden Ball nachgelaufen ist und von einem vorbeifahrenden Auto verletzt wird.
Schließlich läßt in der Bundesrepublik das Verhältnis von Aufwendungen der Versicherungsträger für Sach- und Personenschäden von 75 zu 25 die Frage entstehen, ob das Prämienaufkommen noch nach zeitgerechten Maßstäben auf die einzelnen Schadensarten verteilt wird. Jedenfalls sind in Frankreich, Italien und der Schweiz die Aufwendungen für Personen- und Sachschäden annähernd gleich groß.
Ich will die Aufzählung der Probleme nicht weiter fortsetzen, will aber noch einmal auf die fortdauernde Reformaufgabe hinweisen, die diesem Hause auch künftig auf diesem Gebiete gestellt bleibt. Die vom Regierungsentwurf aufgegriffenen Einzelprobleme sind wichtig genug, um sie schnell und unter Hintanstellung sonstiger Fragen einer sachgerechten Lösung zuzuführen.
So haben die völlig unzureichenden Haftungshöchstgrenzen bei Eisenbahnunglücken den Bundestag wiederholt beschäftigt. Ich muß hier an die Eisenbahnunglücke von Radevormwald und Warngau erinnern, die sofort auch die Frage nach den Haftungshöchstgrenzen aufgeworfen hatten. Die „schnelle und unbürokratische finanzielle Hilfe", die in solchen Fällen zugesagt wird, würde natürlich erleichtert, wenn man nicht erst nach dem mög16246
lichen Verschulden von Eisenbahnbediensteten fragen müßte, sondern schon im Hinblick auf die Gefährdungshaftung den oder die Ausgleichsbeträge ohne Rücksicht auf ein mögliches Verschulden zahlen könnte.
In Zukunft wird bei Personenschäden bis zu einer Jahresrente von 30 000 DM für jede getötete oder verletzte Person gehaftet. Die Haftungshöchstgrenze bei Sachschäden wird von 25 000 DM auf 100 000 DM für ein Schadensereignis heraufgesetzt. Diese Vorschriften sollen selbstverständlich auch für Schwebebahnen gelten.
Neben der längst überfälligen Erstreckung der Gefährdungshaftung auf die Gewinnung und den Transport von Öl, Ölprodukten und Erdgas werden auch die Haftungshöchstgrenzen nach dem Luftverkehrsgesetz wesentlich erhöht. Die Haftungshöchstgrenze für eine Boeing-707 beispielsweise lag bisher bei rund 5,5 Millionen DM; künftig werden es 30 Millionen DM sein. Eine derartige Anhebung ist erforderlich, um auch in den denkbaren Fällen, in denen ein Luftfahrzeug über dicht besiedeltem Gebiet abstürzt, eine angemessene Entschädigung sicherzustellen.
Hinzuweisen ist ferner auf die Heraufsetzung der Haftungshöchstbeträge für Personenschäden von Passagieren bei innerstaatlichen Flügen von jetzt 67 500 DM auf künftig 320 000 DM. Bei Gepäck soll die Haftungshöchstgrenze nach dem Entwurf 3 200 DM betragen.
Ich habe schon dargelegt, daß es auf eine schnelle Verabschiedung dieser Neuregelung ankommt. Ich darf dennoch schon hier anmelden, daß ein Punkt, zu dem die Vorarbeiten allerdings schon weit gediehen sind und der deshalb keine wesentliche Verzögerung erwarten läßt, seitens meiner Fraktion bei den Beratungen im Rechtsausschuß eine wichtige Rolle spielen wird. Es geht um die Einführung eines Schmerzensgeldes in Fällen der Gefährdungshaftung. An positiven Stimmen hierzu mangelt es nicht. Schon der Deutsche Juristentag hat sich im Jahre 1964, also vor über elf Jahren, für die Einführung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld ausgesprochen.
Wir haben ja bisher überhaupt in unserem Haftungssystem ein etwas gestörtes Verhältnis zum Schmerzensgeldanspruch. Einerseits wird, wenn es um den Ersatz der entferntesten Vermögensnachteile geht, beispielsweise durch die Beschädigung des Pkw, sehr großzügig verfahren, andererseits sind wir bei Fragen des Personenschadens oder gar des immateriellen Schadens noch immer eher restriktiv. Die Regulierung eines Lackschadens an einem Pkw ist problemloser als etwa die Regulierung eines bleibenden Körperschadens, z. B. des Verlusts eines Armes. Dies ist auf die Dauer unerträglich.
({0})
Allerdings ist seit einiger Zeit in der Rechtsprechung erfreulicherweise eine Tendenz zu beobachten, die z. B. auf die Zuerkennung angemessener Schmerzensgeldbeträge oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, auf die Qualifizierung des durch Arbeitsleistung verdienten Urlaubs als vermögenswertes Gut gerichtet ist. Wir können ferner beobachten, daß bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - allerdings vornehmlich bei Prominenten - horrende Summen ausgeworfen werden.
Diese Entwicklung beim Schmerzensgeld sollte ausgewogener werden, um die Vorteile der beginnenden Neubewertung immaterieller Schäden einem weiteren Kreis von Verletzten zukommen zu lassen. In der Schadenersatzfrage darf der Mensch nicht länger gegenüber der Sache benachteiligt werden.
Allerdings ist bei der Einführung eines Schmerzensgeldes für Tatbestände der Gefährdungshaftung eine Bagatellklausel unumgänglich, die Schmerzensgelder für unerhebliche Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ausschließt. So kann sinnvoll dort Hilfe gewährt werden, wo ihr Ausbleiben besonders unbillig wäre, und so können die wirtschaftlichen und versicherungsrechtlichen Auswirkungen gering gehalten werden. Zum einen sind in der Masse der Verkehrsunfälle zugleich ein Verschulden und damit der Weg zum Schmerzensgeld ohnehin gegeben. Zum anderen wird von der Bagatellklausel ein dämpfender Effekt auf die gesamte Praxis der Schmerzensgeldregelung ausgehen, da gerade durch Schmerzensgeldforderungen für geringfügige Verletzungen verwaltungsmäßig besondere Belastungen entstehen.
Soweit in Zukunft ein Schmerzensgeld bei Gefährdungshaftung in Betracht kommt, werden des weiteren die Rechtskosten für Anwalt und Gericht in weiten Bereichen wegfallen; eine finanzielle Entlastung, die ebenfalls zu berücksichtigen ist.
Mit dieser Vorankündigung eines durch die SPD-Fraktion beabsichtigten weiteren Schwerpunktes der Novelle bei den Ausschußberatungen möchte ich meine Ausführungen schließen. Ich danke für Ihre Geduld.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arnold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung läßt das geltende Haftungssystem im Grundsatz unverändert. Er beschränkt sich im wesentlichen auf zwei Änderungen, die allerdings wichtig sind, nämlich die Erhöhung der Haftungshöchstgrenzen sowie die Anwendung der Vorschriften über die Gefährdungshaftung bei Rohrleitungen auf weitere Gebiete.
Da die jetzt geltenden Haftungshöchstbeträge einen ausreichenden Schutz der Unfallopfer nicht mehr gewährleisten, begrüßen wir es, daß die Sätze nach dem Reichshaftpflichtgesetz und nach dem Straßenverkehrsgesetz verdoppelt und auch die Höchstbeträge nach dem Luftverkehrsgesetz angehoben werden sollen. Ebenso, meinen wir, ist es geboten, die Gefährdungshaftung auf sämtliche Leitungsanlagen für Elektrizität, für Gase, Dämpfe und
Flüssigkeiten auszudehnen sowie eine Anpassung der Haftungsgrundsätze bei Bahnen und Kraftfahrzeugen herbeizuführen. Wir begrüßen es schließlich auch, daß im Gesetz eine Verdeutlichung von Begriffen vorgenommen wird, wodurch der Gesetzestext klarer wird, als das bei dem jetzt geltenden Recht der Fall ist.
Der Entwurf sieht allerdings davon ab, weitergehende Änderungen zum Schadensersatzrecht vorzuschlagen, Änderungen, wie sie beispielsweise schon im Jahre 1967 in einem Referentenentwurf vorgesehen waren. Er erfüllt auch nicht die Erwartungen der Wirtschaftsministerkonferenz vom 7. Februar 1973, auf der Leitsätze für die haftungsrechtliche Regelung des Baus und des Betriebes von Rohrleitungen beschlossen wurden. Auch im Lufthaftungsrecht bestehen. Probleme, die im Interesse der Geschädigten geklärt werden müssen; ein Umstand, auf den - wie auch auf andere Punkte - der Bundesrat zu Recht in seiner vorliegenden schriftlichen Stellungnahme besonders hinweist.
Ich denke, wir sollten diese zugegebenermaßen schwierigen, im Entwurf noch nicht berücksichtigten Fragen im Ausschuß auch ansprechen; wir sollten nach Lösungen suchen. Sollte das in den kommenden Wochen und Monaten aus zeitlichen Gründen abschließend nicht mehr möglich sein, so könnten doch sicherlich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß der neue Bundestag die dann notwendigen ergänzenden Regelungen bald beschließen kann.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf versteht sich als eine Vorabmaßnahme. Mit der zunehmenden Technisierung auf sehr engem Raum gewinnt die Gefährdungshaftung Bedeutung. Bis zur völligen Neuregelung dieses Bereichs auch in internationaler und insbesondere europäischer Abstimmung wird noch einige Zeit ins Land gehen.
Um so wichtiger ist es, daß der vorliegende Entwurf in zwei Bereichen Lösungsmöglichkeiten, die besonders dringlich sind, bringt, zum einen, indem die Gefährdungshaftung auf weitere Tatbestände und Bereiche erstreckt wird, und zum anderen, indem die Haftungshöchstgrenzen ganz wesentlich erhöht werden.
Lassen Sie mich zum zweiten Punkt einige Anmerkungen machen: Die Haftungshöchstgrenzen im geltenden Recht entsprechen seit vielen Jahren nicht mehr den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Immer dann, wenn sich spektakuläre Großunfälle ereignen, die quer durch die Presselandschaft sowie in Fernsehen und Rundfunk breiten Widerhall finden, schreckt die öffentliche Meinung auf und beginnt auch über die Haftungshöchstgrenzen zu diskutieren; denn es wird im Zuge solcher Großunfälle nach einiger Zeit immer deutlich, daß für die Betroffenen mit
dem Krankenhausaufenthalt und der Auseinandersetzung mit den körperlichen Dauerfolgen der Leidensweg noch lange nicht beendet ist.
Im letzten Jahr haben sich gerade im Bereich der Deutschen Bundesbahn schwere Unfälle ereignet. In München hat gestern der Prozeß begonnen, der die Eisenbahnkatastrophe -von Warngau in Oberbayern strafrechtlich zu würdigen hat, bei der am 8. Juni 1975 41 Menschen getötet und 126 Passagiere zum Teil schwer verletzt wurden.
Unsere Verpflichtung als Gesetzgeber ist es, nun endlich ausreichende Haftungshöchstbeträge in den Gesetzen vorzusehen. Es ist gerade in diesem Zusammenhang auch zu begrüßen, daß der Entwurf eine begrenzte Rückwirkung vorsieht und damit auch noch für in der Abwicklung befindliche Fälle relevant wird.
Wir als Gesetzgeber haben allerdings - Herr Kollege Lambinus hat es auch bereits angesprochen - sehr geringen Einfluß darauf, daß insbesondere im Bereich der öffentlichen Hand die Regulierung von Unfällen zuweilen recht zögernd vonstatten geht. Der unmittelbar der Katastrophe folgenden Erklärung, daß alle Betroffenen in der großzügigsten Weise entschädigt würden, folgt anschließend oft ein jahrelanges Hickhack, das in dieser Weise nicht mehr länger hinnehmbar ist. Das muß mit aller Deutlichkeit anläßlich der ersten Lesung dieses Entwurfs einmal gesagt werden.
({0})
Ich halte es auch für begrüßenswert, daß Kraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h nun nicht länger von der Gefährdungshaftung ausgenommen werden. Allerdings werden wir uns bei den Beratungen auch darüber unterhalten müssen, ob diese Fahrzeuge nicht doch einer Pflichtversicherung unterworfen werden sollten.
Sicherlich ist der Hinweis richtig, daß im Regelfall eine Betriebshaftpflichtversicherung besteht. Aber das ist eben nur der Regelfall. Ich erinnere mich sehr genau an einen Fall, den ich beruflich in meinem Büro zu bearbeiten hatte, wo eine selbstfahrende Arbeitsmaschine bei Dunkelheit nahezu unbeleuchtet am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat und wo es zum Auffahren eines Pkw gekommen ist - der Unfall forderte ein Todesopfer - und wo es bei einem wirtschaftlich schwachen Gegner völlig hoffnungslos war, im materiellen Bereich den Betroffenen auch nur in etwa zu ihrem Recht zu verhelfen. Das gibt ganz sicher Veranlassung, gleichfalls über die Frage der Pflichtversicherung bei den Beratungen noch einmal nachzudenken.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Sie ersehen aus der gedruckten Tagesordnung, welchen Vorschlag der Ältestenrat zur Überweisung gemacht hat. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Vizepräsident von Hassel
Ich rufe die Punkte 14, 15 und 16 der Tagesordnung zusammen auf:
14. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Becker ({2}), Dr. Narjes, von Bockelberg, Erhard ({3}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
- Drucksache 7/4754 -Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Finanzausschuß ({4})
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Haushaltsausschuß
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und zu dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Ziviloder Handelssachen
- Drucksache 7/4892 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen
- Drucksache 7/4893 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Das Wort wird dazu nicht gewünscht.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der gedruckten Tagesordnung. Ist das Haus mit den Vorschlägen einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so .beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses ({5}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({6})
- Drucksachen 7/4265, 7/4871 Berichterstatter: Abgeordneter Kirst
Ich danke dem Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Darf ich davon ausgehen, daß dem Antrag des Ausschusses zugestimmt wird? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Auswärtigen Ausschusses ({7}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Bericht des Auswärtigen Amtes über den Stand der Reform des Auswärtigen Dienstes
- Drucksachen 7/1551 ({8}), 7/4833 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich danke dem Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Darf ich feststellen, daß das Haus entsprechend dem Antrag des Ausschusses zu beschließen wünscht? - Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({9})
betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten
- Drucksache 7/4875 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. h. c. Mertes ({10})
Ich danke dem Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Darf ich feststellen, daß gemäß dem Ausschußantrag beschlossen wird? - Ich sehe keinen Widerspruch.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({11}) zu den von der Bundesregierung beschlossenen Verordnungen zur
Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({12})
Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({13})
Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({14})
- Drucksachen 7/4685, 7/4654, 7/4674, 7/4869 Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfram ({15})
Ich danke dem Berichterstatter. - Das Wort wird nicht begehrt.
Ich stelle fest, daß das Haus gemäß dem Antrag des Ausschusses beschlossen hat.
Ich rufe die Punkte 21 und 22 unserer Tagesordnung gemeinsam auf - es handelt sich um Berichte des Ausschusses für Wirtschaft, von denen das Haus nur Kenntnis zu nehmen hat -:
Vizepräsident von Hassel
21. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({16}) zu der von der Bundesregierung erlassenen
Einunddreißigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
Zweiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz
- Drucksachen 7/4527, 7/4610, 7/4867 Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfram ({17})
22. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({18}) zu der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({19})
- Drucksachen 7/4531, 7/4868 Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfram ({20})
Anträge aus der Mitte des Hauses werden nicht gestellt. Wir haben von diesen Berichten also Kenntnis genommen.
Bevor ich jetzt in der Tagesordnung fortfahre, mache ich darauf aufmerksam, daß zu Punkt 23 eine Wortmeldung vorliegt, so daß sich der Beginn der Fragestunde möglicherweise um 15 Minuten verzögern wird.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({21}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Einheiten im Meßwesen
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Kontrollwaagen
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Edelmetallarbeiten
Verordnung ({22}) des Rates zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung ({23}) Nr. 109/70 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf andere Erzeugnisse
Verordnung ({24}) des Rates zur Aufnahme weiterer Waren in Spalte 2 der Liste in Anhang I der Verordnung ({25}) Nr. 1439/74 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung
Verordnung zur Änderung der Verordnungen Nr. 109/70 und Nr. 1439/74 hinsichtlich der gemeinsamen Regelungen für die Einfuhr aus Staatshandelsländern und anderen Drittländern
Verordnung ({26}) des Rates über die gemeinsame Regelung für Einfuhren von Textilerzeugnissen im Rahmen des passiven Veredelungsverkehrs
Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik über die Selbstbeschränkung für portugiesische Ausfuhren von Tomatenkonserven für das Jahr 1976
Richtlinie des Rates zur Anwendung der Richtlinie des Rates vom 4. März 1969 hinsichtlich der Bewilligung aktiver Veredelungsverkehre mit bestimmten Ursprungserzeugnissen der EFTA-Staaten und del Färöer
Verordnung ({27}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern ({28})
Vorschlag einer Verordnung ({29}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({30}) Nr. 2506/75 zur Festlegung besonderer Vorschriften für die Einfuhr von Erzeugnissen des Weinsektors mit Ursprung in bestimmten Drittländern
Verordnung ({31}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais résineux", der Tarifstelle 38.08 A, mit Ursprung in Österreich, Finnland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden und der Schweiz
Verordnung ({32}) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel, mit dem die Anwendung der Zollsenkung für Einfuhren von Tomatenmark mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft ausgesetzt wird
- Drucksachen 7/4507, 7/4626, 7/4526, 7/4566,
7/4701, 7/4721, 7/4505, 7/4645, 7/4644, 7/4715
' 7/4592, 7/4657, 7/4866 Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfram ({33})
Dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer um das Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Behandlung von EG-Vorlagen im Deutschen Bundestag, besonders im Plenum, ist in letzter Zeit wiederholt angesprochen worden. Das ist auch gut so. Bekanntlich befassen sich mit den Möglichkeiten einer Reform auf diesem Gebiet eine Reihe von parlamentarischen Gremien. Wenn ich heute an unserem praktisch einzigen Plenartag dieser Woche trotz einer Plenarpräsenz von nur rund 35 bis 40 Kollegen dennoch um das Wort gebeten habe, dann aus drei Gründen.
Erstens konnte ich feststellen, daß wir hier, als in den letzten Wochen Europavorlagen auf der
Tagesordnung standen, u. a. über mindestens eine Verordnung abgestimmt haben, die vom EG-Ministerrat längst zurückgezogen worden war, ohne daß das irgend jemand aufgefallen wäre, und wir mehrfach Vorschläge der Kommission zum Erlaß von Rechtsverordnungen zustimmend zur Kenntnis genommen haben, die schon lange vor unserem zur Routine gewordenen Handaufheben vom Rat in Brüssel in Kraft gesetzt worden waren. Es handelt sich somit im Deutschen Bundestag jeweils um zum Teil völlig überflüssige Unterfangen.
Zweitens möchte ich im Rahmen eines solchen Tagesordnungspunkts kurz zu der grundsätzlichen Seite der Behandlung von EG-Vorlagen Stellung nehmen, weil wir meines Erachtens als Parlamentarier der Bevölkerung gegenüber die aufklärerische Pflicht haben, immer wieder auf die Probleme hinzuweisen, die sich für uns in der Bundesrepublik aus dem Prozeß der europäischen Integration seit 1958 ergeben.
Drittens. Schließlich möchte ich, ja muß ich mein seit einigen Monaten praktiziertes Abstimmungsverhalten im Hinblick auf diese ständig vor leerem Hause ohne Aussprache abgehandelten EG-Vorlagen zu Protokoll erläutern. Ich stimme seit längerem mit Nein, und zwar aus Gründen, die denen des verehrten Kollegen Wehner, der ja auch häufig mit Nein stimmt, zum Teil entgegengesetzt sind. Während der Herr Kollege Wehner.- dafür bringe ich durchaus Verständnis auf - befürchtet und beklagt, daß sich der Deutsche Bundestag seiner klassischen parlamentarischen Funktion der Kontrolle der Exekutive begibt, und daher fordert, wir sollten in diesem Heuse Europa-Vorlagen genauer prüfen, bin ich der Auffassung, daß wir zwar- eine echte Prüfung in vielen Fällen vorzunehmen hätten, daß wir aber auf die Einbringung einer ganzen Reihe von Vorlagen verzichten sollten.
Zum einen ist eine echte Mitwirkung dieses Parlaments am eigentlichen Entscheidungsprozeß in Brüssel nach den Europa-Verträgen selber gar nicht möglich, ja nach meiner Auffassung sogar gar nicht erwünscht. Wir täuschen daher hier im Deutschen Bundestag eine Funktion vor, die wir gar nicht besitzen und gar nicht mehr besitzen können.
Zum zweiten sollte meines Erachtens gerade der Deutsche Bundestag in Westeuropa Schrittmacher sein auf dem Weg zu weiteren sichtbaren Verzichten auf nationale Souveränitätsrechte, also nationale Entscheidungsrechte; denn wir wollen ja auf Europa zugehen. Mit solchen Verzichten auf nationale Entscheidungsrechte wollten bekanntlich die Väter der Europa-Verträge nach dem Zweiten Weltkrieg den Grundstein für eine neue supranationale Organisationsform legen, also eine Organisationsform, die über den nationalen Rahmen hinausgeht und die immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens in den Ländern der Gemeinschaft einer Integration zuführen und schließlich das große Endziel der Vereinigten Staaten von Europa verwirklichen sollte, das von alt und jung besonders nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland stürmisch begrüßt wurde.
Unsere Grundgesetzväter hatten ihrerseits in der Präambel und in dem sogenannten Integrationsartikel 24 unseres Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland eine solche Entwicklung von Anfang an verfassungsrechtlich ermöglicht. Unsere staatlichen Organe, Legislative wie Exekutive, sollten - das war ihre Absicht - mehr und mehr nationale Entscheidungskompetenzen an ein zu schaffendes Europa abtreten.
Meine Damen und Herren, wir wissen nun seit langem, daß keineswegs alle europäischen Blütenträume der ersten Stunden nach dem Zweiten Weltkrieg gereift sind, ja daß nicht wenige von ihnen einer Frostperiode des Rückfalls in nationale Egoismen zumindest über einige Jahr hinweg zum Opfer fielen. Dennoch bleibt im Hinblick auf die europäischen Tagesordnungspunkte in diesem Hause der staats- und europarechtliche Grundtatbestand, daß im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft laufend neues Gemeinschaftsrecht geschaffen wird, auf dessen Setzung die einzelnen nationalen Parlamente in der Gemeinschaft in entscheidenden Bereichen keinen Einfluß mehr ausüben können und eben nach dem Willen der Vertragsgründer auch nicht ausüben sollten. Angesichts der dadurch ausgelösten Entwicklung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hin zu parlamentarisch letztlich nicht mehr kontrollierbaren europäischen Exekutivtechnokratien kann es - das wissen wir alle - für jeden engagierten Anhänger der parlamentarischen Demokratie und des Gedankens eines Vereinigten Europa nur eine Alternative geben: entweder den Prozeß der europäischen Integration zurückzudrehen oder aber endlich nach Abhaltung europäischer Direktwahlen, die, wie wir immer noch hoffen, 1978 stattfinden werden, das Europäische Parlament gegenüber Kommission und Ministerrat entscheidend zu stärken. Die Bundesregierung wie das Haus insgesamt, also quer über alle Parteien hinweg, sind zum letzteren Kurs entschlossen.
Es ist aber meines Erachtens der Sache Europas und der Sache der parlamentarischen Demokratie abträglich, wenn wir hier im Bundestag bis zum Zusammentreten eines direkt gewählten Europäischen Parlamentes mit größeren Kontrollbefugnissen weiterhin der Farce - ich muß es leider so nennen - einer Beteiligung an einem europäischen Entscheidungsprozeß durch regelmäßige Abstimmungen über alle eingehenden EG-Vorlagen huldigen und damit letztlich so tun, als ob wir Mitglieder des Bundeskabinetts in deren Funktion als Mitglieder des Rates in Europa im Hinblick auf wirklich entscheidende Gemeinschaftsbeschlüsse parlamentarisch zur Verantwortung ziehen, geschweige denn ihnen Weisungen erteilen können. Ich sage „entscheidend", weil von einem parlamentarischen Vortäuschen falscher Tatsachen im Bundestag in erster Linie natürlich im Zusammenhang mit einer der drei nach Art. 189 des EWG-Vertrages möglichen Formen der europäischen Rechtsetzung gesprochen werden muß, d. h. im Hinblick auf Verordnungen, die ja auch heute wieder - unter Punkt 23, zu dem ich spreche - auf der Tagesordnung stehen.
Diese Verordnungen sind bekanntermaßen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in allen ihren Teilen verbindlich und dort unmittelbar geltendes Recht. Die Partner der Römischen Verträge entschieden sich seinerzeit in jedem Falle bei Verordnungen dazu, den betreffenden Organen der Gemeinschaft das Recht zur unmittelbaren Rechtsetzung ohne Einschaltung der nationalen Gesetzgeber zu übertragen, Durch sie wird eben laufend neues Europarecht geschaffen - das muß der Bevölkerung deutlich gemacht werden -, das nach einigen wichtigen Urteilen maßgeblicher Gerichte, auf jeden Fall aber nach der herrschenden sogenannten Lehrmeinung der betroffenen Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit diesen Dingen ständig beschäftigen, im Kollisionsfalle in der Bundesrepublik sogar vor unserem Grundgesetz, auf jeden Fall aber vor unseren Gesetzen rangiert. Dieses europäische Gemeinschaftsrecht - ich sage es noch einmal - geht also im Zweifelsfalle unserem Grundgesetz vor und auf jeden Fall den Gesetzen in der Bundesrepublik Deutschland.
Anders hat der Befund zu lauten, der sich aus EG-Entscheidungen und -Richtlinien für das nationale Recht und das Verfassungssystem der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ergibt. Hier können und müssen wir oft durch nationale Gesetzgebung den von der Gemeinschaft vorgeschlagenen Rahmen ausfüllen.
Allein schon wegen des unterschiedlichen Gehaltes der einzelnen Vorlagen, die dem Bundestag zur Kenntnisnahme bzw. Beschlußfassung vorgelegt werden, verbietet sich meines Erachtens die Fortsetzung des bisher undifferenzierten Bündelns sowohl von Verordnungen als auch von Entscheidungen und Richtlinien zu Tagesordnungspunkten dieses sogenannten Hohen Hauses, wie es heute unter Punkt 23 der Tagesordnung ersichtlich ist.
Nun ist aber bekanntlich in unserem gesamten Zusammenhang nicht nur an die europavertragliche Ausgangslage zu erinnern, sondern auch an die Fassung des seinerzeit im Deutschen Bundestag verabschiedeten Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen. Danach hat ja die Bundesregierung Bundestag und Bundesrat über die Entwicklung im europäischen Rat laufend zu unterrichten, und zwar, soweit durch einen Ratsbeschluß innerdeutsche Umwandlungs- oder Ausführungsgesetze notwendig werden, vor Beschlußfassung des Rates. Wohlgemerkt: hier geht es ausdrücklich nur um eine Unterrichtung; von einer parlamentarischen Mitbestimmung war bei diesem Zustimmungsgesetz vor Jahren nie die Rede.
Diesen Unterschied gilt es immer wieder deutlich zu machen, weil ja Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sofern sie überhaupt noch von diesen europäischen Tagesordnungspunkten Kenntnis nehmen - ich wiederhole: die Plenarpräsenz des heutigen Vormittages spricht nicht gerade für diese Vermutung -, gelegentlich das Gefühl haben oder hatten, sie genössen zwar keine Entcheidungsbefugnisse in Sachen Europa, aber doch irgendwie Mitwirkungsrechte.
Selbst die Theorie von einer dem Parlament zustehenden Vorabunterrichtung, wie wir ihr heute wieder zu huldigen versuchen, geht am Kern der Praxis völlig vorbei. Sehr häufig - wenn nicht sogar in der Regel - kommt, wie wir wissen, die parlamentarische Kenntnisnahme im Plenum, ja selbst im zuständigen Ausschuß, zu spät. Die europäischen Räte haben längst entschieden. An ihren Beschlüssen ist auch durch eine dann versuchte Einflußnahme dieses Parlaments nicht mehr zu rütteln, und schon gar nicht könnte der Deutsche Bundestag gegen eine getroffene EG-Maßnahme ein rechtsverbindliches Veto einlegen. Er könnte höchstens die deutschen „Europaräte", an der Spitze den deutschen Bundeskanzler, sozusagen auf unserer nationalen Bühne hier zur Verantwortung ziehen und im Extremfall durch ein Mißtrauensvotum aus ihrem exekutiven Tun entlassen. Schon diese Möglichkeit auch nur anzudeuten, macht eben den Charakter der Farce, die sich in diesem Hause immer wieder abspielt, sichtbar.
Unsere englischen Parlamentskollegen haben im Herbst 1975 das Problem sehr ausführlich diskutiert und danach neue Geschäftsordnungspraktiken zur besonderen Behandlung sogenannter europäischer Sekundärgesetzgebung eingeführt, allgemein in einer Richtung, die wir in der Bundesrepublik Deutschland allerdings schon hinter uns haben. Dem Unterhausprotokoll kann man in diesem Zusammenhang im übrigen nur voller Neid entnehmen, daß die Briten in der gegenwärtigen Legislaturperiode, d. h. seit dem letzten Wahlsieg des noch amtierenden Premierministers Wilson, EG-Fragen bereits 67 Stunden lang im Unterhaus behandelt haben und dieses Thema an elf Debattentagen der Haupttagesordnungspunkt des britischen Parlaments gewesen ist. Dabei muß man allerdings berücksichtigen, daß das britische Unterhaus sehr viel mehr Debattentage in der Woche ansetzt, als wir es mit unseren eineinviertel Tagen, in dieser Woche sogar nur mit einem halben Tag, tun.
Der Deutsche Bundestag hat ebenso wie die Wissenschaft seit 1958 immer wieder Reformvorschläge gemacht bzw. auch in die Tat umgesetzt, insbesondere im Hinblick auf eine beschleunigte Behandlung von europäischen Vorlagen in den zuständigen Ausschüssen. Ganz auf der Linie der jüngsten englischen Überlegungen hatten wir auch schon einmal einen Sonderausschuß des Bundestages für diese Fragen, wie die älteren Kollegen wissen. Neuerdings ist dieser Vorschlag wieder aufgenommen worden. Ein weiterer geht dahin, bei EG-Vorlagen stärker zwischen politisch bedeutsamen und weniger bedeutsamen zu unterscheiden und bei den letzteren darauf zu verzichten, dem Plenum überhaupt Kenntnis zu geben. Wenn aber dann auf Grund eines entsprechenden Ausschußberichts das Plenum mit einer wichtigen EG-Vorlage befaßt wird - und an diesem Punkte bin ich mit Herrn Kollegen Wehner einig -, sollte darüber in der Tat auch ausführlicher diskutiert werden. Man kann gespannt sein, meine Damen und Herren, was der Geschäftsordnungsausschuß dieses Bundestages in dieser Frage hoffentlich recht bald - ich unterstreiche diese Hoffnung - an neuen Vorschlägen vorlegen wird.
Ich persönlich gehe noch weiter und meine - das kann ich hier nur noch summarisch abschließend
andeuten -, daß wir künftig im Plenum Verordnungen der Gemeinschaft, die in Brüssel zur Verabschiedung anstehen und oft schon längst erlassen sind, aus den von mir angedeuteten Gründen überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nehmen, geschweige denn über sie abstimmen sollten.
({0})
- Das können wir überlegen, Herr Kollege. - Es wäre auch daran zu denken, daß künftig alle vier Wochen eine Fragestunde von 90 Minuten Dauer ausschließlich Fragen der Europäischen Gemeinschaft gewidmet wird, wie das zum Teil in Großbritannien gehandhabt wird, und wir im übrigen in sehr viel regelmäßigeren Abständen in diesem Hause Europadebatten auf die Tagesordnung gesetzt bekommen, was ja nächste Woche wieder einmal der Fall sein wird. Dies geschieht aber, wie ich meine, nicht häufig genug.
Abschließend möchte ich zusammenfassend formulieren: So wie die Dinge jetzt praktiziert werden, stärken wir weder die Idee der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland noch die eines supranationalen Europa. Beides aber müßten wir als höchstes parlamentarisches Gremium der Bundesrepublik Deutschland energisch wollen und energisch deutlich machen.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldundungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses in Drucksache 7/4866 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme ohne Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe die Punkte 24 und 25 der Tagesordnung auf:
24. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({3}) des Rates zur Ergänzung von Anhang 1 der Verordnung ({4}) Nr. 1035/72 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse
- Drucksachen 7/4625, 7/4870 - Berichterstatter: Abgeordneter Eigen
25. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({6}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 1463/70 des Rates vom 20. Juli 1970 über die
Einführung eines Kontrollgeräts im Straßenverkehr
- Drucksachen 7/4307, 7/4898 -Berichterstatter: Abgeordneter Hoffie Ich danke den Berichterstattern.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die beiden Punkte gemeinsam abstimmen? - Ich höre dazu keinen Widerspruch.
Ich komme damit zur Abstimmung über die Anträge der Ausschüsse auf den Drucksachen 7/4870 und 7/4898. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich kehre damit zurück zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksache 7/4926 -
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf.
Die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Dr. Jahn ({8}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 50 und 51 des Abgeordneten Dr. Schneider werden auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Milz werden ebenfalls auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Auch die Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Sick werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Das gleiche gilt für die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Dr. Waffenschmidt sowie für die Fragen 58 und 59 des Abgeordneten Dr. Warnke. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 76 des Abgeordneten Gerster ({9}) wird ebenfalls auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 77 und 78 des Abgeordneten Wolfram ({10}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 79 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:
Welche Begründung kann der Bundespostminister dafür geben, daß für die Olympiamarke zu 70 Pfennig und einem Zuschlag von 35 Pfennig zugunsten der deutschen Sporthilfe mit dem Motiv der Sportart Rudern nicht der vom Kunstbeirat einstimmig vorgeschlagene Entwurf, sondern das von ihm abgelehnte Bildnis des DDR-Silbermedaillengewinners von den sachkundigen ReVizepräsident von Hassel
ferenten für Briefmarken im Bundespostministerium und im Bundesinnenministerium genommen wurde, und haben dabei persönliche oder private Gründe eine Rolle gespielt, und trifft es zu, daß der zuständige Referent im Bundespostministerium demnächst Präsident der Bundesdruckerei in Berlin werden soll?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar.
Zur Vorlage von Entwürfen für die Zuschlagsmarken zugunsten der Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V. „Jugend trainiert für Olympia" wurden Graphiker aufgefordert, von denen der Kunstbeirat der Deutschen Bundespost bereits früher Entwürfe zu anderen Themen ausgewählt hat. Aus den eingereichten Entwürfen wählte der Kunstbeirat einstimmig die Entwürfe des Graphikers-Ehepaares Schillinger aus. Diese Entwürfe wurden ausgeführt und werden als Jugendmarkenserie 1976 am 6. April 1976 ausgegeben.
Um dem Wunsch der Deutschen Sporthilfe auf möglichst schnelle Herausgabe einer weiteren Zuschlagsmarkenserie entsprechen zu können, wurde im November 1975 auf die für die Jugendmarkenserie nicht verwendeten Entwürfe zurückgegriffen. Die Auswahl wurde von den zuständigen Beamten des Bundesinnenministeriums und des Bundespostministeriums getroffen. Persönliche oder private Gründe haben bei 'der Auswahl der Entwürfe keine Rolle gespielt.
Der für Postwertzeichen zuständige Referent im Bundespostministerium wird im Rahmen einer langfristigen Personalplanung mit Wirkung vorn 1. April 1976 Präsident der Bundesdruckerei Berlin.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär Haar, waren sich die auswählenden Referenten im Bundespostministerium und im Bundesministerium des Innern darüber im klaren, daß es sich hierbei um eine Abbildung des DDR-Vierers handelt?
Nein, das erkannten die Beamten nicht, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, können wir damit rechnen, daß in der Zukunft auf Briefmarken der DDR etwa unsere Rosi Mittermaier erscheint?
({0})
Das ist eine Frage, die ich hier nicht beantworten kann, Herr Kollege.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Evers.
Herr Staatssekretär Haar, sind Sie bereit, einzuräumen, daß die Vertreter der Deutschen Sporthilfe, zu deren Gunsten diese Briefmarke mit Zuschlag herausgegeben wird, bei der Vorauswahl der Motive bzw. bei ihrer Endauswahl nicht beteiligt worden sind und daß ihre Beteiligung ein derartiges unbeabsichtigtes Verwechseln des Motivs ausgeschlossen hätte?
Herr Kollege, die Beteiligung des Kunstbeirats unterblieb allein aus Zeitmangel. Das gilt auch für weitere Koordinierungsgespräche. Ich habe bereits auf die kurzfristige Entscheidung für die Herausgabe dieser Serie hingewiesen, bei der dann auf alte Entwürfe zurückgegriffen worden ist. Die Entscheidung, eine Olympia-Zuschlagsmarkenserie herauszugeben, ist eben kurzfristig gefallen, so daß ein Wettbewerb für die Gestaltung der Marken nicht mehr ausgeschrieben werden konnte. Oder aber wir hätten den Termin April 1976 nicht mehr ermöglichen können.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Braun.
Herr Staatssekretär, rechnet die Bundesregierung mit finanziellen Forderungen der abgebildeten DDR-Sportler?
Davon gehen wir nicht aus.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 80 des Abgeordneten Niegel auf:
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost in großem Ausmaß öffentliche Fernsprechstellen im flachen Land ({0}) aufgibt, und ist die Bundesregierung gegebenfalls der Meinung, daß dies die Chancengleichheit, die Ausgewogenheit der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land, die Verbesserung der Lebensqualität und die Sicherheit der dortigen Bevölkerung fördert?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Die Deutsche Bundespost gibt nicht in großem Ausmaß öffentliche Sprechstellen auf dem flachen Lande auf. Sie hat im Gegenteil die Zahl der öffentlichen Sprechstellen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren von rund 69 000 auf rund 142 000 erhöht. Damit liegt die Deutsche Bundespost an erster Stelle in Europa. Die Chancengleichheit und Ausgewogenheit der Lebensverhältnisse der Stadt- und Landbevölkerung ist hinsichtlich der fernmeldemäßigen Versorgung voll gewährleistet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, im Zuge der in der Bundesrepublik von den einzelnen Ländern durchgeführten Gebietsreformen könnte leicht die Befürchtung aufkommen, daß sich die Deutsche Bundespost, wenn Gemeinden zusammengelegt werden, sowohl hinsichtlich der Telefoneinrichtungen als auch ihrer sonstigen Einrichtungen aus den Ge16254
meinden draußen zurückzieht, zumindest aus den Dörfern, die keine Gemeinden mehr sind.
Wir sehen keine Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung im ländlich strukturierten Raum, auch nicht nach derartigen organisatorischen Veränderungen, die sich ja in den Ländern unterschiedlich vollziehen. Ich darf vielmehr darauf hinweisen, daß die Entwicklung nach wie vor eine erhebliche Vermehrung der Zahl der öffentlichen Münzfernsprecher aufzeigt. Außerdem wurden die sogenannten gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen, soweit es sich in der Zielsetzung um diese Frage handelt, nur dann umgewandelt oder - in wenigen Fällen, insgesamt acht im Bundesgebiet - aufgehoben, wenn folgende Voraussetzungen vorlagen: eine andere öffentliche Sprechstelle in einer Entfernung von weniger als 500 m Luftlinie vorhanden war, wenn ein öffentlicher Münzfernsprecher im Ort vorhanden war oder wenn die Einwohnerzahl weniger als 30 betrug. Nur dort haben sich bestimmte Veränderungen ergeben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, was unternimmt die Bundesregierung, um das Verantwortungsbewußtsein für den Schutz der öffentlichen Fernsprechstellen gegen mutwillige Zerstörung zu fördern?
Herr Kollege, wir kennen die Problematik. Sie kennen vermutlich auch die diesbezüglichen Ausgaben der Deutschen Bundespost. Die Ausgaben für die Beseitigung der Zerstörung von Fernsprechstellen betragen jährlich 7 Millionen DM, die praktisch die Postkunden mit zu tragen haben. Wir können keine Sonderdienste zur Bewachung von Fernsprechstellen einrichten. In Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Ländern, insbesondere mit den Polizeidienststellen wird natürlich der Versuch gemacht, auf eine vermehrte Überprüfung der öffentlichen Fernsprechstellen hinzuwirken. Was die Post auf ihre Weise tun kann, ist Ihnen bekannt. Sie tut es durch Flugzettel und durch Ankleben von Hinweisen darauf, welche Gefahren entstehen, wenn derartige Zerstörungen überhandnehmen.
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, zunächst die Frage 102 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) :
Welche Vorgänge beim Bundesnachrichtendienst in Pullach haben jüngst zum Rücktritt des dortigen Personalrats geführt?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär Dr. Schüler.
Herr Abgeordneter, es ist nicht zutreffend, daß personalpolitische Entscheidungen zum Rücktritt des Personalrates beim Bundesnachrichtendienst geführt haben. Zu meinem Bedauern ist dies in den letzten Tagen verbreitet worden. Vielmehr ist zutreffend, daß Meinungsverschiedenheiten über das Recht der Beteiligung des Personalrates an der Entscheidung über die Belegung von bestimmten Dienstzimmern zu diesem Rücktritt geführt haben. In einer Abteilung des Dienstes sollten nämlich vorübergehend sieben Hilfsreferenten mit sieben anderen Hilfsreferenten je zu zweit ein Dienstzimmer teilen. Über diese Frage ist es zu diesem Vorgang gekommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, wie kann die Bundesregierung überzeugend widerlegen, was in diesen Tagen verschiedentlich zu lesen war, daß alles, was 1970 die neue Führungsmannschaft beim BND für die schwierige Aufgabe mitbrachte, das richtige Parteibuch war? Und liegt nicht der Grund in der - wie es in dem gleichen Artikel heißt - „verfehlten, parteipolitisch maßlosen Personalpolitik des Vizepräsidenten Blötz"?
Diese Behauptung, Herr Abgeordneter, entbehrt jeder Grundlage. Ich muß dies zurückweisen. Im übrigen ist so, daß der Personalrat der Zentrale bisher in keinem einzigen Falle an die Leitung des Dienstes mit der Behauptung herangetreten ist, daß Personalpolitik unter anderen als aus der Sache gebotenen Gesichtspunkten betrieben werde. Deshalb entbehrt diese Behauptung jeder Grundlage.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Kunz.
Herr Staatssekretär, wie kann die Bundesregierung glaubwürdig den Eindruck vermeiden, daß diese Vorgänge, die zum geschlossenen Rücktritt des Personalrats am 17. März 1976 geführt haben, und der in den letzten Jahren feststellbare Verlust des Vertrauens des Bundesnachrichtendienstes in den befreundeten Ländern die gleichen Ursachen im Bundesnachrichtendienst haben, und wäre es nicht möglich, die erforderlichen Maßnahmen so zu gestalten, daß die Interessen der Bundesrepublik nicht beeinträchtigt werden?
Herr Abgeordneter, der Bundesnachrichtendienst hat bei seinen Partnerdiensten in den letzten Jahren nicht an Vertrauen verloren. Genau das Gegenteil ist richtig. Davon zeugt das überaus hohe Maß an Kooperation mit anderen Diensten. Insoweit ist auch nichts zu veranlassen, was diesen angeblichen Zustand verändern würde. Aus welchen Gründen es zu dem Vorgang gekommen ist, der Anlaß Ihrer Frage ist, habe ich
hier dargestellt. Ich kann gern auf weitere Einzelheiten eingehen, wenn Sie dies wünschen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, wann ist Ihnen der Rücktritt des Personalrats bekanntgeworden, nachdem die Tatsache des Rücktritts in diesem Hause bereits wenige Stunden nach dem Rücktritt durch bestimmte Abgeordnete verbreitet worden ist?
Am Tage des Rücktritts selbst, Herr Abgeordneter. Es ist richtig, daß der Rücktritt zu diesem Zeitpunkt auch in diesem Hause bekannt war.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 103 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Klein ({1}), schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Frage 104 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Grimming, schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf.
Die Frage 105 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Probst, schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 106 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Spranger, ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 107 des Herrn Abgeordneten Sauer. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Welche Aussage von Kabinettmitgliedern über die jüngsten Renten- und Ausreisevereinbarungen mit Polen entspricht der Auffassung des Gesamtkabinetts, die des Bundesaußenministers Genscher, daß der Briefwechsel zu den Verträgen völkerrechtliche Verbindlichkeit hat, oder die von Bundesminister Bahr, daß dies nicht der Fall ist, sondern der Briefwechsel nur den Wert einer nichts verändernden kosmetischen Schönheitsoperation hat?
Zur Beantwortung Herr Staatsminister Moersch, bitte.
Herr Abgeordneter, Ihre Frage hat der Bundesminister des Auswärtigen bereits eindeutig beantwortet. Ich weise Sie auf eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes hin, die im „Bulletin" Nr. 30 vom 19. März 1976 abgedruckt ist. Danach unterstrich Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Bonn noch einmal, daß der Bundeskanzler und er sich für die Bundesregierung vor dem Bundesrat abschließend zur Verbindlichkeit und Bedeutung des Briefwechsels zwischen den beiden Außenministern und der Erklärung des polnischen Außenministers gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP vom 9. März 1976 geäußert haben. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatsminister, stützt die Nichtveröffentlichung des Briefes des Auswärtigen Amtes, in dem das Wort „können" nicht mehr vorkommt, im „Bulletin" der Bundesregierung nicht die Auffassung, daß in den Reihen der Bundesregierung bis heute noch sehr viel Unklarheit darüber besteht, was nun tatsächlich völkerrechtsverbindlich ausgehandelt worden ist?
Herr Abgeordneter, der Brief ist veröffentlicht worden. Er ist allen Abgeordneten zugestellt worden. Auch der deutschen Öffentlichkeit und der internationalen Öffentlichkeit ist er übergeben worden.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
Es war nach der Veröffentlichung im „Bulletin" der Bundesregierung gefragt. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Ich frage Sie trotzdem: Herr Staatsminister, hält es die Bundesregierung angesichts dieser diametral entgegengesetzten Interpretationen eines so wichtigen außenpolitischen Vertragswerkes durch zwei Minister dieses Kabinetts wirklich für möglich, daß beide Minister weiterhin zum Nutzen des deutschen Volkes, wie es das Grundgesetz und ihr Amtseid ihnen vorschreiben, glaubhaft deutsche Interessen im Ausland vertreten können?
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß sie jederzeit glaubhaft deutsche Interessen im Ausland vertreten kann.
({0})
Ihre Behauptung gründet sich auf eine subjektive Darstellung des Sachverhalts. Die Bundesregierung hat objektiv Stellung genommen.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Wir kommen zur Frage 109 des Herrn Abgeordneten Hansen. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Dann wird die Frage 109
Vizepräsident von Hassel
ebenso wie die von dem Herrn Abgeordneten Hansen eingebrachte Frage 110 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Biehle auf:
Trifft es zu, daß ein Angestellter der deutschen Botschaft in Wien, der für die Sowjets spioniert hatte, gegen seine Kündigung das Arbeitsgericht angerufen hat und die Bundesregierung für eine einvernehmliche Lösung 50 000 DM aufzuwenden bereit ist, und wie rechtfertigt die Bundesregierung - bejahendenfalls - ihre Haltung?
Herr Abgeordneter, es trifft zu, daß dem österreichischen Staatsangehörigen Hubert Menczik, der seit 18 Jahren als Ortskraft an der Botschaft Wien, zuletzt als technischer Hausmeister, beschäftigt war, zum 31. März 1976 gekündigt worden ist. Herr Menczik hat gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Bonn Klage erhoben.
Im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen sind an der Botschaft in Wien bei entsandten wie bei Ortskräften Personalkürzungen vorgenommen worden. Zu den betroffenen Ortskräften - es sind mehrere - gehörte auch Herr Menczik.
Zu seiner Entlassung kam es, weil das Auswärtige Amt an möglichst vielen Auslandsvertretungen die Hausmeisterposten, insbesondere dort, wo technische Einrichtungen zu betreuen sind, durch aus der Bundesrepublik Deutschland entsandte Bedienstete besetzt. Dies ist in Wien inzwischen geschehen. Angesichts der langjährigen Tätigkeit - ich habe auf die 18 Jahre schon hingewiesen - des Herrn Menczik bei der Botschaft Wien hat sich das Auswärtige Amt wie üblich um eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreits bemüht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Biehle.
Herr Staatsminister, wenn ich davon ausgehe, daß nach Pressemeldungen ein Spionageverdacht vorliegt, frage ich Sie, warum sich die Bundesregierung, wenn sie aus außenpolitischen Erwägungen in Weiterverfolgung der östlichen Gefälligkeitspolitik sich auf die Spionage als Kündigungsgrund nicht berufen will und das Arbeitsverhältnis nicht fristlos beenden wollte, nicht wenigstens auf die Fortzahlung der Bezüge bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist beschränkt.
Herr Abgeordneter, zu der aufgestellten Behauptung möchte ich hier feststellen: Dem Auswärtigen Amt liegen keine Beweise dafür vor, daß Herr Menczik nachrichtendienstlich gegen die Bundesrepublik Deutschland tätig war. Daraus ergeben sich auch die übrigen Antworten auf Ihre Frage.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Biehle.
Herr Staatsminister, ich darf aber doch davon ausgehen, daß nach Pressemeldungen der begründete Verdacht besteht, daß Spionage vorgelegen hat und daß dies die Hintergründe der Entlassung sind, und ich ifrage Sie, ob wir es uns aus politischen, sicherheitspolitischen und auch aus strafrechtlichen Gründen erlauben können, gegebenenfalls für Spionageverdacht auch noch 50 000 DM Honorar - so die „Welt" - zu zahlen und damit für andere Spione auch noch jeglichen Abschreckungseffekt zu nehmen.
Herr Abgeordneter, es ist bei Gericht ein Verfahren anhängig. Es ist Ihnen bekannt - dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers -, wie es mit der Beweislast bei Verfahren steht. Insofern ist das, was Sie gesagt haben, eben eine Meinung. Das, was bei Gericht verhandelt wird, ist beweispflichtig von seiten der Betroffenen, in diesem Falle von unserer Seite.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kunz.
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, daß dem Auswärtigen Amt ein Verdacht vorliegt, der allerdings noch nicht bewiesen ist?
Herr Abgeordneter, auch im Auswärtigen Amt werden Zeitungen gelesen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wehner.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, den hier vor wenigen Minuten in Form einer Frage gebrauchten schimpflichen Ausdruck einer „östlichen Gefälligkeitspolitik" unserer Regierung zurückzuweisen?
Herr Abgeordneter, in der Tat ist es mir entgangen, daß dies in der Frage so enthalten war.
({0})
Ich habe mich in meiner Antwort streng an den Fall gehalten. In der Geschäftsordnung des Bundestags steht, daß wertende Äußerungen in Fragen und Antworten zu unterbleiben haben. Ich habe mich bei der Antwort an das Verbot der Wertung gehalten. Darauf möchte ich hinweisen.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Kollege Moersch, können Sie uns erklären, ob es nach den Erkenntnissen Ihres Hauses notwendig war, den außergerichtlichen Vergleich jetzt abzuschließen, obwohl Sie selbst sagen, daß noch eine prozessuale Auseinandersetzung hinsichtlich des hier geäußerten Verdachts abzuwarten wäre?
Herr Abgeordneter, ich möchte den Sachverhalt noch einmal darstellen; daraus wird die Antwort völlig klar. Von dem Betroffenen wurde eine Klage gegen diese Kündigung erhoben. Wir haben, um diese Klage für uns möglichst günstig abwickeln zu können, eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreites angeboten.
Es ist ein schwebendes Verfahren. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Die Bundesregierung handelt hier wie immer in Wahrung ihrer berechtigten Interessen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
ist der Bundesregierung bekannt, daß in den Anträgen für Besuchsreisen in die Gebiete jenseits von Oder und Neiße die Rubrik „Datum der Auswanderung aus VR Polen" ausgefüllt werden muß und „unwahre Angaben zur Verweigerung des Visums führen", obwohl die Mehrzahl der Besucher nicht ausgewandert, sondern vertrieben worden ist, und was vermag die Bundesregierung gegen diese Vorschrift zu unternehmen?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Die Formulierung von Vordrucken für Sichtvermerksanträge fällt in den administrativen Bereich desjenigen Staates, in dessen Gebiet die Einreise beantragt wird. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht imstande, die polnischen Antragsvordrucke rechtsverbindlich zu interpretieren. In dem hier bekannten Antragsformular in deutscher und polnischer Sprache sind alternativ u. a. folgende zwei Rubriken aufgeführt: Erstens : „Datum der Auswanderung aus Polen ({0})" sowie zweitens: „Datum des letzten Aufenthalts in Polen". Die Beantwortung dieser Fragen wird jeder Antragsteller für sich zu entscheiden haben. Jedoch bin ich der Meinung, daß die erstgenannte Frage, die nach dem Formular Personen polnischer Herkunft betrifft, im großen und ganzen nicht für die Personen zutrifft, die in den ersten Jahren ab 1945 die Gebiete ostwärts von Oder und Neiße als Vertriebene verlassen mußten. Dem Auswärtigen Amt sind Probleme in dieser Hinsicht bisher nicht bekanntgeworden, so daß sich auch keine Veranlassung ergeben hat, dieserhalb mit der polnischen Regierung in Verbindung zu treten.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Vielleicht kann sich aber dann die Bundesregierung davon Kenntnis verschaffen, daß diejenigen, die eine Besuchsreise beantragen, gehalten werden, diese Rubrik auszufüllen, und daß das auf Millionen Deutsche nicht zutrifft.
Ich habe die Frage dabei nicht gehört.
Ist die Bundesregierung bereit, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, daß die Besuchsreisenden, die einen Antrag auf eine Besuchsreise stellen, von den polnischen Paßbehörden hier gehalten werden, diese Rubrik auszufüllen, obwohl sie als Vertriebene weder polnische Staatsangehörige waren noch ausgewandert sind?
Herr Abgeordneter, ich will gerne prüfen, wie sich der Sachverhalt unter diesem Aspekt im einzelnen darstellt.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Könnte die Prüfung auch mit einschließen, daß Sie seitens der Bundesregierung ein Gespräch mit der Vertretung der Volksrepublik Polen in der Bundesrepublik Deutschland führen mit dem Ziel, daß Besuchsreisende nicht in dieser Weise veranlaßt werden, eine Rubrik auszufüllen, die auf sie nicht zutrifft?
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen eine Prüfung zugesagt. Die Folgerungen daraus werden wir ziehen. Sie könnten auch dazu führen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die Bundesregierung darüber informiert, ob Auszüge aus Standesamtsurkunden in Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße gefälscht werden, indem die Ortsnamen und Vornamen entgegen dem Eintrag in den Urkunden in polnischer Fassung wiedergegeben werden, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, die polnische Regierung darauf hinzuweisen, daß Abschriften von Urkunden mit dem Original übereinstimmen müssen?
Bitte zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Der Bundesregierung ist aus einer Reihe von Einzelfällen bekannt, daß in den heute von polnischen Standesämtern erstellten Ausfertigungen von Personenstandsurkunden aus den ehemals deutschen Gebieten, die Personenstandsfälle aus der Zeit vor 1945 betreffen, ursprünglich in den Registern stehende Ortsnamen und Vornamen entgegen dem Eintrag in der Originalurkunde in polnischer Fassung wiedergegeben werden. Die polnische Praxis ist aber uneinheitlich. Nicht in allen Fällen wurden Ortsnamen oder Vornamen in polnischer Fassung wiedergegeben.
Die Bundesregierung hat gegenüber der polnischen Regierung stets den Standpunkt vertreten, daß in Personenstandsurkunden Ortsangaben und Namen nur in der Schreibweise wiedergegeben werden dürfen, in der sie in dem betreffenden Eintrag im Personenstandsbuch bei der Beurkundung des Standesfalles aufgenommen worden sind. Das Auswärtige Amt hat Ihnen bereits mit Schreiben vom 10. Dezember 1975 mitgeteilt, daß es versucht, sobald wie möglich mit der polnischen Regierung zu einer Regelung des von Ihnen erwähnten Gesamtkomplexes, insbesondere was die Ortsbezeichnungen angeht, zu gelangen. Ich hoffe, daß dies auch zu einer Klärung in Fällen der von Ihnen geschilderten Art führen wird.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, da Sie sich auf einen Brief beziehen, der über ein Jahr alt ist, und Sie selber von einer Reihe von Einzelfällen gesprochen haben, möchte ich Sie fragen: Darf ich daraus schließen, daß die Bemühungen der Bundesregierung auf diesem Feld bisher offenbar ohne Erfolg geblieben sind?
Ich habe gesagt, daß die Praxis unterschiedlich ist, daß es keine einheitliche Praxis gibt. Zur Sache füge ich hinzu: Der Brief ist dreieinhalb Monate alt.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Was kann aber die Bundesregierung tun, daß Bürger, die ihre Urkunde abgeschrieben haben wollen, nicht zunächst mit einer falschen Abschrift der Urkunde versehen werden und nicht nachher noch Geld dafür zahlen müssen, daß ein Dolmetscher den richtigen Namen einsetzt? Denn die polnische Dienststelle verlangt nachher noch Geld für die Übersetzung.
Herr Abgeordneter, das letzte Problem ist sicherlich ein Sonderfall. Schwierigkeiten treten in der Praxis kaum auf, da die Betroffenen die deutsche Fassung von Orts- oder Vornamen durch andere Urkunden belegen können, sofern diese nicht, wie das in der Regel der Fall ist, ohnehin amtsbekannt sind.
Im übrigen können derartige Schwierigkeiten dadurch vermieden werden, daß die Ausfertigung der benötigten Urkunden bei dem deutschen Standesamt beantragt wird, an dem das jeweilige Familienbuch gemäß § 12 des Personenstandsgesetzes geführt wird. Soweit noch kein Familienbuch angelegt ist, kann seine Anlegung nach § 15 a des Personenstandsgesetzes beim zuständigen deutschen Standesamt beantragt werden.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 114 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Wie ist die Weigerung von Bundeskanzler Schmidt am 11. März 1976 gegenüber führenden Politikern von CDU und CSU, an den Abkommen mit Polen nodi Nachbesserungen erreichen zu wollen, in Übereinstimmung zu bringen mit den erfolgreichen Bemühungen von Bundesaußenminister Genscher, für seinen Brief vom 8. März 1976 die Zustimmung zur Streichung des entscheidenden Wortes„können" seitens der polnischen Regierung zu erreichen, um damit sicherzustellen, daß alle ausreisewilligen Deutschen Polen verlassen können, und muß aus dem Verhalten des Bundeskanzlers nicht der Schluß gezogen werden, die deutschen Interessen und die Interessen der ausreisewilligen Deutschen nicht entschieden genug vertreten zu haben?
Bitte zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Angesichts des persönlichen und bekanntlich sehr intensiven Engagements des Herrn Bundeskanzlers sowohl bei den Verhandlungen in Helsinki als auch in der letzten Phase des Zustimmungsverfahrens muß ich Ihre Unterstellung, der Bundeskanzler habe die deutschen Interessen und die Interessen der ausreisewilligen Deutschen nicht entschieden genug vertreten, zurückweisen.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Engelsberger.
Herr Staatsminister, nachdem Sie meine Frage insgesamt nicht beantwortet haben, möchte ich die Zusatzfrage stellen: Warum hat der Bundeskanzler am Abend des 11. März der Führungsmannschaft der CDU erklärt, daß es nicht mehr möglich sei, Verbesserungen zu dem Abkommen zu erzielen, und daß er sich persönlich weigere, weiter zu verhandeln?
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß diese Erklärung voll in Übereinstimmung mit den Tatsachen steht. Das Abkommen ist nicht geändert worden. Das Rentenabkommen ist so verabschiedet worden, wie es war.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatsminister, kann ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Äußerungen von Herrn Bundesaußenminister Genscher nicht zutreffen, daß hier entscheidende Veränderungen im Hinblick auf die Ausreisemöglichlichkeiten von weiteren Deutschen - nachdem in den ersten vier Jahren 120 000 ausreisen können - erzielt worden sind, und steht die Aussage des Bundeskanzlers der Aussage des Bundesaußenministers nicht diametral gegenüber? t
Herr Abgeordneter, Sie reden offensichtlich von verschiedenen Dingen. Die Aussagen des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers im Bundesrat - die im „Bulletin" noch einmal abgedruckt sind - sind inhaltlich völlig deckungsgleich.
({0})
Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß diese Aussagen im Inhalt nicht voneinander abweichen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe Frage 115 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Wie ist die Aussage von Bundeskanzler Schmidt vor dem Plenum des Bundesrates am 12. März 1976, „daß dieser Briefwechsel keine Automatik auslöst", sowie die in einem Presseartikel wiedergegebene Ansicht von Bundesminister Bahr, „Franz Josef Strauß hatte recht mit seinem Zweifel, ob sich daraus eine völkerrechtliche Verpflichtung ergibt", vereinbar mit der Erklärung von Bundesaußenminister Genscher vor dem Bundesrat, „durch das Bestätigungsschreiben des polnischen Außenministers wird der Briefwechsel völkerrechtlich wirksam", und muß daraus möglicherweise sogar der Schluß gezogen werden, daß der Bundesaußenminister den Bundesrat über die wirkliche Haltung des Kabinetts zur Verbindlichkeit des Briefwechsels falsch informiert hat?
Bitte, zur Beantwortung Herr Staatsminister.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat nochmals unterstrichen - siehe „Bulletin" Nr. 30 vom 19. März 1976 -, daß der Bundeskanzler und er sich für die Bundesregierung vor dem Bundesrat abschließend zur Verbindlichkeit und Bedeutung des Briefwechsels zwischen den beiden Außenministern und der Erklärung des polStaatsminister Moersch
nischen Außenministers gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP vom 9. März 1976 geäußert haben. Dem sei nichts hinzuzufügen, und daran sei nichts herumzudeuteln.
Dem kann und will ich meinerseits auch nichts hinzufügen. Die Unterstellung einer falschen Unterrichtung des Bundesrates durch die Vertreter der Bundesregierung weise ich entschieden zurück.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatsminister, muß aus der Erläuterung des Herrn Bundesaußenministers vor dem Bundesrat nicht der Schluß gezogen werden, daß zwar nicht der Inhalt des PolenAbkommens verändert worden ist, aber durch die polnische Bestätigung des Genscher-Briefes die Interpretation des Abkommens und damit seine praktische Auswirkung erheblich zugunsten der Deutschen, die sich noch in Polen befinden, verbessert worden ist?
({0})
Herr Abgeordneter, was immer der einzelne für Schlüsse ziehen mag: Fest steht, daß dieser Text eindeutig ist und daß ich diesem Text nichts hinzuzufügen habe. Die Frage ist von uns abschließend beantwortet worden.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatsminister, nachdem Sie sich wiederholt geweigert haben, eine präzise Antwort auf meine Fragen zu geben, möchte ich, nachdem ich ja nur noch eine Zusatzfrage habe, doch die Frage stellen: Welche Bedeutung kann nian den Ausführungen des Bundesaußenministers und des Herrn Bundeskanzlers in der Öffentlichkeit noch beimessen, wenn Sie vor dem Deutschen Bundestag leugnen, daß hier ein offensichtlicher Dissens bestanden hat, und sich weigern, zu sagen, welche Version sich jetzt in der Praxis durchgesetzt hat?
({0})
Herr Abgeordneter, ich weise den Vorwurf, ich hätte etwas geleugnet, entschieden zurück. Ihre persönliche Meinung deckt sich nicht mit dem Sachverhalt, den die Bundesregierung hier dargestellt hat.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatsminister, trifft es zu, daß der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, der gelernter Jurist ist, im Bundesrat ebenfalls ausdrücklich bestätigt hat, daß der Briefwechsel - wie es in der Frage heißt - keine Automatik auslöst?
Herr Abgeordneter, diese Frage stand, soweit ich weiß, nicht zur Debatte. Aber ich muß den Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz gegen die Unterstellung in Schutz nehmen, er sei gelernter Jurist. Er ist Politologe.
({0})
Vizepräsident von Hassel: War das eine Wertung, verehrter Herr Staatsminister, oder lediglich eine Randbemerkung?
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({2}) .
Herr Staatsminister, wird Ihre eben hier ausgeführte Behauptung, die Vereinbarung - und damit meinen Sie ja wohl das Ausreiseprotokoll - sei völlig klar und eindeutig, nicht allein schon durch die Tatsache widerlegt, daß der Bundesaußenminister und der polnische Außenminister über die Auslegung dieses Protokolls einen umfangreichen, schwierigen und verwickelten Briefwechsel führen mußten, um die Zustimmung des Bundesrates zu diesem Abkommen zu erreichen?
Herr Kollege Jäger, ich erinnere mich sehr gut daran, daß die Bundesregierung in den Ausschußberatungen inhaltlich genau die Stellung bezogen hat, die Sie jetzt eben noch einmal ansprechen. Das Problem, das entstand, war ganz offensichtlich, daß ein Teil der Opposition die gleiche Auslegung erst dann zur Kenntnis nahm, als dieser Briefwechsel vorhanden war, während andere Ihrer Kollegen mit der Bundesregierung längst darin einig waren, daß die Auslegung und Interpretation der Bundesregierung richtig ist.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben in einer Antwort an den Kollegen Engelsberger gesagt: Welche Schlüsse man auch immer aus der Interpretation ziehen mag... Ich möchte Sie fragen: Wie interpretieren Sie denn jetzt eigentlich den Briefwechsel und die Folgen daraus?
So wie der Bundesaußenminister und der Bundeskanzler das im Bundesrat wörtlich dargestellt haben.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, wenn das alles so klar ist, warum ist dann im „Bulletin" vom 26. März 1976, das von dem Austausch der Ratifikationsurkunden und der begleitenden Dokumente handelt, wohl das Bestätigungsschreiben des polnischen Außenministers, aber nicht der Brief des deutschen Außenministers in der Fassung vom 11. März 1976 abgedruckt?
Weil dieser Brief neu und der andere bereits veröffentlicht war.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß eine weitere öffentliche Erörterung dieses längst geklärten Tatbestandes den Interessen der betroffenen Menschen nicht dienlich ist?
Herr Abgeordneter, ich sehe darin keineswegs Probleme. Ich will niemanden daran hindern, seine eigene früher vertretene Meinung im Bundestag nach Fragen zu revidieren.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.
Herr Staatsminister, teilen Sie die Auffassung, daß eine Diskussion über diese Probleme nicht notwendig wäre, wenn es nur eindeutige Äußerungen aus den Reihen der Bundesregierung gegeben hätte?
({0})
Die Bundesregierung kann keineswegs für alle Abgeordneten bzw. für den Bundestag sprechen. Sie kann für sich sprechen. Für die Bundesregierung war die Diskussion sicherlich nicht notwendig. Wenn die Fragesteller das Bedürfnis haben, ist das ihre Entscheidung.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatsminister, wenn die Bundesregierung, wie Sie erklären, aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage war, den Brief des deutschen Außenministers an den Außenminister der Volksrepublik Polen im „Bulletin" zu veröffentlichen: Wann wird das nachgeholt werden?
Herr Abgeordneter, ich habe nicht von zeitlichen Gründen gesprochen. Der Brief ist veröffentlicht worden. Er ist der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht worden, er ist allen Abgeordneten zugegangen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung die völkerrechtliche Verbindlichkeit der Ausreisefreiheit im Rahmen der weltweiten Verbindlichkeit der Menschenrechte restriktiv beurteilt?
Die Antwort lautet: Nein.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Ist es aber nicht so, daß in den Fragestunden und im Ausschuß die Schranken der Ausreisefreiheit, z. B. die Schranke des Art. 12 des Menschenrechtspaktes, an Stelle der allgemein verbindlichen Grundregel dieses Menschenrechts übermäßig und einseitig betont wurde, und ist das nicht ein Rückzug im weltweiten Ringen um das richtige Menschenrechtsverständnis?
Herr Abgeordneter, ich habe meiner ersten Antwort nichts hinzuzufügen. Die Bundesregierung hat immer eine realistische Beurteilung vorgenommen, nicht eine restriktive.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Bedeutet diese realistische Beurteilung, daß sich die Bundesregierung in Zukunft von jeder restriktiven Auslegung der Menschenrechte durch den Ostblock, auch bezüglich der Ausreisefreiheit, eindeutig distanzieren und das richtige Menschenrechtsverständnis der freiheitlichen Welt, wie das auch der Bundesaußenminister am 24. September 1975 vor der UNO vertrat, auf internationaler Ebene unterstützen wird?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat ihre Meinung weder bezüglich dessen, was der Bundesaußenminister vor der UNO gesagt hat, noch bezüglich dessen, was sie zu der Problematik in den Ausschüssen gesagt hat, geändert. Sie kann weiterhin auf diese Meinung verweisen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Trifft es zu, daß unter den Aussiedlern 25 % mit polnischem Reisepaß ausgestattet sich nach der Ankunft bei der polnischen Botschaft registrieren und mit konsularischen Pässen der Volksrepublik Polen versehen lassen müssen, während die anderen 3/4 der Aussiedler grüne oder blaue Reisedokumente, von denen die letzteren ebenfalls zur Rückkehr berechtigen, als aus der polnischen Staatsangehörigkeit Entlassene bekommen, und was folgert die Bundesregierung daraus?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Herr Kollege Dr. Czaja, bereits am 11. März 1976 ist auf eine entsprechende Anfrage von Herrn Kollegen Dr. Hupka durch Staatsminister Wischnewski ausgeführt worden, daß ein Teil der Aussiedler aus Polen mit polnischen Pässen ausreist. Der Anteil dieser Personengruppe beträgt etwa 20 % der Aussiedler. Vier Fünftel reisen mit einem Reisedokument für Staatenlose - die Farbe ist bläulich-grün - aus, das nicht zur Rückkehr in die Volksrepublik Polen berechtigt. Das Auswärtige Amt kann auf Grund seiner Erfahrungen nicht bestätigen, daß dieser Aussiedlerpaß in Einzelfällen ebenfalls zur Rückkehr nach Polen berechtigt.
Personen, die zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland mit einem polnischen Reisepaß ausreisen, sind nach polnischen Vorschriften verpflichtet, innerhalb eines Jahres bei der polnischen Botschaft die Ausstellung eines Konsularpasses - die Farbe ist rot - zu beantragen. Nach unseren Erfahrungen besteht bei den Ausgereisten jedoch wenig Neigung, dieser Verpflichtung nachzukommen, weil sie in der Regel kein Interesse daran haben, ihre polnische Staatsangehörigkeit beizubehalten.
Inhabern polnischer Reisepässe wird die Rückkehr nach Polen erleichtert, falls sie sich nach einer gewissen Zeit entscheiden sollten, nicht in der Bundesrepublik Deutschland bleiben zu wollen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Ist jenes Fünftel der Aussiedler aus den Oder-Neiße-Gebieten, das mit einem polnischen Reisepaß kommt, aus solchen Personen zusammengesetzt, die zum erstenmal die Ausreise beantragten und sofort herauskamen, oder sind darunter auch sehr viele Deutsche, deren Antrag auf Ausreise mehrmals abgelehnt wurde?
Das kann ich für den Einzelfall jetzt nicht sagen. Das müßte ich prüfen.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, die Desinformationsstellen des Ostblocks in Warschau und Prag berichten in letzter Zeit über angeblich viele Rückkehrer in die Vertreibungsgebiete. Wird die Bundesregierung prüfen, ob darunter ein großer Anteil von Personen mit polnischen Konsularpässen ist, die ihr Eigentum daheim behielten und die hierher nur aus materiellen oder ähnlichen Gründen mit dem Wollen der polnischen Behörden gekommen sind?
Herr Abgeordneter, es wird nicht ganz leicht sein, hier Einzelheiten festzustellen; Sie wissen, daß es bei uns keine Meldepflicht für Ausreisen gibt. Wir können deshalb keine präzisen Angaben machen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Fircks.
Herr Staatsminister, hält es die Bundesregierung für möglich, daß die polnische Regierung einen Teil der Ausreisenden mit polnischen Pässen ausreisen läßt, die also ohne weiteres zurückkehren können, damit dann die Zahl derer, die angeblich zurückkehren wollen, propagandistisch hochgespielt werden kann?
Herr Abgeordneter, ich kann dazu lediglich zitieren, was ich in der Presse gelesen habe, daß nämlich Äußerungen von polnischer Seite eine gewisse Überraschung über die Zahl derer, die sich nach polnischen Angaben für eine Rückkehr nach Polen entschieden haben, erkennen lassen. Das würde eindeutig dem widersprechen - ich sage das mit dem Vorbehalt, daß es Pressemeldungen sind -, was Sie in Ihrer Fage vermutet haben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, ist es nicht ein wenig auffallend, daß gerade seit Oktober vorigen Jahres die Zahl der Aussiedlungswilligen, die mit einem derartigen Konsularpaß hier eintreffen, zugenommen hat?
Ich weiß nicht, ob man das so generell sagen kann. Den Inhalt Ihrer Frage kann ich im einzelnen nicht bestätigen. Das müßte ich prüfen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 118 des Abgeordneten Niegel auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich an den freiwilligen Beiträgen zu beteiligen, mit denen Mozambique auf Empfehlung der Vereinten Nationen für die Verluste entschädigt werden soll, die es sich durch seine Boykottpolitik der Gewaltanwendung, Drohungen und Erpressungen selbst zufügt, und wie hoch wird - bejahendenfalls - der deutsche Beitrag dafür sein?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Herr Abgeordneter, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich einstimmig - also mit den Stimmen der mit uns befreundeten Mitglieder des Sicherheitsrates - mit dem mosambikschen Hilfeersuchen solidarisch erklärt und alle Regierungen zu Hilfemaßnahmen aufgewird in Kürze eine Expertengruppe nach Mosambik rufen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen senden, um die durch die Grenzschließung entstandene Lage und die tatsächlichen Bedürfnisse des Landes an Ort und Stelle zu analysieren. Die Bundesregierung ist zwar in Konsultationen innerhalb der Neun über mögliche Hilfe eingetreten, kann aber über die Empfehlung des Sicherheitsrates erst entscheiden, wenn ihr die vom Generalsekretär angestrebten zusätzlichen Informationen vorliegen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, welche Belastungen könnten dadurch auf die Bundesrepublik zukommen?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich kenne die Höhe der festgestellten Schäden nicht. Die Geltendmachung von Schäden ist mit dem von Mosambik ausgeführten Ersuchen der Vereinten Nationen um einen Boykott begründet.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, kann man die Situation nicht auch von der Seite sehen, daß sich Mosambik eigenwillig durch Gewaltanwendung, Drohung und Erpressung diese Schäden selbst zugefügt hat?
Herr Abgeordneter, Mosambik ist sowohl von den Vereinten Nationen als auch vom Commonwealth wiederholt zur Anwendung der UNO-Embargo-Resolution gegenüber Südrhodesien gedrängt worden. Mit der Grenzschließung am 3. März vollzog Mosambik diesen Schritt. Da Rhodesien etwa 40 % seines Außenhandels über Mosambik leitete, kommt der Übernahme der Sanktionen durch Mosambik besondere Bedeutung zu.
Die Sanktionsbeschlüsse der Vereinten Nationen werden im übrigen von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit Ausnahme der Republik Südafrika angewandt. Die Bundesregierung hat sich ihnen im Einvernehmen mit ihren westlichen Verbündeten bereits zu einem Zeitpunkt angeschlossen, als die Bundesrepublik Deutschland noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen war. Von einer Politik der Drohung und Erpressung kann in diesem Zusammenhang also keine Rede sein; sonst müßte der Vorwurf gegen alle UNO-Mitglieder erhoben werden, die mit Hilfe der Sanktionen dazu beitragen wollen, daß das illegale Regime Smith Zugeständnisse in der Frage der politischen Mitwirkung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit macht.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfragen.
Die Frage 119 des Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 120 und 121 des Abgeordneten Dr. Todenhöfer werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Frage 82 des Abgeordneten Dr. Marx:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der CDU/CSU, daß jüngste Maßnahmen von verantwortlicher Seite der DDR, wie zum Beispiel willkürliche Visaverweigerung für Journalisten, sowohl gegen die von SED-Chef Honecker für die DDR unterzeichnete KSZE-Schlußakte und deren politisch-moralische Absichtserklärungen als auch gegen „Geist und Buchstabe" des innerdeutschen Grundvertrags und der mit diesem verbundenen Abreden verstoßen, sich die DDR somit vertragswidrig verhält und nicht zur Normalisierung des innerdeutschen Verhältnisses beiträgt?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold.
Herr Präsident, ich darf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Marx wie folgt beantworten: Die Bundesregierung hat z. B. durch die Abreise von Bundesminister Friderichs, Staatssekretär Gaus und Staatssekretär Rohwedder
aus Leipzig deutlich gemacht, daß sie in dem Verhalten der DDR gegenüber dem Deutschlandfunk und der Deutschen Welle eine Beeinträchtigung der angestrebten Normalisierung der Verhältnisse zwischen beiden Staaten sieht. Insofern ist die Nichtakkreditierung der drei Jourualisten ein Verstoß gegen die Grundsätze der KSZE-Schlußakte, des Grundlagenvertrages sowie der damit in Verbindung stehenden Vereinbarungen.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Kollege Herold, würden Sie bei Ihrer Beantwortung auch sagen, daß dies ein Verstoß gegen folgende Vereinbarung der KSZE ist? Sie ist einen Satz lang, den ich, Herr Präsident, zitieren darf:
Die Teilnehmerstaaten bekräftigen, daß die legitime Ausübung der beruflichen Tätigkeit weder zur Ausweisung von Journalisten noch anderweitig zu Strafmaßnahmen gegen sie führen wird.
Ebenfalls heißt es dort, daß „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verfahren für die Ausführung von Reisen durch Journalisten aus den Teilnehmerstaaten in dem Land, in dem sie ihren Beruf ausüben, leichter zu gestalten" seien.
Ich habe hier eine grundsätzliche Erklärung der Bundesregierung abgegeben, zu der sich auch mein Kollege Staatssekretär Bölling bereits in der letzten Fragestunde geäußert hat. Ich glaube, Ihre Zusatzfrage bestätigt das, was ich gesagt habe.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Kollege Herold, sehen Sie auf Grund Ihrer Kenntnis und auf Grund der Gespräche, die Herr Gaus zu diesem Thema geführt hat, eine Chance, daß sich der Vertrags- und Verhandlungspartner DDR künftighin solcher Eingriffe, die der Normalisierung entgegenstehen, enthalten wird?
Herr Kollege Dr. Marx, Sie wissen, daß sich die Bundesregierung bei solchen Dingen immer wieder bemüht, entsprechende Schritte zu unternehmen. Daß es Beispiele dafür gibt, daß solche Bemühungen auch erfolgreich sind, brauche ich hier nicht zu bestätigen. Die Bundesregierung, für die ich zu sprechen habe, wird bei jeder Gelegenheit - vertreten durch ihre Verhandlungsführer bzw. durch den Ständigen Vertreter Herrn Gaus - darauf aufmerksam machen, daß diese Dinge von uns nicht hingenommen werden können.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, was hat denn die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Visaverweigerung für drei Journalisten anläßlich der Leipziger Messe unternommen? Falls darüber im Augenblick Gespräche stattfinden sollten: Welches ist ihr gegenwärtiger Stand?
Herr Kollege Abelein, Sie wissen aus den Berichten der Direktbeteiligten, daß es Gespräche in Leipzig selbst gegeben hat. Sie wissen, daß es Gespräche zwischen dem Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und den Vertretern der DDR gegeben hat. Diese Gespräche werden fortgesetzt. Ich sehe mich außerstande, Gesprächsthemen und Gesprächsziele hier in irgendeiner Form öffentlich auszubreiten.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Konnte im Zusammenhang mit dem neuen Postabkommen und der Aufrechterhaltung der Postpauschalzahlung von jährlich 30 Millionen DM an die DDR eine Erleichterung der restriktiven ,.Zoll"-Bestimmungen der DDR erreicht werden, und wurden insbesondere verbindliche Zusagen bezüglich des Punkts 10 des Zusatzprotokolls zu Artikel 7 des Grundvertrags ({0}) erreicht?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Marx, gemäß Ziffer 5 des Zusatzprotokolls zu Art. 7 des Grundlagenvertrags hatten die Postverhandlungen das Ziel, auf der Grundlage der Satzung des Weltpostvereins und des internationalen Fernmeldevertrags ein Post- und Fernmeldeabkommen abzuschließen. Das bedeutete, daß der Post- und Fernmeldeverkehr, aber nicht Einfuhrbeschränkungen, die in den Zollbereich gehören, Gegenstand der Postverhandlungen waren. Dieser Standpunkt ist von der DDR-Seite im Laufe der Verhandlung mehrfach betont worden. Sie konnte sich dabei darauf stützen, daß alle Staaten der Welt autonome Einfuhrvorschriften auch mit Wirkung für den Postverkehr erlassen haben. Die Vertragswerke des Weltpostvereins tragen dieser Tatsache Rechnung und bestimmen, daß Gegenstände, deren Einfuhr oder deren Verbreitung im Bestimmungsland verboten sind, nicht in Postsendungen aufgenommen werden dürfen.
Gleichwohl sind im Rahmen der Postverhandlungen auch die besonders restriktiven Einfuhrvorschriften der DDR angesprochen worden. Dabei konnte immerhin erreicht werden, daß die bisher geforderte Desinfektionsbescheinigung mit Inkrafttreten des Postabkommens entfallen wird. Es konnten auch Informationspflichten bei der Rücksendung und bei der Beschlagnahme von Paketen vereinbart werden, die nicht ohne Wirkung auf die Kontrollpraxis der DDR bleiben werden.
Ihre Frage deutet an, daß Sie meinen, die Bundesregierung hätte hier mehr und auch etwas außerhalb des Verhandlungsgegenstandes erreichen können, weil in das Postabkommen die bestehenden Vereinbarungen über die Zahlung einer Pauschale von 30 Millionen DM übernommen wurden. Damit verkennen Sie nach meiner Auffassung die Bedeutung dieser Pauschale. Die Pauschale dient der Abdeckung der von beiden Post- und Fernmeldeverwaltungen gegenseitig erbrachten Leistungen. Daß dabei ein Mehrbetrag zugunsten der DDR herauskommt, erklärt sich dadurch, daß im Paketverkehr und im Fernsprechverkehr zur Zeit ein wesentlich höherer Verkehrsfluß in West-Ost-Richtung als in umgekehrter Richtung anfällt. Das bedeutet erhebliche Mehrleistungen der Deutschen Post der DDR. Diesen Mehrleistungen wird die vereinbarte jährliche Pauschalsumme von 30 Millionen DM durchaus gerecht. Es handelt sich also um unsere Verpflichtungen, die bezahlt werden müssen.
Ihre spezielle Frage nach der Verwirklichung der Ziffer 10 des Zusatzprotokolls zu Art. 7 des Grundlagenvertrags kann ich dahin beantworten, daß die Probleme des gegenseitigen Bezuges von Büchern, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehproduktionen in den Bereich der kulturellen Verhandlungen mit der DDR gehören. Bei den Postverhandlungen konnten sie schon aus diesem Grund leider nicht behandelt werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, da Sie sagen, dies alles sei auf der Grundlage der Festlegungen des Weltpostvereins geschehen, darf ich fragen: Gibt es eine Übereinstimmung zwischen den beiden Vertragspartnern, daß die Normen der Geheimhaltung der Post gewahrt bleiben? Wenn ja: Ist diese Übereinstimmung im Abkommen selbst irgendwo niedergelegt?
Herr Kollege Marx, ich bin in diesem Zusammenhang wirklich überfragt, aber gern bereit, hier noch einmal nachzuprüfen. Denn das ist, wie Sie ganz genau wissen, ein sehr diffiziles Thema. Hier gibt es grundlegende Unterschiede zwischen unseren und den Rechtsnormen der DDR; doch darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren.
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, indem ich davon ausgehe, daß Sie uns das Ergebnis Ihrer Recherchen dann mitteilen, möchte ich im Zusammenhang mit dem Punkt 10 des Zusatzprotokolls nochmals fragen: Dies war also nicht Gegenstand der Verhandlungen, sondern dies wird bei den offenbar erst in weiter Ferne weiter zu diskutierenden und abzuschließenden Kulturvereinbarungen der Fall sein: nämlich Bezug, freier Bezug oder freierer Bezug von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.
Wir haben, wie Sie wissen, für die letzten beiden Themen, die Sie angesprochen haben, Teilvereinbarungen. Die Möglichkeit des Bezuges von Zeitungen und Zeitschriften ist selbstverständlich nicht befriedigend. Das ist
hier klar festzustellen. Bezüglich der anderen Themen stimme ich Ihnen ebenfalls zu. In der Frage der Kulturverhandlungen kennen Sie den Standpunkt der Bundesregierung. So haben wir, was den „Preußischen Kulturbesitz" betrifft, einen Punkt gesetzt, bei dem es nun echte Schwierigkeiten von seiten der DDR gibt. Daher wird man damit rechnen müssen, daß diese Verhandlungen eine längere Zeit in Anspruch nehmen werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Böhm.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit der DDR massiv darauf hingewirkt, daß der gegenwärtige Zustand, bei dem Paketsendungen und andere Postsendungen verlorengehen oder zurückgeschickt werden, endlich überwunden wird, und geht die Bundesregierung davon aus, daß sich die Zahl der Sendungen, die ihre Empfänger nicht erreichen, in Zukunft zum Positiven verändert?
Herr Kollege Böhm, natürlich haben wir das sehr massiv vorgetragen. Wenn man sieht, daß nun eine Berichtspflicht das Ergebnis ist, muß man doch sagen, daß wir uns erfolgreich in einer Sache bemüht haben, bei der man nicht geglaubt hat, daß die DDR bereit sei, hier zuzustimmen. Man muß doch feststellen, daß seit Abschluß der Verträge und seit dem Ingangkommen der Verhandlungen die Zahl der Rücksendungen und der Verluste von Paketen enorm zurückgegangen ist. Das kann nachgewiesen werden. Ich möchte die Zahlen hier aus bestimmten Gründen nicht nennen, bin aber gern bereit - wie schon einmal - den Innerdeutschen Ausschuß über die Entwicklung zu unterrichten. Vielleicht kann das auch der Bundespostminister tun.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, insofern widersprechen Sie ja den Äußerungen, die der Verhandlungsführer der DDR im Fernsehen gemacht hat, daß es keine verlorenen Päckchen gebe. Sie bestätigen im Grunde genommen durch Ihre Aussage, daß es sie gibt. Könnten Sie so liebenswürdig sein - auch in Erinnerung an Aussagen, die in der Vergangenheit gemacht worden sind -, über Ihre soeben gemachte Aussage hinauszugehen, daß die Zahl der Päckchenverluste abgenommen habe, und uns sagen, wie hoch die Zahl der Verluste im Jahre 1975 gewesen ist?
Ich halte mein Angebot, das ich soeben auf die Zusatzfrage von Herrn Kollegen Böhm gemacht habe, aufrecht. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Wohlrabe, nur folgendes sagen. Ich bin nicht verpflichtet - ich bin dazu auch nicht bereit -, hier irgend etwas zu interpretieren, was ein Vertreter der DDR irgendwo und irgendwann gesagt hat. Den Standpunkt der Bundesregierung habe ich hier eindeutig festgestellt.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Reddemann.
Herr Staatssekretär, ist durch die Gespräche sichergestellt, daß beschlagnahmte Liebesgaben nicht weiterhin - wie bisher - in Ostseehäfen an Matrosen ausländischer Schiffe verkauft werden, damit sie Devisenbringer für die Staatskasse der DDR werden?
Herr Kollege Reddemann, das ist eine Frage, deren Beantwortung hätte vorbereitet werden müssen. Ich kann darauf jetzt keine Antwort geben. Die Bundesregierung wäre überfordert, wollte man verlangen, daß sie das, was Sie verlangen, sicherstellt; denn Einwirkungsmöglichkeiten hat man in diesem Fall nicht. Es trifft aber zu, daß in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Vietnam solche Dinge geschehen sind. Das ist nicht zu bestreiten.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 84 des Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Welche Bemühungen hat die Bundesregierung im einzelnen unternommen, um anläßlich der Neufestsetzung ({0}) der Transitpauschale eine Senkung der immer noch nicht völlig reduzierten Zwangsumtauschquote zu erreichen?
Herr Professor Abelein, die Bedingungen für die Neufestsetzung der Transitpauschale im Jahre 1975 waren durch das Transitabkommen von 1971 abgesteckt. Nach Art. 18 Abs. 4 des Transitabkommens war die Höhe der ab 1976 zu zahlenden Pauschalsumme im zweiten Halbjahr 1975 unter Berücksichtigung der Entwicklung des Transitverkehrs festzulegen. Es ging also darum, hypothetisch das Gebührenaufkommen der DDR bei individueller Erhebung unter Berücksichtigung der Verkehrsentwicklung festzustellen, vorauszuschätzen und in eine Pauschale umzusetzen. Die Bundesregierung konnte hierbei andere Momente, die mit der Transitpauschale keinen unmittelbaren Zusammenhang haben - etwa die weitere Reduzierung des Zwangsumtausches -, nicht ins Spiel bringen. Hätte sie es getan, wäre keine neue Transitpauschale festgesetzt worden, und die DDR wäre wieder zur individuellen Erhebung zurückgegangen. Das hätte für sie keinen Einnahmeausfall bedeutet, für die Transitreisenden aber eine Abfertigungsverzögerung und Erschwernisse, deren Ausmaß nicht abzuschätzen ist. Um die zügige Abwicklung des Transitverkehrs von und nach Berlin nicht zu gefährden, konnte die Bundesregierung hier kein Risiko durch die Einführung von Forderungen eingehen, die nicht in den Zusammenhang der Transitpauschale gehören.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, bemüht sich die Bundesregierung auch gegenwärtig um eine Rückgängigmachung der Zwangsumtauschquote, die ja nach Angabe der Bundesregierung selbst immer noch vertragswidrig hochgehalten wird?
Ich habe in vielen Fragestunden auf diese Frage immer wieder geantwortet, daß die Bundesregierung dieses Thema in den Kommissionen und auf den Wegen, die ihr richtig erscheinen, nach wie vor als aktuelles Thema behandelt. Ich habe auch im Auftrage der Bundesregierung betont, daß es uns am liebsten wäre, wenn diese Dinge gänzlich - auch das letzte Drittel - abgeschafft würden. Es gibt aber auf diesem Gebiet bisher noch keinen Silberstreif am Horizont, Herr Kollege Abelein.
Ich möchte gleichzeitig und ergänzend sagen: Im Jahre 1975 sind aus der Bundesrepublik Deutschland und aus West-Berlin rund 7 Millionen Menschen in die DDR und nach Ost-Berlin gereist. Dies ist ein bedeutsames Zeichen dafür, daß sich die Menschen in der Bundesrepublik und Berlin-West von den Gebühren nicht abschrecken lassen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, kann man Ihre letzte Äußerung so interpretieren, daß aus den von Ihnen angeführten Gründen nach Ansicht der Bundesregierung eigentlich gar kein Grund mehr für eine Reduzierung der Zwangsumtauschquote besteht?
Nein, so können Sie das nicht interpretieren. Sie müssen mir das so abnehmen, Herr Kollege Professor Abelein, wie ich es gesagt habe.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, bedeutet nicht Ihre Aussage, daß 7 Millionen Deutsche nach drüben reisen konnten, daß eben diesen 7 Millionen im letzten Jahr vertragswidrig zu hohe Umtauschgebühren von der. DDR abgeknöpft worden sind?
Herr Kollege Jäger, ich habe meine Antwort darauf gegeben. Ihrer Meinung, die Sie hier vortragen - „vertragswidrig" und „abgeknöpft" -, vermag ich nicht zuzustimmen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Welche Erfolge hat die Bundesregierung in bezug auf die Senkung des ausreiseberechtigten Alters für Einwohner der DDR im Zusammenhang mit der Erhöhung des jährlichen Überziehungskredits im innerdeutschen Handel von 850 Millionen DM vorzuweisen?
Bitte schön, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Abelein, nach der ersten Swing-Vereinbarung vom 6. Dezember 1968 wurde der DDR jährlich ein Swing in Höhe von 25 % der Einzahlungen des Vorjahres zugunsten der DDR eingeräumt. Am 12. Dezember 1974 wurde diese Regelung dahin modifiziert, daß für den so
berechneten Swing eine Höchstgrenze von 850 Millionen Verrechnungseinheiten eingeführt wurde. Auf dieser Basis wurde Anfang dieses Jahres der Swing für das Jahr 1976 auf 850 Millionen Verrechnungseinheiten, also auf den Höchstbetrag, festgesetzt. Dies war kein freier Willensakt der Bundesregierung, sondern geschah in Ausführung bestehender Vereinbarungen. Für eine Verquickung mit Gegenforderungen, noch dazu mit solchen ohne einen sachlichen Zusammenhang, bestand nach Auffassung der Bundesregierung keinerlei Raum.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, wenn Sie alle Maßnahmen auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet außer Betracht stellen, welche Möglichkeiten sehen Sie dann überhaupt, von seiten der Bundesregierung die DDR zu einem vertragskonformen Verhalten zu bewegen, damit die Bundesregierung Gelegenheit bekommt, ihr Ziel, nämlich mehr Freizügigkeit in Deutschland, zu erreichen?
Herr Kollege Professor Abelein, diese Bundesregierung hat in den letzten Jahren bewiesen, daß allein Zähigkeit in den Verhandlungen zu einer Ausweitung der Freizügigkeit geführt hat, wie wir sie vor zehn Jahren noch nicht kannten. Dies kann niemand bestreiten.
({0})
Ich bin bereit, Ihnen hier zu sagen, daß die Bundesregierung damit bei weitem nicht zufrieden ist und alle Möglichkeiten nutzen wird, die sich aus dem Grundlagenvertrag und den Folgeverträgen, aber auch aus der Schlußakte der KSZE ergeben, um zu einer Erweiterung und Fortentwicklung zu kommen.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Abelein.
Herr Staatssekretär, wenn diese Politik nach Ihren Angaben diese Erfolge aufzuweisen hat, wie erklären Sie sich dann die Äußerung des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, daß wir gegenwärtig eine erneute, besondere Abkühlung zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland festzustellen hätten?
Ich sehe nicht, daß diese beiden Feststellungen nicht in irgendeiner Form nebeneinander bestehen können. Daß durch die letzten Ereignisse eine gewisse Abkühlung eingetreten ist, ist nicht neu. Herr Professor Abelein, wenn Sie die Erfolge anzweifeln, darf ich nur darauf hinweisen, daß Tausende von Menschen dankbar das anerkennen, was in den letzten Jahren in der Frage der Freizügigkeit, der Durchlässigkeit der Grenze zur DDR, erreicht worden ist. Wir könnten uns darüber unterhalten - hier gibt es bestimmt auch entsprechende gemeinsame Feststellungen -, daß eine Ausweitung erfolgen sollte. Nur, über die
Frage des Wie gibt es natürlich ständig differenzierte Auffassungen. Das liegt im Politischen begründet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Höhmann.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß schon einmal eine frühere Bundesregierung das Mittel des Interzonenhandels und des Swing benutzen wollte, um Druck auf die DDR-Regierung auszuüben, und daß wir dann hinterher große Schwierigkeiten hatten, ein weiteres Abkommen für künftige Zeiten miteinander abzuschließen?
Herr Kollege Höhmann, ich denke nur an die schrecklichste Stunde der innerdeutschen Beziehungen im Jahre 1961, wo auch ein so weiser Mann wie Herr Bundeskanzler Adenauer nicht bereit war, in der Frage des Interzonenhandels einfach irgendwelche Sanktionen zu verhängen. Das wird am Schluß auf dem Rücken der Menschen ausgetragen. Das ist die Grundhaltung, die auch hier beibehalten worden ist.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die weitverbreitete Meinung, daß mehr Bewegungsspielraum zwischen den beiden Teilen in Deutschland und damit auch mehr Freizügigkeit nur durch die Preisgabe wichtiger, prinzipieller Grundlagen und gemeinsamer Auffassungen in der Deutschlandpolitik - ich denke dabei z. B. an die Entschließung der beiden großen Fraktionen dieses Hauses vom September 1968 - sowie durch die ständigen Zahlungen und die Gewährung von Vergünstigungen an die DDR, die in der Zwischenzeit, von 1970 bis heute, nach Aussage der Bundesregierung einen Gesamtwert von 7,2 Milliarden DM darstellen, erreicht werden konnten?
Diese Auffassung teile ich in keinem Fall. Über die Zahl, die Sie nannten, Herr Kollege Wohlrabe,
({0})
werden wir uns an anderer Stelle bei einer anderen Gelegenheit noch einmal unterhalten; denn diese Zahlenakrobatik ist nicht Sache der Bundesregierung.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Jäger ({2}).
Herr Staatssekretär, wie ist Ihre Behauptung, daß die Bundesregierung die Frage des Überziehungskredits nicht mit anderen politischen Fragen, etwa die Durchsetzung von Menschenrechten, verknüpfen lasse, mit der Tatsache zu vereinbaren, daß im Herbst 1974 bei der letzten
Neufestsetzungsverhandlung der Bundeskanzler selber in seiner Rede vor diesem Hohen Hause die Verknüpfung dieses Sachverhalts mit wichtigen menschlichen Anliegen festgestellt hat?
Das hat er natürlich festgestellt. Damals ging es, wie Sie wissen, um die völlige Zurücknahme der Erhöhung. Dieses Entgegenkommen ist gezeigt worden, und wir haben damals auch erklärt, daß wir uns weiterhin bemühen werden. Insofern sehe ich keinen Widerspruch.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, könnten Sie meine Auffassung teilen, daß es angesichts der schwierigen Probleme, die wir mit der DDR zu lösen haben, unrealistisch wäre, zu glauben, daß die Entwicklung nur nach oben gehen könnte, sondern daß wir sowohl eine Aufwärtsentwicklung als auch zeitweilig eine Abwärtsentwicklung zur Kenntnis nehmen müssen?
({0})
Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Dr. Geßner, daß auch die Kollegen von der CDU/CSU wissen, mit welch schwierigen Verhandlungspartnern wir es zu tun haben. Manche berechtigte Forderung dieser Kollegen ist im Augenblick vielleicht Wunschdenken. Ich möchte nur sagen, viele Verhandlungen mit anderen Partnern in der Welt sind ebenso schwierig und können auch nur dadurch gelöst werden, daß mancher Betrag zusätzlich erhöht wird. Deutlicher möchte ich in dieser Frage nicht werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Marx.
Herr Kollege Herold, da Sie gegenüber dem Kollegen Wohlrabe die Formulierung von der Zahlenakrobatik verwendet haben, möchte ich doch in allem Ernst fragen, ob Sie sich möglichst bald in der Lage sehen, die Zahlungen an die DDR in all ihrer Klarheit und auf die einzelnen Jahre aufgeteilt hier einmal vorzulegen, so daß sich bei uns nicht immer tiefer der Eindruck verfestigt, die Regierung betreibe in vielen ihrer Darlegungen auf diesem Felde in der Tat Zahlenakrobatik.
Herr Kollege Marx, ich muß das entschieden zurückweisen.
({0})
- Es kommt auf die Addition an, darauf, was ich miteinander addiere, Herr Kollege Wohlrabe. Wir beide haben wahrscheinlich die Mengenlehre nicht gelernt; damit müssen sich unsere Kinder jetzt auseinandersetzen. Aber ich komme darauf zurück, Herr Kollege Dr. Marx, ich sage Ihnen das zu. Wir haben ja bereits eine Kleine Anfrage beantwortet.
Wir werden selbstverständlich die Fortschreibung vornehmen. Aber, Herr Kollege, ich grenze ein. In dem Zusammenhang mit Akrobatik hätte ich auch Milchmädchenrechnung sagen können, die der Herr Kollege Wohlrabe aufgemacht hat.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Welche finanziellen und wirtschaftlichen Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die DDR zur Erfüllung des Protokolls vom 30. September 1971 anzuhalten, demzufolge bis zum 31. Dezember 1974 der vollautomatische Fernsprechverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR eingeführt werden sollte?
Bitte, zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Wohlrabe, im innerdeutschen Fernsprechverkehr sind seit 1972 nach und nach zahlreiche Verkehrsbeziehungen in die vollautomatische Betriebsweise übergeleitet worden. So kann von Berlin-West aus - ({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Nein, Herr Präsident. Ich bin noch nicht fertig. Aber ich war der Meinung, daß ich etwas unterbrechen sollte, weil hier verschiedene Argumente gebracht wurden.
Vizepräsident von Hassel: Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung der Frage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Ich darf wiederholen, Herr Präsident. Im innerdeutschen Fernsprechverkehr sind seit 1972 nach und nach zahlreiche Verkehrsbeziehungen in die vollautomatische Betriebsweise übergeleitet worden. So kann von BerlinWest aus der Fernsprechverkehr nach Berlin-Ost und in die DDR inzwischen weit überwiegend vollautomatisch abgewickelt werden. Aus dem Bundesgebiet - bis auf den Zentralvermittlungsbereich Hannover - können alle Fernsprechteilnehmer direkt nach Berlin-Ost durchwählen. In die DDR ist dagegen vom Bundesgebiet aus der Selbstwähldienst leider noch nicht möglich. Dieser Verkehr kann nach wie vor nur halbautomatisch oder handvermittelt abgewickelt werden. Zwar hat sich die DDR im Protokoll vom 30. 9. 1971 verpflichtet, den vollautomatischen Fernsprechverkehr bis zum 31. 12. 1974 schrittweise aufzunehmen. Offenbar bereitet ihr jedoch der Übergang zum vollautomatischen Verkehr wegen des Entwicklungsstandes ihres eigenen Fernmeldenetzes erhebliche technische Schwierigkeiten. Bekanntlich ist auch im DDR-internen Bereich bei weitem noch keine Vollautomatisierung erreicht. Wenn auch der Selbstwählferndienst mit der DDR noch nicht in vollem Umfange eingeführt ist, so hat der Fernsprechverkehr mit der DDR gleichwohl beträchtlich zugenommen. Ich darf daran erinnern, daß 1971 weniger als 2 Millionen Gespräche geführt
wurden. 1973 waren es knapp 6 Millionen, und 1975 sind es fast 10 Millionen Gespräche. Diese Zahlen zeigen, welche Fortschritte erreicht worden sind. Die Bundesregierung hat bei den jetzt abgeschlossenen Postverhandlungen mit großer Entschiedenheit darauf hingewiesen, daß die DDR zur vollständigen Einführung des Selbstwählferndienstes entsprechende Anstrengungen unternehmen muß. Es ist zu erwarten, daß die DDR weitere Schritte in dieser Richtung tun wird. Unter den gegeben Umständen hat die Bundesregierung irgendwelche Maßnahmen der von Ihnen angedeuteten Art weder für angemessen noch für aussichtsreich gehalten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, unter dem Gesichtspunkt, daß wir uns in der Frage der Vertragsbrüchigkeit der DDR, was die Einhaltung von Terminen angeht einig sind, frage ich Sie: Teilen Sie die Auffassung vieler Deutscher, daß die DDR nur bedingt, wahrscheinlich sogar überhaupt nicht an der Einrichtung des vollautomatischen Telefonverkehrs zwischen den beiden Teilen Deutschlands interessiert ist, weil sie sonst nicht mehr wie jetzt die Chance der Abhörung hätte?
Herr Kollege Wohlrabe, es gibt Techniker, die eine andere Antwort geben und bestätigen könnten, daß das, was Sie gerade gesagt haben, nicht der entscheidende Punkt wäre. Dies läßt sich nach den Erfahrungen auf dem Gebiete des Nachrichtenwesens sagen. Ich möchte hierzu nicht Stellung nehmen; ich bin dazu nicht kompetent.
Eines muß ich aber doch sagen, Herr Kollege Wohlrabe. Nehmen wir als Beispiel Berlin, die Stadt, aus der Sie kommen. Vor den Verhandlungen gab es für Kontakte zwei Telefonapparate im Präsidium der Polizei West-Berlins und im Präsidium der Polizei Ost-Berlins. Wenn es dort klingelte, gab es irgendwo Schwierigkeiten in diesem Raum. Zehn Millionen Gespräche - diese Zahl habe ich vorhin genannt - stellen doch wirklich einen Fortschritt im Hinblick auf die Kommunikation, die Menschlichkeit, die Verbindungen zu den Familien dar. Wir sind genauso wie Sie betrübt darüber, daß bis zur Stunde das noch nicht erfüllt ist, was wir gefordert haben und was die DDR auch zugesagt hat. Wir werden hier mit der DDR zu reden haben, um zu erreichen, daß die eingegangenen Verpflichtungen Zug um Zug erfüllt werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, niemand von der CDU/CSU hat bestritten, daß die Zunahme des Telefonverkehrs eine Verbesserung darstellt. Dies war nicht die Frage und nicht das Thema. Die Frage lautet, wie die DDR als vertragsbrüchiger Partner angehalten werden kann, ihre Zusage zu erfüllen. Die Frage bezieht sich also auf
die Bemühungen der Bundesregierung. Deshalb frage ich: Welches waren die letzten Gesprächsstationen? Wann haben diese Gespräche stattgefunden? Wer hat die Gespräche geführt? Ist ein erfolgreicher Abschluß absehbar?
({0})
Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß diese Fragen bei den Verhandlungen über das Post- und Fernmeldeabkommen in den Mittelpunkt gerückt worden sind. Die Verhandlungspartner kennen die Probleme; sie haben das Postabkommen ja unterzeichnet.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Kollege Herold, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung habe die andere Seite wiederholt darauf hingewiesen, daß sie Fortschritte verlange. Wie hat die andere Seite darauf denn reagiert?
Die andere Seite hat erklärt, sie werde ihre Verpflichtungen erfüllen. Sie wird natürlich nicht bereit sein, etwa bestehende technische Schwierigkeiten als Begründung für die Verzögerungen anzuführen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf:
Welche wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um die DDR zu einem Verhalten zu bewegen, das den Abmachungen des innerdeutschen Grundvertrags, den damit zusammenhängenden anderen Verträgen, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen, und den Bestimmungen der Schlußakte der KSZE entspricht?
Herr Kollege Wohlrabe, die Bundesregierung hält im Interesse der betroffenen Menschen gerade in den innerdeutschen Beziehungen nichts von einem Konzept der „abgestuften Vergeltung", weil eine Politik der gegenseitigen Repressalien letztlich nur jenen dienen kann, die an einer Zunahme der menschlichen Kommunikation über Grenzen hinweg nicht interessiert sind.
Im Grundlagenvertrag, in der Charta der Vereinten Nationen und in der Schlußakte der KSZE, die Sie in Ihrer Frage nennen, sind zahlreiche Absichtserklärungen zur Durchführung konkreter Maßnahmen enthalten. Die Verwirklichung dieser Maßnahmen wird noch viel Geduld und auch Zähigkeit erfordern und sicher nicht dadurch beschleunigt, daß wir uns von unserem als richtig erkannten Weg abbringen lassen. Dieser Weg besteht darin, im Interesse der betroffenen Menschen einen Ausgleich der widerstrebenden Interessen von beiden deutschen Staaten zu versuchen.
Der Ruf nach wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Maßnahmen ist sehr einfach. Ich möchte
deshalb hier das aufgreifen, was mein Kollege Bölling in der letzten Fragestunde gesagt hat: „Für sinnvolle - ich betone: für sinnvolle - Anregungen bin ich dankbar, allerdings nicht für Anregungen, die von einer notorischen Überschätzung unserer eigenen Position ausgehen oder an den Zielsetzungen vorbeigehen, die für die Politik der Bundesregierung gesetzt sind."
Das hat Kollege Bölling hier gesagt; ich kann das nur wiederholen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Frage ist ja sehr differenziert zu betrachten. Deswegen möchte ich aus einem ganz speziellen Grund eine Zusatzfrage stellen. Sind Sie mit mir der Meinung, daß bei der Neuverhandlung für den Swing im Interzonenhandel. der jetzt erst einmal vertragsgemäß läuft und so weiterlaufen muß, über die Höhe des Swings gesprochen werden kann und der DDR klargemacht werden muß, daß wir weder verpflichtet sind noch gezwungen werden können, einen zinslosen Kredit in Höhe von 850 Millionen DM zur Verfügung zu stellen?
Wäre die Bundesregierung bereit, gerade weil die vielen Vertragsbrüche vorliegen, gegebenenfalls bei einem neuen Vertragsstadium - das sage ich ausdrücklich hinzu - den Swing herabzusetzen?
Ich nehme Ihre Anregung zur Kenntnis, obwohl diese Dinge bei allen Verhandlungen mit auf dem Tisch liegen. Es ist aber wohl nicht opportun, solche Erklärungen heute vor dem Deutschen Bundestag abzugeben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Können Sie uns, Herr Staatssekretär, vielleicht zwei oder drei Beispiele nennen, von denen Sie glauben, daß Sie der DDR in der letzten Zeit unmißverständlich klargemacht haben, daß auch sie angehalten werden muß, die ständigen Vertragsbrüche und Verletzungen der Vereinbarungen aufzugeben?
Herr Kollege Wohlrabe, es ist Ihnen bekannt, daß alle Gespräche, ganz gleich auf welcher Ebene und zwischen welchen Partnern aus der Bundesrepublik und der DDR, immer vertraulich geführt werden, wie das auch die Praxis gegenüber ausländischen Staaten ist. Ich sehe mich aus diesem Grunde nicht in der Lage, hier im Deutschen Bundestag Verhandlungsergebnisse auszubreiten. Das ist nicht meine Aufgabe.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Kollege Herold, der Herr Kollege Wohlrabe hatte in der Frage 87 unter anderem danach gefragt, welche politischen Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen kann, auch
hinsichtlich der Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki. Ich möchte jetzt in einer etwas anderen Form wiederholen, was ich vorhin fragte.
Es heißt in dieser Schlußakte: „Die Teilnehmerstaaten, von dem Wunsch geleitet, die Bedingungen zu verbessern, unter denen Journalisten aus einem Teilnehmerstaat ihren Beruf in einem anderen Teilnehmerstaat ausüben, beabsichtigen ..." Im Zusammenhang mit dieser Frage fällt die Formulierung „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit" auf. Das ist der Gegenstand meiner Frage: Wie denken Sie dies so regulieren zu können, daß die Bundesregierung diese Formulierung nun auch einmal für sich verwendet und die andere Seite auf die Konsequenzen einer solchen Gegenseitigkeit aufmerksam macht?
Herr Kollege Dr. Marx, gerade dieser Punkt hat in den letzten Wochen seit Leipzig und auch kurz davor eine Rolle gespielt, und er ist immer wieder von unseren Vertretern angesprochen worden. Sie wissen, daß aus dem Hause eine Kleine Anfrage eingebracht wurde, um die Bundesregierung zu beauftragen, alle Vorbereitungen zu treffen und alles zu registrieren, um in Belgrad das auf den Tisch zu legen, was in diesem Bereich interessant ist. Ich bilde mir ein, Herr Kollege Marx, daß auch die DDR daran interessiert sein muß, ihrerseits möglichst wenig Punkte in einem solchen Katalog entkräften zu müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dübber.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es eine etwas illusionäre Betrachtung diktatorisch regierter Staaten ist,
({0})
wenn man glaubt, sie ließen sich wirtschaftlich ohne weiteres zu einem bestimmten politischen Handeln bewegen, und ist es nicht vielmehr so, daß solche diktatorisch regierten Staaten ihre Bevölkerung wirtschaftlich eher notleiden lassen, als daß sie bestimmte politische Grundsätze aufgeben?
Herr Kollege Dübber, natürlich ist das so. Ich bin überzeugt, daß die Kollegen der CDU/CSU das ebenfalls wissen. Aber das kann uns doch nicht daran hindern, in dieser Richtung zäh und beharrlich weiter zu verhandeln. Eine Alternative gibt es doch in dieser Hinsicht gar nicht,
({0})
es sei denn, man sähe es als eine Alternative an, auf den Tisch zu hauen und keine Gespräche mehr zu führen. Das aber wollen wir doch gemeinsam nicht.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Berger.
Herr Kollege Herold, da Sie soeben zweimal den Bedarf der Bundesregierung nach Anregungen angemeldet haben, möchte ich Sie fragen: Wie lautet Ihre Antwort auf meine Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, in den Fällen vor die Vereinten Nationen zu gehen, in denen sich das Verhalten der DDR beklagenswerterweise nicht in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen befindet?
Frau Kollegin Berger, diese Frage habe ich in diesem Hause - ich will vorsichtig sein - mindestens schon zehn-, zwölfmal beantwortet. Ich darf auf diese Antworten, sehr verehrte Frau Kollegin Berger, verweisen.
({0})
Noch eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Die Fragen 88 und 89 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Dr. Dübber auf:
Welche Hörfunk- und Fernsehsender in der DDR und welche ihrer Programmsparten und Sendungen sind der Bundesregierung bekannt, die sich thematisch überwiegend mit Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen?
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Dübber, ich beantworte Ihre Frage 90 wie folgt: Die Rundfunksender der DDR - Radio DDR, Stimme der DDR, Berliner Rundfunk und zum Teil auch Radio Berlin International ({0}) - sowie das Fernsehen der DDR befassen sich in den verschiedensten Programmsparten und Sendungen regelmäßig auch mit Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Dies gilt insbesondere für Nachrichten-, Dokumentar- und Kommentarsendungen. Hörfunk- und Fernsehsender der DDR, die sich überwiegend mit Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen, gibt es nicht. Als eine spezielle Sendereihe, die zu Sendungen des Fernsehens der Bundesrepublik Deutschland Stellung nimmt, ist „Der schwarze Kanal" von Karl-Eduard von Schnitzler allgemein bekannt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dübber.
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, Herr Staatssekretär, daß es vor dem Hintergrund, den Sie soeben dargelegt haben, absonderlich erscheint, wenn die DDR zwei Bundessender bezichtigt, sich ständig in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen?
Ich teile Ihre Auffassung. Mir ist das auch unmißverständlich.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sauer.
Herr Staatssekretär, haben Sie die Erkenntnis gewonnen, daß sich die DDR bei ihren Rundfunk- und Fernsehsendungen langsam des Geistes des Grundvertrags bemächtigt, oder glauben Sie nicht auch, daß der Kalte Krieg in Form der Abgrenzung fortgeführt wird, zumal Sie gerade den Namen des heimlichen Regierungssprechers von Schnitzler genannt haben?
Ich könnte mir vorstellen, daß sich Herr von Schnitzler nicht mehr ändern läßt.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Dr. Dübber auf:
Ist die Bundesregierung bereit, der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse über das Ausmaß zugänglich zu machen, in welchem sich Rundfunksender der DDR mit Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen?
Herr Kollege Dübber, über die Feststellungen zu Ihrer ersten Frage hinaus liegen der Bundesregierung keine Analysen über das Ausmaß, in welchem sich Rundfunksender der DDR mit Ereignissen und Entwicklungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen, vor. Soweit daran ein Interessen besteht, müßten sie angefertigt bzw. in Auftrag gegeben werden; sie würden dann, wenn das erforderlich ist oder gewünscht wird, selbstverständlich auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ich weise darauf hin, daß das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bereits die politisch relevanten Hörfunk- und Fernsehsendungen der DDR regelmäßig auswertet und im „DDR-Spiegel" mit Hinweisen auf Bild- und Tonaufzeichnungen einen Empfängerkreis in Politik, Verwaltung und Publizistik entsprechend informiert.
Abschließend darf ich noch bemerken, daß sich mein Haus in einem anderen Zusammenhang auf Grund einer Anfrage des verehrten Herrn Kollegen Dr. Riedl mit der Frage befaßt, wie viele in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte Spiel- und Fernsehfilme das Fernsehen der DDR bisher ausgestrahlt hat. Eine abschließende Antwort zu diesem Fragenkomplex kann im Augenblick noch nicht gegeben werden. Nachdem alle Rundfunkanstalten damit beschäftigt werden, wird das noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Unser Haus ist dann selbstverständlich umgehend bereit, dieses Material den Fragestellern und den Interessierten zur Verfügung zu stellen.
Keine Zusatzfrage? - Dann komme ich zu Frage 92 des Abgeordneten Jäger ({0}) :
Trifft es zu, daß die Bundesregierung ausgerechnet an dem Tag, an dem der Internationale Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte in Kraft getreten ist, Druck auf das ZDF und den Fernsehmoderator Löwenthal ausgeübt hat, um zu verhindern, daß in der an diesem Tag ausgestrahlten Sendung neue Namen von Aussiedlungswilligen aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland, die von Artikel 12 dieses Pakts Gebrauch machen wollen, bekanntgegeben werden, und wie ist ein solches Verhalten bejahendenfalls mit der Verfassungspflicht der Bundesregierung zur Achtung und zum Schutz der Grund- und Menschenrechte aller Deutschen zu vereinbaren?
Herr Kollege Jäger, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Auffassung der Bundesregierung, daß die öffentliche Behandlung von Einzelfällen im Interesse aller Betroffenen nicht zweckmäßig ist, ist auch durch das Inkrafttreten des Internationalen Paktes über bürgerliches und politisches Recht am 23. März 1976 nicht geändert worden.
Die Bundesregierung hat guten Grund zu der Annahme, daß sie über bessere und wirksamere Verfahren verfügt als das der öffentlichen Nennung von Namen und Adressen, um einer größtmöglichen Anzahl von Menschen zu helfen. Von daher sieht sie sich berechtigt und verpflichte, vor der öffentlichen Behandlung von Einzelfällen, wie sie für die Sendung vom 23. März geplant war, zu warnen. Nichts anderes hat Herr Minister Franke getan. Wie die Bundesregierung auf diesem Feld handelt und was sie leistet, entspricht voll ihrer Verfassungspflicht; von „Druck ausüben" kann keine Rede sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt dann die Bundesregierung den Brief, den der Herr Minister Franke an den stellvertretenden Vorsitzenden des ZDF-Fernsehrates, seinen Parteifreunden Jockel Fuchs, geschickt hat, in dem es hieß - ich darf mit Genehmigung zitieren -:
Lieber Jockel, ich übersende Dir fernschriftlich meine Korrespondenz mit dem Intendanten des ZDF, Herrn Professor Holzamer, und mit Herrn Löwenthal. Ich darf auch Dich noch einmal dringend bitten, auf eine Absetzung der geplanten Sondersendung „Hilferufe von drüben" hinzuwirken, da sie den betroffenen Menschen schadet. Ich habe durch ein persönliches Gespräch am 9. März versucht, die Herren durch belegte Argumente vom Standpunkt der Bundesregierung zu überzeugen.
Ich halte die Information, die Minister Franke dem Vorsitzenden des Fernsehrates gegeben hat, für durchaus korrekt und für notwendig.
({0})
Denn hier geht es um einen sehr wichtigen menschlichen Bereich, und hier mußte der stellvertretende Vorsitzende des Fernsehrates informiert werden. So ein Einzelfall ist das doch nicht. Es geschieht doch überall - im Bund oder in den Ländern, ganz gleich, wer die Regierung stellt -, daß man die Leute mitinformiert, die dazu helfen können, eine vernünftige Sache vernünftig über die Runden zu bringen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, wie ist es eigentlich um die „besseren Wege und Mittel" der Bundesregierung, von denen Sie gesprochen haben, bestellt, wenn trotz dieser Mittel Hunderte von Menschen dem ZDF Briefe schreiben, in denen sie ausdrücklich darum bitten, daß ihre persönlichen Verhältnisse veröffentlicht werden und dadurch etwas dazu beigetragen wird, daß ihr Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik genehmigt wird?
Herr Kollege Jäger, Sie kennen die Bemühungen, die die Bundesregierung im einzelnen durchführt, und Sie wissen auch genau, daß diese Bemühungen erfolgreich sind. Der Erfolg ist gerade in den letzten Jahren, was die Bereiche der Familienzusammenführung und der Häftlinge angeht, immer größer geworden. Dieser Erfolg bestätigt die Arbeitsweise der Bundesregierung.
Selbstverständlich wird es immer so sein - hoffen wir, daß wir das gemeinsam mit unserer Politik abbauen können
({0})
- Entschuldigung, Herr Kollege Marx, manchmal ist es ja auch bei Ihnen so, daß man denkt: Mensch, hättest du doch etwas anderes gesagt; einverstanden -,
({1})
daß Wünsche, die erfüllt werden sollten, zum Teil nicht erfüllt werden können. Daß sich die Menschen dann aller möglichen Mittel bedienen, verstehe ich doch wie Sie. Aber ich glaube, wir, die wir verantwortlich handeln müssen, sollten doch versuchen, diese Dinge so zu verfolgen, wie das alle Regierungen der Bundesrepublik Deutschland seit 1953 mit großem Erfolg gemacht haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, ist es eigentlich zulässig, wenn der Herr Kollege Jäger ({0}) davon spricht, daß Druck auf das ZDF und Herrn Moderator „Löw" ausgeübt würde, während die Bundesregierung doch lediglich zur Vernunft geraten hat?
({1})
Bitte, Herr Staatssekretär, antworten Sie.
Ich möchte nur feststellen, daß wir in dieser Frage unsere Pflicht erfüllt
haben. Wie das aufgenommen worden ist, hat Herr Intendant Holzamer in seinem Leserbrief an die „Welt" klargemacht.
Die Fragen 96 und 97 des Abgeordneten Reddemann sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Damit stehen wir am Ende der Fragestunde. Die nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Reddemann.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die innerdeutsche Situation verschärft sich in den letzten Wochen mehr und mehr. Wir erleben Situationen, die nach Aussage dieser Bundesregierung seit dem Grundvertrag eigentlich überhaupt nicht mehr möglich sein dürften. Ich darf nur auf einige Schlaglichter verweisen, etwa auf die Art, wie man Journalisten des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle in Leipzig diskriminiert hat, auf die Art, wie man darüber hinaus ganz bewußt versucht hat, Aussteller, soweit sie aus der Bundesrepublik kamen, in der Messestadt zu diskriminieren.
Wir haben heute in der Fragestunde versucht, von der Bundesregierung Auskunft darüber zu bekommen, ob sie gegenüber den gezielten Provokationen der SED-Regierung überhaupt eine wirksame Politik hat oder ob sie praktisch nur den Weg zu gehen versucht, aus einer Klemme ihrer Deutschlandpolitik dadurch herauszukommen, daß sie die tatsächliche Situation gegenüber der deutschen Öffentlichkeit verschleiert. Nachdem wir feststellen mußten, daß der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen offenkundig entweder nicht in der Lage war oder nicht in der Lage sein durfte, dem Deutschen Bundestag die Wahrheit zu sagen, beantragen wir eine Aktuelle Stunde.
({0})
Eine Aktuelle Stunde kann beantragt werden, wenn soviel Mitglieder, wie einer Fraktion angehören, das unterstützen. Ich bitte diejenigen um das Handzeichen, die das unterstützen. - Das reicht aus.
Wir eröffnen die
Aktuelle Stunde.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Abelein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DDR hat mit der Verweigerung der Berichterstattung für drei Journalisten - das ist auch die Ansicht der Bundesregierung -gegen die Abmachungen mit der Bundesrepublik Deutschland über die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten aus dem Jahre 1972 verstoßen. Die Bundesregierung hat darauf in einer Weise reagiert, die es der DDR nahelegt, auch für künftige Rechts16272
und Vertragsverstöße von seiten der Bundesrepublik keine Konsequenzen befürchten zu müssen. Diesen Eindruck hat der Vertreter der Bundesregierung heute in der Fragestunde sogar noch verstärkt.
({0})
Die DDR muß eine solche Reaktion geradezu als eine Einladung verstehen, so fortzufahren, wie sie es bisher getan hat.
({1})
Wenn die Bundesregierung weiter hauptsächlich die Wünsche der DDR erfüllt - was sie in den zurückliegenden Jahren in hohem Maße getan hat -, aber nicht auf Rechtsverletzungen der DDR mit Maßnahmen reagiert, die es der DDR ratsam erscheinen lassen, sich künftig vertragskonform zu verhalten, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn die Deutschlandpolitik auch in Zukunft keine großen Erfolge aufzuweisen hat.
Bundeskanzler Schmidt hat vor etwa einem guten Jahr einmal erkennen lassen, daß finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen von seiten der Bundesregierung ergriffen werden könnten, um die DDR zu bewegen, mit der Bundesrepublik Deutschland getroffene Vereinbarungen auch einzuhalten. Wie üblich bei Bundeskanzler Schmidt blieb es bei großen Worten. Die Taten sind nicht nachgefolgt.
Heute so, morgen
so!)
Die Bundesregierung hat nicht einmal andeutungsweise erkennen lassen, daß sie damit auch Ernst machen möchte. Bisher jedenfalls hat sie gegenüber der DDR immer in höchst großzügiger Weise bezahlt. Ich will jetzt gar nicht auf die politischen Vorleistungen der Bundesregierung gegenüber der DDR eingehen, die einer besonderen Erwähnung bedürften. In den Jahren 1970 bis 1975 hat die DDR aus öffentlichen Haushaltsmitteln an Zahlungen und Vergünstigungen sowie aus der Swingvereinbarung über 7 Milliarden DM erhalten.
Herr Staatssekretär Herold, wir hätten von Ihnen heute gern erfahren, wie es sich mit diesen Zahlen tatsächlich verhält. Sie basieren auf dem Bericht der Bundesregierung - ({0})
- Wenn Sie die nicht richtig zusammenzählen, ist das nicht eine Nachlässigkeit der Opposition.
({1})
Sie sollten ihre eigenen Unterlagen daüber lesen.
Es hat den Anschein, als ob die Bundesregierung unter Helmut Schmidt durch finanzielle Höchstleistungen gegenüber der DDR wenigstens bis zu den Bundestagswahlen den Eindruck einer gewissen Entspannung erkaufen möchte, wobei die Bundes' regierung doch eigentlich gelernt haben müßte, daß auch ein noch so weitgehendes Entgegenkommen gegenüber der DDR seitens der Bundesregierung von der DDR nicht honoriert wird.
({2})
Denn die DDR hält Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland nur so weit und so lange, wie sie ihr einen eigenen Vorteil bringen.
({3})
Wir haben einige Vorteile, die in den letzten Jahren mit erreicht wurden, nie verkannt, z. B. die Zunahme der Besucherzahlen und der Telefongespräche. Aber sie sind nicht letzter und entscheidender Maßstab für den Erfolg ihrer Deutschlandpolitik.
Wenn wir die Folgeverträge zum Grundlagenvertrag ansehen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß die Vorteile überwiegend bei der DDR liegen. Insgesamt läßt sich dazu sagen, daß das Ergebnis der Folgeverhandlungen fast vier Jahre nach Abschluß des Grundlagenvertrages mehr als kläglich ist; denn die entscheidenden Abkommen haben Sie überhaupt nicht geschlossen.
Selbst Mitglieder dieser Bundesregierung reden neuerdings von einem Zeitabschnitt neuer Abkühlung. Jedenfalls hat die DDR den von der Bundesregierung mit unzulänglichen Mitteln unternommenen Versuch, zu einer Annäherung der beiden deutschen Staaten zu kommen, bisher nicht honoriert.
Die Grenzsicherungsanlagen, wie Stacheldraht, Minenfelder, Mauer, wurden nicht abgebaut, sondern ausgebaut. Der Schießbefehl wurde nicht aufgehoben; die DDR läßt weiter töten. Die Regierung der DDR verstößt laufend gegen den UNO-Pakt für Menschenrechte. Sie ignoriert die Vereinbarungen der KSZE. Sie verletzt den Grundlagenvertrag.
Was macht die Bundesregierung? Sie zahlt. Sie zahlt unentwegt. Sie zahlt Milliardenbeträge an die DDR.
({4})
- Ich komme zum Schluß. Allein im Jahre 1975 - ({5})
- Sie von der Regierung sind am Ende mit Ihrer Politik - und Sie, Herr Wehner, schon lange.
({6})
- Mitunter bin ich erkältet. Aber Sie sind ganz anders krank. Sie sind nämlich ein Fall für einen Arzt für seelische und geistige Krankheiten. Das möchte ich Ihnen auf Ihre Zwischenrufe einmal sagen.
({7})
Herr Abgeordneter Dr. Abelein, ich bitte Sie, Ihre Rede zu beenden.
({0})
Die Bundesregierung zahlt Hunderte von Millionen DM, insgesamt Milliardenbeträge, jedes Jahr, zu einem Zeitpunkt, da sie das
höchste Defizit aufzuweisen hat, das eine Bundesregierung je hatte.
({0})
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Es ist leider zu vermuten, daß ein Teil dieser Gelder auch noch für die Arbeit gegen die Bundesrepublik Deutschland durch kommunistische Gruppen verwendet wird.
Wir, die CDU/CSU, fordern die Bundesregierung auf, endlich einmal auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet ein abgestuftes System von Gegenmaßnahmen gegen andauernde und künftige Rechtsverletzungen der DDR gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und gegenüber den Menschenrechten zu entwickeln.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon öfter vorgekommen, daß sich in diesem Haus jemand verbal vergaloppiert hat.
({0})
Aber dann ist es wohl notwendig - auch mir ist es schon so ergangen -, daß sich der Betreffende wenigstens in aller Form entschuldigt. Herr Kollege Professor Dr. Abelein, Ihrem Stand hätte es entsprochen, wenn Sie das, was Sie eben gegenüber dem Kollegen Wehner ausgesprochen haben, in aller Form zurückgenommen hätten.
({1}) Ich hoffe, Sie tun es anschließend schriftlich.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe für den Redner.
Ich habe schon immer gewußt, verehrter Herr Kollege Zwischenrufer - ich kenne Ihren Namen nicht -, daß Lautstärke das Argument nicht ersetzen kann. So laut Sie auch schreien mögen, mir stehen hier nur fünf Minuten zur Verfügung. Wenn Sie sich melden, stehen sie auch Ihnen zur Verfügung. Die Zwischenrufe, die Sie sich bisher geleistet haben, haben jedenfalls nicht davon gezeugt, daß hier ein ganz großer Sachverstand obwaltet.
Ich habe mich überhaupt etwas darüber gewundert, daß die Fraktion der CDU/CSU hier den Versuch unternimmt, eine Aktuelle Stunde über deutschlandpolitische Fragen zu veranstalten, nachdem wir uns im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, zumindest was die aktuellsten Fälle angeht - die Zurückweisung dreier Journalisten von der Leipziger Messe -, fast einig darüber gewesen sind, daß die Bundesregierung hier angemessen geantwortet hat und die Maßnahmen, die sie getroffen hat, den Beifall aller Seiten finden. Da gibt es graduelle Unterschiede, und es wird gesagt, es hätte noch etwas härter sein können. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann natürlich nur jemand wissen, der bei der Ausschußsitzung anwesend war.
({0})
Nun ist es in der Tat wieder so gewesen, daß zwar der größte Teil der Ausschußmitglieder der CDU/ CSU-Fraktion anwesend war, ihr deutschlandpolitischer Sprecher aber eben nicht. Wenn das schon so ist, dann weiß ich nicht, Herr Kollege Reddemann, wer Ihnen die Information darüber gegeben hat, daß die Leute mit der Haltung der Bundesregierung schrecklich unzufrieden sind. Irgend jemand hat Sie fehlinformiert. Denn in diesem Fall ist es in der Tat so gewesen, Herr Kollege Reddemann, daß wir einmütig gewesen sind und die Haltung der Bundesregierung begrüßt haben.
Nun will ich einmal ein paar Worte über die beliebten Zahlenspielereien verlieren. Wir halten es für selbstverständlich, daß es bezahlt werden muß, wenn man Briefe, Telegramme und Pakete in ein Gebiet schickt, das außerhalb des Bedienungsbereichs der Deutschen Bundespost liegt, weil sie von jemand anderem weiterbefördert werden. Ein großer Teil jener Gelder, von denen die Bundesregierung hier gesprochen hat, dient eben der Bezahlung von Dienstleistungen, die die DDR für die Bundesrepublik bzw. für deren Bürger erbringt. Das ist ganz selbstverständlich. Ich weiß gar nicht, was das mit finanziellen Vorleistungen zu tun haben soll.
Das Interzonenhandelsabkommen, bei dem hier immer der Swing angesprochen wird, ist doch keine Erfindung der deutschen Sozialdemokratie oder dieser Bundesregierung. Sie haben das doch eingeführt und gesagt: 25 % dürfen die da drüben uns schuldig bleiben.
({1})
- Das spielt doch überhaupt keine Rolle! Im Grundvertrag steht - das wissen Sie doch! -, daß der innerdeutsche Handel wie bisher weitergeführt wird. So ist es in der Tat. Sie haben das eingeführt und von den 25 % gesprochen. Wir hatten einen Handel mit einem Volumen von 3,4 Milliarden. Teilen Sie die 3,4 Milliarden durch 4, dann kommt 0,850 Milliarden heraus. Das ist genau das, was im Augenblick gezahlt wird. Ich verstehe überhaupt nicht, daß man sich darüber aufregen kann.
({2})
Und nun ein Wort zu Ihrer Forderung, man müsse viel härter werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die DDR weiß sehr genau, daß die Bundesregierung nicht Gleiches mit Gleichem vergelten kann, wenn sie nicht ihr Grundgesetz außer Kraft setzen will. Wenn die DDR drei Journalisten
zurückweist, können wir nicht unsererseits dasselbe tun und sagen: Nun gibt es doch Deutsche zweiter Klasse.
({3})
Dann haben wir keine Freizügigkeit mehr. Wir können, verehrter Herr Reddemann, Gleiches auch deshalb nicht in jedem Fall mit Gleichem vergelten, weil dieser Racheakt Politik überhaupt nicht ersetzen kann. Im Kalkül dieser Bundesregierung sind, wenn es um innerdeutsche Politik geht, Racheakte überhaupt nicht vorhanden.
({4})
Es ist ein ausgesprochen kleinkariertes Denken, zu meinen, man müsse alles mit gleicher Münze heimzahlen. Es wäre freilich die leichteste Politik. Sie, meine Damen und Herren von der Union, haben sie jahrelang betrieben. Wir werden uns darauf nicht einlassen.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Abelein hat uns mit Herrn Reddemann weismachen wollen, die unbefriedigenden Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold hätten uns diese Aktuelle Stunde gebracht. Nein! Seit 11.55 Uhr wissen wir - und so lief es über den Ticker bei dpa -, daß uns diese Aktuelle Stunde beschert werden sollte.
({0})
Meine Damen und Herren! Uns hat ja auch schon etwas fast gefehlt. Denn schließlich gehört das zu Ihrem Repertoire.
({1})
Mit dem Thema „Innerdeutsche Politik" wollen Sie mühsam den Erfolg und das Ergebnis der Abstimmung über die innerdeutsche Politik und den Grundlagenvertrag nachträglich korrigieren. Aber das kann Ihnen nicht gelingen.
({2})
Wenn Sie bei dieser Art der Debatte in den Mittelpunkt Ihrer Argumentationskette immer wieder die finanziellen Leistungen rücken, die von der Bundesrepublik an die DDR erbracht werden, dann tun Sie so, als leisteten wir Geschenke an die Kommunisten im anderen deutschen Staat zu Lasten und auf Kosten des Steuerzahlers. Sie wissen ganz genau, daß das nicht der Fall ist.
Wenn wir uns hier sachlich über die wirtschaftlichen Beziehungen, genannt „Interzonenhandel", - -({3})
- Ach, Herr Reddemann, wenn Sie sich über den
Interzonenhandel und über die innerdeutsche Bilanzierung von Gewinn und von Interesse gerade für den aktuellen Augenblick ein bißchen mehr informieren würden, dann würden Sie diesen Punkt nicht so leichtfertigt abhandeln, wie Sie das tun.
({4})
Wir wissen und wir haben schon oft genug darüber geredet, wie es um den innerdeutschen Handel steht und wie es zu dem Swing gekommen ist. Wir wissen auch ganz genau, daß diese Bundesregierung jetzt ein Modell gefunden hat, wie dieser Swing endlich abgebaut
({5})
und auf das normale, dem Volumen des innerdeutschen Handels entsprechende Maß zurückgeführt werden kann. Aber wie sehr politische Erwägungen bei den Kommunisten doch wohl immer den Vorrang haben vor wirtschaftlichen oder technologischen Interessen, das ist Ihnen genauso bekannt wie uns, und das gescheiterte Projekt eines Atomkraftwerks in Königsberg hat es allen noch einmal deutlich gemacht. Glauben Sie also nicht, Sie könnten mit dem Hebel der Wirtschaftspolitik und mit dem Mittel des Swing im innerdeutschen Handel die Kommunisten zu irgendeinem Verhalten bewegen. Sie sind mit dieser Politik schon einmal, in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung, gescheitert.
({6})
Dienen Sie uns dieses untaugliche Mittel heute nicht an!
({7})
Meine Damen und Herren, es trifft zu, daß sich die ideologische Auseinandersetzung im innerdeutschen Bereich und zwischen den Blöcken wieder verschärft. Die Angriffe und die Maßnahmen gegen die Korrespondenten der Deutschen Welle und des Deutschlandfunks geben dafür beredten Ausdruck. Hier aber, so meine ich, hat die Bundesregierung in der Tat angemessen, deutlich und konsequent geantwortet, und ich bin sicher, das wird nicht ohne Reaktion bei den Kommunisten in der DDR bleiben. Wir können uns miteinander darüber unterhalten, ob man hier, gerade was die freie Berichterstattung betrifft, nicht ein wenig früher hätte so konsequent antworten müssen. Vielleicht brauchten wir dann über die Leipziger Vorgänge gar nicht so ausführlich zu debattieren.
({8})
Meine Damen und Herren, wenn uns die Opposition ständig weismachen will, die Deutschlandpolitik sei deshalb gescheitert, weil Mauer und Schießbefehl nicht beseitigt werden konnten, dann ist das eine miese und infame Argumentation.
({9})
Mauer und Schießbefehl haben wir bereits im Jahre
1961 zur Kenntnis nehmen müssen. Wir haben sie
mit Bedauern und Zähneknirschen zur Kenntnis nehmen müssen, aber sie waren das Ergebnis einer Politik, die nicht wir allein vertreten haben, sondern für die sich auch und gerade die Opposition wohl mitverantwortlich fühlen muß.
({10})
Diese schrecklichen Ereignisse innerdeutscher Politik gilt es zu überwinden. Wir sollten hier, meine Damen und Herren, mehr Gemeinsamkeit aufbringen, als es die Opposition heute zu tun in der Lage ist.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Jäger ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Hoppe: Wenn etwas als mies und infam zu bezeichnen ist, wenn wir in diesem Parlament über Mauer und Stacheldraht reden, dann ist es einzig und allein die Tatsache, daß die Bundesregierung entgegen dem Auftrag, den ihr das Bundesverfassungsgericht erteilt hat, darüber mit der DDR-Regierung auch noch nicht ein einziges Mal in Verhandlungen eingetreten ist.
({0})
Herr Höhmann, Ihre Auskunft war falsch. Im Innerdeutschen Ausschuß in Berlin ist es keineswegs zu einer Einigung über die Angemessenheit der Reaktion der Bundesregierung gekommen. Davon kann gar keine Rede sein. Ich war bei dieser Sitzung anwesend und kann Ihnen nur sagen, daß wir ausdrücklich beanstandet haben, daß die Bundesregierung sogar noch das Landeverbot für die SED-Delegation als in keinerlei Zusammenhang mit den Ereignissen von Leipzig stehend bezeichnete und damit auch dies als Reaktion gegenüber der DDR noch entwertete.
({1})
Meine Damen und Herren, die Antworten, die die Bundesregierung in der Fragestunde gegeben hat, zeigen, daß sie vor ihrer Aufgabe, Wahrerin der Grund- und Menschenrechte aller Deutschen zu sein, kläglich versagt hat.
({2})
Leisetreterei, Verharmlosung, Verniedlichung, ja sogar Verschweigen der täglichen Menschenrechtsverletzungen, die trotz aller internationalen Abkommen immer weitergehen, sind die Maxime dieser Bundesregierung. Genau das, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg, auf dem wir Sie nicht begleiten, sondern Tag für Tag genauso kritisieren werden, wie wir das schon in den vergangenen
Jahren - manchmal, wie ich glaube, auch mit Erfolg - getan haben.
({3})
Sie behaupten dann immer, es bringe Schaden für die Deutschen drüben, wenn wir laut unsere Stimme erheben und für ihre Rechte eintreten. Meine Damen und Herren, das widerlegen Ihnen doch die Menschen drüben. Dieser Tage schrieb anläßlich der Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens ein Bürger der DDR folgendes --- ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren, Herr Präsident -:
Sehr geehrter Herr Löwenthal!
... Ich bin fest entschlossen, mein Recht durchzusetzen, selbst wenn es mich unbegründet in eines ihrer Gefängnisse bringen würde. Mein Lebensziel heißt, jetzt die Freiheit zu erlangen. Daß Sie meinen Namen nennen, versteht sich, und ich bitte Sie sehr darum, daß Sie dies tun.
Meine Damen und Herren, so hat Herr Löwenthal Hunderte von Briefen bekommen. Sie zeigen, daß Sie in dieser Frage falsch liegen, daß Sie in dieser Frage den Willen dieser Menschen nicht respektieren, sondern sich sogar noch, wie Herr Franke das getan hat, zum Vormund dieser Menschen machen wollen, indem Sie Sendungen unterbinden wollen, in denen auf Unterdrückung und Schikanierung aufmerksam gemacht wird.
({4})
Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung, die zu Beginn ihrer Amtstätigkeit bereits das Alleinvertretungsrecht für ganz Deutschland preisgegeben hat, macht sich nun praktisch eine Alleinvertretungsanmaßung in bezug auf die Menschenrechte der Deutschen zu eigen, indem sie sich zum Vormund dieser Menschen aufwirft und bestimmt, wann es richtig oder wann es falsch ist, in der Öffentlichkeit klar und deutlich für deren Rechte einzutreten. Das ist eine Haltung, bei der wir nicht mitmachen werden.
({5})
Dabei hätte die Bundesregierung Besseres zu tun. Wir haben in diesen Tagen das Inkrafttreten des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland feststellen können. Es gibt die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit ihrem Korb III. In allen diesen Abmachungen ist eine Fülle von Möglichkeiten enthalten, die den Menschen in unserem geteilten Vaterland Verbesserungen und Erleichterungen bringen, die der Durchsetzung und Realisierung ihrer Menschenrechte dienen.
({6})
Meine Damen und Herren, wir stellen nach wie vor fest, daß die Bundesregierung weder ein Konzept zur Verwirklichung dieser Menschenrechte hat, noch daß sie in konkrete Verhandlungen zur Durchführung der Ergebnisse der KSZE oder in Verhandlungen zur Umwandlung dieses Paktes in innerstaatliches Recht der DDR mit deren Regierung ein16276
Jäger ({7})
getreten wäre. Dieses Verhalten der Bundesregierung ist im Hinblick auf die Menschen in unserem Lande schlicht und einfach skandalös.
({8})
Der Vorsitzende der SPD schrieb vor wenigen Wochen:
Menschenrechte sind Verpflichtungen. Die freie Entfaltung der Person bleibt bloßer Appell, wenn die zu ihrer sozialen Verwirklichung erforderlichen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen nicht existieren oder wenn Hunger, Folter und andere Formen der Diskriminierung geduldet werden.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition und von der Bundesregierung, wenn dies, was der Parteivorsitzende der SPD, Herr Brandt, hier gesagt hat, kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben soll, muß diese Regierung endlich im Interesse der Menschen in diesem Lande handeln. Das ist das allermindeste, worauf das deutsche Volk Anspruch gegen diese Regierung hat.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnet Dr. Ehmke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hoppe hat schon darauf hingewiesen, daß Sie offenbar, noch bevor der Kollege Herold Ihre Fragen beantwortet hat, schon wußten, daß die Antworten schlecht waren.
({0})
Die dpa-Meldung über die von Ihnen geplante Aktuelle Stunde schloß an an eine dpa-Meldung mit einer Äußerung des Kollegen Marx über die gestrige Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, in der ein Antrag von Ihnen abgelehnt worden war.
({1})
Da Sie auf diesen Antrag offenbar nicht zurückkommen wollen - Sie weiten die Fragestunde jetzt
anders aus, als in der dpa-Meldung angekündigt -,
({2})
möchte ich darauf zurückkommen, weil es ein Schlaglicht auf die Art wirft, wie Sie diese Frage behandeln.
({3})
Wir hatten gestern im Auswärtigen Ausschuß einen Antrag von Ihnen vorliegen, die Bundesregierung möge doch bitte in dem jährlichen Bericht über die Lage der Nation jeweils einen Abschnitt
({4})
über die Frage der Verwirklichung oder Verletzung von Menschenrechten im geteilten Deutschland aufnehmen.
({5})
Wir haben darüber eine Diskussion geführt, und zwar eine sehr offene Diskussion. Ich habe z. B. dem Kollegen Gradl gesagt: Ich bin mit Ihnen in der Sache fast einer Meinung. Es besteht überhaupt kein Grund, wenn man die Verletzung von Menschenrechten in Chile oder in anderen Teilen der Welt rügt, das nicht auch bei uns zu tun. Das ist sogar unsere Pflicht. Darüber geht der Streit gar nicht. Aber, habe ich zu ihm gesagt - Herr Kollege Gradl war auch hier ziemlich der gleichen Meinung wie ich -, wir müssen das natürlich in der Form tun, daß wir die humanitären Bemühungen, die laufen und die, gerade was die DDR betrifft, auch ein früheres Verdienst des Kollegen Barzel sind - er hat damals damit angefangen; das ist seitdem fortgeführt worden -, nicht gefährden.
({6})
Es hat ja keinen Zweck, hier gewissermaßen wieder ein Transparent vor sich her zu tragen, in der Sache aber zu einem geringeren Ergebnis zu kommen.
({7})
- Lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Mertes! Ich weiß nicht, warum Sie nicht zuhören wollen.
Das heißt also: in der Grundfrage bestand überhaupt kein Streit. Der Streit bestand darin: Ist es klug, das in dem jährlichen Bericht zu machen, wo das leicht - ich habe das, Herr Czaja, gar nicht negativ gemeint - ein Ritual wird? Jedes Jahr wird dann automatisch berichtet. Ist es nicht vernünftiger, wie es z. B. in der Diskussion über die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Fällen, die unter dem Stichwort „Zwangsadoption" laufen, geschehen ist, jeweils den Punkt auszusuchen, zu dem man Stellung nehmen will? Das war das Thema der Diskussion.
({8})
Leider war es nicht möglich, zu einer Einigung zu kommen.
Daraufhin hat der Ausschußvorsitzende die Sitzung unterbrochen und gesagt, jeder solle seinen Antrag formulieren. Sie blieben dann bei Ihrem Antrag, daß dem federführenden Ausschuß empfohlen werden solle, Ihren Antrag dem Bundestagsplenum zur Annahme zu empfehlen. Wir haben gesagt: Nein, auf Grund der erörterten Bedenken sollten wir das nicht tun. Wir haben statt dessen einen Antrag eingebracht, der besagte: Bis zum 1. April 1977 soll die Bundesregierung über die gesamte Frage der Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des VII. Grundsatzes der Schlußakte der KSZE berichten. Ich muß übrigens sagen: ich bin sehr dankbar dafür, daß die CDU, die früher an der KSZE kein gutes Haar gelassen hat, inzwischen ein so positives Verhältnis zur Schlußakte von Helsinki gefunden hat, wenn ich die Diskussion hier richtig verstehe.
({9})
Dann passierte etwas sehr Erstaunliches: Der Ausschußvorsitzende ließ nicht über den weitergehenden Antrag abstimmen,
({10})
sondern er ließ zunächst einmal über den Antrag der CDU abstimmen.
({11})
Wir haben diesen Antrag abgelehnt.
({12})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe für den Redner.
Ich bin bei der Sache; aber sie ist Ihnen unangenehm, Herr Hupka. Darum bringe ich sie hier.
({0})
- Herr Abelein, Sie waren gar nicht dabei. Es wäre gut, wenn Sie ruhig wären.
({1})
Wir wollten zunächst einmal darum bitten, daß der zuständige Minister in den Ausschuß kommt, damit wir mit ihm die Vor- und Nachteile erörtern können. Das ging nicht mehr, weil heute schon der federführende Ausschuß tagt.
Es gab also zwei Anträge. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Dann haben wir eine lange Diskussion darüber geführt, ob über den Antrag der Koalition überhaupt noch abgestimmt werden könne. Ich sage Ihnen hier, was ich gestern im Ausschuß gesagt habe: Sie machen den Versuch, aus der Meinung, die die Mehrheit im Ausschuß vertreten hat und die sich in der Grundfrage der Menschenrechte nicht von Ihrem Antrag unterscheidet - wohl aber in der Frage, was der beste Weg ist, die Interessen der Menschen im geteilten Deutschland geltend zu machen, innenpolitisches Kapital zu schlagen. Das gilt für Herrn Marx in der Meldung von dpa und für Sie in dieser Aktuellen Stunde. Das ist der eigentliche Vorgang.
({2})
- Das ist meine Meinung, und das war gestern genauso. Es bestand kein Grund, uns nicht unsere Meinung darstellen zu lassen.
Ich wundere mich, woher Sie den Mut nehmen,
({3})
nach so vielen Jahren CDU-Politik, die die Menschen im geteilten Deutschland nicht zueinander geführt hat,
({4})
sich in dieser anmaßenden Form über die Versuche zu äußern, die diese Regierung seit vielen Jahren, seitdem wir Verantwortung tragen, unternimmt. Sie wollen doch nicht bestreiten, daß erhebliche Fortschritte gemacht worden sind. Herr Marx, daß es Schwierigkeiten gibt, daß all das genau beobachtet und daß reagiert werden muß, ist richtig.
({5})
- Das ist doch nicht wahr, Herr Reddemann.
({6})
- Das ist doch gar nicht wahr! Auch bei der KSZE ist es so - wir werden das ja in der Zwischendiskussion sehen -: Man kann natürlich die KSZE kaputtmachen, indem man sie als Waffe benutzt und Maximalforderungen stellt. Das kann der Osten und das kann der Westen tun.
({7})
Oder aber man kann den Versuch machen, wirklich weiterzukommen. Ich bin der Meinung, dieser Versuch ist in vielen Fällen mit Erfolg gemacht worden.
Ich kann jedenfalls sagen: auch mich bedrückt vieles, die Schwierigkeiten, die Rückschläge, all das, wo praktisch Tag für Tag immer wieder gebohrt werden muß, um die Dinge weiterzubringen. Aber ich bin wirklich der Meinung, wenn ich das, was wir erreicht haben, mit früheren Versuchen vergleiche, die zum Teil gemeinsame Versuche waren
- ich kritisiere das gar nicht -, daß wir hier zwar auf einem schwierigen, aber doch offenbar auf dem einzig möglichen Weg sind. Sie tun so, als ob das, was Sie hier anbieten, indem Sie diese Sache herausstellen oder im ZDF bringen, eine Lösung sei. Aber Sie wissen selbst: das ist keine Alternative. Und ich kann nur sagen, - gerade auch weil ich mit einer Reihe Ihrer Kollegen einer Meinung bin -, ich bedauere, daß Sie hier den Versuch machen, in dieser Aktuellen Stunde - wie gestern im Ausschuß - die Menschenrechte zu einem innenpolitischen Wahlkampfthema zu machen. Ein weiteres Stück Gemeinsamkeit wird damit aufgegeben. Ich bedaure das. Es liegt auch nicht im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre jetzt hier nicht heraufgegangen, Herr Kollege Ehmke, wenn Sie nicht eine Sache eingeführt hätten, von der ich weiß und Sie wissen, daß sie heute im federführenden Ausschuß endgültig behandelt wird.
({0})
Ich möchte zur Steuer der Wahrheit noch folgendes
sagen. Es dreht sich darum, daß das ganze Haus
am 22. Januar dieses Jahres einen Antrag der Fraktion der CDU/CSU an die entsprechenden Ausschüsse geleitet hat. Dieser Antrag ist ganz unpolemisch. Dieser Antrag fordert die Bundesregierung auf, einen Bericht über Einhalten und Verletzen von Menschenrechten vorzulegen, und zwar im Zusammenhang mit dem Bericht zur Lage der Nation. Daß dieser Bericht jährlich gegeben wird, entspricht, Herr Kollege Ehmke, einem Antrag, wie Sie sehr wohl wissen, der damaligen sozialdemokratischen Fraktion. Wir haben dies hier immer so verstanden. Meine Damen und Herren, ich finde wirklich, daß es ein schwerwiegender Vorfall ist, wenn - ganz anders als der Bundesaußenminister in den Vereinten Nationen oder jetzt bei der Gründung der Liberalen Liga - sowohl die Freien Demokraten als auch die Sozialdemokraten im Auswärtigen Ausschuß es ablehnen, einen solchen Bericht anfertigen zu lassen. Ich finde es schwerwiegend, daß Leute, die sich um alle möglichen Probleme in der Welt, die auch wir beklagen, wo Menschen gefoltert werden, kümmern, sich davor drücken - ich weiß nicht, aus welchem Grund -, die Verletzungen der Menschenrechte im anderen Teil unseres Landes in dem Bericht der Regierung zur Lage der Nation darstellen zu lassen.
({1})
- Herr Kollege Ehmke, ich hätte Ihnen soeben gern auch Zusatzfragen gestellt. Das geht leider nicht, weil die Ordnung der Aktuellen Stunde es so verlangt. Aber wir können ja hier in aller Offenheit miteinander diskutieren.
Sie sagen zweitens, wir hätten an der KSZE früher kein gutes Haar gelassen. Lesen Sie z. B. unsere Anfragen und unsere Einlassungen in beiden Diskussionen nach und machen Sie nicht das, was Sie vorhin einem anderen Mitglied dieses Hauses vorgeworfen haben, daß Sie nämlich Ihre Unkenntnis, die auf der Tatsache beruht, daß Sie bei vielen Diskussionen nicht anwesend sind, dazu verwenden, Vorwürfe zu erheben, die ganz ungerechtfertigt sind.
({2})
Aber - auch das haben wir klargemacht - wenn die KSZE-Schlußakte unterschrieben ist - das haben wir bei allen anderen Dingen getan -, dann hat sie für uns die ihr innewohnende moralisch-politische Verbindlichkeit. Wir werden darauf achten, daß jedermann, jeder andere, auch Herr Honecker, der dies in Helsinki unterschrieben hat, auch einhält. Und, Herr Ehmke, mein Wunsch unser Wunsch war, im Ausschuß dahin zu gelangen, daß wir endlich zumindest in der Frage der Verwirklichung der Menschenrechte, in der Darstellung ihrer Gefährdung, in dieser ganz grundsätzlichen Frage einig wären. Sie haben uns gestern enttäuscht und heute wieder. Das ist Ihre Sache.
({3})
Das Wort hat der Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die öffentliche Reaktion der CDU/ CSU auf die gestrige, wie immer vertrauliche Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, eine Diskussion, Herr Kollege Marx, die Sie mit Ihrer sehr einseitigen dpa-Erklärung von gestern begonnen haben - Sie haben sie begonnen, nicht wir -, ist für mich genauso wir für den Kollegen Ehmke ein weiterer Beweis für auch meine von Anfang an gehegte Vermutung, daß es der Opposition bei ihrem Antrag in Sachen Bericht über die Menschenrechte - das war der Tagesordnungspunkt 1 der gestrigen Sitzung des Ausschusses - in erster Linie um vordergründige parteitaktische Propaganda und Manöver ging und geht.
({0})
Das muß hier eindeutig festgehalten werden. Ihre gestrige dpa-Erklärung, Herr Kollege Marx, war unglaublich einseitig und hat die Hälfte ausgelassen. Ich selber, der ich Berichterstatter zu diesem Thema im Ausschuß war, habe mich bemüßigt gesehen, heute als sozialdemokratisches Mitglied des Ausschusses im Rundfunk zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
({1})
- Wir kommen gleich darauf zu sprechen. Ich kann hier nicht auf Einzelheiten der gestrigen vertraulichen langen Beratung eingehen.
Wir haben gestern - so viel kann ich sagen - ganz eindeutig erklärt - daran kann kein Zweifel bestehen -, daß wir von seiten der Koalition der Auffassung sind, daß sich dieses sehr ernste Thema in keiner Weise für durchsichtige parteitaktische Manöver eignet, sondern daß wir es hier - so habe ich es wörtlich formuliert - mit einem Thema zu tun haben, bei dem wir im nationalen Interesse und im Interesse aller Betroffenen an einem Strange ziehen sollten.
({2})
Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß Sie - dies gilt jetzt insbesondere für Herrn Marx und Ihre gestrige Erklärung - durch die Art und Weise, in der Sie mit diesem Thema umgehen, diese Interessen schädigen.
({3})
Zur Sache selber. Nachdem der Herr Kollege Marx hier Gegenstände der vertraulichen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses in die Öffentlichkeit eingeführt hat,
({4})
erkläre ich folgendes.
Erstens. Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition stehen niemandem in der Bundesrepublik im Eintreten für die Wahrung der Menschenrechte in aller Welt nach. Dies ist immer ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Außen- und Deutschlandpolitik gerade dieser sozialliberal geführten Bundesregierung gewesen und wird es auch bleiben.
({5})
Zweitens. Die Bundesregierung bedurfte daher keiner besonderen Aufforderung, in dieser Frage in so spezieller Form, wie gestern beantragt, tätig zu werden.
({6})
Dies ist hier ganz eindeutig festzustellen.
Drittens. Jeder verantwortungsbewußte Kollege hier im Haus muß sich - ob nun im Ausschuß oder im Plenum - bei allem außenpolitischen Handeln und bei allen außenpolitischen Maßnahmen immer mit großem Ernst die Frage stellen: Welche Mittel sind zur Erreichung welches Zieles geeignet und welche nicht? Darüber kann es in einer Debatte unter ernst zu nehmenden Menschen immer wieder echte Meinungsverschiedenheiten geben. Das war auch gestern in der Diskussion im Ausschuß so.
({7})
Es ist auch ganz logisch, daß dies so ist. Die Auffassung der Kollegen von SPD und FDP war eindeutig die,
({8})
daß wir unter der sozialliberal geführten Bundesregierung im Interesse der betroffenen Menschen, um die es in aller Welt - ich betone: in aller Welt - geht
({9})
- selbstverständlich! -, schon unseren Teil dazu beitragen konnten, daß die Wahrung der Menschenrechte mehr Gewicht erhält. Ich verweise noch einmal auf das, was der Kollege Ehmke schon ausgeführt hat. Der record dieser Bundesregierung gerade in bezug auf die deutsche Frage und die Verbesserung der Lage der Menschen im geteilten Deutschland ist ganz eindeutig.
Diese unsere Erwägungen führten dazu, daß wir dem CDU/CSU-Antrag in der vorgelegten Form nicht beitreten konnten und dann unsererseits eine Empfehlung an den federführenden Ausschuß einbrachten, die der Kollege Ehmke schon charakterisiert hat und die Sie, Herr Kollege Marx, in Ihrer dpa-Erklärung sträflicherweise, unerhörterweise außer acht gelassen haben. Wir sind der Auffassung, daß es im deutschen Interesse notwendig ist, diese Probleme auf multilateraler Ebene - bezogen auf die Gesamtheit der Vorgänge in der Welt - aufzugreifen,
({10})
genau wie dies der Herr Bundesaußenminister in seiner Erklärung vor den Vereinten Nationen im Herbst 1975 getan hat.
({11})
Zu dieser Erklärung haben wir uns gestern ja einmütig bekannt. Wer diese Dinge hier verschiebt - dies muß ich ganz deutlich sagen -, leistet der Sache, um die es geht, eigentlich nicht nur einen
schlechten Dienst, sondern er schädigt diese Sache geradezu.
({12})
Ich wiederhole: Wir treten dafür ein, daß die Bundesregierung diese Fragen im Einvernehmen mit ihren Verbündeten und insbesondere im Einvernehmen mit den anderen EG-Staaten auf multilateraler Ebene immer wieder aufgreift.
({13})
Daher unser Antrag, der ganz klar eine Berichterstattung bis zum 1. April 1977 vorsieht.
({14})
Ich möchte, da dies vorhin bei den Äußerungen einiger Kollegen eine Rolle gespielt hat, noch anmerken, daß das Inkrafttreten des Internationalen Paktes über politische und bürgerliche Rechte natürlich in der Tat neue Möglichkeiten eröffnet, etwa im Hinblick auf den hier geforderten Jahresbericht, den alle Mitgliedstaaten dann zu geben haben. Im Grunde stehen wir aber natürlich immer noch vor der Schwierigkeit, die von Ihnen groteskerweise immer übersehen wird und die auch, was die Charta der Vereinten Nationen angeht, eine Rolle spielt, nämlich daß ein unauflösbarer Widerspruch besteht zwischen dem Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einerseits
({15})
- ich spreche jetzt allgemein über die internationale Politik - und dem Gebot, für die Wahrung der Menschenrechte überall in der Welt einzutreten, andererseits. Diese Bundesregierung tritt konsequent eben dafür ein.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Krall.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Marx, Sie veranlassen mich, die einseitige Darstellung des Ablaufs der gestrigen Sitzung ganz entschieden zurückzuweisen.
({0})
- Nein, ich bin nicht voreingenommen. Sie werden das gleich noch von mir hören.
Nachdem wir eingehend über Ihren Antrag diskutiert haben und weitgehende Übereinstimmung über die Grundsätze und den Inhalt bestand, war lediglich eine Verfahrensfrage offen, ob es sinnvoll sei, die humanitären Bemühungen durch diese Verfahrensweise möglicherweise zu erschweren. Die Koalitionsfraktionen hatten darum gebeten, daß wir
hierzu den zuständigen Minister hören. Das haben Sie im Prinzip abgelehnt.
({1})
- Natürlich haben Sie es abgelehnt; der Antrag ist ganz klar gestellt worden.
Daraufhin hat der Ausschußvorsitzende die Sitzung unterbrochen, und wir haben uns zur Beratung zurückgezogen. Es hat zwei Entwürfe gegeben, und zwar einmal eine Empfehlung, die der Herr Berichterstatter lediglich mündlich vorgetragen hat und die nicht verteilt wurde.
({2})
Inzwischen hatte der Kollege Achenbach eine eigene Empfehlung formuliert. Sie war nicht als ein Antrag gedacht, sondern als eine Empfehlung für den innerdeutschen Ausschuß.
({3})
- Das habe ich gestern deutlich zu machen versucht: Das hat eben Herr Dr. Achenbach nicht selbst hingeschrieben, sondern das Ausschußsekretariat. In der Pause haben wir diese Frage mit den Kollegen von der SPD-Fraktion erörtert.
Nun kommt es auf eines entscheidend an, und das ist Ihnen gestern anscheinend gar nicht aufgegangen. Der Ausschußvorsitzende erklärte: Ich unterbreche die Sitzung, und wir werden hinterher über die Anträge abstimmen. Das hat er gesagt, und das ist im Protokoll festgehalten. Wir haben diesen ursprünglichen Antrag von Herrn Dr. Achenbach vorgetragen.
Herr Dr. Marx, ich wäre doch sehr dankbar, wenn Sie zuhörten.
({4})
- So kann man ja nicht argumentieren. Sie müssen mich zumindest ausreden lassen.
Nun hören Sie einmal sehr gut zu. Ich bedauere außerordentlich, daß der Kollege Dr. Kliesing jetzt nicht anwesend ist; denn Herr Dr. Kliesing hat, bevor sich der Ausschußvorsitzende zu diesem Antrag der SPD/FDP geäußert hat, einen Änderungsantrag eingebracht. Ich lese jetzt diesen Antrag vor, damit nicht nur dieses Haus, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit erfährt, was wir vorgetragen haben und worüber abzustimmen Sie abgelehnt haben. Dieser Antrag lautete: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zum 1. April 1977 einen Bericht über die Verwirklichung des Prinzips 7 der Schlußakte von Helsinki ({5}) vorzulegen."
Mit diesem Antrag waren viele Ihrer Kollegen im Prinzip einverstanden. Dann hat Herr Dr. Kliesing den Antrag gestellt, diesen Antrag zu ergänzen, und zwar durch die Einfügung „insbesondere im geteilten Deutschland".
Über diesen Zusatzantrag kam es im Ausschuß zu keiner Diskussion mehr, weil der Ausschußvorsitzende diese abgelehnt hat. Wie Sie wissen, hat es dann eine Geschäftsordnungsdebatte gegeben. Es ist nicht zu einer Einigung gekommen, weil Sie es abgelehnt haben, sich an dieser Abstimmung zu beteiligen. Dem Antrag ist dann im Ausschuß von den Koalitionsfraktionen mehrheitlich zugestimmt worden. Er geht als Empfehlung an den innerdeutschen Ausschuß.
Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag weitergehend ist, weil er sich umfassend dafür einsetzt, die Menschenrechte zu sichern. Ich brauche nicht noch einmal besonders hervorzuheben, daß sich der Bundesaußenminister auf der Konferenz in New York sehr eingehend und deutlich als Sprecher der Bundesregierung für die Aufrechterhaltung der Menschenrechte in aller Welt eingesetzt hat. Wir bedauern außerordentlich Ihre Veröffentlichung über diese Ausschußsitzung gestern, die vertraulich angezeigt war. Wir werden feststellen, wie sich Ihre Fraktion in der heutigen Sitzung des innerdeutschen Aussuchsses verhalten wird. Die Koalitionsfraktionen werden entsprechende Anträge stellen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Straßmeir.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was der Kollege Krall hier vorgetragen hat, war in so vielen Punkten unrichtig, daß man die fünf Minuten allein dazu bräuchte, um darauf zu entgegnen. Nach zwei Professoren, die für die SPD gesprochen haben, erlaube ich mir für die CDU/CSU-Fraktion, wieder zur Sache zurückzukommen.
({0})
Wie notwendig diese Aktuelle Stunde ist, haben wir bereits aus der Fragestunde des gestrigen Tages ersehen. Da haben wir den Staatssekretär Haar gefragt, ob die DDR ihre ursprüngliche Weigerung, Sonderzüge zum Sängerfest nach Berlin zuzulassen, nun endgültig zurückgenommen hat. Der Staatssekretär Haar konnte sagen, daß eine partielle Zusage vorliege, daß aber nunmehr über den Umfang verhandelt werden müsse. Auf die Frage, weshalb ursprünglich eine totale Weigerung vorgelegen habe, meinte die Bundesregierung, dies sei bei der DDR wohl auf technische Schwierigkeiten zurückzuführen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Deutung dieses politischen Vorganges zeugt in der Tat von einer gigantischen Einfallslosigkeit und von einem gigantischen Irrtum. Auch Sie von der Bundesregierung sollten wissen, daß die Ostblockstaaten nahezu allesamt ihre Weigerung, zum Sängerfest zu kommen, bekanntgegeben haben - und dies,
obwohl die Einladungsmodalitäten den fragwürdigen Abreden für die Einladungspraxis im staatlichen Bereich voll entsprochen haben.
Trotz der Schlußakte von Helsinki, trotz des Viermächteabkommens, des Grundlagenvertrages setzen die DDR und die Sowjetunion ihre Kampagne und ihre Aktionen gegen Berlin völlig ungeniert fort.
({2})
Nach wie vor scheitern Verträge zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion an der Frage der Einbeziehung Berlins. Von den Eislaufweltmeisterschaften über die Grüne Woche bis zum Sängerfest läßt die Sowjetunion - und in ihrem Gefolge die DDR - keine Gelegenheit aus, bedeutsame internationale Kongresse, Messen, Kultur- und Sportveranstaltungen durch einen Nervenkrieg zu boykottieren oder im Vorfeld zu hintertreiben.
({3})
Von den Rechten der Alliierten bis zu den Rechten der Berliner Bundestagsabgeordneten läßt die DDR kein Feld aus, um ihre aggressive Berlin-Politik voranzutreiben.
Die Bundesregierung sieht diesen Gesamtvorgang so: Neue Nadelstiche seien möglich; die Bundesregierung werde nicht mit gleicher Münze heimzahlen. Meine Damen und Herren, in diesem nahezu heroischen Verdacht hat die Bundesregierung bei uns zu keiner Sekunde ihres Bestehens gestanden. Im Gegenteil, wir befürchten, daß Sie mit unserer Münze fort und fort zahlen und zahlen. Dies, glaube ich, ist ein Punkt, der hier in dieser Stunde hervorgehoben werden muß.
({4})
Ich sage Ihnen, es gibt Möglichkeiten, zu reagieren. Da gibt es z. B. die Zusage der Bundesregierung, die diskriminierenden Straßenbenutzungsgebühren durch eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zu konterkarieren. Dieser Entwurf geistert im Bundeskanzleramt herum. Ich frage die Bundesregierung hier und heute, wie lange das denn noch hingezogen werden soll, wenn dieses Gesetz im Jahre 1976 überhaupt noch in Kraft gesetzt werden soll.
({5})
Für ein offensives Abwehrkonzept setzt sich neuerdings der Herr Kollege Hoppe ein. Er hat eine ganz exakte Praxis entwickelt: Zu Hause spricht er für die Zeitungen so, und wenn er hier antritt, spricht er ein wenig anders.
({6})
Wie stand denn da zu lesen: Der Abgeordnete Hoppe setzt sich für ein offensives Abwehrkonzept gegen die Isolierung West-Berlins durch den Ostblock ein.
({7})
In derselben Zeitung stand: Er rügt in diesem Zusammenhang die mangelnde Abstimmung zwischen Berlin und Bonn.
({8})
Wir unterschreiben das. Wir wünschen Ihnen den Mut, dies auch hier von dieser Stelle aus einmal zu sagen. Es entspricht voll unseren Anträgen aus der zurückliegenden Zeit.
({9})
Wenn die Bundesregierung - und damit komme ich zum Schluß - der CDU/CSU-Opposition nicht glaubt, sollte sie - wenn sie das kann - wenigstens noch dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion vertrauen. Aber, meine Damen und Herren, ich befürchte, daß die Regierung in den Fragen der Ost- und Deutschlandpolitik überhaupt nichts mehr glauben kann, weil sie den Glauben an sich selbst verloren hat.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Anmerkungen zur Aktuellen Stunde: Ich bin über den Ablauf in keiner Weise überrascht; das ist nichts Aktuelles, sondern ein Wiederholungsvorgang, bedingt durch die völlig unterschiedlichen Auffassungen über das, was sinnvolle Deutschlandpolitik sein kann und was nicht. Sie ergehen sich in Forderungen und in der Anmeldung von Wünschen, während wir versuchen, mit dem vorhandenen Partner, mit dem Partner, der da ist und mit dem wir ja praktische Politik betreiben müssen, wenn wir zu Ergebnissen kommen wollen, in den Clinch zu gehen. Daß das nicht immer auf dem offenen Markt geschehen kann, wissen Sie so gut wie jeder andere, und daß wir bemüht sind, Verbindungen herzustellen, die abgerissen waren, die durch all die Sperrmaßnahmen weggetrennt wurden, daß wir sie wieder entwickeln wollen, können Sie unseren Berichten, die wir zu jeder Zeit hier geben, entnehmen.
({0})
Und damit das nicht in Vergessenheit gerät, muß ich die Gelegenheit wieder nutzen, eines zu sagen, weil Sie hier in einem unübertrefflichen Zynismus zum Ausdruck brachten, daß z. B. die Folgeverträge nach dem Grundlagenvertrag nur völlig unwichtige Ergebnisse gebracht hätten: Dies ist eine äußerst interessante Aussage von Ihnen, Herr Kollege Abelein, gewesen. Das habe ich gehört. Ich konnte zu Beginn der Aktuellen Stunde nicht hier sein, aber als ich hier eintraf, hörte ich, daß Sie sagten, diese Ergebnisse der Verhandlungen über die Folgeverträge seien unwichtig. Meine Damen und Herren, millionenfache Begegnungen und Kommunikationsmöglichkeiten sind danach entwickelt.
({1})
Gerade das Thema, das uns so leidenschaftlich bewegt und das dazu führte, daß hier auch eine Rundfunkanstalt erwähnt wurde, bewegt mich hier doch immer wieder, bemüht zu sein, nicht einzelnen spektakulären Problemen nachzugehen, sondern zu versuchen, für eine größtmögliche Zahl zu Ergebnissen zu kommen.
({2})
Dieser Herr, der sich hier über Umwege und auch über die Verbreitung von Gesprächen beschwert hat, die wir in der Sache geführt haben, um in der Tat zu versuchen, zu klären, ob es nicht eine gemeinsame Auffassung dazu geben kann, wie man den Menschen helfen kann, redet davon, daß er Hunderte von Zuschriften hat. Ich habe bisher in meinem Ministerium mit seinem Absender 30 solcher Briefe bekommen; davon sind uns 18 Fälle bekannt, und nur 12 Fälle waren uns nicht bekannt.
({3}) : Hört! Hört!)
Sehen Sie, wenn es so ist, daß er ernsthaft bemüht ist, dann soll man die Wege gehen, die wirklich gangbar sind, und nicht daraus spektakuläre Sendungen machen wollen, als könnte diese öffentliche Abhandlung dazu beitragen, auch nur einen Bürger aus der DDR ausreisen zu lassen.
({4})
Dieser falsche Eindruck, meine Damen und Herren, muß ausgeräumt werden! Ich bringe Ihnen Nachweise dafür!
({5})
- Entschuldigen Sie, wir sind bereit gewesen, zu allen Zeiten darüber in aller Sachlichkeit zu sprechen. Wir haben ein besonderes Gremium in diesem Parlament geschaffen, um ganz diskrete Fragen in aller Offenheit behandeln zu können. Aber Sie zerren das immer wieder an die Öffentlichkeit und verzerren es bewußt, um diese Politik als gescheitert darzustellen.
({6})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, es geht doch nicht darum, sich immer auf solche Dinge zu berufen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir im letzten Jahr mit der DDR Einzelfälle für 5 499 Personen im Sinne einer Ausreise geregelt haben; darunter waren 1 065 Kinder und 136 einzelreisende Kinder. Und ich kann Ihnen sagen, daß wir durch unsere Bemühungen über 1 200 politische Häftlinge freibekommen haben - nicht durch das Geschrei,
({7})
nicht durch die öffentliche Brandmarkung, sondern durch die ständige Bemühen!
({8})
- Herr Reddemann, schweigen Sie doch dazu! Sie sind bei diesem Thema für mich kein geeigneter Gesprächspartner, weil Sie überhaupt nicht bereit sind, auch nur im geringsten sachlich zu bleiben. Ich werde Ihnen demnächst einmal eine Zusammenstellung der Dankschreiben von Abgeordneten aus Ihrer Fraktion zur Verfügung stellen,
({9})
die, wenn es losgeht, sagen: Alle Mittel anwenden,
jeden Weg gehen, ganz egal, was; sogar außergewöhnliche Wege gehen; da muß geholfen werden.
({10}) Das mache ich.
({11})
- Entschuldigen Sie, ich bin ja bemüht, daß das nicht gestört wird.
Ich habe versucht, in sachlichen Gesprächen meine Argumente vorzutragen. Herr Holzamer, der ja nicht gezwungen worden ist, einen Leserbrief zu schreiben - das hat er ja aus eigenen Stücken gemacht -, hat außerdem bestätigt, daß das Gespräch so gewesen ist. Ich habe gesagt: Ob Sie die Sendung bringen, ist Ihre Sache; ich habe Ihnen nur meine Argumente vortragen wollen, und zwar auf Grund meiner Sorgepflicht auch für die Deutschen, die in der DDR leben.
({12})
- Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Ich habe noch und noch Beweise dafür - Sie kennen ja auch einige Institutionen, die auf diesem Gebiet Informationen vermitteln können; da gibt es leider massenhaft Berichte -, daß Leute, die davon in Unkenntnis der Zusammenhänge betroffen sind, nicht auf Grund dieser öffentlichen Darstellung aus der DDR herauskommen. Da irren Sie sich. Ich möchte diesen Leuten das Leid ersparen. Die Sendung, die an dem Dienstagabend gebracht wurde, war ja von der Sache her auch erträglich.
({13}): Der Zensor! Warum bestreiten Sie, daß Sie mit dem Grundgesetz auf Kriegsfuß stehen?) ;
- Nein, das ist meine persönliche Meinung. Ich darf doch auch einmal Kritik üben. Warum sollen Sie allein kritisieren dürfen? Da ist dargestellt worden, wie sehr unterschiedlich die Bedingungen sind, unter denen wir in Deutschland leben. Das ist ja alles richtig. Wenn es darum geht, sich um mehr Freizügigkeit, um mehr Meinungsfreiheit zu bemühen, dann haben wir ein Konzept, das wir als Modellfall in besonders ausgeprägter Weise praktizieren. Wir versuchen, mit anderen Staaten gleichzuziehen. Darum unsere Bemühungen, durch Verhandlungen etwas zu erreichen und nicht durch schulmeisterliches Vorpredigen andere dazu nötigen zu wollen.
({14})
Das können wir gar nicht; denn dann werden das
Prestigefragen. Das wissen Sie genauso wie wir.
({15})
Dann wird dem nie nachgegeben, sondern dann wird man sagen: Darüber denken wir ganz anders.
({16})
Dann wird uns mit Hilfe der Terminologie und der Dialektik, die da drüben zu Hause ist, ein Bild dargestellt, das erschreckend genug ist. Das bestätigt uns immer wieder, daß wir uns auf einen schwierigen Weg begeben haben, der nicht voller Ergebnisse sein wird,
({17})
sondern das wird ein steiniger, langer Weg sein, auf
dem es gilt, sich millimeterweise voranzuarbeiten.
Wir haben keine Illusionen geweckt. Sie tun nur so, als ob Sie, wenn sie laut genug schreien, Ergebnisse erreichen.
({18})
Sie hatten die Gelegenheit, das zu zeigen. Wenn Sie vorhin in einem Zwischenruf fragten, ob Sie die Mauer gebaut hätten - Sie stellten das in Frage -: Das hat Ihnen niemand nachgesagt. Nur eins: Sie haben das nicht verhindern können. Das fiel damals in Ihre Regierungszeit.
({19})
Nichts haben Sie machen können, sondern wir haben versucht, diese Mauer durchlässiger zu machen.
({20})
Wenn ich Ihnen sage, daß allein im letzten Jahr 7 700 000 Berliner und Bundesbürger in den Ostteil Berlins und in die DDR gereist sind, zeigt das, daß solch eine Politik der Verhandlungen diese so schreckliche Mauer durchlässig machen konnte. Das haben wir erreicht.
({21})
Und noch etwas will ich Ihnen dazu sagen. Sie hatten Gelegenheit, Ihre Formeln in die Tat umzusetzen. Eine erschreckende Entfremdung und ein Zerwürfnis zwischen den Deutschen ist das Ergebnis gewesen.
({22})
Wir versuchen, das mühsam wieder in Gang zu bringen. Dabei sollten Sie uns unterstützen und nicht nur Negativpositionen aufzeigen.
({23})
Das Wort hat der Abgeordnete von Wrangel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Franke, wir wissen genau, daß nicht alles auf dem offenen Markt ausgetragen werden kann.
({0})
Aber vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist ein Beweis dafür, daß Mahnungen in diesem Hause notwendig sind und daß die Öffentlichkeit solche Mahnungen braucht; ich denke nur an das Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Goppel anläßlich der Zwangsadoptionen.
({1})
Dies war genau ein Beweis dafür, daß die Öffentlichkeit doch etwas bewirken kann.
({2})
Herr Bundesminister Franke, ich habe mich schon wiederholt zu dem Thema geäußert, welchen Wert Aktuelle Stunden denn haben. Ich muß Ihnen sagen, ich bin jedes Mal wieder darüber erstaunt, daß es Ihnen peinlich ist, sich in der Deutschlandpolitik vor diesem Hohen Haus so zu stellen, wie sich dies für eine Bundesregierung gehört.
({3})
- Herr Kollege Höhmann, die Bundesregierung und die Koalition bemühen sich doch verzweifelt darum, die gegenwärtigen deutsch-deutschen Beziehungen so darzustellen, als würden sie im milden Klima eines Treibhauses gedeihen, während doch in Wahrheit - das haben wir in diesen Tagen erlebt - draußen ein eiskalter Wind weht. Sie müssen doch in dieser Frage endlich zu den Realitäten zurückkehren.
({4})
Meine Damen und Herren, ich muß hier die Bundesregierung doch fragen
({5})
- Herr Kollege Wehner, ich muß die Bundesregierung und Sie fragen -, ob denn die Regierung und die Koalition der Opposition in Fragen der Menschenrechte einen Maulkorb vorhängen will.
({6})
- Herr Kollege Wehner, durch Verschweigen wird Unrecht doch nicht zu Recht. Wir werden uns gegen den fatalen Gewöhnungsprozeß, gegen das Unrecht entschieden zur Wehr setzen.
({7})
Wenn dann unsere eigene Politik immer wieder angeführt wird, so kann ich dazu sagen: Wir haben doch keine Versprechungen gemacht, wie es Herr Bahr hier getan hat. Sie können aber die Versprechungen von damals nicht einhalten.
Ich muß Ihnen, Herr Kollege Schweitzer, sagen, daß ich es für die CDU/CSU-Fraktion und für meine Person energisch zurückweise, daß Sie hier zu sagen wagen, wir würden mit solchen Anträgen vordergründige Taktik betreiben.
({8})
Wir stellen diese Anträge, weil Sie vieles verharmlosen und verniedlichen und im internationalen Bereich für diese Dinge nicht deutlich eingetreten sind.
({9})
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zum Schluß eines sagen. Dies alles zeigt doch sehr deutlich, daß die Bundesregierung ein sehr unterentwickeltes Selbstvertrauen hat. Vertrauen in diese
Bundesregierung ist aber nicht gerechtfertigt. Wer nicht bereit ist, offen Fehler zuzugeben und eine Bestandsaufnahme zu machen - Herr Wehner, das ist ein Lieblingswort von Ihnen aus früheren Zeiten -, der muß damit rechnen, daß er einem ständigen Vertrauensschwund zum Opfer fällt.
({10})
Die Bundesregierung wendet viel Kraft und Zeit auf, um begangene Fehler zu kaschieren. Ich wünsche mir, daß sie mehr Kraft und Zeit darauf verwendet, eine Politik für die Menschen in Deutschland zu machen.
({11})
Meine Damen und Herren, es stehen für die Aktuelle Stunde noch drei Minuten zur Verfügung. Sie auszufüllen, hat das Wort der Herr Abgeordnete Kreutzmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn hier debattiert wurde, weshalb wir den Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuß abgelehnt haben, so möchte ich das damit begründen, daß wir das Gefühl hatten, daß hier der Bundesregierung nahegelegt werden sollte, Aktivitäten zu entwickeln, die sie längst entwickelt hat. Ich möchte noch einmal mit Nachdruck darauf hinweisen, daß sich diese Bundesregierung in der Vertretung der Menschenrechte von keiner anderen Regierung bisher hat übertreffen lassen,
({0})
daß sich der Bundesaußenminister vor den Vereinten Nationen mit Nachdruck für die Menschenrechte eingesetzt hat, daß in der Rede zur Lage der Nation auch der Bundeskanzler immer wieder mit Nachdruck für die Menschenrechte im geteilten Deutschland eingetreten ist. Was sollte denn dieser Antrag anderes, als den Nachweis zu liefern: die sind gegen die Anprangerung von Menschenrechtsverstößen. Man wollte im Falle der Ablehnung auf die Marktplätze gehen und sagen, daß diese Regierungskoalition gegen einen solchen Antrag stimmt! Das war doch der Beweggrund.
({1})
Daß es so gewesen ist, geht doch deutlich aus Ihren Presseverlautbarungen hervor, die Sie nach der Ablehnung des Antrags lanciert haben.
({2})
Da steht doch kein Wort davon, daß wir den Antrag nicht etwa nur abgelehnt, sondern auch einen Gegenantrag eingebracht haben, in dem es heißt: Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zum 1. April
1977 einen Bericht über die Verwirklichung des Prinzips VII der Schlußakte von Helsinki - Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit - vorzulegen.
({3})
Diesen Antrag haben Sie in Ihren Presseverlautbarungen verschwiegen und den Anschein erweckt, als hätten wir uns mit der Ablehnung des Antrags begnügt.
({4})
Ich darf Sie vielleicht auch noch darauf hinweisen, daß SPD und FDP bereits vor Wochen die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage gebeten haben, Bericht über die Ergebnisse des weiteren Verlaufs der KSZE-Abmachungen zu geben. Sie können 'uns wirklich nicht vorwerfen, daß wir in der Frage der Menschenrechte Ihres Anstoßes und immer wieder Ihrer Mahnung bedürften, um zu Taten veranlaßt zu werden.
Wir sind in der Grundlage natürlich immer auseinander, einfach deshalb, weil es Ihnen dauernd um spektakuläre Aktionen geht, weil es Ihnen in diesen Auseinandersetzungen um Eskalationen geht.
({5})
Wir werden doch bei Eskalationen immer sehr leicht im Hintertreffen sein - das wissen Sie ganz genau -, schon wegen der Lage Berlins. Sie wissen auch, daß ein diktatorisch regierter Staat in der Art ' seiner Reaktion viel skrupelloser und viel ungehemmter ist,
({6})
als es eine demokratische Regierung in der Bundesrepublik sein kann. Sie hätten sich diesen Wahlschlager sparen können.
({7})
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Kreutzmann, daß Sie sich so genau an die drei Minuten gehalten haben.
Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde und damit der Sitzung.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages berufe ich ein auf Mittwoch, den 7. April 1976, 13 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.