Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie mir scheint, ist die Verabschiedung dieses Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz Pressefusionsgesetz genannt, mehr als überfällig. Ich bin der Meinung, wenn wir dieses Gesetz heute nicht verabschiedeten, wären in zehn Jahren wahrscheinlich alle JourDr. Jens
nalisten in der Bundesrepublik Deutschland nur noch in fünf bis sechs großen Verlagen tätig. Die Folgen dieser Konzentrationsentwicklung auf dem Zeitungsmarkt wären angepaßte Journalisten - das fängt schon bei den Volontären an - und ein abgestimmter einheitlicher Meinungsbrei, den wir uns meines Erachtens in einer offenen Gesellschaft, in unserer Demokratie überhaupt nicht erlauben können. Die Meinungsvielfalt in der Presse ist ein wichtiges Kriterium einer offenen Gesellschaft.
Das Gesetz gegen die Pressekonzentration wird natürlich die Konzentrationsentwicklung in diesem Bereich nicht etwa verhindern, aber es wird sie zumindest vermindern. Deshalb haben auch die IG Druck und Papier, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Journalistenverband für diesen Entwurf gestimmt und sich in dem Anhörungsverfahren dafür ausgesprochen. Nur die Verleger und die CDU/CSU haben sich gegen diesen Entwurf ausgesprochen.
Die CDU/CSU hält diesen Entwurf, wie sie sagt, für ordnungspolitisch bedenklich. Ich weiß nicht so recht, was man darunter versteht. Sie hat in der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht, es sei fraglich, ob der Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz dafür habe. Die Zusagenregelung sei eine neue Dimension der Fusionskontrolle überhaupt, und das Aufgreifkriterium, das sie gegenüber dem Ansatz im Entwurf verdoppeln will, sei viel zu hoch. In vier Sitzungen und in zwei Anhörungsverfahren hat sich der Wirtschaftsausschuß mit diesen Bedenken ausführlich befaßt. Alle diese Bedenken sind weitgehend widerlegt. Dennoch heißt es seitens der Opposition: njet.
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Mir scheint es unbedingt notwendig, daß wir, wo immer es geht, in allen lokalen Bereichen und Regionen zwei Zeitungen erhalten. Auch für Politiker - das sollten wir einmal zur Kenntnis nehmen - ist es sehr wichtig, nicht einer Zeitung quasi auf Gedeih und Verderb gegenüberzustehen. Man kann furchtbar in Abhängigkeit einer einzigen Monopolzeitung geraten. Ich würde sogar sagen, eine Monopolzeitung hat die Macht, einen Kandidaten einer Partei auszuwählen oder fallen zu lassen. Viele von uns haben das am eigenen Leibe irgendwann einmal zu spüren bekommen.
Der zweite Vorwurf lautet, was hier angeboten werde, seien keine wirtschaftlichen Hilfen. Das ist sicherlich nicht falsch. Zu diesem Vorwurf wird mein Kollege Sieglerschmidt ausführlich etwas sagen. Ich lehne auf alle Fälle wirtschaftliche Hilfen ab, die mit der Gießkanne kleine und große Zeitungen begünstigen. Das aber waren bisher Ihre Vorschläge. Eine solche wirtschaftliche Hilfe würde die Konzentration auf dem Zeitungsmarkt nur weiter vergrößern, und das können wir alle wirklich nicht wollen.
Die Fusionskontrolle ist aber nicht nur für Politiker wichtig, sondern meines Erachtens auch für die Journalisten selbst. Wenn wir nämlich die Fusionskontrolle haben, können die Journalisten sehr wohl über den Betriebsrat bei einer anstehenden Fusion einmal ein Wörtchen mitreden und sich auf diese Art und Weise ein bißchen der Freiheit, die sie vielleicht noch haben, erhalten.
Der einzige Punkt, der am Schluß unserer Beratungen im Wirtschaftsausschuß noch strittig war, war das sogenannte Aufgreifkriterium. Wir wollen es bei 25 Millionen DM festsetzen, Sie wollen es auf 50 Millionen DM verdoppeln. Für mich ist das nur ein gradueller Unterschied. Deswegen verstehe ich Ihr Nein zu diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht. Ein Aufgreifkriterium von 25 Millionen DM würde bedeuten, daß wir bei einer Fusion Tageszeitungen packen, die etwa 70 000 bis 80 000 Auflage haben. Es gibt jetzt schon Zeitungsmärkte in dieser Größenordnung, die von einem Monopol beherrscht werden. Gerade die Monopolstellung einer Zeitung auf einem lokalen Markt aber müssen wir unbedingt verhindern. Wenn wir das aber wollen, müssen wir zu dem von uns geforderten Aufgreifkriterium ja sagen.
Im übrigen sind viele Zeitungen bei einem Umsatzvolumen von 25 Millionen DM doch noch sehr, sehr gesund, so daß dort eben für Fusionen überhaupt kein Anlaß zu sehen ist. Ein Experte hat bei den Anhörungen sogar gesagt, es sollte überhaupt kein Aufgreifkriterium eingeführt werden; er sei der Meinung, auf dem Zeitungsmarkt habe grundsätzlich eine Fusionskontrolle zu gelten.
Ich habe mir einmal die Fusionen angesehen, die in den letzten drei Jahren auf dem Zeitungsmarkt durchgeführt wurden. Es waren insgesamt 18 Fusionen. Sechs dieser Fusionen hätten verhindert werden können, wenn wir das Gesetz drei Jahre früher gehabt hätten. Es waren, wie wir immer sagen, sogenannte Lustfusionen. Dort lag überhaupt kein wirtschaftlicher Zwang vor. Die haben nur fusioniert, um ihre Macht auf ihrem Zeitungsmarkt zu vergrößern. Bei den restlichen zwölf Fällen, die wirklich echte Sanierungsfusionen waren, welche keiner von uns hier verhindern will, ist nicht auszumachen, inwieweit das aufnehmende Unternehmen vorher kräftig dazu beigetragen hat, daß das aufgenommene Unternehmen kaputtgegangen ist.
Der Verdrängungswettbewerb auf dem Zeitungsmarkt - die Experten wissen das - ist, wie ich sagen möchte, ruinös. Wir haben gerade im Bereich der Abonnentenwerbung zum Teil Praktiken festzustellen, die meines Erachtens haarsträubend sind.
Ich bin auch froh, daß wir das Problem der Zusagenregelung quasi durch ein Urteil des Kammergerichts dennoch gelöst haben, in dem zum Ausdruck kommt, daß solche Zusagen möglich sind. Ich meine, es sind öffentlich-rechtliche Verträge, die in Zukunft von den fusionierenden Unternehmen einzuhalten sind.
Ich bin auch froh darüber, daß das Bundeswirtschaftsministerium eine Weisung herausgehen läßt, daß diese Zusagen im Rahmen einer Nichtuntersagung einer Fusion in Zukunft eingehalten und auf alle Fälle veröffentlicht werden müssen, und zwar im Bundesanzeiger und im Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts; denn ohne Zusagen käme es
eher zu einem Verbot. In Sanierungsfällen können wir das alle nicht wünschen. Die Zusagenregelung, so wie sie vom Amt praktiziert wird, liegt durchaus auch im Interesse der Unternehmen selbst.
Erfahrungen haben auch gezeigt, daß Zusagen plus Nichtuntersagung einer Fusion in der Lage sind, zum einen ein Unternehmen zu retten und wirtschaftlich gesund zu machen, zum anderen sogar den Wettbewerb auf einem Markt zu erhöhen. Ich darf deshalb in diesem Zusammenhang darum bitten, den Entschließungsantrag, den wir vorgelegt haben, anzunehmen. Er verdeutlicht noch einmal das, was ich eben über die Zusagen äußerte. Er bittet ferner darum, daß innerhalb von zwei Jahren über die Erfahrungen mit diesen Zusagen berichtet wird, so daß wir uns dann alles noch einmal in Ruhe ansehen können.
Ich bin einigermaßen stolz darauf, daß dieser Gesetzentwurf heute verabschiedet wird. Er ist nämlich schon von dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt angekündigt worden.
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Wir haben uns nach langen Beratungen in der Koalition und auch in der eigenen Fraktion zu diesem Entwurf durchgerungen. Er ist meines Erachtens ein guter, ein fairer Kompromiß. Auch dieser Entwurf wird, wie wir alle wissen, nicht im Bundesrat scheitern, denn die Experten haben eindeutig festgestellt, daß die Kompetenz für diesen Entwurf beim Bund liegt.
Ich meine, es ist schade, daß sich die CDU/CSU nicht dazu durchringen kann, dem Entwurf zuzustimmen. Ich habe das Gefühl: Sie macht in der Tat Opposition um ihrer selbst willen. Sie lehnen den Entwurf wegen des Aufgreifkriteriums ab, das Ihnen ein bißchen zu niedrig angesetzt erscheint. Aber das ist meines Erachtens kein ausreichender Grund. Wenn Sie wirklich, wie Sie das immer sagen, die Konzentration auf dem Pressemarkt verhindern wollen, dann müssen Sie auch ja zu diesem Entwurf sagen, sonst werden Sie unglaubwürdig, Sie machen sich lächerlich.
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- Sie haben nicht aufgepaßt, Herr Benz. „Lächerlich" habe ich gesagt.
Ich habé außerdem das Gefühl - meine Herren von der Opposition, das darf ich Ihnen zum Schluß sagen -, es ist in der letzten Zeit bei mir fast zur Gewißheit geworden: Sie wollen im Grunde die Konzentration auf den wirtschaftlichen Märkten gar nicht bekämpfen. Nein, Sie wollen die Konzentration ökonomischer Macht.
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Ich darf hinzufügen: Die letzten zwei Jahre haben auch gezeigt, daß Sie sogar die Konzentration staatlicher Macht wollen.
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Aber die Macht des einen ist die Unfreiheit des I anderen. Die Symbiose zwischen ökonomischer Macht und staatlicher Macht ist in der Tat ein entscheidendes Kriterium eines jeden Faschismus gewesen.
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Ich sage Ihnen: Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
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Sie machen hier doch einmal mehr deutlich, daß Sie die Konzentration auch auf dem Pressemarkt fördern wollen, wenn Sie nein zu diesem Gesetzentwurf sagen.
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Wir werden nur dann die Freiheit in der Gesellschaft überhaupt erhalten, wenn wir uns mit allen Mitteln gegen jede Konzentration wehren: gegen die Konzentration ökonomischer Macht und gegen die Konzentration staatlicher Macht. Wir Sozialdemokraten haben das in der Vergangenheit an Hand der Gesetze deutlich gemacht, und ich sage Ihnen: wir werden das auch in Zukunft tun.
(Beifall bei der SPD und der FDP - Dr.
So ein saudummes Geschwätz!)
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Schmidhuber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst auf die letzte Bemerkung des Kollegen Dr. Jens eingehen, die Union wolle die Konzentration. Wie durch Zwischenrufe bereits festgestellt worden ist, ist dies eine einigermaßen unsinnige Bemerkung.
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Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eines sagen: Wir haben es nicht nötig, uns von der SPD ordnungspolitische Prinzipientreue bestreiten zu lassen. Was die SPD von der Wettbewerbspolitik, von der Marktwirtschaft und von der Funktion des Wettbewerbs hält, kann man in den Parteitagsprotokollen der SPD und in der Postille „Die neue Gesellschaft" nachlesen.
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Meine Damen und Herren, für uns ist Wettbewerbspolitik Ordnungspolitik, die die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung mit einem Optimum an wirtschaftlichen Ergebnissen verbinden soll, und nicht eine Handfessel für Unternehmer, wie das die Ansicht einiger SPD-Politiker ist.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion sieht sich nicht in der Lage, dem vorliegenden Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuzustimmen. Uns fällt die Ablehnung deswegen nicht leicht, weil bisher gesetzgeberische Maßnahmen
auf dem Gebiete des Wettbewerbsrechts stets einstimmig von diesem Haus verabschiedet wurden. Uns ist nach wie vor an einer Gemeinsamkeit in Fragen des Wettbewerbsrechts und der Ordnungspolitik gelegen. Wir sind aber nicht bereit, Regelungen zuzustimmen, die wir für unwirksam, sachlich verfehlt und ordnungspolitisch bedenklich halten.
Wir lehnen die dritte GWB-Novelle ab, weil sie keine sachgerechte Lösung des Problems der Konzentration auf dem Sektor Pressewesen darstellt. In das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollen Bestimmungen aufgenommen werden, die primär anderen Zwecken als der Gewährleistung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung dienen. Sie stellen somit einen Fremdkörper innerhalb des Wettbewerbsrechts dar. Nachdem die Koalition unseren Änderungsanträgen hinsichtlich des Aufgreifkriteriums und der Bagatellklausel, die wir im Ausschuß gestellt haben und die darauf abzielen, eine gewisse Symmetrie zwischen der allgemeinen Fusionskontrolle und der spezifischen Fusionskontrolle, der Pressefusionskontrolle, herzustellen, nicht gefolgt ist, müssen wir daraus die Konsequenzen ziehen und den Entwurf ablehnen.
In der vorliegenden Form hat der Entwurf den Charakter eines medienpolitischen Maßnahmengesetzes. Es soll ein Instrumentarium geschaffen werden, mit dem man bestenfalls gewisse Symptome verhindern kann, aber nicht alle im übrigen. Es werden aber nicht die Ursachen beseitigt, weshalb Presseunternehmen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben.
Angesichts der wirtschaftlichen Lage, in der sich derzeit eine Reihe von kleineren und mittleren Unternehmen befindet, haben sie nur die Wahl zwischen einer Fusion zur rechten Zeit, d. h. zu einem Zeitpunkt, in dem ihre Liquidität und Kapitalstruktur noch einigermaßen intakt ist, oder einer langsamen wirtschaftlichen Auszehrung, an deren Ende die Liquidation oder der Konkurs steht. Will man dies verhindern - hierfür sprechen in erster Linie staatspolitische Gründe, nämlich die Aufrechterhaltung der Meinungsvielfalt im Pressewesen als einer wesentlichen Funktionsbedingung eines freiheitlichen demokratischen Systems -, so muß man die wirtschaftliche Lage dieser Unternehmen verbessern, und das kann man nicht einfach mit dem Hinweis auf die Gießkanne abtun.
Darüber wird seit langer Zeit diskutiert, aber bisher ist nichts, wenn man von gewissen Kredithilfen einmal absieht, geschehen. Dies ist ein schweres Versäumnis der Bundesregierung und der Koalition. Ohne konkrete Hilfsmaßnahmen, z. B. auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, bedeutet die Pressefusionskontrolle nichts anderes, als daß die bedrängten kleineren und mittleren Presseunternehmen auf die Einbahnstraße zum Konkursrichter verwiesen werden.
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Lassen Sie mich nun unsere ordnungspolitischen Bedenken gegen die vorgeschlagene Pressefusionskontrolle begründen. Die Fusionskontrolle soll die Erlangung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch sogenanntes externes Wachstum, d. h. durch den Zusammenschluß von Unternehmen, verhindern. Inwieweit eine branchenspezifische Fusionskontrolle sinnvoll ist, also eine Fusionskontrolle, die über eine Differenzierung der Aufgreifkriterien von Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen hinausgeht, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verankert ist, braucht in diesem Zusammenhang nicht abschließend beurteilt zu werden. Aber es ist sicher, daß eine zu breite und zu stark differenzierende Auffächerung der Aufgreifkriterien den Mißbrauch der Konzentrationskontrolle für einen Branchendirigismus ermöglichen würde. Davon aber einmal abgesehen wird man die ordnungspolitische Qualität einer branchenspezifischen Fusionskontrolle auch danach beurteilen müssen, welche Relation zwischen dem branchenspezifischen und dem allgemeinen Aufgreifkriterium der Fusionskontrolle besteht. Diese Symmetrie ist mit dem Verhältnis 20 : 1 im vorliegenden Entwurf nicht gewahrt.
Primäres Ziel der vorgeschlagenen Regelungen, der Herabsetzung des Aufgreifkriteriums von 500 Millionen DM bei der allgemeinen Fusionskontrolle auf 25 Millionen DM für Presseunternehmen, ist nicht die Kontrolle von Marktmacht; denn Marktmacht wird erst dann für die Zusammenschlußkontrolle interessant und relevant, wenn ein Minimum an Finanzkraft, an Marktvolumen und an Relevanz des Teilmarktes für das gesamtwirtschaftliche Geschehen überschritten ist.
Dieser in § 24 Abs. 8 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen niedergelegte Grundgedanke soll jetzt für den Sonderfall der Pressefusionskontrolle in wesentlichen Punkten durchlöchert werden, um die sogenannte Pressevielfalt auf dem lokalen Zeitungsmarkt aufrechtzuerhalten. Pressevielfalt und ökonomischer Wettbewerb sind aber nicht identisch. Das ist die schwache Stelle dieses Entwurfs.
Im Grunde genommen geht es also nicht um die Marktmacht von Presseunternehmen, die sich in der Ausbeutung von Zeitungsbeziehern oder in der Behinderung von Konkurrenten äußern müßte, sondern um die publizistische Macht sogenannter Monopolzeitungen und um die Auswirkungen einer eventuellen Ausübung dieser publizistischen Macht auf lokale Politiker und das lokale öffentliche Leben.
Ich will nicht bestreiten, daß dies ein medienpolitisches Ärgernis sein kann. Ich muß hinzufügen - und deshalb habe ich die Ausführungen des Kollegen Dr. Jens hinsichtlich der Monopolzeitungen sehr interessant gefunden -, daß die Unionsparteien im Gegensatz zur SPD nicht über regionale Zeitungsmonopole verfügen. Ich darf nur ein Beispiel aus Bayern nennen: die „Frankenpost". Ich bin gern bereit, dem Kollegen Dr. Warnke Ihre Ausführungen über die Schädlichkeit von solchen Monopolzeitungen noch besonders zu erläutern.
Ich bin der Meinung, daß man dieses medienpolitische Ärgernis der Monopolzeitungen nicht durch eine Zweckentfremdung der Wettbewerbspolitik
beseitigen kann, sondern nach anderen Lösungsmöglichkeiten hätte suchen müssen.
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- Nach Lösungsmöglichkeiten, die von uns vorgeschlagen worden sind und die gerade im Bereich des Pressewesens nur in entsprechenden wirtschaftspolitischen Förderungsmaßnahmen bestehen können, nicht in pressespezifischen Eingriffen.
Der Herr Kollege Dr. Jens hat in diesem Zusammenhang - was sehr bezeichnend ist - den Ausdruck „Presseunternehmen packen" gebraucht. Ich glaube, das trifft genau das, was gewisse Politiker von Ihrer Seite damit bezwecken wollen.
Nun, meine Damen und Herren, wettbewerbsrechtlich soll das Problem dadurch gelöst werden, daß man künstlich einen relevanten Markt für Lokalzeitungen postuliert und mit einem besonders niedrigen Aufgreifkriterium arbeitet. Damit aber bewirkt man den höchst bedenklichen Umschlag einer branchenspezifischen Fusionskontrolle in eine Maßnahme von anderer politischer Qualität, nämlich Medienpolitik, wenn das auch verfassungsrechtlich formal in Ordnung sein mag, was die Gesetzgebungskompetenz anbelangt. Die Fixierung auf den relevanten Markt für Lokalzeitungen birgt außerdem die Gefahr in sich, daß ein anderer wettbewerbspolitischer Aspekt übersehen wird, nämlich der, inwieweit Fusionen von Presseunternehmen die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen gegenüber anderen Medien steigern würde - ein Gedanke, der auch im Bericht der Pressekonzentrationskommission enthalten ist.
Die Beseitigung der Bagatellklausel des § 24 Abs. 8 Nr. 2 GWB führt dazu, daß auch der Anschluß kleiner und kleinster Presseunternehmen, die über der 25-Millionen-DM-Umsatzgrenze liegen, praktisch unmöglich wird. Um sich nicht der lästigen und zeitraubenden Prozedur des Fusionskontrollverfahrens unterziehen zu müssen, werden die größeren und leistungsfähigeren Presseunternehmen in Zukunft von dem Erwerb von derartigen Marginalunternehmen, die auch für die Erhaltung der Pressevielfalt von geringer Bedeutung sein dürften, Abstand nehmen. Der einzige Effekt der Ausschaltung der Bagateliklausel dürfte sein, daß die Eigentümer kleinerer Presseunternehmen um die Chance gebracht werden, ihre Vermögenssubstanz durch eine Fusion zu retten.
Aus einer Definition des lokalen Zeitungsmarktes folgt nämlich, daß Aufgreif- und Eingreifkriterien bei der Pressefusionskontrolle praktisch identisch sind. Dies bedeutet, daß eine Fusion von Presseunternehmen, die der Fusionskontrolle unterliegt, im Regelfall auch untersagt werden muß.
Die Pressefusionskontrolle kann andererseits den Verdrängungswettbewerb, der heute auf einer Reihe von regionalen und lokalen Zeitungsmärkten getrieben wird, nicht mildern. Eines der Mittel, mit denen man die Marktstellung eines finanziell schwächeren Zeitungsunternehmens untergraben kann, ist das sogenannte Einfrieren des Abonnementpreises. In solchen und anderen Fällen sollte geprüft werden, ob nicht das Instrument der Mißbrauchsaufsicht
über marktbeherrschende Unternehmen wirkungsvoller als bisher eingesetzt werden kann. Dies ist sicherlich ein schwieriges Problem schon wegen des Zielkonflikts gegenüber dem Verbraucherinteresse an einem möglichst niedrigen Abonnementpreis. Es sollte auch geprüft werden, ob man nicht durch eine Änderung des UWG die Anforderungen an den Nachweis eines sittenwidrigen Vernichtungswettbewerbs senken sollte. Das wäre auch für andere Sektoren der Wirtschaft von Bedeutung.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion begrüßt es, daß die Koalition die ursprünglich in Aussicht genommene Erweiterung des Katalogs der Untersagungsmöglichkeiten gemäß § 24 Abs. 2 GWB um den Fall, daß Zusagen nicht eingehalten werden, fallengelassen hat, da in der Zwischenzeit die Rechtsprechung die grundsätzliche Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen über wettbewerbsstrukturelle Maßnahmen, z. B. den Verkauf von Produktionsanlagen, bejaht hat. Wir halten die vom Bundeskartellamt praktizierte Zusagenregelung grundsätzlich für nützlich, weil sie der Kartellbehörde größeren Spielraum bei der Zusammenschlußkontrolle gibt und zu Verbesserungen der Wettbewerbsstruktur beitragen kann, ohne daß die Untersagung eines Zusammenschlusses verfügt werden muß. Unsere Sorge ging dahin, daß sich aus der Zusagenpraxis des Bundeskartellamts eine laufende Verhaltenskontrolle der fusionierten Unternehmen entwickeln könnte. Wir werden die weitere Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet sehr sorgfältig beobachten.
Bei der in der nächsten Legislaturperiode anstehenden Novellierung des Kartellgesetzes wird zu prüfen sein, ob die Transparenz des Verfahrens, in dem die Zusagen erteilt werden, erhöht werden kann. Bisher wurde nur das Ergebnis veröffentlicht. Es ist zu prüfen, ob im Fall von Zusagen die Anhörung eines weiteren Kreises von Betroffenen als nur die unmittelbar Verfahrensbeteiligten sachdienlich ist.
Meine Fraktion hat sich auch gegen die rückwirkende Inkraftsetzung der 3. GWB-Novelle zum 28. Januar 1976, also auf den Tag der abschließenden Beratung im Wirtschaftsausschuß, ausgesprochen. Dabei war die Überlegung maßgebend, daß man die nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen zulässige Rückwirkung nur in Ausnahmefällen und nur aus zwingenden Gründen in Anspruch nehmen sollte. Solche aber konnte die Bundesregierung nicht dartun. Es konnte kein Fusionsvorhaben genannt werden, daß man durch die Rückwirkung hätte erfassen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eine allgemeine Sorge ausdrücken, die sich auf die Entwicklung der Wettbewerbspraxis und der Wettbewerbspolitik in den letzten Jahren bezieht. Ich meine den Einsatz der Wettbewerbspolitik zu Zwecken, die mit dem Schutzobjekt, nämlich der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs, nichts oder nur sehr wenig zu tun haben. In diesem Zusammenhang ist die Überspannung der sogenannten Preismißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu nennen. Die
Monopolkommission hat auf diese Gefahr hingewiesen. Die Rechtsprechung hat die Dinge in der Zwischenzeit zurechtgerückt. Wir halten es für gefährlich, die Wettbewerbspolitik einem anderen Zweck, z. B. der Konjunktur- oder der Verbraucherpolitik, dienstbar zu machen, weil dadurch das Wesen der Wettbewerbspolitik Schaden leiden könnte.
Dies ist auch unser Haupteinwand gegen die vorliegende dritte GWB-Novelle. Bei einer Überspannung des Zwecks der Fusionskontrolle sollen medienpolitische Ziele verfolgt werden, die nach unserer Auffassung wesentlich besser und ordnungspolitisch unbedenklich durch Förderungsmaßnahmen zugunsten der bedrängten Presseunternehmen erreicht werden könnten. Mit der dritten GWB-Novelle werden der Presse Steine statt Brot verabreicht.
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Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Einige ganz kurze Worte zu dem, was Sie, Herr Kollege Schmidhuber, hier ausgeführt haben.
Erstens. Was Ordnungspolitik und Fusionskontrolle anlangt, so würde ich mich an Ihrer Stelle nicht allzustark in die Brust werfen. Es hat ja lange gedauert, und es mußte erst eine unter Ihrer Führung stehende Regierung abgelöst werden, bevor es zur zweiten Kartellnovelle kommen konnte.
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Zweitens. Herr Kollege Schmidhuber, wir sind keineswegs dabei, das Kartellrecht zweckwidrig, zur Erreichung anderer wirtschafts- oder konjunkturpolitischer Ziele einzusetzen. Wo dies geschieht, gibt es im übrigen eine Rechtsprechung. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß bei der Preismißbrauchsaufsicht bereits etwas geschehen ist.
Drittens. Herr Schmidhuber, Sie haben gesagt, dies sei ein Fremdkörper und dies sei eine andersgeartete Zielsetzung als die Grundzielsetzung des Wettbewerbsrechts. Dies wird zunächst einmal von niemandem bestritten. Aber wenn Sie so argumentieren, dann hätten Sie auch im Ausschuß und im Ausschußbericht sagen müssen, daß Sie den Grundgedanken dieses Gesetzes ablehnen. In Wirklichkeit haben Sie aber gesagt, wenn das Aufgreifkriterium verbessert, also erhöht würde, sähen Sie sich in der Lage, dem zuzustimmen. Entweder ist das Grundsatzkritik und grundsätzliche Ablehnung oder aber es ist die Frage der Ausgestaltung dieses Gesetzes, über die wir miteinander diskutieren. Wir sind der Meinung, daß wir uns auch in den Ausschußverhandlungen auf gemeinsamer Grundlage bewegt haben, aber in der Ausgestaltung unterschiedlicher Meinung waren. Wir sind der Auffassung, daß die Aufgreifkriterien und die Streichung der Bagatellklausel für diesen Zweck sinnvoll und richtig sind. Wir sind ebenfalls der Meinung, daß gegen die rückwirkende Inkraftsetzung des Gesetzes keine Bedenken anzumelden sind.
Ich will hier, meine Damen und Herren, unsere Überzeugung nicht verschweigen, daß man natürlich auch zu wirtschaftlichen Maßnahmen greifen muß und daß wir allein mit einer Fusionskontrolle den wirtschaftlichen Problemen der Presse nicht begegnen können. Wenn Sie allerdings meinen, daß wir gerade die mittleren und kleineren Presseunternehmen auf die Einbahnstraße des Konkurses, wie Sie das so plastisch formuliert haben, verweisen, so muß ich empfehlen, Bilanzen der kleineren und mittleren Unternehmen zur Hand zu nehmen und zu studieren. Das sind gar nicht so sehr diejenigen Unternehmen, die von den Schwierigkeiten betroffen sind.
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- Sie sind in sehr viel geringerem Maße betroffen als die mittleren bis größeren Unternehmen. Das können Sie aus allen Bilanzen ablesen.
Immerhin, meine Damen und Herren, sind wir durchaus bereit, auch über diese Frage zu diskutieren. Nur meine ich, daß z. B. der Entwurf, den nachher Herr Kollege Professor Klein begründen wird, der Sache nach nicht zu diesem, sondern zum nächsten Tagesordnungspunkt gehört. Wir wollen uns dazu in der Sache auch bei dem nächsten Tagesordnungspunkt äußern, der Form halber nur jetzt schon sagen, daß wir Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß beantragen wollen.
Für meine Fraktion stimme ich in der dritten Lesung dem Entwurf zur Pressefusionskontrolle, wie er hier vorgelegt worden ist, zu und bitte ebenso darum, dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, der sich auschließlich mit Pressefusionsproblemen, nicht mit den wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, weil nur das Gegenstand dieses Tagesordnungspunktes ist, zuzustimmen.
Herr Schmidhuber, Sie haben noch einmal das Thema der Zusagenregelung angeschnitten. Ich halte dies unter allgemeinen wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten eigentlich für das interessanteste Thema, das in diesem Zusammenhang erörtert worden ist. Lassen Sie mich bitte dazu einige Ausführungen machen.
Im Mittelpunkt der Erörterungen über die dritte Kartellnovelle hat von Anfang an das Problem der Zusagen über die zukünftige Ausgestaltung eines Unternehmenszusammenschlusses gestanden, die dem Bundeskartellamt im Fusionskontrollverfahren zur Abwendung einer sonst notwendigen Untersagungsentscheidung gegeben werden. Ich meine, daß diese Frage es wert ist, auch hier noch eingehender behandelt zu werden, obgleich der Gesetzentwurf in der vom Wirtschaftsausschuß beschlossenen Fassung richtig auf eine Regelung der Zusagenproblematik verzichtet, und zwar dies aus zwei Gründen.
Zunächst einmal sind Begriffe wie Zusagen oder Zusagenpraxis des Bundeskartellamtes leicht mißzuverstehen. Sie legen die Assoziation nahe, als werde zwischen Unternehmen und Bundeskartellamt im Fusionskontrollverfahren ein bestimmtes unternehmerisches Wohlverhalten für die Zukunft halb ausge15906
handelt, halb ausgekungelt und als Gegenleistung dafür das Unternehmen von einer an sich fälligen Untersagungsverfügung verschont. Mit diesem dem Sinn des Wortes „Zusagen" anhaftenden Soupcon hatte die Bundesregierung von Anfang an bei der in ihrem Entwurf vorgesehenen Regelung zu kämpfen. Ich gestehe ganz offen, auch mir hat das Wort „Zusagen" in diesem Zusammenhang niemals gefallen. Es gefällt mir heute so wenig wie damals. Aber der Begriff ist seit langem in die Diskussion quasi als Terminus technicus eingeführt und nun nicht mehr aus ihr herauszukriegen. So muß man wie schon die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs wohl immer wieder deutlich sagen, was gemeint ist und was nicht gemeint ist.
Der zweite Grund, weshalb ich das Thema Zusagen noch einmal etwas eingehender aufgreife, hat weniger mit Fragen der Wortbedeutung, wenn Sie so wollen, mit dem philologischen und psychologischen Hintergrund des Begriffs „Zusagen" als vielmehr mit der Sache zu tun. Die Zusagenproblematik ist nämlich nicht nur für die hier zur Entscheidung stehende Pressefusionskontrolle von Bedeutung, sie hat für die allgemeine Fusionskontrolle, d. h. für das Kernstück der zweiten Kartellnovelle, ganz entscheidendes Gewicht. Dies ist der Grund, weshalb ich mich hier noch einmal damit beschäftige.
Zunächst zu dem, was das Problem /der Zusagen im Fusionskontrollverfahren - richtig verstanden - ausmacht. Dazu muß man wissen, daß das Verfahren vor dem Bundeskartellamt anders als das Verfahren über den Antrag auf Ministererlaubnis für eine Fusion keine Entscheidung unter Auflagen oder Beschränkungen kennt. Wäre es so, könnte also das Bundeskartellamt dem Unternehmen im Fusions-kontrollverfahren Auflagen oder Beschränkungen erteilen, könnte man auch den mißverständlichen Begriff der Zusagen vergessen, beziehungsweise er wäre gar nicht erst geprägt und in die Praxis eingeführt worden. Warum dann aber keine Auflagen und Beschränkungen im Verfahren vor dem Bundeskartellamt? Anläßlich der zweiten Kartellnovelle - darf ich daran erinnern - haben wir uns das sehr gut überlegt. Die Möglichkeit, im Fusionskontrollverfahren Auflagen und Beschränkungen zu erteilen, setzt voraus, daß das Bundeskartellamt eine ansonsten zustimmende Entscheidung trifft, setzt also Genehmigungsverfahren voraus. Genau das wollten wir beim Verfahren in Berlin seinerzeit nicht, weil die Genehmigung eines Unternehmenszusammenschlusses sozusagen mit einem staatlichen Gütesiegel versehen würde mit den Konsequenzen, die sich hieraus mit Blick auf die Verlagerung von Verantwortung für mögliche negative wirtschaftliche und soziale Folgen einer Fusion von Unternehmen auf die Allgemeinheit ergeben können. Bei der Erlaubnis eines Zusammenschlusses durch den Bundeswirtschaftsminister mag dieser Gütesiegeleffekt hinnehmbar sein; denn hier handelt es sich um eine Ausnahmeerlaubnis, die auf der Feststellung aufbaut, daß überwiegende Gründe des Gemeinwohls den Zusammenschluß rechtfertigen. Im Verfahren vor dem Kartellamt sind allein Fragen des Wettbewerbs und keine Gründe des Gemeinwohls entscheidend. Es ist deshalb gut und richtig, daß das Bundeskartellamt Zusammenschlußvorhaben nicht durch eine Genehmigung staatlich einsegnen kann, sondern entweder untersagt oder - der qualitative Unterschied ist ja wohl merklich - von einer Untersagung absieht, ohne eine förmliche Entscheidung zu treffen.
Nun kann man sicher sagen: wenn.- aus guten Gründen - vom Gesetzgeber kein Genehmigungsverfahren und keine Möglichkeit der Auflagenerteilung vorgesehen worden ist, dann soll das Amt eben das Zusammenschlußvorhaben nehmen, wie es ist, und entweder untersagen oder nicht, frei nach dem biblischen Motto: Deine Rede sei ja, ja oder nein, nein, alles Weitere ist vom Übel. Eine solche Deduktion ist in der Diskussion bereits erfolgt und wird hier und da in der Rechtstheorie sicher wieder auftauchen. Ich halte sie mit der Bundesregierung nicht für richtig. Sie entspricht zunächst - darauf ist bereits hingewiesen worden - nicht den Motiven der zweiten Kartellnovelle, bei der wir sehr wohl von einem Verfahren ausgegangen sind, in dem informell mit dem Unternehmen geklärt wird, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenschluß hingenommen werden kann. Ich darf insoweit auf die einschlägige Passage in der Begründung zum Regierungsentwurf der zweiten Kartellnovelle, Drucksache VI/2520, Seite 30, verweisen.
Eine bloße Ja-ja-nein-nein-Praxis des Bundeskartellamts würde im übrigen einer wohlverstandenen Wettbewerbspolitik eher schaden als nützen. Sie würde die sich beim Amt ansammelnden Erfahrungswerte mit Fusionen und deren Folgen vor den Unternehmen weitgehend verschließen. Das Amt müßte mit der hoheitlichen Starre einer Behörde des vergangenen Jahrhunderts Untersagungen selbst dann aussprechen, wenn es zwar nicht gleich jetzt, sondern erst in überschaubarer Zukunft Varianten des Zusammenschlusses sehen würde, die das Vorhaben doch wettbewerbsrechtlich tragbar machen. Schließlich würde mit Sicherheit eine Vielzahl von Anträgen auf Ministererlaubnis gestellt werden, die den Ausnahmecharakter dieses Verfahrens vor einer politischen Instanz sehr bald denaturieren könnte.
All dies war und ist nicht gewollt. Wir haben es vielmehr mit § 24 Abs. 1 des Kartellgesetzes dem Amt zur Aufgabe gemacht, eine Abwägung voraussehbarer Schädigungen des Wettbewerbs durch eine Fusion gegen nachgewiesene Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen vorzunehmen. Dies ist Gegenwarts- und Zukunftsbetrachtung zugleich, jedenfalls keine Betrachtung, die mit den Fristen des Fusionskontrollverfahrens zu enden hätte. Die Bundesregierung hatte deshalb recht, wenn sie in ihrem Entwurf der dritten Kartellnovelle davon ausging, daß das Bundeskartellamt Erklärungen der Unternehmen über die zukünftige Gestaltung von Wettbewerbsbedingungen mit in die wettbewerbsrechtliche Bewertung des Zusammenschlußvorhabens einbeziehen und gegebenenfalls wegen dieser Erklärung von einer Untersagung absehen kann. Wie aber soll man Erklärungen von Unternehmen über die zukünftige Gestaltung von Wettbewerbsbedingungen anders nennen als eben Zusagen? Abgesehen von den geschilderten nicht nur rechtstechnischen Schwierigkeiten würde mich beim BeDr. Graf Lambsdorff
griff der Auflagen wiederum das allzu HoheitlichStarre stören.
Ich halte es für gar nicht so schlecht, meine Damen und Herren, daß das Amt bei der notwendigen Diskussion über die Wirkungen einer Fusion auf die Marktstruktur nicht einseitig, also ohne oder gegen den Willen der Betroffenen unternehmerische Entscheidungen, die die Wettbewerbsbedingungen, sprich: die Marktstruktur verbessern, verordnen kann. Schließlich kennen auch die Amerikaner mit ihren viel reicheren Erfahrungen in diesem Bereich das Verfahrens des consent-decree, das auf einer Einigung der Behörden- und der Unternehmensseite basiert.
Natürlich - und auch das sagte die Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich - hat die Entgegennahme von Zusagen durch das Bundeskartellamt seine deutlichen, vom Gesetz vorgegebenen Grenzen. Es ist unstreitig, daß der als Rechtsgrundlage dienende § 24 Abs. i des Kartellgesetzes ausschließlich die Gestaltung der Wettbewerbsstruktur betrifft. Insofern, Herr Schmidhuber, herrscht Zustimmung. Die Entgegennahme von Zusagen über das unternehmerische Verhalten am Markt wäre eindeutig von § 24 Abs. 1 nicht gedeckt.
All dieses hat nun der Kartellsenat des Kammergerichts in Berlin in seiner Entscheidung zum Fusionsfall Bayer-Metzeler auf der Grundlage des bereits geltenden Rechts bestätigt. Ein zwingender Anlaß, die Frage der Zusagen in der dritten Novelle zu regeln, war deshalb nicht mehr gegeben, wie ja überhaupt die Zusagenklausel nur deshalb in den Regierungsentwurf aufgenommen worden war, weil man seinerzeit keinerlei Anzeichen dafür hatte, ob die Rechtsprechung der Auffassung der Bundesregierung folgen würde. Dies ist nun anders, nicht in dem Sinne, daß wir eine bereits breit abgesicherte Rechtsprechung hätten, aber doch so, daß eine einschlägige Entscheidung des für Fragen des Kartellrechts zuständigen Rechtsmittelgerichts vorliegt.
Ich verkenne nicht - und sage das an dieser Stelle ausdrücklich -, daß die weitere Entwicklung der Zusagenpraxis des Amtes nicht ohne Risiken ist. Dem Amt und seinen dort entscheidenden Beschlußabteilungen ist hier in der Tat eine hohe Verantwortung zugewiesen, der sie sicherlich eher dadurch gerecht werden, daß sie mit diesem Instrument in weiser Zurückhaltung operieren. Rechtsfortbildung in einem so diffizilen Bereich wie dem der Fusionskontrolle ist sicherlich keine Aufgabe des Bundeskartellamtes, sondern dieses Hohen Hauses und allenfalls noch der Gerichte.
Ich würde es mit einem der in den Hearings gehörten Gutachtern geradezu für einen wettbewerbspolitischen Alptraum halten, wenn wegen solcher Überaktivitäten des Amtes die deutsche Wirtschaft eines Tages mit einem Netz nicht mehr nachvollziehbarer, geschweige denn durchsetzbarer Zusagen überzogen würde. Ebenso abzulehnen wäre eine Tendenz des Amtes, bei Fusionen verstärkt mit Zusagen zu arbeiten, die das Abstoßen von Unternehmensbeteiligungen zum Gegenstand haben.
Als für die Stärkung der Wettbewerbsordnung engagierter Liberaler habe ich Verständnis für den
Wunsch, endlich das Thema „Entflechtung" zu enttabuisieren. Ich bin jedoch sehr dagegen, wenn die Fusionskontrolle über die Kumulation von Entflechtungszusagen dazu benutzt werden soll, dieses Instrument durch die Hintertür einzuführen. Wir werden hier ein waches Auge haben müssen.
Ich begrüße deshalb den Entschließungsantrag, der dem Hohen Hause vorliegt und den die Koalitionsfraktionen Ihnen zur Annahme empfehlen, nämlich deswegen, weil darin der Bundeswirtschaftsminister aufgefordert wird, durch allgemeine Weisung an das Bundeskartellamt - ich betone: allgemeine Weisung - eine höhere Transparenz der Zusagenpraxis sicherzustellen.
Gewisse Risiken - auch das will ich nicht verschweigen - bleiben schließlich hinsichtlich der Frage, ob sich die Unternehmen auf Dauer an die dem Bundeskartellamt gegebenen Zusagen halten werden und wie, durch die Rechtsprechung abgesichert, notfalls das Worthalten erzwungen werden kann. Von der allgemeinen Fusionskontrolle her hat sich die deutsche Wirtschaft ein beachtliches Vertrauenskapital geschaffen. Bisher ist noch kein einziger Fall der Nichteinhaltung einer Zusage registriert worden. Ich halte es für richtig, davon auszugehen, daß dies bei dem nun in die Fusionskontrolle hineinwachsenden Bereich der Presse genauso sein wird. Jedenfalls sollte das Vertrauenskapital, solange das so bleibt, honoriert und nicht gleich nach Sanktionsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber gerufen werden.
Meine Damen und Herren, im Bereich des Kartellrechtes ist es nun einmal so, daß man versuchen muß, durch Übereinkünfte und Vereinbarungen zu dem erstrebten Ziel zu kommen, daß maßvolle Anwendung der Möglichkeiten zu besseren Ergebnissen führt als der immer nur drakonische Bakel des Gesetzgebers. Dies gilt auch für den hier vorgesehenen Bereich. Wir vertrauen darauf, daß die Regelung, die wir heute beschließen, die sich in vernünftigen Grenzen hinsichtlich der Aufgreifkriterien hält und die verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist, zu Manipulationen nur dann benutzt werden kann, wenn der Wille zu unerfreulichen Manipulationen dahintersteht. Wir vertrauen darauf, daß, wie bei der bisherigen Praxis des Bundekartellamtes, letztlich aber auch bei der klaren Rechtsprechung der das Kartellamt wie jede andere Behörde kontrollierenden Gerichte, ein solcher Weg nicht beschritten werden wird, sondern daß wir eine Lösung gefunden haben, die den spezifischen Problemen des Wirtschaftsbereiches, mit dem wir es zu tun haben, in einer Form gerecht wird, die unser Wettbewerbsrecht nicht in Unordnung bringt, sondern die die bewährten Prinzipien des GWB aufrechterhält.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Die Überlegungen, die über Jahre hinweg angestellt worden sind, wie man der Gefahr einer fortschreitenden Pressekonzentration am wirksamsten begeg15908
nen könnte, finden - jedenfalls im wettbewerbsrechtlichen Teil - mit der heutigen Debatte wohl ihren Abschluß. Wir waren uns eigentlich alle klar darüber, daß das Wettbewerbsrecht ein geeignetes Instrument sein könnte, mehr Transparenz zu bringen. Aber es ist doch lange hin und her diskutiert worden, wie es im einzelnen ausgestaltet werden könne. Ich sage das ohne irgendeine Kritik an irgendeiner Seite des Hauses, weil wir alle lange gesucht haben, was der richtige Ansatzpunkt sei.
Ich meine, daß dem Regierungsentwurf, der ja schon darauf angelegt war, auch die Pressefusionskontrolle im Rahmen der allgemeinen Fusionskontrolle zu halten, die parlamentarische Beratung gut bekommen ist. Ich würde eigentlich in diesem Zusammenhang lieber nicht von einer pressespezifischen Fusionskontrolle sprechen, sondern von einer pressekonformen im Rahmen der allgemeinen Fusionskontrolle. Denn es wird mit diesem Gesetz gelingen, die Pressefusionskontrolle in die allgemein geltenden Regeln des Kartellgesetzes einzufügen. Wir haben lediglich drei Dinge ändern müssen: wir haben die Aufgreifkriterien senken sowie die sogenannte Regionalklausel und die Bagatellklausel streichen müssen. Alle drei Änderungen stehen in einem sehr engen Zusammenhang, und sie passen die einschlägigen Fusionskontrollbestimmungen letztlich den besonderen Strukturen des Pressemarktes, also nicht der medienspezifischen Seite, an. Es handelt sich um eine Anpassung der Kriterien an den Markt der Presseunternehmen.
Die Besonderheit dieses Wirtschaftsbereiches liegt nun einfach darin, daß das Angebot insbesondere bei Tageszeitungen - ich sage bewußt: insbesondere bei Tageszeitungen - in vielen Regionen von kleinen und mittleren Unternehmen getragen wird und daß eine Substitution für lokale und regionale Nachrichten in der Regel nicht möglich ist, so daß man bei einer Fusion auf dem regionalen Teilmarkt häufig sofort eine Monopolbildung hat oder, was auf anderen Märkten nicht üblich ist, gar einen totalen Ausfall nicht nur des Wettbewerbs, sondern des Nachrichtenangebots, wenn es dazu käme.
Nun haben wir auch lange über die Höhe des Aufgreifkriteriums diskutiert. Sie werden bei meiner Rede in der ersten Lesung und auch in vielen Gesprächen bemerkt haben, daß ich Überlegungen, ob 25 Millionen DM oder mehr das Richtige sei, sehr aufgeschlossen gegenüberstand. Auch die Bundesregierung hat nach der Verabschiedung des Entwurfs im Kabinett durch den Sprecher sagen lassen, das sei ihre Auffassung, aber hier sei durchaus eine Prüfung während der Gesetzgebung am Platze.
Die Sachverständigen, die wir zu den verfassungsrechtlichen Fragen gehört haben, haben aber übereinstimmend attestiert, daß das vorgeschlagene Kriterium innerhalb des gesetzgeberischen Ermessens bleibt. In der Zwischenzeit haben ja wohl auch einige Zusammenschlüsse gezeigt - und das hat mich überzeugt -, daß ein höheres Kriterium, etwa die von der Opposition gewünschte 50-MillionenDM-Grenze, den Gesetzentwurf so weitmaschig machen würde, daß insbesondere die Kontrolle im lokalen Bereich fraglich wäre. Ich sage sehr offen,
daß ich selbst lange gerungen habe, ob 50 Millionen oder 25 Millionen DM das richtigere Kriterium ist. Aber die Entwicklungen während der Beratungen haben mich schließlich überzeugt; denn gerade in diesem Bereich besteht ja die Gefahr der Monopolisierung des Angebots, wenn die Maschen zu weit würden; und das wollten wir ja nicht haben.
Ich selbst sehe einen Widerspruch in der Argumentation einzelner Kritiker, wenn sie die Regionalisierung der Pressefusionskontrolle bejahen, aber gleichzeitig die Umsatzschwelle so hoch setzen, daß regional bedeutsame Zusammenschlüsse nicht mehr der Kontrolle unterliegen. Das ist doch das Problem: daß ich bei der allgemeinen Fusionskontrolle das Marktgebiet Bundesrepublik Deutschland habe - neben den einzelnen Teilmärkten -, während ich hier eben den regionalen Markt habe. Ich glaube, man muß deutlich sehen, daß eine Aufgreifschwelle, die so hoch festgelegt ist, daß ich in den regionalen Bereich nicht hineinkomme, eigentlich im Widerspruch zur Streichung der Regionalklausel auf der anderen Seite stünde, so daß, glaube ich, jetzt ausgewogen formuliert ist.
Zur Zusagenregelung haben sich mehrere Redner geäußert. Ich möchte mich auf das beziehen, was der Abgeordnete Graf Lambsdorff vorhin gesagt hat, nämlich daß es hier, ohne daß wir das Gesetz geändert haben, durch Kammergerichtsentscheidung zu einer einvernehmlichen Zusagenregelung in der Praxis gekommen ist. Das ist, wenn Sie so wollen, also etwas anderes als die klassische Auflage. Die einvernehmliche Zusagenregelung muß eigentlich, jedenfalls bei einem liberalen Grundverständnis der Wettbewerbsordnung, das bessere Mittel als die administrierte Auflage durch das Amt sein, wenngleich ich nicht verkenne, daß auch sie ihre Probleme mit sich bringt.
Ohne diese Normierung einer Zusagenregelung sind wir auch frei von der unberechtigten, aber eben doch geäußerten Verdächtigung, wir wollten der Fusionskontrolle eine neue Dimension geben oder gar einer Verhaltenskontrolle des Bundeskartellamtes das Wort reden. Ich bleibe bei meiner Aussage anläßlich der ersten Lesung. Für mich kommt eine Verhaltenskontrolle des Bundeskartellamtes weder bei den Presseunternehmen noch sonst in Frage. Das ist eben nicht der Bestandteil der Wettbewerbsordnung, die wir uns vorstellen.
({0})
Das soll auch so bleiben. Die zitierte Kammergerichtsentscheidung hat uns aber der Aufgabe enthoben, neu zu formulieren.
Ich möchte im Hinblick auf den Entschließungsantrag schon jetzt ankündigen, daß ich dem Bundeskartellamt eine allgemeine Weisung nach § 49 des Gesetzes erteilen werde, wonach alle Zusagen, die dem Bundeskartellamt von Unternehmen gegeben werden, um eine Untersagung des Zusammenschlusses zu vermeiden, im Bundesanzeiger und im Tätigkeitsbericht des Kartellamtes zu veröffentlichen und die Gründe für diese Zusagenregelung darzustellen sind.
Wenn wir uns auf den Weg der Zusagenregelung ohne gesetzliche Normierung begeben, halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, daß diese Zusagenregelung nicht zum Mauscheln führen darf, sondern im Gegenteil: Sie muß transparent gemacht werden. Das heißt: Mitteilung im Bundesanzeiger, Mitteilung im Tätigkeitsbericht unter Nennung der Gründe. Denn dies braucht nach meiner Meinung auch das Parlament, wenn wir aus anderen Gründen wieder einmal an eine weitere Novellierung des Kartellgesetzes herangehen.
Gerade wegen der Spekulationen über alle möglichen Beteiligungen an Presseunternehmen ist nach meiner Meinung eine erhöhte Transparenz über Besitz und Beteiligungen, wie sie jetzt erreicht werden kann, im allgemeinen Interesse. Ich möchte hinzu formulieren: Wenn es gar dahin kommen sollte, daß sich politisch relevante Gruppen an Presseunternehmen beteiligen - von den Kirchen angefangen bis zu politischen Parteien -, dann gerade brauchen wir nach meiner Meinung die Transparenz. Denn dann hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, zu erfahren, ob es gesellschaftliche oder politische Gruppierungen sind, die hinter dem einen oder anderen Unternehmen stehen.
({1})
Genau diese erhöhte Transparenz über die Beteiligungsverhältnisse, bezogen auf die gesamte deutsche Wirtschaft, ist nach meiner Meinung ein positives Nebenprodukt der allgemeinen Fusionskontrolle. Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, dann kann auch mehr Licht in und hinter die Beteilungsveränderungen im Pressebereich gebracht werden. Ich glaube, dies ist notwendig.
({2})
Dies, meine Damen und Herren, bedingt aber - ich sage noch einmal: nach großen Zweifeln, die ich selbst hatte - die niedrigere Grenze von 25 Millionen DM. Denn sonst machen wir das Netz unten, im lokalen Bereich, weitmaschig und konzentrieren uns am Ende nur noch auf die wenigen überregionalen. Aber genau dort liegt nicht das alleinige Problem. Ich sehe es gerade in den Teilen Deutschlands, in denen noch eine Vielzahl kleinerer Tageszeitungen mit kleineren Auflagen existieren. Dies ist z. B. im Südwesten und Süden des Bundesgebietes besonders ausgeprägt der Fall.
Ich wollte nur noch einmal deutlich machen, daß es mir wirklich darum ging, eine pressekonforme Novellierung eines allgemein gültigen Kartellgesetzes zu erreichen und eben nicht eine mit einer Fülle medienpolitischer Fragen belastete Novellierung des Kartellgesetzes. Medienpolitik muß flankierend hinzutreten, aber sie sollte nicht das Kartellrecht als solches bestimmen. Meines Erachtens ist das mit diesem Entwurf gelungen. Ich bedanke mich beim Parlament und seinen Ausschüssen für die konstruktive Beratung und, wenn ich es so sagen darf, auch für die Verbesserung des Regierungsentwurfs.
({3})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen zur Aussprache in dritter Beratung liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz insgesamt zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen jetzt zu den Entschließungsanträgen. Es liegen Ihnen zwei vor.
Wir kommen zunächst zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 7/4842. Wenn ich es richtig sehe, Herr Dr. Jens, haben Sie ihn bereits begründet. Oder wollen Sie zur Begründung noch einmal das Wort haben?
- Das ist nicht der Fall. Wird zu dem von den Fraktionen der SPD und der FDP vorgelegten Entschließungsantrag das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt darüber ab.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Mit gleichen Mehrheitsverhältnissen wie das Gesetz selber angenommen.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4851 auf.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Klein ({4}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von mir zu begründende Entschließungsantrag erscheint uns notwendig, und zwar, Herr Kollege Graf Lambsdorff, im Zusammenhang mit dem soeben beschlossenen Gesetz, weil wir nicht meinen, daß dieses Gesetz über eine pressespezifische Fusionskontrolle
- ich möchte auch gern bei diesem Ausdruck bleiben - den Erfordernissen der Presse Genüge tut, und zwar auch deshalb nicht - Herr Kollege Jens, lassen Sie mich darauf noch einmal kurz zurückkommen -, weil wir daran zweifeln, daß dieses Gesetz rechtlichen Bestand behalten wird, denn wir haben die verfassungsrechtlichen Bedenken, die von uns hier in der ersten Lesung vorgetragen worden sind, mitnichten fallengelassen. Das gilt sowohl für die Zuständigkeitsfrage, aber auch und vor allem für die Frage der materiellen Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung.
({0})
- Nein, ich habe im Anhörungsverfahren sehr aufmerksam gelauscht und habe daraus meine Schlußfolgerungen gezogen. Dieses Gesetz setzt der Pressefreiheit Schranken, ist jedoch kein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes, weil es eine ganz spezifische Situation für die Presse schafft, die weit über das hinausgeht, was im Rahmen eines allgemeinen Gesetzes möglich gewesen wäre. Vor allen Dingen aber: die gesetzliche Ermächtigung zur Durchführung einer Pressefusionskontrolle entbehrt der für Eingriffsgesetze aus
Dr. Klein ({1})
rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Erwägungen notwendigen Bestimmtheit, und zwar insofern, als sie die vom Bundeskartellamt und vom Bundesministerium für Wirtschaft neben den rein wettbewerbsrechtlichen Kriterien anzuwendenden publizistischen Kriterien im dunkeln läßt.
Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff?
Lassen Sie mich diesen Gedanken noch mit einem Satz zu Ende führen. Gerade dies war für mich das entscheidende Ergebnis des verfassungsrechtlichen Hearings.
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Professor Klein, würden Sie bitte begründen, warum Sie dieses Gesetz bei einem Aufgreifkriterium von 25 Millionen für ein verfassungsrechtlich bedenkliches Gesetz halten, während Ihre Fraktion im Ausschuß bereit gewesen wäre, dem Gesetz bei einem Aufgreifkriterium von 50 Millionen zuzustimmen und dann also offensichtlich die verfassungsrechtlichen Bedenken zurückgestellt hätte.
Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich weiß nicht, ob dies von meinen Kollegen im Wirtschaftsausschuß mit dieser Deutlichkeit gesagt worden ist. Ich jedenfalls habe es so nicht gesagt.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Bitte.
Herr Kollege Professor Klein, darf ich darauf aufmerksam machen, daß das bei der Vorbereitung der Debatte aus dem Bericht des federführenden Ausschusses unschwer zu entnehmen gewesen wäre.
({0})
Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich sage es noch einmal: Meine Position ist dies nie gewesen. Ich habe auch den Bericht des federführenden Ausschusses nicht unterzeichnet.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes?
Bitte schön.
Herr Kollege Klein, sind Sie so liebenswürdig, zur Kenntnis zu nehmen, daß auf Einwendungen prinzipieller Art nicht verzichtet worden ist?
Ich bedanke mich für diesen Hinweis.
({0})
- Graf Lambsdorff, eine Schützenhilfe ist einem Kollegen gegenüber, der an den Beratungen des Wirtschaftsausschusses nicht teilgenommen hat, sicherlich nicht illegitim.
Ich möchte aber auch noch auf einen vierten Punkt hinweisen, der die in Aussicht genommene Rückwirkung des Gesetzes betrifft. Es hat lange gedauert, bis die Koalitionsfraktionen sich davon überzeugen lassen, daß die ursprünglich in Aussicht genommene Rückdatierung des Inkrafttretens auf den Zeitpunkt der Verabschiedung des Entwurfs durch das Kabinett verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Um wenigstens ein bißchen recht zu behalten, hat man das Datum der Verabschiedung durch den Wirtschaftsausschuß gewählt. Aber auch dies ist mit den vom Bundesverfassungsgericht entwikkelten Kriterien nicht in Einklang zu bringen.
({1})
- Lassen Sie mich jetzt bitte fortfahren.
lch bin dankbar für die moderaten Äußerungen des Herrn Kollegen Graf Lambsdorff und auch des Herrn Bundeswirtschaftsministers zur Zusagenregelung. Ich möchte noch einmal deutlich machen, daß, um die Auflagenpraxis des Kartellamtes mit Art. 5 des Grundgesetzes in Einklang zu halten, Auflagen der Art, wie sie noch in der Begründung des Regierungsentwurfs vorgesehen waren - etwa Aufrechterhaltung einer selbständigen Lokalredaktion oder Fortbestand einer Lokalausgabe oder -zeitung -, nicht denkbar sind.
Meine Damen und Herren, warum der Entwurf eines Pressefusionskontrollgesetzes aus politischen Gründen nicht tauglich ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, ist vom Kollegen Schmidhuber hier dargetan worden. Wir halten nach wie vor fest - deshalb das besondere Gewicht, das unser Entschließungsantrag darauf legt - an der Notwendigkeit wirtschaftlicher Hilfsmaßnahmen für die Presse im Rahmen der Mehrwertsteuerregelung. Ich muß sagen, daß das, was sich auf Regierungs- und Koalitionsseite in diesem Zusammenhang abspielt, in fataler Weise an ein Satyrspiel erinnert. Es ist jetzt etwa neun Monate her - im Mai vergangenen Jahres war es wohl -, daß uns die Bundesregierung hier mit großer Attitüde ein Sofort- und ein Dauerprogramm vorgelegt hat, welches in dem Vorhaben einer Pressestiftung gipfelte. Von alledem ist heute kaum noch die Rede. Die Pressestiftung, soweit sie überhaupt noch diskutiert wird, ist reduziert auf einen bescheidenen Rahmen, in diesem bescheidenen Umfang aber vielleicht sogar - das möchte ich nicht verhehlen - ein nützliches Unterfangen: die Strukturvorhaben, die technischen Zukunftsaufgaben der Presse insgesamt, mit den Mitteln dieser Stiftung zu fördern.
Die Mehrwertsteuerlösung ist im Koalitionslager völlig umstritten. Da kündigt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium an, das
Dr. Klein ({2})
werde demnächst von der Bundesregierung gemacht, woraufhin der Bundesinnenminister durch seinen Kollegen von den Finanzen brieflich gerüffelt wird. Die FDP kündigt an, sie werde für diese Mehrwertsteuerregelung kämpfen. Daraufhin erklärt der Bundeskanzler in einer Wahlkampfrede am Wochenende, er werde auch Verlegern keine Wahlgeschenke machen. Daraufhin zieht die FDP - so konnte man es jedenfalls gestern in der Presse lesen - ihr Anliegen zurück. Vor einem Jahr hat die SPD uns hier in der Debatte gesagt, die Krise der Zeitungen existiere nicht. Heute sagt sie, sie sei überwunden.
Meine Damen und Herren, der Vorschlag, die jeweils ersten 100 000 Exemplare einer Auflage von der Mehrwertsteuer freizustellen, ist diskutabel. Ob damit aber wirklich geholfen werden kann, ist fraglich. Niemand anders als die „Frankfurter Rundschau" hat darauf aufmerksam gemacht, daß es ja keineswegs in erster Linie die kleinen Zeitungen sind, sondern die - wie sie schreibt - „aufwendig gemachten, mit hohen Betriebskosten belasteten überörtlich verbreiteten Zeitungen", die ganz besonders unter Schwierigkeiten zu leiden haben. Es ist sicherlich nicht fehlgeschlossen, wenn man annimmt, daß die „Frankfurter Rundschau" dabei auch an sich selbst gedacht hat.
Ich möchte auch noch einmal nachdrücklich die Anregung unterstreichen, die Herr Kollege Schmidhuber hier gegeben hat und die jetzt, nachdem ich bereits vor Monaten darauf aufmerksam gemacht habe, in Punkt 3 unseres Entschließungsantrags ihren Niederschlag gefunden hat. Es ist notwendig, den von Herrn Kollegen Jens mit Recht als ruinöser Verdrängungswettbewerb bezeichneten Praktiken mancher Zeitungen - genau betrachtet vielleicht nur einer Zeitung - wettbewerbsrechtlich energischer entgegenzutreten, als das bisher geschehen ist und vielleicht auch auf Grund der bestehenden Rechtslage möglich war. Aber dann hätte man darüber nachdenken müssen, wie dies wirksamer geschehen kann.
Herr Kollege Jens, lassen Sie mich auch dies noch sagen: Sie haben uns hier vorgeworfen - den Unernst dieses Vorwurfs konnte man an Ihrer lächelnden Miene ablesen -, wir wollten Konzentration im Pressebereich insbesondere und im ökonomischwirtschaftlichen Bereich insgesamt. Ich, meine Damen und Herren, möchte - freilich ohne dabei zu lächeln ({3})
die Überzeugung äußern, daß viele Anzeichen dafür sprechen, daß Sie den ernsthaften Kampf gegen das Fortschreiten der Pressekonzentration aufgegeben haben. Vielleicht sollte man genauer sagen: Herr Dröscher hat in letzter Zeit ein ganz neues Mittel entdeckt, Konzentrationen zu verhindern; denn für ihn ist die Konzentrationsbewegung ja offenbar zu einer Folge von Gelegenheiten geworden, verlorengegangenes Terrain auf dem Pressemarkt durch den Aufkauf von Anteilen wiedergutzumachen. Es ist, wenn ich dies mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf, aufschlußreich, was
eine Zeitung wie die „Zeit" dazu zu sagen hat. Da heißt es:
Nachdem der Idee von den zur Nachzensur berechtigten Landespresseausschüssen und dem Wunsch nach einem Rätesystem in den Redaktionen die verdiente Abfuhr erteilt wurde, soll nun mit Hilfe kapitalistischer Methoden die Vielfalt der Meinungen gerettet werden durch sozialdemokratische Einkäufe in parteiunabhängige Regionalzeitungen.
Es heißt weiter:
Erst haben sie ihre eigene Presse verkommen lassen, so daß von der einstmals stolzen Titelsammlung nur drei Blätter in Hamburg, Hof und Coburg übrigblieben,
- ich füge hinzu: nur, aber immerhin dann haben sie die Medienpolitik mit extremen Vorschlägen zur Farce gemacht, jetzt malen sie den Schatten Hugenbergs an die Wand und verbittern mit Pauschalurteilen eine Presse, die - von Ausnahmen abgesehen - der Sozialdemokratie nicht grundsätzlich übel will.
Dies, meine Damen und Herren, ist der eine Punkt. Das andere, was Sie bei Verfolgung derartiger Pläne bitte bedenken wollen, ist, daß Sie ja nicht die einzigen bleiben werden, die sich auf diese Weise im Pressebereich finanziell engagieren. Die „Zeit" drückt mit Recht die Sorge aus, daß wir unsere bisherige Presselandschaft dann bald nicht mehr wiedererkennen werden, weil es neben einer Parteipresse eine Gewerkschaftspresse, eine Unternehmerpresse und was weiß ich noch alles geben wird, jedenfalls nicht mehr Zeitungen politisch und wirtschaftlich unabhängiger Verlage, wie sie die Qualität unserer Presse gewährleisten. Die „Zeit" schreibt dazu: Zeitungen werden wir also in Zukunft haben, „die nicht mehr dem Interesse der Offentlichkeit dienen, sondern von eigennützigen Geldgebern ferngesteuert werden". Ich kann mich nicht genug tun der Verwunderung über das, wie ich es genannt habe, merkwürdige Schweigen der FDP in diesem Zusammenhang, denn mit marktwirtschaftlichen Überlegungen kann man sich dabei nicht beruhigen.
({4})
- Ich bin beim Antrag, denn ich begründe die Notwendigkeit wirtschaftlicher Hilfsmaßnahmen, wie wir sie in unserem Antrag gefordert haben.
Es geht nicht, sich hier mit marktwirtschaftlichen Überlegungen zu beruhigen. Natürlich ist es legal, wenn eine Partei wie die SPD Anteile an Zeitungen aufkauft. Aber es ist doch ein grundsätzlicher Unterschied, ob freie Verleger Zeitungen verlegen, oder ob dies politische Parteien oder andere politisch orientierte Gruppierungen in unserem Lande tun. Deswegen sollten Sie Ihr Schweigen nicht aufrechterhalten.
Meine Damen und Herren, deshalb ist erst recht die Stärkung der wirtschaftlichen Grundlage der Verlage erforderlich. Die pressespezifische Fusionskontrolle entspricht in keiner Weise den prakti15912
Dr. Klein ({5})
schen Bedürfnissen. Mit Recht fragt Peter Hort in der heutigen Ausgabe der „FAZ":
Doch was soll ein Gesetz, das viel zu spät kommt, verfassungsrechtlich bedenklich ist, die ausführenden Organe überfordert?
Meine Antwort darauf lautet: Es soll der Koalition die Befriedigung verschaffen, auf der Liste ihrer sogenannten Reformvorhaben ein weiteres abhaken zu können.
({6})
Lassen Sie mich noch folgenden letzten Satz sagen. Je geringer nicht zuletzt infolge der Versäumnisse der SPD/FDP-Koalition die Vielfalt auf dem Pressemarkt wird, desto intensiver sollten nach meiner Überzeugung die neuen technischen Möglichkeiten genutzt werden, um zu erproben, auf welche Weise im Interesse einer Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt das bestehende Rundfunkoligopol überwunden und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter den leistungsfördernden Druck privatwirtschaftlicher Konkurrenz gestellt werden können.
({7})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Sieglerschmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem Antrag komme - um diesen geht es ja hier, Herr Kollege Klein, und nicht um eine hier plötzlich eingeführte zweite Debattenrunde, von der vorher nicht die Rede war -, lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen zu Ausführungen, die Sie im weiteren Zusammenhang - um es diplomatisch auszudrücken - mit dem Antrag gemacht haben.
Sie sind auf die Bemerkung des Kollegen Dr. Jens eingegangen, man könne Anzeichen dafür finden, daß auch von Ihnen die Pressekonzentration gewollt werde. Herr Kollege Klein, ich halte gar nichts davon - um es deutlich zu sagen-, sich gegenseitig zu verdächtigen, man habe ganz schlimme Absichten in bezug auf die Pressefreiheit oder auf die Konzentration oder was immer in diesem Zusammenhang. Aber hier muß doch klargestellt werden: Wenn hier verdächtigt worden ist, dann haben Sie und Ihre Freunde damit angefangen.
({0})
Sie haben doch immer behauptet, wir wollten die Pressefreiheit einschränken durch diese und jene Maßnahme und dergleichen mehr. Sie haben doch in einem Artikel, Herr Kollege Klein, noch Ende vergangenen Jahres in dieser Richtung im umgekehrten Sinne insistiert, in dem heute der Kollege Dr. Jens gesprochen hat. Sie brauchen sich nicht zu wundern, daß, wenn Sie so in den Wald hineinrufen, dann schließlich auch einmal so herausgerufen wird.
Zweite Bemerkung. Sie haben von den fortbestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gesprochen. Herr Kollege Klein, diese Bedenken scheinen Ihnen sicherlich sehr ernst zu sein, nur scheinen sie Ihrer Fraktion nicht ernst zu sein. Denn in Ihrem Antrag, den Sie uns hier vorlegen, in dem Entschließungsantrag Drucksache 3/4851, steht lediglich etwas von den ordnungspolitischen Bedenken gegen den Entwurf, nicht aber von den verfassungsrechtlichen Bedenken, und ich nehme doch nicht an, daß Ihre Fraktion die verfassungsrechtlichen Bedenken - ich spreche nicht von Ihnen - als eine solche Quantité négligeable ansieht, daß sie es nicht einmal für notwendig hält, sie in dem Antrag aufzuführen, sondern nur von ordnungspolitischen Bedenken spricht.
({1})
Nun aber zu den drei Punkten, die Sie hier beantragen. Ich werde im Verlaufe meiner Ausführungen zum nächsten Tagesordnungspunkt noch auf die Frage der Mehrwertsteuerbefreiung eingehen. Ich möchte Ihnen jetzt schon so viel sagen: Die schwerwiegenden Bedenken gegen eine solche Regelung bestehen in meiner Fraktion fort. Ich werde dazu Ausführungen machen.
Ihr zweiter Punkt: Postgebühren. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Bundespost heute schon eine politische Last von etwa 600 Millionen DM im Jahr im Zusammenhang mit den Postzeitungsgebühren trägt. Ich werde mich mit Ihnen zusammen dafür einsetzen - ich nehme an, Sie werden es tun -, wenn irgendwann in absehbarer Zeit eine Postgebührenerhöhung allgemein zur Diskussion stehen sollte, daß dem Grundgedanken Rechnung getragen wird, das Verhältnis zwischen Unterdeckung und Deckung im betriebswirtschaftlichen Sinne nicht zu verändern.
Dritter Punkt. Ich bin mit Ihnen einig, daß in der Frage der Mißbrauchsaufsicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, und ich füge hinzu: ich glaube, es ist auch durchaus des Schweißes der Edlen wert zu prüfen, inwieweit das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb in diesem Zusammenhang angewandt und ausgebaut werden kann, um Mißbräuche, wie sie hier geschildert worden sind, im Pressebereich zu verhindern.
Wir beantragen Überweisung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft und den Finanzausschuß.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion Drucksache 7/4851. Es ist beantragt worden, die Vorlage an den Innenausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft und den Finanzausschuß zu überweisen. Ich muß fragen, welcher Ausschuß federführend sein soll.
({3})
Vizepräsident von Hassel
- Wie bisher der Ausschuß für Wirtschaft. Ausschuß für Wirtschaft federführend, Innenausschuß und Finanzausschuß mitberatend.
Die Abstimmung über den Überweisungsantrag
- es handelt sich dabei um einen Geschäftsordnungsantrag - hat gegenüber der eigentlichen Abstimmung über den Antrag Vorrang. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses ({4}) zu dem Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland ({5})
- Drucksachen 7/2104, 7/4770 - Berichterstatter:
Abgeordneter Sieglerschmidt
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht der Herr Berichterstatter als Berichterstatter zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Sieglerschmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Verabschiedung des Berichts der Bundesregierung über die Lage von Presse und Rundfunk sind 22 Monate vergangen. In dem Bericht, der damals vorgelegt wurde, wurden eine Reihe von gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen angekündigt, die inzwischen zu einem erheblichen Teil verwirklicht worden sind oder noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden.
Lassen Sie mich darlegen, was in dieser Hinsicht getan worden ist, was wir noch tun wollen und von welchen Grundsätzen wir uns dabei leiten lassen. Es geht zunächst einmal ganz wesentlich um die Erhaltung des publizistischen Gleichgewichts zwischen der privatwirtschaftlich organisierten Presse und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieses Gleichgewicht ist ein wesentliches Element der Sicherung der in Art. 5 des Grundgesetzes verbürgten Informations- und Meinungsfreiheit. Deshalb, meine Damen und Herren, treten wir allen Bestrebungen auf eine Privatisierung im Bereich des Rundfunks entgegen. Wir treten ebenso Bestrebungen entgegen, durch Multi-Media-Konzerne die Grenzen zwischen den beiden Bereichen Presse und Rundfunk zu verwischen. Ebenso möchte ich in diesem Zusammenhang feststellen, daß neue elektronische Medien wie das Kabelfernsehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuzuordnen sind.
Wir begrüßen, daß mit dem Bericht der von der Bundesregierung berufenen unabhängigen Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems eine solide Grundlage für die erforderlichen Maßnahmen gegeben ist. Der Bericht enthält durchaus diskutable Vorschläge, deren baldige Prüfung und Auswertung wünschenswert ist. Das, was hier zu tun ist, würde sicherlich einer eingehenden Erörterung wert sein, und zwar nicht nur mit speziellem Bezug auf die neuen Medien, sondern auch in bezug auf die Rundfunkpolitik von heute und morgen.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, hier deutlich zu sagen, daß wir in diesem Hause auch in Fragen der Rundfunkpolitik mitzudenken haben, auch wenn mir natürlich wohlbekannt ist, daß wir keine Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet besitzen, nicht einmal eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Es ist an sich doch ganz reizvoll, einmal darüber nachzudenken, daß es hinsichtlich des gewiß weniger die Ländergrenzen überschreitenden Mediums Zeitung immerhin eine rahmenrechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gibt und daß es hinsichtlich des Rundfunks, der nun gewiß Ländergrenzen weit überschreitet, überhaupt keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gibt. Aber dies betrachten Sie bitte - ({0})
Ja, das bemerken viele, die an diesen Sendern interessiert sind, Herr Kollege Benz.
Wir haben also mitzudenken, weil die Medienpolitik nur als geschlossenes Ganzes betrieben werden kann. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte an diesem Freitagvormittag davon absehen, in diesen Bereich nun näher einzusteigen, weil dies wirklich etwas substantiierte und differenzierte Ausführungen erforderlich machen würde, die meine Redezeit über Gebühr ausdehnen würden.
Ich komme deshalb zum Bereich der Presse. Hier wird das Grundrecht aus Art. 5 GG in erster Linie durch die Erhaltung von Informations- und Meinungsvielfalt gesichert. Deshalb unsere gemeinsamen - so würde ich sagen - Bestrebungen, der Pressekonzentration so weit wie möglich entgegenzuwirken. Hier wird das Gesetz über die pressespezifische Fusionskontrolle, das wir soeben verabschiedet haben, ein ganz wichtiges Instrument sein. Ich möchte nicht unterschätzen, daß in den Jahren 1974 und 1975 immerhin von 18 Fusionen ein Drittel mit Sicherheit Fusionen waren, die keine Sanierungsfusionen waren, so daß sie also vom Kartellamt nach den jetzt vorliegenden Kriterien hätten verboten werden können. Das Gesetz ist also im Gegensatz zu dem, was hier zum Teil gesagt worden ist, nicht eine Regelung, die nichts bringt, sondern sie wird der Pressekonzentration entgegenwirken.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klein ({1}) ?
Selbstverständlich, gerne.
Herr Kollege Sieglerschmidt, hätten Sie bitte die Liebenswürdigkeit, mir einmal zu sagen, welche Fusionen keine Sanierungsfusionen waren?
Das kann ich Ihnen gerne sagen. Aber ich glaube, das würde jetzt zu weit führen, wenn wir diesen Katalog jetzt hier vornähmen. Ich werde Ihnen das nachher gerne sagen. Ich möchte auch nicht die Einzelheiten hier in dieser Weise ausbreiten. Ich habe die Unterlagen da. Ich bin gerne bereit, nachher mit Ihnen darüber zu sprechen.
({0})
- Et gratis.
Andererseits ist gar nicht zu verkennen, daß eben eine beträchtliche Zahl von Fusionen in den letzten Jahren Sanierungsfusionen waren und daß es also nicht allein damit getan ist, hier mit den Mitteln des Kartellamtes vorzugehen. Die Lage auf dem Pressemarkt ist jedoch, wie wir alle wissen, die sich damit befassen, sehr uneinheitlich. Ob Zeitungen wirtschaftlich gesund sind oder nicht, das hängt weder von der Auflagenhöhe noch von der Art des Verbreitungsgebietes ab. Allenfalls kann man eine gewisse Gesetzmäßigkeit dahin gehend erkennen, daß sich der Abstand zwischen einer Zeitung mit vorrangiger Marktposition und einer anderen mit nachrangiger Marktposition im gleichen Verbreitungsgebiet im allgemeinen zu vergrößern pflegt, daß also die zweite Zeitung in eine immer schwierigere Position gerät.
Wirksame, differenzierte Maßnahmen erfordern aber nach dem, was ich gesagt habe, vor allen Dingen verläßliche Daten. Sie haben wir bisher nicht gehabt. Das haben alle Diskussionen mit den Zeitungsverlegern in den vergangenen Jahren gezeigt. Deshalb haben wir vor einem Jahr hier in diesem Hause ein Pressestatistikgesetz verabschiedet. Ich kann heute noch nicht verstehen, warum es gegen den Widerstand der Opposition geschehen mußte, wo es doch wirklich nur darum geht, überhaupt erst einmal verläßliche Daten über die Lage der Presse in die Hand zu bekommen. Ich will keine Vermutungen daran knüpfen, warum das geschehen ist.
Im Laufe der letzten Jahre konnten wir nun eine allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Presse feststellen. Allerdings erfolgte sie - das muß hier deutlich gesagt werden - mit unterschiedlichem Gewicht in den verschiedenen Bereichen der Presse. Die Gründe waren ziemlich deutlich zu erkennen. Neben der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, die sich in die Kosten hinein ausgewirkt hat, waren es vor allen Dingen die steigenden Papierpreise und der Anzeigenrückgang, die hier zu diesen Schwierigkeiten geführt haben.
Die Bundesregierung hat darauf sofort mit ersten Hilfsmaßnahmen reagiert, erstens mit einer Aufstockung des ERP-Presseprogramms für Investitionsförderung, zweitens mit der Bereitstellung von 100 Millionen DM Betriebsmittelkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau und drittens mit Zinsverbilligungen in Höhe von 2 °/o auf die beiden vorgenannten Kreditmöglichkeiten. Schließlich muß in diesem Zusammenhang auch noch erwähnt werden, daß sich der von uns kürzlich beschlossene Verlustrücktrag gerade auch im Pressebereich auswirken wird.
Inzwischen beginnt sich auch die wirtschaftliche Lage der Presse wieder zu konsolidieren. Diese Verbesserungen zeigen sich insbesondere im Anzeigengeschäft. Wenn ich diese Feststellung hier treffe, brauche ich mich gar nicht auf den berühmten Herrn Rudsatz zu beziehen, der beim Zeitungsverlegerverband neuerdings offenbar in Ungnade gefallen ist, sondern ich kann mich auf die Publikationen des Zeitungsverlegerverbandes selber stützen. In dem offiziellen Organ „ZV+ZV" heißt es in bezug auf die Papierpreise z. B. in Nr. 4/1976: Auch die Talfahrt der Preise scheint beendet zu sein. - Immerhin wird also . deutlich, daß hier in den vergangenen Monaten eine Talfahrt stattgefunden hat, die die Lage der Presse erleichtert hat.
({1})
- Für die Papierindustrie, aber nicht für die Zeitungen, verehrter Herr Kollege; darum geht es hier im Augenblick. Wir sprechen nicht von der Papierindustrie, sondern von den Zeitungen.
({2})
- Wenn die Papierpreise sinken, die vorher erheblich gestiegen sind, dann ist es nach Adam Riese wohl so, daß eine Erleichterung für die Verlage eintritt.
({3}) _
- Wir können hier jetzt kein Zwiegespräch führen. Ich möchte meine Ausführungen fortsetzen.
Entsprechendes gilt für das Anzeigenaufkommen. Überschriften wie „76er Anzeigenerwartung positiv" oder „Erstmals leichter Aufwärtstrend im Zeitungsanzeigengeschäft" zeigen, daß hier eine gewisse Erleichterung eingetreten ist.
Dennoch werden für eine Reihe von Zeitungen strukturelle Probleme bleiben. Sie werden selbst dann bleiben, wenn sich die allgemeine wirtschaftliche Lage völlig normalisiert haben wird.
Aber, meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß diesen Zeitungen mit strukturellen Schwächen durch eine Mehrwertsteuerbefreiung nicht oder nur sehr bedingt geholfen wird. Die Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf die ersten 100 000 Exemplare einer Auflage bringt nicht die erforderliche Differenzierung. Wir haben bei der jetzigen Haushaltssituation - ich möchte das hier freimütig sagen - keine Mittel zur Verfügung, um den vielen Zeitungen, die erhebliche Gewinne erzielen, Geschenke zu machen.
({4})
Ich weiß, daß es, wie hier schon erwähnt worden ist, auch in meiner Partei und bei unserem Koalitionspartner Befürworter der Mehrwertsteuerbefreiung gibt. Ich möchte aber einmal all diejenigen, die für Mehrwertsteuerbefreiung eintreten, daran erinnern, was sich denn vor einigen Jahren abgespielt hat. Damals hat dieser Bundestag eine temporäre Mehrwertsteuerbefreiung beschlossen. Und was hat sich hinterher herausgestellt? Daß die wirtschaftSieglerschmidt
liche Lage der Presse jedenfalls damals nicht so war, daß die Mehrwertsteuerbefreiung gerechtfertigt gewesen wäre.
Nein, meine Damen und Herren, den strukturellen Schwächen, von denen ich gesprochen habe, muß man auf andere Weise entgegentreten, und zwar durch die differenzierte Vergabe von Mitteln durch eine Einrichtung, wie sie etwa die geplante und diskutierte Pressestiftung ist. Die Bundesregierung sollte diesen Weg unverzüglich beschreiten
({5})
und dabei nicht auf eine wesentliche Beteiligung der Verleger warten. Ich verhehle nicht, daß ich von Anfang an eine solche Beteiligung für wünschenswert gehalten habe. Aber die Verleger haben sich hier klar geäußert, und ich meine, man sollte das Projekt der Pressestiftung in einem weiteren Sinne, Herr Kollege Klein, nicht an der Frage einer erheblichen Finanzbeteiligung der Verleger scheitern lassen. Ob die Finanzierung der Stiftung im Wege des Einnahmeverzichts - sprich: durch eine Zweckbindung etwa der Mehrwertsteuer auf Vertriebserlöse - oder auf der Ausgabenseite des Haushalts erfolgt, sollte keine Prinzipienfrage sein.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klein ({6})?
Herr Kollege Sieglerschmidt, könnten Sie mir sagen, was Sie unter der von Ihnen soeben erwähnten „unverzüglichen" Verwirklichung des Projekts einer Pressestiftung verstehen, nachdem dieses Projekt ja bereits seit Mai vergangenen Jahres in Rede steht und seither nicht vorangekommen ist?
Herr Kollege Klein, Sie wissen ganz genau, was das Wort „unverzüglich" bedeutet.
Soweit es sich allerdings um die Pressestiftung handelt, die sogenannte Gemeinschaftsaufgaben erfüllen soll, wird es ohne eine angemessene Beteiligung der Verleger nicht zu machen sein. Ich halte das auch für durchaus zumutbar und vernünftig, wenn es etwa um die Erprobung neuer Kooperationsmodelle geht, insbesondere auf dem Gebiet des Vertriebs, oder wenn es um Journalistenausbildung, um Journalistenfortbildung, um Unternehmensberatung - dies soll kein abschließender Katalog sein - geht; dann können sich daran auch diejenigen, die davon in hohem Maße profitieren, angemessen beteiligen.
Vizepräsident von Hassel: Ihre Redezeit, verehrter Herr Kollege, geht langsam zu Ende.
Wieviel Minuten habe ich noch, Herr Präsident?
Vizepräsident von Hassel: Wir haben wegen der Zwischenfragen zwei Minuten zugegeben, Sie haben noch eine Minute.
Auch in anderen europäischen Ländern, in Ländern, die Steuerbefreiung gewähren, geht die Pressekonzentration weiter. Dies zeigt, daß dieser Trend allenfalls gebremst, aber nur schwer zum Stillstand gebracht werden kann. Ich glaube deshalb, daß es darauf ankommt, die erforderlichen Maßnahmen gerade unter dem Gesichtspunkt zu verstärken, die Freiheit der Berichterstattung sicherzustellen und die Unabhängigkeit der Journalisten zu stärken. Wir haben auf diesem Gebiet einiges getan. Ich denke insbesondere an die Schaffung des uneingeschränkten Zeugnisverweigerungsrechts für die Journalisten gegen den Widerstand der Opposition hier in diesem Hause.
({0}) - Ich komme gleich zum Schluß.
({1})
- Ohne schuldhaftes Zögern. Herr Kollege Klein, im Hinblick auf Ihren Beitrag, den Sie dazwischengeschoben haben, sollten Sie da vorsichtig sein.
Wir haben auf diesem Gebiet gemeinsam noch eine Menge zu tun. Denn die Herausforderungen der neuen elektronischen Medien werden uns vor eine Situation stellen, in der die Gefahr der Manipulation des Mediennutzers und die Gefahr, daß die Unabhängigkeit des Journalisten eingeschränkt wird, größer als gegenwärtig sein werden. Was wir jetzt auf diesem Gebiet an Modellen vorausdenken, was wir jetzt an rechtlichen Sicherungen schaffen, ist deshalb eine Arbeit für die Zukunft.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Benz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister schreibt in dem Vorwort zu dem Bericht, der heute zur Diskussion steht: Eine freie und ungehinderte politische Willensbildung der Bürger ist nur auf diese in dem Bericht dargestellte Weise möglich. Im nächsten Satz dieses Vorworts steht, die publizistische Kontrolle aller Staatstätigkeit sei in einer parlamentarischen Demokratie unverzichtbar.
Wir werden uns, denke ich, sehr schnell in der Forderung verständigen, diese Kontrolle müsse unabhängig vom Staat sein. Die Abhängigkeit vom Staat vermindert nämlich die Kontrollfähigkeit. Massenmedien sind ungewöhnlich empfindlich reagierende Instrumente. Die Praktiken, auf sie Einfluß zu nehmen, sind so verfeinert worden, daß man bereits bei Andeutungen und bei Versuchen reagieren muß.
Wenn wir bis dahin übereinstimmen, wäre es für uns nützlich zu erfahren, warum die Bundesregierung, warum vor allem der Herr Bundesinnenminister so hartnäckig, vielleicht sogar bis zum heutigen Tag, an einem Presserechtsrahmengesetz festhält, das von Anfang an nichts anderes als ein unzulänglicher Versuch einer staatlichen, möglicherweise gut gemeinten Beeinflussung und Regelung war. Ihre Gesetzentwürfe waren Versuche einer Reglementierung eines
Objekts, das eben eine Reglementierung nicht verträgt.
({0})
- Sie sehen dabei, Herr Glotz, wie sehr wir im
Unterschied zu Ihnen neuen Einsichten offen sind.
({1})
Noch im Juli 1974 beruft sich der Bundesinnenminister auf die Kontinuität der SPD/FDP-Regierung. Er betont die Verbindlichkeit der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973. Diese fortdauernde Gültigkeit vom Januar 1973 hervorzuheben, war für den Herrn Minister wenigstens voreilig, wenn auch zu der Zeit einigermaßen verständlich, da der Bundesinnenminister seinen neuen Brotherrn noch nicht ausreichend kannte. Unterdessen jedoch hat sich das Bild, wie wir erfahren haben, erheblich verändert. Ein Teil der Regierung - und nach unserer Vermutung z. B. der Herr Bundeskanzler - beruft sich wenigstens auf diesem Sachgebiet nicht mehr auf Willy Brandt. Bei diesem Teil haben offensichtlich neue Erkenntnisse und pragmatische Überlegungen Platz gegriffen. Wir danken den Beamten und Angestellten für die Arbeit, die sie für dieses Presserechtsrahmengesetz Jahre hindurch aufgewendet haben. Sie handelten im Auftrag ihrer Obrigkeit. Nicht minder danken wir den Beamten und Angestellten, die durch ihre Arbeit die Überflüssigkeit eines solchen Presserechtsrahmengesetzes allgemein plausibel gemacht haben.
Wir erinnern uns, so groß die Zahl der Autoren eines Rahmengesetzes für die Presse in der Bundesrepublik war, so zahlreich wurden dann die Verächter eines solchen Unternehmens. Es spricht für die hohe Sachkenntnis jener Persönlichkeiten im Bundespresse- und -informationsamt, die ihren Einfluß beim Bundeskanzler genutzt haben, Überflüssiges zu verhindern. Ich spreche - um Falschdeutungen vorzubeugen - nicht vom Leiter dieses Amtes. Es ist nicht zu befürchten, daß die Befürworter eines Rahmengesetzes bis zum Herbst dieses Jahres neue Aktivitäten entfalten. Trotzdem wäre schon der erforderlichen Klarheit wegen, Herr Minister, eine stille Bestattung das angemessene Ende eines jahrelang hingeschleppten Versuchs.
({2})
Doch damit wäre nur der eine, der harmlosere Teil staatlicher Reglementierung beseitigt. Der andere, nach meiner Meinung schwerwiegendere ist viel weniger leicht zu fassen. Es ist der wachsende Einfluß der Parteien und Gruppen, die immer heftiger, immer rigoroser ihre Positionen im Rundfunk und in der Presse auszubauen versuchen. Der Bundesinnenminister schreibt im Juli 1974:
Informations- und Meinungsfreiheit bedeutet heute nicht mehr ausschließlich Schutz des einzelnen vor Angriffen des Staates. Sie muß durch den Staat gegen Gefahren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse gesichert werden, und zwar nach allen Seiten.
Über die Gültigkeit dieser Aussage kann man kaum streiten. Nur verdeckt diese Aussage zuviel, etwa den Satz: Informations- und Meinungsfreiheit bedeuten heute auch Schutz vor den Einflüssen der Parteien. Ich finde, wir haben zu fragen: Was geschieht dann, wenn der Staatsapparat ein Gehilfe einer Partei oder Koalition wird oder in diesem Land die Hilfe dieser, in jenem Land die Hilfe der anderen Partei? Die Erfahrungen der letzten Jahre verbieten uns leider, solche Fragen nur als Gedankenspielerei abzutun. Niemand in diesem Hause kann ganz vergessen machen, daß manche Parteigruppierungen mit dem schillernden Begriff der „inneren Pressefreiheit" nichts anderes meinten als die Veränderungen unseres Systems, also die Veränderung der gesetzlich gesicherten Machtverhältnisse. Dabei wurde mit dem törichten Argument operiert, mit einer redaktionsinternen Demokratisierung könne man eine Meinungsvielfalt herstellen, die man durch das Zeitungssterben als bedroht ansah.
Vielem von dem, was in dieser Sache über Jahre hinweg geredet wurde, wird man am besten dadurch gerecht, daß man es vergißt. Das gegenwärtige Schweigen derer, die mit Forderungen, Empfehlungen und Parteitagsbeschlüssen die Öffentlichkeit strapazieren, dürfen wir heute vielleicht als Zeichen besserer Einsichten werten. Nicht nur die ehemaligen Zwangsveränderer von Redaktionsstrukturen, auch der Innenminister, wir alle, sprechen von der Notwendigkeit der Meinungsvielfalt, ohne uns je darüber klargeworden zu sein, was wir darunter verstehen müssen. Dies ist nicht, Herr Professor Schäfer, eine Frage der Philosophie.
({3})
- Nein, ich habe soeben gesagt, daß es sich nicht um Philosophie handelt; sonst hätte ich mich auch nicht an Sie gewandt, Herr Schäfer.
({4})
Dankenswerterweise beschäftigt sich derzeit der frühere Pressereferent des Bundesinnenministeriums Dr. Gehrhardt mit der Materie, dessen Sachkunde uns bereits in den letzten Jahren gute Dienste geleistet hat. Vielleicht gelingt ihm eine Definition, die uns dann eine gemeinsame Sprache erlaubt, damit wir uns besser über das verständigen, was Meinungsvielfalt ist, als es heute geschieht.
Es ist beklagenswert, wenn Zeitungen sterben. Diese Zeitungen, die uns fehlen, vermindern die Farbigkeit. Doch wo sind die gültigen Maßstäbe, die uns in Stand setzen zu sagen, bei welcher Zahl von Vollredaktionen wir von einer Gefährdung der Meinungsvielfalt sprechen müssen? Die Veränderung der Gewichte in der Medienlandschaft bei zunehmender Bedeutung des Fernsehens läßt nicht zu, die Meinungsvielfalt ausschließlich an der Zahl von Tageszeitungen zu prüfen. In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage an Sie, verehrter Herr Sieglerschmidt: Wer mißt das Gleichgewicht zwischen Presse und Rundfunk?
Wir können, glaube ich, von zwei Gesetzmäßigkeiten ausgehen. Erstens: Der Konzentrationsprozeß
bei den Tageszeitungen wird sich fortsetzen. Daran wird auch die Fusionskontrolle nicht viel ändern. Subventionen, gleich welcher Art, werden den Prozeß verlangsamen, aber nicht stoppen. Zweitens: Mit diesem Konzentrationsprozeß geht die Entwicklung neuer Medientechniken einher.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sieglerschmidt?
Ich hatte darauf gewartet.
Sie hatten mich gefragt. Jetzt muß ich versuchen, Sie zu fragen, Herr Kollege Benz: Sind Sie nicht der Auffassung, daß die Gleichgewichtstheorien oder das Bestreben, ein Gleichgewicht herzustellen, z. B. auch im militärischen, weltpolitischen Bereich, natürlich nie genaue Definitionen zulassen, wie das Gleichgewicht exakt austariert werden kann?
Herr Sieglerschmidt, ich glaube, Sie werden meinen folgenden Ausführungen einen Teil der Antwort entnehmen können, wenn wir uns darüber verständigen, in welchem Verhältnis heute Fernsehen und Presse zueinanderstehen.
Die Konzentration auf dem Feld der Tageszeitungen sowie die Entwicklung und Realisierung neuer Techniken werden die Begehrlichkeit in den Parteien, Macht und Einfluß zu verstärken, intensivieren. Es stimmt bedenklich, wenn bei der Eignungsprüfung für wichtige Posten in den Rundfunkanstalten die parteipolitische Zuverlässigkeit als wichtigste Qualifikation gewertet wird. Ich spreche nicht ausdrücklich von der Entscheidung, die meines Wissens in diesem Hause noch am heutigen Tag zu treffen ist.
Die deutsche Presse hat sich gegen Parteieinflüsse bis zur Stunde erfolgreich gewehrt. Diese Position kann sie nur halten, wenn sie wirtschaftlich vom Staat und von den Parteien unabhängig bleibt. Darum ist gar nicht auszuschließen, daß gerade der Konzentrationsprozeß zu einer wirtschaftlichen Stärkung und damit zu einer Sicherung der Unabhängigkeit führen kann. Ich persönlich warne die Verleger davor, in Zeiten der Not zu schnell nach dem Staat zu rufen; denn es könnte sein, daß sie ihn dann nicht mehr loswerden.
({0})
Möglicherweise verständigen wir uns auf die Formulierung, daß diese Informations- und Meinungsfreiheit nicht mehr Schutz des einzelnen vor Angriffen des Staates, sondern auch Schutz vor Zugriffen der Parteien bedeutet, die sich auch der Macht des Staates bedienen können.
({1})
- Und anderer gesellschaftlicher Kräfte. Nur besteht im Augenblick kein Zweifel daran, daß der Zugriff der Parteien und die Begehrlichkeit der Parteien viel stärker sind als die anderer gesellschaftlicher Kräfte, wie Sie das, Herr Sieglerschmidt, soeben formulierten.
Wir stimmen dem Bundesinnenminister zu, wenn er fordert, daß Informations- und Meinungsfreiheit gegen Gefahren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse durch den Staat gesichert werden müsse. Wir erwarten dabei jedoch die Zusicherung des Ministers, daß der Staat bei seiner Schutzfunktion durch seine Macht nicht selbst zur Gefahr ausartet und dabei Informations- und Meinungsfreiheit beengt. Darum halten wir leidenschaftlich daran fest, daß der Staat nicht selber freier oder fester, genannter oder ungenannter Mitarbeiter von Presse und Rundfunk werden darf. Wie schwer es fällt, solchen Versuchen zu widerstehen, zeigen die Planspiele auf dem Gebiet des Kabelfernsehens in Hamburg und Kassel. Jüngste Überlegungen aus Ludwigshafen verschärfen unsere Aufmerksamkeit und fordern unser Mißtrauen heraus.
Es ist irrig und gefährlich, der Vorstellung anzuhängen, die vom Staat zu schützende Freiheit der Massenmedien könnte durch eine staatliche Okkupation der Massenmedien gewährleistet werden.
({2})
Wir haben die Bundesregierung gemeinsam gebeten, den Bericht über die Lage von Presse und Rundfunk in kürzeren Abständen zu erstatten. Die Erfüllung dieser Bitte allein wird unseren Erfordernissen jedoch nicht gerecht. Für uns alle in diesem Hause wäre eine Untersuchung hilfreich, in der geprüft wird, ob oder inwieweit die Massenmedien, vor allem Fernsehen und Hörfunk, den Begriff der Offentlichkeit verändert haben und ob oder wieweit die Kontrolle der Massenmedien die Kontrolle durch das Parlament ersetzt. Der Deutsche Bundestag hat es vor Jahren für richtig gehalten, sich dem Fernsehen zu öffnen. Dafür gibt es gute Gründe. Aber diese Praxis hatte Zwänge im Gefolge, von denen wir uns nicht mehr befreien können. Die Mitglieder des Hauses üben sich im fernsehgerechten Auftritt, weil eben nicht nur vor dem Parlament, sondern sichtbar vor einer erweiterten Öffentlichkeit agiert wird.
Ob und wann diese erweiterte Öffentlichkeit - in der Theorie sind das alle Bewohner unseres Landes - zugelassen wird, entscheidet in der Praxis ausschließlich das Fernsehen. Wir haben uns zu fragen, ob die Konsequenzen daraus nicht den Charakter dieses Hauses verändern werden. Es ist beachtenswert, daß auch außerhalb dieses Hauses die klassischen Formen der Verlautbarungen durch neuere Formen abgelöst werden. Oberste Verfassungsorgane begnügen sich nicht mehr nur mit einem offiziellen Sprecher, einem Kommuniqué oder einem Brief. Sie benutzen das Medium Fernsehen, um ihre Meinung kundzutun.
Maßgebliche Politiker erklären unbekümmert ihre Mißachtung gegenüber der schreibenden Zunft. Sie bevorzugen das Fernsehen, weil sie dort ihre Wirkung höher einschätzen. Ein Hinweis Schelskys könnte uns bei dieser Betrachtung nützlich sein
- wenn ich ihn mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf -:
Man müßte einmal unabhängig und kritisch die Abhängigkeit der westdeutschen Politiker von den Informationsmedien aufdecken. Bisher ist im wesentlichen die politische und interessenhafte Beeinflussung dieser Informationsmittel durch die politischen und wirtschaftlichen Interessen herausgestellt worden. Die umgekehrte Wirkung, die Servilität aller Politiker in Westdeutschland vom Bundespräsidenten über alle Minister der Regierung und Parteigrößen bis hin zu den Ministerpräsidenten der Länder und allen, die sich in diese Publizität noch hineindrängen könnten, hat publizistisch verständlicherweise wenig Beachtung gefunden. Ich bin überzeugt,
- schreibt Schelsky -daß heute in Westdeutschland fast jeder Politiker - die Ausnahmen wären an den Fingern abzuzählen - im Zwiespalt zwischen Sachverantwortung und Publizitätswirkung diese auf Kosten jener aufgibt und damit, um es allgemein zu sagen, die Sache selbst an die machtbringende Publizität verrät.
({3})
- Schelsky spricht von denen, die man an den Fingern abzählen kann.
({4})
- Ich zähle Sie zu den Ausnahmen.
({5})
Der Hinweis auf diesen Sachverhalt ist keine Aufforderung zum gemeinsamen Lamento. - Ich zähle mich auch dazu, mit Verlaub. ({6})
Es ist nur der Versuch, uns einer Entwicklung bewußt zu werden, die sich unter dem Einfluß neuer Techniken aller Voraussicht nach noch beschleunigen wird.
({7})
- Ich versuche, sofort zum Schluß zu kommen, Herr Präsident. Der zweite Bereich, für den wir die Hilfe der Fachleute im Innenministerium und im Presseamt erbitten, Herr Minister, ist eine Untersuchung über die Kontrollfunktion des Parlaments, die durch eine Kontrolle der Massenmedien ersetzt zu werden droht. Wir sind uns einig über die unverzichtbare publizistische Kontrolle aller Staatstätigkeit, selbstverständlich auch - wenn nicht gar zuerst - dieses Parlaments. Nur ist zu prüfen, ob das Parlament angesichts des Informationsvorsprungs und der Informationsfülle der Massenmedien noch in der Lage ist, seinerseits die ihm von der Verfassung aufgetragene Kontrolle auszuüben, oder ob das Parlament, wenn es kontrollieren will, nur noch Kostgänger der Massenmedien ist.
({8})
Zuweilen hat doch jeder von uns den Eindruck, daß das Parlament heute schon nicht mehr genug eigene Kraft besitzt, um die ihm gestellte Aufgabe wahrzunehmen.
Ich erlaubte mir diese Hinweise, um die Diskussion über Presse, Rundfunk und Fernsehen auf Dimensionen zu lenken, die ihnen in Wirklichkeit zukommen.
({9})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das, was wir in den letzten Minuten hier von Ihnen, Herr Benz, über das Verhältnis zwischen Politikern und Medien gehört haben, ist sicherlich verdienstvoll. Sie haben es allerdings mit dem Aufzeigen der Bedenken - Sie wollten die Diskussion wieder einmal anregen - für heute bewenden lassen. Zu irgendwelchen Schlußfolgerungen sind Sie nicht gekommen. Das scheint mir in mehr als einer Hinsicht für die Einstellung der Unionsparteien zur Medienpolitik überhaupt kennzeichnend zu sein.
Wir haben vorhin von Herrn Klein gehört, daß die Fusionskontrolle, die das Haus soeben beschlossen hat, nichts bringen wird, daß sie überflüssig ist, daß sie nicht greift.
({0})
Alle Bedenken, die von Ihnen genannt worden sind, sehen wir auch so. Das hindert uns aber überhaupt nicht, in einer wiederum von allen im Hause als besonders schwierig angesehenen Situation doch zumindest das Äußerste zu versuchen, was überhaupt irgendeinen Erfolg verspricht, bevor wir sagen: Wir machen dann lieber gar nichts. Das ist doch die Position. Deshalb sind wir auch nicht der Meinung, daß man die Bemühungen vergessen sollte, die auf ein Presserechtsrahmengesetz verwendet worden sind, daß man die Überlegungen, die Diskussionen und die Parteitagsbeschlüsse, die es da gegeben hat, so abtun sollte, wie Sie das soeben getan haben. Ich behaupte ja nicht, daß das alles sonderlich gescheit gewesen ist, einschließlich unserer eigenen FDP-Produktionen auf diesem Gebiet.
({1})
Aber wir haben uns wenigstens die Mühe gemacht,
({2})
darüber nachzudenken, darüber zu diskutieren und uns dem Problem zu nähern. Das müssen wir doch tun. Nur wenn in dieser Richtung auch von Ihnen immer wieder etwas Neues kommt, hat die Diskussion hier im Hause und draußen einen Sinn. Wir stellen uns dieser Diskussion ständig. Nur wenn wir auch darüber hinauskommen, zu erklären, daß uns alle Medien wichtig sind, daß wir die Gefahren aller Medien, die Bedrängnisse aller Medien sehen, und auch einmal sagen, wie wir ihnen helfen wollen, und auch einmal den Mut haben, Schwerpunkte zu setzen, dann hat die Diskussion einen Sinn.
In der Schlußfolgerung oder zumindest dem Ausblick, den Sie zu dem Verhältnis Politik und Medien eröffnet haben, möchte ich Ihnen nicht folgen. Nicht nur die von Ihnen genannten, zum Teil personifizierten Ausnahmen, sondern noch mehr die Wirkung der meisten politisch Tätigen in diesem Lande scheinen mir dafür zu sprechen, daß hier in Wirklichkeit eine Symbiose vorliegt, daß die Medien im Grunde nur das wiedergeben können, was ihnen die Politiker andienen, und daß sie nur so schlecht oder so gut berichten können - jedenfalls auf Dauer, von gelegentlichen Verzeichnungen abgesehen -, daß sie nur das bringen, was hier und wie es hier produziert wird. Ich glaube, daß vernünftige Überlegungen und wirklich durchdachte Sachaussagen durch das Medium nicht ohne weiteres entstellt werden können, sondern daß eine wechselseitige Abhängigkeit besteht. Wir alle haben die Aufgabe - nur darauf möchte ich hinaus -, das eine oder andere Mal zum einen vielleicht mehr an unsere Unabhängigkeit zu denken, zum anderen aber auch in unseren Aussagen so präzise und klar zu sein, daß Mißdeutungen schwerer möglich sind, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Dies ist doch etwas, was bei dieser Gelegenheit auch ins Auge zu fassen ist.
({3})
Man muß dann auch den Mut haben, in diesem Bereich Prioritäten zu setzen. Ich bin z. B. der Auffassung, daß die Kunst, aus Buchstaben Wörter, aus diesen Sätze und daraus Gedanken und Bilder zu formen, für die Menschen in diesem Lande von ungeheurer Wichtigkeit ist und für das, was hier an Intelligenz wachsen und gepflegt werden soll, mit Sicherheit wichtiger ist als das Begucken von bewegten Bildern. Wenn ich dies so sage, komme ich damit auf die Frage der Priorität zu sprechen. Wenn das gedruckte Wort so wichtig ist, muß ich auch den Mut haben, einmal zu fragen, wie man die Bedingungen für das gedruckte Wort - z. B. auch zum Nachteil der bewegten Bilder oder der Verwalter derselben - in eine bessere Situation bringen kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benz?
Bitte.
Geschätzter Herr Kollege, wären Sie bereit, in der von Ihnen ausgestellten Reihenfolge die Gedanken an den Anfang zu setzen?
Wenn es sich um die Frage handelt, wie diese Gedanken im Zusammenhang mit dem Buchstaben und dem Wort oder mit dem Bild zu produzieren sind, bin ich dazu überhaupt nicht bereit. Wenn ich das, was vermittelt werden soll, entgegennehme, muß ich mit dem Buchstaben anfangen. Ich fange über die Vorstellungen desjenigen, der mir etwas anliefert, erst zu denken an, wenn ich diese Vorstellungen zur Kenntnis genommen
habe. Deshalb kann der Gedanke naturgemäß erst zum Schluß kommen.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich dachte nicht, daß es mit Ihnen so ungewöhnlich schwer wäre.
({1})
Selbst am Freitag sollten Sie doch in der Lage sein, den Unterschied zwischen Rezipieren und dem Vermitteln zu erkennen. Ich spreche - im Blick auf die verschiedenen Medien - hier nur vom Rezipieren, und dabei kommt der Gedanke natürlich zum Schluß. Aber bitte, versuchen Sie es doch einmal andersherum.
({2})
Ich bin der Meinung, daß - auch wenn dies dem einen oder anderen in einer Fernsehanstalt nicht gefällt - aus unserer Verantwortung für die Kultur und für die intellektuelle Potenz in diesem Lande das gedruckte Wort einen Vorrang haben muß. Das bedeutet z. B. daß es gar keinen Sinn hat, über die Nöte der Tagespresse zu jammern, wenn man nicht gleichzeitig - auch auf die Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen - sagt: Die Zeit für Werbesendungen im Fernsehen muß engen Begrenzungen unterliegen. Es scheint ja z. B. im Bereich des Norddeutschen Rundfunks auch möglich zu sein, den Haushalt ohne die enormen Einnahmen zu fahren, die naturgemäß den Tageszeitungen verlorengehen, wenn das Werbefernsehen in immer stärkerem Maße dazu dienen muß, ein unter Umständen viel zu aufwendiges Haushaltsgebaren der Fernsehanstalten zu finanzieren.
Dies sind Fragen, die man einmal erwägen und auch ansprechen muß, selbst auf die Gefahr hin - ich sagte es bereits -, sich damit unbeliebt zu machen. Man muß hier also Grenzen ziehen. Dann ist dieser Markt auch in der Lage, die Selbstheilungskräfte zu entwickeln, die uns allen - das ist von Ihnen auch mit Recht betont worden - wichtiger sind als irgendwelche staatlichen Hilfen, zumal
- ich scheue mich nicht, auch diese Gefahr klar herauszustellen - alle Art von Hilfen, die zu gewähren sind, je gezielter, desto mehr, selbst bei den allerbesten Absichten der Vergebenen die Gefahr des Mißbrauchs, die Gefahr einer Steuerung stets in sich trägt. Daran kann die beste Konstruktion und daran können die gutwilligsten Verwalter soldier Subsidien nichts ändern.
Diese Gefahr liegt nun einmal drin. Und wie sich bei einem Beginn in dieser Richtung die Dinge dann eigengesetzlich weiterentwickeln, kann ohnehin niemand, der einen Anfang setzt, genau vorhersagen. Das muß man auch sehen. Deshalb haben wir es uns auch auf diesem Gebiet - Herr Sieglerschmidt hat es bereits angesprochen - nicht leicht gemacht mit der Diskussion, ob und wenn ja in welcher Weise man, und zwar vorübergehend, der Tagespresse in ihrer Lage helfen sollte. Wir haben diese Diskussion - das ist allgemein bekannt - innerhalb der Koalition noch nicht abgeschlossen.
Ich verhehle nicht, daß wir zu einer vorübergehenden Lösung im Sinne des Mehrwertsteuererlasses neigen, und zwar aus dem soeben genannten Grund, daß wir - wir werden, wie ich sagte, weiter darüber nachdenken - wohl eher in Kauf nehmen müßten, einzelne kerngesunde Verleger noch gesünder zu machen, wenn wir auf der anderen Seite damit verhindern können, daß es zu irgendwelchen Steuerungsmöglichkeiten und -versuchen kommt.
({3})
Das ist unsere Überlegung dabei. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir ein gescheiteres Auswahlkriterium für diejenigen Zeitungen finden könnten, die zu unterstützen sind, und wenn wir das in völliger Neutralität und vollautomatisch ohne Einzelfallentscheidung hinbekommen könnten. Ich habe aber bisher von einem solchen Rezept noch nichts gehört, und damit bietet sich die andere Lösung trotz ihrer Mängel zunächst einmal an. Das ist die Art, in der wir darüber nachdenken, in der wir das abwägen und weiterzukommen versuchen.
Wir haben uns auch noch einige andere Gedanken gemacht. Es wurde heute wieder der Betrag von 600 Millionen DM erwähnt, die bei der Deutschen Bundespost ausgegeben werden müssen: das Defizit im Postzeitungsdienst. Diese Zahl veranlaßt mich zu einer zunächst einmal rein spekulativen Überlegung: Sollte man nicht der Deutschen Bundespost dieses unendliche Opfer, das sie da bringt, ersparen, indem man sagt: Gebt uns nicht diese 600 Millionen DM - da muß ehrlicher Handel sein -, gebt uns nur 400 Millionen DM; dann habt ihr schon 200 Millionen DM gespart, und mit den 400 Millionen DM versuchen wir einmal einen Zeitungsdienst aufzuziehen, der wirklich funktioniert! Ich bin der Meinung, die bisherigen Leistungen des deutschen Zeitungs- und Zeitschriftengrossos und die Leistungen der unzähligen Abonnementshändler, die es immer noch fertig bekommen, ihre Ware an den Kunden und Abonnenten zu bringen, sind sehr ermutigend. Wir sollten also unsererseits nicht etwa eingreifen und uns einschalten, sondern diese Leute nur ermutigen, gewisse kleinkarierte Konkurrenzerwägungen beiseite zu schieben, sich zusammenzuschließen und zu vermeiden, daß an manchen Tagen in ein und dasselbe Haus fünf oder sechs Boten kommen. Man sollte also einen wirklich effizienten privatwirtschaftlichen Verteilerdienst aufziehen, unter Umständen mit einem Teil der Mittel, die angeblich zur Zeit von der öffentlichen Hand in diesem Bereich zugeschossen werden. Darüber müßten sich die Unternehmer dann natürlich miteinander unterhalten. Sie haben da einige sehr kompetente Leute in ihren Reihen, schon auf Grund der bisherigen Organisation. Auch mit uns können sie dann mal über die Dinge sprechen, und man kann dann sehen, wie man das vielleicht vernünftig organisieren kann, um die Sache von der Wurzel her gesund zu machen und nicht mit Subsidien zu arbeiten, von denen man nicht weiß, wie sie sich schließlich auswirken werden. Ich meine, das wäre sehr erwägenswert.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens darauf aufmerksam machen - viele haben diesen Zusammenhang nicht gesehen -, daß in unserer Fraktion die Novellierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes ganz bewußt unter medienpolitischen Gesichtspunkten angesprochen worden ist. Wir haben nämlich die übrigens aus mehreren Gründen auch rechtspolitisch völlig unsinnige Bestimmung, die Zustelltätigkeiten für Jugendliche verboten hat, abschaffen wollen, um in diesem Bereich medienpolitisch Erleichterungen zu schaffen. Das möchte ich in diesem Zusammenhang einmal unterstreichen. Wir sind naturgemäß allen dankbar, die das mit uns zusammen geändert haben; es ist aber unter den Sozialpolitikern vielleicht nicht in diesem Lichte, gesehen worden. Daß wir rechtspolitisch dabei etwas bewegt haben, nämlich eine Fülle ganz unsinniger Prozesse, die zum Schluß mit Freispruch - auf Kosten der letzten Mitarbeiter - für die Unternehmer geendet haben, abzuschaffen, nehme ich zusätzlich dankbar zur Kenntnis.
Es ist ein weiteres Mittel angesprochen worden. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit versuche ich, nur einige Beispiele dafür aufzulisten, was man wirklich tun könnte, um im Pressebereich Erleichterungen zu schaffen, und zwar immer im Wege der Selbsthilfe oder der Verbesserung der Struktur. Es ist die sogenannte Pressestiftung angesprochen worden. Angesichts der Zahlen, die - mit oder ohne Verlegerbeteiligung - bereits genannt worden sind, möchte ich, falls dabei etwas Effektives in Zukunft herauskommen sollte, die Anlagepolitik dieser Stiftung sehen. Es ist nämlich die Frage, ob bei diesem Kapital überhaupt noch etwas übrigbleibt, was zu verwalten sich lohnt. Die Größenordnung des Ertrags aus einem derartigen Kapital ist in dem uns hier beschäftigenden Zusammenhang einfach lächerlich. Es kann also nur darum gehen, eine möglichst unabhängige Stelle zu schaffen - ich stimme Herrn Sieglerschmidt völlig zu, daß dies der Sinn dieser Stiftung sein kann -, die für eine Reihe von spezifischen Dingen zuständig ist. Aber sich irgendeine Hilfe bei den eigentlichen wirtschaftlichen Problemen der Presse vorzustellen, halte ich wegen der Größenordnung der in Rede stehenden Beträge für schlechthin illusorisch. Das geht einfach nicht; da macht man sich etwas vor. Für andere Zwecke können wir den Gedanken weiterverfolgen.
Ich habe vorhin den Einwand gebracht, daß es noch nicht einmal ein Jahr her ist, daß hier verschiedene Dinge überlegt wurden. Ich meine wirklich: Man muß es ja auch nicht gerade überstürzen. Es genügt, daß wir uns weiterhin alle miteinander bemühen, nicht nur zu sagen, wie schön und wichtig die Presse ist und daß sie die Basis der Demokratie ist usw., sondern wir müssen auch sagen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen wollen, wie wir helfen wollen - und zwar so marktwirtschaftlich, wie es irgend geht -, daß diese Sache gesund bleibt. Da, wo zur Zeit bedauerlicherweise ein nicht gesunder Zustand herrscht, müssen wir dafür sorgen, daß gesunde Verhältnisse geschaffen werden. Wir wollen es mit dem Alten Fritz halten, der das allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang geKleinert
meint hat, und sagen: Die Gazetten sollen nicht genieret werden.
({4})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Herr Professor Dr. Maihofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hinter uns liegenden Jahre waren gekennzeichnet von einer ganzen Reihe von Fusionen und Konkursen bei Zeitungsunternehmen. Dies hat die strukturellen Probleme dieses Wirtschaftszweiges auch öffentlich erkennbar werden lassen, die allein mit Mitteln der kurzfristigen Konjunktursteuerung nicht zu beheben sind.
Die Bundesregierung hat daher mit ihren Beschlüssen vom 30. April 1974 und vom 9. Juli 1975 erste Maßnahmen eingeleitet, die der Presse sowohl konjunkturell als auch wenigstens in Ansätzen strukturell helfen sollen. Die Bundesregierung betrachtet diese wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen als Teil des Verfassungsauftrags zur Gewährleistung der Freiheiten des Art. 5 unseres Grundgesetzes.
Dabei wurde - um in dieser Stunde daran zu erinnern - das ERP-Presseprogramm finanziell aufgestockt und inhaltlich erweitert; die starre Auflagenbegrenzung wurde unter Beibehaltung des Mittelstandscharakters aufgehoben. Jährlich stehen diesem Programm 15 Millionen DM zur Verfügung. Außerdem wurde das Mittelstandsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau unter Bereitstellung eines Volumens von 100 Millionen DM für die Presse geöffnet und später noch erweitert. Das Allerwichtigste: Tageszeitungsverlage erhalten für Kredite aus diesen beiden Programmen für die Dauer bis zu vier Jahren Zinszuschüsse, wodurch die ohnehin schon zinsgünstigen Kredite um weitere 2 °/o verbilligt werden.
Alle Parteien dieses Parlaments haben in dieser Debatte ihren Willen zum Ausdruck gebracht, der Presse auch darüber hinaus bei der Bewältigung ihrer strukturellen Probleme zu helfen. Ich stelle mit Befriedigung diese Einigkeit zwischen Regierung und Oppositionsparteien fest: daß der Presse geholfen werden muß, soll sie die strukturelle Krise, in der sie sich befindet, ohne weitere Einbußen der Meinungsvielfalt durchstehen.
Bei solcher grundsätzlicher Einigkeit geht der Streit heute eigentlich nur noch darum, wie der Presse geholfen werden soll.
Die einen meinen, daß dies am besten auf dem Wege einer an die bisherige oder an die künftige Mehrwertsteuerregelung anknüpfenden Rückvergütung für die ersten 100 000 Exemplare der verkauften Auflage jedes Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags geschehen soll; andere meinen, daß dies auf die jeweiligen Zeitungseigentümer bezogen werden soll. Wieder andere meinen, daß diese selben Mittel in eine Pressestiftung einfließen sollen, und zwar jährlich, nicht einmalig - wie gegenüber soeben Gesagtem richtigzustellen ist -, und von dieser nach denselben oder ähnlichen objektiven Kriterien als Strukturhilfen vergeben werden sollen. Noch andere meinen, daß diese strukturellen Hilfen aus etwa in gleicher Höhe in die Pressestiftung eingebrachten Haushaltsmitteln finanziert werden sollen, einschließlich einer dieser Pressestiftung eingegliederten Strukturkasse für die Förderung etwa von Kooperationsmodellen z. B. im Vertrieb, woran sich auch die Verleger mit einem Viertel beteiligen wollen.
Ich habe die Feststellung des Kollegen Sieglerschmidt aufmerksam zur Kenntnis genommen, daß er eine Selbstbeteiligung der Verleger ausschließlich bei dieser Strukturkasse für erforderlich hält, wie sie ja auch von Verlegerseite, wie Sie wissen, zu einem Viertel zugestanden worden ist. Ich setze mich selbst, wie Sie wissen, seit über einem Jahr für die Errichtung einer Pressestiftung ein, wie sie in ihren Grundzügen am 9. Juli 1975 von der Bundesregierung beschlossen worden ist, bin aber auch - ich sage dies hier ausdrücklich - für andere Übergangslösungen offen. Entscheidend ist für mich nur, daß den aus nicht nur konjunkturellen, sondern strukturellen Gründen notleidenden Bereichen der Presse schnell und wirksam geholfen wird.
Ich meine aber, all die kurzfristig wirkenden Hilfsmaßnahmen für einzelne Presseunternehmen werden allein, auf Dauer gesehen, die wachsenden Strukturprobleme der Presse nicht nachhaltig lösen können.
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Dazu bedarf es eines Bündels von Maßnahmen, die nicht nur sorgfältig rechtlich und haushaltsmäßig abgesichert, sondern auch mit der Presse selbst abgestimmt werden müssen und dabei überall streng den Freiheitsraum des Art. 5 des Grundgesetzes zu beachten haben. Diese mittelfristige Aufgabe könnte, wie wir meinen, am besten auf eine Pressestiftung übertragen werden, die in gehöriger Distanz zur Exekutive diese strukturellen Hilfen zur Selbsthilfe wahrnehmen kann.
Alle diese Hilfsmaßnahmen für die Presse stehen für mich unter dem besonderen Gesichtspunkt, daß die Presse zwar auch Teil unserer Marktwirtschaft, aber eben nicht nur Wirtschaft ist, um das ganz klar zu sagen. Sie kann daher nicht nur unter Gesichtspunkten ökonomischer Rentabilität betrachtet werden, wenn sie ganz eindeutig immer auch unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden muß. Vielmehr muß ihre Stellung und Aufgabe als konstitutive Voraussetzung einer freiheitlichen Demokratie bei allen Erwägungen über Ansatz, Art, Umfang usw. solcher Maßnahmen letztentscheidend bleiben.
Dies gilt vor allem auch für die weitreichenden Strukturveränderungen, die von neuen Entwicklungen in der Medientechnik ausgehen. Ich möchte auch dazu noch ein kurzes Wort sagen. Im Pressebereich selbst sind dies neue Satz- und Druckverfahren, der Einsatz elektronischer Datenverarbeitung und Bildschirmeinrichtungen in den Redaktionen, was einerseits zur Entstehung von Druckzentren
bisher unbekannter Größe, andererseits zur Verminderung der Arbeitsplätze vor allem im Druck- und Satzbereich führen wird - dies ist ja heute schon abzusehen - und damit, auch das muß klar gesehen werden, zur Gefährdung journalistischer Arbeitsplätze und auch zur Verminderung der Mobilität der Journalisten, was neue sozialpolitische, aber auch medienpolitische Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. So schön das alles ist, daß hier unter ökonomischer Perspektive rationalisiert wird, so sorgfältig wird man bedenken müssen, daß hier nicht publizistische Funktionen wegrationalisiert werden dürfen.
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Die Meinungsvielfalt - und nicht nur die Staatsunabhängigkeit - der Presse darf durch solche Vorgänge nicht beeinträchtigt werden, sondern muß eher verstärkt werden. Darauf muß man achten.
Darauf muß man auch bei einer so polemischen Attacke wie der Ihren, Herr Kollege, zum Presserechtsrahmengesetz achten.
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- Aber entschuldigen Sie, Sie wissen doch ganz genau, daß ich seit einem Jahr unbeirrt die Meinung vertrete, daß nach meinem Verständnis zunächst die wirtschaftliche Hilfe für die Presse auf der Tagesordnung steht und erst, wenn diese Sache gelöst ist, die Frage rechtlicher Regelungen, etwa der inneren Pressefreiheit, wieder auf die Tagesordnung kommen kann. Denn ich würde es für eine perverse Politik halten, wenn wir in dieser wirtschaftlichen Krise der Presse nicht vor allem anderen zunächst die wirtschaftlichen Probleme der Presse in allem Ernst in Angriff nähmen.
Nur werden wir uns - und darauf zielte diese Bemerkung soeben - gerade nach all diesen Rationalisierungsprozessen noch viel strenger fragen müssen
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- gestatten Sie mir, daß ich zunächst diesen Gedanken zu Ende führe -, erstens, wie gerade bei einer zunehmenden nicht nur Konzentration hier oder dort, sondern auch Kooperation hier oder dort die innere Freiheit der Presse und damit auch Ihre Vielfalt - gesichert werden kann. Das hat mit Reglementierung der Presse überhaupt nichts zu tun, sondern das hat mit Garantie der Pressefreiheit, nämlich der inneren Pressefreiheit, zu tun - und nichts sonst. Es hat zugleich damit zu tun, daß nicht durch ein Übergreifen etwa der Betriebsverfassungsregelungen in die publizistischen Redaktionen eine Deformation der Pressefreiheit von ganz anderer Seite eingeleitet wird; das wissen Sie ganz genau. Deshalb ist es eines der beiden Fundamente unseres Presserechtsrahmengesetzes schlechthin, den Tendenzschutz gesetzlich festzuschreiben.
Ein Zweites - und auch dies hat mit dem Gegenteil einer Reglementierung der Presse zu tun; nämlich ebenfalls mit Garantie der Pressefreiheit -:
Jede staatliche Pressekontrolle, etwa durch staatliche Ausschüsse, muß durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen ausgeschlossen werden.
Von daher kann ich Ihren Angriff im Grunde einfach nur als sachlich gegenstandslos zurückweisen. Uns geht es in einem künftigen Presserechtsrahmengesetz um Stärkung der Pressefreiheit, auch in rechtlicher Hinsicht, wie in wirtschaftlicher Hinsicht in unseren heutigen Überlegungen - und um nichts sonst. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie uns unterstellen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benz?
Aber ja.
Herr Minister, dürfen wir Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie die gesetzliche Regelung dessen, was Sie innere Pressefreiheit nennen, als einen Weg zur Erhaltung oder Erweiterung der Meinungsvielfalt ansehen, und halten Sie diesen Weg über dies hinaus für in den Redaktionen praktikabel?
Auf diese Frage eine klare Antwort: Schon die Überschrift eines solchen möglichen „Gesetzes zur Erhaltung der Meinungsvielfalt" zeigt Ihnen, worum es hier geht. Wir haben Jahre darauf gewartet - für mich als Liberalen wäre das jedenfalls das bessere Rezept -, daß sich die Verleger und Journalisten selbst - das ist nur hier und da geschehen - untereinander über die redaktionellen Statuten einigten. Dann würde es gesetzgeberischer Regelungen nicht bedürfen.
Aber wenn Sie sich dieses Presserechtsrahmengesetz in seinen Hauptinhalten vergegenwärtigen, dann geht es vor allem auch gegenüber der Landesgesetzgebung darum, durch ein Rahmengesetz festzulegen, daß der Tendenzschutz bei der Presse unverbrüchlich durchgehalten wird und daß es staatliche Pressekontrollen in einer solchen freien Presse wie der in unserem Lande nicht geben kann. Das sind ausschließlich institutionelle Garantien für die freie Publizistik in einer freiheitlichen Demokratie und nichts sonst. Von daher halte ich Ihre Interpretation, daß ein Presserechtsrahmengesetz der Reglementierung der Publizistik dienen soll, für eine schlichte Verfälschung der Absichten des Gesetzgebers. Das wissen Sie selbst ganz genau.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte jetzt gern zu Ende kommen.
Aber auch der am 27. Januar 1976 - auch dazu möchte ich noch eine abschließende Feststellung treffen - der Öffentlichkeit vorgelegte TelekommuBundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
nikationsbericht der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems ({0}) läßt, wie ich meine, erkennen, daß in der Medienpolitik grundlegende Weichenstellungen schon in nächster Zeit gefordert sind,
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wenn diese Medientechniken im kommenden Jahrzehnt zum Einsatz kommen. Die Kommission hat weitgehend auf Äußerungen über medienpolitische Konsequenzen verzichtet. Das ist auch ausdrücklich dort festgestellt. Darum wird es Aufgabe von Regierung und Parlament sein, rechtzeitig die erforderlichen medienpolitischen Antworten auf Bestandaufnahme und Empfehlungen der Kommission, die ja unter rein technologischen Perspektiven getroffen worden sind, zu finden.
Große Bedeutung wird dabei auch den von der Kommission angeregten Pilotprojekten zur Errichtung und Nutzung von Breitbandverteilnetzen zukommen; denn schon bei diesen ersten praktischen Experimenten werden wir auch über bestimmte strukturelle Probleme von Presse, Rundfunk und Fernsehen, privat oder öffentlich, und was auch immer nachdenken müssen. Das wir uns vor schwerwiegende Grundsatzentscheidungen stellen. Wir sind gegenwärtig in unserem Hause dabei, in einem medienpolitischen Konzept entsprechende alternative Vorschläge vorzubereiten.
Hier wie überall wird es auch in der künftigen Medienpolitik darum gehen - ich sage es noch einmal ganz scharf und klar -, die Staatsunabhängigkeit, aber auch die Meinungsvielfalt aller publizistischen Medien in Presse, Rundfunk und Fernsehen nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken. Das klingt so einfach und ist doch eine fast unmögliche Sache, wie Sie erkennen, wenn Sie manche der technologischen Trends hier beobachten, auf die ich gerade in meinen Ausführungen kam.
Ich stelle abschließend mit Genugtuung fest, daß wir in diesem Ziel - das hat mir diese Debatte gezeigt - auch zwischen Regierung und Opposition einig sind. Ich schließe in der Hoffnung, daß wir auch über die Wege zu diesem Ziel, zunächst vordringlich mit weiteren Schritten auf dem Feld wirtschaftlicher Hilfen für die Presse, bald zu abschließenden Einigungen kommen.
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Meine
Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zu dem Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland liegt auf der Drucksache 7/2104 ein Antrag des Innenausschusses auf der Drucksache 7/4770 mit den Ziffern 1 und 2 vor. Ich gehe davon aus, daß ich über den Antrag geschlossen abstimmen lassen kann. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Damit ist der Antrag einstimmig gebilligt.
Ich rufe den Zusatzpunkt der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Dezember 1965 zur Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank ({0})
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({1}) Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Die Bundesregierung verzichtet auf eine Begründung. Das Wort wird auch zur Aussprache nicht begehrt.
Den Überweisungsvorschlag des Ältestenrates entnehmen Sie der Tagesordnung. Ich sehe und höre keinen Widerspruch gegen diesen Vorschlag; es ist also beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der heutigen Plenarsitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 17. März 1976, 13.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.