Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
({0})
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 11. Februar 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Höcherl, Dr. Häfele, Dr. Althammer, Dr. Zeitel, Dr. Sprung und der Fraktion der CDU/CSU betr. Neuverschuldung des Bundes 1975 und Auswirkungen auf die Folgejahre ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4735 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 11. Februar 1976 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Höcherl, Leicht, Dr. Althammer, Dr. Häfele, Dr. Zeitel, Dr. Köhler ({2}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Haushaltswirtschaft des Bundes im Rechnungsjahr 1975 und Folgerungen für die Jahre ab 1976 ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4736 verteilt.
Überwelsung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({4}) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel, mit dem die Anwendung der Zollsenkung für Einfuhren von Tomatenmark mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft ausgesetzt wird ({5})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Fünfte Entscheidung des Rates über die Gleichstellung von Feldbesichtigungen von Saatgutvermehrungsbeständen in dritten Ländern und
Fünfte Entscheidung des Rates über die Gleichstellung von in dritten Ländern erzeugtem Saatgut und
Entscheidung des Rates zur Änderung der zweiten Entscheidung 75/370/EWG über die Gleichstellung von in dritten Ländern erzeugten Pflanzkartoffeln ({6})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung der Kommission an den Rat und Entwurf einer Entschließung über die Verwirklichung der energiepolitischen Zielvorstellungen des Europäischen Rates vom 1. und 2. Dezember 1975 und
Bericht der Kommission über die Verwirklichung der Ziele der gemeinschaftlichen Energiepolitik für 1985 und
Erster periodischer Bericht und Entwürfe von Entschließungen über das Aktionsprogramm im Bereich der rationellen Energienutzung ({7})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({8}), Ausschuß für Forschung und Technologie, Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen ({9}) Nr. 109/70 und Nr. 1439/74 hinsichtlich der gemeinsamen Regelungen für die Einfuhr aus Staatshandelsländern und anderen Drittländern ({10})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({11}) des Rates zur Aufrechterhaltung der hinsichtlich der Einfuhr von gewissen Textilerzeugnissen mit Ursprung in der Republik Korea ergriffenen Eilmaßnahmen ({12})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({13}) des Rates zur Aufrechterhaltung der hinsichtlich der Einfuhr von gewissen Textilerzeugnissen mit Ursprung in der Bundesrepublik Brasilien ergriffenen Eilmaßnahmen ({14})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zur Verlängerung ihres Beschlusses vom 24. Juni 1975 zur Eröffnung von Zollpräferenzen für die unter die Zuständigkeit dieser Gemeinschaft fallenden Waren mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean und den mit der Gemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten und
Verordnung ({15}) des Rates zur Verlängerung bestimmter Interimsvorschriften für den Handel mit den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean und den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten ({16})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates Nr. 75/271/EWG vom 28. April 1975 betreffend das Gemeinschaftsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne der Richtlinie Nr. 75/268/EWG ({17}) ({18})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({19}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({20}) Nr. 2505/75 zur Festlegung besonderer Vorschriften für die Einfuhr von Erzeugnissen des Weinsektors mit Ursprung in bestimmten Drittländern ({21})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({22}) Nr. 128/76 des Rates vom 20. Januar 1976 zur vollständigen und zeitweiligen Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Kartoffeln der Tarifstelle 07.01 A III b)
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Meine Damen und Herren, ich rufe die Punkte 44 bis 47 der Tagesordnung auf:
44. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Roser, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Schmidt ({23}), Kiechle, Weber ({24}), Sick, Tillmann, Dr. Unland, Dr. Waffenschmidt, Eigen, Dreyer, Milz,
Präsident Frau Renger
Dr. Jenninger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Sonderdienst-Rufnummern für die Telefonseelsorge bei der Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldewesen
- Drucksache 7/4486 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
45. Beratung des Antrags der Abgeordneten Straßmeir, Frau Berger ({25}), Kunz ({26}), Mül(ler ({27}), Dr. Narjes, Sick, Tillmann, Wohlrabe, Milz, Frau Pieser, Dr. Waffenschmidt, Dr. Gradl und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Benachteiligung der Fernsprechteilnehmer in Berlin bei der Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldewesen
- Drucksache 7/4487 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({28})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
46. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Kiechle, Eigen, Dr. Luda, Sick, Tillmann, Dr. Unland, Dreyer, Milz, Dr. Waffenschmidt und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Benachteiligung der Fernsprechteilnehmer in Zonenrand-, Grenz- und Küstengebieten bei der Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldewesen
- Drucksache 7/4488 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({29})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
47. Beratung des Antrags der Abgeordneten Damm, Blumenfeld, Rollmann, Orgaß, Link, Geisenhofer, Dr. Wittmann ({30}), Dr. Riedl ({31}), Schröder ({32}), Kiechle, Spranger, Dr. Müller-Hermann und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Tarifänderung bei der Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldewesen
- Drucksache 7/4489 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({33})
Ausschuß für Wirtschaft
Diese Punkte werden in einer verbundenen Aussprache behandelt. Das Wort hat Herr Abgeordneter Damm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute morgen meldet ein westdeutscher Sender in den Nachrichten, der Bundestag beschäftige sich heute mit Telefonfragen, mit dem
Acht-Minuten-Takt, und die Opposition habe dazu einige Ausnahmen beantragt. Meine Damen und Herren, das trifft nicht den wirklichen Tatbestand. Die Opposition beantragt hier nicht gewisse Ausnahmen, sondern sie beantragt, daß der Zeittakt im Ortsbereich überhaupt nicht eingeführt wird.
({0})
Daß die Regierung den Vier-Minuten-Takt keineswegs aufgegeben hat, ergibt sich aus der Tatsache, daß Bundesminister Gscheidle auf der Pressekonferenz am 28. Januar 1976 auf die Frage:
Sehe ich das richtig, daß Sie hier Ihren Grundsatzbeschluß, der eigentlich feststand, wenn nicht aufgehoben, so doch aufgeschoben haben, einen Vier-Minuten-Takt einzuführen?
geantwortet hat:
Zur ersten Frage sage ich ein klares Nein. Die Grundkonzeption ist von dieser Anregung, die ich gegeben habe und die vom Kabinett angenommen wurde, überhaupt nicht berührt.
Das macht eindeutig klar: Dieser Postminister will, sobald er es kann, den Vier-Minuten-Takt im Ortsbereich einführen, und dagegen wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.
({1})
Meine Damen und Herren, das Telefon ist kein Luxusartikel, sondern ein notwendiges Hilfsmittel für das menschliche Miteinander. Ohne oder mit noch teurerem Telefon würden unzählige Menschen in unserer anonymen Industriegesellschaft vollends isoliert und in die totale Einsamkeit verbannt werden. Darum sagen wir: Der Vier-Minuten-Takt ist unsozial; die linksliberale Bundesregierung will ein wesentliches Merkmal moderner Lebensqualität abbauen. Minister Gscheidles Telefonpläne sind deshalb, meine Damen und Herren, in Wirklichkeit soziale Demontage.
({2})
Die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hause setzt, Herr Minister, Ihren Plänen entschiedenen Widerstand entgegen.
({3})
Es sind vier Anträge, die die Grundlage für diese Diskussion bilden. Ohne unsere Anträge, Herr Kollege Meinecke, würde dieses Haus überhaupt nicht über die Pläne der Regierung, den Vier-MinutenTakt einzuführen, sprechen.
Daß wir hier heute die Zeittaktpläne von Minister Gscheidle debattieren, ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, daß unsere parlamentarische Demokratie funktioniert. Herr Gscheidle hat am 22. Januar dieses Jahres gegenüber der Bild-Zeitung verächtlich davon gesprochen, daß sich ganze 0,00035 %
aller Telefonanschlußinhaber mit Protestbriefen an ihn gewendet hätten. - Herr Minister, nehmen Sie zur Kenntnis: Sie haben es inzwischen mit einem Bürgeraufstand gegen Ihre Telefonpläne zu tun,
({4})
mit einem Aufstand, wie ihn sich auch jeder Demokrat nur wünschen kann. Meine Damen und Herren, vor drei Tagen meldete dpa, daß es bereits 350 000 Protestunterschriften gegen Ihre Pläne gibt. Und Sie sprechen verächtlich von 0,00035 °/o! Sie sollten sich jetzt klarmachen, daß Sie gegen die Mehrheit der Bürger dieses Bundes anrennen, wenn Sie immer noch bei Ihrem Takt bleiben.
({5})
Meine Damen und Herren, es ist ein Vierteljahr her, da hörte ich in einer Sendung des NDR, in der Zuhörer anrufen können, um ihre Sorgen loszuwerden, eine Frau, die etwa folgendes sagte: Minister Gscheidles Vier-Minuten-Pläne zerstörten lebenswichtige Verbindungslinien gerade zwischen solchen Menschen, die sehr stark auf sich allein angewiesen sind, und das gelte insbesondere für Kranke und für Behinderte. Der Vier-Minuten-Takt im Ortsverkehr mache es nicht nur der Telefonseelsorge unmöglich, den Selbstmörder von seinen Plänen abzubringen, sondern treffe alle, junge und alte Menschen, die Verbindung der Lehrer mit den Eltern ihrer Schulkinder ebenso wie die nachmittaglichen Kontakte der Schulkinder untereinander, aber auch die Telefonringe. Und sie betonte insbesondere, in welche psychologische Streß-Situation alte Menschen kommen, wenn sie ihre Telefongespräche unter dem Druck eines Vier-Minuten-Taktes führen müssen. Und diese Frau fragte, was man denn tun könne, ob man sich denn das, was der Kanzler und der Postminister da planten, eigentlich alles gefallen lassen müsse. Und die Antwort lautete: Wenden Sie sich doch damit vor allem an unsere Bundestagsabgeordneten. Das ist geschehen, und auch das Zusammenspiel zwischen der Presse, den Bürgern und dem Parlament hat in dieser Frage, wie ich finde, hervorragend funktioniert.
({6})
Darum müssen Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank wissen: Sie haben es mit einem einhelligen Protest unserer Bürger gegen Ihre Pläne zu tun.
({7})
Und Sie, meine Damen und Herren in diesem Hause, müssen wissen, daß nur dieses Parlament diese Pläne wirklich stoppen kann; denn das Kabinett hat in Wirklichkeit gar nichts verändert, sondern nur vor der Wahl einen Schleier über das Ganze, was Herr Gscheidle mit dem Telefon vorhat, gezogen.
({8})
Ich hoffe, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, daß wir für unsere Anträge genügend Unterstützung bei Ihnen finden können.
({9})
Die Regierung hat vor zwei Wochen - ich habe das schon einmal gesagt - die unsozialen Zeittaktplane nicht begraben, sondern nur vertagt. Die Regierung sagt den Wählern nicht die Wahrheit,
({10})
wenn sie plötzlich nur von sechs Versuchen mit dem Acht-Minuten-Takt spricht.
({11})
Richtig ist, was der „Spiegel" geschrieben hat: Nach den Wahlen zahlen. Ich zitiere den „Spiegel":
Letzte Woche pfiff der Kanzler seinen Minister
zurück. Er hat laut Schmidt keinen Sinn für das
Politisch-Psychologische, aber gute Argumente.
Die Schlußfolgerung des Nachrichtenmagazins lautete: „Der lokale Telefontakt kommt bestimmt."
Meine Damen und Herren, ich sage für die ganze Union: Hier werden wir entschieden Widerstand leisten, Herr Minister Gscheidle.
({12})
Denn der Zeittakt im Ortsverkehr ist gar nicht nötig, um die Nahverkehrsbereiche auf dem Lande einzuführen. Es war und es ist Herrn Gscheidles Trick, der Öffentlichkeit einzureden, daß die Telefongerechtigkeit auf dem Lande nur zu haben sei, wenn man auch den Zeittakt einführe. Der Postminister hat für diese Behauptung bis heute keine Beweise beigebracht. Er kann auch keinen Beweis beibringen, weil selbst seine eigenen Fachleute, als sie noch offen darüber reden durften, anderer Meinung waren. Ich erinnere hier nur an einen Mann wie den Ministerialdirigenten, den Diplom-Ingenieur Schön und das, was er im „Jahrbuch des elektrischen Fernmeldewesens 1972" dazu geschrieben hat.
Wenn man sich vor Augen hält, daß auch die Kostenangaben, die die Regierung zu diesem Komplex macht, sehr dubios sind, und wenn man sich ferner vor Augen hält, daß der Postminister im Grunde erreichen will, daß der Postkunde sogar die Investitionen dafür zahlt, daß er später entweder weniger oder teurer telefonieren kann, dann kann man verstehen, was Julia Dingwort-Nusseck neulich in einem Kommentar gesagt hat: „Es wird investiert, nicht etwa, um mehr Leistung zu schaffen, sondern um die Leistung zu verkürzen. Das ist so richtig die Mentalität eines Monopolisten."
({13})
Ich sagte schon: Bis heute fehlt der exakte Nachweis für die wirkliche Notwendigkeit von Mehreinnahmen zur Einrichtung der Nahverkehrsbereiche. Im Gegenteil, wenn die Uhren zur Zeitmessung gar nicht erst eingeführt werden, dann kann der Postminister eine ganze Menge, nämlich Hunderte von Millionen DM, sparen, und das Ganze wird erst recht leichter finanzierbar.
Nun sagt der Minister, den der „stern" süffisant den „Vier-Minuten-Minister" nennt, außerdem, er folge dem Beispiel des Auslandes. Tatsache ist aber, daß von 90 Ländern nur 20 den Zeittakt haben und
diese in der Regel sehr viel niedrigere Gebühren als wir erheben.
Staatssekretär Elias sagt: „Wenn wir nicht den gesamten Selbstwählferndienst verstopfen wollen, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als den Zeittakt einzuführen." Befragt, wo er denn im Nahverkehrsbereich solche Verstopfungserscheinungen auftreten sehe und was es kosten werde, sie zu beseitigen, antwortete Staatssekretär Elias im WDR: „Diese Berechnungen haben wir nicht in allen Einzelheiten durchgeführt." Das ist es eben; Herr Minister Sie haben keine konkreten Unterlagen für das, was Sie behaupten.
Meine Damen und Herren, es ist dem Minister Gscheidle tatsächlich eine Zeitlang gelungen, das Problem so darzustellen, als ob die Bevölkerung auf dem Lande Telefongerechtigkeit nur bekommen könne, wenn den Städtern etwas weggenommen wird.
({14})
Ich finde, es ist eine ganz schlimme Sache, daß Sie hier die Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung aufgehetzt haben. Das hat mit der „heiteren Sachlichkeit", von der der „stern" sagt, daß sie Ihnen nachgesagt würde, nichts zu tun. Das ist weder sachlich, noch ist es heiter.
({15})
Im „stern" steht auch, daß sich der Minister wenig nach außen wende und - ich lese wörtlich vor - „lieber im Dunstkreis um Helmut Schmidt sitzenbleibt,
({16})
emsig rechnend, planend und wortkarg". Mag der „stern" recht haben oder nicht: Der Kanzler muß doch seinem emsig rechnenden und wortkargen Postminister wohl monatelang ganz und gar vertraut haben, daß der Vier-Minuten-Takt das richtige sei.
({17})
Jeder wird sich im übrigen auch gut vorstellen können, daß Helmut Schmidt zu denen gehört, die meinen, die Leute quasseln sowieso viel zu lange, und da sei die Faust des Postministers in ihrem Nacken gerade richtig. Das ist typisch: Um gewissen Mißbrauch hier und da abzustellen, müssen alle Leute bestraft werden. Das ist Ihre Denkweise.
({18})
Vom Kanzler habe ich noch im Januar lesen können, daß er sich schon immer darüber geärgert habe, daß er, wenn er vom Brahmsee aus einen Klempner habe rufen müssen, ein Ferngespräch habe führen müssen. Man kann sehen: auch der Brahmsee-Horizont kann einen in die Irre führen.
({19})
Es ist unverständlich, daß sich derselbe Helmut Schmidt, der einst einen vielbeachteten Artikel über die Urbanität im allgemeinen und die besondere Urbanität von Städten wie Berlin, München und
Hamburg verfaßt hat, heute als Kanzler so wenig urban in der Telefonfrage zeigt.
({20})
Ich sage noch einmal: Sie brauchen den Ortszeittakt überhaupt nicht, wenn Sie Nahverkehrsbereiche auf dem Lande einführen wollen. Darüber gibt es gar keinen Streit. Wir werden Ihnen das auch immer wieder klarmachen; denn Sie sind verpflichtet, für die Notwendigkeit des Ortszeittaktes die Beweise auf den Tisch zu legen. Das haben Sie bis zum heutigen Tage nicht gemacht.
Sie müssen Millionen DM ausgeben, um die Zeitmesser zu installieren. Wenn Sie sie erst installiert haben, haben Sie natürlich die Möglichkeit, den Telefonkunden in den Würgegriff zu nehmen; denn Sie können dann den Zeittakt ständig weiter verändern. Das wäre eine Gebührenerhöhung nach der anderen.
Die Protestwelle gegen Ihre Pläne, Herr Minister, wird, wenn Sie nicht deutlich machen, daß Sie den Nahverkehrsbereich ohne Zeittakt einführen wollen, immer weiter steigen.
({21})
Ich bin der Meinung, daß wir die Interessen der deutschen Telefonkunden hier mit Recht so deutlich vertreten, weil es nicht nötig ist, daß Gute auf dem Lande mit dem Schlechten für alle Telefonkunden und insbesondere in den großen Ortsbereichen zu verbinden. Der Nahverkehrsbereich muß kommen, der Zeittakt im Ortsverkehrsbereich ist nicht notwendig, und er ist unsozial. Darum fordere ich Sie auf, Herr Minister Gscheidle, endlich klipp und klar die Wahrheit zu sagen: Werden Sie den Zeittakt endgültig fallen lassen oder ist das Ganze, was Sie vorhaben, nur ein Verschleierungsmanöver bis zue Wahl? Werden Sie, falls Sie wieder gewählt werden sollten - was allerdings Gott sei Dank ohnehin sehr unwahrscheinlich ist -, den Vier-MinutenTakt auf jeden Fall einführen?
Ich bin der Meinung, dieses Haus würde sich sehr verdient machen, wenn es hier und heute klarmachte: Wir wollen den Zeittakt im Ortsverkehrsbereich des Telefons überhaupt nicht;
({22})
denn erst dann, wenn wir das klarmachen, Herr Ollesch, wird ein Satz wie der Werbeslogan der Deutschen Bundespost „Schenk doch mal ein Telefon" wirklich die Glaubwürdigkeit gewinnen, die er haben müßte.
({23})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Gscheidle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch nach den Ausführungen von Herrn Kollegen Damm bleibe ich dabei, daß die Fraktionen dieses Hauses in den grundsätzlichen Zielen dieser Tarifreform einig sind, und zwar in folgendem:
Erstens: Milderung des Ungleichgewichts zwischen Fernsprechmögichkeiten der Teilnehmer in ländlichen Gebieten und in den Großstädten,
({0})
d. h. ein Beitrag zur Chancengleichheit zwischen Stadt und Land. Während die Teilnehmer in kleinen Ortsnetzen nur einige hundert oder tausend Teilnehmer in einem Bereich von nur wenigen Quadratkilometern zu Ortsgesprächsgebühren erreichen können, können Großstadtteilnehmer heute für 23 Pfennige bis zu 700 000 Teilnehmer in einem Bereich von über 1 000 Quadratkilometern telefonisch erreichen. Die Ungerechtigkeit ist doch wohl offensichtlich.
Zweitens: Anpassung der historisch über 90 Jahre hinweg gewachsenen Ortsnetzgrenzen an die Gegebenheiten unserer Zeit, d. h. Beseitigung der durch die Kommunalreform besonders verschärften Situation der Aufteilung der Gemeinden auf mehrere Ortsnetze. Viele neu entstandene Großgemeinden sind zur Zeit auf mehrere Ortsnetze - bis zu 13 - verteilt. Hier müssen heute Ferngespräche zu den eigenen kommunalen Behörden oder zu Nachbarn auf der anderen Straßenseite geführt werden.
({1})
Drittens: Beseitigung der Probleme der Randgemeinden der Großstädte, deren Verkehr größtenteils auf die nahe Großstadt hin ausgerichtet ist und deren Teilnehmer die heutige Ortsnetzgrenze als harte Tarifgrenze unmittelbar vor ihrer Haustür vorfinden. Dies hat im übrigen zu ständigen Auseinandersetzungen der Gemeinden mit der Post geführt.
Viertens: Erhaltung der Eigenwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundespost, d. h. keine Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt.
Ich habe deshalb damals nach Untersuchungen und Durchrechnung zahlreicher technischer und tariflicher Alternativen dem Postverwaltungsrat ein Tarifsystem vorgeschlagen, das diese Forderungen mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erfüllt und durch zwei wesentliche Merkmale gekennzeichnet ist: Zum einen Ausweitung der Ortsgesprächsgebühr auf alle Ortsnetze, die im Umkreis von 20 km zum eigenen Ortsnetz liegen oder unmittelbar an das eigene Ortsnetz angrenzen, d. h. einheitliche Gesprächsgebühr in diesem großen Nahbereich einschließlich des heutigen eigenen Ortsnetzes - damit werden dem eigenen Ortsnetz im Durchschnitt des Bundesgebiets 18 Ortsnetze hinzugeschlagen -; zum anderen Einführung eines weit über der mittleren Gesprächsdauer liegenden einheitlichen Zeittakts in diesem großen Nahbereich, d. h. sowohl in den künftigen Nahverkehrsbeziehungen, in denen heute Zeittakte zwischen 30 und 90 Sekunden bestehen, als auch im eigenen Ortsnetz. Verzichtete man auf den Zeittakt im Ortsnetz, würde keines der genannten Probleme gelöst, da die eigene Ortsnetzgrenze wiederum eine Tarifgrenze wäre.
Nun zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Damm. Die Konfusion in Ihren Reihen ist ja nicht mehr zu überbieten.
({2})
Ich will Ihnen das einmal an einem Punkt darlegen. Auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Klein in Rheinland-Pfalz hat die dortige Bundesregierung
({3})
- die dortige Landesregierung; wenn Sie jetzt zu lange lachen, entgeht Ihnen eine wichtige Sache zu Ihrer eigenen Orientierung - zugegeben, daß der Innenminister von Rheinland-Pfalz als Mitglied des Postverwaltungsrats der Einführung der Zeitzählung im Nahbereich nach Abstimmung mit dem CDU-Kanzlerkandidaten Dr. Kohl zugestimmt hat.
({4})
Sie müßten einmal versuchen, die Dinge bei sich in Ordnung zu bringen. Zu diesem Zeittakt als zweitem unabdingbaren Merkmal des neuen Tarifsystems wollen sich die Vertreter der Opposition heute allerdings nicht mehr bekennen, und zwar wohl deshalb, weil in der Öffentlichkeit die Länge des von mir vorgeschlagenen Zeittakts von den heute gegenüber den ländlichen Gebieten sehr bevorzugten Großstadtteilnehmern kritisiert wird.
Der Verkehr in den künftigen Nahbereichen muß über die technischen Einrichtungen des Selbstwählferndienstes abgewickelt werden, da die vielen Millionen Kilometer Kabel, die in der Erde liegen, nicht verlegt werden können.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke ({0})?
Wenn ich die Zeit halten soll, die mir vorgegeben ist, kann ich generell keine Zwischenfragen zulassen.
({0})
Die vorgesehene Verbilligung der Nahgespräche bis unter 10 % der heutigen Gebühren führt durch die damit angereizte Verkehrssteigerung zu erheblichen Erweiterungsinvestitionen, wenn man verhindern will, daß der gesamte Selbstwählferndienst blockiert wird. Die durch die Verbilligung entstehenden jährlichen Gebührenausfälle bewegen sich bei den ins Auge gefaßten Zeittakten bereits in Milliardenhöhe. Es ist ökonomisch allein sinnvoll, den Ausbau der fernmeldetechnischen Einrichtungen an der durchschnittlichen Gesprächsdauer zu orientieren. Die völlige Aufgabe des Zeittakts im Nahbereich brächte unübersehbare technische und finanzielle Risiken mit sich, weil ein Anreiz zu geradezu mißbräuchlicher Benutzung der teuren Fernver15444
kehrseinrichtungen gegeben würde. Dies ginge letztlich zu Lasten aller Teilnehmer.
Das, was sich heute bereits in den Ortznetzen abzeichnet, würde in seinen Auswirkungen in den künftigen Nahbereichen, wo der Verkehr über die technischen Einrichtungen des Selbstwählferndienstes abgewickelt wird, verheerende Auswirkungen haben.
({1})
Dauerverbindungen über den ganzen Tag für Daten-und Faksimileübertragungen für nur 23 Pf halte ich volkswirtschaftlich für unvertretbar, wenn die tatsächlichen Kosten für eine solche Verbindung allein schon für die Dauer einer Stunde 20 DM betragen. Aber auch von anderen Teilnehmern wird manchmal stundenlang telefoniert, wobei ich beispielsweise Haus aufgabenerledigung und Telefonfernschach nicht gerade als subventionswürdige Dienstleistungen der Deutschen Bundespost ansehen kann. Ich hielte es auch nicht für gerecht, wenn die überwiegende Mehrheit der Fernsprechteilnehmer und letztlich alle Postkunden deswegen zur Kasse gebeten würden. - Auf die Probleme der Alten, Kranken und sozial Schwachen werde ich noch besonders eingehen.
Wie ernst die Probleme der Dauerverbindungen heute schon sind, geht auch daraus hervor, daß heute bereits 14 000 Datenstationen und 2000 Faksimileübertragungseinrichtungen im Fernsprechnetz betrieben werden. Die Zahl nimmt auch nach dem Bericht der Kommission für den Ausbau eines technischen Kommunikationssystems in Zukunft rapide zu. Die Wachstumsrate für das Fernsprechnetz liegt bei etwa 6 °/o, die Wachstumsrate für Datenstationen im Fernsprechnetz bei nahezu 70 °/o.
Durch Dauerverbindungen für Datenübertragungen können besonders vorteilhaft kostenaufwendige Mietleitungen zu Lasten der übrigen Fernsprechteilnehmer umgangen werden. Dies würde bei den achtzehn- bis zwanzigfach vergrößerten Einzugsgebieten erst recht interessant. Bereits wenige solcher Verbindungen könnten die Blockade des gesamten Selbstwählferndienstes im betreffenden Bereich oder aber auch im Ortsnetz selbst verursachen.
Die Tarifierung durch die Zeitzählung ist auch von der Entwicklung der Kostenstruktur her die einzig gangbare Lösung, da die Kosten immer weniger von der Entfernung und immer mehr von der Dauer eines Ferngesprächs geprägt werden. Dieses wird durch die Tarifpolitik zahlreicher vergleichbarer Länder und auch durch die von internationalen Gremien empfohlenen Gebühren eindeutig belegt.
Genau dieses war auch die Aussage der Fachleute aller Fraktionen im Ausschuß für Forschung und Technologie dieses Hauses, von der die Herren der Opposition heute nun leider auch nichts mehr wissen wollen.
({2})
- Wir haben die Unterlagen dabei und können auch zitieren, was vorgetragen wurde.
Gerade von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der Opposition, wurde immer wieder gefordert: kostengerechte Preise. Gerade dies erfordert - das kann keinem Zweifel unterliegen, sonst wären auch im internationalen Bereich bei vergleichbaren Techniken diese Entwicklungen nicht nachweisbar - eben den Zeittakt.
Die von Ihnen in der öffentlichen Diskussion geäußerte Meinung, die Investitionskosten in Höhe von 1,6 Milliarden DM könnten bei Wegfall des Zeittakts eingespart werden, ist ebenso falsch wie irreführend. Nur die Investitionen für die Zeitzählung im Ortsnetz von ca. 400 Millionen DM wären einzusparen. Dem stünden jedoch zusätzliche Erweiterungsinvestitionen im Nahbereich in Milliardenhöhe gegenüber. Wer eine derart kurzsichtige Unternehmenspolitik betriebe, würde das Unternehmen Deutsche Bundespost, bei dem sich die eingeleiteten Rationalisierungsmaßnahmen inzwischen ganz deutlich in der Bilanz niedergeschlagen haben, wiederum ins Defizit führen.
Dieselben Leute, die heute gegen jeden Zeittakt, aber wohl für alle Vorteile des Nandienstes plädieren, haben gestern noch lautstark die ständige Mißwirtschaft der Bundespost kritisiert. Dies gilt natürlich auch für einige der hier anwesenden Herren.
({3})
- Verehrter Kollege, Sie müssen einmal die Unterlagen der Bundespost, die Ihnen dazu zur Verfügung stehen, aufmerksam lesen. Wer dagegen diese grundsätzlichen Argumente für den Zeittakt außer acht läßt und glaubt, die Probleme der Zukunft allein mit einer Erhöhung der Gebühreneinheit in den Griff zu bekommen, der kuriert an den Symptomen, ohne die ursächlichen Probleme zu beseitigen.
Hierbei haben mich im übrigen einige Empfehlungen der hier anwesenden Herren, die ich seit langem kenne, etwas verwundert, die in der Presse als „Fernmeldeexperten" genannt wurden. Dieser Eindruck kann sich, würde ich sagen, bei mir wohl nur vertiefen, wenn Sie inzwischen einen Schnellkurs genommen hätten, um Fernmeldeexperten zu werden; denn Ihre Äußerungen zu der Frage lassen sowohl technische Kenntnisse vermissen als auch die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Technik, ihren Auswirkungen und Preiselastizität.
({4})
Ich bin aber jederzeit bereit - ich mache Ihnen hier ein ganz faires Angebot, meine Herren -, dafür zu sorgen, daß Ihnen alle meine von ausländischen Verwaltungen eingeholten Unterlagen und die schwierigen Berechnungen über die Preiselastizität von Fernsprechgebühren von meinem Haus vorgelegt werden und Sie Einführung erhalten, wie schwierig es ist, sozusagen auszurechnen, was die Erhöhung einer Fernsprechgebünreneinheit tatsächlich nach der Wirkung am Markt bringt.
Die Bundesregierung hält auf jeden Fall den Beschluß des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost nach wie vor für richtig,
({5})
zusammen mit den Nahverkehrsbereichen auch die Ortszeitzählung einzuführen. Im übrigen wurden im Verwaltungsrat - das darf ich Ihnen sagen - diese Dinge ohne Gegenstimme beschlossen, und es waren ja nicht wenige Ihrer Herren dort vertreten.
({6})
- Es gab auch Stimmenthaltungen; ich habe das ja nicht bezweifelt.
({7})
Ich halte es zwar nicht für die tapferste Art von sogenannten Experten, sich in einer solchen Frage so zu entscheiden, aber immerhin haben Sie nicht dagegengestimmt.
({8})
Ursprünglich war ein Vier-Minuten-Zeittakt vorgesehen. Diese Zeitdauer wurde auf Grund von Messungen der Gesprächsdauer sowie des Vergleichs mit den europäischen Nachbarländern wie Dänemark, Frankreich, Österreich, Spanien, Großbritannien und auch Japan verordnet. Dort gibt es Zeittakte mit maximal drei Minuten.
({9})
Als Ergebnis der Diskussion über die Zeitzählung in der Öffentlichkeit hat die Bundesregierung empfohlen, einen Versuch mit einem Acht-Minuten-Takt in den für 1977 vorgesehenen sechs Knotenstellenvermittlungsbereichen durchzuführen. Ich habe dem Verwaltungsrat am 30. Januar 1976 die Situation erläutert und angekündigt, daß ich für die nächste Sitzung im März einen entsprechenden Vorschlag machen werde. Probebetrieb im übrigen deshalb, weil keine Fernmeldeverwaltung der Welt Erfahrungen mit einem so langen Zeittakt innerhalb eines so großen Nahbereichs, wie vorgesehen, zur Verfügung stellen kann. Der Probebetrieb soll Anfang 1977 beginnen; Ende 1977 werden die Ergebnisse vorliegen.
({10})
Sie bringen für das weitere Vorgehen ab 1978 die notwendigen Daten hinsichtlich des Teilnehmerverhaltens, des Investitionsaufwandes für die Erweiterung der Netze und die Gebührenausfälle. Deshalb sind die Betriebsversuche notwendig.
Herr Kollege Müller-Hermann, dies in Zusammenhang mit der Wahl zu bringen, zeigt, wie schwierig es ist, die objektiven Zusammenhänge zwischen Planung, Produktion, Montage und Inbetriebnahme solcher technischen Einrichtungen verständlich zu machen.
({11})
- Nein. Bei Ihnen ist das Verfahren: Sie behaupten etwas und sagen: „Hinterher setzen wir dann Experten ein, um zu beweisen, daß das richtig ist, was wir behaupten."
Daß die Anwendung grundlegender Prinzipien verantwortungsbewußter Betriebsführung in diesem Zusammenhang als Wahltaktik denunziert wird, bringt Sie im übrigen gegenüber der ganzen Wirtschaft, die gar keine anderen Methoden als die hier vorgeschlagenen hat, in eine eigenartige Situation.
Nun hat sich die Diskussion um das neue Tarifsystem vor allem auf vier Punkte konzentriert, die dann auch prompt von der Opposition zum Gegenstand ihrer Anträge gemacht wurden. Dabei geht der Antrag zur Telefonseelsorge schon deshalb ins Leere, weil die Probleme der Telefonseelsorge im Zusammenhang mit der vorgesehenen Zeitzählung im Ortsnetz bereits seit November 1975, und zwar auf Grund meiner Einladung an die Kirchen, intensiv mit den führenden Vertretern der Kirchen erörtert werden.
({12})
- Nun hören Sie doch erst mal zu! Vorhin haben Sie sich auch zu früh gemeldet.
Die Kirchen haben inzwischen auch in einem Kommuniqué bestätigt, daß seitens des Bundespostministeriums eine Reihe von technischen Möglichkeiten angeboten wurde, mit denen diese Probleme gelöst werden können.
({13})
- Ach du liebe Zeit! Denken Sie denn, die Post sei eine Kuh, die im Himmel gefüttert und hier unten gemolken wird? Natürlich hat die Post nur so viel Geld, wie sie einnimmt.
Es ist gemeinsam vereinbart, daß die Gespräche weitergeführt werden. Sie werden sicherlich mit einer befriedigenden Regelung für die Telefonseelsorge enden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann der Antrag der CDU/CSU in der bestehenden Formulierung nicht angenommen werden, weil er Informationen und Klärungen von seiten der Kirchen voraussetzt, die auch dort erst noch erarbeitet werden müssen. Ebenso wird die Bundesregierung den besonderen Gegebenheiten im Zonenrandgebiet und an den Küsten Rechnung tragen. Es handelt sich hierbei in der Regel um dünner besiedelte Gebiete mit kleineren Ortsnetzen und einseitig in Richtung Bundesgebiet ausgerichtetem Gesprächsverkehr, die selbst bei undifferenzierter Anwendung der angestrebten Lösung beachtliche Vorteile haben werden.
Darüber hinaus werde ich jedoch dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost geeignete Vorschläge unterbreiten, um Nachteile, die sich für die Teilnehmer aus den geographischen und politischen Verhältnissen in diesen Gebieten ergeben, auszugleichen. Es ist beabsichtigt, mit dem Knotenamt Hilders einen ganzen Knotenamtsbereich mit mehreren Ortsnetzen aus dem Zonenrandgebiet in die
1 Erprobung des Nahbereichsverkehrs einzubeziehen. Es soll dort ein Begünstigungsmodell erprobt werden, bei dem nicht nur die in einem Radius von 20 km um den jeweiligen Ortsnetzkern liegenden Ortsnetze in den Nahbereich einbezogen werden, sondern auch der Radius auf 25 km erweitert wird. Der praktische Betriebsversuch wird uns dann Aufschluß darüber geben, wie sich diese Vergünstigungen auf die Kunden und die Einrichtungen der Deutschen Bundespost auswirken werden. Sie können dann gegebenenfalls allen Ortsnetzen am Zonenrand und an der Küste eingeräumt werden, die dann beachtliche Teile der vorgesehenen Nahbereichsfläche auf Grund ihrer Lage verlieren.
Eine Ausnahmeregelung dürfte jedoch zumindest hinsichtlich der westlichen und südlichen Landesgrenze nicht notwendig sein. Die Deutsche Bundespost bietet dort im automatisierten Grenzfernsprechverkehr bereits einen gegenüber dem normalen Auslandstarif sehr günstigen Sondertarif an. Davon wird auch, wie die Statistik zeigt, von beiden Seiten reger Gebrauch gemacht.
({14})
Die Einführung der Ortszeitzählung wird aber auch noch pauschal als schwerwiegende Belastung für alle Alten, Kranken, Pflegebedürftigen und Einsamen dargestellt. Auch hier scheint mir eine differenziertere Betrachtungsweise angebracht. Das Argument trifft nämlich nur für diejenigen älteren und kranken Mitbürger zu, die zu dem Kreis der sozial Schwachen gehören und deshalb künftig Zahl und Dauer ihrer Gespräche entweder beschränken oder an anderer Stelle ihrer Lebensführung Abstriche machen müßten.
({15})
Es handelt sich um den Kreis derjenigen, die auch heute bereits durch die Regelung zum Sozialanschluß begünstigt werden.
Die Deutsche Bundespost ist der Auffassung, daß sie mit der Einführung des Sozialanschlusses bereits 1974 im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Eigenwirtschaftlichkeit alle Möglichkeiten, hilfreich zu sein, ausgeschöpft hat. Sie beabsichtigt jedoch, die bereits bestehenden Bestimmungen für Gebührenbefreiungen an die Regelung für Hörfunk und Fernsehen anzupassen. Dadurch kann sich der Kreis, der bis heute 275 000 Begünstigte umfaßt, um bis zu 25 °/o ausweiten. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß gerade für diesen Personenkreis der 1974 eingeführte Mondscheintarif eine Möglichkeit zu verbilligten Gesprächen in der Ferntarifzone bietet. Immerhin nimmt die Deutsche Bundespost für dieses soziale Angebot jährlich rund 350 Millionen DM an Mindereinnahmen in Kauf.
Verwundert hat mich bei dieser Diskussion allerdings die Reaktion einiger Leute, unter ihnen auch Soziologen, die selbst an der Umstrukturierung der Großstädte mit dem Ziel der Schaffung gesunder
Wohngebiete in den Randgemeinden der Großstädte
mitgewirkt haben. Gerade jene Randgemeinden aber
erhalten große Vergünstigungen, da sie nun das gesamte Großstadtortsnetz zur Ortsgesprächsgebühr erreichen werden. Dies wird im übrigen auch vom Ergebnis einer Repräsentativumfrage der Wickert-Institute bestätigt, die ergab, daß 89 °/o aller erwachsenen Bundesbürger bereit sind, im Ortsnetz die Zeitzählung von 8 Minuten bei Einführung eines Nahbereichs von 20 km in Kauf zu nehmen.
Im übrigen scheinen manche Leute keine Vorstellung über den Umfang der Umstellung des gesamten Tarifsystems bei einem derart riesigen Unternehmen mit einem derart riesigen Kommunikationsnetz, wie es die Deutsche Bundespost unterhält, zu haben. Für die Umstellung von heute 13 Millionen Fernsprechhauptanschlüssen benötigt die Bundespost - da es sich um Gebühren handelt - frühzeitig die dazugehörigen Rechtsgrundlagen, um die notwendigen Planungen einleiten zu können. Die Bundesregierung wird ihrer Verpflichtung entsprechend dem Postverwaltungsgesetz nachkommen und das Fernsprechnetz entsprechend den technischen und betrieblichen Anforderungen des Verkehrs weiterentwickeln. Dazu gehört die Möglichkeit von Datenübertragungen, von Faksimile-Übertragungen und von anderen neuen Kommunikationsformen über das Fernsprechnetz entsprechend den Forderungen der Kommission für den Ausbau eines technischen Kommunikationssystems, der weitere Ausbau unseres Fernsprechnetzes mit dem Ziel „in jedem Haushalt ein Telefon" und alle Maßnahmen, die von einem zukunftsorientierten Fernsprechnetz gefordert werden. Sie wird alles tun, um diese Ziele nicht durch eine allgemeine, unnötige Kostenbelastung der überwiegenden Mehrheit der Fernsprechteilnehmer zugunsten einiger weniger zu gefährden.
Die Deutsche Bundespost wird im übrigen nach Abschluß und Auswertung des Probebetriebes auch prüfen, ob nicht durch eine rasche Einführung des Nandienstes auch ein Beitrag zur Verbesserung der konjunkturellen Lage der Fernmeldeindustrie und damit auch zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet werden kann.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuttke.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Anträge zur Einführung des Nahbereichverkehrs und der Zeitzählung im Ortsnetz durch die Deutsche Bundespost und zu den damit zusammenhängenden Problemen unterscheiden sich in nichts von den Anträgen, die diese Opposition in der letzten Zeit hier vorgelegt hat.
({0})
Es handelt sich um die Variation propagandaträchtiger Themen,
({1})
deren Gehalt durch die Bundesregierung einvernehmlich mit dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost bereits eindeutig festgestellt wurde
({2})
und für die Lösungsansätze bereits erarbeitet worden sind.
({3})
Die Opposition bemüht sich nachzuweisen, sie sei bei den bisherigen Diskussionen über die Einführung des Nahbereichverkehrs und der Zeitzählung nicht dabeigewesen. Vertreter Ihrer Fraktion waren aber dabei, als wir im Bundestagsausschuß für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen am 13. Februar 1974 einstimmig den Beschluß gefaßt haben, die Post solle sich bemühen, die Anzahl der Tarifzonen im Fernsprechverkehr zu verringern und einen der Verkehrsstruktur entsprechenden zeitabhängigen Tarif für den Weitverkehr und für den Nahverkehr zu konzipieren.
Aber nicht für den Ortsverkehr!)
- Ortsverkehr ist auch Nahverkehr. Die Deutsche Bundespost hat daraufhin Mitte 1974 die Anzahl der Tarifzonen verringert, und im September 1975 hat sie dem Verwaltungsrat die Nahbereichsverordnung vorgelegt. Haben, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Vertreter im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost dagegen gestimmt, als diese dritte Änderungsverordnung zur Fernmeldeordnung für den Nahbereichverkehr mit 20 km Radius und die Zeitzählung im Ortsnetz mit vier, sechs, acht Minuten Zeittakt beschlossen wurde? Die Vertreter der CDU/CSU aus Bund und Ländern waren anwesend, und sie haben als Fachleute aus guten Gründen die vorgeschlagene Lösung nicht abgelehnt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stücklen?
Bitte schön, Herr Stücklen, wenn es nicht zu lange dauert.
Herr Kollege Wuttke, können Sie bestätigen, daß die Vertreter der CDU/CSU im Verwaltungsrat nicht für diese Regelung gestimmt haben?
Herr Kollege Stücklen, ich setze voraus, daß Ihre Kenntnisse so weit reichen, daß auch Sie die Lage beurteilen konnten. Sie haben sich der Stimme enthalten,
({0})
um Ihren Oppositionsparteien einen Weg offenzulassen, hier dagegen opponieren zu können.
({1})
- Im Grunde ist es doch so, daß Sie sich der Stimme enthalten haben, weil Sie sich Möglichkeiten offenhalten wollten,
({2})
Herr Stücklen; Sie hätten doch sonst dagegen gestimmt, wenn Sie von der Auffassung Ihrer Fraktionskollegen überzeugt gewesen wären, weil Sie, wie ich meine, einer von den Fachleuten sind. Oder wollen Sie das in Abrede stellen?
({3})
Herr Stücklen, Sie wußten ganz genau, wer A sagt, muß auch B sagen, wer Nahbereichsverkehr sagt, muß auch Ortszeitzählung sagen.
({4})
Der Kollege Dr. Dollinger meinte ja, dieser Schwierigkeit mit dem Hinweis auf den bescheidenen Gewinn der Deutschen Bundespost ausweichen zu können, mit dem die Mehrkosten aus der Einführung des Nachverkehrsbereichs abgedeckt werden sollten. Aber, Herr Dr. Dollinger, das haben Sie im Laufe eines Interviews wohl etwas vorschnell gesagt. Auf dem Gebiete des Finanzwesens sind Sie doch Fachmann und wissen genau, daß die bescheidenen Gewinne der Deutschen Bundespost, die dem eisernen Sparwillen dieses Postministers und dem verantwortungsbewußten Wirtschaften der Mitarbeiter dieses Unternehmens zu verdanken sind,
({5})
eben nicht ausreichen, die anfallenden Mehrkosten zu decken. Es wäre auch unvertretbar, das gesamte Unternehmen Deutsche Bundespost und alle Postbenutzer finanziell in dieser Weise zu belasten, damit einige wenige Dauersprecher innerhalb eines Umkreises von 20 km für eine einzige Gebühreneinheit telefonieren können und dabei das teure Fernsprechfernnetz für alle übrigen Teilnehmer blokkieren.
Sie haben ja anfangs auch versucht, aus der Einführung des Nandienstes eine Gebührenerhöhung zu konstruieren, obwohl selbst nach den bisherigen Plänen die Deutsche Bundespost rund 500 Millionen DM jährlich eingebüßt hätte. Meine Damen und Herren von der Opposition, die von Sprechern Ihrer Fraktion vorgeschlagene Gebührenerhöhung für Gesprächseinheiten - eine Alternative, die auch Ihr Antrag offenläßt - hat uns deshalb, um es vorsichtig auszudrücken, in Erstaunen versetzt. Sind Sie es doch, die unermüdlich landauf, landab die von Ihren Mitgliedern im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost mitbeschlossenen Post- und Fernmeldegebühren als die höchsten in Europa anprangern, ohne sich die Mühe zu machen, halbwegs tragfähige Vergleichsdaten zu ermitteln. Jetzt schlagen Sie selbst eine Gebührenerhöhung vor.
({6})
Wo liegt denn da die Logik?
({7})
- Doch, Sie haben doch gesagt: Erhöhung
({8})
- doch - im Zeittakt. Das wurde immer wieder gesagt. Das wurde immer wieder in allen Diskussionen gesagt.
({9})
- Da könnte ich Ihnen unendlich viele Leute nennen.
({10})
- In allen Gesprächen mit Mitgliedern Ihrer Fraktion im Verkehrsausschuß.
({11})
„Roß und Reiter", das ist so ein Wort, das Sie immer dann bringen, wenn Sie nichts anderes wissen.
({12})
- Sagen Sie doch hier: Nein, das ist nicht geschehen. Das können Sie auch tun.
({13})
- Ich behaupte, es war so, und bin bereit, den Beweis anzutreten.
({14})
- Doch, Herr Müller-Hermann hat es auch in Veranstaltungen gesagt.
({15})
- Doch!
Wer heute noch mittels einer Gebührenerhöhung von ein oder zwei Pfennig je Gesprächseinheit einseitig den Fernverkehr für die Dauersprecher im Ortsverkehr bezahlen lassen will, ist nicht bereit, die auf Grund des technischen Fortschritts eingetretenen Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen. Kostengerechte Preise werden gerade von den Vertretern Ihrer Fraktion immer wieder gefordert. Die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat jedoch die Entfernung als Kostenkriterium weitgehend entwertet. Fernverbindungen sind durch die Mehrfachausnutzung von Kabelstrecken immer billiger geworden. Die Kosten für den technischen Aufwand eines Telefongesprächs werden im wesentlichen durch den Aufwand bestimmt, mit dem ein Teilnehmer von seinem Standort aus an die nächste Orts- und die weiterführende Fernvermittlungsstelle angeschlossen wird, sowie die Zahl und Dauer seiner Gespräche. Das Tarifsystem der Deutschen Bundespost muß deshalb künftig stärker die Zeit als Kostenfaktor berücksichtigen. Dem würde eine undifferenzierte Anhebung der Gebühreneinheit auf 24 oder 25 Pfennig, wie Sie es gefordert haben - ich betone es noch einmal -, in keiner Weise gerecht. Sie würde im Gegenteil zur mißbräuchlichen Benutzung der großen Nahbereiche geradezu herausfordern. Schon in den heutigen Ortsnetzen gibt es neben den Gesprächs-Dauerverbindungen vielstündige, ganztägige Dauerverbindungen für moderne Anwendungsfälle wie z. B. Daten- und Faksimile-Übertragungen, deren Zahl nach Ansicht von Experten noch rapide zunehmen wird.
Die sozialdemokratische Fraktion hält deshalb die Argumente für die Einführung eines Zeittaktes für überzeugend. Sie begrüßt den Vorschlag der Bundesregierung, den Zeittakt von acht Minuten, der ursprünglich, wie der Minister schon sagte, für die Zeit ab 22 Uhr und für Sonn- und Feiertage vorgesehen war, ab Anfang 1977 in den vom Bundespostminister für die Erprobung vorgesehenen sechs Knotenvermittlungsstellenbereichen zu testen. Damit können, weil es auch im Ausland keine Erfahrungen mit einem so langen Zeittakt gibt, die dringend notwendigen Erkenntnisse hinsichtlich des Teilnehmerverhaltens, des Investitionsaufwandes für die Erweiterung der Netze, der Gebührenausfälle usw. gewonnen werden. Die gesammelten Erfahrungen werden eine solide Grundlage für das weitere Vorgehen ab 1978 abgeben.
Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, daß die Lage pflegebedürftiger, behinderter, alter und kranker Menschen im Tarifsystem der Deutschen Bundespost nicht unberücksichtigt bleiben sollte.
({16})
Die SPD-Fraktion hat deshalb bei der letzten Gebührenerhöhung darauf gedrungen, dieses Anliegen, soweit vom Bundespostminister wirtschaftlich vertretbar, durch Einführung des Sozialanschlusses zu berücksichtigen. Sie nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, daß bereits 275 000 Mitbürger in den Kreis der Begünstigten einbezogen worden sind.
Bei der Einführung der Ortszeitzählung hält die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die Lösung der für die Telefonseelsorge entstehenden Probleme für notwendig. Sie fordert deshalb die Bundesregierung auf, die Gespräche mit den Kirchen fortzusetzen und sich um eine für beide Seiten annehmbare praktikable Lösung einzusetzen.
({17}) Der Antrag der Opposition stößt ins Leere, ({18})
weil in den erwähnten, übrigens seit Oktober laufenden Gesprächen - Ihre Anträge kamen später -von der Bundespost konkrete technische Vorschläge zur Lösung der Probleme der Telefonseelsorge gemacht worden sind.
({19})
Die sozialdemokratische Fraktion drückt die Erwartung auf einen positiven en Abschluß dieser Gespräche aus.
Die Fernsprechteilnehmer in Berlin müßten bei der Einführung des Nahbereichsverkehr die Ortszeitzählung im Ortznetz Berlin hinnehmen, ohne neben anderen bereits eingeräumten Vergünstigungen unmittelbare Vorteile aus dem neuen Tarifsystem zu erlangen.
({20}) - Hören Sie doch doch erst einmal zu!
Die SPD-Fraktion bittet die Bundesregierung - jetzt kommt es ja, warten Sie doch -, nach Abschluß der Versuche und vor der endgültigen Festlegung der Nandienstregelungen zu prüfen, ob unter Beachtung der bereits bestehenden Gebührenpräferenzen sowie unter dem Aspekt einer möglichst einheitlichen Behandlung von Berlin ({21}) und dem Bundesgebiet für Berlin eine weitere Sonderregelung möglich ist.
({22})
Auch die Fernsprechteilnehmer in Zonenrand-, Grenz- und Küstengebieten werden von der Einführung des Nahbereichs profitieren. Die SPD-Fraktion ist jedoch der Auffassung, daß die Bundesregierung für diese Regionen differenzierte Lösungen anstreben sollte, die den betroffenen Fernsprechteilnehmern vergleichbare Vorteile verschaffen wie den Fernsprechkunden, die im Landesinneren wohnen. Wir begrüßen es, daß mit dem Knotenamt Hilders ein ganzer Knotenamtsbereich mit mehreren Ortsnetzen aus dem Zonenrandgebiet in den Erprobungsversuch einbezogen wird, so daß eine besondere Lösung, wie sie für das Zonenrandgebiet angestrebt wird, in der Praxis getestet werden kann.
Dem pauschalen Antrag der Opposition können wir nicht zustimmen, da er den unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Grenzgebieten, dem Zonenrandgebiet und den Küstengebieten, nicht Rechnung trägt. Es wird notwendig sein, die in einzelne Grenzgebieten bereits vorhandenen Vorteile im automatischen Fernsprechverkehr mit Teilnehmern in den angrenzenden Ländern in die Überlegungen einzubeziehen.
Abschließend noch einige Wort zu Herrn Damm. Es ist erfunden, daß die Mehrheit der Bürger gegen die Nahbereiche und den Acht-Minuten-Takt ist. Noch während die CDU bereits im Vorfeld der Diskussion versucht, Emotionen gegen die Maßnahmen der Post anzuheizen, hat sich eine große Anzahl von Bürgermeistern und Gemeindevertretern im Versuchsraum Fulda/Hilders, der alle Kriterien aufweist, für die Einführung ausgesprochen. Ich habe diese Gespräche selbst geführt.
({23})
- Jawohl!
({24})
- Ich habe Sie eben wohl falsch verstanden? Wollen Sie sagen, daß die in diesem Raum gewählten
Bürgermeister und Gemeindevertreter, die überwiegend der CDU angehören, keine Bürger seien? Das ist doch unsinnig.
({25})
Sie haben sich nicht nur für die Einführung ausgesprochen, nein, sie haben die Vorteile erkannt und sogar begrüßt. Was die Betroffenen vermochten, wird sicherlich im Laufe der weiteren Diskussion auch bei der CDU CSU-Fraktion zu erreichen sein, den dann hat sicherlich das alte Sprichwort wieder Geltung: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.
({26})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir ersparen, auf die vorliegenden Oppositionsanträge im einzelnen einzugehen, nachdem Herr Minister Gscheidle und auch mein Vorredner, Kollege Wuttke, dies ausreichend getan und die notwendige Wertung vorgenommen haben. Diese Anträge sind ja auch nur sehr vordergründig. Wirklicher Hintergrund und eigentlicher Anlaß dieser heutigen Postdebatte, meine Damen und Herren, ist ja nichts anderes als die trügerische Hoffnung der CDU/CSU, das Thema „Zeittakt bei Orts- und Nahbereichstelefonaten" könne zu einem wichtigen Thema der bevorstehenden Wahlkämpfe werden.
({0}) - Ich komme darauf zurück.
Die öffentliche Diskussion hierüber wurde in den letzten Wochen immer mehr von Emotionen und auch von geschürten Vorurteilen als von objektiven, kühlen und sachlichen Beurteilungen der Problematik bestimmt.
({1})
- Ich wäre dankbar, wenn ich zunächst, um in der angemeldeten Redezeit bleiben zu können, meine Ausführungen fortsetzen dürfte.
Wir bedauern es sehr, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, durch Ihre unkritische Übernahme dieses teils durch Halb- und Unwissen, teils durch Nicht-wissen-wollen geprägten Urteils mit den Gegnern dieses Projektes gemeinsam Front machen und ihnen auf der politischen Ebene breiten Rückhalt bieten.
Ursächlich für diese fehllaufende Diskussion - und da, Herr Kollege Stücklen, decken sich unsere Ansichten, die wir ja an anderer Stelle geäußert haben - war sicher die ungenügende, weil viel zu spät einsetzende und auch zaghafte Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Bundespost selbst ebenso wie die in der Abwägung der Vor- und Nachteile schlagseitige Darstellung in Presse, Funk und Fernsehen im Gleichtakt mit der auf kurzfristigen politischen Erfolg angelegten Strategie der Opposition.
Was die Medien anlangt, meine Damen und Herren, habe ich als einer, der aus diesem Metier kommt, Verständnis für ein gewisses Eigeninteresse vieler Redaktionen, insbesondere in Großstädten, die bei der Binführung gleich welcher Intervalle in ihrer täglichen Arbeit, bei der Übermittlung von Meldungen und Nachrichten, sicher finanziell stärker belastet werden als bisher und als die meisten nichtgewerblichen anderen Nutzer der Telefondienste - und das in einer Zeit, in der viele Presseorgane ohnehin mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Kein Verständnis dagegen können wir für die Doppelstrategie der Opposition in Sachen Zeittakt aufbringen. Damit kommen wir zum eigentlichen Kernpunkt unserer parlamentarischen Auseinandersetzung, die wir begrüßen, weil sie uns Gelegenheit gibt, Ihnen einmal mehr und vor aller Öffentlichkeit die Beschlüsse in Erinnerung zu rufen, die mit Unterstützung oder Duldung der Opposition zu genau der Regelung eines zeitabhängigen Tarifs im Nahbereich geführt haben, die Sie seit Wochen so opportunistisch kritisieren,
Ausgangspunkt all dieser öffentlichen Diskussionen war der am 29. September 1975 einstimmig gefaßte Beschluß des Postverwaltungsrats, unter bestimmten Voraussetzungen eine einmütige Empfehlung seines Arbeitsausschusses zu übernehmen. Das bedeutet die Ablösung der Ortsnetze mit einem Radius von durchschnittlich 5 km durch Nahverkehrsbereiche mit einem Radius von durchschnittlich 20 km. Mit anderen Worten: Die Flächen der künftigen Nahbereiche decken mindestens 1 300 qkm ab, was einer durchschnittlichen Vergrößerung des heutigen Ortsgebührenbereichs um das Zwanzigfache entspricht. Es werden im Durchschnitt 18 Ortsnetze zusammengefaßt, die zu der bisherigen Ortsgesprächsgebühr erreichbar sind.
Damit, meine Damen und Herren, sollte eine seit Jahren von allen Politikern und der gesamten Offentlichkeit aufgestellte Forderung erfüllt werden, nachdem bei den kommunalen Neugliederungen im gesamten Bundesgebiet die Ortsnetzgrenzen den neuen Gemeindegrenzen nicht mehr angepaßt werden konnten und von Kommunikationsgerechtigkeit zwischen Stadt- und Landbewohnern überhaupt keine Rede mehr sein kann.
Minister Gscheidle hat schon darauf hingewiesen: Wir machen Schluß mit den Ferngesprächen zum zuständigen Rathaus oder von einer Straßenseite zur anderen innerhalb einer Gemeinde, Schluß mit der Aufteilung von Gemeinden in bis zu 13 Ortsnetze, Schluß auch mit dem Aberwitz, daß im kleinsten Ortsnetz der Bundesrepublik nur 15, im größten dagegen 715 000 Telefonteilnehmer zusammengeschlossen sind.
({2})
- Ich gebe Ihnen nachher die Tabelle, Herr Stücklen; dann können Sie sich schlau machen.
({3})
Nun zum Zeittakt, der die bisherige Diskussion völlig und ganz einseitig beherrscht, und zu den gewaltigen Vorteilen, die sich sowohl für die Stadt-als auch für die Landbewohner ergeben. Die FAZ, Herr Stücklen, hat recht, wenn sie im Gegensatz zur Oppositionsauffassung in ihrer letzten Gesamtwertung des Themas feststellte, daß das Telefonieren in der Tat für die meisten der betroffenen Bürger billiger wird, weil Ferngespräche erst weit von der Haustür entfernt beginnen.
In dieser Diskussion darf nicht ständig unterschlagen werden, Herr Damm, daß z. B. Bewohner von Flächenbereichen künftig für 23 Pf die gleichen Teilnehmer erreichen könnten, mit denen sie heute noch zu Fernsprechgebühren von - Vier-MinutenTakt unterstellt - 1,84 DM oder gar 3,68 DM bei einem Acht-Minuten-Takt telefonieren.
Was die Großstädte anlangt, darf, meine Damen und Herren, ebensowenig unterbewertet werden, daß sich der Einzugsbereich wesentlich vergrößern würde, so in Frankfurt auf nahezu das Doppelte, in Düsseldorf auf das Anderthalbfache - auf nahezu 600 000 Teilnehmer - und in Heidelberg sogar auf das Vierfache, auf 200 000 Teilnehmer. Und da, Herr Damm, werten Sie diese Politik, diese Verbesserungen auch innerhalb der Großstädte als Urbanitätsfeindlichkeit!
Meine Damen und Herren, bis zur entscheidenden Sitzung des Postverwaltungsrats war es unter den politischen Parteien und deren Vertretern in diesem Gremium völlig unstreitig, daß auf Grund der Finanzlage der Deutschen Bundespost diese von allen gewünschte und geforderte Einrichtung von Nahbereichen mit einem Zeittakt gekoppelt werden muß. Unstreitig war auch, daß der von der Postverwaltung zum Beschluß vorgeschlagene, je nach Tagesoder Nachtzeit zwischen vier, sechs und acht Minuten schwankende Zeittakt für die Post betriebswirtschaftlich gerade noch akzeptabel ist, obwohl jährliche Gebührenverluste, also Kosten von rund 500 Millionen DM die Folge wären.
Dieser Vorschlag - das muß hier auch einmal deutlich gesagt werden - ist sowohl vom anwesenden ehemaligen Bundespostminister Stücklen als auch vom Haushaltsexperten der Opposition, dem Kollegen Leicht, akzeptiert worden; darauf hat ja der Kollege Wuttke schon hingewiesen. Und dieses Verhalten von Ihnen wie auch von Herrn Leicht war ganz konsequent. Es entspricht nämlich genau der politischen Vorgabe, die der Bundespost auf einmütigen Antrag und Beschluß aller drei Fraktionen in der 17. Sitzung des damaligen Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen am 21. Februar 1974 gemacht wurde, nachdem der Bundesrechnungshof und das Bundespostministerium zur Lage der Bundespost berichtet hatten. Dieser Beschluß ist schon zitiert worden. Er läuft schließlich darauf hinaus, daß ein zeitabhängiger Tarif für den Weitverkehr und für den Nahverkehr konzipiert werden sollte, und dabei wird - das wissen Sie alle - der Nahverkehr als die Summe von Ortsnetz und Nahzone verstanden.
Nachdem dieser Beschluß im Ausschußprotokoll auch für Sie nachlesbar ist, haben Sie, Herr Bundespostminister a. D. Dollinger, die Stirn, noch vor drei Wochen, am 22. Januar, im Mittagsmagazin des WDR die unwissende und unsichere Öffentlichkeit zu täuschen und zu erklären, die CDU/CSU habe im Ausschuß für Technologie - wie Sie ihn verkürzt nannten - einer Ortszeitbegrenzung nicht zugestimmt.
({4})
- Ich habe das Protokoll dieses Interviews da und bin gern bereit, es nachher weiterzugeben.
Obwohl Sie, Herr Kollege Dollinger, wissen mußten, daß das genaue Gegenteil der Fall ist, erklären Sie entgegen dem Votum Ihrer Fraktionskollegen im Ausschuß wie im Verwaltungsrat in derselben Sendung dann wörtlich:
Wir sagen ja zur 20-Kilometer-Zone, aber wir sagen nein zur zeitlichen Begrenzung.
Diese Aussage haben Sie angehängt. Schließlich sprechen Sie sich dafür aus, den Nahbereich ohne Zeittakt und ohne jegliche Gebührenerhöhung einzuführen, und das ganz im Gegensatz zu Ihrem Kollegen Müller-Hermann, der gerade eine generelle Gebührenerhöhung um einen Pfennig als Patentrezept zum Ausgleich der rund 900 Millionen DM - wie er meint, allerdings nur 350 bis 500 Millionen DM - Belastung anbietet, übrigens eine Milchmädchenrechnung, wie Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, inzwischen hoffentlich selbst eingesehen haben. Im übrigen aber, Herr Dollinger, liegen Sie ganz auf der Linie Ihrer Fraktionskollegen Damm und Riedl, die jeweils wenige Tage später in getrennten Presseerklärungen verlauten ließen, die wichtigste Entscheidung sei, jeden Zeittakt zu vermeiden,
({5})
er sei bereits im Ansatz falsch.
Wenn Sie das auch jetzt noch für richtig halten - und Sie haben dies heute morgen noch einmal bestätigt -, dann müssen Sie sich doch wirklich ernsthaft fragen lassen, warum Sie Ihren heutigen Fraktionsantrag 7/4489 hier überhaupt noch zur Diskussion stellen und in diesem Antrag nach alternativen Möglichkeiten, nach deren Kosten und nach Deckungsmöglichkeiten fragen, „um die Zeitbegrenzung erweitern zu können", wie es z. B. in diesem Antrag heißt, die Sie im vorhinein namens der Opposition, Herr Dollinger, mit leichter Hand vom Tisch wischten, ebenso wie Ihr Kollege Schulte, der als Obmann im zuständigen Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen am 28. Januar im Pressedienst Ihrer Fraktion erklärte, selbst die versuchsweise Einführung eines Acht-Minuten-Takts könne noch keine echte Alternative darstellen.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bieten eben einmal mehr ein erschreckendes Beispiel eigener Unsicherheit, ständiger Widersprüchlichkeiten und völliger Konzeptionslosigkeit. Sie liefern mit Ihrem Abrücken von dem ursprünglichen, gemeinsamen Ausschuß- und Verwaltungsratsvotum den Beweis dafür, daß Sie erst in dem Moment, in dem Protestwellen der öffentlichen Meinung hochschlagen, den Boden des gemeinsam als richtig und notwendig Erkannten verlassen und Ihr Fähnchen nach dem Winde hängen,
({6})
der in Richtung Wahlkampf bläst. Herr Stücklen, Sie haben sich ja zu Wort gemeldet, Sie können darauf nachher eingehen. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei, dies alles zu entkräften. Ich glaube, es wird Ihnen nicht gelingen.
Der aufrichtige Weg, meine Damen und Herren, konnte nur sein, den vom Verwaltungsrat beschlossenen Vier-Minuten-Takt, der als betriebswirtschaftlich richtige Entscheidung zu werten war, noch eingehender auch daraufhin zu analysieren, inwieweit er auch volkswirtschaftlich und natürlich auch sozialpolitisch sinnvoll und vertretbar ist.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, ich bin, wenn ich mit meiner Rede am Ende bin und die dann noch verbleibende Zeit ausreicht, gern bereit, jede noch zu stellende Zwischenfrage zu beantworten.
({0})
- Bitte, wenn ich das auf meine Redezeit nicht angerechnet bekomme.
Bitte schön, Herr Kollege Jobst.
Herr Kollege Hoffie, darf ich Sie darauf hinweisen, daß, als der Herr Bundesverkehrsminister Gscheidle den Vier-Minuten-Takt ankündigte, ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Hoppe mit einer der ersten war, der sich dagegen verwahrt hat und den Zeittakt überhaupt in Frage gestellt hat?
({0})
Festzustellen ist nicht mehr und nicht weniger, als daß Herr Hoppe genau zu dem Meinungsbild ursächlich mit beigetragen hat, das ich Ihnen gleich schildern werde. Die Zeit hätten wir uns sparen können. Ich bin nämlich mit dem nächsten Satz an diesem Punkt.
({0})
Wir, meine Damen und Herren, haben in der FDP-Fraktion diese Diskussion - im Gegensatz zu Ihnen - auch angesichts der starken Protestbewegungen, aber auch wegen der teilweise wirklich sachlichen und mit neuen Argumenten vorgetragenen Kritik geführt. Das ist auch Ihnen bekannt. Sie alle kennen das abschließende Ergebnis unserer
mehrfach und auch durchaus kontrovers geführten Erörterungen in der Fraktion.
({1})
Die Fraktion, Herr Stücklen, sprach sich, wie Sie nachlesen können, geschlossen für Lösungsvorschläge aus, die auf einen vergrößerten Intervall des Zeittaktes abzielten, um dadurch vor allem sozial schwächere Bürger vor unbilligen Härten zu bewahren. Nichts anderes können Sie hier dem Herrn Kollegen Hoppe in den Mund legen.
Wir bewerten deshalb den einen Tag später erfolgten Kabinettsvorschlag, den bis dahin nur im Nachttarif II und für Sonn- und Feiertage vorgesehenen Acht-Minuten-Takt in sechs ausgewählten Knotenvermittlungsstellen - dann allerdings rund um die Uhr - zu erproben, als eine vernünftige Übergangslösung, die genügend Zeit und Erfahrungswerte bringen wird, um die heute noch nicht ausreichend abschätzbaren möglichen Veränderungen der Fernsprechgewohnheiten auszuloten. Eine gründliche Analyse dieses Großversuchs wird auch genaueren Aufschluß über den Investitionsaufwand für die Netzerweiterung sowie über tatsächliche Gebührenausfälle bzw. Mehreinnahmen geben.
({2})
Sollte sich das Ergebnis dieser praktischen Erprobung, Herr Stücklen, später als die insgesamt richtige Lösung erweisen, steht nach der gerade veröffentlichten Wickert-Umfrage, die hier schon angesprochen wurde, bereits heute fest, daß sie mit der Zustimmung von 89 °/o der erwachsenen Bundesbürger rechnen kann und mit einem noch höheren Prozentsatz gerade älterer Bürger, für die Sie sich ja so verwenden wollen.
Sollte es tatsächlich zu einer solchen Regelung kommen, würde sich für uns ernsthaft die Frage stellen - einschließlich des Berlin-Problems -, ob bei einem Acht-Minuten-Takt überhaupt noch irgendwelche Sonderregelungen notwendig werden. Bestätigt wird durch diese Umfrage aber auch, daß ein ausreichender Zeittakt von der breiten Bevölkerung - im Gegensatz zur Auffassung der Opposition, die auch heute noch einmal deutlich wurde - als notwendiges Äquivalent für die Vorteile angenommen wird, die sich aus den Nahbereichen ergeben. Das ist ja auch deshalb nicht verwunderlich, weil nach der Statistik 97 °/o aller Telefongespräche innerhalb von acht Minuten abgewickelt werden.
Nach alledem bleibt es das ureigenste Problem der Opposition, ihre auf Grund kurzsichtigen Taktierens verlorengegangene Glaubwürdigkeit in Sachen Postpolitik zurückzugewinnen. Dafür wünsche ich Ihnen in den bevorstehenden Wahlkampfauseinandersetzungen viel Erfolg. Hoffentlich kommen Sie dabei nicht aus dem Takt.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dollinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung von Nahverkehrsbereichen ist dringend geboten. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Durch sie wer den die vielen Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten in der derzeitigen Gestaltung der Ortsnetze, für die die Telefonbenutzer nicht verantwortlich sind, beseitigt. Allerdings bedarf es dabei noch eines Flächenausgleichs - wie schon erwähnt - für die Zonenrand-, Küsten- und Grenzbereiche, wo wir die Tangentiallösung vorschlagen.
({0})
Herr Bundeminister, Sie haben von der Telefonseelsorge gesprochen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Schaltung der Telefonseelsorge in die Einserreihe unser Vorschlag gewesen ist.
({1})
Ich muß weiter erwähnen, daß nach meiner Feststellung eine Annäherung zwischen der Kirche und dem Bundespostministerium zur Regelung dieser kritischen Frage bisher nicht erfolgt ist.
({2})
Sie beabsichtigen nun die Einführung des Zeittaktes, d. h. eine zeitliche Begrenzung von Ortsgesprächen. Der Plan für die Schaffung von Nahverkehrsbereichen ist nicht neu. Bereits im Jahre 1969 habe ich als damaliger Bundespostminister eine Kommission eingesetzt, die all das untersuchte, was der Bundespostminister heute als seine Erkenntnis propagiert, sei es die Schaffung von Nahverkehrsbereichen, die Überlegung zur Zeitzählung oder die Frage einer möglichen Überlastung des Fernmeldenetzes.
({3})
Allerdings lehnte diese Kommission seinerzeit in einem Memorandum zur Reform der Gesprächsgebühren im Fernmeldewesen im November 1970 die Einführung eines Zeittakts ab; einerseits wegen der Kosten und andererseits - ich zitiere aus dieser Schrift - „weil gerade in den Großstadtortsnetzen die Teilnehmer erhebliche Nachteile in Kauf nehmen müßten".
({4})
Weiter heißt es dann:
Aufgrund der Erfahrungen im In- und Ausland muß bezweifelt werden, ob je eine zwingende Notwendigkeit für die Einführung der Zeitzählung im Orts- und Nahverkehrsbereich besteht. Zur Zeit spricht alles dafür, daß es auf lange Sicht wesentlich wirtschaftlicher und technisch eleganter sein wird, den Minimalanteil von Dauerverbindungen und Langsprechern durch bessere Bündeldimensionierungen aufzufangen, als eine aufwendige Gebührenerfassungstechnik in allen Ortsvermittlungsstellen vorzusehen.
({5})
Die Argumente des Herrn Bundespostministers, z. B.
die Nahverkehrsbereiche seien das Ei des Kolumbus
I oder das Telefonieren im Nahverkehrsbereich sei
künftig billiger, sind nichts anderes als ein Täuschungsmanöver. Sie sollen den Tatbestand verschleiern, daß künftig für einen großen Teil der Telefoninhaber das Telefonieren durch die Einführung eines Zeittakts für Ortsgespräche teurer wird. Über 50 °/o der Telefoninhaber wohnen in den 30 größten Ortsnetzen. In diesen aber verbleiben rund 90 °/o des Nahverkehrsbereichs im ehemaligen Ortsnetz, und nur rund 10 % fließen in die künftige Ringzone.
Im übrigen wird sich für über eine Million Telefoninhaber, die bisher in den 2 300 kleineren Ortsnetzen von unter 1 000 Anschlüssen wohnen, die Grundgebühr zum Teil drastisch - bis zu 12 DM - erhöhen.
({6})
Meine Damen und Herren, es gibt noch weitere Beweise dafür, daß die Behauptung des Herrn Bundespostministers, der Nahverkehrsbereich sei mit der Einführung des Zeittakts für Ortsnetze unwiderlegbar verknüpft, nicht stichhaltig ist. So meint der Bundespostminister, die Post könne den Gebührenausfall, die Kosten für Investitionen, Amortisation und für die Instandhaltung nicht allein tragen; deshalb müsse man durch Einführung des Zeittakts wieder 250 Millionen DM pro Jahr hereinholen. Dabei verschweigt man allerdings tunlichst, daß im ersten Jahr nach der Einführung nur 34 Millionen DM, im zweiten Jahr etwa 68 Millionen DM usw. anfallen. Erst nach zirka zehn Jahren, wenn alle Nahverkehrsbereiche eingerichtet sind, können die vollen 275 Millionen DM durch den Zeittakt im Ortsverkehr hereingeholt werden. Das heißt, die Gebührenausfälle wären in den ersten Jahren noch relativ gering.
({7})
Trotzdem hat der Bundespostminister beschlossen, daß die Postkunden mehr zahlen sollen, d. h., ein großer Teil von ihnen muß künftig weniger oder eben teurer telefonieren. Dies wäre dann innerhalb von sechs Jahren die vierte - allerdings indirekte - Gebührenerhöhung, die den Postkunden eine zusätzliche Kostenbelastung von insgesamt über 7,2 Milliarden DM jährlich gebracht hat und noch immer bringt.
({8})
An dieser Stelle sei der Bundespostminister daran erinnert, daß die Deutsche Bundespost hinsichtlich der Höhe ihrer Fernmeldegebühren nach der letzten Siemens-Studie an erster Stelle in der Welt steht.
({9})
Die Posttarife wurden seit 1970 von allen öffentlichen Preisen am stärksten erhöht, nämlich um 86,2 °/o. Dies ist ein unerhörter, beängstigender Steigerungssatz.
({10})
Noch im Jahre 1964 hat man bei der Gebühr von 16 Pf je Gesprächseinheit, als es um eine Erhöhung von 2 Pf ging, eine Sondersitzung des Parlaments abgehalten und sich hier in einer seltsamen Art und Weise gebärdet. Daran sollte sich die Regierungskoalition manchmal erinnern.
({11})
Wenn Sie auf die Umfrage des Wickert-Instituts Bezug nehmen, dann muß ich sagen: Wenn die Frage lautet „Sind Sie bereit, eine Zeitzählung im Ortsverkehr in Kauf zu nehmen, wenn Sie im Umkreis von 20 km jeweils acht Minuten für eine Gebühr von 23 Pf telefonieren können?", nachdem man vorher von nur vier Minuten gesprochen hat, dann überfordert man den Bürger, wenn er sagen soll, die vier Minuten seien ihm lieber als die acht.
({12})
Meine Damen und Herren, der Fernmeldebereich wies 1974 eine Kostenüberdeckung in Höhe von 1,96 Milliarden DM aus,
({13})
die sich 1975 auf über 3 Milliarden DM als Folge der Gebührenerhöhung vom 1. Juli 1974 erhöhen dürfte. Die Deutsche Bundespost erwartet für 1976 einen Gewinn in Höhe von 386 Millionen DM. Diesem muß man noch die Rücklage von 350 Millionen DM für Eventualitäten im Zusammenhang mit der Schaffung von Nahverkehrsbereichen hinzurechnen. Das sind dann insgesamt 736 Millionen DM Gewinn.
Selbst wenn ein Gutteil der Kostenüberdeckung im Fernmeldebereich zur Deckung des Defizits im Postbereich benötigt wird, so kann man sich doch nicht wundern, wenn bei einem erheblichen Teil der Telefonkunden der Gedanke aufkommt, die Deutsche Bundespost nütze hier rigoros ihre staatliche Monopolstellung aus.
({14})
Für uns bedeutet die Einführung der Zeitzählung im Ortsnetz praktisch die Ausdehnung des Fernverkehrs auf das Ortsnetz. Dies lehnen wir ab.
({15})
Als ein weiteres Argument für den Zeittakt im Ortsnetz führt der Bundespostminister die Gefahr der Überlastung des Netzes an. Er verschweigt dabei, daß die Einführung von 30 Nahverkehrsbereichen schon lange vorbereitet war, jedoch ohne Zeittakt. Sogar die erforderlichen Verfügungen des Bundespostministeriums waren bereits fertiggestellt. Deshalb wurden auch die Fernverkehrswege im Nahverkehrsbereich erheblich verstärkt.
Dem Bundespostminister fiel dann plötzlich ein, daß sich hier eine günstige Gelegenheit biete, durch Verknüpfung von Vor- und Nachteilen eine für die Zukunft einträgliche und praktische Gebührenquelle der Post aufzutun; denn Zeittakte kann man bekanntlich ohne größere Kosten und ohne größeres Aufsehen und möglicherweise ohne Beteiligung des Bundeswirtschaftsministers
({16})
zugunsten höherer Einnahmen jederzeit reduzieren und damit spektakulären Gebührenerhöhungen aus dem Wege gehen.
Da der Herr Bundespostminister so gerne auf das Ausland verweist, sei hier unser Nachbar Belgien genannt. Dort stand man vor zehn Jahren vor dem gleichen Problem. Man hat auf die Zeitzählung verzichtet und die Beträge für diese Investitionen in eine stärkere Dimensionierung des Netzes investiert. Damit ist man gut gefahren.
Nun wird immer wieder gesagt, die Gefahr von Dauerverbindungen werde zu gering eingeschätzt. Nach meiner Meinung liegt es letztlich auch im Interesse der Telefoninhaber, ihre Anschlüsse nicht allzulange zu blockieren.
({17})
Ich frage deshalb den Bundespostminister: Reicht es nicht vollkommen aus, solche Dauerverbindungen, genau wie die mißbräuchliche Benutzung des Telefons, einfach in der Fernmeldeordnung zu verbieten? Welches Kreditinstitut oder welches größere Unternehmen würde es wagen, wegen geringer Vorteile eine solche Übertretung zu riskieren?
({18})
Als weiteres Argument für die Notwendigkeit einer Zeitbegrenzung für Ortsgespräche führt der Postminister die These an, der Zeittakt sei für das künftige Tarifsystem, den sogenannten Einheitstarif, notwendig; denn Ferngespräche werden im Vergleich zu Ortsgesprächen für die Post relativ billiger.
Daß die Zeitzählung für Ortsgespräche für die Post ein einnahmeträchtiges und sehr angenehmes Tarifsystem wäre, ist nicht zu bestreiten. Der Bundespostminister könnte bei einem weiteren Abbau der jetzt noch bestehenden vier Fernverkehrszonen, um einerseits keine Gebührenverluste hinnehmen und andererseits keine Erhöhung des Gesprächstarifs durchführen zu müssen, einfach den Zeittakt reduzieren.
Jede Verbilligung von Ferngesprächen in dieser Richtung bedeutet für den Telefonkunden, daß er künftig bei Ortsgesprächen dafür mehr zu zahlen zahlen hat. Hier möchte ich erwähnen, daß etwa 70 °/o der Ferngespräche kommerziellen Charakter haben.
Eine Verteuerung der Orts- und Nahgespräche erscheint insbesondere im Hinblick auf den starken Rückgang der Nachfrage nach Telefonanschlüssen - in den Jahren 1970 und 1971 waren es jeweils über 1 Million, 1975 jedoch nur noch rund 650 000 -geradezu widersinnig. Ursachen für den Rückgang waren insbesondere die starken Gebührenerhöhungen. Bei der Begründung dieser Gebührenerhöhungen hatte der damalige Postminister, Herr Ehmke, im Oktober 1973 ja auch zugegeben, daß man den Zugang an Wenigsprechern dämpfen wolle. Dies ist gelungen. Wir hatten im letzten Jahr nur noch 650 000 neue Anschlüsse. Die Zickzack-Politik der Deutschen Bundespost wird hier deutlich, wenn wir heute von Herrn Postminister Gscheidle hören: Das Telefon soll in jedes Haus.
Die vorgesehene Variation der Ortsgespräche ist um so unverständlicher, als der Anreiz für ein Telefon doch primär auf das Ortsgespräch ausgerichtet ist. Gerade dies aber soll verteuert werden. Die Aktion Geschenktelefon unter dem Motto „Schenk einem Einsamen ein Telefon!", meist für behinderte, ältere oder kranke Menschen gedacht, dürfte sich bei einer Gebührenerhöhung für Ortsgespräche bei diesem Personenkreis quasi als ein Kuckucksei erweisen.
({19})
Im übrigen müßte der Postminister doch wissen, daß die Nachfrage nach neuen Anschlüssen überwiegend nur noch von privaten Haushaltungen kommen kann, die in erster Linie am Ortsgespräch interessiert sind. Hier zeigt sich recht deutlich der Widerspruch zwischen brachliegenden Kapazitäten und Telefonwerbung einerseits und Verunsicherung der Verbraucher durch prohibitive Tarifgebührenpolitik auf der anderen Seite. Denn nicht zuletzt hat die prohibitive Gebührenpolitik der Deutschen Bundespost in den letzten Jahren mit dazu beigetragen, daß wir in der Fernmeldedichte bei Hauptanschlüssen erst an 14. Stelle in der Welt rangieren. In der Bundesrepublik haben nur 54 °/o der Haushalte Telefon, in den USA sind es dagegen 97 °/o. Heute zeichnet sich bereits ab, daß wir bald hinter Hongkong die 15. Stelle einnehmen werden.
Mehr Gesprächsmöglichkeiten haben Mehreinnahmen der Deutschen Bundespost und bessere Kapazitätsausnutzung zur Folge. Dies wäre auch ein Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze bei der Deutschen Bundespost und bei der Fernmeldeindustrie, und der soeben ausgebildete Fernmeldehandwerker hätte wieder die Chance, seinen erlernten Beruf auszuüben, anstatt im Paket- oder Briefdienst unwirtschaftlich für ein Jahr oder länger eingesetzt zu werden.
({20})
Wie immer, wenn die Bundesregierung nicht mehr weiter weiß, kommt auch der Bundespostminister mit dem Hinweis auf das Ausland. Er verweist auf Spanien, England, Japan, Dänemark und Österreich als die Nachbarländer, bei denen schon der Zeittakt eingeführt ist. Von 90 vergleichbaren Ländern in der Welt kennen aber nur 20 eine Zeitzählung. Dabei verschweigt der Bundespostminister auch, daß die genannten Länder wesentlich niedrigere Grund- und Gesprächsgebühren haben als die Bundesrepublik.
({21})
Bei einigen dieser Länder ist in die Grundgebühr sogar noch ein Pauschalsatz für kostenlose Ortsgespräche eingeschlossen.
({22})
So zahlt der Telefoninhaber zum Beispiel in Spanien eine monatliche Grundgebühr von umgerechnet 6,50 DM, worin noch 120 freie Gebühreneinheiten inbegriffen sind. Ein Ortsgespräch von 4 Minuten Dauer kostet dort 6 Pfennig, bei uns 23 Pfennig. Japan: Grundgebühr 7,70 DM, Vier-MinutenOrtsgespräch 9 Pfennig; Großbritannien: GrundgeDr. Dollinger
bühr 15,10 DM; Österreich: monatliche Grundgebühr 17 DM, Vier-Minuten-Ortsgespräch vom Münzfernsprecher 1 Schilling gleich 14 Pfennig.
({23})
Hinzu kommt noch, daß im Ausland die Ortsnetze bedeutend größer sind als in der Bundesrepublik Deutschland.
({24})
Zum Beispiel ist in Großbritannien das Gebiet, in dem Sie zum Lokaltarif telefonieren können, durchschnittlich 2 300 Quadratkilometer groß und in den Niederlanden 1 750 Quadratkilometer, also gar nicht zu vergleichen mit den Nahverkehrsbereichen, die Sie, Herr Bundespostminister, jetzt mit durchschnittlich 1 200 Quadratkilometer schaffen wollen.
({25})
Nun wird von seiten der SPD immer wieder behauptet - und es geschah auch vorhin wieder -, die CDU/CSU habe im zuständigen Ausschuß einer Zeitbegrenzung für Ortsgespräche zugestimmt. Dies stimmt nicht. Herr Hoffie, ich wiederhole das.
({26})
Der entscheidende Satz im Protokoll des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post-und Fernmeldewesen vom 21. Februar 1974 lautet - ich darf zitieren -:
Zur Verbesserung der Infrastruktur im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten, die sich durch die technologische Entwicklung ergeben, sollte die Deutsche Bundespost sich bemühen, die Anzahl der Tarifzonen im Fernsprechverkehr zu verringern und einen der Verkehrsstruktur entsprechenden zeitabhängigen Tarif für den Weitverkehr und für den Nahverkehr zu konzipieren.
({27})
- Nein, Sie müssen auch den Inhalt der Debatte berücksichtigen. Damit war keine Zeitbegrenzung für Ortsgespräche gemeint. Die Formulierung „Nahverkehr" beinhaltete zu diesem Zeitpunkt die Knotenamtszonen 1 und 2. Die Forderung des Ausschusses bezog sich auf eine Reduzierung der Fernverkehrstarifzonen von sechs auf vier, die dann auch am 1. Juli 1974 verwirklicht wurde.
({28})
In der Phase der heißen Diskussion über die Zeitbegrenzung für Ortsgespräche versuchte der Herr Bundespostminister in den letzten Wochen in zunehmendem Maße, diese Entscheidung dem Postverwaltungsrat anzulasten. Wir wissen, der Postverwaltungsrat war über die Zeitbegrenzung für Ortsgespräche nur unzureichend unterrichtet worden. Dies geht auch aus einem Fernschreiben des( Verwaltungsratsmitglieds Minister Dr. Westphal vom 29. Januar 1976 an den Vorsitzenden des Postverwaltungsrates hervor. In diesem Telegramm heißt es - ich zitiere -, daß die Mitglieder des Verwaltungsrates vor ihrer Beschlußfassung am 29. September 1975 zum Teil falsch und zum Teil unzureichend über verschiedene Umstände informiert worden sind. - Ich füge hinzu, daß Herr Minister Schwarz der gleichen Auffassung ist, und ich betone, daß Ministerpräsident Kohl den Vorschlägen des Bundespostministeriums nicht zugestimmt hat.
({29})
Es gibt darüber sogar eine schriftliche Erklärung von Ministerpräsident Kohl.
({30})
Der Bundespostminister hat weder dem Bürger gegenüber noch dem Verwaltungsrat gegenüber beim Zeittakt viel Takt bewiesen.
({31})
Bei 16,352 Milliarden DM Umsatz im Fernmeldebereich und 1,9 Milliarden DM Gewinn im Jahr 1974 beträgt die Umsatzrendite rund 12 %.
({32}) Diese Zahl sollte man einmal festhalten.
Hier muß nun ein Blick auf die Postpolitik der letzten sechs Jahre geworfen werden. Immer wieder (I hört man - auch von Regierungsseite -, die Post habe zuviel Personal; sie müsse sich gesundschrumpfen. Warum hat denn aber die Deutsche Bundespost zuviel Personal? Einfach deshalb, weil hier lange Jahre eine falsche Politik betrieben wurde. So hatten wir in den Jahren 1970 bis 1972 eine Zunahme des Personals einschließlich der Nachwuchskräfte in Höhe von 44 522 Mitarbeitern zu verzeichnen. In dem Dreijahresabschnitt zuvor belief sich die Zunahme nur auf 5 829, und dies bei gleicher Verkehrsentwicklung. Allerdings - dies könnte Ihnen, Herr Bundesminister Gscheidle, ein Trost sein - wollte der Herr Bundeskanzler am 3. Dezember 1973 arbeitslose Bürger noch bei Bahn und Post unterbringen.
({33})
- Der Herr Bundeskanzler.
({34})
- Er sagte es am 3. Dezember 1973.
({35})
- Ja, selbstverständlich, der heutige Bundeskanzler Schmidt.
({36})
Ich wiederhole noch einmal: Er wollte arbeitslose Bürger bei Bahn und Post unterbringen.
({37})
Heute reden Sie nun davon, daß 48 000 Dienstposten oder noch mehr eingespart werden müßten. Diese Mitarbeiter hätten vernünftigerweise gar nicht erst eingestellt werden dürfen. Die jetzige Gefährdung dieser Arbeitsplätze hat allein die Bundesregierung zu verantworten. Man kann die Post nicht ungestraft sechs Jahre lang von vier verschiedenen Ministern her quasi als Nebenressort verwalten lassen
({38})
und zum Teil, wie es besonders Herr Ehmke getan hat, nur mit Sprüchen dirigieren.
({39}) Die Quittung dafür haben Sie heute.
Herr Bundesminister, können Sie vielleicht die Frage beantworten,
({40})
wie lange Sie es dem Telefonkunden noch zumuten wollen, die Defizite des Postsektors zu tragen? Auch Subventionen haben eine Grenze.
({41})
Trotz dreimaliger Gebührenerhöhung nimmt die Kostenunterdeckung in diesen Bereichen enorme Ausmaße an.
({42})
Der Briefdienst hatte 1969 noch eine Kostenüberdeckung von 46 Millionen DM, 1974 trotz der Gebührenerhöhung eine Kostenunterdeckung von 451 Millionen DM. Ob Sie nun den Paketdienst oder den Päckchendienst nehmen: überall hat sich die Kostenunterdeckung in den letzten fünf, sechs Jahren verdoppelt. Im gleichen Zuge haben sich die Schulden der Post von 16,6 Milliarden DM Ende 1969 auf heute etwa 38 Milliarden DM mehr als verdoppelt. Gleichzeitig wurden 3,8 Milliarden DM Verluste gemacht. Infolge rückläufiger Investitionstätigkeit und dank der überlassenen Ablieferungen haben Sie nun Gewinne erzielen können.
Herr Bundespostminister, Sie wissen aber doch selbst, daß die Probleme keinesfalls gelöst sind; sie sind nur aufgeschoben. Heute müssen Sie sich die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit vorhalten lassen: neben der falschen Personalpolitik, die mindestens mit 4 Milliarden DM zu Buche schlägt und die vom SPD-Parteibuch und von der Deutschen Postgewerkschaft maßgeblich mitbestimmt wurde, der ständigen Vernachlässigung der politischen Leitung der Post - wenn ich von Ihnen absehe, waren Ihre Herren Vorgänger meistens alles andere, nur keine Postminister - insbesondere in den Jahren 1970 bis 1974 noch zusätzlich mangelnde Rationalisierung.
({43})
- Nein, die meine ich nicht, Herr Ehrenberg.
({44})
- Wir halten jeden Vergleich aus.
Ich frage, erstens: Warum schränkt man nicht die Nachtarbeit oder die Sonn- und Feiertagsarbeit in den Paketämtern ein, wo man doch genau weiß, daß sie relativ unwirtschaftlich und kaum noch notwendig ist? Hier liegen hohe Rationalisierungsreserven. Zweitens: Warum werden die Briefkästen am Tage drei- oder viermal auch dort geleert, wo die Post von der Sammelstelle nur noch einmal am Tage abgeht?
Verehrter Herr Kollege, ich will Sie nicht in Ihrer Rede unterbrechen. Aber was das Leeren der Postkästen mit den vier Anträgen zu tun hat, ist schwer zu erkennen.
({0})
Frau Präsidentin, es geht um die Frage der Gebührenerhöhung,
({0})
und die Telefongebühren sollen ja bekanntlich den Minusbereich der Post abdecken. Deshalb diese Begründung.
({1})
Im übrigen komme ich Ihnen schon wieder entgegen. Drittens: Wie steht es um die Fernmeldedienste? Gibt es nicht beim Entstörungsdienst erhebliche Überkapazitäten, und werden die Fahrzeuge in diesem Bereich auch kostenbewußt genutzt? Viertens: Wie steht es mit dem Übergang zur Zweimonatsrechnung im Fernmeldewesen? Fünftens: Warum wird nicht in der Verwaltung eine große Kostenersparnis durch Verwaltungsvereinfachung und durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen herbeigeführt? In den letzten Jahren wurden im Bundespostministerium unzählige Planungsgruppen ins Leben gerufen; aber als Ergebnis kam nicht viel heraus.
Wir sind für gesunde Finanzen
({2})
und befürworten auch unpopoläre Maßnahmen, wenn diese im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Deutschen Bundespost notwendig sind.
({3})
Den Einwand, daß Herr Müller-Hermann für eine Gebührenerhöhung gewesen sei, will ich hier klarstellen. Herr Müller-Hermann hat die Situation geprüft und dann die Frage aufgeworfen, ob man die Sache nicht mit einem Drittelpfennig finanzieren könnte; denn in Wirklichkeit werde das Telefongespräch, wie Sie in jedem Telefonbuch nachlesen
können, nicht mit 23 Pf, sondern mit 22,77 Pf abgerechnet.
({4})
Einer weiteren Gebührenerhöhung, wie sie jetzt indirekt geplant ist, stimmen wir nicht zu, weil sie nicht entsprechend begründet ist und weil eine verfehlte Gesamtpolitik nicht über eine ständige Erhöhung der Telefongebühren zum Teil bezahlt werden kann.
({5})
Wie wäre es sonst zu verstehen, Herr Bundespostminister, daß Sie sich innerhalb weniger Stunden vom Vier-Minuten-Takt auf einen Acht-MinutenProbetakt umstellen konnten?
({6})
Ich frage: War das Einsicht oder nur wahltaktisches Verhalten?
({7})
Bei Ihrer Begründung für die Einführung des VierMinuten-Taktes haben Sie immer wieder darauf verwiesen, daß 82 °/o aller Gespräche innerhalb dieses Zeitraumes liegen.
({8})
Jetzt wollen Sie den Zeittakt auf acht Minuten erhöhen, obwohl nur 3 °/o der Gespräche diese Zeit überschreiten.
({9})
Ich frage mich: Was soll dieser Unfug! In welchem Verhältnis stehen die notwendigen Investitionen zum finanziellen Ertrag und zu den angeblichen technischen Erfordernissen?
({10})
Herr Bundesminister, geben Sie zu, daß Sie sich geirrt haben, und lassen Sie die Spielereien mit dem Zeittakt im Ortsverkehr.
({11})
Zusammenfassend stelle ich fest:
1. Die Union hält die Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldedienst für dringend erforderlich. Nur dadurch können die Ungerechtigkeiten in den Ortstarifbereichen zwischen städtischen und ländlichen Räumen und solchen, die sich als Folge der Gebietsreform ergeben haben, beseitigt werden.
2. Die gleichzeitige Einführung eines Zeittaktes für Ortsgespräche und damit die Abschaffung des jetzigen Ortstarifes lehnt die Union ab.
({12})
Ein Junktim zwischen Nahverkehrsbereichen und Zeitzählung im Ortsbereich besteht nicht.
({13})
3. Der Bundespostminister hat seine bisherige Argumentation durch den jetzt geplanten Acht-Minuten-Takt selbst widerlegt. Der zuständige Ausschuß sollte möglichst bald ein Hearing abhalten, zu dem neben den Betroffenen auch Sachverständige mit inhaltsnahem Überblick geladen werden.
4. Schon heute weiß man aus Kreisen der Industrie, daß sich die Kosten für die Einführung des Zeittaktes auf ein Mehrfaches dessen belaufen, was der Bundespostminister bisher angegeben hat.
({14}) Es dürften über 3 Milliarden DM sein.
({15})
Diesem Milliardenaufwand an Investitionen stehen beim Acht-Minuten-Zeittakt Einnahmen von 50 Millionen DM jährlich gegenüber.
5. Die Einführung des Nahverkehrs ohne Zeittakt ist dagegen ein echter Vorteil für den Bürger und besonders für Alte, Kranke und Einsame in unserem Lande.
Öffnen Sie dem Fortschritt die Tür, machen Sie Reformen zur Verbesserung und nicht zur Verschlechterung der Lebensverhältnisse, gerade heute am Vortage des 100. Geburtstages des Telefons, damit diese großartige Erfindung ihren Siegeszug zum Wohle aller ungehindert fortsetzen kann!
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Wrede.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte hat meine Auffassung bestätigt, daß die Opposition schlecht beraten war, zu diesem Thema und dann auch noch in einer solchen zeitlichen Ausdehnung eine Debatte im Deutschen Bundestag zu beantragen.
({0})
Die Widersprüche, die hier schon wiederholt aufgezeigt worden sind, zwischen dem, was die Opposition sagte, wie sie abstimmte und wie sie nun versucht, diese Eindrücke zu verwischen, müssen doch eigentlich jedem von Ihnen deutlich werden. Die Situation müßte Ihnen peinlich sein.
({1})
Peinlich sein müßte Ihnen insbesondere, daß der Kollege Dollinger, der ja selbst einmal Postminister war, hier versucht, Sitzungsdokumente, Niederschriften nämlich, in das Gegenteil zu verkehren, so den schon zitierten Beschluß des damaligen Ausschusses für Forschung und Technologie vom 21. Februar 1974, auf den der Kollege Hoffie im Zusammenhang mit unserer Diskussion im Westdeutschen Rundfunk hingewiesen hat, in der Sie, Herr Kollege Dollinger, schlicht behauptet haben, die CDU habe nicht mitgestimmt.
({2})
Nun haben Sie wenigstens zugegeben, daß Sie mitgestimmt haben, versuchen aber, den Inhalt des Beschlusses ins Gegenteil zu verkehren, indem Sie sagen: Nahbereich ist nicht Ortsbereich. Nun muß ich
wirklich fragen, wenn da steht „für den Fernverkehr und den Nahverkehr", was denn dann wohl mit „Ortsbereich" gemeint sein soll. Dies heißt doch, die Dinge auf den Kopf stellen, und dies sollte einem ehemaligen Minister nicht passieren.
({3})
Herr Kollege Dollinger, ich weise auch darauf hin, daß Herr Kollege Gscheidle hier aus einem Sitzungsdokument des rheinland-pfälzischen Landtages zitiert hat, nämlich die Antwort der Regierung von Rheinland-Pfalz auf eine Anfrage eines SPD-Abgeordneten, in der die Landesregierung erklärt hat, Herr Minister Schwarz habe im Postverwaltungsrat für diesen Beschluß gestimmt, nachdem er dazu zuvor eine Kabinettsentscheidung herbeigeführt habe. Der Vorsitzende der Regierung in Rheinland-Pfalz ist Herr Ministerpräsident Kohl. Dies können Sie doch nicht wegdiskutieren und sich hier hinstellen und sagen, auch Herr Kohl sei dagegen.
({4})
- Natürlich, der Kanzlerkandidat Kohl - ich komme jetzt darauf - hat sich allerdings in dieser Eigenschaft - wie die CDU-Fraktion - dagegen geäußert. Nur, diese zwei Dinge muß man doch einmal auf einen Nenner bringen können: Der Ministerpräsident ist dafür, und der Kanzlerkandidat ist dagegen.
({5})
Die Opposition stimmt im Ausschuß dafür - Sie geben jetzt nachträglich eine andere Begründung, die niemandem, der den Beschluß liest, überhaupt einleuchten kann und an die Sie auch selber eigentlich nicht glauben können -, die Opposition stimmt im Arbeitsausschuß des Postverwaltungsrates, der diese Vorlage vorberaten hat, mit zu - Sie waren nicht da, Herr Kollege Stücklen - ({6})
- Die CDU, habe ich gesagt! Gut. Ich lasse diesmal die CSU draußen, weil Sie gefehlt haben.
({7})
Die CDU stimmt zu; im Postverwaltungsrat enthalten sich dann etliche Abgeordnete der CDU/CSU der Stimme, allerdings dort mit einer anderen Begründung, als sie jetzt hier nachgeschoben wird; auch dies sollte erwähnt werden. Und nun sind Sie plötzlich auf einem ganz anderen Dampfer, vom strammen Ja - Sie waren offensichtlich von der technischen Lösung überzeugt - über das etwas weiche Jein im Postverwaltungsrat - Stimmenthaltung - zum harten Nein heute morgen, wie hier die Opposition erklärt.
Dies ist die Haltung der Opposition, die wir ja von vielen anderen Sachbereichen kennen, nur sollte jeder wissen: So kann man ja wohl nicht regieren.
({8})
Ihre Ansprüche, einmal die Regierung zu übernehmen, müßten Sie ein wenig tiefer hängen.
Herr Kollege Dollinger, noch ein Letztes an Ihre Adresse. Wenn Sie sich hierherstellen und sagen, daß die Einführung, die ja nur Zug um Zug erfolgen könne, ungerecht sei, weil die Gebührenbelastung durch diesen Zeittakt schon sofort eintrete, dann haben Sie doch die Unterlagen auch nicht gelesen. Es heißt doch ganz klar, daß die Gebührenbelastung durch den Zeittakt, wie er in dem Beschluß des Postverwaltungsrates geplant war, nur Zug um Zug jeweils mit der Einführung der größeren Nahbereiche eingeführt wird. Auch hier lassen Sie doch die Fakten völlig außer Betracht.
Meine Damen und Herren, im übrigen ist ja wohl unbestritten, daß das Echo in der Offentlichkeit nicht so eindeutig negativ war, wie Sie es hier darstellen.
({9})
- Lassen Sie mich ruhig ausreden!
({10})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner.
Ich hoffe, diese Zeit wird mir nicht abgezogen, Herr Präsident.
Nein! Ich bin sowieso großzügig.
Meine Damen und Herren, es ist unbestritten - und dies hat selbst der Kollege Dollinger hier vorgetragen -, daß in den weiten Bereichen der ländlichen Gebiete diese neue Regelung der vergrößerten Ortsbereiche als ein eindeutiger Vorteil empfunden wird.
({0})
Ich gehe noch einen Schritt weiter: Aus vielen Gesprächen mit Kollegen, die aus diesen Bereichen kommen und die in großen Veranstaltungen darüber diskutiert haben, wissen wir sogar, daß eine Zeitzählung als Gegenwert, der notwendig ist, in Kauf genommen wird und daß insgesamt immer noch diese Lösung als vorteilhaft angesehen wird. Ich bestreite ja gar nicht, daß es in den großen Städten, insbesondere in Berlin und Hamburg, und im Zusammenhang mit der Telefonseelsorge auch in anderen Städten erhebliche Gegenmeinungen gegeben hat, die sich auch in Wahrung durchaus berechtigter Interessen der jeweiligen Organisationen ein starkes öffentliches Gehör verschafft haben.
Nun hat die Regierung gesagt: Dies alles, was da beschlossen ist, das ist wohl unter dem Gesichtspunkt, der jetzt in der Öffentlichkeit vorgetragen wird, nicht bedacht, und du, Postverwaltungsrat, überprüfe doch deinen Beschluß, und wir empfehlen I dir, dies und das und jenes zu tun, nämlich verWrede
suchsweise den Acht-Minuten-Takt in einigen Ortsbereichen einzuführen.
Nun ziehen Sie darüber her. Ich kann nur sagen: Ein solches Verhalten kann doch einer demokratischen Regierung nur gut zu Gesicht stehen,
({1})
daß sie die Interessen der Bürger bei ihren Entscheidungen berücksichtigt und daß sie auch bereit ist, wenn irgendwo eine Entscheidung auf Grund unvollständiger Informationen - der Kollege Hoffie hat das hier dargetan - nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen wird, eine solche Entscheidung zu revidieren oder, wo sie selbst nicht beschließt, wie in diesem Fall beim Postverwaltungsrat, anzuregen, eine solche Entscheidung zu revidieren. Dies ist doch kein Zeichen von Schwäche für eine Regierung, meine Herren Kollegen, dies ist ein Zeichen von Stärke.
({2})
Nur eine starke Regierung kann sich dies erlauben.
({3})
Nun noch einmal zurück zu Ihrem Verhalten. Ich habe von dieser herrlichen Prozession, die Sie hier veranstaltet haben, gesprochen. Genau zu dem Zeitpunkt, als die von mir genannten Argumente bestimmter Gruppen, die durchaus berechtigte Interessen vertreten, hochkamen, wurden Sie, die Opposition, über Nacht schwerkrank. Sozusagen von einem Tag zum anderen - dies kann man an Erklärungen ablesen - haben Sie Ihr Gedächtnis verloren und all das vergessen, was vorangegangen war und was ich zitiert habe. Daß Sie an Beschlüssen mitgewirkt haben, zählt nicht mehr. Nun ziehen Ihre Redner und Ihre Schreiber durch das Land und dreschen auf den Postminister ein.
({4})
Dies ist auch heute morgen geschehen: Der Postminister hat, der Postminister soll, der Postminister muß. Meine Damen und Herren, hier steht eine Entscheidung des Postverwaltungsrats zur Diskussion, an der die Opposition mitgewirkt hat.
Die Regierung hat das ihre getan. Sie hat gesagt, sie sehe ein, daß Bedenken aufgetaucht seien, die geprüft werden müßten. Deswegen schlägt sie dem Postverwaltungsrat vor, diese grundsätzliche Entscheidung zurückzustellen und in den ausgewählten Ortsnetzen mit dem Acht-Minuten-Takt Versuche zu machen. In der Zwischenzeit soll - das wird ja doch sicher nach dem, was der Postminister gesagt hat, geschehen - die Problematik in dem sehr wichtigen Bereich der Telefonseelsorge geregelt werden. Im übrigen hat die Regierung schon, bevor Sie sich bemühten, mit Anträgen nachzustoßen, darauf hingewiesen, daß die Problematik im Zonenrandgebiet und an der Küste nicht zur Zufriedenheit geregelt ist. Die Regierung hat also ihrerseits alles getan, was man tun kann, um zu einer allseits befriedigenden Regelung zu kommen.
Was Sie allerdings getan haben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wären Sie bereit gewesen zu sagen, auch Sie hätten an einem Beschluß mitgewirkt, von dem Sie heute der Meinung sind, er müsse geändert werden, dann wäre das in Ordnung. Aber sich jetzt hier hinzustellen und mit falschen Zitaten und unrichtigen Behauptungen so zu tun, als sei es der Postminister, der Ihnen diese Suppe eingebrockt hat, das geht nicht. Sie haben daran mitgewirkt. Sie können nicht ernsthaft glauben, daß Sie in der Öffentlichkeit davon herunterkommen. Es hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden, zu sagen, auch Sie seien der Meinung, diese Versuche sollten gemacht werden und nach dem Ergebnis dieser Versuche sollte die Erfahrung gemeinsam ausgewertet werden. Aber offensichtlich sind Sie nach der langjährigen Übung in dem Ja, Jein, Nein nicht mehr in der Lage, zu anderen Entscheidungen zu kommen. Ich bedauere dies. Ich hoffe aber, die Öffentlichkeit wird Ihnen dies bei Gelegenheit auch vermerken.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Straßmeir.
({0})
- Es kann keine Unterhaltung zwischen Regierungsbank und Opposition vom Platz aus geben. Damit niemand auf der Regierungsbank in Versuchung geführt wird, sollten natürlich auch keine direkten Zurufe an die Regierungsbank erfolgen.
({1})
- Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Kollegen Wrede werden ja nicht dadurch besser, wenn er sie wiederholt, obwohl Herr Kollege Dollinger in eindeutiger Art klargelegt hat, daß seine Behauptungen unrichtig sind.
({0})
Was die Haltung der CDU/CSU-Fraktion anlangt, meine Damen und Herren, so haben wir im November des vergangenen Jahres über diesen Komplex beraten und im Dezember des Jahres 1975 unsere Anträge formuliert und hier eingebracht. Da gibt es nichts von Wechseln und Bocksprüngen, aber Sie haben bis zum 28. Januar gebraucht, um dann in 24 Stunden eine Wendung zu vollziehen.
({1})
Und heute bekennen Sie sich zum Acht-MinutenZeittakt, während der Herr Bundesminister nach wie vor vom Vier-Minuten-Zeittakt spricht. Klären Sie doch einmal bei sich selbst, wie die künftige Linie sein soll.
({2})
Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zum Herrn Bundesminister Gscheidle machen. Seine Rede wäre nach dem neuen Zeittaktverfahren der Bundespost 1,61 DM wert gewesen. Der Sache nach war sie kei15460
nen Sechser wert und für die Berliner keinen Pfifferling,
({3})
weil Sie es nicht für notwendig befunden haben, obwohl ein Antrag vorliegt, überhaupt nur einen Satz über Berlin zu sagen.
({4})
Im übrigen, Herr Bundesminister, sind Sie intelligent genug, auch für eine schlechte Sache noch ein paar gute Gründe zu finden. Aber Sie können doch nicht glauben, daß Sie hier mit technischem Valium die politische Diskussion ersticken können.
({5})
Sie bleiben bei dem Junktim zwischen Zeittakt und Nahbereich, und solange Sie dabei bleiben, werden wir dagegen ankämpfen.
({6})
Wir bleiben vollinhaltlich bei unseren Anträgen.
({7})
Wir hatten zunächst gedacht, Sie wollten mit dem Umschalten auf den Acht-Minuten-Takt Ihren eigenen Rückzug einleiten. Offenbar aber bleiben Sie bei den vier Minuten. Es ist natürlich ganz gut, hier einen Nebel aufzuziehen. Vielleicht handeln Sie nach dem Grundsatz von Egon Bahr, daß man vor den Wahlen der Bevölkerung tunlichst nicht die ganze Wahrheit verabfolgen sollte. Ich könnte mir aber auch vorstellen, daß der Bundesminister in einer Vorahnung der Ereignisse der Bundestagswahl von
1976 eine Erscheinung hatte, die Erscheinung jenes Königs von Sachsen, der von der politischen Bühne abtrat mit der Bemerkung: „Macht doch euren Dreck alleine!"
({8})
Sie wollen es uns überlassen, die Dinge dann künftig in Ordnung zu bringen.
({9})
Wir werden die wahren Gründe der Regierung also heute hier nicht erfahren, und solange das der Fall ist, gilt für uns der klassische Satz guter Parlamentstradition: Wir kennen die wahren Gründe der Regierung nicht, aber wir mißbilligen sie.
({10})
Ich möchte noch einmal deutlich machen, daß wir die Einführung von Nahbereichen für unerläßlich halten, daß es aber bis zur Stunde keinen schlüssigen Beweis dafür gibt, daß der Nahbereich ausschließlich in Verbindung mit dem Zeittakt möglich ist. Es ist einfach nicht einsehbar, warum die Heranführung der ländlichen Gebiete an den modernen Standard des Fernmeldewesens nur unter Preisgabe des zivilisatorischen Fortschritts in den großen Ortsnetzen denkbar sein soll.
({11})
In Berlin, meine Damen und Herren, kann man seit mehr als 50 Jahren auf 841 qkm unbegrenzt telefonieren. Wir sind grundsätzlich gegen die Einführung des Zeittakts überall und überhaupt, aber in Berlin ist jede Zeittaktregelung zusätzlich ungerechtfertigt, weil nämlich die Geschäftsgrundlage, der Ausgleichsvorteil des Nahbereichs mit einem Radius von 20 km, flächendeckend über 1300 qkm, nicht gegeben ist.
({12})
Ihre Formel von der neuen Lebensqualität, Herr Bundesminister, würde dann lauten: Wenn schon die Fläche Berlins nur noch ein Drittel eines geplanten Nahbereichs umfaßt, so sollten die Berliner zum gerechten Ausgleich dafür wenigstens dreifach höhere Gebühren bezahlen.
({13})
Alle Gebietskörperschaften einschließlich der Großstädte gewinnen bei der Einführung des Nahbereichs an Ausdehnung des Netzes. Nur Berlins Ortsnetz fehlen dann annähernd zwei Drittel des Flächenumfangs. Dazu kommen noch die völlig überflüssigen Installationskosten für den Zeittakt in Millionenhöhe. Berlin wäre mithin die einzige Gebietskörperschaft in der Bundesrepublik Deutschland, die ausschließlich die Nachteile des Zeittaktes zu tragen hätte. Die Berliner Bürger würden künftig allein zu mindestens doppelten Kosten im kleinsten Nahbereich der Bundesrepublik Deutschland im ohnehin teuersten Telefonsystem der Welt telefonieren müssen.
({14})
Dies wäre in der Tat eine neue Form negativer Berlin-Förderung. Der Senat und die Bundesregierung halten an dieser Regelung fest. Sie, Herr Bundesminister, sollten sich zu diesem traurigen Tatbestand hier noch einmal deutlich in der Öffentlichkeit bekennen.
({15})
Die Bundesregierung hat wenn auch reichlich
spät - den politischen Sprengstoff, der diesem potenzierten Unsinn innewohnt, erkannt und verlegt sich nun aufs Finassieren. Der Senat von Berlin reagiert mit dem Trotz kleiner Buben. Er will nämlich den Berlinern den Zeittakt so lange zumuten, bis es auch irgendwoanders Sonderregelungen gibt, und er sagt, dies müsse sein, damit die Rechtseinheit zwischen Berlin und dem Bund gewahrt bleibe.
Meine Damen und Herren, diese Haltung soll das bisherige Fehlverhalten vertuschen und unterstellt der Union gleichzeitig, ihr Antrag würde dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Berlin und dem Bund zu lockern.
({16})
Meine Damen und Herren, das glaubt Ihnen in der Öffentlichkeit doch sowieso niemand! Bisher ist noch niemand auf die absurde Idee gekommen, aus den Regelungen für Berlin, die die Nachteile des Standorts ausgleichen sollen, staatsrechtliche Deduktionen dahin gehend abzuleiten, daß hiermit eine Beeinträchtigung der Verbindungen zwischen Berlin und dem Bund verbunden sei. Das gilt und galt selbstverständlich weder bei der HerunterStraßmeir
zonung der Ferngespräche noch für das geringere innerstädtische Briefporto. Der Grundsatz hat immer gelautet, gleiches da gleichzubehandeln, wo es geht, und Entlastung oder Förderung zu schaffen, wo aus politischen Gründen ungleiche Gegebenheiten zu berücksichtigen sind.
({17})
Im vorliegenden Fall geht es nicht einmal um Förderung, sondern schlicht und einfach darum, eine krasse Benachteiligung zu verhindern.
({18})
Wir befinden uns mit unserem Antrag in Übereinstimmung mit der erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung von Berlin, mit den Kirchen, den sozialen und wirtschaftlichen Organisationen und Verbänden einschließlich des Deutschen Gewerkschaftsbundes,
({19})
und alle haben in zahlreichen Briefen die Berliner Bundestagsabgeordneten - und zwar die aller Parteien - aufgefordert, die Einführung des Zeittaktes in Berlin zu verhindern.
Wir haben am Anfang des Jahres unsere Berliner Kollegen von der SPD im Bundestag aufgefordert, unserem Antrag beizutreten. Wir bitten heute alle Fraktionen um Zustimmung zu diesem Antrag. Auch die Bundesregierung kann uns ohne rechtliche Leibschmerzen in bezug auf die Wahrung der Rechtseinheit zwischen Berlin und dem Bund folgen. In dieser Frage läßt sich die CDU/CSU von niemandem übertreffen.
Im übrigen ziehen die vorgeschobenen Gründe des Senats von Berlin überhaupt nicht, weil, wie der Herr Bundesminister angedeutet hat, ohnehin Sonderregelungen für den Zonenrand und die Küstengebiete vorgesehen sind. Die CDU/CSU-Fraktion fordert mit ihrem Antrag die Bundesregierung auf, bei der Einführung von Nahbereichen in den Zonenrand-, Grenz- und Küstengebieten die Mittelpunkte der jeweiligen Nahbereiche so festzulegen, daß die jeweilige Rand-, Grenz- oder Küstenlinie die Tangente an den künftigen Nahbereich mit 20 km Radius bildet. Nach dem Modell der Bundespost wird in diesen Gebieten die Ausdehnung auf einen vollen Radius von 20 km durch die Grenze verhindert. Dies führt zu einer krassen Benachteiligung der Fernsprechteilnehmer in diesen Regionen. Gerade sie aber haben nach unserer Auffassung einen vollen Anspruch auf einen flächendeckenden Nahbereich von 1 300 qkm.
Die Bundespost räumt ein, daß an der Grenze zur CSSR und im Zonenrandgebiet bei der Einführung des 20-km-Radius insoweit Nachteile eintreten, als zur DDR und zur CSSR kein normaler Fernsprechverkehr stattfinden kann. Sie hält aber, wie gesagt, einen Ausgleich nur in der Weise für möglich, daß dort, wo mehr als 25 °/o des Nahbereichs ausfallen, der Radius bis zu 25 km vergrößert wird. Zum Ausgleich ähnlicher Nachteile wird für die Küstengebiete an Nord- und Ostsee eine entsprechende Regelung vorgeschlagen.
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, sind der Auffassung, daß dieses Modell der Bundespost im Vergleich zu der von uns vorgeschlagenen tangentialen Lösung erhebliche Nachteile aufweist. Die Bundesregierung sollte nun endlich verbindlich erklären, daß sie im Grundsatz - und zwar überall - einer Sonderregelung zustimmt und uns dann in die Lage versetzt, gemeinsam den günstigsten Weg zu suchen.
Den Grenzgebieten - so hat der Herr Bundesminister ausgeführt - will die Bundesregierung überhaupt keinen Ausgleich gewähren,
({20})
weil es hier angeblich einen Grenzfernsprechverkehr zu günstigen Sondertarifen gibt, der in der Lage sein soll, alle Nachteile, die sich aus der Randlage ergeben, gebührend zu berücksichtigen und auszugleichen.
({21})
Diese Entscheidung, Herr Kollege Spies - pauschal, oberflächlich und ungerecht, wie sie ist -, wird von der CDU/CSU-Fraktion nicht hingenommen werden.
({22})
Sie ist in keiner Weise geeignet, den strukturellen Nachteilen der Randlage gerecht zu werden. Denn der Sondertarif ins westliche Ausland bedeutet, daß in einem Knotenamt von 25 km zu einer Gebühreneinheit im 45-Sekunden-Takt telephoniert werden kann.
({23})
Dies ist nur ein Fünftel des miserablen Vier-Minuten-Zeittaktes und ein Zehntel des immer noch miserablen Acht-Minuten-Taktes. Wer wollte denn da von Gleichheit der Bedingungen reden!
({24})
Im übrigen sollte auch der Bundesregierung bekannt sein, daß für die Bevölkerung an den Grenzen der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach wie vor auf das Landesinnere und nicht auf das Ausland bezogen ist.
({25})
Es kann doch auch nicht so sein, Herr Bundesminister, daß positive Vereinbarungen mit dem Ziel besserer, größerer europäischer Kommunikation durch nationale Benachteiligung wieder hinfällig gemacht werden.
({26})
Für die CDU/CSU-Fraktion, meine Damen und Herren, gilt nach wie vor die Forderung, daß aus Gründen der Struktur- und Regionalpolitik, aus Gründen der Gleichbehandlung von Stadt und Land die Einrichtung von Nahbereichen im Fernsprech15462
dienst notwendig ist. Wir bleiben dabei, daß es keine zwangsläufige Verbindung von Nahbereich und Einführung des Zeittaktes gibt. Wir fordern, daß bei der Bildung von Nahbereichen, Herr Bundesminister, nicht jene Regionen benachteiligt werden, die auf Grund ihrer geographischen oder politisch bedingten Strukturschwäche ohnehin unsere besondere Förderung verdienen.
({27})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Straßmeir hat den Vorwurf erhoben, wir hätten nichts zu Berlin gesagt. Aber natürlich habe ich in meinen Ausführungen die Möglichkeiten dargestellt,
({0}) die es gibt, um auf Berlin zu kommen.
Herr Abgeordneter, es muß Ihnen als Berliner Vertreter doch wohl klar sein,
({1})
welche Sondersituation Berlin hat. Es kann Ihnen doch nicht entgangen sein, daß Berlin innerhalb des Fernsprechnetzes so gestellt wird, als ob Berlin im Bundesgebiet läge. Das läßt in der Gegenüberstellung zu den sonst geltenden Bestimmungen der Fernsprechordnung einen Gebührenausfall pro Jahr von 71 Millionen DM entstehen. Es konnte Ihnen doch nicht entgangen sein, daß die Bundespost bei den Verhandlungen mit der DDR den Berliner Fernsprechteilnehmern im Verkehr von Berlin ({2}) nach Berlin ({3}) die Möglichkeit eingeräumt hat, mit 195 000 Fernsprechteilnehmern von Berlin ({4}) zu einem Zeittakt von sechs Minuten zu verkehren, während umgekehrt im Verkehr von Berlin ({5}) nach Berlin ({6}), eine zehnfach höhere Gebühr erhoben wird. Sie können doch nicht, wenn Sie nach Gerechtigkeit innerhalb eines Kommunikationsnetzes von 13 Millionen Teilnehmern suchen, in Abrede stellen, daß in der besonderen Lage, in der sich Berlin befindet, nicht alle Möglichkeiten übertragbar sind, die wir im Augenblick für die Grenzlandsituation suchen.
Was Ihren Vorschlag angeht, wie man Grenzlandsituationen bereinigen kann, so darf ich Sie darauf hinweisen, daß schon mit einfachen Erkenntnissen aus der Geometrie zu begreifen ist, daß Ihr Vorschlag nicht realisiert werden kann.
({7})
Wir sind bereit, in den zuständigen Ausschüssen des I Bundestages zu beweisen, zu welch unsinnigen Folgerungen es führte, zu welch unterschiedlichen Beziehungen zum Mittelpunkt und zu welchen Gebührenverzerrungen man käme, wenn man von der Geometrie des Kreises an Küstenverläufen oder Grenzverläufen abginge, da man an diese Form nicht im gesamten Verlauf eine Tangente anlegen kann.
({8})
Warum ich mich hier zu Wort gemeldet habe, ist an und für sich die Tatsache, daß Herr Dollinger hier gesprochen hat. Es ist natürlich verständlich, daß die Öffentlichkeit davon ausgeht, daß dann, wenn ein früherer Postminister in dieser Debatte zu Wort kommt, ein Fachmann spricht.
({9})
Nun darf ich aber zu einigen Punkten Ihrer Ausführungen doch einige Anmerkungen machen.
Zunächst einmal gingen Sie auf das ein, was die Personalpolitik zur Zeit ausmacht. Zu der Situation, in der sich die Bundespost heute gegenüber Ihrer Amtszeit damals befindet, darf ich Ihnen generell einmal folgendes sagen. Als Sie mir dieses Amt übergaben, war die Zahl der Teilnehmer des Fernsprechnetzes genau halb so groß, wie sie heute ist. Seit der Amtsübernahme wurde das Fernsprechnetz verdoppelt, mit all den Problemen, die sich daraus ergeben.
Wenn Sie den Vorwurf erheben, wir nützten das Monopol der Bundespost hinsichtlich der Fernsprechgebühren in rigoroser Weise aus, dann ist es Ihrem Gedächtnis einfach entschwunden, Herr Kollege, daß zu dem Zeitpunkt, als Sie die Verantwortung für die Post trugen, die relative Kostenüberdeckung des Fernsprechwesens größer war als heute, d. h. die Monopolstellung damals zur Abdeckung des Postdienstes eher rigoroser ausgenutzt wurde als zur Zeit. Sie kommen doch nicht an den Zahlen vorbei, die Ihre Amtszeit kennzeichnen.
Wenn Sie auf die Personalpolitik eingehen, dann muß ich sagen: Kennzeichnend für Ihre Personalpolitik war, daß höhere Beamte, von denen bekannt wurde, daß sie der SPD angehören, innerhalb von 24 Stunden wieder aus dem Hause versetzt wurden. Inzwischen werden in diesem Ministerium Beamte nach ihrer Fachqualifikation, unbeschadet ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit, befördert.
({10})
- Wenn Sie darüber lachen, dann sage ich Ihnen einmal folgendes zum Nachdenken: Seit Bestehen der Deutschen Bundespost - das können Sie kontrollieren - gab es noch niemals einen Ministerialdirektor, der der SPD angehört hat. In meiner Amtszeit wurden Mitglieder Ihrer Partei zu Ministerialdirektoren befördert. Hören Sie doch mit diesem
Quatsch auf, uns hier sozusagen Parteipolitik zu unterstellen!
({11})
Herr Bundesminister, ich möchte bitten, den Ausdruck „Quatsch" nach Möglichkeit nicht zu verwenden.
Den Ausdruck nehme ich mit Bedauern zurück. Was ich damit gemeint habe, war offenkundig.
({0})
Herr Kollege Dollinger, wenn Sie hier Vorschläge zu den Fragen Paketdienst, Briefkastenleerung, Fernsprechentstörung usw. machen, kann ich Ihnen nur sagen: Der Postverwaltungsrat berät den Minister in der Führung der Bundespost. In diesem Postverwaltungsrat sitzen nach dem Wortlaut des Gesetzes sachverständige Kenner des Post- und Fernmeldewesens. Wenn Sie hier Vorschläge machen, die Ihre sachverständigen Kenner nie gemacht haben, dann ist das doch wohl wirklich eine Sache, die Sie einmal unter sich regeln müssen. Natürlich gab es Diskussionen über all diese Punkte. Aber es gab auch Gründe, warum man das nicht tun konnte, ohne bestimmte andere Dinge gleichzeitig zu klären.
Wenn Sie sagen, es gibt eine Statistik - Statistiken gibt es eine Menge -, in denen sozusagen festgestellt wird, an welchem Punkt sich die Bundesrepublik Deutschland im Fernsprechwesen befindet, sage ich Ihnen: Es gibt zumindest eine des Statistischen Bundesamtes, die abgestimmt ist, die Sie nachprüfen und nachlesen können. Sie ordnet die Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Höhe der Fernsprechgebühren an fünfter Stelle ein, und zwar kommt die Bundesrepublik Deutschland nach Italien, Großbritannien, Osterreich und Frankreich.
Wenn Sie mit Zahlen argumentieren, was das alles kostet, Zeitzählung und Investition: Entschuldigen Sie, Herr Kollege Dollinger, da bringen Sie wirklich alles durcheinander. Es ist doch eine ganz unterschiedliche Sache, ob ich investiere, um die Zeitzählung im Ortsnetz einzuführen, oder ob ich investiere, um den auch von Ihnen geforderten Nahbereich zu schaffen. Sie können doch nicht beide Zahlen zusammenzählen. Die Zeitzählung allein kostet eben nur höchstens 400 Millionen DM, genau 380 Millionen DM nach den Angaben der produzierenden Industrie. Aber natürlich besteht ein Zusammenhang - und den haben Sie bislang nicht akzeptiert --: Je größer ich den Zeittakt im Nahbereich mache, um so größer wird natürlich der Druck, die Übertragungen, die diesen Nahbereich erst schaffen, zu erweitern; denn natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen Kosten und Gebrauchsgewohnheiten.
Sie können doch die derzeitige Situation in den einzelnen Bereichen nicht außer acht lassen. Bei dem jetzigen Nahbereich von 30 Sekunden, 60 Sekunden und 90 Sekunden zahlen Sie für acht Minuten unter Zugrundelegung von 23 Pfennig zur Zeit 3,68 DM oder 1,84 DM oder 1,22 DM. Sie können doch nicht leugnen, daß in dem Augenblick, in dem solche Vorteile eingeführt werden, die Menschen ihre Kommunikationsbedürfnisse hinsichtlich der Zeitdauer ihrer Gespräche verändern. Dann müssen Sie notwendige Übertragungen zur Verfügung stellen. Konkret bedeutet das nach allem, was wir wissen wenn ich sage „wir", dann meine ich die Fachleute, die man parteipolitisch gar nicht unterscheiden kann -: Mehr als 1,2 Milliarden DM sind notwendig beim Vier-Minuten-Takt. Mit Sicherheit sind es mehr als 1,5 Milliarden DM; aber genau wissen wir das nicht, weil uns niemand sagen kann, wie sich die Gesprächsgewohnheiten verändern werden.
Wenn Sie Ausführungen hinsichtlich der Personalzunahme machen: Herr Kollege Dollinger, 1969 haben Sie das Amt übergeben. Die von Ihnen zu verantwortenden Einstellungen aus dem Jahr 1969 kamen 1972 zum Einsatz.
({1})
- Aber natürlich, Herr Kollege Dollinger. Die haben eine Ausbildung von vier Jahren. Herr Dollinger, wenn ich 1969 24 000 Nachwuchskräfte einstelle, habe ich vier Jahre später diese ausgebildeten Kräfte zur Verwendung im Dienst.
Sie haben uns ein Personalbemessungssystem übergeben, von dem der Bundesrechnungshof gesagt hat: Es besteht dringend die Notwendigkeit der Überprüfung, daß der Personalbedarf dem sogenannten Verkehrsbedürfnis angepaßt wird. Das konnten wir doch frühestens in dem Augenblick in Angriff nehmen, als diese Dinge erkennbar wurden. Das war in dem Augenblick, als sich konjunkturelle Einbrüche im Verkehr abzeichneten. In diesem Augenblick haben wir es auch getan.
Herr Kollege Dollinger, Sie haben die Personalzahlen kritisiert. Ihnen muß aber doch in Erinnerung sein, daß auf Beschluß dieses Hauses seit 1969 die Arbeitszeit dreimal verkürzt wurde, daß Dienstvorschriften geändert wurden. Das mußte doch seinen Niederschlag in den Personalzahlen finden. Es hat keinen Wert, sozusagen for show im Zusammenhang mit einer Debatte über den Nahbereich plötzlich die ganze Politik des Post- und Fernmeldewesens für alle Entwicklungen haftbar machen zu wollen und sich dagegen zu wehren, wenn gesagt wird, daß man auch Dinge übernommen habe, die man erst in Ordnung bringen mußte.
Sie haben weiter gesagt, die Fernsprechverbindungen ließen sich nicht nur durch die Ortszeitzählung entlasten, sondern auch auf andere Weise, sozusagen durch den Verordnungsbefehl. Aber, Herr Kollege Dollinger, wie sieht es denn da mit Ihrem Verständnis des Fernmeldegeheimnisses aus? Sie müssen doch wissen, welche Möglichkeiten ich im Ortsnetz habe. Ich habe nicht die Möglichkeit, durch technische Einrichtungen ein Gespräch sozusagen nach Inhalt, Dauer oder Notwendigkeit prüfen zu lassen. Dies könnte dann nur durch Überwachung geschehen. Das können doch keine ausgereiften
Vorstellungen sein, die Sie heute hier vorgetragen haben!
({2})
Sie haben England als Beispiel für Ihre Vorstellungen angeführt. Man hat in England tatsächlich Ortsnetzbereiche bis zu 2 000 qkm; aber man hat eben auch den Zwei-Minuten-Takt.
Herr Dollinger, Sie haben versucht, aus der Protokollformulierung eine Basis für Ihre jetzige Position aufzubauen. Das kann Ihnen nicht gelingen. In diesen Diskussionen war ausweislich der Unterlagen eines klargestellt: Der Begriff „Nahverkehr" hebt tariflich den Begriff „Ortsnetz" auf. „Nahverkehr" war der gängige Arbeitsbegriff für das neue Tarifsystem: eigenes Ortsnetz plus Nahtarif.
({3})
Ich würde Sie herzlich bitten, auch im Interesse Ihrer alten Verbindungen zur Bundespost, bei aller notwendigen politischen Auseinandersetzung nicht Argumente einzuführen, die weder fachlich vertretbar noch in irgendeinem Zusammenhang zu dem hier zu behandelnden Thema stehen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Grimming.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Straßmeir hat hier wie schon vor ihm der Kollege Damm in markiger Sprache die Politik der Bundesregierung, insbesondere des Bundespostministers, zu charakterisieren versucht.
({0})
- Das weiß er ganz sicherlich, selbst wenn es hier nicht so deutlich wurde.
Zunächst einmal möchte ich feststellen - gerade nach dem zweiten Beitrag des Bundespostministers
- daß wir die Ausführungen, die er zugleich im
Namen der Bundesregierung gemacht hat, ausdrücklich begrüßen und daß wir hinter den hier von ihm skizzierten Zielen seiner Telefonpolitik stehen. Das gilt für die Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit, die er anstrebt, für die Anpassung an die Kommunalreform in den Nahbereichen, das gilt für die Lösung der Probleme der Randgemeinden, und das gilt schließlich für das Ziel, die Eigenwirtschaftlichkeit der Bundespost zu stärken. Soviel möchte ich zu dieser Frage sagen, damit die Sache nicht vernebelt wird hinter dem polemischen Feuerwerk, das einige Kollegen der Opposition anzünden zu müssen glauben.
Der Kollege Damm sprach z. B. von dem „Bürgeraufstand", dem sich die Bundesregierung oder der Bundespostminister gegenübersehe. Meine Damen und Herren, wir waren es doch, die es ernstgenommen, wenn Bürger an den Staat, an ihre Verwaltungen herantraten.
({1})
- So ist es, Herr Kollege Damm: mehr Demokratie wagen. Das, was Sie jetzt tun, ist nicht die Aufnahme dessen, was an Meinungsbildung in unserem Lande stattfindet, sondern es ist der Versuch, es auszubeuten und auszuschlachten. Das ist eben kein Beitrag zu mehr Demokratie, sondern es ist nur ein Beitrag zu mehr Vernebelung.
({2})
Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Sie haben hier von der „sozialen Demontage" gesprochen. Auch das ist so ein Wort, das Sie jetzt offenbar jedes Jahr einmal herausholen, weil Sie einen gewissen Nachholbedarf in sozialen Fragen haben.
({3})
Dann haben Sie hier davon gesprochen, daß der Telefonkunde im „Würgegriff" der Bundespost sei.
({4})
Mein Gott! Und dann haben Sie davon gesprochen, daß die Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung „gehetzt" werde. Dazu hat Ihnen der Kollege Wrede hier schon gesagt, was immerhin Ihr Kanzlerkandidat, dem wir wünschen, daß er das für lange Zeit bleibt, dazu für eine Meinung hat.
Meine Damen und Herren, Sie können nicht so tun - und vor allen Dingen hat das hier der Kollege Straßmeir getan - ({5})
- Sie haben hier gesagt, Sie stünden vollinhaltlich hinter Ihren Anträgen. Einverstanden! Nur, wenn Sie Ihre Anträge vorher noch einmal gelesen hätten, was sich empfiehlt, wenn man sie begründet, hätten Sie festgestellt, daß Sie eben nicht, wie der Kollege Damm es hier ausgeführt hat, von vornherein gegen jeden Zeittakt sind, sondern Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen und einen Bericht vorzulegen, ob man entweder auf den Zeittakt verzichten oder ihn erweitern könne. Wenn Sprache noch einen Sinn hat, dann haben Sie sich nicht vom Zeittakt distanziert, sondern den Versuch unternommen, zu prüfen, in welcher Weise er nutzbar gemacht werden kann.
({6})
Das ist etwas ganz anderes. Sie streuen der Öffentlichkeit hier Sand in die Augen.
Einige weitere Bemerkungen zu den Anträgen, die Sie hier eingebracht haben.
({7})
Was das Stichwort Telefonseelsorge angeht, so hat, glaube ich, der Bundespostminister klargemacht, daß wir uns vertrauensvoll auf die Gespräche, die zwischen den Kirchen und der BundesGrimming
post stattfinden, stützen können und daß wir in den Ausschüssen die Erledigung in unser beider Sinn erleben werden.
Was Ihren Antrag angeht, Zonenrand-, Grenzund Küstengebiete besonders zu berücksichtigen, so ist hier schon deutlich gesagt worden - ich unterstreiche das -, daß das mit Ihren Vorstellungen nicht möglich sein wird. Gleichwohl wollen wir versuchen, in den Ausschußberatungen im engen Einvernehmen mit dem Bundespostminister eine Lösung zu finden, die den besonderen geographischen und politischen Gegebenheiten dort Rechnung trägt.
Bleibt, meine Damen und Herren von der Opposition, was zu dem Antrag hinsichtlich der Einführung von Nahverkehrsbereichen im Fernmeldewesen in Berlin zu sagen ist:
({8})
- Nun wird es in der Tat spannend, Frau Berger, weil ich zunächst drei Bemerkungen des Kollegen Straßmeir korrigieren muß.
({9})
Erstens. Der DGB Berlin hat sich nicht im Alleingang, wie Sie hier darzustellen versuchten, gegen die Maßnahmen der Bundespost bzw. der Bundesregierung gewandt, sondern er hat gesagt: Dies ist ein Thema, das insgesamt wichtig ist, und hat es auf die Tagesordnung einer Sitzung des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Düsseldorf gebracht.
({10})
- Dann lesen Sie den Brief doch einmal richtig, Frau Berger.
Zweitens hat der Senat von Berlin seine Meinung zum Zeittakt deutlich gemacht. Er hält eben nicht daran fest, sondern hat genau das, was ich hier vorzutragen mich anschicke, zur Grundlage seiner Politik erhoben.
Schließlich haben die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten in Berlin - jedenfalls in ihren Führungsgremien - deutlich gemacht, wie sie die Problematik der Einführung des Nahverkehrsbereichs und des Zeittaktes auch in Berlin einschätzen. Sie können nicht so tun, als seien Sie die einzigen Sachwalter Berlins.
({11})
- Lassen Sie mich doch ausreden!
Die Probleme, die sich für Berlin ergeben, sind erkannt. Der Herr Bundespostminister hat auf die besondere Förderung Berlins hingewiesen. Ich füge hinzu: Wir unterstützen das, was er hier gesagt hat, und bitten ihn, als Ergebnis des Großversuchs, den wir unterstützen, bei der Prüfung dessen, was für Berlin Geltung haben soll, eine berlingerechte Lösung ins Auge zu fassen. Die - ich unterstreiche das - muß als Ergebnis der Prüfung der Erfahrungen auch einschließen, daß möglicherweise in Berlin
auf den Zeittakt verzichtet wird. Lassen Sie doch den Versuch laufen und sehen Sie bitte auch, daß die Bundespost sich schon von daher des Problems bewußt ist, weil sie zugesagt hat: Wenn es zu einem Zeittakt kommt - welcher Länge auch immer -, dann wird Berlin am Ende dieser Schlange stehen.
Herr Abgeordneter Grimming, eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Berger.
Bitte, Frau Berger.
Herr Kollege Grimming, nachdem sich die Berliner CDU-Abgeordneten noch vor der Sitzung des Postverwaltungsrates und unmittelbar danach sehr deutlich geäußert hatten und nachdem Sie eben den Beschluß Ihrer Parteigremien erwähnten, darf ich Sie fragen: Wann war der Beschluß? Irre ich mich, wenn ich sage, daß das erst so etwa Ende Januar unter dem massiven Druck der Offentlichkeit zustande gekommen ist?
Frau Berger, ich kann Ihnen das Datum nicht sagen. Aber Sie irren sich mindestens in einem Punkte, nämlich in dem, daß Berliner Führungsgremien der SPD unter dem Druck der Öffentlichkeit beschließen.
({0})
Sie machen ihre eigenen Erkenntnisse und Einschätzungen zum Maßstab ihrer Beschlüsse. Der massive Druck der Öffentlichkeit hat auch Sie nicht zu einer Änderung Ihrer Haltung - diese Springprozession hat der Kollege Wrede schon dargestellt - bewogen, sondern hat Ihnen überhaupt erst - versuchsweise - eine Haltung beigebogen. Das ist ja der Unterschied zwischen uns beiden: Während wir uns um die Lösung der Probleme bemühen, bemühen Sie sich, die Probleme zu Ihren Gunsten auszuschlachten.
({1})
Aber ich glaube, hier ist durch die Aussagen der Fraktion der deutschen Sozialdemokratie im Bundestag und durch die Äußerungen der Bundesregierung deutlich geworden, daß Ihnen dieser Versuch mißlingen wird. Ich kann nur hoffen, daß Sie nach dieser Debatte in der Ausschußberatung zum Nutzen der Postkunden zur Gemeinsamkeit zurückfinden und daß wir dann, unabhängig vom Wahltermin, eine sachgerechte Lösung finden werden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auseinandersetzungen über Gebühren im Postbereich sind für die jeweilige Opposition immer ein dankbares Thema
({0})
und Anlaß für eine Diskussion mit vorhandener oder geweckter oder noch zu weckender Leidenschaft. Herr Damm wollte ja eine Volksbewegung entfachen.
({1})
Wenn wir das Thema einmal leidenschaftslos betrachten, dann bleibt doch festzustellen, daß eine Neuordnung der Nahbereiche nach der bisher durchgeführten und noch zu erwartenden kommunalen Neuordnung unumgänglich notwendig geworden ist. Hier ist auch der generellen Einführung von Nahverkehrszonen innerhalb des gesamten Bundesgebietes allgemein zugestimmt worden, und daher kann gegen dieses Vorhaben kein allzugroßer Widerstand erwartet werden. Strittig ist natürlich, ob bei dieser Neuregelung nicht auch für den Nahbereich Zeiteinheiten eingeführt werden sollen. Ich darf Ihnen ganz ehrlich sagen, daß ich selbst bei der Diskussion vor zwei Jahren um die Erhöhung der Postgebühren in meiner Fraktion den Vorschlag gemacht habe, auch hier wie im Fernbereich zu Zeitberechnungen zu kommen, also einen Zeittakt einzuführen, weil ich nicht einzusehen vermag, weshalb eigentlich eine unterschiedliche Berechnung im Nahbereich gegenüber dem Fernbereich erfolgt, was die Zeitdauer anbelangt. Auch nach Einführung der Nahbereiche, die ja jetzt zur Freude der Betroffenen sehr vergrößert werden, die alle billiger werden telefonieren können in diesem doch recht großen Bezirk - der Minister für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen hat Ihnen ja die Zahlen genannt -, vermag ich nicht einzusehen, weshalb nunmehr ein noch größerer Teil zum unbegrenzten Ortstarif telefonieren darf, während Gespräche über den Nahbereich hinaus dem Zeittakt unterworfen sind. Die logische Schlußfolgerung aus Ihrer Auffassung, meine Damen und Herren von der Opposition, wäre, daß wir für das ganze Bundesgebiet den Ortstarif einführen und vom Zeittakt überhaupt abkommen. Ich persönlich habe dieses bisherige Verfahren immer als eine große Ungerechtigkeit empfunden, und ich bin sehr befriedigt, daß wir auch im Ortsverkehr zu einem Zeittakt kommen.
Was nun die Sonderregelung anbelangt, so bin ich der Auffassung, wenn wir zu einem Zeittakt von bis zu acht Minuten kommen sollten - hierzu werden ja Versuche gemacht -, dann bedürfte es im Grunde genommen keiner Sonderregelung für irgendeines der Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland. Es bedürfte nicht einmal einer Sonderregelung für Berlin. Denn ich bin der Auffassung, daß es aus übergeordneten politischen Gesichtspunkten gar nicht den Interessen Berlins dienlich wäre, wenn wir im inneren Verkehr in Berlin Ausnahmeregelungen gegenüber den Gepflogenheiten in der Bundesrepublik einführten. Wenn es allerdings zu Sondertarifen für bestimmte Gebiete kommt, dann müssen sie natürlich auch für Berlin gelten. Berlin hat ja, wie der Minister auch eindeutig erklärte, im Verkehr zur Bundesrepublik im Hinblick auf seine besondere geographische Lage eine Präferenz im Zeittakt; hier wird nur die Stufe 50 bis 100 km gerechnet.
Für die Freien Demokraten stelle ich abschließend fest, daß wir der Einführung eines Zeittaktes positiv gegenüberstehen. Die Versuche werden ergeben, ob wir mit sechs oder acht Minuten den richtigen Zeittakt getroffen haben. Allerdings kommen wir nicht daran vorbei, die Mindereinnahmen, die durch die Vergrößerung der Nahverkehrszonen entstehen, durch Mehreinnahmen an anderer Stelle auszugleichen. Diese Mehreinnahmen können nur durch die Einführung eines Zeittaktes auch im Nahverkehrsbereich aufgebracht werden.
({2})
Eine andere Lösung gibt es nicht.
({3})
Die Ausführungen, die Herr Kollege Dollinger gemacht hat, sind ja wohl nicht dahin gehend zu verstehen,
({4})
daß wir, um die beabsichtigten Veränderungen im Fernsprechbereich durchführen zu können, versuchen sollten, die anderen Postdienste kostendeckend zu gestalten. Ich glaube, daß er selbst und auch seine Fraktion überfordert wären, hier einen passablen Deckungsvorschlag zu machen.
({5})
Wünscht noch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates zu den Tagesordnungspunkten 44, 45, 46 und 47 können Sie der Tagesordnung entnehmen. Erhebt sich gegen diese Überweisungsvorschläge Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 48 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 - FStrAbÄndG - Drucksache 7/4584 -Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0})
Haushaltsausschuß
Zur Begründung hat der Herr Bundesminister für Verkehr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 95 % eines Zieles erreicht zu haben, ist, wie ich meine, eine stolze Bilanz. Die zur Zeit der Planaufstellung im Jahre 1970 gesetzten Ziele für den Ausbau der Bundesfernstraßen in der Zeit von 1971 bis 1975 sind mit knapp 1 800 km fast erreicht. Lediglich 100 km fehlen uns an den geplanten 1 900 km.
Lassen Sie mich denjenigen, die uns eine autofeindliche Politik vorwerfen, dies noch einmal sagen: Das Auto ist ein nicht fortzudenkender Faktor unseres Verkehrswesens. Es ist Ausdruck unseres Wohlstandes und der Dynamik in unserer Wirtschaftsentwicklung. In dieser Funktion wird es auch künftig von der sozialliberalen Regierung gesehen werden.
Allen euphorischen Planern und all denjenigen, die ständig und überall Straßen fordern, sei aber auch gesagt: Diese Bundesregierung wird nicht jede grüne Wiese mit einer Straße erschließen; denn uns sind die Raumordnungs-, Struktur- und Wirtschaftspolitik viel zuviel wert, als daß wir die ganze Landschaft nur mit Straßen bepflasterten.
Dieser revidierte Bedarfsplan wird diesem Hohen Hause unter Berücksichtigung der Strukturdaten vorgelegt, die sich auf Grund der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, der Energie- und Umweltprobleme, des reduzierten Wachstums der Volkswirtschaft und der Verkehrsnachfrage geändert haben. Der verantwortungsbewußte Politiker ist gezwungen, strengere Maßstäbe bei der Bemessung von Verkehrswegeinvestitionen und bei der Festlegung von Dringlichkeiten anzulegen. Es ist geradezu selbstverständlich, daß diese Forderungen auf eine integrierte Investitionsplanung hinauslaufen. In der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes verfolgt diese Bundesregierung erstmals dieses Ziel, um alle Maßnahmen nach Kosten-NutzenGesichtspunkten gegeneinander zu gewichten.
Auf Grund der geänderten Wirtschaftsdaten und der daraus resultierenden geringeren Finanzmittel wäre es geradezu verantwortungslos gewesen, wenn man bei der Aufstellung des revidierten Bedarfsplanes an den früheren Prognosen festgehalten hätte und über die zur Verfügung stehenden Finanzmittel hinausgegangen wäre.
Der 1975 ausgelaufene erste Fünfjahresplan hat mit einem Gesamtvolumen von 29,2 Milliarden DM beeindruckende Fertigstellungsleistungen erbracht. 1974 und 1975 konnten unseren Autofahrern knapp 800 km neue Autobahn übergeben werden.
Als Grundlage für den zweiten Fünfjahresplan für die Jahre 1976 bis 1980 - mit Ergänzung bis 1985 - ist unter Status-quo-Bedingungen ein Planungsvolumen von 37,3 Milliarden DM angesetzt. Von diesem Volumen muß zunächst vorrangig der Überhang aus dem Fünfjahresplan 1971 bis 1975 finanziert werden. Dieser Bedarf zur Weiterführung und Fertigstellung laufender Maßnahmen beträgt auf Grund der Ländermeldungen 15,9 Milliarden DM. Damit verbleiben für neue Maßnahmen der höchsten Dringlichkeitsstufe noch rund 21,4 Milliarden DM.
Dieser Ihnen vorliegende Bedarfsplan ist aber keine unabgestimmte Vorlage dieser Bundesregierung, sondern ist in zahlreichen Gesprächen auf der Ebene der Fachbeamten und auf zwei Ministerkonferenzen im vergangenen Jahr abgestimmt worden. Diese Gespräche führten dazu, daß Maßnahmen im Umfang von rund 10 % des für Erweiterungsinvestitionen zur Verfügung stehenden Investitionsvolumens in ihrer Dringlichkeit verändert wurden. Dies zeigt deutlich - das sage ich besonders den Kollegen von der Opposition -, daß der zuständige Ressortminister hier keinen Alleingang vorgenommen hat, sondern sehr wohl versucht, im Rahmen des finanziell Machbaren die Länderwünsche zu berücksichtigen.
Nur, eines muß ich an dieser Stelle natürlich sagen: Gerade bei den Gesprächen mit den Kollegen aus den CDU/CSU-regierten Ländern hatte ich manchmal den Eindruck, daß sie mich ausschließlich als Straßenbauminister betrachten und nicht daran denken, daß die Prinzipien unserer Gesellschaftspolitik auch die Berücksichtigung anderer notwendigen Ziele erforderlich machen. Besonders ganz bestimmte Flächenländer - ich denke hier an Schleswig-Holstein und Bayern - waren nur schwerlich davon zu überzeugen, daß es galt, die verschiedenen Strukturen der Bundesländer in einer angemessenen Weise zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Ich kann nicht deswegen, weil es in einigen Ländern mehr unerschlossene Flächen gibt, dort mehr Straßen bauen und in anderen Ländern die Verbindung von Arbeitsplätzen und Wohngebieten vernachlässigen.
Ausgehend von den verkehrszweigeübergreifenden Zielen und Ergebnissen des Bundesverkehrswegeplanes hat die Bundesregierung für den Bundesfernstraßenbau ab 1976 folgende neue Leitlinien angesetzt: Erhaltung der Substanz des vorhandenen Straßennetzes, Abbau von Unfallschwerpunkten und von Verkehrsengpässen, Verminderung von Umweltbeeinträchtigungen, Förderung strukturschwacher Gebiete, Vermeidung von Parallelplanungen von Straße und Schiene sowie natürlich auch größere Wirtschaftlichkeit im Straßenbau.
Auf der Grundlage dieser Leitlinien sieht der neue Bedarfsplan folgende Dringlichkeiten vor:
1. Überhang, d. h. Maßnahmen der alten Dringlichkeitsstufe I, die Ende 1975 im Bau waren, und Komplettierung zur Vermeidung von Bauruinen, insgesamt 15,9 Milliarden DM.
2. Stufe I a, d. h. vorrangige Planung mit dem Planziel 1985 aus der ersten Dringlichkeit.
3. Stufe I b, d. h. übriger Bedarf aus der ersten Dringlichkeit mit Zeithorizont bis 1995. Und schließlich eine
Stufe II, d. h. möglicher weiterer Bedarf. Oder, um es zu verdeutlichen: der heute noch nicht durch Bau befriedigte Bedarf der alten Dringlichkeitsstufe I mit Kosten in Höhe von 65 Milliarden DM wird im wesentlichen auf die Blöcke I a und I b aufgeteilt.
Bei den Nutzenberechnungen ging neben der werkehrlichen Wertigkeit vor allem auch der Beitrag geplanter Straßen zur besseren Verkehrserschließung in die Rechnung ein. Die innere Erschließung und die äußere Anbindung strukturschwacher Gebiete wurden ebenso berücksichtigt wie die Lage im Zuge raumordnerischer Entwicklungsachsen und die Zugehörigkeit zum Zonenrandgebiet.
Bei dieser Gelegenheit muß ich den wahlkampforientierten Kritikern, die behaupten, der Bedarfsplan berücksichtige nicht ausreichend die Gesichtspunkte der Raumordnung - darunter verstehe ich insbesondere die innere und äußere Erschließung strukturschwacher Gebiete, raumordnerische Entwicklungsachsen und das Zonenrandgebiet , deutlich vor Augen führen, daß allein ein Viertel des gesamten Straßenbauinvestitionsvolumens für die Jahre 1976 bis 1985 unter speziellen raumstrukturellen Gesichtspunkten verteilt wird. Ich halte dies für einen bedeutsamen, in seiner Wirkung auch langfristig zu sehenden Beitrag der Bundesregierung zur Verbesserung der Lebensbedingungen von bisher regional benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Zum Schluß möchte ich einige mir wesentlich erscheinende Punkte zusammenfassen:
1. Die Straßenbaupolitik ist integraler Bestandteil meiner Investitionspolitik im Verkehr. Für die sozialliberale Politik bedeutet dies, daß auch im Straßenbau die Beziehungen und Verbindungen zu anderen Verkehrswegen beachtet werden. Das heißt aber auch, daß damit die Anteile am Gesamtinvestitionsvolumen aufeinander abgestimmt werden müssen. Dies geschieht im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes.
2. Dieser zweite Fünfjahresplan ist realistisch, nüchtern und fügt sich in das finanziell Machbare ein. Er ist fern von Euphorie oder dem in früheren Jahren entworfenen Idealbild eines Straßennetzes, für das eine ausreichende Nachfrage nicht vorliegt. Der zweite Fünfjahresplan ist aber auch das Ergebnis einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eines integrierten Gesamtverkehrswegenetzes; denn es ist bei Berücksichtigung nationaler und internationaler Verkehrsströme nicht mehr vertretbar, den Straßenbau als einseitig zu bevorzugenden Verkehrsträger zu betrachten.
Daraus folgt - und damit wende ich mich doch einmal an Sie, meine Damen und Herren von der Opposition -: Was auch immer Sie für Änderungsanträge unterbreiten und welche kritischen Punkte auch immer Sie vorzubringen die Absicht haben, bitte ich Sie, die dargestellten Kriterien, die für die Straßenbauplanung maßgebend sind, als Maßstab zu berücksichtigen. Ich bin der sicheren Überzeugung, daß der Bewegungsspielraum für alternative Vorstellungen nur noch äußerst gering ist, d. h. Änderungen können nur im Austausch vorgenommen werden. In diesem Fall müssen dann Maßnahmen in den einzelnen Dringlichkeiten untereinander verschoben werden. Im Gegensatz zu vielen Forderungen, die an mich herangetragen worden sind, ist dieser Fünfjahresplan nicht nach Interessengesichtspunkten aufgestellt, sondern ausschließlich unter Berücksichtigung der Sachlichkeit und der zur Verfügung stehenden finanziellen Möglichkeiten.
({0})
Der Gesetzentwurf ist begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine I sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf noch einmal kurz auf die Postdebatte zurückkommen. Wegen der Zeitabsprache zwischen den Fraktionen war es dem Kollegen Stücklen nicht möglich, auf Herrn Minister Gscheidle zu antworten. Er wird dies bei nächster Gelegenheit tun.
Die 1957 von der CDU/CSU-geführten Bundesregierung geschaffenen langfristigen Ausbaupläne für den Bundesfernstraßenbau haben sich bewährt. Die Verbindung von Straßenbauplanung und gesicherler Finanzierung hat dazu beigetragen, der über uns hereingebrandeten Motorisierungswelle einigermaßen begegnen zu können. Die Motorisierung kam nicht wegen vorhandener Straßen, wie das manchmal behauptet wird; vielmehr hat die Motorisierungswelle den Straßenbau ausgelöst. Innerhalb von 20 Jahren hat sich die Zahl der Kraftfahrzeuge vervierfacht: von 5,3 Millionen im Jahre 1955 auf 21 Millionen 1975.
Die vorliegende Novelle des Gesetzes zum Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 gibt Gelegenheit, die straßenbaupolitische Situation in der Bundesrepublik zu beleuchten. Was ist geschehen, seit das zweite Ausbauplangesetz vorgelegt wurde?
Gemäß dem Stil sozialdemokratischer Politik wartete der damalige Bundesverkehrsminister mit überdimensionalen Versprechungen in Sachen Bundesfernstraßenbau auf, um sich den damals noch gutgläubigen Bundesbürger für die Wahl 1969 durch das Versprechen von Wohltaten geneigt zu machen. So sprach damals Georg Leber:
Nach Verwirklichung dieses Programms
- gemeint war der Ausbauplan für die Jahre 1971 bis 1985 wird sich die Dichte des Autobahnnetzes in diesen Zahlen niederschlagen: 85 % der Bevölkerung wohnen bis zur Autobahn nur höchstens 10 km entfernt in einem Gebiet, das 70 % der Fläche der Bundesrepublik deckt.
Ein Blick auf den vorliegenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zeigt die große Diskrepanz zwischen Versprechungen und Wirklichkeit. Das große Auseinanderklaffen von Versprechungen und Taten ist allerdings ein Kennzeichen sozialdemokratischer Politik.
({0})
Und Georg Leber sprach dann 1971 weiter über die Ausbauabsichten für die Jahre 1971 bis 1985:
Auch das ist ein Beitrag zur Verkehrssicherheit: Mit fast 100 Milliarden DM werden rund 8 000 km neue Autobahn gebaut. Das Autobahnnetz wird so dicht, daß jeder zweite Autofahrer nach höchstens 6 km die nächste Auffahrt erreicht.
Nach den derzeitigen Plänen werden es nicht 8 000 km Autobahn sein, sondern 4 380, und es werden nicht 100 Milliarden DM dafür bereitgestellt, sondern etwas mehr als 40 % dieses Betrages innerhalb von 15 Jahren.
Daß ein so gigantisches Projekt, wie Herr Minister Leber es entworfen hatte, nicht zu finanzieren sei, sagte uns damals bereits unser Realitätssinn. Wir forderten daher bei der Beratung im Jahre 1971, neben dem Bedarfsplan ein Programm vorzulegen, aus dem eindeutig zu ersehen sei, was bis 1985 überhaupt verwirklicht werden könne. Die Koalition stimmte uns allerdings nieder; sie wollte diese Fiktion. Es wurden Erwartungen geweckt, die auch unter günstigen finanziellen Voraussetzungen nicht zu erfüllen waren.
Wäre dies alles ohne Wirkung geblieben, könnte man vielleicht darüber zur Tagesordnung übergehen. Doch waren es Signale, die sich in der Bauwirtschaft in Investitionsentscheidungen umsetzten. Die Unternehmen, die diese Signale und die Ermunterung des Ministers für bare Münze hielten, haben es in vielen Fällen mit ihrer wirtschaftlichen Existenz bezahlt.
({1})
Der effektive Straßenbau nahm in den letzten Jahren nicht zu, sondern ab. Die Überkapazitäten führten zu ruinösen Preiskämpfen mit der Folge einer zunehmenden Anzahl von Konkursen. 1973 waren es 80 Unternehmen der Straßenbauwirtschaft, 1974 170 und bis Juli 1975 bereits 100. Die Konkurswelle hält an. In den Jahren 1971 bis 1974 gingen 35 000 Arbeitsplätze im Straßenbau verloren. Alles Folgen einer wenig verantwortungsvollen Politik!
Der Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 wird in drei Fünfjahresplänen vollzogen. Der erste war mit 29,5 Milliarden DM ausgestattet. Dieser Betrag wurde annähernd erreicht, wie der Herr Minister hier bereits ausgeführt hat; das gilt auch für die Fertigstellungsziele. Aufgezehrt wurde hingegen die Vorleistung, und es gab erheblich weniger Baubeginne im Vergleich zum Plansoll. Die Folge wird sein, daß in Zukunft die jährlich fertiggestellten Autobahnkilometer um 30 °/o sinken werden.
Mit einer Preissteigerungsrate von 43 °/o in der Laufzeit des ersten Fünfjahresplanes wurde der Straßenbau von der Inflationspolitik schwer getroffen. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Verteuerung der Mineralölprodukte mit 9 °/o daran beteiligt ist, bleibt dies eine hohe Rate. Die Folge war eine effektive Reduzierung der Bauleistungen. Dies hätte zum Teil aufgefangen werden können, wäre die Erhöhung der Mineralölsteuer in den Jahren 1972 und 1973 mit dem gesetzlich für den Straßenbauzweck gebundenen Anteil auch dem Straßenbau zugute gekommen. Doch seit 1973 gibt es die Zweckbindung der Mineralölsteuer für den Bundesfernstraßenbau nicht mehr, und zwar trotz der markigen Worte des jetzigen Parlamentarischen Staatssekretärs, Herrn Ernst Haar, vom 20. April 1970, als er sagte:
An den Grundlagen der Mineralölsteuerbindung werden wir nicht rütteln lassen.
({2})
Diese Beträge sind im Hinblick auf die Finanzierungsprobleme des zweiten Ausbauplans für die
Bundesfernstraßen keine Reservekasse für andere Bedürfnisse.
Ja, wie sich doch die Zeiten ändern! Die Herren der SPD müssen es sich schon gefallen lassen, daß sie an ihren eigenen Worten und Forderungen gemessen werden. Das gilt auch für den Herrn Bundeskanzler Helmut Schmidt mit seinen Ausführungen auf der Verkehrkonferenz in Stuttgart, bevor er zu Minister-und Kanzlerehren kam. Er sagte:
Wir möchten, daß das Aufkommen aus der Mineralölsteuer zu 100 °/o ausschließlich für den Straßenbau und Straßenunterhalt verwendet wird.
({3})
Wir von der CDU/CSU hielten das im Blick auf die gesamten Bundesfinanzen nicht für möglich. Das gilt auch für heute.
Auch der SPD-Bundesgeschäftsführer Holger Börner stieß in das gleiche Horn wie Herr Helmut Schmidt und erklärte:
Natürlich kosten Straßen Geld. Die notwendigen Mittel fehlen insbesondere deshalb, weil der weitaus größte Teil der Abgaben des Kraftverkehrs aus dem Mineralölsteueraufkommen zweckentfremdet zur Deckung allgemeiner Haushaltsaufgaben verwendet wird.
({4})
Die volle Zweckbindung ist eine alte Forderung der SPD.
Jetzt haben Sie die Chance, das alles zu machen, was sie früher forderten. Sie dürfen sich deswegen nicht wundern, meine Herren Kollegen von der SPD, daß man Ihnen nichts mehr glaubt.
(Beifall bei der CDU/CSU]
Der seit 1976 laufende zweite Fünfjahresplan soll nach dem Finanzplan mit 30,87 Milliarden DM ausgestattet werden. Preisbasis für die veranschlagten Baumaßnahmen ist das Jahr 1974. Rechnet man diese 30,87 Milliarden auf die Preisbasis des ersten Fünfjahresplans 1971 bis 1975 um, so ergibt sich für den zweiten Fünfjahresplan ein Betrag, der mit dem des ersten Fünfjahresplans verglichen werden kann. Den 29,5 Milliarden DM des ersten Fünfjahresplans stehen dann nicht 30,9 Milliarden, Sonden 19 Milliarden DM gegenüber. Dies zeigt, daß der Bundesfernstraßenbau in den kommenden Jahren einen effektiven Rückgang zu verzeichnen haben wird. Aus der Zweckbindung der Mineralölsteuer wird in diesen fünf Jahren ein Betrag von 3,3 Milliarden DM für andere Zwecke entnommen.
Die Schere zwischen Motorisierung und Straßenraum wird sich weiter öffnen. Die Verkehrsprognosen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung über die Entwicklung des Güter- und Personenverkehrs bis 1985 belegen, daß dem Straßenverkehr weiterhin eine wachsende Bedeutung zukommen wird, ob uns das angenehm ist oder nicht.
Aus dieser Not versucht nun Herr Bundesverkehrsminister Gscheidle eine Tugend zu machen, indem er
behauptet, unser Straßennetz sei im großen und ganzen komplett. Ich nehme ja an, Herr Minister, das ist ein originäres Wort von Ihnen, und das nicht von den Publizisten Ihres Ministeriums fabriziert. - Diese Behauptung entspricht nicht der Wirklichkeit. Eigentlich hätten Sie, Herr Minister, bei Ihren Verhandlungen mit den Länderministern, die Sie wegen der Überprüfung der Dringlichkeit geführt haben, merken müssen, daß das so nicht stimmen kann. Die zahlreichen Netzfragmente verlangen nach Zusammenschluß, wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu Recht fordert.
In die finanzielle Enge der kommenden Jahre stellt nun der Gesetzentwurf die Änderung des § 6 hinein, mit der auf die Absicht der Bundesregierung reagiert werden soll, das Schienennetz der Bundesbahn massiv zu reduzieren. Das auf Anordnung der Bundesregierung von der Bundesbahn erarbeitete sogenannte betriebswirtschaftliche Netz mit 16 000 km - statt bisher 29 000 km - erfordert im Jahre 1985 trotzdem Bundeszuwendungen an die Bundesbahn von 13,2 Milliarden DM - ohne Investitionszuschüsse an die Bundesbahn. Für die notwendige Erweiterung des Netzes aus volkswirtschaftlichen Gründen fordert die Bundesbahn vollen Kostenersatz.
Es stellt sich nun die Frage, Herr Minister: Wieviel Geld haben Sie eigentlich für diese zusätzlichen Strecken über die 13,2 Milliarden DM im Jahre 1985 hinaus noch zur Verfügung? Eine Beantwortung dieser Frage würde den Nebel über dem endgültigen Netz schon etwas lichten.
Auch der Ausbau des zusätzlichen Straßennetzes kostet zusätzliches Geld, und bei der Enge der derzeitigen Straßenbaupläne läßt sich nichts wegnehmen und auch nichts Wesentliches umschichten.
Die Absicht der Bundesregierung und der SPD, die Entscheidung über das endgültige Netz um ein Jahr zu verschieben, um über den Wahltermin im Oktober hinwegzukommen,
({5})
schafft eine riesige Unsicherheit. Der Leidtragende ist die deutsche Bundesbahn.
({6})
Wie es seit 1970 üblich ist, versagt der Verkehrsminister in der Bundesbahnpolitik zum Schaden unseres Landes und aller Eisenbahner. Mehr als ein Jahr hatte der Minister Zeit, die Kriterien für eine volkswirtschaftliche und regionalpolitische Erweiterung des Netzes auszuarbeiten
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ebenso wie Lösungen für den Zulauf aus der Fläche zur Schiene. Sie haben diese Zeit nicht genutzt.
({8})
Nachdem Sie, Herr Minister, die ganze Sache angekurbelt haben - wie beim Vier-Minuten-Takt, den Sie nun versuchsweise schlagartig auf acht Minuten umstellen wollen -, machen Sie auch hier eine Bauchlandung. Es wäre sicher ein Zeichen von Unabhängigkeit, wenn Sie Ihren Hut nähmen. Der so geänderte § 6 des Ausbauplangesetzes würde dadurch seine Chance nicht einbüßen, eine Mehrheit zu finden.
Bei der Überprüfung der Dringlichkeiten des Bedarfsplans fanden zwei wesentliche Aspekte der Straßenbaupolitik der CDU/CSU Berücksichtigung. Es ist dies die stärkere Gewichtung der raumpolitischen Aufgabe des Fernstraßenbaus und die Quantifizierung der Baumaßnahmen, die bis 1985 realisiert werden sollen. Wir begrüßen es ausdrücklich, daß die raumpolitischen Daten eine Gewichtung erhielten, die doppelt so groß ist wie die Gewichtung der werkehrlichen Daten. Die innere Erschließung der strukturschwachen Gebiete und ihre Anschließung an die großen Straßenverbindungen kann die Wirtschaftskraft dieser Räume wesentlich stärken. Allerdings erscheint der angelegte Raster in Form der Raumordnungsregionen nach dem Bundesraumordnungsprogramm als zu weitmaschig, um die Probleme voll zu erfassen. Die Förderungsregionen der Länder würden sich hierfür besser eignen. Als Beispiel einer Maßnahme, die unter dieser Problematik leidet, möchte ich die Autobahn Würzburg-Ulm nennen, die im Grenzgebiet zwischen Bayern und Baden-Württemberg verläuft.
Mit der Orientierung der Dringlichkeitsstufe I a an einem vorgegebenen finanziellen Rahmen wird sichtbar, was möglicherweise bis 1985 verwirklicht werden kann. Damit wird nachträglich eine Forderung der CDU/CSU erfüllt, die die Koalition bei der Beratung des Gesetzentwurfes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 im März 1971 noch ablehnte. Wir halten diese Regelung deswegen für wichtig, weil sie für alle am Fernstraßenbau Beteiligten und Interessierten Entscheidungsdaten gibt.
Wir gehen davon aus, daß der vorgegebene Finanzrahmen, den wir respektieren müssen, Bestand hat. Trotz der finanziellen Enge werden wir bei der Beratung des überprüften Bedarfsplanes und der Gesetzesnovelle um optimale Lösungen bemüht sein.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wrede.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist auch in Ihrem Sinne, wenn ich mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit - und dies an einem Freitagmittag - sehr kurz fasse, zumal wir ja Gelegenheit haben werden, in den Ausschußberatungen und bei den abschließenden Beratungen hier im Plenum des Deutschen Bundestages die Argumente auszutauschen. Ich kann mich auch deswegen kurz fassen, weil der Herr Minister die Vorlage sehr eingehend erläutert hat und der Herr Kollege Lemmrich in dem Teil seiner Äußerungen, in dem er sich polemisch mit der Politik der Regierung auseinandersetzte, im wesentlichen Argumente wiederholte, die wir hier und in den Ausschußberatungen oder auch an anderer Stelle austauschen konnten, Dazu brauche ich nichts zu sagen, es sei denn zu seinem neuen Patentrezept zur Finanzierung der Bundesbahn; aber darWrede
auf werden wir auch noch zurückkommen. Herr Kollege Lemmrich stellt nicht die Frage „Wieviel Bahn brauchen wir?", sondern neuerdings die Frage „Wieviel Geld hat die Regierung?", und dann wissen wir, wie groß die Bahn sein darf.
({0})
- Nein, ich halte das auch sicher nicht für ein Patentrezept. Deswegen sage ich ja: Es ist I h r Patentrezept.
({1}) Nur, so kann wohl die Regierung nicht verfahren.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt uneingeschränkt die Zielsetzung der Fernstraßenplanung, in der neben dem Weiterbau neuer Strecken insbesondere die Substanzerhaltung des bestehenden Straßennetzes, die Beseitigung von Engpässen und Unfallschwerpunkten, die Minderung der Umweltbeeinflussung und eine stärkere Erschließung der Fläche in den Mittelpunkt rücken. Hierbei möchte ich insbesondere die im Zusammenhang mit den Bewertungskriterien stärker einbezogenen raumordnungspolitischen Gesichtspunkte ansprechen, die immerhin dazu führen, daß im Rahmen dieses Planes ein Betrag von rund 4,5 Milliarden DM zugunsten der Flächenerschließung umgeschichtet wird.
Auch ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu den vielen Wünschen machen, die schon an uns herangetragen worden sind, zu den Wünschen, in diesem, Plan zu Verschiebungen, zu Auf- und Abstufungen zu kommen. Ich denke, es besteht erstens Übereinstimmung darin, daß es möglich sein muß, im Rahmen des Planes zu Veränderungen zu kommen, und zweitens Übereinstimmung darin, daß dies nur im Rahmen der jeweiligen Länderquoten geht, daß also Verschiebungen nur innerhalb der jeweiligen Bundesländer möglich sein werden und daß dies schließlich auch nur in enger Übereinstimmung mit den jeweiligen Landesregierungen geht.
Ich meine, daß noch ein Punkt anzusprechen wäre. Bei den Bewertungskriterien scheinen mir notwendige Baumaßnahmen im Zusammenhang mit Ortsumgehungen unter dem Gesichtspunkt der KostenNutzen-Bewertung ein wenig zu kurz gekommen zu sein, weil hier die Kosten im wesentlichen sehr viel höher sind als auf freier Strecke. Ich denke, wir werden uns bei den Ausschußberatungen auch darauf verständigen können, den § 6 dieses Gesetzentwurfes, der ja sozusagen Ausnahmeregelungen zuläßt, so zu formulieren, daß von Fall zu Fall, wenn in einem Lande Mittel frei werden, auch solche Maßnahmen mit einbezogen werden können.
In diesem Sinne begrüßen wir die Vorlage dieses Gesetzentwurfes. Wir werden uns, wie von mir dargetan, in der entsprechenden Weise bei den Ausschußberatungen darum bemühen, eine gemein- same Linie zu finden, die den Interessen der Menschen draußen im Lande, für die der Straßenbau notwendig und wichtig ist, gerecht wird.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Änderungsgesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen, das uns heute vorliegt, ist eine Folge des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen für die Jahre 1971 bis 1985, dessen § 4 festlegt, daß der Bundesverkehrsminister unter Beachtung des Raumordnungsgesetzes den Ausbauplan nach Ablauf von fünf Jahren und nach eingehender Prüfung .an die Verkehrsentwicklung anzupassen hat. Diesem Auftrag des § 4 kommt diese Änderungsnovelle des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen nach. Es ist ein recht kurzer Gesetzentwurf, der vom Text her gar nicht so interessant ist. Was wirklich beachtenswert ist, ist die beigefügte Anlage. In dieser Anlage sind die Dringlichkeitsstufen für die jeweils geplanten Straßen und der Zeitablauf, in dem der Ausbau der geplanten Straßen erfolgt, enthalten.
Der Herr Kollege Lemmrich hat als Sprecher der Opposition zum Schluß erklärt, daß die Opposition diesen Gesetzentwurf mit der dazugehörigen Anlage im Ausschuß eingehend prüfen werde. Das tun wir sicherlich alle. Aber er hat doch als Grundtendenz zu erkennen gegeben, daß er diesem Gesetzentwurf unter Beachtung der Zwangsläufigkeiten, in die wir, was die Finanzierung des Fernstraßenbaus angeht, in den letzten Jahren geraten sind, positiv gegenübersteht. Sie haben gesagt, Herr Kollege Lemmrich, der Raster der Raumordnung - u. a. - sei zu weit gefaßt; besser seien die Pläne der Länder.
({0})
Als Beispiel haben Sie das Autobahnvorhaben Würzburg-Ulm aufgeführt. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Länderprogramme nicht einheitlich sind, auch in der Überschneidung keine Einheitlichkeit wahren, und daß sich die Landesregierungen von Bayern und Baden-Württemberg gerade bezüglich der Autobahn Würzburg-Ulm - bislang jedenfalls - nicht auf eine gemeinsame Planungsregion einigen konnten. Ich werde gleich noch ganz kurz in zwei Sätzen gerade auf diese Autobahn zurückkommen.
An dem doch sehr anspruchsvollen ersten Programm, niedergelegt im Gesetz über den Ausbauplan der Bundesfernstraßen für die Jahre 1971 bis 1985, ist bisher die erste Dringlichkeitsstufe nicht voll verwirklicht worden. Wir haben einen Überhang von nicht realisierten Vorhaben mit einem Kostenaufwand von rund 65 Milliarden DM festzustellen. Diese Tatsache macht eine Überprüfung des zeitlichen Ablaufs der bisherigen ersten Dringlichkeitsstufe und auch eine andere Einstufung erforderlich. Wir begrüßen ausdrücklich, daß nunmehr versucht wird, für den Zeitraum bis 1985 unter Beachtung der Finanzierungsmöglichkeit - soweit man zehn Jahre im voraus realistische Planungen überhaupt betreiben kann - eine Planung vorzulegen, die alle Aussicht hat, zumindest in etwa erfüllt zu werden. Die Preisentwicklung kann nicht
vorhergesehen werden. Auch nicht vorhergesehen werden kann die Verkehrsentwicklung, die unter Umständen noch eine Veränderung in den Einstufungen erforderlich macht. Diese Veränderung ist in den nächsten fünf Jahren möglich. Das sagt § 6 aus. Von daher wird es auch möglich sein, notwendige Umstufungen, die sich als Folge etwaiger Strekkenstillegungen der Deutschen Bundesbahn ergeben, durchzuführen. Wir sind hier also verhältnismäßig flexibel.
Gleichwohl bin ich der Meinung - ich habe dieser Meinung anderenorts Ausdruck gegeben -, daß es sogenannter Auffangkonzepte bei der Realisierung eines politisch vertretbaren und auch den struktur- und raumpolitischen Grundsätzen entsprechenden Eisenbahnnetzes in der Regel nicht bedarf; denn die Erfahrungen aus den bisherigen Stillegungsprogrammen haben gezeigt, daß die Menge des nicht mehr mit der Bahn zu transportierenden Gutes derart gering ist, daß die bisher vorhandenen Straßen durchaus zum zusätzlichen Transport ausreichen. Ebenso ist das bisher bei der Personenbeförderung der Fall gewesen. Die Strecken, die betroffen sein könnten und die wir ja nunmehr kennen, weisen nicht eine so hohe Verkehrsfrequenz auf, daß der Ersatzverkehr der Deutschen Bundesbahn mit zusätzlichen Omnibussen über neu zu bauende Straßen bewältigt werden müßte. Hier werden wir also keine großen Umstufungen im Bedarfsplan vornehmen müssen.
Es bleiben für die nächsten zehn Jahre nach Abbau des Überhangs, für den ja rund 16 Milliarden DM - Preisstand 1974 - erforderlich sind, noch 20 Milliarden DM, eine Summe, die angesichts der gewünschten Baumaßnahmen zu gering ist. Aber wir wissen ja alle - nicht nur im Bereich des Verkehrs -, daß frühere Prognosen über denkbare Entwicklungen längst überholt sind, daß wir mit weitaus geringeren Veränderungen zu rechnen haben und von daher auch mit einem geringeren Finanzbedarf bei der Durchführung von Plänen aller Art auskommen werden.
Wir werden den beiliegenden Anhang, der ja der wichtigste Teil dieses Gesetzes ist - denn hier sind die Straßen in ihrer Rangstufe aufgezeichnet -, eingehend prüfen. Sicherlich wäre es für den Gesamtplan nicht gut, wenn jeder Abgeordnete aus Wahlkreisinteressen heraus versuchte, Veränderungen in der Stufung vorzunehmen; denn dann käme der Gesamtplan natürlich ins Rutschen, je nach Überzeugungskunst oder Redegabe des einzelnen. Aber schon ein flüchtiger Überblick zeigt, daß Veränderungen möglich sein bzw. durchgeführt werden müssen; denn der Plan ist zwar in Absprache mit den Ländern, aber nicht unter völliger Zustimmung aller Ländervertreter erstellt worden.
Bisher ist erklärt worden, daß Umstufungen möglich sind, aber daß die Finanzierung dann unter Preisgabe anderer Planungen aus der Region heraus erfolgen muß. Das wird in der Regel so sein. Aber wenn ich an einige besondere Vorhaben denke, z. B. an die Autobahn Würzburg-Ulm, die in eine minder bevorzugte Ausbaustufe hineingekommen ist:
Hier wird vom Lande Bayern und vom Lande Baden-Württemberg ein Verkehrsband gefordert, das sicherlich den struktur- und raumpolitischen Interessen beider Länder dient, aber auch der übrigen Bundesländer; denn es wird für die verkehrstreibenden Bewohner und Straßenbenutzer im norddeutschen Raum nicht uninteressant sein, bei der Fahrt nach Süden aus dem Engpaß München herauszukommen und eine andere Zufahrtmöglichkeit - eben in Richtung Würzburg-Ulm - auf die Landesgrenze hin zu bekommen. Ich meine, hier kann die Umstufung natürlich nicht nur mit Mitteln der Region durchgeführt werden, sondern da bleibt zu überlegen, ob es nicht in anderen Regionen und in anderen Ländern Planungen gibt, die in der Dringlichkeit nicht unbedingt so einzustufen sind, wie es der Plan beinhaltet. Ich könnte einige aus meinem eigenen Land aufzählen. Ich weiß, daß ich bei einer solchen Betrachtung Ärger bekommen könnte mit unserem Landesverkehrsminister. Aber wir haben ja auch über die Landesgrenzen hinauszusehen. Ich werde die Bemühungen von Baden-Württemberg und Bayern unterstützen, für dieses Verkehrsband eine höhere Dringlichkeitsstufe zu erreichen, als sie vorgesehen ist. Das darf ich hier ganz offen erklären. Wir sind in dieser Beziehung nicht parteipolitisch motiviert; denn in beiden Ländern sind wir ja in der Opposition und werden nicht überall unbedingt gnädig behandelt. Das will ich noch hinzufügen.
Meine Damen und Herren, auch ich will Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Wir begrüßen dieses Änderungsgesetz. Wir sind der Auffassung, daß es, was die Finanzierung anlangt, sehr realistisch angelegt ist. Wenn die Entwicklung nicht ungünstiger wird, als wir für die nächsten zehn Jahre vorausschauen können; ist der Plan auch finanzierbar. Zum anderen: Wir werden in den Ausschußberatungen versuchen, überregionale Gesichtspunkte gebührend zu berücksichtigen und auch überregionalen Verpflichtungen für einen ungestörten Verkehrsablauf, soweit dies für uns als Politiker zu schaffen möglich ist, nachzukommen.
Mit dieser Grundhaltung gehen wir Freien Demokraten an die Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen heran.
({1})
Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen federführend und an den Haushaltsausschuß mitberatend zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 49 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des
Ausschusses für Verkehr und für das Postund Fernmeldewesen ({0}) zu dem
Vizepräsident Dr. Jaeger
Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs - insbesondere des Omnibusverkehrs
- Drucksachen 7/4320, 7/4581 -Berichterstatter: Abgeordneter Wiefel
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Wiefel, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe zugleich Punkt 50 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs ({1})
- Drucksache 7/4556 Ich verbinde die Aussprache über die Punkte 49 und 50 der Tagesordnung. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Wiefel.
({2})
- Eine merkwürdige Sache! Es ist der Brauch des Hauses, daß zuerst der Vertreter der stärksten Fraktion spricht. Wenn Sie es anders wünschen, müssen Sie es mir bitte immer mitteilen. Ich gehe ja gern auf solche Vorschläge ein.
Herr Abgeordneter Vehar!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der in der Drucksache 7/4581 zitierte Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/4320 hat zum Ziel eine kontinuierliche Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere in unseren Ballungsgebieten, durch eine Politik der kleinen Schritte, wie ich es bezeichnen möchte. Damit hat er gleichzeitig eine drastische Reduzierung von weiteren kostspieligen Investitionen zum Ziel, insbesondere auf dem Gebiet des U-Bahn-Baus. Wir sehen in diesem Antrag eine konsequente Fortsetzung unserer Politik auf diesem Gebiet, die wir schon vor Jahren unter das Motto gestellt haben: Es muß nicht immer U-Bahn sein.
Wir hoffen, daß durch einen Großversuch in einem Ballungsgebiet der Nachweis erbracht wird, daß die Umlaufgeschwindigkeit von Omnibussen im Linienverkehr durch Sonderfahrspuren und entsprechende verkehrsregelnde Maßnahmen entscheidend erhöht werden kann. Damit glauben wir, einen konkreten Beitrag zur Erarbeitung einer realistischen und gleichzeitig attraktiven Alternative zum kostspieligen U-Bahn-Bau leisten zu können. Wir sehen in einer solchen konkreten Alternative auch eine wesentliche Ergänzung zu den Bewertungskriterien des Verkehrsministeriums - sie wurden vorhin schon angesprochen -, welche die Bundesregierung für die künftigen Verkehrsinvestitionen des öffentlichen Personennahverkehrs erarbeiten lassen will. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Lassen Sie mich zu unserem Antrag, soweit es um diesen von uns gewünschten Großversuch in einem Ballungsgebiet geht, einige Gedanken äußern.
Meine Damen und Herren, ganz im Gegensatz zu allen Industriestaaten der westlichen Welt, in denen der Bus bei der Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine herausragende Rolle spielt, ist bei uns die Situation nach wie vor überwiegend durch das Festhalten am Schienenverkehr gekennzeichnet. Nur relativ wenige Städte haben in der Vergangenheit ihre Straßenbahnen durch Busse ersetzt. In den meisten Fällen halten sie an der Schiene fest und ersetzen die Straßenbahnen durch Stadtbahnen und U-Bahnen.
Es ist auch bei uns unbestritten, daß die Struktur einiger Großstädte, ihre Größe und ihre Bebauung in einzelnen Fällen eine andere Lösung schwerlich zulassen. Dies ändert nichts an der Feststellung, daß in vielen anderen Städten eine Umstellung vom Schienenverkehr auf den Busverkehr sinnvoller und vor allem viel billiger wäre.
Verglichen mit der Schiene bietet der Bus eine ganze Reihe von Vorteilen: Sein Betrieb ist wesentlich kostengünstiger. Für die Verkehrswege braucht der Busverkehr nichts zu zahlen; auch für die Unterhaltung der Verkehrswege braucht er nicht zu zahlen, denn die Länder verzichten auf die Kraftfahrzeugsteuer, der Bund verzichtet auf die Mineralölsteuer. Der Bus ist gegenüber der Schiene wesentlich flexibler. Bei Straßenreparaturen kann er von einer Stunde zur anderen umgelenkt werden. Neue Siedlungsgebiete können sofort und ohne zusätzliche Investitionen angeschlossen werden. Vor allem aber, meine Damen und Herren: Außer bei den Fahrzeugen selbst gibt es keine - zumindest keine wesentlichen - Investitionen.
Es wäre nicht objektiv, würde ich hier nicht auch die Nachteile aufzeigen, die dem Bus angelastet werden: Da ist einmal sein Nachteil, nicht ebenso umweltfreundlich zu sein wie die Schiene. Nun muß dazu aber auch gesagt werden, daß die mit Recht als lästig empfundenen Abgase zwar lästig, aber nicht in dem Maße gesundheitsschädlich sind, wie dieses immer behauptet wird. Es ist wissenschaftlich erwiesen, daß die Schädlichkeit der Abgase der Dieselmotoren, die beim Busverkehr benutzt werden, nur 10 %der der Abgase bei Benzinmotoren ausmacht. Aber gerade auf diesem Gebiet sind wissenschaftliche Forschungen im Gange. Ihre Ergebnisse haben bereits dazu geführt, daß in einer Reihe von deutschen Städten, ebenso wie das seit Jahren auch in den USA schon die Regel ist, Versuche mit umweltfreundlichen Motoren durchgeführt werden. Ich darf hier daran erinnern, daß im Auftrag des Bundesforschungsministeriums in fünf deutschen Städten solche Untersuchungen im Gange sind.
Der zweite Nachteil des Busses ist die geringe Umlaufgeschwindigkeit, insbesondere der Nachteil, daß er in Spitzenzeiten im Individualverkehr mitzuschwimmen gezwungen ist. Der Beseitigung dieses Nachteils aber gilt unser Antrag. Aus vielen Großstädten der Welt, die wir als Mitglieder des Verkehrsausschusses zum Studium dieser Problematik in den letzten Jahren besucht haben, wissen wir, daß durch die Einrichtung von Sonderfahrspuren bzw. durch entsprechende verkehrslenkende Signal15474
anlagen dieser Nachteil beseitigt werden kann. Ich darf an unsere Erfahrungen in London, in Paris, in Stockholm, in Kopenhagen sowie in einer Reihe von amerikanischen Städten erinnern. Im übrigen wird auch in der deutschen Stadt Wiesbaden seit 1968 mit wachsendem Erfolg dieses Prinzip verfolgt.
Vor allem aber kann bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen des Busverkehrs gegenüber dem Schienenverkehr die Tatsache nicht übergangen werden, daß die Verlagerung der Schiene in die sogenannte zweite Ebene ungeheure Kosten verursacht. Dies zwingt uns ganz einfach dazu, da, wo es nicht unbedingt erforderlich ist, die Schiene von der Straße in die zweite Ebene zu verlagern, eine attraktive Alternativlösung anzubieten. Wir glauben, daß ein solcher Versuch eine attraktive Alternativlösung aufzeigen könnte.
Meine Damen und Herren, der Hintergrund, vor dem unser Antrag zu sehen ist, ist durch einen bis in die letzten Jahre hineinreichenden allzu leichtfertigen Umgang mit den Geldern der Steuerzahler gekennzeichnet. Sie sind es doch am Ende, die die Zeche dieser kostspieligen Investitionen zu bezahlen haben. Nur hat man ihnen das bei der Verkündung der großen Programme schamhaft verschwiegen.
Auf einer Welle der Reformeuphorie, die auch für dieses Gebiet gilt, und begünstigt durch eine zeitweilige Anti-Auto-Stimmung wurden Milliardenprojekte beschlossen, deren Finanzierung nicht auf drei, fünf oder zehn Jahre, nein, auf 20, ja auf 30 Jahre im voraus geplant worden ist. Die Städte wurden darüber hinaus geradezu animiert, die kostspieligsten Lösungen anzustreben, denn sie brauchten ja nur für diese Investitionen 10 %aus ihren eigenen Finanzmitteln aufzubringen. Allerdings wird es auch hier manch einen gegeben haben, der später nachgerechnet hat, daß 10 %von 1 Milliarde 100 Millionen sind und nicht 10 Millionen.
Um diese Zeit der Reformeuphorie noch deutlicher zu kennzeichnen, darf ich an die jahrelang erhobene Forderung nach einem Nulltarif erinnern. Heute, meine Damen und Herren, sieht die politische Landschaft auf diesem Gebiet ganz anders aus. Viele der beschlossenen gigantischen Investitionen bereiten nicht nur dem Bundesverkehrsminister und dem Bundesfinanzminister, sondern sie bereiten gleicherweise den Finanzministern der Länder, den Oberbürgermeistern und den Stadtkämmerern schlaflose Nächte. Vielen von ihnen erscheinen sie heute nicht mehr als das Ergebnis ernsthafter Beschlüsse durch ernstzunehmende Politiker, sondern als das Produkt von Illusionen und Träumen.
Meine Damen und Herren, das eklatanteste Beispiel einer gigantischen Fehlplanung stellt nach meiner Überzeugung die Stadtbahn Ruhr dar. Hier wurde in den Jahren 1966 bis 1967 ein drittes System im öffentlichen Personennahverkehr für das Ruhrgebiet für den Raum Duisburg-Dortmund geplant und die Zustimmung der Parlamentarier dadurch erleichtert, daß man ihnen sagte, dieses System, ausgelegt auf etwa 140 km, würde 1,7 Milliarden DM kosten, verteilt auf 20 bis 30 Jahre. Meine Damen und Herren, wenige Jahre später
hatte sich bereits herausgestellt, daß das nicht 1,7 Milliarden DM waren, sondern über 20 Milliarden DM. Die Stadt Duisburg soll allein über 2 Milliarden DM in die Erde verbauen. Die Stadt Mülheim, eine relativ kleine Großstadt, aus der ich komme - nicht einmal 200 000 Einwohner -, soll für das Projekt Stadtbahn Ruhr etwa 500 Millionen DM investieren, einschließlich eines Verknüpfungsbahnhofes und einer Versuchsstrecke von Mülheim bis an die Stadtgrenze von Essen.
Ich darf Sie, Herr Bundesverkehrsminister, bitten, sich doch einmal über dieses Thema mit Ihrem Mitarbeiter, Herrn Ministerialdirektor Professor Arnold, zu unterhalten. Herr Professor Arnold hat vor einigen Monaten vor dem Verkehrsausschuß der Industrie- und Handelskammer in Essen gesprochen, und hier hat ihn ein maßgebender Direktor eines der großen öffentlichen Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet auf diese auch nach seiner Auffassung verfehlte Investition hingewiesen, und er hat ihn gebeten, er möge doch alles in seinem Einfluß Stehende tun, um eine solche Fehlinvestition, die den Ruhrgebietsstädten Millionen DM Folgekosten - von Investitionen einmal ganz abgesehen - in der Zukunft verursachen würde, noch rechtzeitig zu verhindern.
Gewiß, meine Damen und Herren, wir sagen: dies ist in erster Linie eine Angelegenheit der Länder. Aber dazu möchte ich Ihnen sagen: Der Bund zahlt für solche Investitionen 60 % und er hat also nicht nur ein Mitspracherecht, sondern auch die Pflicht, sich zu vergewissern, ob solche Einrichtungen wirklich segensreiche Einrichtungen für die Bevölkerung sind oder ob sie nur Selbstzweck sind, wie es manchmal der Fall zu sein scheint. Er hat darüber hinaus nach meiner Auffassung auch deshalb die Pflicht, weil er dafür sorgen muß, daß der ohnehin schon sehr stark defizitäre Betrieb der Deutschen Bundesbahn im öffentlichen Nahverkehr nicht unnützerweise noch konkurrenziert wird durch solche Fehlinvestitionen wie in diesem Falle das dritte System im Ruhrgebiet, Stadtbahn Ruhr.
Daß die Bundesregierung, meine Damen und Herren, dies heute nicht viel anders sieht, kann jeder in dem uns vorgelegten Bericht über die Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs nachlesen. Wir wissen ebenso, daß der Herr Bundesverkehrsminister seinen Staatssekretär Ruhnau in die betroffenen Gebiete entsandte. Er hat zwar das geplante Investitionsvolumen bis 1985 von 36 Milliarden DM auf 30 Milliarden DM zu kürzen vermocht. Dies aber kann das letzte Wort der Bundesregierung nicht sein. Wie anders soll man sonst die sorgenvolle Feststellung im Folgekostenbericht verstehen, bei einem weiteren Anstieg der finanziellen Belastungen auf diesem Gebiet entstünden für Bund, Länder und Gemeinden nicht mehr tragbare Haushaltsrisiken, und diese könnten dazu führen, daß die für Investitionen erforderlichen Mittel zur Finanzierung der Betriebsverluste im öffentlichen Personennahverkehr benötigt würden? Parallel dazu ist die Feststellung des Präsidenten des Deutschen Städtetages, Herrn Koschnick, anzuführen, die Städte stünden vor der Situation, daß sie für ihren Anteil an den InvestitioVehar
nen nicht mehr die erforderlichen Mittel zur Verfügung haben.
Meine Damen und Herren, diese Feststellungen sind alarmierend. Wer sie ernst nimmt - und wir nehmen sie ernst -, kann sich aber nicht mit der lapidaren Feststellung der Bundesregierung abfinden, es dürfe keine Systemruinen geben. Meine Damen und Herren und insbesondere Herr Bundesverkehrsminister, wenn die Situation so ernst ist, wie Sie sie schildern - ich bin sicher, sie ist so ernst -, wird Ihnen diese Feststellung zumindest dann nicht mehr weiterhelfen, wenn der von Ihnen erwähnte Zeitpunkt da sein wird, zu dem für die vorgesehenen Investitionen kein Geld mehr vorhanden ist.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Unser Antrag ist - das glaube ich mit meinen Ausführungen deutlich gemacht zu haben - hochaktuell. Die von den Vertretern der beiden Koalitionsfraktionen im Verkehrsausschuß gemachten Einwände sind meines Erachtens nicht stichhaltig. Dies gilt einmal für die Feststellung, für den von uns gewünschten Versuch wäre nicht der Bund, sondern dafür wären die Länder zuständig. Ich habe bereits darauf verwiesen, daß unter Führung der Bundesregierung in einigen deutschen Städten ein langfristiger, auf fünf Jahre angelegter Versuch mit sogenannten Hybridomnibussen durchgeführt wird. Wir fragen deshalb: Warum kann, wenn dies möglich ist, nicht auch ein Parallelversuch nach unserem Vorschlag durchgeführt werden?
Dies gilt auch für den weiteren Einwand, bei uns würden Versuche, wie wir sie in unserem Antrag wünschen, bereits durchgeführt. Dies ist nicht der Fall. Die von Herrn Kollegen Hoffie im Ausschuß erwähnte Stadt Wiesbaden führt keinen Versuch durch. Ein Versuch von 1968 bis 1976 wäre auch zu langfristig. Die Stadt Wiesbaden hat vielmehr seit 1968 das System der Sonderfahrspuren für den Busverkehr praktiziert und laufend verbessert. Zu den Ergebnissen ist folgendes zu sagen. Die Fahrgastzahl konnte von 35 Millionen im Jahre 1968 auf 50 Millionen im Jahre 1975 erhöht werden. Steigerung der Pünktlichkeit bzw. Herabsetzung der Verspätungen: vor Einführung der Sonderfahrspuren durchschnittlich 11,4 Minuten im Spitzenverkehr, heute 1,7 Minuten im Spitzenverkehr. Diese Feststellungen verstärken unser Argument nachdrücklich. Dennoch ist klar: Ein von der Bundesregierung durchgeführter Großversuch, der wissenschaftlich begleitet und ständig ausgewertet werden müßte, hätte natürlich einen deutlich besseren Aussagewert. Ich kann im übrigen feststellen, meine Kollegen von SPD und FDP aus dem Verkehrsausschuß, daß Sie, wie dies ja auch aus dem Bericht hervorgeht, im Prinzip unsere Meinung teilen. Deshalb möchte ich Sie bitten, den Antrag der CDU/CSU nicht, wie vorgesehen, für erledigt zu erklären, sondern zumindest dem Teil unseres Antrages, der sich auf die Durchführung des von mir geschilderten Großversuchs bezieht, zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wiefel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Vehar, ich schätze Sie als einen objektiven und sachkundigen Kollegen. Sie können aber sicherlich nicht sagen, daß wir mit Ihnen in dieser Frage im Ausschuß einer Meinung gewesen seien. Wie hätten wir denn sonst diesen Antrag ablehnen können?
Lassen Sie mich Ihnen aber vorweg eines sagen. Sie haben hier sehr markant die These herausgestellt: Es muß nicht immer U-Bahn sein. Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß das sicher keine These ist, die Sie allein mit Ihren politischen Freunden teilen können, sondern Sie können sie gewiß auch mit meinen politischen Freunden teilen. Nur müssen wir uns dann darüber im klaren sein, daß wir den Versuch unternehmen müssen, Politikern jeder Couleur auf anderen Ebenen zu sagen, sie möchten in solchen Fragen nicht zu sehr im Prestigedenken verhaftet bleiben.
Nun muß ich aber doch einiges zu Ihrem Antrag sagen; denn es steht ja nicht nur der von Ihnen angeführte Versuch, den Sie sehr herausgestellt haben, zur Debatte, sondern in dem Antrag auf Drucksache 7/4320, der jetzt erneut zur Abstimmung kommen soll, steht noch eine ganze Menge mehr. Wir sind der Meinung, daß wir hier schon sehr viel getan haben. Darüber haben wir gesprochen. Wenn wir z. B. über die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere des Omnibusverkehrs, reden, so soll hier ein ganzer Maßnahmenkatalog beschlossen werden, in dem die Bundesregierung z. B. aufgefordert wird, Dinge zu tun, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen entweder schon längst eingeleitet hat oder für die sie sich dort, wo dies nicht der Fall ist, als nicht zuständig erklären muß. Sie bestreiten das zwar; aber darüber kann es keinen Streit geben. Nach dem Empfinden meiner politischen Freunde und nach meinem eigenen Empfinden ist das also ein völlig überflüssiger Antrag.
Ich will mich zu den Forderungen, den Themen und den Thesen dieses Antrages nur ganz knapp äußern. Zu der ersten Forderung ist zu sagen, daß der Bund außerhalb der Bundespost und der Bundesbahn keine Planungs- und Betriebszuständigkeiten im ÖPNV hat. Er hat allerdings von den über 7 Milliarden DM Jahresleistungen des öffentlichen Personennahverkehrs einschließlich seiner Investitionshilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - das wissen Sie - 5 Milliarden DM, also mehr als das Doppelte der Summe, die die Länder erbringen, selbst getragen. Das ist doch ein gutes Stück finanzieller Mithilfe. Hieraus sind auch die von Ihnen erwähnten Ausbauten von Sonderfahrspuren für Omnisbusse, sofern die Länder und Gemeinden, die dafür zuständig sind, initiativ geworden sind, mitfinanziert worden; das konnte der Bund nicht von sich aus machen. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Verkehr einen Forschungsauftrag für das Konzept eines zukünftigen Bussystems vergeben. Aufgabe der Studie ist es,
gemeinsam mit Herstellern und Betrieben Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und Lösungen vorzuschlagen, die unter dem Aspekt einer Nutzen-Kosten-Analyse stehen. Das kommt Ihren Vorstellungen doch schon sehr weit entgegen.
Was Ihre zweite Forderung, die Schaffung freiwilliger Organisationsmodelle für Verbünde verschiedener Nahverkehrsmittel, anbelangt, muß gesagt werden, daß die Bundesregierung auch hier auf eine unmittelbare staatliche Einwirkung verzichtet, ja, verzichten muß, weil sie ihr gesetzlich gar nicht zukommt. Sie fordern doch auch sonst bei jeder Gelegenheit den Freiraum für private Initiativen. Das geltende Recht, hier das Personenbeförderungsgesetz, läßt die Gründung von öffentlichrechtlichen Zweckverbänden für die einzelnen Nahverkehrsregionen zu. Es ist auch hier Sache der Länder, solche Modelle je nach den Unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten zu entwickeln und zu praktizieren. Das geschieht. Vor Ort kennt man ja die Zusammenhänge und Verhältnisse ein wenig besser.
Ich kann aus meiner Kenntnis der Dinge sagen, Herr Kollege Vehar, daß meine politischen Freunde daran mitarbeiten - das tun sicherlich auch Ihre in den Gremien, wo das im regionalen Bereich geschieht -, in einem räumlich überschaubaren Gebiet Betriebsleistungen und Unternehmungen zusammenzufassen und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vernünftig einzusetzen. Wie ich weiß, verfolgt die Regierung diese Entwicklung mit Interesse. Aber ich sage nochmals: dies ist nicht Sache des Bundes, sondern Sache der Länder in Zusammenarbeit mit den Gemeinden.
Hinsichtlich des folgenden in diesem Forderungskatalog enthaltenen Punktes muß aus gleicher Sicht auf das vorher Gesagte verwiesen werden.
Soweit der Bund zuständig ist, hat er in den Bereichen der Bundesbahn und der Bundespost Veranlassung gegeben, sich darüber Gedanken zu machen. Hier gibt es nicht nur Integrationsbestrebungen in diesen staatlichen Betrieben, sondern darüber hinaus sind die genannten Einrichtungen von Bundesbahn und Bundespost in über 150 Tarif- und Verkehrsgesellschaften und 4 Verkehrsverbünde nach § 8 des Personenbeförderungsgesetzes integriert. Darüber hinaus hat der Bund wohl kaum Möglichkeiten, die Kooperation von Linienverkehr treibenden Omnibusunternehmen direkt zu fördern, wie Sie das wohl verlangen oder wie Sie sich das vorstellen. Damit entfällt praktisch die vierte Forderung, insbesondere wenn man nach Zusammenfassung der Busdienste von Bahn und Post bei gleichzeitiger Dezentralisierung eine noch bessere Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten erwarten darf. Die ersten Regionalgesellschaften, die über die Bundesrepublik vom Norden zum Süden hin gegründet werden - Kiel, Hannover, Köln, München - dürften gesunde und ausbaufähige Ansätze in sich tragen.
Zu der dann erhobenen fünften Forderung muß gesagt werden, daß auch hier bereits die Vergabe eines Gutachtens unter der Arbeitsthese „Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine stärkere Integration der Taxis in den ÖPNV" die Modellierung solcher Maßnahmen, wie sie hier gefordert werden, erübrigt. Ich habe im übrigen feststellen können, daß es in vielen Bereichen unseres Landes ohne staatliche Gängelung im Ansatz recht gute Entwicklungen gibt, die auf lokaler Ebene der Eigeninitiative entspringen, die Sie, wie ich eben sagte, so sehr loben. Es kann ja wohl nicht Ihr ernster Wille sein, zumindest kann ich mir das kaum vorstellen, daß Sie die Bundesregierung veranlassen wollen, einer generellen Zulassung von Taxis zum Linienverkehr zuzustimmen. Das könnte nicht ohne erhebliche Beeinträchtigungen bleiben.
Nun zu Ihrer letzten Forderung. Da gibt es einen Beschluß des Bundeskabinetts vom 28. Mai 1975 über die verkehrspolitischen Zielsetzungen im öffentlichen Personennahverkehr. Darin sind standardisierte Bewertungskriterien für Verkehrswegeinvestitionen des ÖPNV enthalten, die auf ihre Praxisnähe und Praktikabilität getestet worden sind. Es besteht die Absicht, diese Bewertungskriterien, wie Sie auch wissen, ab 1977 anzuwenden. Dies soll unter Berücksichtigung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes geschehen.
Ich muß mir bei all dem hier aufgezählten allerdings die Frage stellen, was es mit dem Schlußsatz der Begründung des Antrags auf sich hat, daß die im Antrag geforderten Maßnahmen notwendig seien, „um zu konkreten, an der Praxis getesteten Ergebnissen" zu kommen; denn alles, was in die Zuständigkeit des Bundes hineinreicht, ist in die Wege geleitet, und die Opposition scheint ja immer mit Argusaugen darauf, daß sich der Bund nichts unter den Nagel reißt, was ihm nicht zukommt. Ich sage Ihnen, den Initiativen der Länder und Gemeinden sind hier keinerlei Grenzen gesetzt. Der Ihnen vorliegende Folgekostenbericht gibt Aufschluß über eine Fülle von Fragen, eliminiert damit für weite Bereiche Ihre Forderungen und trägt Ihrem Entschließungsvorschlag und dem Beschluß des Bundestages vom 14. November 1974 Rechnung. Bei Lichte besehen ist Ihr Antrag, wie ich meine, sehr zum Fenster hinaus gestellt und ohne Substanz und Wirkung, insbesondere wenn ich mir überlege, was noch nicht einmal berücksichtigt, sondern hier nur angeklungen ist, was der Bundesminister für Forschung und Technologie an Forschungsaufträgen für den öffentlichen Nahverkehr herausgegeben hat und was es allein hier schon an Ergebnissen gibt. Das alles sollte erst einmal ausgewertet werden. Neue Anträge bringen, vor allen Dingen wenn sie alte Erkenntnisse enthalten, nichts Fruchtbares. Sie binden meines Erachtens nur auf lange Sicht die Leute in der Ministerialbürokratie, die vielleicht etwas Besseres zu tun hätten.
Der Ausschuß hat sich darum mehrheitlich in seiner Sitzung am 14. Januar 1976 entschlossen, diesen hier vorliegenden Antrag für erledigt zu erklären. Man ist allerdings zu der gemeinsamen Auffassung gekommen, die Regierung zu ersuchen, dem Deutschen Bundestag einen zusammenfassenden Bericht darüber vorzulegen, welche verkehrsregelnden und organisatorischen Maßnahmen getroffen werden können, um den öffentlichen Personennahverkehr weiter zu fördern. Einem solchen Ansinnen stimmt
die SPD-Fraktion zu, ersucht aber gleichzeitig das Haus aus den vorgetragenen Gründen, den Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/4320 - wie im Ausschuß - für erledigt zu erklären.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir im zuständigen Ausschuß noch genügend Gelegenheit haben werden, uns mit dem Thema Folgekosten des öffentlichen Personennahverkehrs zu beschäftigen, möchte ich mich lediglich auf den Tagesordnungspunkt 49 konzentrieren, bei dem es um die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere des Omnibusverkehrs geht. Ich glaube, man muß feststellen, daß mangelnde Kenntnis, Herr Kollege Vehar, der verkehrspolitischen Zuständigkeiten und eine in der Tat entwaffnende Konzeptionslosigkeit
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die hier zur abschließenden Beratung anstehenden Forderungen der Opposition zur Verbesserung des ÖPNV kennzeichnen. Denn in diesem vorliegenden Antrag ist in allen sechs Punkten nichts, tatsächlich gar nichts zu finden, was nicht entweder an die falsche Adresse gerichtet ist oder wieder einmal mehr entlarvt werden muß als reines Nachtarockieren von Initiativen und längst praktizierten Verfahren der Bundesregierung und ausgerechnet derjenigen Bundesländer, in denen die Verantwortung für die Verkehrspolitik bei der sozialliberalen Koalition liegt.
Wir haben versucht, Ihnen das bei den Ausschußberatungen schon zu verdeutlichen und darauf hinzuweisen, daß das, was schließlich bleibt, eigentlich nur noch der wenig ehrenvolle Versuch von CDU und CSU ist, sich mit fremden Federn schmücken zu wollen, indem sie mit ihren hier erhobenen Forderungen die Vaterschaft für das beanspruchen wollen, was von FDP und SPD längst in die Welt gesetzt und aus der Taufe gehoben worden ist.
Lassen Sie mich mit nur wenigen Beispielen diese Wertung Ihres Antrages belegen, Sie fordern zunächst einen Großversuch in einem Ballungsraum mit Sonderfahrspuren für Omnibusse. Als hessischer Abgeordneter verweise ich auch hier wie im Ausschuß nur auf das Beispiel der Landeshauptstadt Wiesbaden. Ich habe nicht von einem Großversuch, Herr Vehar, gesprochen. In Wiesbaden betreiben die Stadtwerke bereits seit sieben Jahren echten Linienverkehr auf insgesamt 5 km besonderer Busspuren im Innenstadtbereich mit Sonderampeiregelung auch für Linksabbieger und mit Busschleusen mit dem Ergebnis, daß sich die durchschnittliche Umlaufgeschwindigkeit um 2 km pro Stunde erhöht.
Bis 1976 wird auch das Ergebnis einer Untersuchung in Darmstadt vorliegen, die ebenfalls von der hessischen Landesregierung finanziert wird und
Aufschluß über die Beschleunigung des Straßenbahnumlaufs bringen soll.
Sie sollten, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Anstrengungen also möglicherweise eher darauf konzentrieren, dem Beispiel von Hessen zu folgen und in den Ländern und vor allen Dingen in den Kommunen, in denen Sie die politische Mehrheit repräsentieren, Ihren Nachholbedarf an Modellversuchen und Erfahrungen zu befriedigen. Dazu gibt Ihnen der Bund ja die notwendige Hilfestellung, weil er nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz den Bau von Sonderfahrspuren mit 60 °/o der Investitionskosten fördert. Hilfreich wird dabei sicher auch das Ergebnis des hier schon angesprochenen Forschungsauftrags sein, den der Bundesverkehrsminister Anfang des Jahres vergeben hat mit dem Ziel einer konzeptionellen Entwicklung für ein Busverkehrssystem der Zukunft.
Sie fordern unter Punkt 2 Organisationsmodelle für den freiwilligen Verbund von Nahverkehrsunternehmen und deren Verkehrsmittel. Beide derartigen Modelle, meine Damen und Herren, gibt es bereits. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es neun Verbundräume, wobei z. B. der vor der Vollendung stehende Rhein/Ruhr-Verbund noch über die von Ihnen geforderte Fahrplan- und Tarifgemeinschaft hinausgeht. Die bisherigen Beispiele von Betriebsführungsgesellschaften zeigen zur Zufriedenheit aller Beteiligten, daß sie nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vernünftig geführt werden können und auch der privaten Beteiligung von Verkehrsunternehmen ohne weiteren staatlichen Eingriff genügend Möglichkeiten geben.
Ihre Aufforderung für den Ornnibusverkehr, besondere Kooperationsanreize zu schaffen, die Sie an die Länder hätten richten müssen, in deren Zuständigkeit die Anwendung des Personenbeförderungsgesetzes fällt, wird allerdings wiederum in Hessen unter Verantwortung meines Parteifreundes Herbert Karry bereits praktiziert. Dort erhalten die Verkehrsgemeinschaften entsprechende Anreizquoten. Sie sollten das in den von CDU und CSU geführten Ländern dringend nachholen, meine Damen und meine Herren. Sie können sich natürlich auch am Beispiel von Nordrhein-Westfalen orientieren, wo die Förderung des rollenden Materials mit 60 000 DM je Bus erfolgt, die gemeinwirtschaftlichen Lasten aus dem Schülerverkehr - 25 °/o der erwachsenden Fahrpreise - abgegolten, Funkausstattungen für Busse im öffentlichen Nahverkehr oder auch Ausbildungszuschüsse für Omnibusfahrer übernommen werden. Was den Bund anbelangt, so fördert er die Zusammenarbeit überall dort, wo er zuständig ist, nämlich durch seine Unternehmen Bahn und Post, die sich an fast 160 regionalen Tarif- und Verkehrsgemeinschaften beteiligen. Es kommt, wie wir meinen, nicht darauf an, die Zahl der Modellversuche noch zu erweitern, sondern darauf, wie der Ausschußberichterstatter ja feststellt, die bisherigen Erfahrungen zu koordinieren und auszuwerten, um dann letztlich Schlußfolgerungen ziehen zu können. Diese Kooperationsgemeinschaft und die Flexibilität der Bundesunternehmen, die ich gerade ansprach und die z. B. in Hessen an allen Verkehrsgemeinschaften beteiligt sind,
unterstreichen noch einmal, wie ernst der Bund überall dort diese Kooperation nimmt, wo er selbst die Möglichkeiten dazu hat. Die ersten Regionalgesellschaften unter Zusammenfassung der Busdienste von Bahn und Post werden ja in Kiel, Hannover, Köln und München gegründet.
Sie fordern weiterhin Organisationsmodelle für die Integration des Taxiverkehrs in den ÖPNV. Auch diese Überlegungen sind nicht neu und werden ja von der Bundesregierung begrüßt und gesehen, wie auch das Gutachten zu Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine stärkere Integration der Taxis im öffentlichen Personennahverkehr beweist. Auch in diesem Fall wird die Integration bereits praktiziert. Auch hier ist Hessen wiederum vorn, so in Frankfurt, wenn Sie das selbst probieren wollen, bei der Buslinie 33. Nach Meinung der FDP sollte der Taxiverkehr, soweit er Betriebs- und Beförderungspflicht hat, dem ÖPNV generell zugeordnet werden.
Auch Ihre letzte Forderung im vorliegenden Antrag, um darauf noch kurz einzugehen, ist bereits erfüllt. Das Verkehrsministerium hat bereits Anfang 1975 auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes ein praktikables Bewertungsinstrumentarium zur Beurteilung von Investitionsmaßnahmen entwickelt, das vergleichbare Entscheidungen zuläßt und Prioritätensetzung erlaubt. Die Anwendbarkeit wurde in Testläufen bei Stadtbahn, S-Bahn und kommunalem Straßenbau erprobt. Es ist ab 1977 geplant, standardisierte Bewertungskriterien anzuwenden.
Insgesamt, meine Damen und Herren, also Fehlanzeige und Alternativlosigkeit, nichts Neues in Sachen Personenverkehr bei der Opposition. Die heutige Debatte hat dies noch einmal klargestellt und den allzu durchsichtigen Versuch der CDU/ CSU offenbart, einer vielleicht weniger sachkundigen Öffentlichkeit vorgaukeln zu wollen, sie entwickle Initiativen, wohlwissend, daß diese entweder durch die Bundesregierung längst auf den Weg gebracht sind oder aber in die Zuständigkeit der Länder fallen, unter denen sich allerdings hauptsächlich diejenigen ausgezeichnet haben, in denen die Koalitionsparteien die Regierung bilden und verhindern konnten, daß die CDU oder CSU so mangelhaft Verkehrspolitik betreiben kann, wie das in diesem Hohen Hause der Fall ist.
({1})
Deswegen empfehle ich Ihnen namens der FDP-Fraktion, den Oppositionsantrag entsprechend den Anträgen des Verkehrsausschusses abzulehnen.
Wir gratulieren Ihnen, Herr Kollege Vehar, aber zu Ihrem Erfolgserlebnis, der Bundesregierung und gerade den zuständigen FDP-Ministerien in den Ländern mit Ihren Anträgen bescheinigt zu haben, daß wir auf dem Wege zu einem verbesserten ÖPNV sind, den Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, leider nur auf Umwegen und viel zu spät erkannt haben.
({2})
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Es ist wohl richtig, getrennt abzustimmen.
Zunächst Punkt 1 des Antrages des Ausschusses auf Drucksache 7/4581, nämlich den Antrag Drucksache 7/4320 für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! ({0})
Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 2 des Ausschußantrages. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Es ist Überweisung des Berichts an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - vorgeschlagen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 51 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Waffenschmidt, Susset, Dr. Jobst, Niegel, Eigen, Sick, Hösl, Biehle, Leicht, Nordlohne, Dr. Unland, \Straßmeir, Schröder ({2}), Dr. Jenninger, Gerlach ({3}), Milz, Dreyer, Kiechle, Dr. Köhler ({4}), Dr. h. c. Wagner ({5}), Carstens ({6}), Dr. Fuchs, Dr. Waigel, Dr. Müller ({7}) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Schließung von Stückgutbahnhöfen - Drucksachen 7/2663 ({8}), 7/4635 - Berichterstatter: Abgeordneter Wrede
Wird das Wort dazu gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 52 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes
- Drucksache 7/4368 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({9}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/4732 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Waigel
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({10}) - Drucksache 7/4710 -Berichterstatter: Abgeordneter Scheu
({11})
Vizepräsident Frau Funcke
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort?
({12})
- Das Haus dankt.
({13})
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht?
Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
({14})
Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 18. Februar 1976, 13 Uhr zu einer Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.