Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/19/1976

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 19. März 1976 die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes ({0}) übersandt. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4911 verteilt. Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 17. März 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Evers, Dr. Schäuble, Vogel ({1}), Frau Hürland, Röhner, Tillmann, Biehle, Weber ({2}), Dr. Kraske, Stücklen, Dr. Riedl ({3}) und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Maßnahmen und Förderung der Stiftung Deutsche Sporthilfe e. V. - Drucksache 7/4619 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4904 verteilt. Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 11. März 1976 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Redinungsjahr 1976 übersandt. Der Voranschlag liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus. Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung ({4}) des Rates zur Durchführung einer Erhebung über die Verdienste der ständig in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter ({5}) überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({6}), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({8}) Nr. 2051/74 des Rates vom 1. August 1974 über die Zollregelung für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in und Herkunft aus den Färöer ({9}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({10}) des Rates zur Errichtung einer Europäischen Ausfuhrbank ({11}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({12}), Finanzausschuß, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung betreffend eine Nahrungsmittel-Soforthilfe in Form von Getreide und Butteröl zugunsten der betroffenen Bevölkerungskreise Zyperns ({13}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({14}) Nr. 348/76 des Rates vom 17. Februar 1976 über die infolge der Versorgungsschwierigkeiten bei Kartoffeln zu treffenden Maßnahmen überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf: Beratung des Agrarberichts 1976 der Bundesregierung - Drucksachen 7/4680, 7/4681 Überweisungsvorschlag d. Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15}) Haushaltsausschuß Das Wort hat der Herr Bundesminister Ertl.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Agrarbericht 1976 zeigt, daß sich in der Landwirtschaft nach einem Jahr stagnierender Einkommen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation abzeichnet. Im Wirtschaftsjahr 1974/75 ist in den Vollerwerbsbetrieben das Reineinkommen je Familienarbeitskraft um 6,2 % angestiegen. Noch günstiger werden sich die Einkommen im laufenden Wirtschaftsjahr 1975/76 entwickeln. Wir erwarten nach den vorliegenden Informationen über die Preis-und Mengenentwicklung eine Einkommenssteigerung von mindestens 19 %. Diese Vorschätzung ist keineswegs zu optimistisch, insbesondere wenn Sie bedenken, daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise bereits im ersten Halbjahr des Wirtschaftsjahres 1975/76 um knapp 17 % angestiegen sind. Der Preisanstieg für landwirtschaftliche Betriebsmittel flachte sich dagegen im gleichen Zeitraum auf 5,9 % ab. Die deutsche Landwirtschaft hat die Folgewirkungen der Energie- und Rohstoffverteuerung, auf die ich in diesem Hohen Hause im vorigen Jahr hingewiesen habe, besser als vielfach erwartet überwunden. Für mich ist dies ein überzeugender Beweis ihrer Leistungs- und Anpassungsfähigkeit und zugleich auch Erfolg und Bestätigung einer konsequenten Stabilitätspolitik, die Bundesregierung und Bundesbank in den letzten Jahren betrieben haben. ({0}) Um Mißverständnissen und Fehlinterpretationen vorzubeugen, erlauben Sie mir hier eine Klarstellung: Die Abgrenzung der Testbetriebe des Agrarberichts erfolgt nicht willkürlich, wie immer wieder behauptet wird - ich darf hinzufügen: alle Jahre wieder, insbesondere dann, wenn es sich um günstigere Agrarberichte handelt -, sie ergibt sich vielmehr aus § 4 des Landwirtschaftsgesetzes. Danach hat die Feststellung der Ertragslage von Betrieben auszugehen, die - und nun zitiere ich wörtlich bei ordnungsmäßiger Führung die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten. Im übrigen sehe ich die Objektivität dieses Lageberichts, den es in dieser Gründlichkeit für keinen anderen Wirtschaftsbereich gibt, auch durch die enge Zusammenarbeit meiner Mitarbeiter mit den Vertretern der Wissenschaft und des Berufsstandes gesichert. Allen, insbesondere auch den Testbetriebslandwirten, möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen. ({1}) Das Hauptaugenmerk des Agrarberichts gilt zwar dem Bereich der Vollerwerbslandwirtschaft, auf den etwa 80 % der Verkaufserlöse entfallen, darüber hinaus bemühen wir uns jedoch auch, die Lage der Zu- und Nebenerwerbslandwirte darzustellen und die Materialgrundlage für diese Betriebsgruppe fortlaufend zu verbessern. Wir tragen damit der Tatsache Rechnung, daß es d i e Landwirtschaft nicht gibt und Einkommensvergleiche innerhalb der Landwirtschaft und mit der übrigen Wirtschaft einer differenzierten Betrachtung bedürfen. Die relativ günstige Einkommensentwicklung und die gerade auch im Interesse der Landwirtschaft notwendige Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus waren für uns die ausschlaggebenden Koordinaten für die Brüsseler Preisverhandlungen. Lassen Sie mich zunächst hierzu einige Anmerkungen machen. Das Ergebnis der Preisbeschlüsse für das Wirtschaftsjahr 1976/77 stellt nach schwierigen Verhandlungen, wie ich meine, einen fairen Kompromiß dar. Für die Bundesrepublik ergibt sich aus den Preisbeschlüssen eine durchschnittliche Anhebung der Marktordnungspreise um 4,8 %. Um der unterschiedlichen Kostenentwicklung in den Mitgliedstaaten zu entsprechen, war wiederum eine Anpasssung der „grünen" Paritäten notwendig. Durch einen proportional gleichen Abbau des Grenzausgleichs für die Aufwertungsländer wurde eine Lösung erreicht, die gegenüber den Kommissionsvorschlägen ausgewogener ist, die Wettbewerbsverzerrungen im Warenverkehr vermeidet und damit eine Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft ausschließt. Besonders schwierig war die Verhandlungssituation bei Milch und Wein. Der erzielte Kompromiß kann nicht in jeder Hinsicht befriedigen. Wenn er trotzdem unsere Zustimmung gefunden hat, so vor allem aus zwei Gründen: Ein Scheitern der Verhandlungen hätte einer weiteren politischen Radikalisierung in einigen Regionen der Gemeinschaft Vorschub geleistet. ({2}) Hier zeigt sich wieder einmal, daß agrarpolitische Kompromisse häufig auch Beiträge zur Stabilisierung der Gemeinschaft nach innen und außen sind. Ich werde später noch darauf zurückkommen. Zweitens haben die Kompromißregelungen den Weg für längerfristige Lösungen offengehalten. Ich erinnere nur an die Nichtvermarktungsprämie für Milch ab Juli 1976 und an die finanzielle Beteiligung der Milcherzeuger, die vor dem 1. September 1976 beschlossen werden soll. Ich will davon absehen, meine Damen und Herren, die Preisbeschlüsse hier im einzelnen zu erläutern. Zu den Auswirkungen der Beschlüsse erlauben Sie mir allerdings noch einige Bemerkungen. Wenn in diesen Tagen Meldungen verbreitet wurden, die Brüsseler Preisbeschlüsse würden die Lebenshaltungskosten um 2 % verteuern, so muß ich darin eine Irreführung der Offentlichkeit sehen. Wir beschließen in Brüssel nicht über die Anhebung von Erzeugerpreisen und erst recht nicht über die Erhöhung von Verbraucherpreisen. Was von der Anhebung der Marktordnungspreise beim Erzeuger ankommt und welche Auswirkungen sich auf die Verbraucherpreise ergeben, entscheidet letztlich der Markt. Berechnungen in meinem Haus ergeben, daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise voraussichtlich um durchschnittlich 2 % ansteigen werden. Die Nahrungsmittelpreise dürften sich dadurch um etwa 1 % und die Lebenshaltungskosten insgesamt um etwa 0,2 bis 0,3 % erhöhen. Ich glaube, daß diese Preisbeschlüsse somit durchaus stabilitätskonform sind. Meine Damen und Herren, die Erfahrungen der diesjährigen Preisrunde haben wieder einmal bestätigt, wie schwierig es geworden ist, unter neun Beteiligten bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Ausgangslage und Entwicklung einen gemeinsamen Nenner für agrarpolitische Entscheidungen zu finden. Die Probleme haben sich potenziert; ihre Ursachen jedoch liegen in der Weichenstellung früherer Jahre. Bei meinem Amtsantritt im Jahre 1969 waren die wichtigsten Entscheidungen in der EG-Agrarpolitik bereits gefallen. Das System der Marktordnungen war so gut wie abgeschlossen. Auch in der Strukturpolitik waren mit der Entschließung aus dem Jahre 1967 die Weichen gestellt. Eines jedoch war vergessen bzw. nicht gesehen worden, nämlich daß die ökonomische Geschäftsgrundlage des gemeinsamen Agrarmarktes nicht stimmte, d. h., daß unverändert fixe Wechselkurse nicht aufrechterhalten werden konnten. Eine der ersten Amtshandlungen der sozialliberalen Koalition bestand 1969 darin - und sie war aus konjunkturpolitischen Gründen zwingend -, die zu lange geduldete Unterbewertung der D-Mark mit den bekannten Folgen einer konjunkturellen Überhitzung und Überstrapazierung des Arbeitsmarktes zu korrigieren. Zur Absicherung der Landwirtschaft haben wir damals gegen vielfältige Widerstände den Aufwertungsausgleich für die deutsche Landwirtschaft durchgesetzt und länger, als zunächst vorgesehen, fortgeführt. ({3}) Im Rahmen dieses Ausgleichs werden der deutschen Landwirtschaft bis zum Jahre 1981 insgesamt etwa 12 Milliarden DM zufließen. Im Jahre 1971 haben wir aus der wirtschafts- und währungspolitischen Labilität in der Gemeinschaft die Konsequenz gezogen und mit dem Grenzausgleichssystem ein unerläßliches neues Stützelement in die gemeinsame Agrarpolitik eingeführt. Diese Klammer hat sich als ein brauchbares Regulativ erwiesen. Es erfordert allerdings eine flexible Handhabung als Voraussetzung dafür, daß die Gemeinschaft auf dem Agrarsektor funktionsfähig bleibt. Auch bei dem jüngsten Ausscheiden des französischen Franc aus der europäischen „Währungsschlange" hat sich dieses Instrument erneut bewährt. Für Frankreich wird in Kürze ein Grenzausgleich festgesetzt, und zwar nach dem Ausmaß der Abwertung des Franc gegenüber den Blockwährungen. Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es vielfältige Anzeichen dafür, daß die deutsche Landwirtschaft im gemeinsamen Agrarmarkt ihre Stellung gut behaupten konnte. Der steigende Export deutscher Qualitätserzeugnisse liefert hierfür einen schlagenden Beweis. Im Zeitraum von 1969 bis 1975 hat sich die Ausfuhr deutscher Ernährungsgüter auf 10,4 Milliarden DM erhöht und damit nahezu verdreifacht. Selbst unter Ausschaltung der Preissteigerungen ergibt sich ein Anstieg der Exporte von 126 %. Die Preispolitik ist Eckpfeiler der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik. Die Bundesregierung hat danach gehandelt. Seit 1970/71 wurden die Marktordnungspreise für die Bundesrepublik um durchschnittlich 6 % je Jahr angehoben. Und wenn sich die deutschen Landwirte und ihre Berufsvertreter heute uneingeschränkt zu Europa und zum gemeinsamen Agrarmarkt bekennen, was mich sehr freut, so ist das für mich auch eine Bestätigung dafür, daß die Interessen der deutschen Landwirtschaft von dieser Regierung in Brüssel gut vertreten worden sind. ({4}) Wir sollten freilich auch Fehlentwicklungen nicht verschweigen. Der finanzielle Aufwand für die gemeinsame Agrarpolitik ist in einigen Bereichen an die Grenze des Vertretbaren gestoßen. Die Bundesregierung hat in ihrer Bestandsaufnahme eindringlich auf diese Probleme hingewiesen und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Lösungen können jedoch nur partnerschaftlich gefunden und durchgesetzt werden. Hierin sehe ich die eigentlichen Schwierigkeiten der gemeinsamen Agrarpolitik, die zunehmend auch zu einem Stück europäischen Finanzausgleich geworden ist. Mit Hilfe der Agrarpolitik sollen regionale Ungleichgewichte abgebaut, soll politische Stabilität in vielen Regionen der Gemeinschaft erreicht werden. Die sich daraus ergebenden Kosten können nicht allein der Agrarpolitik angelastet werden. Sie sind vielmehr zwangsläufig Folge einer Integrationspolitik, die einen weitgehend isolierten gemeinsamen Agrarmarkt geschaffen hat, ohne ausreichende Absicherung und Unterstützung in anderen Politbereichen. Strukturprobleme und insbesondere das Kleinbauernproblem in bestimmten Teilen der Gemeinschaft, meine Damen und Herren, sind niemals allein über die Preispolitik zu lösen. ({5}) Deshalb sehe ich die Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Agrarpolitik auf Dauer nur dann gewährleistet, wenn sie in den Mitgliedstaaten durch eine wirksame Struktur-, Sozial- und Regionalpolitik ergänzt wird. ({6}) In den strukturschwachen Regionen ist es deshalb unabdingbar, Erwerbsalternativen zu schaffen. Sie eröffnen den Inhabern kleiner Betriebe mit unzureichender Produktionskapazität die Möglichkeit der Einkommenskombination. Nur auf diesem Wege wird es letztlich gelingen, soziale Unruhe in den Problemregionen zu vermeiden. Die Radikalisierung, die wir gerade in den letzten Wochen in einigen Gebieten der Gemeinschaft erlebt haben, macht uns die Tragweite dieses Problems bewußt. In der Bundesrepublik sind die Anpassungsprobleme der Landwirtschaft durch eine konsequente, auf die Entwicklung des ländlichen Raumes ausgerichtete Strukturpolitik erheblich erleichtert worden. ({7}) Wer die Bauern auf dem Lande halten will, muß ihnen dort Möglichkeiten zur Einkommenskombination bieten. Eine andere Alternative gibt es nicht. So haben wir von 1969 bis 1975 in den ländlichen Gebieten über 600 000 Arbeitsplätze geschaffen. ({8}) Durch ein differenziertes Bildungsangebot ist eine größere Chancengleichheit für die Jugend auf dem Lande und zugleich eine verbesserte berufliche Mobilität erreicht worden. Im Jahre 1969, als die sozialliberale Koalition die Regierungsverantwortung übernahm, fehlte es an einer ausreichenden sozialen Absicherung des Anpassungsprozesses der Landwirtschaft und an einem zielgerichteten Strukturprogramm. ({9}) Neue agrarpolitische Konzeptionen waren zwar diskutiert, die notwendigen politischen Entscheidungen waren jedoch nicht getroffen. In Brüssel hingen immer noch die utopischen Strukturvorstellungen von Mansholt drohend über der deutschen und der europäischen Landwirtschaft. In dieser schwierigen Zeit haben wir mit dem einzelbetrieblichen Förderungs- und sozialen Ergänzungsprogramm in der Agrarpolitik neue Akzente gesetzt. Das Prinzip der gezielten strukturpolitischen Förderung aller Betriebsgruppen bei umfassender sozialer Absicherung fand Eingang in die praktische Agrarpolitik und wurde zum Leitbild der Agrarstrukturpolitik in zahlreichen Industrieländern der Welt und auch innerhalb der Gemeinschaft. Dieses Konzept wurde in den folgenden Jahren durch verschiedene Maßnahmen ergänzt und zu einem geschlossenen Förderungsprogramm ausgebaut. In die16132 sem Zusammenhang möchte ich besonders hinweisen auf das Programm für die Nebenerwerbslandwirte, die Aufstiegshilfe und die besondere Förderung der Landwirtschaft in Berggebieten und in anderen benachteiligten Gebieten. Mit der Verabschiedung des Bundeswaldgesetzes fanden die Bemühungen um ein länderübergreifendes Forstgesetz einen erfolgreichen Abschluß. Auch Naturschutz und Landschaftspflege haben für uns einen hohen politischen Stellenwert. Wir hoffen zuversichtlich, mit dem entsprechenden Gesetz alsbald bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für diese wichtige Aufgabe zu schaffen. Im Rahmen der Strukturpolitik ist dem Küstenschutz, der nicht nur der Landwirtschaft, sondern allen Anliegern hinter den Deichen zugute kommt, ein bevorzugter Raum eingeräumt worden. Dies zeigt sich unter anderem auch darin, daß die für die Durchführung des Küstenschutzes notwendigen Ausgaben im Haushalt besonders herausgestellt sind. Die genannten Maßnahmen zur Erleichterung des strukturellen Anpassungsprozesses können nur dann mit der gewünschten Breitenwirkung zum Tragen gebracht werden, wenn ein soziales Sicherungsnetz besteht. Gerade in diesem Bereich sprechen die Leistungen dieser Bundesregierung für sich. Im Jahre 1975 stellte der Bund für die soziale Sicherung der Landwirte mehr als 2,5 Milliarden DM bereit. 1969 waren es lediglich knapp 850 Millionen DM. In sechs Jahren wurde somit der Mittelaufwand verdreifacht. ({10}) Hinter diesen Zahlen verbergen sich so wichtige soziale Verbesserungen wie die längst überfällige Einführung eines gesetzlichen Schutzes der selbständigen Landwirte vor Krankheit, die fortlaufende Anpassung der Altersgelder an die Entwicklung der Löhne und Gehälter, Hilfen für Voll- und Halbwaisen in der Landwirtschaft, eine Zusatzversorgung für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer. Gerade auch unter Berücksichtigung der neuen, für Landwirte überaus vorteilhaften Kindergeldregelung kann heute nicht mehr die Rede von einer sozialen Disparität der deutschen Landwirte zu anderen Bevölkerungsgruppen und den Landwirten anderer Mitgliedstaaten sein. ({11}) Die staatlichen Leistungen zur sozialen Sicherung der Landwirte sind aber auch ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Kostenentlastung für den gegenwärtigen Betriebsinhaber und zur Verbesserung der betrieblichen Liquidität. Eine Agrarpolitik, die auf Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft ausgerichtet ist, dient zugleich einer kontinuierlichen und preisgünstigen Versorgung der Verbraucher mit Nahrungsmitteln. Umgekehrt liegt es im ureigenen Interesse der Landwirtschaft, wenn eine kaufkräftige Nachfrage besteht und stabile Verbraucherpreise gewährleistet sind. Die Pro-Kopf-Einkommen der Landwirte haben sich in den zurückliegenden Jahren - wie im Agrarbericht 1976 nachzulesen ist - günstig entwickelt. Zwar hatte es zu allen Zeiten von Jahr zu Jahr erhebliche Einkommensschwankungen gegeben, im Durchschnitt ist jedoch von 1968/69 bis 1975/76 in den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben das Reineinkommen je Familienarbeitskraft jährlich um 11 % angestiegen. Damit war der Einkommensanstieg in der Landwirtschaft sogar etwas höher als die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des gewerblichen Vergleichslohns, die im gleichen Zeitraum 10,6 % erreichte. Auch die Verbraucher, meine Damen und Herren, sind mit der Agrarpolitik in den letzten Jahren nicht schlecht gefahren - und das in einer Zeit, da die Weltagrarmärkte durch Knappheit, starken Preisanstieg und zum Teil extreme Preisschwankungen gekennzeichnet waren. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß die Verbraucher gerade in der letzten Zeit für eine Reihe von Nahrungsmitteln tiefer in die Tasche greifen mußten. Dies ist jedoch vor allem die Folge zyklischer und saisonaler Preisausschläge auf den Märkten. Es hat nichts mit den bestehenden Agrarmarktordnungen zu tun. Die vielgescholtene Markt- und Preispolitik der Gemeinschaft hat vielmehr längerfristig zur Preisstabilisierung beigetragen und die Versorgung der Verbraucher zu angemessenen Preisen gewährleistet. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß in unserem Lande im Zeitraum von 1970 bis 1975 der Preisindex für Ernährungsgüter schwächer angestiegen ist als der Preisindex für die Lebenshaltung insgesamt. Im Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft hatten wir die geringsten Steigerungen bei den Verbraucherpreisen für Nahrungsmittel zu verzeichnen. Dabei war es gerade ein Anliegen deutscher Politik, Qualität und Gesundheitswert der Nahrungsmittel fortlaufend zu verbessern. Das wachsende gegenseitige Verständnis zwischen Erzeugern und Verbrauchern ist in der letzten Zeit leider immer wieder durch überzogene Kritik an der Überproduktion in einigen Bereichen getrübt worden. Ohne diese Dinge bagatellisieren zu wollen, habe ich in zahlreichen Diskussionen gerade mit Städtern erlebt, daß eine breite Offentlichkeit eine sichere Versorgung einschließlich der erforderlichen Vorratshaltung zu schätzen weiß. Jeder von uns, der die Hungerjahre der Kriegs- und Nachkriegszeit am eigenen Leibe erfahren hat, wird mir zustimmen, daß es leichter ist, mit dem Überschuß als mit dem Mangel fertig zu werden. Dies gilt insbesondere mit dem Blick auf die nach wie vor ungelösten Welternährungsprobleme. Die Welt lebt - wie mein Vorgänger im Amt schon 1969 in seinem Buch festgestellt hat - nach wie vor zwischen Hunger und Überfluß. Wir sind aufgerufen - schon allein aus humanitären Gründen -, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Ich möchte diesen Komplex nicht abschließen, ohne auch die Leistungen einiger anderer Bereiche der Agrarwirtschaft schlaglichtartig anzusprechen, deren wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Die deutsche Seefischerei steht vor dem Problem, auch zukünftig Zugang zu ausreichenden Fanggründen zu haben. Für die preisgünstige Versorgung mit Fisch und Fischereierzeugnissen ist dies unerläßlich. Das deutsch-isländische Abkommen über die Fischerei in den Gewässern um Island hat auch unter diesem Aspekt große Bedeutung. In den Wein- und Gartenbaubetrieben können wir im langjährigen Durchschnitt eine durchaus erfreuliche Einkommensentwicklung feststellen. Im Weinbau läßt die mengen- und qualitätsmäßig gute Ernte des Jahres 1975 eine erhebliche Verbesserung der Einkommenssituation erwarten. Im Gartenbau haben sich Probleme in den Unterglasbetrieben durch die drastische Energieverteuerung ergeben. Hier haben die Hilfen der Bundesregierung einen wirksamen Ausgleich geschaffen. Die Forstwirtschaft hat neben ihren ökonomischen Aufgaben wichtige Schutz- und Erholungsfunktionen für die Gesamtbevölkerung. Sie kann diesen Aufgaben nur dann zufriedenstellend gerecht werden, wenn ihre Belastungen in Grenzen bleiben. Der Bund gewährt deshalb nicht nur im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gezielte Hilfen. Unter anderem hat der Bund auch zur Förderung der Wiederaufforstung von Sturmschadensflächen seit 1972 mehr als 80 Millionen DM bereitgestellt. Gestatten Sie nach dieser Bilanz über sieben Jahre Agrarpolitik noch einige kurze Anmerkungen zu den Problemen der vor uns liegenden Jahre. Ich spreche diese Fragen vor allem deshalb an, weil ich mir von dieser Debatte Denkanstöße und Lösungsansätze für die vielfältigen Probleme erhoffe, die wir in den nächsten Jahren gemeinsam lösen müssen. Einmal sind die sich deutlich abzeichnenden Veränderungen der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Rechnung zu stellen. Zum anderen müssen wir aber auch die künftige Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft kritisch beleuchten. Die weltweite Rezession im Gefolge der Energiekrise von 1973 hat zu einem abflachenden Wirtschaftswachstum, zu hohen Inflationsraten, zu Zahlungsbilanzungleichgewichten und zu einer konjunkturell und strukturell bedingten Arbeitslosigkeit geführt. Die Bundesrepublik Deutschland ist im internationalen Vergleich mit diesen Problemen noch am besten fertig geworden. Dies hat sich auch positiv auf die Landwirtschaft ausgewirkt. Die Kostenbelastung war erheblich geringer als in anderen EG-Mitgliedstaaten. Die befürchtete Zangenbewegung, nämlich ein Rückgang der monetären Nachfrage nach hochwertigen Agrarprodukten bei gleichzeitiger Verstärkung des Angebots infolge Stagnation des Strukturwandels, ist nicht oder zumindest nur in abgeschwächter Form eingetreten. Als besonders schwerwiegend, wenn auch in seinen Konsequenzen für die Landwirtschaft noch nicht voll überschaubar, beurteile ich das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit. Die OECD hat erst kürzlich ein relativ düsteres Bild für die westlichen Industrieländer gezeichnet. Ich sehe in den Auswirkungen auf die Landwirtschaft vor allem zwei Probleme: Erstens werden die Möglichkeiten zur Aufnahme einer außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und damit zur Einkommenskombination nicht mehr im selben Ausmaß zunehmen wie bisher. Zweitens werden viele Betriebe in ihrem Entwicklungsspielraum eingeschränkt, weil die Möglichkeiten der Rationalisierung durch Flächenerweiterung oder durch Senkung des Arbeitskräftebesatzes geringer werden. Um so mehr müssen wir in Zukunft die Chancen eines wieder einsetzenden Wirtschaftswachstums nutzen und durch Intensivierung der regionalen Wirtschaftspolitik neue Arbeitsplätze in ländlichen Räumen schaffen. ({12}) Dies mag vielen heute als nicht schlüssig oder angesichts der Arbeitsmarktsituation gar als anachronistisch erscheinen. Ich halte aber gleichwohl eine. Aktivierung der regionalen Wirtschaftspolitik für zwingend. Denn die fortschreitende Konzentration in den Ballungsgebieten führt nicht nur zu unerträglichen Belastungen der Umwelt und der Infrastruktur in diesen Gebieten, sie übersteigt offenbar auch die Finanzkraft der betroffenen Gemeinden, wie die wirtschaftliche Situation vieler Städte heute deutlich macht. ({13}) Auch aus gesellschaftspolitischen Gründen ist ein regional ausgeglicheneres Wachstum nicht nur wünschenswert, sondern unerläßlich für die Erhaltung mittelständischer Betriebe und eine breite Eigentumsstreuung. Diese wiederum sind wichtige Stabilisierungselemente unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Mit noch mehr Unbekannten haben wir es bei der weiteren europäischen Integration zu tun. Die europäische Agrarpolitik, meine Damen und Herren, wird auch zukünftig nicht aus ihrem Spannungsfeld entlassen. Wenn die Gemeinschaft in absehbarer Zeit um Länder des Mittelmeerraums erweitert wird, stehen wir vor einer neuerlichen Bewährungsprobe. ({14}) Die außenpolitischen Perspektiven dieser EG-Erweiterung sind wohl uneingeschränkt zu begrüßen. Gerade ein liberaler Politiker bekennt sich zu der Verpflichtung, eine Besserung der Lebensverhältnisse als Voraussetzung für Demokratie und Sicherheit herbeizuführen. Wahrscheinlich wird es der Agrarpolitik jedoch in einer um neue Mitglieder erweiterten Gemeinschaft auch künftig beschieden sein, zur Lösung der Probleme in anderen Bereichen der Politik beitragen zu müssen. Denn schon heute machen doch die Agrarminister am Ratstisch in Brüssel nicht nur Agrarpolitik; sie verantworten vielmehr ein Stück europäischer Innen- und Außenpolitik. Diese Zusammenhänge transparent und einer breiten Offentlichkeit verständlich zu machen muß unser aller Aufgabe sein; dann dürften auch die Kosten der EG-Agrarpolitik in anderem Lichte erscheinen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß ein kurzes Resümee ziehen. Erstens. Die deutsche Landwirtschaft hat unter schwierigen Bedingungen ihre Leistungsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft in beispielhafter Art unter Beweis gestellt. Hierfür gebührt ihr unser Dank und unsere Anerkennung. Die schwerste Bürde haben dabei zweifellos die Landfrauen zu tragen. Wenn unsere Betriebe in den letzten Jahren ihre Produktivität in so ungeahntem Ausmaß gesteigert haben, war dies nicht zuletzt ihrem doppelten Einsatz in Betrieb und Familie zu verdanken, einem Einsatz, der sich jenseits von Fünftagewoche und Achtstundentag vollzog. Dies gilt auch für die anderen Mitglieder der bäuerlichen Familie. Zweitens. Agrar- und Ernährungspolitik war und ist für mich stets in erster Linie Gesellschaftspolitik, eine Politik, die nicht nur Erzeuger und Verbraucher von Agrarprodukten im Auge hat, eine Politik vielmehr, die sich an alle Menschen richtet, die im ländlichen Raum arbeiten, wohnen oder in ihm Erholung suchen. Ein zentrales Anliegen dieser Politik ist es deshalb, den Wohn- und Erholungswert des ländlichen Raumes zu verbessern und eine möglichst große Zahl selbständiger Unternehmer sowie eine breite Eigentumsstreuung zu erhalten - beides Voraussetzungen politischer Stabilität. Dabei reden wir nicht einer Strukturkonservierung das Wort, sondern bekennen uns zu einem sozial abgesicherten Prozeß struktureller Anpassung, ohne den weder für den einzelnen noch für die Gemeinschaft Fortschritte möglich sind. Durch die Einbettung der Agrarpolitik in die regionale Wirtschafts- und Raumordnungspolitik ist es uns gelungen, die deutsche Landwirtschaft funktionsfähig zu erhalten, die Dörfer attraktiv zu gestalten und den Ballungserscheinungen in unserem Lande entgegenzuwirken. Diesen Erfolg auch für die Zukunft zu sichern ist eine ebenso schwierige wie wichtige Aufgabe der vor uns liegenden Jahre. ({15}) Drittens. Der Friede in der Welt erfährt seine größte Gefährdung durch die wachsende Kluft zwischen arm und reich, zwischen Hungernden und Satten. Die leistungsfähige europäische Landwirtschaft ist aufgerufen, an einer wichtigen Nahtstelle einen Beitrag zur Überwindung dieser Kluft zu leisten. Abbau der Konfrontation durch weltweite Kooperation muß unser Motto sein; ihr kann und darf sich die europäische Land- und Ernährungswirtschaft nicht entziehen. Viertens. Die vor uns liegenden Probleme, meine Damen und Herren, sind sicher zahlreich und schwierig. Trotzdem sehe ich für die deutsche Landwirtschaft optimistisch in die Zukunft. Sie hat in den zurückliegenden Jahren eine Leistungsbereitschaft bewiesen, die in der Agrargeschichte ohne Beispiel ist. Ihr Leistungsstand eröffnet ihr im Wettbewerb um die derzeit 250 Millionen und vielleicht schon bald 300 Millionen Europäer neue und interessante Absatzchancen. Dabei kommt ihr zugute, daß die Mehrzahl der deutschen Landwirte inmitten oder in unmittelbarer Nachbarschaft der europäischen Ballungszentren mit den kaufkräftigsten Verbrauchern der Welt produzieren. Ich meine, daß alle diese Fakten geeignet sind, das Selbstvertrauen unserer Landwirte, insbesondere der jungen Landwirte mit einer qualifizierten Berufsausbildung, gegenüber den Problemen der Zukunft zu stärken. Die Jugend auf dem Lande hat diese Chance begriffen, wie das wachsende Interesse an den Ausbildungsberufen der Landwirtschaft deutlich zeigt. Jede Generation hat ihre eigenen und neuen Aufgaben zu bewältigen. Die Aufgabe unserer Generation sehe ich vor allem darin, die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung nach innen und nach außen abzusichern und einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft als wichtigem Element dieser Gesellschaftsordnung faire Lebensbedingungen zu erhalten. ({16})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Agrarbericht 1976 hat zwei grundverschiedene Gesichter. Da ist auf der einen Seite das etwas runzlige Angesicht des Wirtschaftsjahres 1974/75, und auf der anderen Seite steht das recht schillernde, strahlende Gesicht der Prognose für 1975/76. Die öffentliche Meinung hat sich nur allzuschnell von den weniger angenehmen Zahlen des Jahres 1974/75 abgewandt und schwelgt fast ausschließlich in den prognostizierten Zahlen für das Jahr 1975/76. Dies tun auch die Koalitionsfraktionen, und auch Sie, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, tun dies und haben es in der Rede eben wieder getan. Wir müssen Ihnen dies sagen, wenngleich wir Ihnen an diesem Tag, dem 19. März, sehr herzlich zu Ihrem Namenstag gratulieren wollen. ({0}) Meine Damen und Herren, diese Debatte zum Agrarbericht hat die Aufgabe, auf Grund des tatsächlichen Zahlenmaterials die Lage der Landwirtschaft zu analysieren. Es ist das Verdienst der vielen landwirtschaftlichen Testbetriebe, die ihre Wirtschaftsergebnisse zur Verfügung stellen, und der Beamten, die sie auswerten, daß wir ein recht objektives Bild von der Lage der Landwirtschaft nachzeichnen können. Sowohl den Bäuerinnen und Bauern, die die Ergebnisse ihrer Testbetriebe zur Verfügung stellen, wie den Beamten sei auch heute wieder sehr herzlich gedankt. ({1}) Allerdings müssen wir diese Ergebnisse auch in ihrer Gänze auswerten. Wir können uns nicht damit begnügen, nur jene Zahlen herauszusuchen, die ein vergleichsweise strahlendes Bild ergeben. Dieses Bild von der Lage der Landwirtschaft läßt sich nicht, wie es etwa der Bundeslandwirtschaftsminister in der Propagandapostille „Agrarpolitik aktuell" tut, nur mit dem Begriff des Reineinkommens je Arbeitskraft einfangen und schon gar nicht dadurch, daß man immer ausschließlich auf die Ergebnisse der Betriebe über der Grenze nach § 4 des Landwirtschaftsgesetzes, also der größeren Betriebe, abhebt. So gehört es eben auch zum Gesamtbild über die Lage der Landwirtschaft, in den abgelaufenen Wirtschaftsjahren die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, also die sogenannte Wertschöpfung, in die Betrachtung einzubeziehen. Das steht alles im Agrarbericht, jedermann kann das nachlesen, und wir müssen hier darüber reden. Die Wertschöpfung je Arbeitskraft hat real - das sind ja letztlich die entscheidenden Zahlen - von 1970/71 bis 1974/75 jährlich um durchschnittlich 0,7 % abgenommen, während sie in den fünf Jahren zuvor, bis 1969/70, um 6,5 % zugenommen hat. . ({2}) Aus der Wertschöpfung - das wissen diejenigen, die den Agrarbericht kennen, sehr wohl - sind ja Löhne und Sozialabgaben für Fremdarbeitskräfte zu finanzieren. Danach verbleibt dann die Kapital- und Arbeitsentlohnung für die Bauern. Wie sah das nun in absoluten Zahlen aus? 1972/73 betrug diese Wertschöpfung 17,7 Milliarden DM, 1973/74 17,2 Milliarden DM und 1974/75 nur noch I 15,9 Milliarden DM. Hier ist also ein eindeutiger Abwärtstrend erkennbar. ({3}) Nur unter günstigen Annahmen wird das Ergebnis 1975/76, bezogen auf die Wertschöpfung, wieder das des Jahres 1972/73 erreichen. ({4}) Wir können in einer solchen Debatte eben nicht darauf verzichten, die Folgen der Inflation für die tatsächliche Lage und Entwicklung der Betriebe zu erwähnen. Der Agrarbericht weist darüber hinaus klar aus, daß der relative und der absolute Abstand in der Wertschöpfung zwischen landwirtschaftlicher Vollarbeitskraft einerseits und den außerlandwirtschaftlichen Beschäftigten in den vergangenen Jahren ständig größer geworden ist. Lag er 1968/69 bei 43 %, so betrug er 1974/75 53,8 %. Das sind nun wiederum Zahlen, die wir lediglich den Tabellen Ihres Agrarberichtes entnommen haben. Die gehören eben in eine Bestandsaufnahme mit hinein, oder aber wir diskutieren über einen Bericht, der nicht in Gänze ausgewertet wird. Wir halten es für unsere Pflicht, das zu tun. ({5}) Aber auch die Entwicklung des Reineinkommens rechtfertigt nicht die optimistische Betrachtungsweise für das abgelaufene Jahr. Unter Berücksichtigung der Geldentwertung sind die Unterschiede zwischen den nominalen und den realen Werten doch sehr beachtlich. Dabei bleibt zu beachten, daß in diese Zahlen ja die verminderte Zahl von Arbeitskräften eingeht. Professor Raisch - ich finde das immerhin sehr bemerkenswert - hat kürzlich in einem Vortrag vor landwirtschaftlichen Buchstellen darauf aufmerksam gemacht, daß die betriebliche Finanzsituation gerade unter Berücksichtigung der Inflation auch beim Reineinkommen je ha landwirtschaftlicher Fläche gemessen werden muß. Das ergibt dann ganz andere Ergebnisse. Dieses Reineinkommen je ha ist nämlich von 1969/70 bis 1974/75 von 854 DM auf 1 058 DM gestiegen. Das sind 24 %. Berücksichtigen wir aber die Geldentwertung von 33 %, so bedeutet das einen Rückgang im Reineinkommen je ha von 25 %. ({6}) Auch sollten wir überlegen - das sage ich jetzt sehr kritisch -, wieweit es, wenn wir schon auf einen Arbeitsstundenvergleich verzichten - ich glaube, darauf wird aus vielen guten Gründen verzichtet -, doch notwendig ist, die Sonn- und Feiertagsarbeit in diese Überlegungen für die Einkommensberechnung einzubeziehen. ({7}) Wir unterstreichen die lobenden Worte, Herr Minister, die Sie eben für die Bäuerin und die Landfrau. gefunden haben. Nur, meine ich, würden wir dem mehr gerecht, wenn wir gerade auch ihre Leistung im Bereich der Sonn- und Feiertagsarbeit in die Betrachtung der Einkommenslage und der Einkommensentwicklung einbezögen. ({8}) Ich möchte auch auf die starken Unterschiede zwischen den Betrieben nach § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und den übrigen Haupterwerbsbetrieben hinweisen. Herr Minister, hier will ich gar keinen methodischen Streit. Sie haben völlig recht: Sie sind nach dem Landwirtschaftsgesetz verpflichtet, diese Grenze zu bestimmen. Die Frage bleibt natürlich, wieweit mit dem Begriff „Standardbetriebseinkommen" auch eine gewisse Willkür im Hinblick auf die Festsetzung dieser Grenze verbunden ist. Aber bei der Gesamtbetrachtung landwirtschaftlicher Einkommensverhältnisse können wir die gesamten Haupterwerbsbetriebe von unserer Betrachtung nicht ausnehmen. ({9}) Dann zeigt sich, daß der größere Teil der Betriebe 1974/75 real Einkommensverluste hinzunehmen hatte. Meine Damen und Herren, ich habe einmal sehr bewußt, was ich sonst nie in dem Maße getan habe, die vielen Zahlen für das Jahr 1974/75 in diese Debatte mit einbezogen, weil - und dies sage ich jetzt sehr ernst - auch durch Ihr Verschulden, Herr Minister, absichtlich oder nicht absichtlich - ich meine eher, nicht absichtlich - ein falsches Bild von der wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft in den letzten Wochen und Monaten vermittelt worden ist und weil sichtbar wird - auch dies sage ich ganz deutlich -, daß nur durch eine wesentliche Verbesserung der Einkommenslage im laufenden Jahr ein aufgestauter Nachholbedarf abgedeckt werden kann. ({10}) Damit ein Wort zur Prognose. Die Preis-KostenSituation hat sich zweifelsohne verbessert, und dies ist gut so. Im laufenden Jahr 1975/76 wird sich die Ertragslage der Bauern stabilisieren. Dennoch: Prognosen bleiben unsicher und problematisch. Ich darf nur daran erinnern, daß im Agrarbericht 1974 die Prognose von einem Einkommensanstieg zwischen 6 und 10 % ausging, und am Ende waren es bei den Ist-Zahlen minus 0,3 %. Auch scheint es mir so zu sein, daß die Prognose 19 %, die der Minister hier wieder erwähnt hat, im wesentlichen auf das Preisgerüst, nicht aber auf das Mengengerüst abhebt. Da sich aber mit Sicherheit die geringere Ernte, vor allem bezogen auf die Fläche, niederschlagen wird, ist es höchst fragwürdig, ob wir diese Zahl tatsächlich erreichen. ({11}) Aber eines scheint mir wichtig zu sein: Wenn heute notwendige Forderungen an die Agrarpolitik vielfach bezweifelt werden, wenn die tatsächlichen Ergebnisse im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oft nicht mehr zur Kenntnis genommen oder in Zweifel gezogen werden, dann tragen vor allem auch die Koalitionsfraktionen ein gerütteltes Maß Verantwortung ({12}) daran, daß die Lage verzerrt und einseitig dargestellt wird. ({13}) Dabei ist dies doch nicht nur - jetzt müssen wir über die Ursache der vergleichsweise günstigen Entwicklung sprechen - das Verdienst der Bundesregierung; dies haben Sie, Herr Minister, ja auch erfreulicherweise offen hier eingeräumt. Was hat denn zu dieser Verbesserung der Erlössituation in der Landwirtschaft geführt? Zunächst beachtliche Ernteausfälle, und zwar sowohl hier bei uns im Lande und in der Europäischen Gemeinschaft - ich nenne nur das Stichwort Kartoffeln - als auch weltweit; ich nenne hier das Stichwort Getreide. Zweifelsohne haben dann zyklische Schwankungen und auch die europäischen Marktordnungen zu dieser günstigen Situation beigetragen. Marktordnungen, von denen der Herr Bundeskanzler gesagt hat, daß er über sie en gros und en detail nur Witze machen könne. ({14}) Zu diesem Ergebnis hat natürlich auch die Erhöhung der administrativen Preise in Brüssel beigetragen. Nur, verehrter Herr Minister Ertl, vor allem die Erhöhungen im Herbst 1974 sind von Frankreich teilweise gegen den Willen der Bundesregierung durchgesetzt worden. ({15}) Auch dies muß gesagt werden. ({16}) Auch ich will ein Wort zu dem Verhältnis von Erzeuger- und Verbraucherpreise sagen. In drei Wirtschaftsjahren, von 1972/73 bis 1974/75, hat sich das Erzeugerpreisniveau um einen Indexpunkt verbessert, nämlich von 128,2 auf 129,3, bezogen auf 1962/ 1963 = 100. Übrigens hat sich im gleichen Zeitraum das Preisniveau für die landwirtschaftlichen Betriebsmittel um 23,8 Indexpunkte erhöht. ({17}) - Erhöht und damit für die Bauern verschlechtert. - Das heißt, in den Jahren 1973, 1974 und 1975 - und ich bin Ihnen dankbar, daß Sie auch dies hier gesagt haben, Herr Minister Ertl -, in diesen Jahren mit starken Inflationsschüben waren die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise ein Stabilitätsfaktor erster Ordnung in diesem Lande. ({18}) Wir wissen doch alle, die wir Statistiken kennen, daß im Herbst 1974 die Inflationsrate auf über 8 % geklettert wäre, wenn sich die Nahrungsmittel im gleichen Verhältnis wie die übrigen Produkte des Vier-Personen-Warenkorbes verteuert hätten. ({19}) Deshalb ist es einfach unredlich, wenn man auf Grund der jetzigen Entwicklung, in der ein gewisser Stau abgebaut wird, ({20}) so tut, als solle man die Bauern zum Sündenbock der Teuerung stempeln. Dies ist schlichtweg unredlich. ({21}) Nun will ich deshalb auch keine anderen Sündenböcke suchen. ({22}) Aber wir alle wissen doch auch, meine Damen und Herren, daß sich die Erzeugerpreise nur noch mit 48 % im Preis für Nahrungsmittel niederschlagen. Das heißt also, daß sich im Bereich der Nahrungsmittelindustrie, des Nahrungsmittelgewerbes die Inflationsraten über Tarife, über Kostensteigerungen voll auswirken und dies auch zu einer stärkeren Erhöhung der Verbraucherpreise für Nahrungsmittel führt, als es der Erhöhung der Erzeugerpreise entsprechen würde. Meine Damen und Herren, die Befriedigung, die auch wir über die gegenwärtige Einkommenslage empfinden, darf uns nicht den Blick vor den Problemen und Risiken versperren, vor denen Landwirtschaft und Agrarpolitik gleichermaßen stehen. Da ist zunächst die Einengung des nationalen agrarpolitischen Handlungsspielraums durch die Finanzkrise. Mein Kollege Susset wird gerade zu diesem Problem eingehender Stellung nehmen. Nur soviel an dieser Stelle: Die Wiedergewinnung wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität ist gerade auch für die Handlungsfähigkeit der nationalen Agrarpolitik unverzichtbar. Meine Damen und Herren, die negativen Folgen der Finanzkrise, die unzulängliche Ausstattung mit Finanzmitteln im Einzelplan 10 machen doch bereits in diesem Jahr die Probleme in einem besonders starken Maße sichtbar. ({23}) Ich denke hier an die Agrarsozialpolitik, von der noch zu sprechen sein wird, vor allem aber auch an die Agrarstrukturpolitik. Hier geht es um für die Investitionstätigkeit im ländlichen Raum entscheidende Mittel. ({24}) Meine Damen und Herren, einige Worte zu den Problemen und Risiken der europäischen Agrarpolitik. Auch der Agrarbericht weist in seinen Ziffern 112 ff. auf einige neuralgische Entwicklungen des gemeinsamen europäischen Marktes hin. Wir sollten uns allerdings einmal fragen, wieweit es wichtig und richtig wäre, den Agrarbericht mit einigen Übersichten und Zahlen über die Entwicklung der Landwirtschaft in anderen Ländern der Gemeinschaft anzureichern; denn der Agrarbericht tut im Grunde so, als gäbe es den Gemeinsamen Markt noch nicht. Ich glaube, hier müssen wir eine Anreicherung des Agrarberichts versuchen. ({25}) Die europäische Agrarpolitik stand und steht im Kreuzfeuer der Kritik. Dabei hat sich vor allem im Jahre 1975 und auch in diesem Jahr die Kritik auf die Stichworte Überschüsse und Kosten konzentriert und reduziert. Nun meine ich, daß sich sicher zu beiden Stichworten kritische Anmerkungen machen lassen, und wir haben dies auch getan. Wenn aber etwa der Bundeskanzler im Juli '1975 in einem Fernsehinterview sagt, daß „die gegenwärtig am laufenden Band Überschüsse produzierende europäische Agrarpolitik so nicht bleiben kann" und daß er dann die Ursache darin sieht, „das diese gemeinsame Agrarpolitik die Preise für landwirtschaftliche Produkte hat höher steigen lassen, ({26}) als sie gestiegen waren, wenn es ein freier Markt wäre", dann, meine Damen und Herren, wird hier - das sage ich jetzt ganz freimütig - beim Regierungschef entweder ein erschreckendes Maß geringer Sachkenntnis sichtbar ({27}) oder der Bundeskanzler betreibt hier Europa- und Bauernschelte, die so durch nichts gerechtfertigt ist. ({28}) Im übrigen meine ich, daß der Bundeskanzler damit auch im Widerspruch zu dem steht, ({29}) was der Landwirtschaftsminister soeben selbst zu den Problemen der europäischen Agrarpolitik gesagt hat. Meine Damen und Herren, ich habe wiederholt deutlich gemacht, daß eine Lösung vorhandener Produktionsprobleme und auch die Lösung vorhandener Überschußprobleme nur möglich ist oder so lange unmöglich ist, solange einige Mitgliedsländer u. a. auch mit devisenpolitischen Argumenten ihre Agrarproduktion um jeden Preis meinen steigern zu müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Niegel, bitte.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Ritz, wenn man Ihre Ausführungen verfolgt, müßte man doch die Frage stellen: Wie beurteilen denn der Bundeskanzler und seine SPD-Ministerkollegen in der Regierung die Agrarpolitik? Sie fehlen heute alle.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie war die letzte Bemerkung?

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Herr Bundeskanzler und seine SPD-Kollegen auf der Regierungsbank fehlen heute alle. ({0})

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Daran, Herr Kollege Niegel, wird sicher auch zu einem gewissen Teil die Bedeutung sichtbar, die zumindest die SPD-Regierungsmannschaft der Agrarpolitik offensichtlich beimißt. ({0}) Meine Damen und Herren, ich möchte dies wiederholen: Eine Lösung vorhandener Überschußprobleme ist so lange unmöglich, solange einige Mitgliedsländer u. a. auch mit devisenpolitischen Argumenten ihre Agrarproduktion um jeden Preis zu steigern trachten, solange die politische Wertung - dies ist nicht ganz unwichtig - von Produktionsüberhängen so unterschiedlich erfolgt wie in Frankreich einerseits und in der Bundesrepublik Deutschland andererseits, ({1}) solange die gemeinschaftliche Agrarpolitik mit politischen Lasten befrachtet bleibt - dies hat der Herr Minister hier zu Recht auch erwähnt - und solange nicht eine gemeinschaftliche Strategie der westlichen Industrienationen zur Lösung der Probleme des Welthungers erarbeitet wird. In diesem Zusammenhang aber, muß auch Klarheit über die weiteren Ziele der Europäischen Gemeinschaft herbeigeführt werden. Dies gilt auch und gerade für das Ziel Währungs- und Wirtschafts16138 union, wobei hier niemand unter uns ist, der sich der Schwierigkeit der Probleme nicht bewußt wäre. Im Gegenteil, wir sind uns darüber im klaren, daß sie gerade seit dieser Woche mit der Entscheidung Frankreichs, die Schlange, d. h. den Währungsverbund, zu verlassen, nur größer und nicht kleiner geworden sind. ({2}) Aber, ohne eine verbindliche Beschreibung des Zieles und der Ziele - dies hat ja auch gestern abend die kurze Debatte über den Tindemans-Bericht sichtbar gemacht - werden die Probleme der gemeinsamen Agrarpolitik immer schwieriger. Wenn dann wiederum der Bundeskanzler in einem Interview mit der „Financial Times" die Behauptung aufstellte, daß wesentliche Fortschritte auf dem Weg zu einer Währungs- und Wirtschaftsunion neben anderen Voraussetzungen nur möglich sind, wenn die Agrarpolitik die Chance erhält, besser zu arbeiten, dann wissen doch alle Kenner, daß nur umgekehrt ein Schuh daraus wird. Herr Bundeslandwirtschaftsminister, wir können Ihnen nur empfehlen: Geben Sie Ihrem Bundeskanzler Nachhilfeunterricht, ({3}) damit er diese Zusammenhänge begreift. ({4}) Meine Damen und Herren, solange sich einige Mitgliedsländer aus Gründen der Zahlungsbilanz zur Steigerung der Agrarproduktion gezwungen glauben, und zwar unabhängig von dem berühmten, angeblich günstigeren Standort, solange es keine wirksame europäische Regionalpolitik gibt, die Landwirten auch wirklich Alternativen bietet, so lange ist eben die Agrarpolitik allein überfordert, wenn sie alle Probleme lösen soll. Und hier stecken doch auch die Probleme der Kosten der gemeinschaftlichen Agrarpolitik. Man kann sie eben nicht der Landwirtschaft anlasten, wie dies leider immer wieder geschieht. ({5}) Meine Damen und Herren, auch wir wissen, daß diese Bundesregierung ({6}) - Herr Kollege Wehner, dies sage ich jetzt gerade auch mit Blick auf Sie - und die Koalition in der Europäischen Gemeinschaft nichts allein bewirken können. ({7}) Ich bin aber sicher, wenn die Bundesregierung in den letzten sechs bis sieben Jahren mit der gleichen Intensität, mit dem gleichen Engagement und mit der gleichen Leidenschaft die Integration Europas vorangetrieben hätte, wie sie die weithin verfehlte sogenannte neue Ostpolitik betrieben hat, stünde es heute besser um Europa. ({8}) Ein Wort zu den Beschlüssen vom 5. März im EG-Agrarministerrat. Lassen Sie mich zunächst positiv dies sagen: Wir halten es für einen Erfolg, daß trotz einer ungeheuer schwierigen Ausgangslage ein Kompromiß möglich wurde. Dies halten wir für einen Erfolg.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Ritz, glauben Sie im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungspolitik im Ernst, daß die Bundesrepublik über die Bundesregierung auf die Inflationsentwicklung der Nachbarländer hätte Einfluß nehmen können? ({0})

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Peters, ich bin in der Tat der Meinung, daß es in den frühen siebziger Jahren Möglichkeiten gegeben hätte, z. B. der sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage Italiens früher entgegenzukommen, ({0}) Italien früher Hilfestellung zu geben ({1}) und z. B. im Bereich der Regionalpolitik mehr zu tun, als man getan hat. ({2}) Herr Kollege Peters, ich bitte um Nachsicht, aber ich glaube, wir sollten versuchen, um der Straffung der Debatte willen nicht alles durch Zwischenfragen erledigen zu wollen. ({3}) Ich habe gesagt: Daß am 5. März überhaupt eine Einigung zustande kam, ist positiv zu werten, und wir stehen dazu. Dies ist um so bemerkenswerter, wenn man an den traurigen Streit denkt, den sich der Außenministerrat geleistet hat, als es um die Frage ging, an welchem Wochentag die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden könnten. ({4}) - Nein, Herr Kollege Wehner. Aber sehen Sie, das ist eben interessant, daß in der öffentlichen Meinung ein solcher kleinkarierter Streit kaum eine Rolle spielt, während bei einer Einigung in dem sehr schwierigen Bereich der Agrarpolitik oft nur die negativen Perspektiven einer solchen Entscheidung gewürdigt werden. Deshalb gehört dies, glaube ich, sehr wohl zur Sache. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Ritz, sind Sie bereit, den Herrn Bundesernährungsminister um Auskunft zu bitten, wieweit seine Agrarpolitik von seiner eigenen Fraktion überhaupt noch getragen wird, da nur zwei Kollegen der FDP hier im Hause sind?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Niegel, diese Wertung würde ich den Kollegen der Freien Demokraten selbst überlassen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bleibe bei der Bewertung der Ministerratsbeschlüsse vom 5. März. So positiv zu werten ist, daß man eine Einigung gefunden hat, sowenig hat allerdings die Landwirtschaft selbst in der Bundesrepublik Grund zur Freude. Denn soweit sich die Beschlüsse auf die Preise beziehen, werden sie nicht einmal im Ansatz die Kostensteigerung im laufenden Wirtschaftsjahr auffangen können. ({1}) Auch muß vermerkt werden, daß die zweite kräftige Senkung des Grenzausgleichs in Verbindung mit dem Abbau des Aufwertungsausgleichs die deutsche Wettbewerbsposition wesentlich erschweren wird. Gerade die Abwertung des französischen Franc in den letzten Tagen hat überdeutlich klargemacht, daß der Grenzausgleich ein unverzichtbares Element der gemeinschaftlichen Agrarpolitik bleibt. ({2}) Es ist aber auch deutlich geworden - dies will ich im Zusammenhang mit dem Grenzausgleich und gerade mit der Entscheidung Frankreichs aus der letzten Woche auch sagen -, daß die Grenzausgleichsregelungen sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes der Ingangsetzung als auch hinsichtlich der Höhe und des Umfangs, bezogen auf Produkte, neu durchdacht und überprüft werden müssen. Es geht nicht an, daß nach einer währungspolitischen Entscheidung unter Umständen mehr als eine Woche vergeht, bis dieses Instrument überhaupt greift, und sich damit natürlich ganz entscheidende Veränderungen im Warenstrom der Gemeinschaft vollziehen. Die Entscheidungen im Milchsektor verdienten eigentlich eine längere Würdigung. Ich muß mir diese aber ersparen. Sicher ist, daß sie in ihrer Durchsetzbarkeit und ihrer Wirkung nach wie vor höchst ungewiß sind und daß hier viele Probleme - auch Probleme der Kontrolle und der zusätzlichen Bürokratisierung - auf uns zukommen. Hinzu kommt, daß wichtige Beschlüsse - etwa hinsichtlich des Traumthemas des Herrn Ertl und der Koalition, des Themas der Erzeugerbeteiligung oder auch hinsichtlich des Themas der Nichtvermarktungsprämie zunächst ausgeklammert worden sind. Von daher wird uns noch eine Zeit der Unruhe beschert werden. Meine Damen und Herren, ich halte es allerdings für positiv, daß die Franzosen und Luxemburger es durchgesetzt haben, daß zum Problem der Erzeugerbeteiligung, wenn es um die Entscheidungsfindung geht, die berufsständischen Organisationen gehört werden. Ich halte dies für ganz wichtig, damit hier nicht etwas am Berufsstand vorbeiläuft. ({3}) Einige wichtige Wettbewerbsfragen bleiben offen. Der Theaterdonner vom September 1974 ist verhallt. Die Anzeigen der Bundesregierung mit dem Konterfei von Herrn Schmidt und Herrn Ertl, nach denen die wettbewerbsverzerrenden nationalen Beihilfen gestoppt wurden, sind längst vergilbt. Die Probleme sind aber geblieben. Unterglasgartenbau, unkoordinierte Gesetzgebung im Lebensmittelrecht, im Immissionsschutzrecht und vielen anderen Bereichen erschweren nach wie vor die Herbeiführung gleicher Produktionsbedingungen. Auf diesem Feld hat nach unserem Verständnis die Bundesregierung auf der ganzen Linie versagt. Lassen Sie mich zum Abschluß aber auch einiges zu den Strukturproblemen der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes sagen. Auch der Agrarbericht betont - wie ich glaube, sehr zu Recht - die Wechselwirkungen und Wechselbeziehungen zwischen Agrarstruktur einerseits und der Struktur ländlicher Räume andererseits. Ich meine allerdings, daß die Ziele der Programme entscheidend von der Wirklichkeit abweichen. Ich habe auch den Eindruck, daß die Wirklichkeit von dem abweicht, was der Minister hier in diesem Zusammenhang an positiven Akzenten in seiner Rede gesetzt hat. Lassen Sie mich vorweg dies sagen. Wir, die Unionsparteien, sehen es auch wesentlich als unseren Erfolg an, wenn wir heute noch eine breit gestreute bäuerliche Struktur als Grundlage der Landbewirtschaftung haben. Wir haben uns vor allem in den 60er Jahren - sicherlich auch mit Ihrer Unterstützung, Herr Kollege Ertl - allen radikalen Schrumpfungsthesen und -programmen unter Hinnahme von Spott und Hohn entgegengestellt. Wir haben uns aber auch bemüht, das einzelbetriebliche Förderungsprogramm zu revidieren. Die Einführung der sogenannten Aufstiegshilfe ist sicher ein Durchbruch in die richtige Richtung. Aber durch den Beschluß des Haushaltsausschusses, bei der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstrukturverbesserung und Küstenschutz" Kürzungen in Höhe von 135 Millionen DM vorzunehmen, besteht doch die ganz große Gefahr, daß ein Anlaufen dieser Aufstiegshilfe in diesem Jahr überhaupt nicht mehr möglich ist. ({4}) Meine Damen und Herren, so notwendig eine breit gestreute landwirtschaftliche Betriebsstruktur für die Wirtschafts- und Lebenskraft der ländlichen Räume insgesamt ist, so negativ sind allerdings die Auswirkungen von Rezession und Arbeitslosigkeit auf die Agrarstruktur. Herr Minister Ertl, hier reicht eben der Hinweis auf die weltweite Rezession nicht aus. ({5}) Dies haben Zu- und Nebenerwerbsbetriebe, wie auch der Agrarbericht ausweist, bereits zu spüren bekommen. So sehr wir als Unionsparteien eine Verlangsamung und eine Normalisierung des Agrarstrukturwandels begrüßen, so kritisch muß aber doch die Tatsache gewertet werden, daß für manche Grenzertragsbetriebe heute auf Grund einer verfehlten Konjunktur- und Wirtschaftspolitik überhaupt keine beruflichen Alternativen mehr im ländlichen Raum vorhanden sind. Damit ist der Weg in die so wichtige Einkommenskombination doch weitgehend versperrt. Die Kluft zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen ist doch in den letzten Jahren unter der Verantwortung der SPD/FDP-Bundesregierung größer und nicht, wie es eigentlich dem Auftrag des Grundgesetzes entspräche, kleiner geworden. ({6}) Dies ist doch eine Folge verfehlter Konjunkturpolitik. Es ist doch kein Zweifel, daß die mittelständisch strukturierte Wirtschaft im ländlichen Raum stärker von den Folgen der konjunkturpolitischen Entscheidungen der letzten sechs, sieben Jahre betroffen worden ist als etwa die Wirtschaft in den Ballungsgebieten. ({7}) Ich will jetzt gar nicht einen Katalog von Fehlentwicklungen in der Struktur ländlicher Räume hier aufstellen. Nur eines ist doch sicher. Herr Minister Ertl, Sie preisen, daß in den letzten sechs Jahren 600 000 neue Arbeitsplätze entstanden sind. Zur ganzen Wahrheit gehört, daß in dieser Zeit eben auch rund 1 Million Arbeitsplätze durch Konkurse mittelständischer Betriebe verlorengegangen sind. ({8}) Dies ist vorwiegend im ländlichen Raum geschehen. Dies hemmt natürlich sowohl den Agrarstrukturwandel einerseits wie eine vernünftige Verklammerung von Agrarstruktur und ländlicher Struktur andererseits. Meine Damen und Herren, die Probleme und Risiken der nationalen Agrarpolitik und einer aktiven Politik für die ländlichen Räume sowie die Probleme der europäischen Agrarpolitik können gemeistert werden. Aber dies wird nur gelingen, erstens wenn der Wiedergewinnung wirtschaftlicher Stabilität gerade auch aus agrarpolitischer Sicht hohe Priorität eingeräumt wird; ({9}) zweitens wenn wir immer mehr Bürger in unserem Land die vielfältigen, unverzichtbaren Aufgaben der Landwirtschaft klarmachen; ({10}) drittens wenn wir für weitere Integrationsfortschritte in der europäischen Einigung energisch arbeiten, um nicht zuletzt dadurch vorhandene Probleme in der gemeinsamen Agrarpolitik leichter lösen zu können; und schließlich viertens, wenn die Landwirtschaft in ihren vielfältigen Funktionen in einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eingebettet bleibt, die am Ziel gleichrangiger Lebensbedingungen für alle Bürger festhält und ihre Verpflichtung gegenüber allen Gruppen der Gesellschaft ernst nimmt. Dafür steht unsere Politik, dafür steht auch unsere Alternative für unsere Arbeit nach der nächsten Bundestagswahl. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vornehmste Aufgabe der Landwirtschaft ist die Ernährung unserer Menschen. Sie ist, um das von vornherein festzustellen, absolut gesichert. Der bestehende Überfluß in unseren Regionen verschließt den meisten Menschen die Augen vor der existentiellen Bedeutung der Ernährung und vor den Gefahren des Mangels. Viele Kollegen werden vor ihren Wählern den Hunger in der Welt beklagen, die Erzeugung von Überschüssen in Europa geißeln und im selben Atemzug die Bedeutung der Landwirtschaft für die europäische Integration herausstreichen. Je nach Standort und Publikum werden sie die Agrarpolitik der Bundesregierung loben oder tadeln, werden in grober Unkenntnis oder auch Unkenntnis der Tatsachen die deutschen Landwirte als die Stiefkinder der Nation bezeichnen oder umgekehrt so tun, als lebten sie wie Maden im Speck. Es wurde schon wiederholt gesagt, daß die Agrarpolitik eine viel zu wichtige Sache sei, als daß man sie nur den Fachleuten überlassen könnte. Gut gesagt; aber wo sind diese Fachleute in den letzten Monaten und Jahren geblieben? Ich gebe zu: Die Agrarpolitik ist zu vielschichtig, als daß mit einigen Zahlen und Fakten die ökonomischen Zusammenhänge, ihre supranationalen Bindungen und Bedingungen dargestellt und erfaßt werden könnten. Ernährungswirtschaft und Agrarpolitik haben aber wegen ihrer Bedeutung für das Wohlergehen der Menschen dennoch einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden. ({0}) Der Agrarbericht 1976, um den es hier und heute geht, fordert das Parlament und damit die Offentlichkeit heraus, an Hand vieler Zahlen - vielleicht zu vieler Zahlen - und Tatsachen zu prüfen, ob die deutsche Agrarpolitik ihrem erklärten Hauptziel weiter schrittweise nähergekommen ist, nämlich erstens - das sagte ich schon - die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden und qualitativ hochwertigen Produkten der Agrarwirtschaft zu angemessenen Preisen zu sichern, zweitens die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum zu verbessern, die in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilnehmen zu lassen und die Landwirtschaft zu einem gleichrangigen Teil unserer modernen Volkswirtschaft zu entwickeln. ({1}) Dr. Schmidt ({2}) Das ist der Maßstab, den wir bei der Prüfung anlegen. Herauskommen soll die Wahrheit, die wir den Bauern zur realistischen Einschätzung ihrer eigenen Lage und den Verbrauchern zum besseren Verständnis sagen wollen. Der zentrale Erfolgsmaßstab eines jeden Agrarberichts ist das Einkommen. Das Gesamteinkommen je Unternehmerfamilie erhöhte sich im Schnitt gegenüber dem Vorjahr um 6,7 %. Der Gewinn als Entgelt für die Arbeitsleistung, den Einsatz des Eigenkapitals und der unternehmerischen Tätigkeit hat sich je Familienarbeitskraft 1974/1975 statistisch um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr erhöht. Ich möchte feststellen: ein gutes Ergebnis; dies um so mehr, als im laufenden Wirtschaftsjahr der geschätzte Gewinnzuwachs um 20 % liegen wird. Damit können die gut geführten Haupterwerbsbetriebe für den Zeitraum 1968/69 bis 1975/76 einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg des Reineinkommens je Familienarbeitskraft um ca. 11 % erreichen. ({3}) Das entspricht der Einkommensentwicklung in der übrigen Wirtschaft und beweist, daß die sozialliberale Koalition ihre politische Zielsetzung, den in der Landwirtschaft arbeitenden Mitbürgern die Teilnahme an der allgemeinen Einkommensentwicklung in unserem Lande zu ermöglichen, auch längerfristig erreicht hat. ({4}) Dies allerdings kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Einkommensentwicklung der kleinen und der größeren Betriebe immer stärker auseinanderläuft. Ein Nord-Süd-Gefälle in der Bundesrepublik ist unverkennbar. Nebenbei bemerkt: In der EWG ist dieses Gefälle noch vielschichtiger und gravierender. Diese fortschreitende, unverkennbare Disparität macht uns seit Jahren Sorge. Ich habe den Eindruck: mehr Sorge als manchem Verbandsfunktionär, der diese Entwicklung nicht sehen will oder darf. ({5}) Dazu noch eine Bemerkung. Die Einkommen sind von vielen Faktoren abhängig, die niemand beeinflussen kann. Dies dürfte allgemein bekannt sein; es ist nichts Neues. Daher wird die Landwirtschaft mit Einkommensschwankungen leben müssen. Wir erfahren das von Jahr zu Jahr und haben uns eigentlich schon daran gewöhnt. Es ist tröstlich, daß dies in der ganzen Welt so ist. Die seit Jahrzehnten bekannten Zyklen in der tierischen Produktion beeinflussen die Einkommensentwicklung oft mehr als die Preisbeschlüsse, die jährlich in Brüssel gefaßt werden. Trotzdem sind diese Beschlüsse ein wichtiges Sicherheitsnetz. Vergleicht man die Anhebung der Marktordnungspreise seit 1968/69 mit der Entwicklung der tatsächlichen Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte, so zeigt sich, daß die beiden Preisreihen in diesem Zeitraum annähernd den gleichen Anstieg hatten. Die Agrarpreisverhandlungen in Brüssel sind deshalb nicht nur für die Landwirte von ganz entscheidender Bedeutung, auch für das Marktgleichgewicht und nicht zuletzt für unsere Verbraucher. Für unsere Landwirtschaft ist bei den Brüsseler Verhandlungen auch in diesem Jahr ein zufriedenstellender Kompromiß erzielt worden. Die Tatsache, daß in den anderen Partnerländern teilweise wesentlich höhere Preis- und Kostensteigerungen zu verzeichnen sind als in der Bundesrepublik und in diesen Ländern daraus Preisforderungen abgeleitet werden, die wir auf Grund der wirksamen Stabilitätspolitik bei uns nicht brauchen, hat es unserem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl leichter gemacht, annehmbare Ergebnisse für die deutschen Bauern herauszuholen. Aus der Sicht der Verbraucher, des Bundeshaushalts und der Steuerzahler stellt sich allerdings die Frage, ob wir nicht trotzdem, z. B. bei der Preisfestsetzung für Milch sowie bei einigen neuen Kunstgriffen, den Brüsseler Marktordnern gegen über einen entschiedeneren Standpunkt werden einnehmen müssen. Natürlich weiß auch ich, daß der Kompromiß unter dem Zwang der Einigung anders aussieht, als man ihn sich selber wünscht. Die Lage auf dem Milchmarkt - das lassen Sie mich offen sagen - bleibt unerträglich. Vorschläge zur Gesundung gab und gibt es genug. Sie reichen vom brutalen Einfrieren der Preise bis zu den Vorschlägen des deutschen Bauernverbandes, der zwar die Ziele richtig angesprochen hat, leider jedoch nur in den Kategorien von Prämien und Beihilfen aller Art zu denken in der Lage ist. An einen eigenen Beitrag der deutschen Landwirtschaft und der europäischen Landwirtschaft denkt er nicht. Die EG-Kommission und der Rat haben in den letzten Sitzungen dem Milchkapitel neue Varianten beigefügt: Die Kautionsregelung bei Magermilchpulver zur Futtermittelbeimischung, die Übernahme von Lagerkosten für amerikanisches Soja und anderes mehr sind Zeugnis für viel Phantasie. Da soll aber auch noch eine Nichtvermarktungsprämie beschlossen und eine finanzielle Mitverantwortung der Erzeuger durchgesetzt werden. Gegen Erzeugerabgaben für einen Fonds wäre gar nichts einzuwenden, wenn diese Mittel allein - und ich betone: allein - dafür benutzt würden, einen regionalen Ausgleich für die Erzeuger herbeizuführen. Die Futterbetriebe in der Eifel, im Sauerland, in der Rhön, im Harz, im Schwarzwald, im Bayerischen Wald und im Allgäu sind von Natur her arg benachteiligt. Wegen ihres Angewiesenseins auf den Futterbau und die Milchviehhaltung könnten sie eine solche Preisstützung gut vertragen, um ein zufriedenstellendes Einkommen auch dort erwirtschaften zu können. Meine Damen und Herren, für mich steht fest: Die beiden Krankheitsherde in der EG-Agrarpolitik, Milch und Wein, sind mit dieser Brüsseler Konzeption nicht zu heilen. Wie wahr ist doch das Dichter16142 Dr. Schmidt ({6}) wort: Dies ist eben der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend immer Böses muß gebären. ({7}) Ich wiederhole: Gezielte Preisforderungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommens- und Kostenentwicklung im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen und stabilitätspolitischen Erfordernisse sind und bleiben nötig. Aber das ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite müssen wir verstärkt für eine Stabilisierung der Märkte sorgen und dafür, daß die strukturellen Marktungleichgewichte vermieden werden. Verbesserung der Einkommen heißt aber auch: Förderung der Produktivität im Einzelbetrieb, Verbesserung der Betriebsführung und der überbetrieblichen Zusammenarbeit. Das erfordert schließlich, Maßnahmen im Bereich der Vermarktung zu treffen und eine Verbesserung des Absatzes durch Marketing und Verbesserung des Wettbewerbs durch erhöhte Markttransparenz zu gewährleisten. ({8}) In Teilen sind wir dabei sehr weit von optimalen Lösungen entfernt. Die Opposition fordert erneut die Abschaffung berufsständischer Einrichtungen zur Marktsteuerung in den Ländern der EG. Schön und gut, aber ich zweifle daran, daß es je einem Minister Heereman oder Ritz gelingen könnte, unsere ordnungspolitischen Vorstellungen auf die Gemeinschaft zu übertragen. Französische Vorstellungen beherrschen die Apparatur der Kommission. Von daher ist die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen in unserem Sinne nicht zu erwarten. ({9}) Wenn dem so ist, sind andere Wege vonnöten. Ich habe wiederholt versucht, die Kugel der Vermarktung ins Rollen zu bringen. Es scheint hoffnungslos zu sein. In einer Situation, wo der Markt alles aufnimmt, was angeboten wird, ist die notwendige und tragende Mitarbeit der Landwirtschaft und ihrer Organisationen nicht zu gewinnen. Aber das ist gerade die Voraussetzung dafür, daß Marktanteile nicht verlorengehen. Man macht es sich zu einfach. Der ständige Ruf in Richtung Politik nach Absicherung der Märkte von möglichen Risiken ist natürlich eine bequeme Sache, aber den Erfordernissen unserer Zeit ist damit nicht gedient. Meine Damen und Herren, eine durchgreifende 'Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Landwirtschaft erfordert eine wirksame Strukturpolitik. Das hat Bundesminister Ertl heute erneut hervorgehoben, ({10}) beinahe eine Binsenweisheit, Herr Kollege, die manche in diesem Hause lange Zeit nicht begriffen hatten und begreifen wollten. ({11}) Ich erinnere mich nur zu gut an die lange Debatte um die Äußerung des Herrn Goppel, daß jeder Bauer bleiben kann, der Bauer bleiben will. ({12}) Dieses Trugbild glaubte ich der Vergangenheit hinzuzählen zu können, ich habe mich getäuscht. Ich habe nämlich den Eindruck, daß in Ihrem neuen Programmentwurf mit dem anspruchsvollen Titel „Agrarpolitik in einer freien Gesellschaft" die alte Jacke wieder zum Vorschein kommt. Das tut mir schrecklich leid. ({13}) Demgegenüber hat die Bundesregierung, die sozialliberale Koalition, in ihren strukturpolitischen Bemühungen den unbequemen Weg der Wahrheit eingeschlagen, frei von Opportunismus und Liebedienerei. Technischer Fortschritt, stagnierender Bedarf an Nahrungsmitteln zwingen die Landwirtschaft zur strukturellen Anpassung. Seit 1965 schrumpft die Zahl der Vollarbeitskräfte jährlich im Schnitt um 41/2 %. Der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen ist in dieser Zeit von 10 % auf 7 % zurückgegangen, die Zahl der Betriebe um 350 000 auf nunmehr 900 000. Fast die Hälfte dieser Betriebe treibt heute Landwirtschaft im Nebenerwerb. ({14}) Es ist ein gewaltiger Umschichtungsprozeß auf dem Lande nach wie vor, wenn auch mit unterschiedlichem Tempo, im Gange. Aufgabe der Politik ist, steuernd und regelnd einzugreifen, ({15}) damit dieser Prozeß nicht tragisch verläuft und endet. Die Bundesregierung hat ihre Aufgabe erkannt und sich ihr gestellt. Sie hat den Anpassungsprozeß mit Hilfe einer gezielten Struktur- und Sozialpolitik gefördert und erleichtert. Sie hat nicht immer Beifall dafür geerntet, aber sie hat das Tor aufgestoßen zu einer modernen, gesunden Betriebsstruktur, die eines Tages in der Lage sein wird und sein muß, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Bauern haben das inzwischen erkannt. Sie stellen sich mutig dieser Entwicklung, und das muß anerkannt werden. Meine Damen und Herren, das einzelbetriebliche Förderungsprogramm hat sich bewährt. Keine Bundesregierung, wie immer sie zusammengesetzt sein mag, wird zukünftig an dem Grundsatz der gezielten Förderung entwicklungsfähiger Betriebe rütteln können. Grenzfälle und auch Härten wird es immer geben. Sie sind zu mildern; das ist unsere Aufgabe. Die sogenannte Aufstiegshilfe zur Erreichung der Dr. Schmidt ({16}) Entwicklungsfähigkeit ist ein geeignetes Mittel dafür. Die Ausgleichszulage im Bergbauernprogramm, die Förderung der Nebenerwerbslandwirtschaft sind unsere begleitenden Maßnahmen, die notwendig sind zur Erhaltung der Kulturlandschaft und zur Stützung des Umstellungs- und Anpassungsprozesses. ({17}) Eine Agrarpolitik, die auf der einen Seite die Produktivität der in der Landwirtschaft Tätigen erhöht und auf der anderen Seite soziale Härten vermeidet, erfordert allerdings eine längerfristige Perspektive, eine wirklich enge Koordination mit der regionalen Wirtschaftspolitik. Vernünftige Agrarstrukturpolitik bedeutet Anreize durch Förderung und Sicherung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsmöglichkeiten vornehmlich in den Gebieten mit hoher Abwanderung. Der Übergang zur nebenberuflichen Landbewirtschaftung muß nach wie vor von der Politik stärker unterstützt werden, mehr durch Aufklärung und durch Förderung der Bereitschaft zur Zusammenarbeit, weniger durch finanzielle Hilfen für den Einzelbetrieb selbst. Es gilt gerade in der kommenden Zeit des konjunkturellen Aufschwungs, alle Möglichkeiten zu nutzen. Diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen; sie eröffnet neue Perspektiven für die Zukunft. Meine Damen und Herren, die Agrarsozialpolitik ist heute das am wenigsten umstrittene Kapitel unserer Politik für die Landwirtschaft. Sie geht zum großen Teil auf unser Konto; das wird auch vom Berufsstand anerkannt. Es war nicht immer so; Agrarsozialpolitik war für manche, die heute auf den Bänken der Opposition sitzen, ein verpöntes Wort. ({18}) - Für manche, habe ich gesagt, Herr Kollege, für manche! Da waren damals neue Wirklichkeiten in den Dörfern entstanden; sie verlangten Lösungen. ({19}) - Warum sind Sie eigentlich so empfindlich, wenn man die Wahrheit spricht? ({20}) Wir haben uns dieser Wirklichkeit gestellt und nach und nach Konsequenzen gezogen. Das Altersgeld ist zu einer spürbaren finanziellen Entlastung der aktiven Betriebsinhaber geworden; ({21}) es wurde von 1966 bis 1976 verdoppelt. In diesem Zeitraum stiegen die Zuschüsse des Bundes von 500 Millionen DM auf 1,5 Milliarden DM, also auf das Dreifache. Der 1974 eingeführten Dynamisierung folgend, wird das Altersgeld ab 1. Januar 1977 für Verheiratete 362 DM betragen. Mit der im Jahre 1969 eingeführten Landabgaberente konnten bis einschließlich 1975 350 000 ha Nutzfläche für dringende strukturelle Zwecke mobilisiert werden. Hierfür wendet der Bund allein in diesem Jahr 167 Millionen DM auf. Die Zuschüsse des Bundes zur Unfallverhütung stellen auf die Belastungsfähigkeit der Landwirte für die Aufbringung eigener Beiträge ab. Auf Grund einer Initiative der Koalitionsfraktionen hat der Ernährungsausschuß vorgeschlagen - der Haushaltsausschuß ist ihm inzwischen gefolgt -, auch 1976 wie 1975 wieder rund 400 Millionen DM zur Entlastung der Landwirtschaft von Beiträgen an die Berufsgenossenschaften im Haushalt zur Verfügung zu stellen. ({22}) Mit der 1972 in Kraft getretenen gesetzlichen Krankenversicherung für die Landwirtschaft hat die sozialliberale Koalition die letzte Lücke im System der Sicherung unserer Landwirtschaft geschlossen. Für die Befreiung der Altenteiler von eigenen Versicherungsbeiträgen wird der Bund in diesem Jahre 710 Millionen DM einsetzen; das sind etwa 280 Millionen mehr als im Jahre 1973. Das sind nur die Eckpfeiler unserer agrarsozialen Leistungen für die Landwirtschaft, die wir am Ende dieser Legislaturperiode vorzeigen - nicht der Effekthascherei wegen, sondern um denjenigen zu antworten, die sich erneut anschicken, draußen ihr Geschäft mit der Angst zu betreiben. ({23}) Meine Damen und Herren, wir haben - und das sage ich mit gutem Recht - die Bauern nie im Stich gelassen, sondern haben im Rahmen des Möglichen und des Vertretbaren - und manchmal sogar darüber hinaus - gefördert und geholfen. Das gilt für die Einkommenspolitik und erst recht für die Agrarsozialpolitik. Wir sind stolz darauf, das System der agrarsozialen Sicherung vollendet zu haben; es auszubauen wird unser Ziel sein. Zur Wahrhaftigkeit gehört aber auch die Feststellung, daß dieser weitere Ausbau vom finanziellen Leistungsvermögen des Bundes ebenso abhängt wie - das möchte ich unterstreichen - von der Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft der Landwirtschaft selbst. Lassen Sie mich dazu noch ein Wort sagen. Es stößt an die Grenzen des Zumutbaren, wenn Spitzenvertreter des ländlichen Sozialsystems die Verantwortung für die stärkere Belastung der Beitragszahler dem Gesetzgeber anlasten und den Ruf nach weiteren öffentlichen Mitteln ertönen lassen, ohne daß der Versuch gemacht wird, die vom Gesetzgeber eingeräumten Handlungsspielräume voll auszuschöpfen. Ich meine, jetzt sind die Selbstverwaltungskörperschaften an der Reihe. Meine Damen und Herren, die Agrarfinanzierung wird schwieriger. Aber wie der Haushaltsausschuß schon bewiesen hat, hört aktive Politik für die Land16144 Dr. Schmidt ({24}) wirtschaft und den ländlichen Raum auch unter schwierigen Haushaltsbedingungen nicht auf. So werden in diesem Jahr Sonderbeihilfen zur Behebung der Sturmflutschäden in Höhe von 60 Millionen DM gewährt, Mittel, die zusätzlich in den Haushaltsentwurf der Bundesregierung eingestellt werden. Um weitere 80 Millionen DM werden die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung aufgestockt. Eine weitere Aufstockung findet bei den Zuschüssen für die Krankenversicherung um 40 Millionen DM statt. Neue Titel wurden zur Unterstützung der Gartenbaubetriebe mit Unterglasanlagen in Höhe von 18 Millionen DM, für Naturparke in Höhe von 2 Millionen DM und für den Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen bei der Futterfischerei in Höhe von 2 Millionen DM geschaffen. Wir alle wissen, daß für diese Maßnahmen Umschichtungen innerhalb des Regierungsentwurfs notwendig waren. Um das sachlich Notwendige verwirklichen zu können, haben wir nach gewissenhafter Prüfung Deckungsvorschläge im wesentlichen zu Lasten der Gemeinschaftsaufgabe vorgelegt. ({25}) Das ist uns nicht leichtgefallen. Aber Sparsamkeit läßt sich eben nicht durch Reden, sondern nur durch sorgfältig abgewogenes Handeln verwirklichen. ({26}) Die vorgesehenen Kürzungen müssen nicht dazu führen, daß nunmehr gewisse Aufgaben vernachlässigt werden. Eine Beschränkung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche. ({27}) Die sonst nach Sparsamkeit rufende Opposition hatte in diesen Besprechungen keine Alternative. ({28}) Der Antrag auf Erhöhung des Plafonds um 150 Millionen DM ist doch keine Alternative. ({29}) Es zeigt nur einmal mehr, was von Ihren Sparbeteuerungen zu halten ist. ({30}) Meine Damen und Herren, Sparwille und Stabilitätsbewußtsein bei uns hindern die Europäische Gemeinschaft leider nicht, begehrlich in die Taschen ,ihrer Mitglieder zu greifen. Mit 28 % sind wir überproportional dabei. Dennoch bejahen wir im Grundsatz die EG-Agrarmarktpolitik. ({31})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Lassen Sie mich weitersprechen! - Denn die gemeinsamen Marktordnungen sind wichtige Grundlagen für die wirtschaftliche Integration der freien, marktwirtschaftlich organisierten EG-Staaten. Sie sind ebenso Grundlagen für die Erhaltung und Weiterentwicklung leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe. Sie gewähren unserer Bevölkerung eine sichere Ernährung aus eigener Kraft und schützen sie vor extremen Preissteigerungen. Als unerträglich empfinden wir es aber, wenn der geordnete Wettbewerb auf den europäischen Agrarmärkten, den die deutsche Landwirtschaft nicht zu fürchten braucht, durch administrative Eingriffe zunehmend beeinträchtigt wird. Gegen die Folgen ungerechtfertigter Verschiebung von Marktanteilen und gegen die hohen Kosten zu Lasten der Steuerzahler hat sich Bundeskanzler Schmidt im Oktober 1974 gewandt, als er im EG-Ministerrat für eine gründliche Bestandsaufnahme der gemeinsamen Agrarpolitik eintrat. ({0}) Mit Recht werden die hohen Kosten der Agrarpolitik kritisiert, mit Recht auch ihr unerträglicher Verfall in unsinnigen Bürokratismus, wie sich erneut an dem Beimischungszwang für Magermilchpulver zeigt. Mit Recht wird die Vorherrschaft nationaler Einzelinteressen beklagt. In der Tat nehmen die Passiva auf dem europäischen Konto allmählich überhand. Mehr und mehr wird die gemeinsame Agrarpolitik mit innenpolitischen Problemen der Nationalstaaten überlastet und zur Lösung dieser Probleme benutzt, wenn nicht sogar mißbraucht. Weitab vom Geist der Römischen Verträge und von den in Artikel 39 formulierten Grundsätzen wird europäische Agrarpolitik heute benutzt zur Verhinderung sozialer Unruhen unter den Bauern, für konservative Regierungen, um sie vor dem Linksrutsch ländlicher Wähler zu bewahren, und zur Verbesserung von Zahlungsbilanzen, vor allem zu Lasten der Bundesrepublik. Die jüngste Mitteilung aus dem Bundesfinanzministerium, daß uns das Festhalten an einer völlig überholten Rechnungseinheit für den EG-Haushalt rund 1 Milliarde DM kostet, spricht für sich. Die Aufnahme weiterer Mitglieder wird für die europäische Agrarpolitik morgen möglicherweise bedeuten, die NATO-Flanken in Europa abzusichern. Man kann diese Nebenziele der Agrarpolitik keineswegs in Bausch und Bogen verdammen. Innerer Friede, ausgeglichene Zahlungsbilanzen und stabile Regierungen sind für die NATO sehr wichtig. Die Frage ist aber - das ist eine Frage an die Außenminister und Regierungschefs in der Gemeinschaft -, ob es richtig ist, zweifellos bedeutende, doch außerhalb der Agrarpolitik liegende Probleme mit Mitteln eben dieser Politik zu lösen. ({1}) Die Schwierigkeiten werden sicher nicht geringer, wenn die gerade von sechs auf neun Mitglieder angewachsene Gemeinschaft nun erneut Zuwachs erhalten soll. Ein Beispiel dafür, welche rein technischen Probleme sich dabei ergeben können: Ich habe mir einmal ausrechnen lassen, wie viele GrenzausgleichsDr. Schmidt ({2}) beträge die Brüsseler Kommission für jede einzelne der heute nur rund 400 landwirtschaftlichen Warentarifpositionen festlegen müßte, wenn die Gemeinschaft - was ja nicht auszuschließen ist - eines Tages aus zwölf Ländern mit unterschiedlichem Preisniveau bestünde. Ich sagte: ausrechnen lassen; denn es handelt sich um ein Problem der höheren Mathematik, ({3}) wie die mir an die Hand gegebene Gleichung x = n ({4}) zeigt, in der n für eine beliebige Zahl von Mitgliedstaaten steht. In einer solchen Zwölfergemeinschaft wären es 132 Ausgleichsbeträge für jede der heute dem Grenzausgleich unterliegenden Tarifpositionen. Das ist viel, viel mehr, als derzeit das Amtsblatt füllt. Es wären über 50 000 Rechenoperationen erforderlich, die Europas Computergehirne womöglich jede Woche zur Aufrechterhaltung dieses Agrarsystems anstellen müßten. Das Ganze würde in acht oder neun Amtsbüchern, weil wir verschiedene Sprachen haben, gedruckt; denn von Amtsblättern könnte da wohl keine Rede mehr sein. Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung zu den jüngsten währungspolitischen Ereignissen machen. Das Ausscheren Frankreichs aus der europäischen Währungsschlange, dessen Vorspiel, der Hauptakt und das mögliche Nachspiel tragen zumindest aus agrarpolitischer Sicht - ich unterstreiche das - Züge einer grotesken Tragikomödie. Komödie deshalb, weil ahnungslose EG-Agrarminister wenige Tage vor der effektiven Franc-Abwertung die von Frankreichs Landwirtschaftsminister zum Politikum erhobene Aufwertung des Grünen Franc beschlossen hatten. Tragödie, weil die Geschäftsgrundlage für gemeinsame Agrarpreise, nämlich feste Wechselkurse innerhalb der EG, nicht einmal mehr den Hauch einer Realität besitzt. Und grotesk deshalb, weil der Ministerrat mir nichts, dir nichts auf eine integrationspolitisch konforme Lösung verzichtet hat, die in einer von der Bundesregierung vorgeschlagenen Anpassung aller Leitkurse innerhalb der Schlange bestanden hätte. Meine Damen und Herren, im Ernst: Die europäische Integrationspolitik präsentiert sich ungleichgewichtiger denn je. Da müssen die europäischen Notenbanken einige Milliarden DM zur Stützung des französischen Franc aufbringen, und dann schert Frankreich aus der währungspolitischen Schlange aus. Da subventioniert die Bundesrepublik allein auf Grund einer historisch gewordenen Haushaltsrechnungseinheit die Gemeinschaft mit einer Milliarde DM jährlich, da werden Hunderte von Millionen Rechnungseinheiten als Erzeugerbeihilfe für nie existierende Olivenölmengen gezahlt, da werden Milliarden DM an Subventionen für Butter-, Magermilchpulver- und Rindfleischexporte in Ostblockstaaten bewilligt - und Europa feiert das alles als integrationspolitische Notwendigkeit. Wer kann das noch verstehen? ({5}) Ich sage das nicht, weil es mir Spaß macht. Ich sage es nur, weil es notwendig ist, auf diese Probleme hinzuweisen. ({6}) Ich finde es verwerflich, wenn Sie, Kollege Ritz, landauf und landab - heute haben Sie das wiederholt - kritische Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung und insbesondere des Kanzlers zur Europafeindlichkeit ummünzen. ({7}) Das ist verwerflich. Sie stimmen doch wohl mit mir darin überein, daß Sie mit lauten Europabekenntnissen allein, so wie wir es gestern abend von dem Kollegen Amrehn gehört haben, die äußerst schwierigen und delikaten Probleme in der EG nicht lösen können. ({8}) Sie werfen der Regierung große Versäumnisse vor. Aber der Unterschied zwischen uns ist folgender: Sie reden, die Regierung und wir müssen handeln, und das ist eben insoweit nicht zu überbrükken. ({9}) Mit wie vielerlei Maß, Kollege, rechnen Sie eigentlich? Erinnern Sie sich an Ihre eigenen Kollegen im Europaparlament? Da hat ein sehr bekannter Kollege, Herr Dr. Edgar Jahn, auch von einer völligen Neuordnung der gemeinsamen Agrarpolitik gesprochen. ({10}) Wenn wir das sagen, ist es eine Schande; wenn er es sagt, ist es erträglich. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eigen?

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön!

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, sind Sie der Meinung, daß die Aussage von Bundeskanzler Schmidt, Europa kranke daran, daß immer nur zweitrangige Politiker dort tätig seien, sehr europafreundlich und -fördernd ist? ({0})

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Erstens bin ich nicht davon überzeugt, daß eine derartige Äußerung wirklich stimmt. ({0}) Dr. Schmidt ({1}) - Hören Sie mal, der Bundeskanzler ({2}) ist meines Wissens - und das wird in Europa anerkannt - in seinen Bemerkungen so abgewogen, daß eine derartige Äußerung - ({3}) - Sie können reden, ich weiß. Sie konzentrieren Ihre Angriffe auf den Bundeskanzler. Nun, das können Sie tun; aber wir werden dagegenhalten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh?

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich will in diesem Zusammenhang nicht von Erst- oder Zweitrangigkeit reden. Viele, Herr Apel, Sie und noch einige andere, waren schon in europäischen Gremien tätig. Ich möchte nur klarstellen, wie das mit Herrn Jahn war. Ihnen ist doch sicherlich bekannt, daß Herr Jahn lediglich eine Anfrage an die Kommission gerichtet hat, ({0}) wie die Kommission das Ergebnis der Arbeit einer Forschungsgemeinschaft über die europäische Agrarpolitik beurteile. Er hat kein Urteil über die europäische Agrarpolitik abgegeben. ({1})

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hören Sie, ich habe mir gestern nachmittag diese Anfrage kommen lassen. Darin kommt eine Meinung zum Ausdruck, die dahin geht: erstens, die EG-Ausgaben sind viel zu hoch, sie müssen reduziert werden, und zweitens, wir müssen ein völlig neues Agrarsystem in der EG einführen. Das kommt in der Frage indirekt zum Vorschein. Das können Sie nicht leugnen. ({0}) - Er hat es sehr geschickt verpackt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch eine klärende Frage. Herr Kollege Schmidt, es geht doch hier wirklich darum -

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, Frage! Es dauert bloß alles sehr viel länger, wenn jetzt dauernd Zwischenfragen gestellt werden.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es nicht so, Herr Kollege Schmidt, daß Herr Jahn lediglich das Ergebnis der Arbeit einer Forschungsgesellschaft zum Gegenstand seiner Frage gemacht hat? Das ist nicht unwichtig. ({0})

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Natürlich, Kollege Früh, war es so, Aber in der Fragestellung kam doch diese seine Meinung zum Ausdruck. Das machen wir auch hier im Bundestag so. Ich könnte noch manch ein Wort über innerchristdemokratische Disparitäten verlieren. Aber lassen wir das um des lieben Friedens willen. Lassen Sie mich am Ende meines Beitrags zum Agrarbericht 1976 Bundesminister Ertl und seinen Mitarbeitern für die pünktliche Erfüllung des gesetzlichen Auftrages herzlich danken. ({0}) Danken möchte ich Bundesminister Ertl noch einmal für seine abgewogene Einbringungsrede, aber danken auch allen denen, die draußen ihren Beitrag mit Fleiß und Geduld für die Ernährung unserer Mitburger geleistet haben. ({1}) Meine Damen und Herren, das war die letzte Agrardebatte in dieser Legislaturperiode. Lassen Sie mich angesichts des kommenden Wahlkampfes mit einem Zitat schließen. Es heißt: Die politischen Parteien dürfen ihre Versprechungen nicht zu weit über das real Mögliche hinaus steigern, wenn sie an längerfristiger Unterstützung durch die Landwirtschaft interessiert sind. Enttäuschte Erwartungen sind in der abschreckenden Wirkung größer, als unerfüllbare Versprechungen wirtschaftlich aufgeklärte und politisch urteilsfähige Bauern anzuziehen vermögen. So zu den Parteien gesprochen, ihnen ins Gewissen geredet von Professor Dr. Heidhues am 13. Februar dieses Jahres in Oldenburg anläßlich des Bauernkongresses der CDU. ({2}) Wir hoffen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie die Epistel von Professor Dr, Heidhues beherzigen. Wir haben es immer schon so gehalten. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Am heutigen Josefstag dürfen wir unserem Bundeslandwirtschaftsminister doppelt gratulieren, erstens zu seinem Namenstag, ({0}) zweitens zum Grünen Bericht 1976 ({1}) und zu der Vorschau auf das laufende Wirtschaftsjahr. ({2}) Ich darf gleich zu Beginn meiner Ausführungen klarstellen, daß sich Herr Kollege Ritz offenbar nicht ganz darüber im klaren ist, wie die Zuständigkeiten in der Regierung der sozialliberalen Koalition sind. Herr Kollege Ritz, für uns ist ganz klar, die Verantwortung für die Agrarpolitik liegt im Rahmen des Kabinetts bei Bundeslandwirtschaftsminister Ertl. Uns ist es noch nicht passiert, wie es in früheren CDU-Regierungen geschehen ist, als Bundeswirtschaftsminister Schmücker zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Erhard die Preise in der EG gesenkt hat, ohne Rücksprache mit dem Landwirtschaftsminister zu nehmen. ({3}) - Das mag Ihnen nicht gefallen, aber das zeigt den Wandel im Stil der Agrarpolitik, die seit sechs Jahren in diesem Kabinett betrieben wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Gallus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh?

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gallus, wie können Sie Ihre Aussage, wer für diese Agrarpolitik allein in diesem Kabinett zuständig ist, noch aufrechterhalten, wenn z. B. im Finanzausschuß des Europäischen Parlaments ein Antrag auf Kürzung um 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten, nicht D-Mark, im Agrarbereich gestellt wird und man bei einem Anruf im Bundesernährungsministerium nicht klären kann, woher dieser Antrag kommt? ({0})

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Früh, eben deshalb, weil Sie hier Ihre Halbwahrheit nicht aufklären können, nehme ich dazu nicht Stellung. ({0}) - Natürlich, ich kann doch nicht antworten, wenn hier Halbwahrheiten in den Raum gestellt werden, von denen niemand weiß, ob sie wirklich den Tatsachen entsprechen. ({1}) Wenn Herr Dr. Ritz in dieser Debatte versucht hat, Keile zwischen den Bundeslandwirtschaftsminister, die FDP und den Bundeskanzler zu treiben, so kann ich nur sagen, er hat in der letzten Woche versäumt, den „Münchner Merkur" nachzulesen. Das ist sicher eine Zeitung, die der CDU/CSU nähersteht als der sozialliberalen Koalition. Darin wird die wirtschaftspolitische Bedeutung dieser Regierung und des Bundeskanzlers deutlich. Ich darf zitieren: Besonders effektiv war der persönliche Kontakt der Regierungschefs, durch den die zeitweise sehr akute Gefahr des Handelsprotektionismus gebannt wurde. Nicht die unbedeutendsten Initiativen sind dabei von Bonn ausgegangen. ({2}) Ich empfehle Ihnen, dies im „Münchner Merkur" vom letzten Donnerstag zur Wirtschaftsdebatte unter der Überschrift „Die Rezession ist tot" nachzulesen. ({3}) Ich wollte das nach dem wirtschaftspolitischen Ausflug des Herrn Ritz eingangs doch einmal erwähnt haben. Mit dem Agrarbericht 1976 haben wir ein weiteres Mal ein fundiertes Dokument über den Stand und die Perspektiven der Agrar- und Ernährungspolitik in unserem Land in die Hand bekommen. Auch ich möchte namens meiner Fraktion den Mitarbeitern des Bundeslandwirtschaftsministeriums für die hier geleistete Arbeit recht herzlich danken. Sie zeugt von einem hohen Leistungsstand. Mein besonderer Dank gilt den mehr als 9 000 Landwirten, die die für den Agrarbericht notwendigen Aufzeichnungen angefertigt und zur Verfügung gestellt haben. Herr Bundesminister Ertl hat in seinen umfassenden Ausführungen das schon im Agrarbericht gezeichnete positive Bild zu einer überzeugenden Bilanz sozialliberaler Agrarpolitik ergänzt. In einer solchen Situation, Herr Kollege Ritz - das gebe ich zu -, hat es eine parlamentarische Opposition schwer und verlegt sie ihre Angriffe mehr auf Nebenkriegsschauplätze als auf die wichtigsten Probleme, um die es in der Landwirtschaft geht, weil sie hier eben keine Alternativen zu bieten hat. Ich habe dafür Verständnis. Aber dennoch sollten wir ein „A" ein „A" sein lassen ({4}) und einen guten Agrarbericht auch gut nennen. Aber in diesem Jahr zeigt sich wieder, daß ein guter Agrarbericht für die Opposition ein schlechter ist. ({5}) Die Sache hat Methode. In diesem Jahr, meine Damen und Herren von der Opposition, zweifeln Sie die Vorschätzungen an. Im nächsten Jahr, wenn dann die endgültigen Ergebnisse vorliegen und die gute Einkommensentwicklung in dem jetzt laufenden Wirtschaftsjahr voll bestätigt wird, werden Sie wieder sagen: „Der Bericht hat historischen Wert." Sein Ergebnis liegt schon achteinhalb Monate hinter uns. Das alles haben wir ja schon einmal erlebt. Ich erinnere an die Ausführungen, die Sie, Herr Kollege Ritz, vor zwei Jahren vor diesem Hohen Hause zum Agrarbericht 1974 gemacht haben. Aber dieses Herummogeln um gute Ergebnisse lassen wir nicht zu. Auf der anderen Seite versucht die Opposition, hier den Eindruck zu erwecken, die Regierung sei für die günstige Ertragslage nicht verantwortlich. Meine Damen und Herren, Verantwortung ist nicht teilbar. Entweder wir tragen die Verantwortung, oder wir tragen sie nicht. Ich sage Ihnen: Wir tragen die Verantwortung. Wir lassen uns diese nicht absprechen - weder in guten noch in schlechten Jahren. Sie haben, Herr Kollege Ritz, hinsichtlich des nächsten Grünen Berichts den Wunsch geäußert, daß auch die Vergleiche mit den übrigen EWG-Staaten einmal in den Grünen Bericht aufgenommen werden sollten. Das ist eine sehr löbliche Forderung, die Sie hier in den Raum stellen. Nur, ich bin der festen Überzeugung, daß Ihnen, so wie Sie sich in den sechs vergangenen Jahren dem Grünen Bericht gegenüber verhalten haben, die Augen aufgehen werden. Ich sage Ihnen: Sie werden schneller, als es Ihnen lieb sein wird, wieder die Forderung erheben, solche Vergleiche nicht aufzunehmen. Denn wir können im Verhältnis zur EWG-Agrarpolitik mit dem, was hier geleistet worden ist, sehr gut bestehen. ({6}) Was Ihre Anmerkung angeht, die Landfrauen ({7}) seien nicht genügend berücksichtigt worden, so besteht da zwischen uns, Herr Kollege Dr. Ritz, ein Unterschied, nämlich der, daß ich praktischer Landwirt bin, daß meine Frau im landwirtschaftlichen Betrieb tätig ist und ich darüber berichten und für viele bäuerliche Betriebe hier sprechen kann. ({8}) Die Landwirtschaft braucht eben die Frauen, damit die Betriebe ordentlich wirtschaften können. Nur, vergessen Sie das eine nicht: daß wir auch einen Großteil berufstätiger Frauen in allen Bereichen haben, bei denen die Verhältnisse nicht so günstig sind, wie man das gerne haben möchte. ({9}) Es gibt im differenzierten Bereich der Landwirtschaft - lassen Sie mich das auch einmal sagen - die Situation, daß der Großteil der Landwirte ihre Frauen im Kuhstall brauchen, aber es gibt auch noch welche, die, Sie zu den Festspielen nach Bayreuth schicken können. ({10})

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gallus, ich weiß gar nicht, was Sie gegen Festspiele in Bayreuth haben. Ich habe eine Frage.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Gallus, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Frage bezieht sich weder auf die Festspiele noch auf die Arbeit der Bäuerin, sondern auf meine Anregung, Vergleiche mit anderen europäischen Ländern anzustellen. Sind Sie nicht der Meinung, daß dazu auch ein Vergleich in den anderen Ländern zwischen der Lage der Landwirtschaft und der Lage der übrigen in der Landwirtschaft Tätigen gehört? Genau hier liegt ja eines der Probleme, daß wir immer nur landwirtschaftliche Probleme miteinander vergleichen, aber nicht die gesamtwirtschaftliche Lage berücksichtigen.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Ritz, ich bin mit Ihnen einig: Dieser Vergleich kann gar nicht schaden. Nur sage ich Ihnen voraus, daß Sie ihn später, wenn er da ist, vielleicht wieder wegwünschen werden. ({0}) Diese Aussage erhalte ich aufrecht. Noch ein Wort zu den Vorschätzungen. Sicherlich sind Vorschätzungen mit Unsicherheiten behaftet. Das liegt in der Natur der Sache. Dennoch muß hier mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß die für das Wirtschaftsjahr 1975/76 vorgelegten Vorschätzungen mit größter Vorsicht erstellt worden sind. Sie können nicht in Frage gestellt werden, nur weil sie politisch unbequem sind. Ich will dies mit einigen Zahlen untermauern. 1974/75 blieben die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise praktisch unverändert, und die Betriebsmittel verteuerten sich um 6,2 %. Im Durchschnitt der ersten sieben Monate des neuen Wirtschaftsjahres 1975/76 verbesserten sich dagegen die Erzeugerpreise gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um rund 17 %, ({1}) während sich die Verteuerung der Betriebsmittel mit durchschnittlich 5,7 % in Grenzen hielt. Diese sehr günstige Preis-Kosten-Entwicklung für die Landwirtschaft führt natürlich zu einer entsprechenden Einkommensverbesserung, die sehr erheblich über die Steigerungsrate von 6,2 % in 1974/75 liegen muß, also im jetzt zu behandelnden Wirtschaftsjahr. Durch das gute Einkommensergebnis, das im jetzt laufenden Wirtschaftsjahr zu erwarten ist, werden die unterdurchschnittlichen Ergebnisse der letzten beiden Wirtschaftsjahre ausgeglichen. Insgesamt ergibt sich unter Einschluß dieser Vorschätzung seit 1968/69 ein durchschnittlicher Einkommensanstieg um jährlich 11 %. Dies ist ein gutes Ergebnis; das der Landwirtschaft - wie in der Regierungserklärung gefordert - die Teilnahme an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung ermöglicht hat. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, daß es innerhalb der Landwirtschaft - wie in anderen Bereichen - erhebliche Einkommensunterschiede gibt. Bei dem jetzt zur Diskussion stehenden Grünen Bericht des Wirtschaftsjahres 1974/75 wird zum erstenmal ein großes Einkommensgefälle zwischen Nord- und Süddeutschland deutlich. Einkommensverbesserungen zwischen Schleswig-Holstein mit 20 % Gewinn und Baden-Württemberg mit plus/ minus Null dürfen in den agrarstrukturpolitischen Überlegungen des Bundes nicht unberücksichtigt bleiben. Aus Sorge um eine gleichmäßige Entwicklung des landwirtschaftlichen Einkommens in den einzelnen Bundesländern habe ich im Ernährungsausschuß den Antrag eingebracht, der, wie bekannt, folgendermaßen lautet - ich darf zitieren -: Angesichts der unterschiedlichen agrarstrukturellen Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern gibt der Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages die Empfehlung an die Bundesregierung, im Planungsausschuß dafür Sorge zu tragen, daß die Mittel zur Verbesserung der Agrarstrukturpolitik den unterschiedlichen Strukturverhältnisse einzelner Gebiete entsprechend vergeben werden. Darüber, meine sehr verehrten Kollegen vom Ernährungsausschuß, wurde in unserem Ausschuß hart diskutiert. Der Antrag ist danach mit großer Mehrheit gegen einige Stimmen aus den Reihen der CDU/ CSU angenommen worden. Anschließend aber haben die gleichen Kollegen der Opposition, die dem Antrag zugestimmt haben, mir Doppelzüngigkeit wegen der Haushaltsentscheidungen in der landwirtschaftlichen Presse vorgeworfen. ({2}) Für diese Kollegen, die sich so verhalten - das sage ich hier von diesem Platz im Deutschen Bundestag aus in aller Deutlichkeit -, wäre es ehrlicher gewesen, wenn sie im Ausschuß gegen meinen Antrag gestimmt hätten. ({3}) Aber dazu haben Sie keinen Mut gehabt. Aus den vorgenannten Gründen und auch wegen der markt- und erntebedingten Preisschwankungen kann die Regierung auch in einem guten Jahr nicht davon ausgehen, daß alle Einkommensprobleme für alle Zeiten gelöst sind. Die Bundesregierung hat entsprechend gehandelt und sich in Brüssel für eine angemessene Erhöhung der Agrarpreise eingesetzt. Sie hat erreicht, daß der Grenzausgleich in der Bundesrepublik nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, um 3,5 %, sondern nur um 2,5 % vermindert wird. ({4}) Das bedeutet, daß die Agrarpreise in der Bundesrepublik im kommenden Wirtschaftsjahr stärker ansteigen werden, als ursprünglich von der Kommission vorgesehen. ({5}) Wenn die Opposition mit diesem Erfolg von Bundesminister Ertl immer noch nicht zufrieden ist, muß sie sich den Vorwurf gefallen lassen, sie verlange weit mehr, als einer verantwortungsbewußten Politik zuträglich ist. ({6}) Die jüngsten Brüsseler Preisbeschlüsse stellen meines Erachtens die beste Lösung dar, die angesichts der zahlreichen Sachzwänge in dieser äußerst schwierigen Materie gefunden werden konnte. Die Beibehaltung des derzeitigen Grenzausgleichs von 10 % zu fordern, ist schlechthin unseriös, unfair gegenüber unseren Partnerländern und durch nichts zu begründen. Das außerordentlich wichtige Instrument des Grenzausgleichs ist geschaffen worden, um plötzliche Einkommenseinbußen für die deutsche Landwirtschaft durch die D-Mark-Aufwertungen zu vermeiden. Diese D-Mark-Aufwertungen wurden durch die effiziente Stabilitätpolitik der Bundesregierung notwendig. Im selben Maße jedoch, in dem sich diese Politik in niedrigeren Steigerungsraten der landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreise gegenüber denen der Partnerländer niederschlägt, steht eine Verringerung des Grenzausgleichs im Rahmen der jährlichen Preisbeschlüsse zur Diskussion. Seit 1970 sind die Betriebsmittelpreise in der Bundesrepublik um 40 %, in Frankreich und Dänemark um 70 % und in Italien und England um 90 % gestiegen. Herr Kollege Ritz, an diesem Punkt hätten wir in Ihren Ausführungen zur Stabilität und zur Inflation etwas mehr Objektivität erwartet. Wenn Sie sich die kürzlich veröffentlichten Zahlen zu Gemüte geführt hätten, hätten Sie feststellen können, daß die Preissteigerungsrate bei uns 5,4 %, in England 24,9 %, in Frankreich 9,6 % und in Italien 11,2 % beträgt. ({7}) Aber nicht nur das! Auch in dieser Debatte sollte man, glaube ich, das, 'was in den Ländern um uns herum politisch und wirtschaftlich vor sich geht, nicht verschweigen und nicht so tun, als ob man sich hier wirtschaftspolitisch im siebenten Himmel befände. ({8}) Wenn Sie einen Blick in die Zeitungen von heute morgen werfen, werden Sie feststellen, daß dort die große Sorge zum Ausdruck gebracht wird, daß Ihre Schwesterpartei „Democrazia Cristiana" in Italien demnächst in eine schwarze Volksfrontregierung eintritt, um die Probleme dort zu bewältigen. So stellen sich die Dinge dar. ({9}) : Das ist doch ein alter

Karl Bewerunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hier muß ich wie Herr Wehner sagen: Was hat das mit Agrarpolitik zu tun?) - Das müssen Sie, Herr Früh, sich auch als Europäer einmal sagen lassen. ({0}) - Ich weiß schon, wie die Dinge liegen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft wird also durch die Verringerung des Grenzausgleichs keinesfalls beeinträchtigt. ({1}) Darüber hinaus ist entscheidend, daß das Instrumentarium des Grenzausgleichs nach wie vor unverändert fortbesteht und daß bei Wechselkursänderungen eines Mitgliedsstaates wie bisher entsprechende Grenzausgleichsbeträge festgesetzt werden. Dies gilt, ja im Augenblick auch wieder in unserem Verhältnis zum französischen Franc. Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zum Milchmarkt anschließen. Meines Erachtens ist die Anhebung des Erzeugerrichtpreises für die Bundesrepublik von insgesamt 4,6 0/o eine gute Lösung, was natürlich nicht heißt, daß die Erzeugerpreise so stark steigen. Eine stärkere Anhebung hieße die Schere zwischen Erzeugung und Verbrauch, also dem Markt, weiter zu öffnen und den Mittelaufwand für den Milchmarkt, der 1976 die Grenze von 7 Milliarden DM überschreitet, weiter anwachsen zu lassen. Zugleich ist durch die Preisanhebung eine durchaus zufriedenstellende Einkommensentwicklung in den Futterbaubetrieben zu erwarten. Die meisten Landwirte haben den Ernst der Situation auf dem Milchmarkt erkannt. In Gesprächen draußen im Lande stößt man immer wieder auf die Bereitschaft der Milcherzeuger, sich an den Kosten der Überschußbeseitigung zu beteiligen, um einen Kollaps der Milchmarktordnung zu verhindern. Denn die Landwirte sehen sehr genau, daß die Erhaltung der, Funktionsfähigkeit der Milchmarktordnung für sie von größter Bedeutung ist. Die jetzt getroffenen Maßnahmen erscheinen zumindest so lange sinnvoll, wie eine Mengenregulierung des Milchangebots nicht möglich ist. Für ein solches Konzept sehe ich kurzfristig keine Realisierungschance, da hierzu ein einheitliches Vorgehen in allen Mitgliedstaaten erforderlich ist, wiewohl ich mittelfristig das Konzept des Deutschen Bauernverbandes aus strukturpolitischen Gründen der Milchwirtschaft in Europa für sinnvoll halte. Inzwischen - und das ist ein wichtiger Fortschritt - sind auch die Mitgliedstaaten, die sich bisher gegen eine Verringerung der Produktionskapazitäten ausgesprochen haben, von ihrer Notwendigkeit überzeugt. Das ist, meine Damen und meine Herren, nicht zuletzt ein wesentlicher Erfolg der Überlegungen und Diskussionen im Rahmen der von der Bundesregierung angeregten Bestandsaufnahme der gemeinsamen Agrarpolitik. Das von der sozialliberalen Koalition geschaffene strukturpolitische Instrumentarium hält Maßnahmen für alle sozialökonomischen Betriebstypen bereit und trägt damit den strukturpolitischen Leitlinien und dem strukturpolitischen Leitbild Rechnung, demzufolge ein Nebeneinander von Haupt-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben angestrebt wird. Es ist ein Verdienst der Koalition, auch die Nebenerwerbslandwirte in die staatliche Förderung einbezogen zu haben. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß 'wir einer uriselektiven Förderung das Wort reden. Das Prinzip der selektiven Förderung bezieht sich ja nicht auf sozialökonomische Betriebstypen, sondern auf die in jedem dieser Betriebstypen anzuwendenden Maßnahmen. Die Förderungsschwelle bedeutet in diesem Zusammenhang ja nichts anderes, als daß für Haupterwerbsbetriebe geeignete Maßnahmen auch auf diese beschränkt bleiben. Das ewige Gerede der Opposition von der unliberalen und unsozialen Förderungsschwelle ist daher grundlos. ({2}) Ich kann das nur so deuten, daß Sie, meine Damen und Herren von den Unionsparteien, zur Gießkannenförderung zurückkehren wollen und damit den strukturpolitischen Erkenntnisstand nicht überwunden haben, der in den Zeiten aktuell war, als Sie die Regierungsverantwortung getragen haben. Der Maßnahmenkatalog ist jetzt durch die Aufstiegshilfe ergänzt worden, die Bund und Länder gemeinsam erarbeitet und beschlossen haben, aber nicht, wie Sie, Herr Kollege Ritz, gerne glauben machen möchten, ein Kind der Union ist. Das Prinzip der Selektivität ist durch die Aufstiegshilfe keinesfalls widerlegt. Den Betrieben, die zur Zeit die Schwelle noch nicht erreichen, wird durch sie erst ermöglicht, das Selektionskriterium der Förderungsschwelle nach mehrfachen Investitionsschritten zu überspringen. Die Aufstiegshilfe kommt damit insbesondere den süddeutschen Strukturproblemen entgegen. Durch ein lückenloses Netz der sozialen Sicherung werden die mit jedem Strukturwandel verbundenen sozialen Härten wesentlich gemildert. Der Aufbau des sozialen Sicherungssystems für die Landwirtschaft ist die ganz große agrarpolitische Leistung dieser Regierungskoalition.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bewerunge? - Bitte.

Karl Bewerunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Gallus, empfinden Sie nicht selbst Ihre Widersprüchlichkeit, wenn Sie auf der einen Seite die Förderungsschwelle verteidigen, dabei den kleinstrukturierten Landwirten in Baden-Württemberg keine Chance der Förderung geben, ({0}) dann wieder sagen, die Mittel flössen zu gering von Nord nach Süd, und endlich erkannt haben, daß wir mit der Aufstiegshilfe gerade Ihren Betrieben helfen wollen? ({1})

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bewerunge, Sie wissen genauso wie ich, daß ich mich bei der Anhörung zur Frage der Förderungsschwelle im Ernährungsausschuß, die ich selber beantragt habe, ganz entschieden für die Aufstiegshilfe eingesetzt habe. Die Aufstiegshilfe hebt natürlich die Förderungsschwelle nicht auf, sondern sie macht sie nur erreichbarer. Das ist der Tatbestand. ({0}) Als wir 1969 die Regierungsverantwortung übernahmen, gab es lediglich die Altersversicherung für Landwirte. Inzwischen ist sie durch die Dynamisierung den Erfordernissen der jüngsten Zeit angepaßt. Ferner wurde die Krankenkasse für Landwirte eingerichtet und die Beitragsfreiheit für Altenteiler durch Bundeszuschüsse ermöglicht. Die Landabgaberente wird ebenfalls dynamisch angehoben. Im Januar 1975 ist noch eine Waisengeldregelung in Kraft getreten. Die soziale Sicherung ist gerade für die kleinstrukturierten Gebiete Süddeutschlands von großer Bedeutung. Je kleiner die Betriebe sind, desto schwerer ist es für sie, die zu einem sorglosen Lebensabend notwendigen Altenteilleistungen aufzubringen, desto notwendiger und auch hilfreicher ist eine staatlich abgesicherte Altersversorgung. Mit einem Wort: Die Agrarsozialpolitik der sozialliberalen Koalition hat sich segensreich für die deutsche Landwirtschaft ausgewirkt. ({1}) - Das sage ich natürlich auch als Vizepräsident. Die insgesamt außerordentlich positive Bilanz sozialliberaler Agrarpolitik, angefangen bei der Einkommensentwicklung bis hin zur sozialen Sicherung, erschwert zwangsläufig das Aufzeigen von Alternativen. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, machen es sich meines Erachtens zu einfach, wenn Ihre Alternativen einzig darin bestehen, Abstriche zu fordern, wenn die Landwirtschaft von Sparbeschlüssen betroffen ist, und nach Zusatzleistungen zu rufen, wenn es um Beihilfen oder Agrarpreise geht. Ich bezweifle, daß Sie diese Forderungen realisieren könnten bzw. realisieren würden, wenn Sie die Regierungsverantwortung hätten. Wir haben mit Ihren Landwirtschaftsministern genügend Erfahrungen gemacht. Darüber, wie gefährlich übertriebene Versprechungen in einem Wahljahr wirken können - ich habe mir dasselbe Zitat von Herrn Professor Heidhues vorgemerkt, das auch schon Herr Kollege Dr. Schmidt ({2}) brachte -, hat Professor Heidhues Sie auf Ihrem Bauernkongreß in Oldenburg informiert. Den Schlußsatz möchte ich, da Herr Dr. Schmidt ({3}) ihn nicht wörtlich vorgetragen hat, Ihnen doch noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen. Herr Professor Heidhues hat gerade bei diesem Oldenburger CDU-Bauernkongreß an Sie das Wort gerichtet: ({4}) Enttäuschte Erwartungen sind in der abschrekkenden Wirkung größer, als unerfüllbare Versprechungen wirtschaftlich aufgeklärte und politisch urteilsfähige Bauern anzuziehen vermögen. Wir verlassen uns auf die hier angesprochene Schicht in der Landwirtschaft, nämlich auf die aufgeklärten und politisch urteilsfähigen Bauern. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiechle.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gallus, dadurch, daß Sie jedes Jahr dieselben Aussagen wiederkauen, werden diese nicht genießbarer. Aber daß Sie zusätzlich noch ein paar sachlich falsche Aussagen hier machen, finde ich betrüblich; denn man könnte Ihnen unterstellen, daß Sie es besser wissen. ({0}) Wenn Sie hier verkünden, daß die Milcherzeugerpreise um 4,6 % angehoben worden seien, ist das nicht richtig. Laut Aussage Ihres eigenen Ministers wurden sie um 2 % angehoben. Sie sollten jedenfalls Marktordnungs- und Erzeugerpreise nicht miteinander verwechseln. Was Ihre Bemerkung wegen Bayreuth anlangt: Das ist ein wunderschöner Ort, da wird Kultur gemacht. Daß Sie dagegen sind, kann ich überhaupt nicht verstehen. Das muß ich allerdings zur Kenntnis nehmen. Ich habe gar nichts dagegen, daß auch einmal eine Landfrau nach Bayreuth darf. ({1}) Wollen Sie das auch noch verbieten? Entschuldigen Sie, das war doch sicherlich deplaciert; das möchte ich Ihnen hier einmal sagen. ({2}) Sie sagten wörtlich „Wir lassen uns die Verantwortung nicht wegnehmen, weder in guten noch in schlechten Jahren!". Ja, täten Sie es nur! In schlechten Jahren haben Sie nämlich alle Ausreden, von Amerika über die EG und die Opposition bis zu allem, was Sie finden können. In guten Jahren waren Sie es natürlich allein. Bloß können Sie hier niemandem erzählen, daß aus dem Schweinezyklus jetzt auch noch ein Ertl-Zyklus wird. ({3}) Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Dr. Schmidt. Ich teile weitgehend das, was Sie in Ihrem Referat gesagt haben. Da Sie aber einen 15 Jahre alten Ausspruch des bayerischen Ministerpräsidenten Goppel, nach Möglichkeit Jahr für Jahr und auch jetzt wieder und noch dazu falsch zitieren, muß ich das hier zurechtrücken. Ich stehe zu diesem Ausspruch. Er ist das Bekenntnis eines freiheitlich denkenden Ministerpräsidenten: „Jeder kann, wenn er will." Das Gegenteil dazu wäre nämlich: „Wer Bauer bleiben kann, bestimmen wir." Dagegen sind wir ganz und gar. ({4}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Agrarbericht 1976, sorgfältig erstellt und eine Fülle von Daten und Zahlen enthaltend, ist vorläufig der letzte Agrarbericht, den ein Minister der sozialliberalen Koalition dem Parlament vorlegt. Am Ende der 7. Legislaturperiode ist er also auch Teil eines Rechenschaftsberichts dieser Bundesregierung. Damit muß bei einer Wertung der Agrarpolitik dieser Koalition ein Überblick über die gesamte Entwicklung der letzten Jahre erfolgen; denn bei einem Agrarbericht allein ist es wie beim Sprichwort: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Vorab eine Bemerkung zur öffentlichen Diskussion. Man kann es nicht oft genug sagen, Herr Bundesminister. Die Vorausschätzung zur Einkommensentwicklung der deutschen Landwirtschaft, die Sie in der Pressekonferenz, als Sie Ihren Bericht vorgestellt haben, in den Vordergrund geschoben haben, hat die Schlagzeilen gefüllt und auch die Schaubilder von Propagandaflugblättern Ihres Ministeriums letztlich beeinflußt. Prognosen sind an und für sich etwas Gutes. Ich hoffe sehr - ich sage das hier ausdrücklich -, daß diese Ertl-Prognose von 19 % Einkommenszuwachs für die deutsche Landwirtschaft auch in Erfüllung geht; denn nur dann hätte die deutsche Landwirtschaft einen prozentualen Einkommenszuwachs, der den übrigen außerlandwirtschaftlichen Durchschnittseinkommen entspräche. Nur dann, wohlgemerkt! Aber Ihre Prognose ist eben doch weitgehend Vermutung und Schätzung Ihres Hauses. Ich finde, die Bundesregierung hat schon einigen Kummer mit Prognosen hinter sich und hätte also allen Grund zur Vorsicht. Jedenfalls ist ihre Prognose reichlich optimistisch; sie geht sehr wahrscheinlich auch nicht in Erfüllung. Ich bedauere, daß in der Offentlichkeit falsche Vorstellungen über das Wesen des Betriebsreineinkommens dadurch entstehen müssen. Sie, Herr Minister, hätten das konsumfähige Einkommen wenigstens danebenstellen sollen. Wir haben Sie schon 1974 darum gebeten, leider wieder ohne Erfolg. Daher fürchte ich, daß Ihre sogenannte Erfolgsmeldung zur psychologischen Schadensmeldung für die Betroffenen wird, soweit es die Wirkung in der allgemeinen Offentlichkeit hier und in der EG anbetrifft. ({5}) Ein Rückblick auf die agrarpolitische Entwicklung der letzten Jahre zeigt an ganz wenigen, aber wichtigen Ausgangspositionen, Daten und Stationen ein wechselvolles und zum Teil auch verworrenes Bild. Am Beginn der politischen Verantwortung dieser Regierung standen ja schließlich eine Reihe von Zu- und Aussagen zur Agrarpolitik, von denen hier nur einige genannt werden sollen: Die Landwirtschaft wird voll an der allgemeinen Einkommensentwicklung beteiligt. - So hieß es schlicht. Die europäische Agrarpolitik wird ausgebaut, durch eine Wirtschafts- und Währungsunion abgesichert und durch eine gemeinsame Strukturpolitik ergänzt. Der ländliche Raum ist zu entwickeln und als wichtige Komponente einer erfolgreichen Agrarpolitik zu betrachten. Die Beseitigung der Agrarüberschüsse bedeutet eine schwerwiegende agrarpolitische Prüfung - ich zitiere Sie, Herr Minister und ist eine schwere Hypothek für die Agrarpolitik. Schließlich heißt es: Den auf dem Land lebenden Menschen ist eine gleichwertige Entwicklungschance wie der städtischen Bevölkerung zu bieten. Heute, fast sieben Jahre nach diesen Ankündigungen, ist das Ergebnis fragwürdig, gemessen am Ausgangspunkt. Die landwirtschaftlichen Einkommen sind zwar gestiegen, sie waren aber hohen Schwankungen unterworfen. Es gab Jahre absoluten Rückgangs mit der Folge, daß die tatsächlichen Erlöse, in DM ausgedrückt, echte Verluste bedeuteten. Der Jahreseinnahmeausfall, entstanden z. B. durch ein gekürztes Gehalt, ist durch eine Erhöhung im nächsten Jahr nicht ohne weiteres wieder auszugleichen; es bleibt eben ein Verlust für das betreffende Jahr bestehen. Ihr jetziger Bericht weist eindeutig aus, daß sich die Disparität der landwirtschaftlichen Einkommen zu den außerlandwirtschaftlichen vergrößert hat. Sie, Herr Minister, verschweigen diese Tatsache. Das Verhältnis Erzeugerpreise : Betriebsmittelkosten ist ungünstiger, als es 1969 war. Das ist auch der Grund für die erheblich gesunkene Nettoinvestitionsleistung der Landwirtschaft. Es fand keineswegs eine so günstige Einkommensentwicklung bei den deutschen Landwirten statt, wie Ihre 19 % das suggerieren. Lassen Sie mich dazu auch einige Zahlen anführen. Ich zitiere aus Ihrem Bericht: „Seit 1970/71 wurden die Marktordnungspreise im Durchschnitt pro Jahr um 6 % angehoben." Das bedeutet eine Erzeugerpreisanhebung um bestenfalls 3 % pro Jahr, wenn ich großzügig rechne. Dann heißt es: „Die nominale Einkommenssteigerung" - nämlich einschließlich der 19 %igen Vorschätzung - „betrug im gleichen Zeitraum 11 %." Das heißt doch, ganz konkret ausgedrückt: 3 % waren echte Preiserhöhungen für die Bauern, 11 % waren Einkommenssteigerung. 8 % Einkommenszuwachs ist demnach eigene Leistung der Bauern. Darin stecken der Fleiß und das berufliche Können und die Erntemengen und die Marktleistung und die Qualitätsverbesserung und die Abwanderungsrate von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft - im gleichen Zeitraum übrigens 400 000 Arbeitskräfte, die heute weniger in das Produktionspotential hineingeteilt werden müssen. Darin stecken auch die Sonn- und Feiertagsarbeit, die Überstunden und schließlich der Kostenvorteil, der dadurch entstanden ist, daß die Bauern heute weit mehr als früher überbetriebliche Zusammenarbeit pflegen. ({6}) Wenn Sie das dazugesagt hätten, Herr Minister, dann wäre verständlicher gewesen, was Ihre Zahlen wirklich aussagen. Die außerlandwirtschaftlichen Zusatzeinkommen waren laut Bericht sogar rückläufig - selbstverständlich eine Folge der Rezession -, und nach dem Bericht 1976 haben 95 % der landwirtschaftlichen Betriebe das vom Landwirtschaftsgesetz angestrebte Einkommen nicht erreicht. ({7}) Das ist die nüchterne Wahrheit und enthüllt - das sage ich hier mit vollem Ernst -, wie demagogisch-unsachlich die Behauptung ist, für den Bauernverband - zum Teil war wohl auch die Opposition gemeint - sei nur ein Agrarbericht ein guter Agrarbericht. So kann man es nicht sagen und sollte man es auch nicht sagen. Als Fazit ist jedenfalls festzustellen: Ihre eigenen Aussagen über volle Beteiligung der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung haben sich nicht voll erfüllt. Ein Rückblick auf die Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik einschließlich einer angekündigten, beginnenden gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion ist wohl kaum sehr ermutigend. Als Sie Ihr Amt antraten, Herr Bundesminister, gab es noch verhältnismäßig einfache EG-Regelungen und relativ wenige, auf Ratsbeschlüsse zurückzuführende Wettbewerbsverzerrungen. Da ganze Brüsseler Geschehen war noch überschaubar, die Kosten waren relativ bescheiden. Was ist denn nun in den vergangenen Jahren daraus gemacht worden? An Kompliziertheit nicht mehr zu übertreffende Vorgänge, ein Wirrwarr an zum Teil sich widersprechenden und zuwiderlaufenden Regelungen in den Mitgliedsländern, steil ansteigende Kosten im Garantieteil und sich ständig mehrende Vertagungsbeschlüsse gegenüber vorhandenen Problemen. Ich behaupte nicht, Sie, Herr Minister Ertl, seien alleiniger Verursacher und Schuldiger per Absicht, aber Sie haben über sechs Jahre lang die Verantwortung mitgetragen. Alle Ministerratsbeschlüsse tragen Ihre Unterschrift; das Ergebnis ist also mit Ihr und Ihrer Bundesregierung Werk. Da gilt eben auch, daß man dazu stehen muß, Herr Gallus. In diesem Zusammenhang ist es nach meiner Auffassung unseriös und unaufrichtig, wenn Kanzler und manche Mitminister das eigene Werk dann dauernd kritisieren und damit den Eindruck erwecken, als seien Europas Bauern an dem desolaten Zustand der EG-Politik schuld. ({8}) - Das stimmt doch! Lesen Sie nach, was hier dazu gesagt wurde und wovon selbst in der Fragestunde bestätigt worden ist, daß es stimme, nur nicht so gemeint gewesen sei. Dann wissen Sie es ganz genau. Jedenfalls ist es eine unmögliche Verhaltensweise, erst auf der Gipfelkonferenz in Den Haag den Beitragsschlüssel zu erhöhen, dann einer gemeinsamen Strukturpolitik zuzustimmen, dann in Dublin materielle Sonderleistungen zugunsten neuer Mitglieder zu beschließen und anschließend alles, was man selbst beschlossen hat, zu kritisieren. ({9}) Ich nehme Sie persönlich, Herr Minister Ertl, ausdrücklich von diesem Vorwurf aus, aber Kanzler, Finanz- und Wirtschaftsminister sind mit Ihnen in einem Kabinett, und das bedeutet auch gemeinsame Verantwortung. ({10}) Was war das für ein Spektakulum, meine Damen und Herren, auf Veranlassung von Herrn Kanzler Schmidt, als ultimativ eine gesamteuropäische agrarpolitische Bestandsaufnahme gefordert wurde, und was war es für ein Ergebnis! Der Schlußsatz heißt: „Es gibt keine Alternative zur gemeinsamen Agrarpolitik." Ja, da kann man nur sagen, der Berg kreißte und hat ein Mäuslein geboren. Ihr Zielpunkt jedenfalls, Herr Minister, und damit auch der Ihrer Bundesregierung, die europäische Fortentwicklung, ist wahrhaftig nicht erreicht - im Gegenteil -, und eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion ist weiter entfernt denn je. Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lebensverhältnisse auf dem Lande könnte das einzelbetriebliche Förderungsprogramm sein. Es war leider von Anfang an falsch konzipiert. Die Großen sind förderfähig, die Kleineren sind ausgeschlossen. Unsere voll berechtigten Gegenvorstellungen haben zwar die Bundesregierung Stück für Stück zu Änderungen gezwungen - bis hin zum wichtigen Schritt der Aufbauhilfe -, aber leider fehlt jetzt das Geld, und damit ist das Ganze wieder wertlos, wie überhaupt eine negative Entwicklung zu Lasten der ländlichen Räume immer deutlicher sichtbar wird. ({11}) Ich mache z. B. darauf aufmerksam, daß eine von SPD und FDP in den Ausschüssen des Bundestages beschlossene Kürzung von 135 Millionen DM Bundesmitteln für die Agrarstrukturverbesserung in den ländlichen Räumen im Endeffekt mindestens 600 Millionen DM an Investitionen in einem Jahr zum Schaden der ländlichen Räume blockiert, ({12}) und was daran Phantasie sein soll, Herr Löffler, ist mir völlig schleierhaft. Die durch die Kürzung der Bundes- und Landesmittel blockierten privaten Investitionen ergeben diese Summe - Sie können es selber nachrechnen -, ganz zu schweigen natürlich auch von der drohenden Reduzierung der Verkehrsbedienung der ländlichen Räume. Am Beginn Ihrer Ministertätigkeit kritisierten Sie, Herr Bundesminister, sehr deutlich vorhandene Überschüsse. Damals sprachen Sie von einer hinterlassenen Hypothek und von der sprichwörtlichen dicken Suppe, die Sie auslöffeln müßten. Was hinterlassen Sie jetzt und heute? Wessen Hypothek ist es eigentlich nun? Ihre Vorstellungen gehen dahin, die Einkommen der Landwirte zu kürzen und mit den geplanten Abzügen. die Finanzierung der Versäumnisse des Ministerrats vorzunehmen. ({13}) Das wollen Sie im Herbst unter dem Stichwort „Erzeugerbeteiligung" beschließen lassen. Dabei scheint mir die beschlossene Regelung z. B. zur Beimischung von Magermilch zu den Futtermitteln noch erhebliche Mängel zu haben. Übrigens bringen die neuen Beschlüsse - das nur als Nebenbemerkung - eine automatische Reduzierung der Beihilfe um eine Rechnungseinheit je Doppelzentner Magermilchpulver, und dies ist genau wieder ein neuer Schritt in die falsche Richtung. Vielleicht kann man das noch reparieren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kiechle, können Sie hier ein Beispiel für die Fragwürdigkeit der bebeschlosssenen Regelung aufzeigen? ({0})

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich nenne Ihnen ein Beispiel. Es gibt jetzt z. B. den Beschluß, daß nach einer Mindestmengenregelung in die Milchaustauscher soundso viel Magermilchpulver eingemischt werden muß. Den Beschluß an sich kritisiere ich nicht. Nur wird er sich in der Praxis folgendermaßen auswirken. Es wird wahrscheinlich künftig einen Austauscher mit einem hohen, nämlich dem geforderten Anteil an Magermilchpulver geben, und es wird ein Kälbernährmehl geben, das dort beimischfähig ist. Und dann werden im Stall der Produzenten zwei Säcke stehen mit der Anweisung, zwei Becher von hier und einen von dort zusammenzumischen, und im Endeffekt sind wieder 45 bis 50 % Magermilchpulver enthalten. Damit ist eben, finde ich, wenn man schon 100 000 bis 200 000 Tonnen mehr über die Verfütterung anzubringen anstrebt - was ich bejahe -, der vorgeschlagene und beschlossene Weg praktisch nicht gangbar. Man hätte, Herr Bundesminister, wahrscheinlich besser daran getan - und das sei gleich als eine Alternative genannt -, das Mehr, das man unterbringen will, so weit zu verbilligen, daß es auch tatsächlich freiwillig eingemischt wird. Ich sage, nicht: das Ganze, aber: das Mehr. Ich kann Ihnen das auch in Zahlen sagen: Wenn Sie die Kosten der zur Verfütterung bestimmten Magermilch von 180 auf 120 DM je Doppelzentner verringerten und damit zu 15 % mehr Beimischung kämen, hätten Sie 150 Millionen t permanent mehr drin, und die Kosten betrügen rund 35 Millionen Rechnungseinheiten. Das wäre bei diesem Riesenhaushalt vermutlich noch tragbar gewesen. Das ist ebenfalls eine Auffassung von mir. Sie können einmal prüfen, ob das stimmt oder nicht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ein sehr guter Vorschlag!) Alles in allem: Unter Ihrer Regierung und Verantwortung blieben die Überschüsse ein Problem, wie Sie es anfangs so beklagt hatten. Ich kann nur feststellen, daß sich das Problem lediglich vergrößert hat. Das ist die Kehrseite der Medaille, Herr Minister, deren bessere Vorderseite Sie heute bei freundlichstem Licht in Ihrer Einbringungsrede vorzeigten. Aber erst die zweite Seite ergibt ein sachliches und richtiges Bild. Allerdings gehören auch die veränderten Rahmenbedingungen der Deutschen Agrarpolitik - sozusagen als Kassette - zur Medaille, und die hat Ihre Regierung nun gründlich negativ geändert: fehlende Arbeitsplätze, Menschen ohne Arbeit, fehlende Ausbildungsplätze für junge Menschen, gerade auch auf dem Land, hohe Staatsverschuldung mit der Folge stark eingeschränkter finanzieller Möglichkeikeiten auch bei der sozialen und wirtschaftlichen Absicherung und Fortentwicklung im Bereich der Landwirtschaft. All das gehört eben auch zur Bilanz. In diesem wichtigen Bereich hat diese Bilanz rote Zahlen und negative Aspekte. Aber darüber schweigen Sie. Wir sehen trotzdem keinen Grund, Ihnen den guten Willen abzusprechen. Wir wissen zu gut, wie dornenvoll Agrarpolitik sein kann und vermutlich auch bleiben wird. Sie haben allerdings schon vor Jahren - entschuldigen Sie, wenn ich das mal so sage - den Mund etwas zu voll genommen. An Ihren Ankündigungen gemessen, ist das Ergebnis relativ bescheiden geblieben. In manchen Bereichen ist es absolut ungenügend. Dabei haben Sie all die Jahre eine Opposition zur Seite gehabt, die ausgesprochen konstruktiv gewirkt hat, und zwar im Plenum und im Ausschuß. ({0}) Wenn Sie der eigene Kanzler in einem sehr seltsamen Verfahren nach Brüssel zum Bestandsaufnahmespektakel schickte - wir haben Sie gestützt. Wir haben für Sie die maßlose und schädliche Kritik besonders des Kanzlers und des Finanzministers an der europäischen Agrarpolitik abgeblockt, Ihnen geholfen, den Grenzausgleich zu verteidigen, und sogar durchgesetzt, den Abbau des Aufwertungsausgleichs zu mildern, was Sie selbst zwar wollten, aber nicht durften. Sie können sich ruhig bei dieser Opposition und ihrer konstruktiven Unterstützung bedanken. ({1}) Wir, meine Damen und Herren, die Union, danken unseren Bäuerinnen und Bauern, der Landjugend und allen in der Landwirtschaft Beschäftigten für ihren beruflichen Fleiß und Einsatz, ihre unternehmerische Risikobereitschaft und das Bemühen um die Produktion qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel. Besonders aber danken wir für den unbezahlten und auch unbezahlbaren Beitrag der deutschen Landwirtschaft zur Erhaltung und Pflege unserer Kulturlandschaft und damit zu Natur- und Umweltschutz. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit kein Irrtum entsteht: Es war noch keine Milch. ({0}) - Wir werden darüber mal nachdenken, Herr Ritz. Das Wort hat Herr Abgeordneter Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Agrarbericht 1976 vorliegt, muß die Offentlichkeit den Eindruck gewinnen - das hat auch wiederum die heutige Debatte gezeigt, zumindest was die Ausführungen seitens der Regierungskoalition anlangt -, daß es zur Zeit nur einen Wirtschaftszweig gibt, nämlich die Landwirtschaft, in dem Einkommenszuwächse in einer Größenordnung prognostiziert werden, wie es im Agrarbericht zum Ausdruck kommt; in keinem anderen Wirtschaftszweig gibt es das. Nun, man muß sich fragen, ob es tatsächlich möglich ist, schon jetzt so optimistische Prognosen in den Raum zu stellen, bevor exakt aufgezeigt werden kann, was Ernteschwankungen und Witterungsverhältnisse oder was auch Verteuerungen auf den verschiedensten Ebenen in der Zukunft mit sich bringen können. Ich glaube, in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung wird auch nicht genügend darauf hingewiesen, daß die Betriebsergebnisse äußerst unterschiedlich sind, d. h., man darf nicht einfach den Eindruck erwecken, als gehe es der Landwirtschaft insgesamt gut. Sowohl durch unseren Ausschußvorsitzenden, Herrn Dr. Schmidt ({0}), als auch durch den Kollegen Gallus ist heute festgestellt worden, daß es ein krasses Nord-Süd-Gefälle gibt. Während der Kollege Gallus in seiner Rede zum Ausdruck bringt, daß die Einkommensverbesserungen in Baden-Württemberg plus/minus Null sind, muß ich dem Agrarbericht entnehmen, daß in Bayern eine Einkommensverschlechterung um 2,7 % und in Baden-Württemberg eine solche um 1,5 % zu verzeichnen ist. Das ist doch sicherlich etwas anderes als plus/minus Null. ({1}) Daraus ist natürlich auch zu ersehen, daß man es sich nicht so einfach machen darf, wie das die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen immer tun, nämlich so zu tun, als ob die gesamte Landwirtschaft mit einer allgemein günstigeren Einkommensentwicklung rechnen könne. Wir gönnen es den Landwirten, die in den begünstigten Landstrichen wirtschaften, daß sich ihre Einkommensverhältnisse verbessert haben. Gute Ernten und vor allen Dingen auch eine günstige Betriebsstruktur haben mit dazu beigetragen, daß in diesen Gebieten Einkommenszuwächse erzielt werden konnten. ({2}) Aber wir müssen natürlich auch das aufgreifen, was Minister Ertl sagt: daß Strukturprobleme nicht allein über die Preise gelöst werden können. Das ist auch unsere Meinung, Herr Minister Ertl.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Susset, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wenn sie nicht zuviel Zeit in Anspruch nimmt; denn wir haben uns ja darauf verständigt, die Debatte um 13 Uhr zu beenden.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ganz kurz. Wollen Sie, Herr Kollege Susset, wenigstens vor diesem Hohen Hause zugeben, daß das laufende Wirtschaftsjahr - auf Grund der Hochrechnungen, die der Landwirtschaftsminister freundlicherweise für Baden-Württemberg vorgenommen hat - wesentlich günstiger ist als das letzte?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube nicht, daß es für den Herrn Minister ehrenvoll wäre, zugeben zu müssen, daß für uns auch noch für das kommende Wirtschaftsjahr Minuszahlen zu verkraften seien, wie Sie sie für das vergangene Wirtschaftsjahr registrieren mußten. Wir haben uns als Agrarpolitiker die Frage zu stellen: Wie können wir diese durch die Bundesregierung nachgewiesene Einkommensverschlechterung in den verschiedensten Regionen des Bundesgebietes jetzt durch Maßnahmen der staatlichen Agrarpolitik lang- und mittelfristig ausgleichen? Wir müssen feststellen, daß dieser Ausgleich eigentlich nur mit Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" möglich ist; denn auf Grund dieser Gemeinschaftsaufgabe ist es seit dem Jahre 1969 so, daß alle Maßnahmen gefördert werden, die geeignet sind, zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft beizutragen. Wenn wir nun bei Überprüfung der einzelnen Haushaltsansätze feststellen müssen, welch negative Haltung die Bundesregierung zu den so dringend notwendigen Maßnahmen dieser Gemeinschaftsaufgabe einnimmt, kann man doch nur noch die Frage stellen: Wie soll es mit der Verwirklichung der Agrarstruktur in der Zukunft bundesweit weitergehen? ({0}) Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wehren sich mit Entschiedenheit dagegen, daß der Einzelplan 10 „mindestens dieselbe Steigerungsrate aufweist wie der Gesamthaushalt". ({1}) Wir müssen feststellen, daß der Ansatz für das Jahr 1976 unter dem Ansatz des Jahres 1973 liegt, obwohl der Gesamthaushalt in diesem Zeitraum eine Steigerung von 40 % erfahren hat. ({2}) Diese Benachteiligung in den Haushaltsansätzen wird negative Auswirkungen auf die Verbesserung der Agrarstruktur haben. ({3}) Für die deutsche Landwirtschaft ist es nun wenig hilfreich, von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen immer wieder zu hören, daß die Vorschläge der Opposition, die Mittelansätze für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" mindestens in der im Haushaltsentwurf vorgesehenen Höhe zu belassen, abgelehnt werden müssen, weil man ja sparen muß. Selbstverständlich! Wir von der CDU/CSU lassen uns in dem Willen zur Sparsamkeit von den Koalitionsfraktionen nicht übertreffen. ({4}) Aber hier, meine Damen und Herren, ({5}) kommt es einfach auf die Gewichtung an. Die dem Einzelplan 10 durch die Koalitionsfraktionen eingeräumte Gewichtung läßt erkennen, welch niedrigen Stellenwert die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen der Landwirtschaft im Haushalt einräumen. Zum Sozialhaushalt ließe sich einiges sagen; das wurde hier schon einige Male angesprochen. Anläßlich der Beratung des Bundeshaushalts 1976 wurde sowohl im Ernährungsausschuß als auch im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen, daß in einer Reihe von Titeln die von der Bundesregierung eingebrachten Mittelansätze einfach zu gering beziffert waren bzw. Ansätze für dringend erforderliche Maßnahmen, wie beispielsweise Heizölkostenbeihilfen, für den Gartenbau, wie die Hilfen für die Kutterfischerei, überhaupt nicht vorgesehen waren. Der Entwurf geht sogar nach Meinung des Bundesrechnungshofes bezüglich der Finanzierung von gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen von zu geringen Ansätzen aus. Das widerspricht eigentlich dem, was der Kollege Schmidt ({6}) vorhin über die Priorität der Sozialpolitik, wie sie diese Bundesregierung der ländlichen Sozialpolitik einräume, gesagt hat. ({7}) Deshalb haben wir zum Ausdruck gebracht - ich weiß, Kollege Gallus hat mich vorhin in einer Anspielung gemeint -, daß dieser Entwurf unserer Meinung nach unsolide aufgestellt ist. Wir wurden mit unseren Anträgen, die fehlenden Mittel aus allgemeinen Haushaltsmitteln aufzubringen, von den Koalitionsfraktionen überstimmt. Statt dessen wurden 135 Millionen DM - dies wurde schon einmal gesagt - von den Gemeinschaftsaufgaben abgezogen. Nachdem weder im Ernährungsausschuß noch im Haushaltsausschuß unserem Bedenken Rechnung getragen worden ist, haben wir heute zur Beratung des Agrarberichts im Plenum den Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag auf Drucksache 7/4891 vorgelegt, und zwar in grüner Farbe. Dies läßt hoffen, daß ihm heute hier im Plenum auch seitens der Koalitionsfraktionen auf Grund der zwingenden Notwendigkeit gefolgt wird. Er soll bewirken, daß die für das Rechnungsjahr 1976 im Haushaltsentwurf für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" eingesetzten Mittel ungekürzt für diese Aufgaben erhalten bleiben und daß die von der Mehrheit in den Ausschüssen gestellten Kürzungsanträge wieder zurückgezogen werden. ({8}) Wir ersuchen die Bundesregierung ferner, die in der mehrjährigen Finanzplanung vorgesehene weitere Kürzung der Bundesmittel wieder rückgängig zu machen. Wir anerkennen zwar, daß durch die Bundesregierung für die bei der starken Sturmflut zu Anfang dieses Jahres entstandenen Schäden außerplanmäßige Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Dies entbindet uns jedoch gerade in der jetzigen Konjunkturphase nicht von der Pflicht zu erkennen, daß die zusätzliche Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe weder den ländlich strukturierten Räumen noch den landwirtschaftlichen Einzelbetrieben zugemutet werden kann. ({9}) Wir müssen dafür eintreten, daß die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe, so wie sie in der Sitzung des Planungsausschusses am 4. Dezember 1975 auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt wurden, zur Verfügung stehen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blank?

Bertram Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß Herr Abgeordneter Leicht aus Ihrer Fraktion gerade bei den Gemeinschaftsaufgaben zusätzliche Einsparungen vorschlägt?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die CDU-Gruppe im Haushaltsausschuß hat diesen Antrag gestellt. Er wurde von Ihnen abgelehnt. Zur CDU-Gruppe im Haushaltsausschuß gehört auch der Kollege Leicht. ({0}) Der Agrarbericht 1976 bringt für jeden deutlich zum Ausdruck, welchen Stellenwert gerade die Verbesserung der Agrarstruktur in der Zukunft hat. Es muß die Frage gestellt werden: Wie halten wir es in der Zukunft beispielsweise mit der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft? Was wollen wir mit der Flurbereinigung? Wie halten wir es mit den notwendigen wassertechnischen und kulturtechnischen Maßnahmen? Wie halten wir es mit Maßnahmen zur Verbesserung der Marktstruktur? Wie halten wir es mit dem Ausbau von Vermarktungseinrichtungen zur Rationalisierung und Verbesserung des Absatzes land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher Erzeugnisse? Was nützt uns - und das muß ich auch noch einmal sagen, Herr Kollege Gallus - die von uns allen begrüßte Aufstiegshilfe, wenn wir auf der anderen Seite nicht einmal in der Lage sind, für die seither schon im einzelbetrieblichen Förderungsprogramm ausgewiesenen Leistungen die entsprechenden Bundesmittel zur Verfügung zu stellen? ({1}) - Gut, aber woher sollen die Mittel kommen! Herr Kollege Gallus, die Mitglieder des Haushaltsausschusses haben von den Ministern der BunSusset desländer, unter anderem auch von Minister Brünner aus Baden-Württemberg einen Brief bekommen. ({2}) Darin steht deutlich, daß das Land Baden-Württemberg für den Rahmenplan 1976 unterhalb des tatsächlichen Bedarfs einen Bedarf von 200 Millionen DM an Bundesmitteln anmeldet, jedoch durch Beschluß des Planungsausschusses die Zuteilung für Baden-Württemberg auf 180 Millionen DM reduziert wurde. Würden nach der von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Kürzung nur noch 168 Millionen DM zur Verfügung stehen, wäre es noch schlimmer. ({3}) Dies bedeutet, daß allein in diesem Bundesland 57 Millionen DM Bundesmittel weniger zur Verfügung stehen, als für zwingend notwendige Maßnahmen im Jahre 1976 erforderlich werden. ({4}) Das ist doch die Wirklichkeit. Hier muß ich nun ein paar Sätze zum Weinbau sagen. Wie dem Agrarbericht zu entnehmen ist, ist in Weinbaubetrieben das Reineinkommen je Familienarbeitskraft gegenüber dem Vorjahr gesunken. Wichtig ist hier die Feststellung, daß das Reineinkommen in den Betrieben mit Flach- und Hanglagen um 2 % geringer ist, während Betriebe mit Steillagen einen Einkommensrückgang von 30 % hinnehmen mußten. Es hat sicherlich jeden zu interessieren, daß in den Anbaugebieten Mosel, Saar, Ruwer und Baden-Württemberg beträchtliche Einkommensrückgänge zu verzeichnen sind, gerade weil es dort Steillagen gibt. Wenn wir mit den Flurbereinigungen gerade in den Weinbergen nicht weitermachen können, weil der Bund nicht bereit ist, die Mittel zur Verfügung zu stellen, werden diese Steillagen eines Tages nicht mehr zu bewirtschaften sein. Das kann nicht in unserem Interesse sein. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, in letzter Zeit können wir feststellen, daß wir es gerade im Weinbau mit einer verantwortungsbewußten Berufsgruppe zu tun haben, die aus eigener Initiative das Parlament aufforderte, Regelungen in den Gesetzgebungsgang einzubringen, die der Ausweitung der Weinbauflächen entgegenwirken. Das zeigt Verantwortungsbewußtsein, und dafür müssen wir uns in der Zukunft auch entsprechend einsetzen. ({6}) Heute wurde von dem Herrn Minister auch erklärt, daß unser Export sehr stark angestiegen sei, und das sei auch ein Beweis für die Güte der derzeitigen Agrarpolitik. Da muß ich aber doch einmal fragen: Wie sieht es beispielsweise im Bereich der Konservenindustrie aus, was ging dort an Marktanteilen verloren? Die Eigenversorgung ging von 80 % auf 20 % zurück. ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden uns in der Zukunft als CDU/CSU-Bundestagsfraktion für eine Strukturpolitik einsetzen, die auch in den Regionen, in denen noch keine befriedigenden Einkommen erwirtschaftet werden, optimale Betriebsstrukturen entstehen läßt. Hierzu sind flankierende Maßnahmen des Bundes notwendig. Was uns die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen im Haushalt 1976 vorgelegt haben, wird diesem Ziel nicht gerecht. Ich bitte deshalb, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. ({8})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Agrarbericht 1975 wurde für das Wirtschaftsjahr 1974/75 eine Steigerung des Reineinkommens je Familienarbeitskraft um etwa 3 bis 8 % geschätzt. In der Debatte zum letzten Agrarbericht am 28. Februar 1975 sagte dazu Herr Kollege Ritz - ich darf mit Erlaubnis zitieren -: ... die Vorausschau für das laufende Jahr 1974/75 weist wiederum einen Gewinnzuwachs von 3 bis 8 °/o aus. Dies allerdings scheint zu optimistisch zu sein, ... Das Preis-Kosten-Verhältnis ist ... für das abgelaufene Dreivierteljahr so schlecht, daß schon deshalb diese Annahme des Gewinnwachstums zu optimistisch ist. Wir freuen uns, nicht weil Herr Kollege Dr. Ritz unrecht hat, nein, wir freuen uns für die deutschen Landwirte, daß die Einkommenssteigerung im oberen Bereich der Schätzung liegt. Wir stellen darüber hinaus auch mit Genugtuung fest - ich hoffe, daß uns die Opposition auch das nicht übelnehmen wird -, daß sich die landwirtschaftlichen Einkommen im Berichtsjahr mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 6,2 % erheblich verbessert haben und daß diese günstige Entwicklung auch im laufenden Wirtschaftsjahr anhält. ({0}) - Ich komme darauf zurück, Herr Kollege. Nur keine Sorge. - Ganz besonders freut uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß diese Einkommenssteigerung von 6,2 % trotz Weltwirtschaftsrezession, trotz Verminderung des Wirtschaftswachstums, trotz großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten in allen Ländern und in allen Branchen möglich war. Betrachtet man von diesem Gesichtspunkt aus diese 6,2 %, dann ist diese Einkommenssteigerung nicht nur beachtlich, dann ist sie sogar erfreulich. ({1}) Müller ({2}) Die Opposition macht es sich zu leicht, wenn sie durch die Lande zieht und einerseits den Agrarbericht 1975 auf Grund seiner objektiven Darstellung lobt, andererseits aber den Landwirten weiszumachen versucht, für das schlechte Ergebnis 1973/74 sei allein die Bundesregierung verantwortlich. Für die günstige Entwicklung im Wirtschaftsjahr 1974/ 75 ist nach Meinung der Opposition natürlich nicht die Bundesregierung verantwortlich, sondern sind zyklische Preisbewegungen, z. B. bei Schweinen, ertragsabhängige Preise, z. B. bei Kartoffeln usw., verantwortlich. So schrieben Sie doch, Herr Kollege Dr. Ritz, in Ihrem Pressedienst am 11. Februar 1976. Daß diese Weisheiten, Herr Kollege, für alle Jahre gelten - für gute und für schlechte -, erwähnten Sie natürlich nicht. ({3}) In Ihrem Jargon heißt das ganz lapidar - ich darf wieder zitieren -: Abwegig allerdings ist es, aus dieser Situation - gemeint ist die gegenwärtig gute Ertragslage eine erfolgreiche Agrarpolitik der Bundesregierung herleiten zu wollen. Vereinfacht heißt das: Für eine schlechte Ertragslage ist die Bundesregierung verantwortlich, für eine gute der liebe Gott. Ich glaube, Herr Kollege, der liebe Gott scheint uns von der SPD und diese Koalition doch zu lieben. ({4}) - Vereinfacht heißt das also so, wie ich es dargestellt habe, Herr Kollege Früh. Natürlich spielen für die Einkommensentwicklung die Erzeugerpreise und die Verkaufsmengen eine entscheidende Rolle, aber auch - und darauf müssen wir doch besonders hinweisen - die geringe Steigerung der Betriebsmittelpreise von 6,3 %, nachdem sie in den beiden Vorjahren noch um 9,3 % und 9,8 % gestiegen waren. Diese relativ geringe Steigerung der Betriebsmittelpreise, Herr Kollege Dr. Ritz und Herr Kollege, der Sie vorhin den Zwischenruf gemacht haben, wäre ohne die erfolgreiche Stabilitätspolitik der Bundesregierung nicht möglich gewesen. Selbstverständlich wäre es unredlich, aus dieser Einkommenssteigerung um 6,2 % auf eine fortlaufende günstige Entwicklung schließen zu wollen. Gute und schlechte Jahre wechselten schon immer ab. Aber selbst im Durchschnitt der sechs Wirtschaftsjahre seit 1969/70, seit Bestehen der sozialliberalen Koalition, hat sich das Reineinkommen je Familienarbeitskraft um jährlich an die 9 bis 10 % erhöht. Dieses Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, darauf kann man doch sogar stolz sein. Natürlich ist es abwegig, mit diesem Zuwachs die gesamte Landwirtschaft identifizieren zu wollen. Ihre Situation ist viel differenzierter. Herr Kollege Susset hat vorhin auf den Weinbau hingewiesen. Auch da ist es sehr unterschiedlich; ich denke nur an Franken, Baden-Württemberg oder die Mosel. Es ist aber auch bekannt, daß innerhalb der Landwirtschaft die Einkommensunterschiede - von den Spezialkulturen einmal abgesehen - recht erheblich sind, sowohl zwischen den verschiedenen Regionen als auch zwischen den Betriebsformen und den Betriebsgrößen. Bei Betrieben unter 20 ha ist die Einkommensentwicklung ungünstiger als bei Betrieben zwischen 20 und 50 ha und mehr als 50 ha. Das bedeutet, daß die Situation bei größeren Betrieben im allgemeinen besser ist als bei kleinen und mittleren Betrieben. Da der prozentuale Anteil der Betriebe über 50 ha von Süden nach Norden zunimmt, scheint, vom rein strukturellen Gesichtspunkt aus betrachtet, die Situation in Schleswig-Holstein und Niedersachsen am günstigsten zu sein. In Schleswig-Holstein machen landwirtschaftliche Betriebe der Größenklasse über 50 ha 15,3 % aller landwirtschaftlichen Betriebe aus, in Bayern hingegen nur 1 % und in Baden-Württemberg nur 0,7 %. Schon aus diesen Zahlen läßt sich schließen, daß die Einkommenslage der Landwirtschaft in Süddeutschland schlechter ist als in den nördlichen Gebieten. Der Süden hat also strukturell viel aufzuholen, und der Anpassungsprozeß innerhalb der Landwirtschaft ist noch lange nicht abgeschlossen. An dieser Entwicklung ist, wie vorhin Kollege Dr. Schmidt ({5}) gesagt hat, die bayerische Regierung nicht ganz schuldlos. Er hat an das Goppel-Wort erinnert. Und, Herr Kollege Kiechle, ich habe gar nichts dagegen, wenn Sie sagen: Nichts gegen freiheitlich denkende Ministerpräsidenten! Das kann man durchaus unterstreichen. Aber, Herr Kollege Kiechle, hier wurde es versäumt, die ländliche Bevölkerung rechtzeitig auf den zwangsläufigen Strukturwandel vorzubereiten. ({6}) - Ja, Herr Kollege Kiechle, das Erwachen für viele, viele Landwirte war sehr schmerzhaft. Fragen Sie draußen die Landwirte; die werden Ihnen das bestätigen. Aber das Entscheidende ist ja, Herr Kollege Kiechle: Inzwischen hat die bayerische Regierung die zwangsläufige Entwicklung ja zur Kenntnis genommen. Innerhalb der nächsten 15 Jahre muß jeder zweite heute noch in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigte seinen Beruf wechseln. Die Zahl der Vollarbeitskräfte wird sich bis 1990 um 390 000 verringern. Das können Sie jetzt im Landesentwicklungsprogramm der bayerischen Regierung nachlesen, Herr Kollege Kiechle. Das ist doch ein Zeichen, daß wir recht hatten, und Herr Ministerpräsident Goppel hat damals, im Jahre 1962, gesagt, aus welchen Gründen auch immer - ({7}) Vorhin hat der Kollege Dr. Ritz gesagt: Die Konjunkturpolitik spielt da eine entscheidende Rolle. Müller ({8}) Aber wie sieht denn die Strukturpolitik in Bayern aus, Herr Kollege? ({9}) Die Lage in Ostbayern dokumentiert doch ein katastrophales Bild bayerischer Strukturpolitik. ({10}) Der bayerischen Regierung ist es bisher doch nicht gelungen, wesentliche Fortschritte bei der Arbeitsplatzsicherung oder beim Aufbau sicherer Arbeitsplätze zu erzielen. ({11}) Die Arbeitslosenzahlen in Ostbayern ({12}) bewegen sich seit 20 Jahren in jedem Winter, ob Hochkonjunktur oder nicht, zwischen 20 und 40 %. ({13}) - Aber es gehört zu Bayern. Was hat die bayerische Regierung getan? Von Strukturpolitik kann hier doch wohl keine Rede sein, höchstens vom Versagen bayerischer Strukturpolitik. ({14}) - Zur Bahn könnte man auch einiges sagen. Die Bahnlinie ist notwendig, und Straßen sind auch notwendig, Herr Kiechle. ({15}) Es gibt aber nur eine Alternative. Wenn die Bahnlinie nicht mehr rentabel ist, muß man sie stillegen oder aber bereit sein, die Bahn zu subventionieren. Man sollte den Bürgern draußen aber nicht etwas anderes einreden. ({16}) Von Strukturpolitik - ich wiederhole das - kann in Bayern keine Rede sein, höchstens von einem Versagen in der Strukturpolitik. Was hat denn die bayerische Regierung bisher getan, Herr Kollege Kiechle? Man kann hier mit Ludwig Thoma antworten: warten auf göttliche Ratschläge. ({17}) Unsere Aufgabe besteht darin, dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Der Steuerzahler hat kein Verständnis dafür, wenn Steuergelder mit der Gießkanne gleichmäßig an gut und schlecht verdienende Landwirte verteilt werden. Was die Landwirtschaft braucht, sind gezielte Hilfen, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Eben dies hat diese Bundesregierung in der Vergangenheit getan, und dies werden wir auch in Zukunft tun. ({18})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr/Abgeordnete Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier wurde bereits zweimal - von Herrn Dr. Schmidt und Herrn Gallus - Herr Professor Heidhues zitiert, der im Hinblick auf Versprechungen, die man vor der Wahl gibt, einiges von sich gegeben hat. Ich möchte die Koalition in diesem Zusammenhang an die Regierungserklärungen von 1969 und 1972 erinnern. ({0}) Vergleichen Sie das, was Sie damals gesagt haben, mit dem, was heute Wirklichkeit geworden ist. ({1}) Unmittelbar im Anschluß an das, was der Kollege Müller gesagt hat, möchte ich auf ein Problem zu sprechen kommen, das in der Diskussion des heutigen Tages ein bißchen kurz gekommen ist: die Strukturpolitik im ländlichen Raum. Wer in den letzten Monaten mit Menschen im ländlichen Raum gesprochen hat, dem ist allenthalben klargeworden, daß diese Bürger von der Sorge um die Zukunft des ländlichen Raums umgetrieben sind. Dies ist keine Feststellung nur der Opposition, sondern eine Tatsache, die durchgängig von allen, die sich mit diesem Problemkreis beschäftigen, so gesehen wird. Auch der heute regierungsamtlich verbreitete Optimismus, Herr Minister, vermag hier nichts zu ändern. Die vorgesehene Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur" ist ein weiterer schwerer Schlag für ländlichen Raum. Wer die Entwicklung des ländlichen Raumes in den letzten drei Jahren aufmerksam verfolgte, kann nicht umhin, festzustellen, daß die Politik dieser Bundesregierung zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung dieser Gebiete geführt hat. Ich will Ihnen, Herr Bundesminister, gern unterstellen, daß Sie dieser Tatbestand schmerzlich berührt. Ich kann Ihnen aber den Vorwuf nicht ersparen, daß es Ihnen im Kabinett nicht gelungen ist, sich gegen die Erosion des ländlichen Raumes erfolgreich zur Wehr zu setzen. Bundeskanzler Schmidt stellte in seiner Regierungserklärung 1974 die Devise auf: Kontinuität und Konzentration. Wir müssen heute mit Bitterkeit feststellen, daß die Politik der Bundesregierung die Kontinuität bei der Vernachlässigung des ländlichen Raumes gewahrt hat. Die Disparität zwischen den Einkommen in den Zentren und denen in den ländlichen Räumen nimmt weiter zu. Während wir in den Großstädten ein Bruttosozialprodukt von mehr als 14 000 DM pro Einwohner haben, beträgt es in den wirtschaftsschwachen Gebieten rund 6 000 DM. Die sogenannte passive Sanierung setzt sich fort. Die „Abstimmung mit den Füßen" dauert leider unvermindert an. Die Probleme, die ich hier anspreche, bergen erheblichen sozialen Konfliktstoff in sich. Wenn es uns nicht gelingt, hier eine Wende herbeizuführen, wird die Zeitbombe, die hier bereits tickt, nicht mehr entschärft werden können. Sauter ({2}) Eines Tages werden wir schwierigste gesellschaftliche und soziale Konflikte im ländlichen Raum haben. Wir haben bei manchen unserer europäischen Nachbarn einen erschütternden Anschauungsunterricht darüber erhalten, welche verheerenden Konsequenzen die einseitige Bevorzugung der großen Zentren hat. ({3}) Auch bei uns gibt es Gemeinden, die Dutzende, ja, Hunderte von Einwohnern an die Ballungsgebiete verloren haben. Es handelt sich dabei vor allem um junge Menschen. Die wirtschaftliche Rezessionen der letzten Jahre hat die strukturschwachen Gebiete und den ländlichen Raum insgesamt besonders hart getroffen. ({4}) Die außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze in diesem Raum sind krisenanfälliger als jene in den Ballungsgebieten. Während der Wirtschaftsminister in der Debatte über den Agrarbericht 1973 noch in Optimismus schwelgte und erklärte, daß jährlich 115 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und 60 000 zusätzlich erhalten bleiben sollten, muß heute festgestellt werden, daß dieses Ziel auch nicht annähernd erreicht worden ist. Herr Ertl sagt heute, daß 1969 bis 1975 600 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Im Agrarbericht 1975 hieß es, 1969 bis 1973 habe es 513 000 neue Arbeitsplätze gegeben. Das heißt doch nach Adam Riese, daß für 1974 und 1975 nur 87 000 neue Plätze, also pro Jahr 43 000, geschaffen worden sind. Hier klafft doch ein eklatanter Widerspruch zwischen dem, was Wirtschaftsminister Friderichs 1973 angekündigt hat, und zwischen dem, was in Wirklichkeit geworden ist. Der Landwirtschaftsminister sprach im Jahre 1973 auch von seiner Freude über den Optimismus bei der jungen Generation auf dem Land. Meine Damen und Herren, dieser Optimismus ist leider verflogen. Die jungen Menschen blicken besorgt und ratlos in die Zukunft. ({5}) - Herr Gallus, gehen Sie doch einmal hinaus auf die Dörfer. - Viele junge Menschen verlassen das Dorf für immer und suchen ihren Arbeitsplatz in den Ballungsräumen. Die erwerbstätige Bevölkerung - das sind die 18- bis 65jährigen - ist im ländlichen Raum heute schon unterdurchschnittlich vertreten. Die Löhne in den Verdichtungsräumen liegen 3 % bis 4 % über dem Bundesdurchschnitt, im ländlichen Raum 14 % darunter. Der Zickzackkurs der Verkehrspolitik in den letzten Jahren und die Pläne der Bundesbahn zur Strekkenstillegung haben zu einer weiteren Verunsicherung der Menschen im ländlichen Raume geführt. ({6}) Die Schließung von Postdienststellen und die Abschaffung von Ortschaftsnamen sind weitere Momente, die wir hier heftig zu kritisieren haben. Wir erheben heute erneut die Forderung, die Mittel im Einzelplan 10 für die Gemeinschaftsaufgabe nicht zu kürzen. Wir wollen damit auch ein Zeichen für eine Kurskorrektur der Politik im ländlichen Raum setzen. ({7}) Wir brauchen heute dringender denn je eine aktive Strukturpolitik und einen entschiedenen Kampf gegen die passive Sanierung. Das bedeutet in der Praxis, wenn wir sichere Arbeitsplätze wollen, daß wir möglichst viele selbständige Existenzen haben müssen. ({8}) Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit haben uns schmerzlich gezeigt, wie krisenanfällig gerade die Filialbetriebe und die Zulieferbetriebe sind. Unablässige Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß die Diskriminierung der Unternehmer und der Selbständigen in diesem Lande ein für allemal aufhört. ({9}) Die Fördermittel müssen schwerpunktmäßig auf die ländlichen Regionen eingesetzt werden. ({10}) - Da müssen Sie einmal die nüchternen Bilanzen der Landesregierung ansehen. Für die Verbesserung der Infrastruktur - ich habe es gesagt - ist die Verkehrserschließung von größter Bedeutung. Das überörtliche Straßennetz ist zügig auszubauen. Streckenstillegungen bei der Bahn sind unzumutbar, solange nicht ein vollwertiger Ersatz in der Verkehrsbedienung geschaffen ist. ({11}) Zunächst ist uns allerdings die Bundesregierung die Antwort auf die Frage noch schuldig, ob und in welcher Höhe Rationalisierungseffekte erzielt werden. Ich verstehe auch nicht, Herr Minister Ertl, daß Sie erklärt haben, im Grundsatz hätten Sie gegen die Streckenstillegungen nichts einzuwenden. ({12}) Man kann doch nicht die Menschen im ländlichen Raum immer stärker zur Kasse bitten, wie durch -die mehrmalige Erhöhung der Mineralölsteuer, und die Mittel dann schwerpunktmäßig in die Ballungsgebiete geben oder sie einem anderen Zweck zuführen. ({13}) - Der öffentliche Nahverkehr, Herr Gallus, wird bis zu 80 % subventioniert, während im ländlichen Raum alles kostendeckend gehen soll. ({14}) In zahlreichen strukturschwachen Gebieten ist der Fremdenverkehr eine echte Alternative. Dieser Bereich wird durch die Streckenstillegungen teilweise schwer geschädigt. Sauter ({15}) Politik für den ländlichen Raum heißt, daß das Bauen im ländlichen Raum nicht unnötig erschwert wird, sondern auch in Zukunft möglich sein muß. ({16}) - Wir haben die Änderung des Bundesbaugesetzes gemeinsam getragen, Herr Gallus. Der ländliche Raum, das sind keine stillen und verträumten Winkel, sondern Gebiete, in denen in geordneten Bahnen eine echte Entwicklung möglich sein muß. Ich werde das Gefühl nicht los, meine Damen und Herren, daß manches Baugenehmigungsverfahren sehr restriktiv behandelt wird, während zahllose Betonburgen auch in landschaftlich reizvollen Gegenden ohne Hemmungen genehmigt worden sind. Ich komme auf das zurück, was Kollege Müller gesagt hat. Gegen mannigfache Widerstände hat die Union ständig am Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes festgehalten, und zwar als Neben-, Voll- und Zuerwerbsbetrieb. Gerade in den Zeiten einer Rezession hat sich einmal mehr gezeigt, daß diese Betriebe doch recht flexibel zu reagieren vermögen. Die agrarstrukturellen Veränderungen werden sich in den nächsten Jahren sicher in ruhigeren Bahnen bewegen. Das muß gar nicht negativ gesehen werden. Schließlich haben wir in der Union uns immer für die Bildung von Privateigentum eingesetzt und einiges dafür im Verlauf der letzten 20 Jahren getan. ({17}) Hier sehen wir überhaupt einen entscheidenden Vorteil des ländlichen Raumes gegenüber den Ballungsgebieten, daß hier nämlich noch echtes Eigentum möglich ist, vor allem durch den Bau von Eigenheimen. Voraussetzung bleibt natürlich, daß Bodenpreise, Steuerabgaben und Gebühren in vertretbarem Rahmen bleiben. Die Erneuerung unserer Gemeinden und Ortschaften kann nur gelingen, wenn in Zukunft eine verstärkte Modernisierung unserer Altgebäude erfolgt. Der ländliche Raum hat hier einen erheblichen Nachholbedarf gegenüber den Ballungsgebieten. . Die unzureichende ärztliche Versorgung und die ungünstige Altersstruktur der Ärzte bereiten uns erhebliche Sorgen. ({18}) Hier sollte dem in der Diskussion stehenden Vorschlag nähergetreten werden - Herr Gallus, das steht in einem Bundesgesetz -, den Medizinstudenten, die sich verpflichten, später eine Landarztpraxis aufzumachen, den Weg zum Studium zu erleichtern. ({19}) Es ist weder Romantik noch Nostalgie, wenn darauf verwiesen wird, daß das Leben im ländlichen Raum unverkennbare Vorteile gegenüber den Ballungsgebieten hat. Hier stimme ich voll mit dem Minister überein. Die mitmenschlichen Beziehungen, die Überschaubarkeit der Gemeinwesen und die gesunde Umwelt sind ebenso zu nennen wie das vielfältige blühende kulturelle Leben. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um auch von dieser Stelle aus all jenen ein Wort des Dankes und Respektes zu sagen, die sich in selbstloser Weise in den Vereinen und Verbänden engagieren. ({20}) Ob das Leben auf dem Landes lebenswert bleibt, ob es vor allem - das ist die entscheidende Frage - für die junge Generation attraktiv bleibt, hängt sicher auch vom Mut und vom Selbstbehauptungswillen aller Bewohner ab. Die Politik dieser Bundesregierung hat jedoch in den letzten Jahren entgegen allen Beteuerungen dazu beigetragen, daß sich in wachsendem Maße Resignation breitmacht. ({21}) Wir fordern deshalb, hier mehr Gerechtigkeit herzustellen. „Mehr Gerechtigkeit" heißt angesichts der jedem in diesem Hause bekannten finanziellen Schwierigkeiten, die Prioritäten richtig zu setzen. Wenn wir vor den wachsenden Schwierigkeiten im ländlichen Raum die Augen verschließen und die Dinge treiben lassen, entsteht irreparabler Schaden für unser Land. Ich fordere Sie, Herr Minister, auf: Handeln Sie, ehe es zu spät ist! ({22})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Landwirtschaft hat die Rezessionsjahre 1974 und 1975 verhältnismäßig gut überstanden. Die Agrarpreise haben laufend eine steigende Tendenz gezeigt. Die Kosten sind im Vergleich dazu geringer gestiegen. ({0}) So hat sich die für die Landwirtschaft gefährliche Preis-Kosten-Schere zunehmend geschlossen. Nimmt man die Jahre 1961 bis 1963 als Basis, kann man feststellen, daß sich die Schere nach Jahren weiter Öffnung 1976 auf 95-96 % geschlossen hat. Hier zeigt sich, daß die Landwirtschaft von der Stabilitätspolitik der Bundesregierung entscheidenden Profit gezogen hat. ({1}) Unbestritten ist, daß die landwirtschaftlichen Einkommen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 1974/75 mit 6,3 % Zuwachs kein Grund zum Jubeln sind. Allerdings sind die Einkommen regional recht unterschiedlich gestiegen: in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein von 12 bis 20 %. Ungünstiger verlief die Entwicklung wegen der strukturell schwierigen Verhältnisse in Süddeutschland. Aus diesem Grunde hat der Haushaltsausschuß erhebliche Umschichtungen im Etat zur Kostenminderung der Betriebe, insbesondere durch die Erhöhung der Zuschüsse an die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, vorgenommen. ({2}) Peters ({3}) Die CDU wollte weitere 20 Millionen DM, Herr Eigen, und zwar - das ist entscheidend und steht auch so in Ihrem Antrag - nicht durch Umschichtung, sondern durch zusätzliche Mittel, also durch Aufstockung des Etats. Nach außen reden Sie von starken Streichungen. Mehr als eine globale Ausgabenkürzung in Höhe von 4 Milliarden DM haben Sie aber bisher nicht geschafft. Ich kann Ihnen nur sagen: Im Haushaltsausschuß sind von Ihnen weder im Personalbereich noch bei den Sachtiteln zusätzliche Streichungen vorgeschlagen worden. ({4}) Sie schlagen jetzt eine definitive Erhöhung vor. Dann wollen Sie sich über eine Globalkürzung retten. Sie können dem deutschen Volk nicht klarmachen, daß Sie damit den Haushalt einschränken wollen. ({5}) - Ja, das ist die Haushaltspolitik der Union. Nun kommt ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren. Sie haben sich ja so sehr darüber erregt, daß wir die Mittel aus Agrarstruktur und Küstenschutz genommen haben. Wir haben das nicht gern getan. Es gab aber keine andere Möglichkeit. Sie haben jedoch, bevor das Haushaltsstrukturgesetz beschlossen worden ist und als es um die Kürzung auch im Agrarbereich ging, sowohl durch Herrn Ministerpräsident Stoltenberg als auch durch weitere CDU-Politiker vorgeschlagen, nicht die Mehrwertsteuer abzubauen, sondern Agrarstruktur und Küstenschutz für die Streichung heranzuziehen. Sie erinnern sich ja gewiß daran, Herr Eigen, daß Herr Stoltenberg das auf dem Bauerntag in Rendsburg in Gegenwart von Herrn Bockhop erklärt hat. ({6}) Im jetzt laufenden Wirtschaftsjahr 1975/76 sagt der Vorbericht eine durchschnittliche Einkommensteigerung von 19 % voraus. Diese hohe Steigerungsrate trägt dazu bei, ungünstigere Ergebnisse der Vorjahre auszugleichen. Mittelfristig wird natürlich die Ertragslage der Landwirtschaft von den Daten der EG-Agrarpolitik bestimmt. Die wichtigsten Faktoren sind die Währungsparitäten und die Höhe des Grenzausgleichs, die künftigen Preisbeschlüsse mit dem Stützungsniveau der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise und die Bewältigung des Marktgleichgewichts bei Milch und Fleisch. Verhältnisse, die einer Wirtschafts- und Währungsunion entsprechen, bestehen nur noch im Raum der Bundesrepublik und der Beneluxstaaten. Mit allen anderen Partnerländern läuft die Entwicklung leider nicht in Richtung auf angeglichene Wirtschafts- und Währungsverhältnisse. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, den Grenzausgleich für die Zukunft zu erhalten und ihn aufzustocken, wenn Abwertungen wie in Italien, Frankreich und England das erfordern. Die jetzt beschlossenen zusätzlichen Preiserhöhungen für England, Italien und Irland halten sich in annehmbarem Rahmen und werden in diesen Ländern sogar preisstabilisierend wirken. Es ist Bundesminister Ertl zu danken, daß der Abbau des Grenzausgleichs für die Bundesrepublik auf 2 1/2 % beschränkt wurde, was als tragbarer Kompromiß zu werten ist. So steigt 1976 das Agrarpreisniveau bei uns vermutlich erheblich weniger als das Stützungsniveau. In diesem Zusammenhang muß man die Frage stellen, was im Markt erreichbar ist. Sicherlich wären Preiserhöhungen oberhalb dieser Marge für Fleisch- und Milchprodukte, also für 70 % der landwirtschaftlichen Verkaufserlöse, im Markt nicht durchsetzbar. Das bedeutet, daß Preiserhöhungen oberhalb dieser Grenze den Verzehr vermutlich, wie wir das schon vor Jahren erlebt haben, zurückdrängen würden. Nichts Schlimmeres könnte der Landwirtschaft passieren, als wenn der Verzehr von hochwertigen Lebensmitteln zurückgedrängt würde. So positiv das Brüsseler Verhandlungsergebnis über die Agrarpreise und den Grenzausgleich zu werten ist, so darf doch nicht verschwiegen werden, daß nur ein Einstieg in die Regelung des Marktgleichgewichts erzielt wurde. Bei diesem für die Marktordnungen wichtigen Problem sind Lösungen im Milchmarkt dringlich. Es geht sowohl um den Abbau der Magermilchpulvervorräte wie um die Verhinderung des Auflaufens neuer Bestände. Theoretisch läßt sich das Problem verschieden lösen: durch Preissenkung des Magermilchanteils im Auszahlungspreis für Milch, durch Beimischung von Magermilchpulver zu allen oder einigen Futtermitteln, durch die beschlossene Kautionsregelung oder die Mitverantwortung der Erzeuger beim Abbau der Vorräte. In letzter Konsequenz führen alle Vorschläge zum Abbau landwirtschaftlicher Einkommen und zur Einschränkung von Importen eiweißreicher Futtermittel. Alle Vorschläge zur Verbilligung des Pulvers führen zur Verfütterung von Pulver und damit zur Verdrängung von Soja. Auch eine verstärkte Verbilligung des Pulvers durch die EG würde zum gleichen Ergebnis führen. Auf Grund der beachtlichen Summe, die die EG schon heute für den Milchmarkt vorhält, sollte diese Möglichkeit aus der Spekulation ausscheiden. Der deutsche Vorschlag der Mitbeteiligung der Erzeuger ist zunächst zurückgestellt, soll aber im Herbst entschieden und nächstes Jahr wirksam werden. Die EG-Landwirtschaft braucht weiter den Gemeinsamen Markt und die gemeinsame Agrarpolitik. Diese sollte nicht durch eine Überbeanspruchung des EG-Agrarfonds in Gefahr gebracht werden. Deshalb sind wir für eine Mitverantwortung der Erzeuger.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Peters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, wenn mir das auf die Redezeit nicht angerechnet wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege, ich muß bei dieser Geschäftslage darauf aufmerksam machen, daß wir möglicherweise dafür keine zusätzliche Redezeit geben können.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann muß ich auf die Frage verzichten. So sehr die Lösung des dringlichen Problems der Überschüsse allen Verantwortlichen in der EG-Agrarpolitik bewußt ist, so gibt es immer weniger Stimmen, die die gemeinsame Agrarpolitik vom Grundsatz her verändern wollen. Zusammenfassend stelle ich fest: Von 1969 bis heute in der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition verzeichnen wir durchschnittlich pro Jahr Einkommensverbesserungen von 11 %. Damit ist die Zusage der Bundesregierung eingelöst worden, daß die Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben soll. Ich habe ja Verständnis dafür, meine Damen und Herren, daß die Union die Konjunkturbelebung, wie sie sich jetzt ergibt, und die günstige Lage der Landwirtschaft aus parteitaktischen Gründen skeptisch beurteilt. Was sich nicht im Agrarbericht in steigenden Einkommen niederschlägt, sollte trotzdem nicht übergangen werden. Ich meine die Leistungen der Koalition im Bereich der Agrarsozialpolitik. In diesen Jahren sind die landwirtschaftliche Altershilfe und die Landabgaberente erheblich erhöht und dynamisiert worden. ({0}) - Herr Eigen, wenn Sie dazu einen Zwischenruf machen, dann kann ich nur sagen: Sie hätten ja in der Zeit Ihrer Regierung ebenfalls diese Maßnahme in Angriff nehmen können. Das haben Sie aber nicht getan. ({1}) In der Zeit der sozialliberalen Koalition ist die Krankenversicherung der Landwirte mit der Gratisversicherung der landwirtschaftlichen Altersrentner eingeführt worden. Die Waisenrente und eine Zusatzversicherung für landwirtschaftliche Arbeitnehmer wurden beschlossen. Der Bund hat seine Zuschüsse pro Jahr von 1969 bis heute von 800 Millionen DM auf 2,8 Milliarden DM in diesem Jahr erhöht. Unser Ziel ist es, die augenblicklich günstige Ertragslage der deutschen Landwirtschaft auf lange Sicht zu konsolidieren. Zum Schluß ein Dank an Minister Ertl und seine Mitarbeiter für ihre Arbeit. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vielen Reden, die wir heute am Vormittag von der Opposition gehört haben, ({0}) täuschen natürlich nicht darüber hinweg, daß es in Ihren Reihen keine Alternative zu der Agrarpolitik gibt, die Minister Ertl in seiner Einbringungsrede hier skizziert hat. ({1}) Daran ändert auch Ihr Oldenburger Programm nichts, über das wir uns im Wahlkampf noch unterhalten werden. Dann noch einmal einen kleinen Nachhilfeunterricht. Für die Damen und Herren der Opposition möchte ich noch einmal die wichtigsten Punkte der sozialliberalen Agrarpolitik nennen: ({2}) 1. ein sachgerechter, den Bedürfnissen der modernen Landwirtschaft angepaßter Strukturwandel, 2. eine weitgehende soziale Absicherung der Landwirte, 3. die Schaffung guter Marktverhältnisse, 4. die Verzahnung der Agrarpolitik mit regionaler Strukturpolitik zur Schaffung von Erwerbsalternativen, 5. Einkommenssicherung über die Preispolitik. Diese Schwerpunkte der Agrarpolitik sind im Haushalt der Bundesregierung abgesichert und finanziell fest verankert. Daran ändern auch nichts die ständigen Unkenrufe und Verdächtigungen der Opposition, daß die Landwirtschaft in den letzten Jahren finanziell zu kurz gekommen sei. Haushaltspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition - so können Sie es in einem sehr lesenswerten Buche über Haushaltspolitik nachlesen -, ist der Ganzheit verpflichtet und erhält dadurch, gewollt oder ungewollt, eine Schiedsrichterrolle. Diese Koalition und diese Regierung nehmen die Schiedsrichterrolle sehr ernst und üben sie verantwortungsvoll aus. ({3}) - Ja, aber die sind nicht bei uns zu finden. ({4}) Und ein nach den anerkannten Regeln handelnder Schiedsrichter kann die Buh-Rufe überhören, er muß sie sogar überhören; denn sachliche Hinweise enthalten sie sowieso nicht. Im übrigen hat es die Opposition auch heute wieder versäumt, darzulegen, wie sie die Schiedsrichterrolle wahrzunehmen gedenkt. Der Vorwurf, die Mittel für die Agrarpolitik seien in den letzten Jahren zurückgegangen, ist total unhaltbar, und ich verstehe überhaupt gar nicht, wie Sie ständig zu dieser falschen Aussage kommen. Das kann nur daran liegen, daß Sie an diese Berechnungen nicht ihre Fachleute heranlassen, sondern diejenigen, die das so ein bißchen vordergründigpolemisch aufbauen. ({5}) 1974 sind unter Einrechnung der Mittel, die der deutschen Landwirtschaft aus Brüssel zufließen, 7 485 000 000 DM ausgegeben worden; 1976 werden es 8 140 000 000 DM sein. Das ist eine Steigerung von fast 9 °/o. Und man kann diese EG-Mittel nicht einfach unterschlagen. ({6}) - Es tut mir leid, Herr Kollege Eigen, besser nachher, nach der Debatte. Ich habe nur fünf Minuten Zeit, und ich glaube, ich bin sowieso schon gleich am Ende. ({7}) - Das können Sie mir ja nachher noch sagen. Das sind keine falschen, das sind richtige Zahlen. Sie müssen einmal in die richtigen Bücher hineinschauen. Da gibt es z. B. grüne Bücher, Haushaltsrechnungen der Bundesregierung; da müssen Sie einmal hineinschauen, nicht bloß immer in die Papiere, die von Ihrer Fraktion ausgegeben werden. ({8}) Dafür gibt es amtliche Dokumente. ({9}) Ich habe vorhin erwähnt, daß die Schwerpunkte unserer Agrarpolitik finanziell abgesichert und im Haushalt fest verankert sind. Ich darf dazu ebenfalls einige Zahlen nennen. Für die Strukturpolitik - das betrifft also die Mittel, die im Kap. 10 03 nachgewiesen werden - wird 1976 der gleiche Betrag wie 1974 zur Verfügung stehen, nämlich 1,2 Milliarden DM. Ich bin dem Herrn Kollegen Kiechle sehr dankbar dafür, daß er mir eine Berechnungsformel gegeben hat. Diese 1,2 Milliarden DM bedeuten nach Ihrer Formel, Herr Kiechle, daß rund 4,3 Milliarden DM in diesem Jahr für die Strukturverbesserung in der Landwirtschaft ausgegeben werden, und das bei einer Wertschöpfung, der Landwirtschaft von rund 18 Milliarden DM. Wenn ich diese beiden Größenordnungen einmal miteinander vergleiche - und da müssen Sie mir recht geben, Herr Kiechle -, 18 Milliarden DM Wertschöpfung und im gleichen Zeitraum 4,3 Milliarden DM für die Strukturverbesserung, dann muß ich sagen, das ist eine gewaltige Leistung, die diese Bundesregierung auf die Beine stellt. ({10}) Von 1974 bis 1976 sind die Mittel für die soziale Absicherung der Landwirte um 18 % gestiegen. Die Mittel für die Marktstützung, die über den europäischen Haushalt laufen, sind um 22 % gestiegen. Die administrierten Preise sind im Schnitt pro Jahr um 6 % gestiegen. Wenn ich dann noch hinzurechne, daß die Zahl der landwirtschaftlichen Vollarbeitskräfte in diesem Zweijahreszeitraum um 6 % abgenommen hat, ist mir völlig unverständlich, wie man immer wieder die Verdächtigung aussprechen kann, daß sich die Bundesregierung aus ihrem finanziellen Engagement gegenüber der Landwirtschaft zurückzieht. Aber wir werden uns ja darüber unterhalten, wenn wir in den Ausschüssen Ihren Entschließungsantrag beraten werden. Im übrigen kann ich hier die Versicherung abgeben: Das finanziell Mögliche und das sachlich Notwendige wird auch weiterhin für die deutsche Landwirtschaft getan. Das wird ausgewiesen werden durch den Agrarbericht 1977, den, Herr Kiechle, wieder ein Minister der sozialliberalen Koalition, nämlich Herr Ertl, ({11}) diesem Hause vorlegen wird. ({12})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Augenblick bedaure ich nur, nicht aus Berlin zu sein und keine so schnelle Zunge zu haben. ({0}) Denn wie soll man in zehn oder noch weniger Minuten widerlegen, was jetzt so schnell heruntergehauen wurde? Und ich gebe zu, Herr Löffler, wenn Sie hier reden, höre ich immer sehr aufmerksam zu. Aber eines hätte nicht passieren sollen: daß Sie von dieser Stelle der deutschen Landwirtschaft die 7 Milliarden DM nach Brüssel in die Tasche schieben wollen, wo Sie doch ganz genau wissen - ich werde Ihnen nachher einiges dazu sagen -, ({1}) wozu diese 7 Milliarden außerdem dienen. ({2}) - Wenn mir der Präsident die Zeit dazugibt, dann gestatte ich gern eine Zwischenfrage.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Nein, die Zeit kann ich nicht dazugeben.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Präsident gibt mir die Zeit nicht, Herr Löffler. Ich bedaure es sehr. ({0}) - Dazu sage ich gleich am Schluß etwas anderes. Ich will zu den europäischen Problemen Stellung nehmen. ({1}) - Ich komme darauf zurück, Herr Immer. - Im Agrarbericht steht über die EG-Agrarpolitik wenig, obwohl sie in den Reden eine große Rolle gespielt hat und auch in der Rede des Herrn Ministers entscheidend war. Ich habe den Eindruck - was so schön im Agrarbericht steht, ist eine große Leistung -, daß derjenige, der die Agrarpolitik erlebt und wie der Herr Minister und sein Staatssekretär im Schmelztiegel steht, über diese Dinge ganz anders reden kann als derjenige, der einen Bericht darüber schreibt. Herr Minister, ich erinnere mich noch gut an Ihre erste Rede als Bundesernährungsminister. Da sagten Sie: Ich muß die Suppe auslöffeln - die Suppe der europäischen Agrarpolitik -, die ihr, die CDU/CSU, mir eingebrockt habt. Von da bis zur heutigen Rede, zu der ich Sie über weite Passagen beglückwünsche, ist ein weiter Weg. Damals war es nämlich schick und richtig, über die europäische Agrarpolitik zu wettern und gar zu poltern. Heute, wo sich selbst in Wiesbaden auf dem Deutschen Bauerntag der Präsident des Verbandes über die europäische Agrarpolitik zustimmend äußert, welche von der CDU entscheidend mit konzipiert wurde - ich könnte hier Namen nennen, gerade solche, die nach Bayern weisen -, ist es natürlich ganz leicht, sich zu dieser Politik zu bekennen. Dabei wird wirklich übersehen, wer sie konzipiert hat, wer sie durchgetragen hat, als sie schärfstens unter Beschuß genommen wurde. Aber jetzt, wo die Ergebnisse für die deutsche Landwirtschaft sicherlich nicht schlecht sind, will man das alles mit kassieren. Früher hat man sich dessen gerühmt, daß man diese Politik abgelehnt hat. Dennoch, Herr Minister, machen Sie auch in Ihrer Rede den Versuch, die Schafe von den Böcken zu trennen, wenn Sie sagen: Bei meinem Amtsantritt waren die wichtigsten Entscheidungen gefallen, auch in der Strukturpolitik die Weichen gestellt. In den Versammlungen heißt es dann etwa so: Bei euch, der CDU/CSU, wurden die Preise gesenkt, bei mir erhöht, der Mansholt-Plan vom Tisch geschafft und obendrein die soziale Absicherung geschaffen; ist das nun eine positive Bilanz oder nicht? ({2}) - Ja, das ist kurz und richtig, aber verzerrt, Herr Löffler, die Wahrheit. ({3}) - Nun, Sie trauen mir vielleicht nur drei Viertel Wahrheit zu. Ihnen, Herr Immer, würde ich nicht einmal ein Viertel zutrauen. ({4}) Nach der Fundamentierung dieser Agrarpolitik, an der Agrarpolitiker wie Herr Lücker entscheidende Verdienste hatten, und der Preisharmonisierung, die notwendigerweise vonstatten gehen mußte, konnte selbst der bundesrepublikanische Dauerbremser mit heroischer Gebärde als Sieger mit Preiserhöhungen aus Brüssel zurückkehren, weil er ganz genau wußte, daß ihm der blau-weiß-rote Treibsatz dieser Agrarpolitik dabei vor den Bauern noch einen Erfolg beschert hat. So sind die Realitäten. ({5}) Hier ist eine Anmerkung zu machen. Oft ist in Brüssel Kraftmeierei betrieben worden, Herr Minister, und zwar nicht nur durch Sie. Ich darf nur an den Eklat erinnern, den damals die 5 %ige Garantiepreiserhöhung gebracht hat, und dann auch an die Bedingungen der Zustimmung dieser Bundesregierung: Bestandsaufnahme, Inventar von Beihilfen. Dieses Inventar ist noch nicht vorhanden. Zu der Bestandsaufnahme trug die Bundesregierung - jetzt zitiere ich - „Ansätze von Lösungsversuchen" bei. In dem entscheidenden Europäsischen Rat in Rom wurde die Bestandsaufnahme nicht einmal besprochen, ({6}) die der Knalleffekt sein sollte und wo man einmal klar den Schwur leisten wollte, wie diese Agrarpolitik verändert werden soll. Aber was kann schon ein Fachminister erreichen - er hat sich angestrengt, gut -, wenn ihm zu viele Köche in die Suppe, man müßte fast sagen: spucken, sie versalzen und verderben? ({7}) - Ja, hier ' würde ich sagen: Da gibt es den Wirtschaftsminister, der in einer Zeit, wo der Bundesminister um den Grenzausgleich kämpft, ein Buch veröffentlicht, in dem, damit es auch alle gleich wissen, steht, daß der Grenzausgleich eine Wettbewerbsverzerrung sei. Sie hätten diese Debatten im europäischen Agrarausschuß erleben sollen, Herr Löffler! Wenn ich mich für den Grenzausgleich einsetze, dann sagen mir die Holländer dort: Herr Früh, wir würden Ihnen empfehlen, das Buch Ihres Wirtschaftsministers zu lesen. - Ich möchte wissen, wie Sie in einer solchen Situation argumentieren. Ich hätte eine andere Aufgabe für den Wirtschaftsminister, nämlich über die gerade auch die Landwirtschaft und die gemeinsame Agrarpolitik beeinträchtigende verschiedene Wirtschafts- und Inflationsentwicklung nachzudenken. Mit dem Einfachstrezept - ich meine, es klingt zwar überzeugend -: wir in der Bundesrepublik haben die geringste Inflationsrate, also bekommt die deutsche Landwirtschaft die niedrigsten Preisgarantien, ist doch keine Annäherung an eine gemeinsame Wirtschaft, Währung und Konjunktur zu erreichen. ({8}) Im Gegenteil, Herr Löffler: Hier werden Stabilitätserfolge in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft mit abgefeiert. Demjenigen, der schon die größten Inflationsraten hat, kann man nicht auch noch die höchsten Preise verschaffen. Da muß ein Wirtschaftsminister mit seinem Ressort und seinen Spezialisten darüber nachdenken, wie er von diesem Irrweg wegkommt. Derjenige, der die geringste Inflationsrate und die geringsten Preiserhöhungen hat, bekommt damit für das nächste Jahr schon wieder einen Vorsprung gegenüber den Ländern, die mit einer Preissteigerungsrate von zehn und mehr Prozent kämpfen und darüber hinaus auch noch in solcher Weise zusätzlich auf dem Gebiet der Lebenshaltungskosten be16166 lastet werden. Es geht doch nicht, diese Dinge so einfach regeln zu wollen. ({9}) - Herr Immer, ich habe leider nicht soviel Zeit, um Ihnen zu antworten. Da gibt es aber auch noch einen Finanzminister. Ich hoffe nicht, daß er der Landwirtschaft deshalb böse ist, weil er hin und wieder vom Pferd getreten wird und das Pferd der Landwirtschaft dient; das heißt, zur Zeit dient es mehr den Reitern als vor dem Pflug. Aber die Schlagworte vom Zahlmeister Europas, die es in die europäische Debatte eingeführt hat, haben böses Blut gemacht. ({10}) Wenn sich der Finanzminister über die Rolle als Zahlmeister Europas beklagt - wobei ich mich noch einmal an den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses, Herrn Schmidt, wenden darf: jeder weiß, worauf sich der „ungewöhnliche Anteil von 28 %" gründet, nämlich auf das Bruttosozialprodukt; dieser Anteil fällt ja nicht einfach irgendwo vom Himmel - und dann plötzlich vor Weihnachten ein Fettpolster entdeckt und nicht weiß, wie er sich vor lauter Milliarden brüsten soll, dann frage ich mich: Weiß er denn gar nicht, was er in der Kasse hat oder was los ist? ({11}) Noch ein Wort hierzu: Diese Milliarden, die da hochgespielt werden, sind 0,38 % - gegen diese Zahl ist nichts zu sagen, Herr Löffler - des Bruttosozialprodukts der neun EG-Länder im Jahr 1974 gewesen. Wenn Sie diese Versicherungsprämie als zu hoch, als unerträglich empfinden, dann müssen Sie sich einmal darüber informieren, daß für 260 Millionen Verbraucher in den USA - das entspricht der Zahl in der EG - der doppelte Betrag und für etwa die gleiche Zahl von Verbrauchern in der Sowjetunion 3 % - also das Zehnfache - des Bruttoinlandsprodukts benötigt werden und dennoch die Nahrungsmittelpleite nur dadurch vermieden werden kann, daß der mit seiner Agrarpolitik ständig karikierte und kritisierte Westen aushelfen muß. Das sind doch die Realitäten, um die es geht. ({12}) Ich will Ihnen zu dem „Zahlmeister Europas" noch ein Urteil vortragen - ich sehe, daß meine Redezeit gleich abgelaufen ist -, und da Würde ich an Ihrer Stelle, Herr Immer, genau zuhören. In Brüssel gibt es einen Mann, hochgeschätzt als Kommissar für Wirtschaft und Währung: Herr Haferkamp. Er hat auf diese Äußerung von Herrn Finanzminister Apel klipp und klar gesagt: Wer von der Zahlmeisterrolle Bonns in Europa spricht, bewegt sich an der Grenze von Ignoranz und Arroganz, also von Nichtwissen und Hochmut. ({13}) Nichtwissen könnte man einem Ressortminister bei diesem schwierigen Problem - Agrarpolitik - vielleicht noch nachsehen. Aber Arroganz, Hochmut verzeiht uns der Westen nicht. Wer als protzender Neureicher und gleichzeitig als Geizkragen auftritt - so stellt es sich für die anderen Länder dar - und einen Kniefall gegenüber dem Osten macht, hat kaum Chancen, Verständnis im freien Europa zu finden. ({14}) In einem solchen Klima kann es natürlich nicht ausbleiben, daß von der sozialistischen Fraktion - jetzt komme ich darauf zurück - in den Beratungen des Haushaltsausschusses wie Ziehtee aus dem Busch Kürzungsanträge in Höhe von 1,2 Milliarden Rechnungseinheiten für den Agrarfonds gestellt worden sind; allein in Höhe von 600 Millionen Rechnungseinheiten für den Milchsektor. Hier wollte ich Sie einmal fragen, wie Sie denn ohne Mittel mit dem Problem auf dem Milchsektor fertig werden wollen. In derselben Sitzung ist diese europäische Agrarpolitik von den Sozialisten als „Unfug mit Methode" abqualifiziert worden. ({15}) - Ja, das ist im Protokoll nachzulesen. ({16}) - Warum denn? Ist es soweit? - Ja, leider. ({17}) - Ja, das ist Pech, wenn man von der Zeit abgeschnitten wird, aber leider Ihr Glück, Herr Immer. ({18}) Ich will ein letztes Wort sagen. Der Bundeskanzler hätte in diesen Fragen natürlich nun noch stark apostrophiert werden müssen. Er weiß nämlich genau - das hat auch Herr Schmidt ({19}) in Ansätzen erkennen lassen -, daß Agrarpolitik in Europa nicht heißt, ständig den Bauern unter die Weste zu jubeln, oder „Unsinn mit Methode" zu machen, ({20}) sondern hier werden Regionalpolitik, Sozialpolitik, Mittelmeerpolitik und andere ({21}) Versäumnisse auf die Agrarpolitik abgeladen, weil es keine anderen europäischen Politiken gibt. ({22}) In einem solchen Kabinett, Herr Minister, wo Sie verlassen sind und immer größere Schwierigkeiten haben, wäre es vielleicht an der Zeit, sich nicht mehr darauf zu verlassen, daß Sie wie notwendig und erforderlich gestützt werden. Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen zu empfehlen, sich nach anderen Geschwistern umzuschauen, wenn Sie nicht mehr der „Bruder Josef" sind. Ich will jedoch nicht hoffen, daß es Ihnen wie Ihrem großen historischen Vorbild Joseph von Ägypten ergeht - das war der erste Ernährungsminister -, nämlich daß Sie von den Brüdern verkauft werden. ({23}) Ich will das nicht hoffen. Es ist nicht meine Aufgabe, darüber nachzudenken, in welcher Familie Sie künftig sein wollen oder könnten. Darüber machen sich andere Leute zur Zeit Gedanken. ({24})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, nach dem Hinweis auf die biblische Geschichte ({0}) kommt jetzt, beinahe hätte ich gesagt: Bruder Josef. Herr Minister, Sie haben das Wort. ({1})

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für das biblische Zitat. Ich glaube, wenn die Geschichte geschrieben wird, wird man einmal darüber nachdenken können, unter welcher Konstellation die Landwirtschaft fette und unter welcher sie magere Jahre erlebt hat. ({0}) Dabei wird manchen möglicherweise einiges aufgehen, das offensichtlich heute manchmal noch nicht gern gehört wird. ({1}) Eines kann ich sagen: Ich freue mich sehr über die Debatte, und ich freue mich über das große Maß an Zustimmung. Das ist für mich aber auch zugleich der Beweis dafür, daß diese Regierung den richtigen Kurs gesteuert hat; denn sonst könnte ich mir dieses Maß an Zustimmung - ich habe sehr genau aufgepaßt - und diese Bestätigung nicht erklären. Dafür bin ich, wie gesagt, sehr dankbar. Das heißt, in diesem Hohen Hause besteht in den Grundprinzipien Einigkeit. Es gab natürlich einige Kriegsschauplätze oder Nebenkriegsschauplätze; dort muß man ein klein wenig fighten. Daher will ich in meinem Schlußwort zu dieser Debatte zwischen baden, württembergischen Wahlkampf und genereller Tendenz trennen. ({2}) - Doch, es gab einige Bemerkungen dazu. ({3}) Ich darf z. B. den Herrn Kollegen Sauter daran erinnern - ({4}) - Der Kollege Niegel hat den Saal verlassen. Ich finde es nicht sehr schön, wenn einer zuerst so polemische Fragen stellt und sich dann entfernt. ({5}) Das finde ich nicht sehr schön, meine sehr verehrten Freunde. Aber ich freue mich darüber, daß mein Freund Richard Stücklen von der CSU als einziger noch hier ist. Ich hätte das nicht gesagt; aber ich halte es für nicht gut, wenn - ({6}) - Kiechle, jawohl! Herr Kiechle, ich habe Sie in diesem Moment leider übersehen. ({7}) Ich stand im Bann von Richard Stücklen. ({8}) Ich halte es nicht für sinnvoll, solche Fragen zu stellen und selbst nicht hierzubleiben. Dann sollte man lieber schweigen. Das möchte ich der Korrektheit wegen sagen, weil ich weiß, daß solche Fragen bewußt gestellt werden, um in Fachblättern entsprechende Bemerkungen auszulösen. ({9}) Dann muß man sich auch gefallen lassen, daß einem vorgehalten wird, den Saal vorzeitig verlassen zu haben. Nun komme ich aber zum Thema Baden-Württemberg, verehrter Herr Kollege Sauter, und das gilt auch für Herrn Kollegen Kiechle. Das ist der Südkomplex, der Südstaatenkomplex. ({10}) - Ja, der Südstaatenkomplex ist ein sehr bedeutsamer Komplex. Baden-Württemberg hat z. B. in der Gemeinschaftsaufgabe einen Anteil von 25 % aus Landesmitteln für die Flurbereinigung und bevorzugt die Wasserwirtschaft mit 30 %. Das ist das Problem Baden-Württembergs. Sie dürfen dann aber nicht hingehen und dem Bund die Schuld in die Schuhe schieben. Dann sagt Ihnen Baden-Württemberg, daß die Priorität beim Wasser und nicht bei der Flurbereinigung liegt. Das kann das Land Baden-Württemberg souverän entscheiden, aber Sie müssen sich in Zukunft von Ihrem Lande besser informieren lassen. In diesem Zusammenhang muß ich das Land Bayern loben, Herr Kollege Kiechle. In Bayern ist es umgekehrt. Da hat die Flurbereinigung 36 % und das Wasser 25 %. Bei allen Ansätzen hat der Bund mehr übernommen, als seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht, nämlich mehr als 60 %. Deshalb bin ich so empfindlich, wenn man dann hergeht und aus offensichtlich wohl erwogenen Zeitgründen in dieser Form polemisiert. Das ist nicht korrekt. Ich möchte hinzufügen, Herr Kollege Sauter, das Bundesbaugesetz ist in § 35 durch diese Regierung verbessert worden, ({11}) nachdem § 35 durch Ihre Regierung in einer für das Land sehr schlechten Form geprägt worden war. Das muß ich hier sagen, damit nicht der Eindruck entsteht, Sie hätten die Verbesserung bewirkt. Sie wissen aus den Ausschußberatungen ganz genau, wie stark die Widerstände waren und daß von einer Lex Ertl gesprochen wurde. Nun aber hierherzugehen und zu sagen, Sie hätten das gemacht, finde ich sehr kühn, das ist fast zu kühn. ({12}) - Wir bedanken uns für die Unterstützung. Wir werden uns weiter bemühen, die Opposition auf den Pfad der Tugend zu führen. Die Lockerung im Außenbereich ist in der Tat Folge einer Initiative dieser Regierung unter der Federführung meines Hauses. Darauf lege ich großen und entscheidenden Wert, weil sich alle anderen gegen diese Art gewehrt haben. Ich bin sehr dankbar, daß ich dafür im Parlament eine Mehrheit gefunden habe. Lassen Sie mich nun etwas zu den Baugenehmigungsangelegenheiten sagen. Ich beklage diese Dinge wie Sie, meine verehrten Kollegen. Dieser Bundesminister hat wiederholt an die Länderinnenminister geschrieben, doch auf dem Lande, wofür sie die Kompetenz haben, eine bessere Handhabung der Planungskompetenz durchzusetzen, aber bisher haben sie nichts getan. Bitte, Herr Kollege Sauter, in Ihrem Lande gibt es seit Jahren einen CDU-Innenminister. Führen Sie über diese Fragen der Planungshoheiten, der Planungsgenehmigungen einmal ein sehr ernstes sachliches Gespräch mit Ihrem Innenminister in Stuttgart, nicht aber mit dem Bundeslandwirtschaftsminister hier im Bundestag! ({13}) Über Schulpolitik will ich an dieser Stelle nicht reden. Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen, womit ich dann auch schon mit diesen Bemerkungen zum Schluß komme. Es war von der Erosion ländlicher Räume die Rede. Herr Kollege Sauter, diese Bundesregierung - und das ist vergleichbar - hat in sieben Jahren Infrastrukturmaßnahmen in einem Ausmaß durchgeführt - denken Sie z., B. an 600000 Arbeitsplätze -, wie es sie früher in sieben Jahren nicht gegeben hat. ({14}) Das ist ein Tatbestand, und da können Sie doch nicht von Erosion sprechen. ({15}) Schauen Sie sich doch dieses Land an, Herr Kollege Sauter, schauen Sie sich die Verbesserung der sozialen Verhältnisse in schwierigen Problemgebieten an! Ich nenne aus meiner Heimat den Bayrischen Wald, ich nenne aus Ihrer Heimat den Schwarzwald, ich nenne, Bayern und Hessen gemeinsam berührend, die Rhön, und ich nenne die Eifel. Ich muß Ihnen sagen, hier hat die Regionalpolitik dieser Bundesregierung und die Abstimmung der Regionalpolitik mit der Agrarstrukturpolitik im Zusammenhang mit der Entwicklung des Einzelbetrieblichen Förderungsprogramms einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. ({16}) Ich möchte mich in diesem Zusammenhang sehr dafür bedanken, daß Sie zum erstenmal ein Lobeswort für das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm gefunden haben. Draußen verteufeln Sie mich nach wie vor, bis jetzt ununterbrochen. Hier sprechen Sie mit zwei Zungen. ({17}) Einen Widerspruch muß die Opposition klären. Sie sagen einerseits, es gebe nicht genügend Geld auf die vielen Anträge, und andererseits, dieses Programm sei nicht wirkungsvoll. Das ist ein Widerspruch in sich selbst. Das müssen Sie hier einmal erklären, denn so geht es nicht. Es bleibt den Ländern überlassen, entsprechende Schwerpunkte zu bilden, und dies gilt wiederum für Bayern und Baden-Württemberg. Wenn ich Vorschläge mache, im Planungsausschuß Aufgaben zu konzentrieren, was glauben Sie wohl, was mir dann die Kollegen aus den Süd-Staaten, aber auch aus den Nord-Staaten antworten? ({18}) - Ich bin selber Südstaatler, ich bin sogar stolz darauf. Ich sage immer, wenn mich ein Amerikaner fragt, wo ich herkommen könnte: aus Texas. ({19}) Dazu bekenne ich mich vollinhaltlich. Ich möchte Ihnen, lieber Herr Kiechle, der ich Sie gerade so lachen sehe, sagen: ich freue mich über Ihre Bemerkung. Der einzige Unterschied zwischen Schweine-Zyklus und Ertl-Zyklus ist, wie Sie wissen, der: Schweine gibt es mehrere, Ertl gibt's nur einen. ({20}) Um auf die vorhin gestellte Frage zurückzukommen: Was sagen mir dann die Herren Länderminister? Wenn der Bund Konzentration der Aufgaben betreibt, dann bekommen wir von den Länderfinanzministern kein Geld. Sie brauchen nämlich das Geld des Bundes, um zu Hause überhaupt etwas zu bekommen. ({21}) Wenn z. B. bei einem Projekt der Gemeinschaftsaufgabe ein zu großer Bedarf angemeldet worden sein sollte und der Länderminister auch die Aussicht hätte - Sie sehen, ich sage das alles im Konjunktiv -, dieses Geld von seinem FinanzBundesminister Ertl minister zu bekommen, so ist er nicht gezwungen, das Geld zu verschenken, sondern er kann es zur Verstärkung verwenden. Er kann über 40 °/o Länderanteil hinausgehen. Aber weil sie das nie fertig bringen, muß der Bund immer mehr Geld herbringen. Das ist nämlich der Unterschied. ({22}) Ich habe hier einen Beweis, der mir gestern abend zugestellt worden ist - es geht hier um den Informationsdienst des Bayerischen Bauindustrieverbandes - und der die ländliche Entwicklung betrifft: Drastische Mittelkürzungen im bayerischen Wasserversorgungsbau. Im Schlußsatz, nach dem die Tabelle aufgeführt wird, heißt es dann: Damit beträgt die Kürzung der Haushaltsmittel bereits nahezu 42 Millionen DM, 28 % der ursprünglich veranschlagten Ausgaben. Das ist ländliche Politik im bayerischen Staatshaushalt, meine verehrten Freunde. Ich könnte auch sagen, in welchem Umfang, Herr Kollege Kiechle, die Mittel des so berühmten, allein seligmachenden bayerischen Wegs gekürzt wurden. Bei mir bleiben immerhin 1,2 Milliarden DM Bundesmittel. Plus 40 % Landesmittel, wenn die Länder dazu in der Lage sind, sind 12 Milliarden DM. ({23}) Herr Kollege Eigen, ich bin lange genug im Hohen Hause, um zu wissen: Das ist nicht zuviel, aber auch nicht zuwenig. Mit diesen 2 Milliarden DM kann man konsequente und gute Strukturpolitik machen. ({24}) - Nein, ich bin nicht falsch beraten, Herr Kollege. Der Bund trägt nach wie vor - unabhängig vom Küstenschutz, für den er noch zusätzlich Mittel aufwendet - die größere Last. ({25}) 1,2 Milliarden und 10 Millionen DM bleiben nach Vorschlag der Koalitionsfraktionen an Strukturmitteln auf Bundesseite übrig. ({26}) - Ich habe doch gar nichts eingesetzt. ({27}) Im Gegenteil, ich habe für 1,43 Milliarden DM gekämpft, während von Ihrer Seite die Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes sogar gekürzt werden sollten. Das muß man doch hier einmal sagen. ({28}) Sie machen doch hier von Zeit zu Zeit Spiegelfechterei. Ich kann jetzt zu diesem Thema wegen der fortgeschrittenen Zeit nur noch einige Bemerkungen machen. Herr Kollege Früh, es wäre reizvoll, Ihnen ausführlicher zu antworten. Aber statt dessen kann ich Ihnen das zur Lektüre empfehlen, was der Bundestagsabgeordnete Ertl am 19. Februar 1964 im Deutschen Bundestag gesagt hat. Ich habe damals - ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitieren - gesagt: Wir haben immer wieder betont, daß die Kostenharmonisierung auf allen Sektoren gleichlaufen muß, und ich möchte noch einmal auf die Bedeutung einer gemeinsamen Währung hinweisen. Was nützen gemeinsame Preise, wenn sie durch Währungsmanipulationen in Kürze verändert werden können? Meine sehr verehrten Damen und Herren, damals bin ich in diesem Hohen Hause ausgelacht worden - das meine ich mit : „Suppe eingebrockt", weil Sie nämlich nicht erkannt haben, daß die gesamte Basis der Konstruktion der EG-Agrarpolitik zusammenbrechen muß oder zwangsläufig nur noch mit Grenzausgleich usw. erhalten werden kann, wenn die Möglichkeit einer gemeinsamen Währungspolitik nicht gegeben ist. ({29}) - Verehrter Herr Kollege, ich mußte das hier sagen, weil Herr Früh - -({30}) - Ja bitte, wenn Sie wollen, wenn das nicht von meiner Zeit abgezogen wird, bin ich gern bereit, die Fakten auf den Tisch zu legen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis dafür, daß wir noch eine letzte Zwischenfrage zulassen, dann aber im Hinblick auf die Gesamtsituation zu Ende kommen. Bitte, Herr Kollege Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wenn es jetzt darum geht - ich hatte ja 1969 zitiert -, gestatten Sie vielleicht, Ihnen ein Zitat zu bringen, das unlängst im Europäischen Parlament gefallen ist. ({0}) - Ich habe gefragt, ob er es gestattet. - Würden Sie, Herr Bundesminister, dann nicht dem Finanzminister, wenn er die europäische Agrarpolitik so geißelt, das Zitat von Herrn Lardinoix beibringen, das in der letzten Woche im Europäischen Parlament gefallen ist, daß Generationen von Finanzministern - und dazu gehört ja wohl auch der derzeitige Bundeskanzler - in den letzten zehn Jahren lediglich einen negativen Beitrag zum Fortbestand bzw. zur Fortentwicklung der europäischen Zusammen16170 arbeit geleistet haben? Das kann doch nicht immer so bleiben.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Früh, Sie versuchen natürlich wieder, einen Nebenkriegsschauplatz aufzubauen. Ich habe Ihnen nur gesagt: Hier habe ich einen Beitrag, den Sie bitte einmal nachlesen sollten. Sie haben mir persönlich schwere Vorwürfe gemacht, ich hätte in den letzten sieben Jahren meine Meinung geändert. Ich habe meine Meinung nicht geändert, aber ich habe das in Europa politisch Mögliche getan - für unser Land und für Europa -, ({0}) obwohl ich wußte, daß die Basis dieser gemeinsamen Agrarpolitik natürlich gefährdet ist, solange es keine Wirtschafts- und Währungsunion gibt. Dieser Regierung, Herr Kollege Früh, können Sie keinen Vorwurf machen, daß die Wirtschafts- und Währungsunion nicht gekommen ist. Da müssen Sie die katastrophalen Folgen der konjunkturellen Verhaltensweisen Ende der sechziger Jahre untersuchen. Auch hierzu können Sie wieder die Protokolle des Hohen Hauses nachlesen. Sie werden dann sehen, wie oft damals gerade die Freien Demokraten gefragt haben: Warum wertet ihr nicht rechtzeitig auf? Man hat das zu einem falschen Dogma gemacht. Aber ich will das alles nicht vertiefen. Ich muß mich jedoch hier rechtfertigen. ({1}) Ich muß sagen können, verehrter Herr Kollege Früh, ({2}) Sie haben keinen Grund, hier zu sagen, Sie hätten nicht grundlegende Fehler gemacht. Im übrigen: Daß ein Finanzminister - da bin ich voll mit ihm solidarisch - auch das Recht und die Pflicht hat, darauf Obacht zu geben, ob in Europa mit dem Geld sparsam umgegangen wird, halte ich für selbstverständlich. ({3}) Es ist doch sicherlich so, daß man in internationalen Gremien mit dem Geld anderer möglicherweise leichter umgeht als dort, wo die Verantwortung zum Bürger näher ist. Ich glaube, das darf man sagen, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen. Aber lassen Sie mich ein letztes sagen. Es ist auch das Problem der Lösung der Überschußfrage angesprochen worden. Unabhängig von der Einkommensentwicklung in den letzten sieben Jahren - ich will sie gar nicht bewerten; die Landwirte können sie besser bewerten als alle Redner hier, und dabei will ich es belassen - glaube ich sagen zu können, daß es in diesen sieben Jahren gelungen ist, die deutsche Stellung am Markt als Konkurrent und Teilnehmer am Wettbewerb zu stärken. ({4}) : Unsere Marktanteile sind zurückgegangen!) Dazu hat aber entscheidend die Stabilitätspolitik beigetragen. Diese Stellung im Wettbewerb wurde gestärkt durch unsere Stabilitätspolitik, weil sie geringere Kosten bedeutete im Vergleich zur Landwirtschaft in Frankreich, Italien, Großbritannien und den Niederlanden. ({5}) Wer das noch nicht glaubt, dem schicke ich das schriftlich. Er soll sich hier melden; ich will Sie nicht länger aufhalten. Ich kann Ihnen die Zahlen schicken. Ich will das dann gerne einmal nachholen. Ich glaube, Sie brauchen in der Tat einmal Nachhilfeunterricht auf diesem Gebiet. Die Zahlen liegen ja vor. Liebe Freunde, die Währungsunion mußte scheitern, weil sie bei der gesamten Verhaltensweise unserer Partner, die ich zutiefst bedaure, uns keine andere Chance läßt als in die Inflationsmentalität einzusteigen oder uns durch Stabilitätspolitik abzuhängen, ohne daß die Gemeinschaft für alle Folgen sozial und wirtschaftlich haftet. ({6}) Das ist der Punkt. Wir können eine Wirtschafts- und Währungsunion sofort haben, und zwar - in dieser Hinsicht muß bei der Opposition Klarheit bestehen - entweder in Form der Inflationsgemeinschaft oder in Form der Aufgabe unserer Währungsüberschüsse. Ich sage Ihnen allerdings: Eine Inflationsgemeinschaft wird die Gemeinschaft politisch nicht überleben. ({7}) Es ist die wichtigste Aufgabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß die Bundesrepublik sozusagen als Gesunde den Gesundungsprozeß unterstützt. Daher müssen wir länger auf die Wirtschafts- und Währungsunion warten. Ich sage auch nicht, daß jemand in der Vergangenheit einen prinzipiellen Fehler in dieser Hinsicht gemacht hat. Man mußte allerdings wissen, daß eine der Währungsunion vorauslaufende Agrarpolitik die Schwierigkeiten bringen mußte, die wir nach wie vor zu lösen haben. ({8})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der Aussprache. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlagen einschließlich des Entschließungsantrages - Drucksache 7/4891 - dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir stehen damit am Ende der Plenarsitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 31. März 1976, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.