Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/30/1976

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Ferdinand Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002326, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Offensichtlich befinden sich die sportfreundlichen Kollegen noch auf dem Anmarsch. Aber ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, daß sich während der Zeit, in der ich hier als Berichterstatter einen kurzen Auftritt habe, die Reihen des Hohen Hauses so weit füllen werden, wie es dem wichtigen Sportereignis im Bundestag heute angemessen ist. ({0}) - Ich hoffe es, Herr Kollege Scheffler. Der Sportausschuß des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 18. Juni 1975 die Beratungen zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/2790 und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2800 - beide vom 14. November 1974, dem Tag der letzten Sportdebatte in diesem Hohen Hause - abgeschlossen. Als Beratungsergebnis ist mit Drucksache 7/3902 am 24. Juli 1975 ein gemeinsamer Antrag des Sportausschusses vorgelegt worden, der dem Hohen Hause leider erst heute, fast auf den Tag ein halbes Jahr später - wobei ich allerdings gern anmerke, daß es noch vor den Olympischen Spielen in Innsbruck geschieht - zur Diskussion und Beschlußfassung unterbreitet wird, mit der Folge, daß der Antrag inzwischen in wenigstens zwei Punkten als überholt gelten kann, nachdem die Bundesregierung inzwischen vor wenigen Tagen den bereits im Herbst fälligen Sportbericht erstattet hat. Insofern ist also selbst die Bundesregierung kaum in der Lage, im Sportbericht 1975, der hier heute zur Beratung ansteht, noch über die Ergebnisse von Maßnahmen zu berichten, die der Bundestag erst heute beschließen will. Dieser Tatsache, meine Damen und Herren, trägt der interfraktionelle Antrag auf Drucksache 7/4669 Rechnung, nämlich den Punkt 9 der Drucksache 7/3902 dahin gehend zu modifizieren, daß die Bundesregierung bis zum 15. Juni 1976 eigens um einen Ergebnisbericht gebeten wird. Gestatten Sie mir zu dem Ihnen schriftlich vorliegenden Bericht einige ergänzende Anmerkungen zu machen, die der Verdeutlichung und Präzisierung dienen sollen. So hat, was den Punkt 5 des vorliegenden Antrags angeht, der Sportausschuß sehr nachdrücklich und einmütig darauf gedrängt, daß möglichst schnell, wenn nicht sofort, eine Lösung gefunden werden soll, die Spitzensportlern und natürlich auch Spitzentalenten, z. B. im musischen Bereich den Hochschulzugang in Ausnahmefällen erlaubt. ({1}) Demnach kann mit Befriedigung und Hoffnung zugleich, andererseits aber auch nicht ohne eine auf Erfahrung beruhende Skepsis, zur Kenntnis genommen werden, daß sich die Ständige Konferenz der Kultusminister am 20. und 21. November 1975 zu diesem Anliegen positiv geäußert und den Verwaltungsausschuß der Zentralen Vergabestelle gebeten hat, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Damit harrt das Problem allerdings immer noch einer endgültigen Lösung, die wohl auch aus technischen Gründen erst im Laufe des Jahres 1977 zu erwarten sein wird. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß die Minderheit im Ausschuß klargemacht hat, daß sie im übrigen für Spitzensportler generell das Sportstudium ermöglicht sehen möchte, soweit diese Spitzensportler die allgemeine Studienberechtigung besitzen. Meine Damen und Herren, nach sehr ausführlichen, sehr schwierigen und sorgfältigen Beratungen ist der Ausschuß zu einem positiven Votum über die Herausgabe einer Sportsondermarke zugunsten der sozialen Aufgaben der Deutschen Sporthilfe gekommen. Der Beschluß geht auf einen Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/2800 zurück. Inzwischen ist bekannt, daß die Olympiazuschlagsbriefmarken am 6. April dieses Jahres ausgegeben werden sollen. Damit dürfte die unverzichtbare Arbeit der Sporthilfe für das Olympiajahr 1976 finanziell weitgehend abgesichert sein. Ein Antrag der Minderheit im Ausschuß, wie in Drucksache 7/2800 vorgeschlagen, einen Satz Zuschlagsmarken jährlich wiederkehrend zugunsten der Stiftung Deutsche Sporthilfe herauszugeben, fand keine Mehrheit. Der Sprecher der Minderheit brachte allerdings zum Ausdruck, daß es sich seine Fraktion vorbehalte, den Antrag auf jährliche Herausgabe einer Sportbriefmarke erneut im Plenum einzubringen. Nur der Jahr für Jahr erfolgende Verkauf solcher Zuschlagsmarken stelle sicher, daß durch eine nicht aus Steuermitteln, sondern mit Hilfe freiwilliger Spenden kontinuierlich gespeiste Finanzierung die langfristig angelegte Arbeit der Sporthilfe erfolgreich fortgesetzt werden könne. Da dessenungeachtet die Marke für 1976 inzwischen beschlossene Sache ist, kann zunächst Punkt 8 des Ausschußantrages auf Drucksache 7/3902 als erledigt betrachtet werden. Punkt 1 des Änderungsantrags auf Drucksache 7'4669 ist die entsprechende Konsequenz. Unter dem Eindruck des Beschlusses der Finanzministerkonferenz vom 6. Februar 1975, dem auch der Bundesfinanzminister beigetreten ist, nämlich Sportvereinen grundsätzlich keine Spendenbescheinigungskompetenz einzuräumen, hat der Ausschuß sehr deutlich und bestimmt den Herrn Bundesfinanzminister gebeten, bei seinen Kollegen in den Ländern auf eine Verbesserung hinzuwirken, zumal - und das sollte hier ausdrücklich betont werden - einer entsprechenden Empfehlung der Deutschen Sportkonferenz vom 23. Juni 1972 für die Spendenbescheinigungskompetenz sowohl der Vertreter der Bundesregierung als auch die Vertreter der Länder zugestimmt haben. Natürlich möchte auch und gerade der Sportausschuß möglichst von vornherein jeden Mißbrauch verhindert sehen. Wenn bezweifelt wird, daß eine Begrenzung der Spendenhöhe bei einer Zahl von mehr als 40 000 Sportvereinen nicht ausreicht, jeden Mißbrauch auszuschließen, sollte das die Suche nach anderen Lösungsmöglichkeiten nicht blockieren. Zu denken wäre als Kompromiß z. B. an eine Einschaltung der Kreissportbünde oder Stadtsportverbände, um das angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich überflüssigen Verwaltungsaufwand abzubauen und das Spendenaufkommen zu verbessern. Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ein Wort ist noch zu einem Thema zu sagen, das im Ausschuß sehr ausführlich diskutiert wurde. Es handelt sich um einen Punkt aus dem Antrag der CDU/ CSU-Fraktion auf Drucksache 7/2800, der in den Forderungen des heute vorliegenden Antrags allerdings nicht mehr auftaucht, weil man ihn im Ausschuß als bereits befriedigend erledigt glaubte abhaken zu können. Es geht um geeignete Schritte zur Wahrung der Belange des Sports insbesondere bei Gesetzgebungsvorhaben des Bundes, im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzen. Die rechtzeitige Einschaltung der Spitzenorganisationen des Sports in sportrelevante Gesetzgebungsvorhaben soll gewährleistet sein. Die Bundesregierung hat im Ausschuß erklärt, einerseits stelle die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien die rechtzeitige Einschaltung der Sportorganisationen sicher. Zusätzlich aber schaffe die inzwischen erfolgte Einrichtung einer „Arbeitsgruppe Sportverträglichkeit" - man muß sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen -, bestehend aus Vertretern des Bundesministeriums des Innern und des Deutschen Sportbundes, geradezu eine entsprechende Garantie. Daraufhin sah der Ausschuß das Anliegen in der 30. Sitzung am 18. Juni 1975 als zufriedenstellend geklärt an. Jedoch zeigte sich schon in der nächsten Sitzung des Ausschusses, in der 31. am 18. September 1975, daß die „Arbeitsgruppe Sportverträglichkeit" bei ihren Aktivitäten offensichtlich noch sehr große Anlaufschwierigkeiten hat. Das Beispiel aus jüngster Zeit veranlaßt den Berichterstatter, das Thema aufzugreifen; denn in dieser 31. Sitzung am 18. September 1975 mußte sich der Sportausschuß mit der Novelle zum Jugendarbeitsschutzgesetz befassen, um quasi noch im Endspurt zu versuchen, dieser Novelle ihre sportfeindlichen Zähne zu ziehen. Wären nicht Vertreter der Sportverbände mehr oder weniger zufällig noch rechtzeitig aufmerksam geworden, kein Balljunge hätte in Zukunft mehr die Chance gehabt, vielleicht später einmal WimbledonSieger zu werden, ({2}) und manche Schülermannschaften hätten, weil man ihren jugendlichen Schiedsrichtern die Pfeife weggenommen hätte, ihre Meisterschaftsspiele und Wettbewerbe abblasen müssen. ({3}) Der Ausschuß geht davon aus, daß in Zukunft gleichartige Pannen vermieden werden können. Er ist - um zusammenzufassen - davon überzeugt, daß eine weitgehende Verwirklichung und Durchsetzung der in dem Antrag auf Drucksache 7/3902 gestellten Forderungen dem Sport in der Bundesrepublik Deutschland in allen seinen Bereichen weitere entscheidende Impulse geben wird. Ich nehme an, daß der Bundestag diesem Antrag zustimmen wird. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern, Herr Maihofer.

Prof. Dr. Werner Maihofer (Minister:in)

Politiker ID: 11001414

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dritte Sportbericht der Bundesregierung, über den das Parlament heute debattiert, gibt eine Leistungsbilanz der Sportförderung des Bundes für die Jahre 1974 und 1975, im Breiten- und Freizeitsport wie im Hochleistungs- und Spitzensport. Die Sportförde15222 rung weist für die Jahre 1974 und 1975 Sportförderungsmittel des Bundes von insgesamt 216 Millionen DM und 229 Millionen DM und somit gegenüber dem Förderungsbetrag von 150 Millionen DM 1969 eine Steigerung von insgesamt rund 50 % auf. ({0}) Das ist doch einfach lächerlich. - Das sind selbst dann beachtliche Zahlen, wenn man bedenkt, daß beim Breiten- und Freizeitsport der Förderungsschwerpunkt mit über 2 Milliarden DM bei Ländern und Gemeinden liegt. Entscheidend ist, wie ich meine, daß in allen diesen äußerlichen Ziffern - nur deshalb nenne ich sie - sichtbar wird, welchen hohen Rang der Staat dem Sport heute in unserem Lande zuerkennt. Das gilt nicht zuletzt auch für die Förderung des Hoch-leistungs- und Spitzensports, die im Mittelpunkt der Sportförderung des Bundes steht. Lassen Sie mich das beispielhaft an den im Haushalt meines Ressorts veranschlagten Förderungsmitteln für sogenannte zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete des Sports verdeutlichen, die vor allem dem Hochleistungs- und Spitzensport zugute kommen. Sie haben sich von 1969 bis 1975 nahezu verdreifacht. 1969 standen noch 11,2 Millionen DM zur Verfügung. 1975 waren es bereits knapp 33 Millionen DM. Bezieht man darin die Mittel ein, die seit 1971 gesondert für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft im eigenen Haushaltstitel veranschlagt sind, so steht der Förderungssumme des Jahres 1969 im Jahre 1975 ein Förderungsbetrag von fast 40 Millionen, also rund 250 % mehr als im Vergleichsjahr, gegenüber. Im Jahre 1976 sind für zentrale Maßnahmen sogar rund 37,7 Millionen DM in Aussicht genommen. Für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft sind rund 8 Millionen DM vorgesehen. Dies zusammen ergibt ein Mehr von über 300 % gegenüber den entsprechenden Ansätzen im Jahre 1969. Auch bei allen diesen beachtlichen Zahlen und Steigerungen muß man sich bewußt bleiben, daß es sich hier nur um die Spitzenförderung des Bundes handelt, der eine erhebliche Breitenförderung von Ländern und Gemeinden vorausgeht - ich nannte schon die 2 Milliarden DM -, vor allem aber die Eigenförderung des Sports selbst zugrunde liegt, mit über 14 Millionen Mitgliedern der größten Bürgerinitiative, die wir in unserem Lande überhaupt kennen. Auch bei einer Debatte des Parlaments über die Sportpolitik der Bundesregierung dürfen wir nie aus dem Auge verlieren: Der Sport ist vor allem anderen eine Sache des Sports selbst. Das heißt, prinzipiell formuliert: Die Bundesregierung geht bei ihrer Sportpolitik aus von dem Prinzip der Autonomie des Sports und damit zugleich vom Prinzip der Subsidiarität bei der Sportförderung des Staates. Diese grundsätzliche Haltung des Staates schließt jede Art von Dirigismus und Reglementierung des Sports durch den Staat aus. Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hände in Gemeinden, Ländern und Bund greifen nur da ein, wo die eigenen Kräfte der Selbstorganisation des Sports in den Vereinen, den Landesverbänden oder den Bundesverbänden nicht ausreichen. Autonomie des Sports und Subsidiarität der Sportförderung durch den Staat schließen andererseits die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sport und Staat ein. Sie hat nicht nur bei jeder Art von Gesetzgebung mit Auswirkung auf den Sport durch verantwortliche Beteiligung der Sportorganisationen schon im Beratungsstadium in Regierung und Parlament zu erfolgen; das soeben berührte Thema der Sportverträglichkeit aller Gesetzgebung. Sie hat ebenso aber auch bei der Planung und Durchführung von Förderungsmaßnahmen in enger Zusammenarbeit zwischen Sport und Staat zu erfolgen, wie dies inzwischen in den sogenannten Planungs- und Realisierungsgesprächen mit den Bundesfachverbänden des Sports auch von seiten der Bundesregierung laufend geschieht. Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit hat nicht zuletzt aber auch in der Deutschen Sportkonferenz eine alle Ebenen des Staates wie des Sports, der Parteien wie der Verbände umfassende Gesprächsebene gefunden, die mit ihren zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bund und Ländern und zwischen Sport und Staat abgestimmten Konferenzempfehlungen einen verantwortlichen Beitrag zur Formulierung der Politik auf dem Feld des Sports in unserem Staate zu leisten vermag, wie die Erfahrungen der letzten Jahre, vor allem der letzten Monate, zeigen. Das gilt für den Bereich des Breitensports wie des Leistungssports, aber auch für alle diejenigen Rechtsfragen, die Sportorganisationen und Sportaktive betreffen, vom Steuerfreibetrag bis zum Numerus clausus. Hier werden die vor kurzem eingesetzten Fachkommissionen der Deutschen Sportkonferenz mit dem aus Staat und Sport versammelten Sachverstand wichtige Entscheidungshilfe auch für Regierung und Parlament leisten können. Alle diese konzertierten Aktivitäten von Sport und Staat vermögen jedoch nur mehr oder weniger günstige Verhältnisse für den Sport in unserem Lande zu schaffen. Ob diese Gelegenheiten durch einen wachsenden Breiten- und Freizeitsport ergriffen werden oder ob sie hier und dort zum Hochleistungs- und Spitzensport auf internationalem Niveau führen, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab, wie jeder Sachkenner weiß. Gerade im Spitzensport erleben wir dies alle Tage. Was wir hier im Zusammenwirken von Sport und Staat schaffen können und, wie ich meine, auch schaffen müssen, sind optimale Trainingskonditionen, die jedem Athleten unseres Landes, der das Talent und die Energie mitbringt, eine faire Chance in der internationalen Konkurrenz geben. Das sagt sich leicht und ist doch schwer getan. Denn das heißt nicht weniger und nicht mehr, als daß wir einem Sportler auch in unserem Lande, der in den edlen Wettstreit mit der Weltspitze eintreten kann und will, mit den unserem politischen System adäquaten Methoden die gleichen Möglichkeiten persönlicher Leistung geben, wie sie für vergleichbare sportliche Talente in den Universitätsamateurländern auf der einen und in den Staatsamateurländern auf der anderen Seite des Weltballs gegeben sind. Hierzu haben wir hier in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen sechs Jahren ein Verbundsystem von Leistungszentren aufgebaut mit inzwischen 25 Bundesleistungszentren, 30 Landesleistungszentren mit Bundesnutzung und 142 sogenannten Stützpunkten. Bundesleistungszentren dienen dabei nicht nur dem zentralen Training der ABC-Kader zur Wettkampfvorbereitung und der notwendigen sportfachlichen Betreuung und sportmedizinischen Kontrolle der Spitzensportler: In günstigen Fällen, aber auch nur dann, sind sie, ebenso wie manche der Landesleistungszentren, auch ständige Trainingsorte unserer Spitzenathleten. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren - das war die entscheidende Schwäche des bisherigen Förderungssystems - gezeigt, daß dieses vergleichsweise rigide System der Bundes- und Landesleistungszentren allein nicht ausreicht, daß wir darüber hinaus mit weiteren Stützpunkten dorthin gehen müssen, wo vor Ort, sei es aus lokalen Traditionen, die Sie alle kennen, sei es aus einer sonstigen optimalen Konstellation, besonders leistungsstarke Sportler versammelt sind oder gar ständig heranwachsen. Wir kennen das ja, die Handballer hier, die Ringer dort; ich brauche Ihnen das als Kennern der Sache nicht im einzelnen auszuführen. Ein solcher lokaler Schwerpunkt des Hochleistungssports kann bei besonders leistungsstarken Vereinen, aber auch bei Sportinternaten der höheren Schulen liegen, ({1}) ohne die ein wissenschaftlich ausgerichtetes und medizinisch kontrolliertes Hochleistungstraining mit einem dem besonderen Trainingsrhythmus angepaßten Schulpensum für bestimmte Sportarten mit Leistungshöhepunkten in der Schulzeit überhaupt nurmehr schwer durchführbar ist. Ein solcher lokaler Schwerpunkt kann ebenso aber auch bei Sportinstituten der Hochschulen liegen, könnte jedenfalls liegen; ja, selbst in Sportkompanien, wie sie die Bundeswehr seit einiger Zeit mit bewundernswerten Anstrengungen und sichtlichem Erfolg aufgebaut hat - wie ja auch alle unsere vergleichbaren Nachbarländer, wenn Sie an die Zöllner hier und die Alpini dort denken, die ja das Feld in bestimmten Sportdisziplinen in aller Welt dominieren. Entscheidend bei alledem ist, daß wir, ungeachtet struktureller Unterschiede in den Trainingserfordernissen der Verbände - und die sind ganz erheblich -, ein Stützpunktsystem zur Verfügung unserer Hochleistungssportler halten, das bundesweit alle Standorte des Spitzensports umfaßt. Um dies zu gewährleisten, hat der Bund gerade im Berichtszeitraum eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt und eingeleitet. So wurden Mittel bereitgestellt, - um hier nur einiges beispielhaft herauszugreifen - für die Honorare von Stütztpunkttrainern, für die ergänzende Geräteausstattung der Stützpunkte, für die Anmietung unterhaltsintensiver Sportanlagen, für ergänzende Baumaßnahmen und für Fahrt-, Verpflegungs- und Massagekosten der Spitzensportler selbst. Dabei stellen wir, wie aus den unserem Bericht beigefügten Grundsätzen für die Anerkennung von Stützpunkten zu entnehmen ist, an die Stützpunkte bestimmte Anforderungen, die den Notwendigkeiten entsprechen, die sich aus dem jeweiligen Stand der Entwicklung im internationalen Hochleistungssport ergeben. Da danach Stützpunkte nach Ablauf von ein bis zwei Jahren regelmäßig neu anerkannt werden müssen, eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit einer kontinuierlichen Erfolgskontrolle der Stützpunktarbeit. Gerade darin zeigt sich, wie ich meine, die Flexibilität dieses Systems der Stützpunkte. Wo nichts mehr an Spitzenathleten heranwächst oder das Leistungsniveau absinkt, kann die Konsequenz nur heißen, daß anderen Trägern die Chance geboten werden muß, als Stützpunkt gefördert zu werden. Solche ständige Konkurrenz zwischen möglichen Trägern von Stützpunkten fördert auch hier, ohne daß es dazu dirigistischer Reglementierungen bedarf, die Leistung und kann so der Sache des Sports nur nützlich sein. Die damit geschaffene Elastizität und Flexibilität des Stützpunktsystems und damit der Sportförderung insgesamt verdeutlichen im übrigen einmal mehr, daß der von der CDU/CSU angeregte Bundessportplan ({2}) demgegenüber starre Festschreibungen zur Folge hätte, die der Sportwirklichkeit nicht gerecht werden könnten. ({3}) Um dem Spitzensportler, der im Interesse der gesamtstaatlichen Vertretung unseres Sports Opfer bringt und, wie ich einmal gesagt habe, auf einige Jahre buchstäblich Lebensverzicht leistet, eine faire Chance auch im beruflichen Leben zu geben, bedarf es zugleich seiner sozialen Betreuung. Sie ist ein entscheidender Faktor seiner Motivation heute überhaupt. Ich meine die Förderung am Mann, die von der sozialen Absicherung während der Ausübung des Leistungssports bis hin zur schulischen und beruflichen Förderung während, aber auch nach der sportlichen Laufbahn reichen muß. Wenn wir hier nicht den Staatsamateur östlicher Prägung, sondern eine unserer freiheitlichen Gesellschaft angemessene Regelung haben wollen, so kann diese Aufgabe nur durch private Bürgerinitiative gelöst werden, wie sie die Stiftung Deutsche Sporthilfe übernommen hat. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe versucht hierzu die private Spendenbereitschaft zu mobilisieren. Unbefriedigend ist freilich - auch das muß man nüchtern feststellen -, daß inzwischen die finanzielle Basis der Stiftung nur noch zu einem geringeren Teil auf eingeworbenen privaten Mitteln beruht und die öffentliche Hand in immer stärkerem Maß durch Umschichtung der finanziellen Lasten der Stiftung auf den eigenen Haushalt sowie mittelbar durch andere Initiativen für die Lebensfähigkeit der Stiftung Deutsche Sporthilfe Sorge tragen muß. Die Bundesregierung wird die Stiftung allein im Jahre 1976 deshalb um rund 2 Millionen DM von bestimmten von ihr zunächst übernommenen Aufgaben entlasten. Dennoch, die zu erwartenden Erlöse aus der „Glücksspirale" und den „Olympiazuschlagsmarken", um die auch ich mich bemüht habe, werden hier sicherlich - und das ist eine erfreuliche Feststellung - entscheidende Hilfe nicht nur für das Jahr 1976, sondern auch für den Start in jene Periode bis 1980 bringen. Nun, ich will nicht den Eindruck hervorrufen, als ob wir Grund hätten, mit Sport und Sportförderung in unserem Lande restlos zufrieden zu sein, so schön die Zahlen glänzen, auch einige, die ich Ihnen hier vorgeführt habe. Hierbei meine ich weniger den allseits zu Recht beklagten Nachholbedarf in der Sportwissenschaft als vielmehr die beklagenswerte Situation im Schul- und Hochschulsport. Die Überintellektualisierung unseres Bildungssystems hat in dieser Hinsicht - im Unterschied etwa zu den USA und zu Großbritannien - ein Vakuum entstehen lassen, durch das die Chance verlorengeht, den Sport auch als Bildungsfaktor wirklich zum Tragen zu bringen, in der Schule ebenso wie in der Hochschule. Darüber hinaus - und dies möchte ich als der für den Spitzensport zuständige Minister des Bundes besonders beklagen - bedeutet die Misere vor allem des Schulsports zugleich die entscheidende Kalamität auch in der Talentsuche und Talentförderung überhaupt. Manches hoffnungsvolle Talent muß so einfach verkümmern, weil es nicht rechtzeitig entdeckt oder gar gefördert werden kann. Hierunter leidet auch die an sich sehr erfolgversprechende Aktion „Jugend trainiert für Olympia", denn wie eine Umfrage ergeben hat, kommen die Spitzentalente selbst in der Schulzeit fast ausschließlich aus den Vereinen und nicht aus den Schulen. Auf diesem Gebiet des Sports an Schule und Hochschule müssen wir weiter ansetzen, um grundlegende Wandlungen herbeizuführen. Deshalb sollten alle, die für diesen Bereich verantwortlich sind, sich an einem Tisch zusammenfinden, um gemeinsam einen Weg aus der gegenwärtigen Misere unseres Schul- und Hochschulsports zu suchen. Aus der Sicht des Bundes könnten für die hier gebotenen Schritte nach der heute noch unbefriedigenden Lage des Breitensports wie des Spitzensports in unserem Lande der Bundeswettbewerb „Jugend trainiert für Olympia", die Bundesjugendspiele, die Förderung wissenschaftlicher Kooperationsmodelle zur Integration von Schul- und Vereinssport sowie schließlich eine Fortschreibung des „Aktionsprogramms für den Schulsport" Ansatzpunkte bieten. Ein Diskussionsforum für alle diese Initiativen wäre sicher auch die Deutsche Sportkonferenz, in der alle Sachverständigen aus Staat und Sport in Bund und Ländern zusammenwirken. ({4}) - Das kann ich Ihnen buchstäblich vorführen und abhaken, wenn Sie daran Interesse haben. Aber ich möchte hier nicht allzuviel an Erfolgsbilanzen vortragen; auch als derzeitiger Präsident der Deutschen Sportkonferenz möchte ich das nicht tun. Wie ich zu verdeutlichen versucht habe, sind wir erst auf dem Wege zu einer angemessenen Förderung des Sports in unserem Lande. Wir sollten nüchtern genug sein, einzugestehen, daß wir unsere Ziele auch weiterhin nur Schritt für Schritt, das ist sicher ein mühseliger und langwieriger Weg, erreichen können. Wir sehen deshalb - dieses abschließende Wort sei mir gestattet - der bevorstehenden großen Herausforderung der Olympischen Spiele nur mit skeptischem Optimismus entgegen. Sollten sich jedoch auch nur unsere gedämpften Erwartungen erfüllen, wird auch dies uns in unserer Entschlossenheit nur bestärken, auf dem bisher eingeschlagenen Weg der Sportförderung in einem freiheitlichen Staat in dem Geist partnerschaftlichen Zusammenwirkens mit dem freien Sport tatkräftig weiterzugehen. Schon in seinen ersten Anfängen erweist er sich als ein erfolgversprechender Weg. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Bevor wir in der Aussprache fortfahren, teile ich folgendes mit. Wir haben zu Beginn der Sitzung auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung einen weiteren Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, der die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten betrifft. Inzwischen ist eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen worden, wonach dieser Punkt heute wieder abgesetzt, also nicht verhandelt wird. ({6}) Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele versucht die Bundesregierung mit der Vorlage ihres Sportberichts die Aufmerksamkeit auf ihre angeblich so großen Leistungen in der Sportförderung zu lenken. Natürlich sind die Sportförderungsmittel in den den letzten Jahren erheblich gestiegen, Herr Bundesminister, obwohl die realen Beträge - Sie haben die Steigerung von 50 % seit dem Jahre 1969 genannt - unter Berücksichtigung der von Ihnen verschuldeten Inflationsraten - rechnen Sie das einmal nach - sehr stark an Glanz verlieren. Aber das Entscheidende ist doch, daß die Effizienz dieses Mitteleinsatzes nach wie vor außerordentlich kritisch zu beurteilen ist. Der Sportbericht zeigt, daß der Kompetenzwirrwarr innerhalb der Bundesregierung mit elf zuständigen Ressorts für die Sportförderung nach wie vor nicht überwunden ist. Wie schwerfällig und bürokratisch die Bundesregierung auch auf diesem Gebiet arbeitet, wird schon durch die Tatsache bewiesen, daß dieser Sportbericht im September 1975 dem Parlament hätte vorgelegt werden müssen. Wenn der deutsche Sport, Herr Minister, mit derselben Verspätung wie die Bundesregierung arbeiten würde, dann wären die Olympiateilnehmer für Innsbruck etwa zum Zeitpunkt der Spiele in Montreal fit. ({0}) Mit einer rechtzeitigen Vorlage des Berichts wäre dem Sport und dem Parlament mehr gedient gewesen als mit dieser vorolympischen Schau. Im übrigen ist die Frage des internationalen Standards unserer Spitzensportler aber keineswegs nur ein Problem, wieviel Steuergelder dafür ausgegeben werden. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob in unserem Staat und in unserer Gesellschaft eine Grundeinstellung vorhanden ist, die Leistungen, auch Höchstleistungen, im Sport bejaht, begünstigt und unterstützt. So lange wir zu unseren Olympiateilnehmern ein Verhältnis haben, das nur in der kurzfristigen Hingabe von Steuergroschen zum Erwerb olympischer Medaillen besteht, so lange verstehen wir die Probleme und Bedürfnisse unserer Leistungssportler nicht. Sie brauchen eine grundsätzliche Leistungsbereitschaft in unserer Bevölkerung, die sich mit dem individuellen Leistungsstreben der Spitzensportler solidarisiert, und zwar auch und gerade bei jenen Sportlern, denen der erhoffte Erfolg - etwa in Innsbruck oder Montreal - versagt bleibt. Auf diesem Feld der allgemeinen Einstellung zur Leistung liegen die entscheidenden Mängel, für die diese Bundesregierung die Verantwortung trägt. Wir anerkennen das persönliche Engagement des zuständigen Ministers durchaus, und wir haben, Herr Minister, Wort gehalten mit unserem Versprechen, Sie auf diesem Wege zu unterstützen. Aber wenn ich an viele Äußerungen insbesondere aus dem Bereich Ihres Koalitionspartners zum Leistungssport denke, habe ich bei Ihrem Eintreten für den Leistungssport in dieser Regierung den Eindruck, daß Sie kunstvolle Pirouetten auf sehr brüchigem Eis drehen. Wenn ich nur an das jahrelange Tauziehen um die Sportbriefmarke und die Glücksspirale erinnere, so wird deutlich, welch hinhaltender Widerstand gegen eine langfristige, kontinuierliche Finanzausstattung der Stiftung Deutsche Sporthilfe und damit gegen eine soziale Sicherung unserer Spitzensportler geleistet wird. Diese Probleme, Herr Minister, sind noch immer nicht gelöst; denn eine Zuschlagmarke nur für 1976 reicht nicht aus, wenn wie schon an die Spiele von 1980 denken müssen. Sie haben hier der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß wir diese Briefmarke in den kommenden Jahren bekommen. Ich würde meinen: Stimmen Sie unserem Antrag nachher zu! Im übrigen teile ich die Hoffnung, daß eine neue Regierung ab Herbst dieses Jahres diese Briefmarke verwirklichen wird. ({1}) Herr Minister, das Gerangel um die Glücksspirale geht offensichtlich weiter. Alle diese Fragen verschweigt Ihr Sportbericht, der insbesondere seiner Aufgabe nicht gerecht wird, auch über Pläne und Absichten der Bundesregierung auf dem Gebiet der Sportförderung Rechenschaft zu legen. Ihr Bericht zeigt keinerlei Konzeption und Zukunftsperspektiven auf, und er vermag deshalb nicht jene Transparenz in der Sportförderung für die Beteiligten, für den Sport zu schaffen, deretwegen wir einen Bundessportplan gefordert haben. Wenn Sie jetzt im Bericht „Leitlinien eines Leistungssportprogramms" vorlegen, so kann das den von uns geforderten Leistungssportplan überhaupt nicht ersetzen; denn - von allen Einzelfragen abgesehen - eine solche Planung kann dem partnerschaftlichen Verhältnis von Staat und Sport nur gerecht werden, wenn sie eben verbindlich und offen erfolgt. Sie aber ziehen es vor, Ihre Richtlinien unter Ausschaltung des Parlaments und hinter verschlossenen Türen aufzustellen. Wir lesen die Worte „Partnerschaft" und „Subsidiarität" in dem Bericht mit großem Vergnügen - allein, es fehlt der Glaube, wenn wir an die manchmal schon grotesken Exzesse denken, die Sie in der Praxis mit der institutionellen Förderung, insbesondere des Deutschen Sportbundes, treiben. Was eigentlich vermag der Deutsche Sportbund mit seinen über 13 Millionen Mitgliedern noch in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, wenn er über jede Position seines Haushalts mit den Beamten des Bundesinnenministeriums hinter verschlossenen Türen feilschen muß - mit all den Rücksichtnahmen, die ein so kleinlicher Zahlmeister gebietet?! Nur ein vom Parlament zu beschließender Rahmenplan, wie ihn die CDU/CSU fordert, ermöglicht den freien Sportorganisationen eine langfristige eigenverantwortliche Planung ihrer Arbeit und wird damit den Prinzipien von Partnerschaft und Subsidiarität gerecht. Nur so wird Freiheit und Eigenverantwortung für den Sport gesichert. Wir anerkennen, daß in den zurückliegenden Monaten einige unserer Forderungen - nicht zuletzt auf Grund unseres Drängens - zumindest teilweise verwirklicht worden sind. Die Sportbriefmarke für 1976 stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar. Das gilt auch für die Glücksspirale - wenn sie endlich kommt. Der Weg, daß Spitzensportler beim Hochschulzugang als Härtefälle anerkannt werden können, scheint freigeräumt. Die Förderung des Leistungssports in der Bundeswehr verdient große Anerkennung. Entscheidende Probleme aber bleiben weiter ungelöst. Ich nenne nur einige Beispiele: Zusätzliche Kapazitäten zur Trainerausbildung reichen nicht aus, solange es nicht gelingt, eine vernünftige Berufslaufbahn mit Übergängen etwa auch zum Sportlehrer zu schaffen, die soziale Sicherheit gibt und Flexibilität ermöglicht. ({2}) Die soziale Sicherung für Leistungssportler, heute wohl das entscheidende Problem, bleibt unbefriedigend, und der Sportbericht zeigt kaum weiterführende Perspektiven auf. An die Stiftung Deutsche Sporthilfe darf man sich eben nicht nur in OlympiaJahren erinnern, sondern man muß ihr, etwa durch eine jährlich wiederkehrende Sportbriefmarke, einen dauernden Zugang nicht zu öffentlichen Mitteln, Herr Minister, sondern zur Spendenbereitschaft breiter Bevölkerungskreise sichern. Die bürokratische Schwerfälligkeit bei der Erstattung von Kosten, die die Deutsche Sporthilfe für die öffentliche Hand, etwa bei den Sportinternaten, übernimmt, muß endlich aufhören. Für Spitzensportler muß nicht nur beim Hochschulzugang, sondern auch in der beruflichen Bildung und in der Arbeitsplatzsicherung ein Ausgleich für Nachteile gefunden werden, die durch die Konzentration auf den Leistungssport entstehen. Zur Frage einer besseren Auslastung mancher Bundesleistungszentren vermissen wir jeden Hinweis im Sportbericht. Die Probleme des innerdeutschen Sportverkehrs und der Einbeziehung Berlins übergeht der Sportbericht schamhaft. Für die Führungs- und Verwaltungsschule des Deutschen Sportbundes in Berlin ist nach jahrelangem Hin und Her ein Baubeginn auch in diesem Jahr erneut fraglich, und wenn jetzt die Folgekosten als Vorwand dafür genommen werden, dann stellt sich die Frage, warum dieses Problem nicht ebenso gelöst werden kann wie bei der Trainer-Akademie. Überprüft man beim Katalog der Empfehlungen der Deutschen Sportkonferenz, den Sie im Anhang zum Sportbericht aufführen, den Stand der Verwirklichung, dann kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis, Herr Minister, als Sie dies hier vorgetragen haben. Denn man findet, daß gerade die wichtigsten Empfehlungen der Deutschen Sportkonferenz nicht oder nicht vollständig verwirklicht worden sind. Dies gilt vor allem für die Beschlüsse auf steuerlichem Gebiet, mit denen den Sportvereinen der nötige finanzielle Spielraum für ihr bedeutendes Engagement geschaffen werden soll. Die Spendenbescheinigungskompetenz steht nach wie vor aus, und bei der Verabschiedung der Abgabenordnung vor wenigen Wochen haben Sie das abgelehnt, was Sie in der Deutschen Sportkonferenz mit beschlossen hatten. ({3}) Wir haben die Sorge, daß die Gängelung der Sportvereine, denen man den nötigen finanziellen Freiraum nicht gönnt, weiter zunimmt. Nicht, daß der Forschungsauftrag zur Soziologie des Sportvereins, über den der Sportbericht auffallend ausführlich berichtet, am Ende dazu dient, daß die Bundesregierung Vereinsstrukturen vor- oder festschreiben will! Wir werden solchen Versuchen entschieden wehren. Wir wollen die Freiheit im Sport, und wir wissen, daß die großen Aufgaben des Sports durch das ehrenamtliche und eigenverantwortliche Engagement unzähliger Bürger in den Sportvereinen besser gelöst werden können als durch bürokratische oder ideologische Bevormundung. ({4}) Wir hören mit großer Besorgnis die zunehmenden Aufforderungen aus der SPD, etwa durch ihren Fraktionsvorsitzenden, an ihre Mitglieder, sozialdemokratische Politik auch in den Sportvereinen durchzusetzen. Die sozialistische Nostalgie des Arbeitersportvereins, die hier und da Mode wird - wenn ich nur an die Reden der Kollegen Schirmer und Wende bei Akademietagungen erinnern darf -, zielt offensichtlich in dieselbe Richtung. Wir wollen, meine Damen und Herren, keine überwundenen Klassenschranken ausgerechnet im Sport wiederaufbauen. ({5}) - Ich weiß, daß Sie, das trifft. Ihre Unruhe bestätigt dies ja sehr deutlich. Sie können nachlesen, was in Ihrem Handbuch zur Wahlkampfstrategie abgedruckt ist: „Dokumente zur praktischen Parteiarbeit", 5/75, A 1 bis 15. Ich habe es hier. Wenn Sie wollen, bin ich gern bereit, Ihnen das einmal vorzutragen. ({6}) Meine Damen und Herren, für uns hat der Sport eine eminent politische Funktion. Aber wir wollen keine Parteipolitisierung der Sportvereine. ({7}) Für die CDU/CSU ist der Sport - wir stimmen den grundsätzlichen Ausführungen im Sportbericht insoweit zu - eine hervorragende Möglichkeit der Selbstverwirklichung des Menschen in Freiheit, wobei sich Leistungs- und Breitensport ergänzen und gegenseitig befruchten. Die Chance individuellen, freien Leistungsstrebens für Behinderte und Gesunde, für Männer und Frauen, für alt und jung, für Spitzen- und Freizeitsportler ist das faszinierend Großartige am Sport. Die CDU/CSU trägt dazu bei, diese Chance zu erhalten und weiterzuentwickeln. In diesem Sinne fühlen wir uns auch mit den Teilnehmern aus der Bundesrepublik Deutschland an den Olympischen Spielen in Innsbruck und Montreal solidarisch, ({8}) und zwar bei Erfolgen ebenso wie bei etwaigen Mißerfolgen. ({9}) Die Zahl der zu erringenden Medaillen wird für uns bei dieser Sicht des freiheitlichen Leistungsstrebens von untergeordneter Bedeutung bleiben. Natürlich werden wir uns mit unseren Athleten über Erfolge freuen, aber wir werden sie auch bei Niederlagen nicht allein lassen. ({10}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wende.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Sportbericht 1975 stellt in seiner Gesamtheit ein Beweisstück erfolgreicher Sportpolitik der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen dar, auch wenn er etwas verspätet eingegangen ist, wie ich gern einräume. Dies aber, Herr Kollege Dr. Schäuble, ist auch nicht ganz ohne Ihr Zutun geschehen - das sollten Sie der Fairneß halber auch erwähnen-, denn es war Ihre Fraktion, die im Sportausschuß dafür plädierte, daß man, was den Ausschußbericht anbelangt, erst die Ergebnisse der Plenardebatte abwarten solle, die dann eventuell noch in den Sportbericht hätten einfließen können. Sie sind also auch ein wenig mit beteiligt. Das sollten Sie, weil wir hier vom Sport reden, auch in Fairneß eingestehen. Nur die Opposition also vertritt die Auffassung, der Bund erfülle seine sportpolitischen Verpflichtungen unzureichend. Wie sehr sich die CDU/CSU in Spekulationen begibt und von der Wirklichkeit der Sportförderung entfernt ist, beweist in diesen Tagen die Abgabe der seltsamsten Prognosen über die Erfolge der Sportler aus der Bundesrepublik Deutschland bei den bevorstehenden Olympischen Spielen. Damit sollen offenbar offizielle Einschätzungen des Bundesausschusses zur Förderung des Leistungssports und des Nationalen Olympischen Komitees übertüncht werden, ({0}) daß die Vorbereitungsmöglichkeiten für die Leistungssportler der Bundesrepublik Deutschland noch nie so umfassend und zufriedenstellend waren wie in dieser vorolympischen Phase. Auf Grund des bisherigen, einem kreuzworträtselartigen Verhalten gleichkommenden Verhaltens der CDU/CSU ist kaum zu erwarten, daß die Opposition in absehbarer Zeit eine nüchterne Betrachtung einseitigen Thesen vorzieht, wie wir sie auch jetzt wieder von Herrn Kollegen Dr. Schäuble gehört haben. Ich möchte deshalb nur einmal einen Gesichtspunkt beispielhaft herausgreifen, der für die Qualität einer sogenannten christdemokratischen Sportpolitik kennzeichnend ist. Als die CDU/CSU den für die Sportpolitik verantwortlichen Ressortminister stellte, waren für den ganz überwiegenden Teil der deutschen Sportler an den Olympischen Spielen 1968 die Voraussetzungen für eine sportmedizinische Vorsorge nicht gegeben. Die Unverantwortlichkeit dieser Haltung und die sich daraus ergebenden Resultate sind bekannt. Inzwischen stehen den Sportorganisationen ein Netz von 16 sportmedizinischen Zentren und entsprechende Einrichtungen in den Leistungszentren zur Verfügung, ({1}) die sicherstellen, daß alle leistungssportlich erfaßten Sportler eine umfassende medizinische Betreuung erhalten können. Es muß deshalb überraschen - lassen Sie mich auch das ganz offen aussprechen , wenn das Bundesinstitut für Sportwissenschaft und der Bundesausschuß Leistungssport des Deutschen Sportbundes Erkenntnisse gewonnen haben, daß die Auslastung dieser Zentren durch die Verbände und die geschlossene computermäßige Speicherung und Auswertung der Untersuchungsergebnisse eine intensive Überprüfung erfordern. Dieser Aufgabe sollte sich der Sportausschuß des Deutschen Bundestages im Zusammenwirken mit der Bundesregierung und den Sportorganisationen baldmöglichst widmen. Was nun die Sportpolitik der Opposition angeht, so besteht dort offensichtlich eine extreme Neigung, die sportliche Entwicklung eines Landes fast ausschließlich an einer Medaillensammlung zu messen, auch wenn Sie in Ihrem Vortrag, Herr Dr. Schäuble, vorhin gleich nach der anderen Seite hin verbal Vorkehrungen getroffen haben. ({2}) Sie kaschieren damit Ihr eigenes Unvermögen mit großen Sprüchen und versuchen sich einen parteipolitischen Tummelplatz durch unerfüllbare Versprechungen und rigorose Anbiederungsversuche im Bereich der Sportorganisationen zu schaffen. ({3}) Ich erinnere nur an Ihre Agitationswelle bis in die Vereine hinein im Zusammenhang mit der Reform der Abgabenordnung. ({4}) CDU/CSU-Vertreter beschuldigen zwar permanent die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung unzureichender Sportförderungsleistungen, operieren dann allerdings in der Öffentlichkeit nach der Taktik: entweder ist alles unzureichend oder das, was sich leider nicht verschweigen läßt, hat die CDU/CSU als selbsternannter Schutzpatron des deutschen Sports durchgesetzt. Da die Oppositionsparteien keine geschlossene und gesellschaftspolitisch ernst zu nehmende Konzeption für die Sportförderung in unserem Lande vorweisen können, bemühen sie sich in erster Linie, andere demokratische Parteien bei Sportvereinen und Sportverbänden madig zu machen, allerdings ohne Erfolg. ({5}) Wenn sie sich dabei vorrangig der deutschen Sozialdemokraten als eines Schreckgespenstes bedienen, wie das soeben wieder in puncto leistungssportlicher Einstellung zu hören war, so spricht das nach meiner Auffassung durchaus für uns. Wäre es anders, müßten wir ja berechtigte Zweifel an dem Vorhandensein einer eigenständigen sozialdemokratischen Sportpolitik haben, die sich eben im Gegensatz zu den Unionsparteien vor allem - und dazu stehen wir - auf die Traditionen und Werte der Arbeitersportbewegung in Deutschland stützt, auf das Godesberger Programm der SPD, auf die sportpolitischen Leitsätze unserer Partei sowie auf das soeben auf dem Mannheimer Parteitag verabschiedete kommunalpolitische Grundsatzprogramm und den Orientierungsrahmen `85. Wir haben in dieser Debatte vom Sprecher der CDU/CSU wieder diese Finesse gehört, nur die Vertreter der CDU/CSU seien die Wächter der Interessen des Leistungssports. Die Antwort darauf hat Ihnen der Vorsitzende unserer Fraktion kürzlich in einer analytisch klaren Feststellung gegeben. ({6}) Die CDU/CSU ist offensichtlich bemüht, so etwas wie eine „neue soziale Frage" im Leistungsport zu konstruieren. Nachdem sich allerdings auch in den Bemühungen um eine sinnvolle Einbeziehung von Leistungssportlern bei der Anerkennung als Härtefall für die Zulassung zum Hochschulstudium in Numerus-clausus-Fächern durch die Bundesländer ein Erfolg abzeichnet, wie Sie selbst eingestehen, müssen Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, baldmöglichst eine neue Hauptfrage in dieser Richtung einfallen lassen. ({7}) Deshalb möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um für meine Partei und für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dies zu unterstreichen: Die SPD hat und hatte niemals ein gestörtes Verhältnis zur Leistung und damit auch nicht zum humanen Leistungssport. In diese Ecke lassen wir uns auch durch konservative Kraftakte nicht drängen. ({8}) Hingegen sind in der CDU/CSU Tendenzen erkennbar, die auch im Sport das egoistische Gruppendenken begünstigen und Exzesse mit nationalistischen und chauvinistischen Untertönen hinnehmen oder ihnen nicht deutlich entgegentreten. (Dr. Schäuble [CDU/CSU] : Der Minister

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Er läuft zur Hochform auf! - Vogel ({0}) Dazu gehören auch Verhaltensweisen, die den Weltsport zu einem Hilfsmittel im sogenannten Wettkampf der Systeme degradieren. ({1}) Wir haben es deshalb als wohltuend und richtig empfunden - dies wurde durch das nationale und internationale Echo bestätigt -, daß der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Rede aus Anlaß der 25-Jahr-Feier des Deutschen Sportbunds im Dezember letzten Jahres erklärte, daß die Zahl von Medaillen im Sport nichts über die Freiheit in einer Gesellschaft, nichts über die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft und auch nichts über den Wohlstand in einer Gesellschaft aussagt. Das Gegenteil sollten wir uns nicht einreden lassen, auch von der CDU/CSU nicht. Wenn wir diese Sportler nur noch als Mittel einer unversöhnlichen Konkurrenz der Systeme ansehen, werden der Weltsport und damit auch die Olympischen Spiele der noch vorhandenen humanen, kulturellen und moralischen Werte rigoros beraubt. ({2}) Deshalb sagen wir: eigenes sportliches Engagement der Bevölkerung - ja, übertriebene nationalistische Gefühle im Sport nein. Es entspricht dem Selbstverständnis sozialdemokratischer Sportpolitik, daß wir den Verein, sein Wirken und die freiwillige Tätigkeit seiner Mitarbeiter in das Zentrum unserer Förderungsbemühungen stellen. Deshalb blieb es wohl auch der CDU/CSU überlassen, im Zusammenhang mit dem verdienstvollen Beitrag der Vereine für die Bürger in unserem Lande von einem „schlafenden Riesen" zu sprechen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir nachdrücklich die im vorliegenden Sportbericht deutlich gewordene Tendenz, den Sport als gesamtstaatliche Aufgabe zu behandeln und die umfassenden Förderungsmöglichkeiten des Bundes bis hin zu vereinsfördernden Maßnahmen extensiv zu nutzen. Wie wenig die CDU/CSU bereit und fähig ist, die Aufgaben der rund 43 000 Sportvereine in der Bundesrepublik Deutschland richtig einzuschätzen, haben die Beratungen zur Reform der Abgabenordnung gründlich bewiesen, bei denen Sie bekanntermaßen mehr den Großverein und weniger die Vielzahl der mittleren und kleineren Vereine im Auge hatten. ({3}) Inzwischen kann die Opposition eigentlich selbst nicht mehr bestreiten, daß es sich hierbei um die umfassendsten steuerlichen Regelungen für den Amateursport handelt, die es jemals in unserem Lande gegeben hat. ({4}) - Verbesserungen sind immer noch möglich. Von Ihnen werden wir allerdings Ratschläge dafür nicht erwarten können; das hat ja auch die heutige Debatte gezeigt. ({5}) Falls Sie aber - hiermit möchte ich die CDU/ CSU-Mitglieder des Sportausschusses, die aus Baden-Württemberg stammen, ansprechen - immer noch das Gegenteil behaupten sollten, darf ich Ihnen eine Nachhilfe durch den Herrn Finanzminister von Baden-Württemberg empfehlen. ({6}) - Er ist ein guter Mann; er ist in Stuttgart möglicherweise in der falschen Fraktion. Das gebe ich gern zu. Sie können es aber auch zeitsparender und einfacher haben, wenn Sie die Stellungnahme von Herrn Finanzminister Gleichauf vom 9. Januar dieses Jahres zu einem Antrag der CDU-Fraktion des Landtags von Baden-Württemberg - Drucksache 6/8699 - nachlesen. Sie hätten das vor Ihrer Rede tun sollen, Herr Dr. Schäuble. ({7}) Sie werden dort eine Bestätigung für die Richtigkeit unserer Auffassung finden. Es dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, daß Sie mit Ihren utopischen Vorstellungen auch bei den CDU/CSU-regierten Bundesländern im Bundesrat keine Zustimmung gefunden haben. Von den steuerpolitischen Scheingefechten aus Ihren Reihen blieb lediglich das Resümee: viel Lärm uni nichts. ({8}) Es liegt also an den Oppositionsparteien, ihr gestörtes sportpolitisches Verständnis wieder zu ordnen. ({9}) Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung im Sportbericht auch der Deutschen Sportkonferenz eine ausführliche Betrachtung gewidmet hat. Eine vorurteilslose Überprüfung kann dazu beitragen, die auch in vielen Bereichen der Sportorganisationen nur grundsätzlich negative Beurteilung etwas zu korrigieren. Wesentliche Gründe dafür, daß der Arbeit der Deutschen Sportkonferenz überwiegend der Stempel der Abwertung aufgedrückt wird, sehen wir in folgendem: erstens in den zu hohen Erwartungen, die an dieses Gremium gestellt worden sind; zweitens in der offenbar noch nicht überall deutlich gewordenen Selbstverständlichkeit, daß ein solches Forum vor allem der Diskussion und Information dienen soll und daß auf das faire Streiten um Tendenzen, Ziele, Möglichkeiten und Zeiträume unter demokratischen Gesichtspunkten nicht verzichtet werden darf; drittens in der Tatsache, daß vielfach immer noch der Eindruck vorherrscht, die Deutsche Sportkonferenz sei lediglich ein Ort für die Übergabe von wohlfeilen Wünschen und Forderungen der Vertreter der Sportorganisationen an die Verantwortlichen der Parlamente und Regierungen in Bund und Ländern, die diese dann tunlichst so schnell wie möglich in die Wirklichkeit umzusetzen hätten. Da aber alle sportpolitisch tätigen Kräfte dieses Gremium in guter Absicht gemeinsam geschaffen haben, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, auch an die zuständigen Kollegen der CDU/ CSU und der FDP zu appellieren, daß wir nunmehr auch gemeinsam - noch mehr als bisher - bemüht sind, die Möglichkeiten und Chancen der Deutschen Sportkonferenz realistisch und zukunftweisend zu überprüfen und zu nutzen. ({10}) Lassen Sie mich abschließend einige Anmerkungen zu dem vorliegenden Antrag des Sportausschusses machen. Der Inhalt des Antrages ist ganz wesentlich ein Ergebnis der Großen Anfrage zur Sportpolitik, die die Koalitionsfraktionen im Februar 1974 eingebracht haben. Dieser Antrag ist dazu geeignet, neue Entwicklungen in der Sportpolitik frühzeitig zu erkennen und die erforderlichen organisatorischen und finanziellen Notwendigkeiten einzuleiten. Der Bund hat seine Sportförderungsmöglichkeiten in den letzten Jahren in einer bisher nicht gekannten Weise genutzt. Das Förderungsvolumen liegt gegenwärtig bei weit mehr als 200 Millionen DM. Angesichts der dynamisch sich entwickelnden Funktion des Sports im Leben unserer Bürger und in den internationalen Beziehungen muß sich auch der Sport aus gesamtstaatlichen Gründen in seiner Zuständigkeit und für das Zusammenwirken mit den Bundesländern und den Organisationen des Sports den veränderten Gegebenheiten frühzeitig anpassen. Dazu gibt dieser Antrag eine wesentliche Hilfestellung. Ich darf Sie deshalb für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bitten, dem Antrag des Sportausschusses zuzustimmen. Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zu dem vorliegenden Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion machen. Wir werden diesen Antrag ablehnen. ({11}) Er ist nach unserer Auffassung sachlich nicht begründet. ({12}) Hinsichtlich der Frage der Anerkennung von Leistungssportlern als Härtefall bei der Zulassung zum Hochschulstudium in Numerus-clausus-Fächern haben die Kultusminister der Länder eine Regelung zugesagt, die sowohl dem Wunsch der Deutschen Sportkonferenz als auch der Auffassung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages entspricht. Wir sehen nicht ein, weshalb bei dem derzeitigen Sachstand das wiederholt werden soll, was allseits bekannt und auch akzeptiert worden ist. In Punkt 2 des Änderungsantrages der Opposition wird völlig ignoriert, daß der Punkt 2 des gemeinsamen Ausschußantrages die Interessen der Stiftung Deutsche Sporthilfe bereits hinreichend berücksichtigt. ({13}) Da die Bundesregierung mit den beteiligten Organisationen ohnehin eine generelle Erörterung über die künftige Herausgabe von Sonderpostwertzeichen mit Zuschlagserlösen führen wird, erscheint es mir wenig sinnvoll, dem Ergebnis vorzugreifen. Unbestritten ist aber auch, daß der Finanzbedarf der Stiftung Deutsche Sporthilfe für 1976 und 1977 auch durch die Zuschlagserlöse der Sportsondermarke 1976 und der im Herbst wieder einsetzenden Fernsehlotterie „Glücksspirale" gedeckt werden kann. Da allein die Erlöse aus der diesjährigen Sportsondermarke wahrscheinlich bei mindestens 8 Millionen DM liegen werden, kann damit gerechnet werden, daß nicht unerhebliche Beträge Rücklagen zugeführt werden können. Irrig ist in dem Änderungsantrag auch die Feststellung, die Spendenbereitschaft in dem Bereich der Wirtschaft zugunsten der Stiftung Deutsche Sporthilfe sei durch die wirtschaftliche Lage gedämpft worden. Ich weiß nicht, ob der Vorsitzende der Stiftung diese Behauptung unwidersprochen quittieren möchte. Letztlich sind die Spenden, von denen hier die Rede ist, ja nicht unbedingt gönnerhaft motiviert, sondern sie sind ja auch steuerlich voll absetzbar. Eine letzte Bemerkung. Die Kollegen der CDU/ CSU sollten auch bedenken, daß die Gründer der Stiftung Deutsche Sporthilfe einmal mit der Devise angetreten sind, ihre Programme durch Spenden aus Industrie und Wirtschaft ({14}) sowie durch freiwillige Aktionen innerhalb der Bevölkerung zu finanzieren. ({15}) Ich halte es nicht für gut, wenn dieser Weg immer mehr verlassen wird und die Mittel ganz überwiegend auf direktem oder indirektem Weg aus dem öffentlichen Bereich kommen. Unsere Bereitschaft, die Stiftung Deutsche Sporthilfe in angemessener Weise zu unterstützen, haben wir im Ausschußantrag ausreichend deutlich gemacht. Deshalb bitten wir, den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/4637 abzulehnen. ({16}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur mit einigen wenigen Bemerkungen auf das eingehen, was Herr Dr. Schäuble hier als erster Redner der Opposition erklärt hat. Ich bedaure eigentlich, daß die Opposition hier mit ihrer ersten Darstellung anstelle einer sicher wünschenswerten kritischen Auseinandersetzung einmal mehr nur auf billige Polemik ausgewichen ist. ({0}) Das gilt besonders für Ihre Bemerkung, Herr Dr. Schäuble, das Feilschen zwischen DSB und BMI sei eine bedauerliche Sache. ({1}) Sie wissen sehr genau, daß sich die Beratungen in Wirklichkeit in sehr geordneten Formen und genauso vollzogen haben, wie es der Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuß verlangt. Ganz übersehen haben Sie ja offenbar auch, daß die Planungs- und Realisierungsgespräche das Instrumentarium sind, das den Finanzbedarf der Spitzenverbände so gezielt bedient, wie es kein noch so schöner Sportplan, wie er Ihnen vorschwebt, tun könnte. Die sehr starken Veränderungen in der Teilnehmerzahl bei Wettkampf- und Lehrgangsmaßnahmen über das laufende Jahr hinweg ist auch Ihnen bekannt. Sie wissen genau, daß man dem mit einer Festschreibung von Förderungsbeträgen im Jahr davor in der Tat nicht gerecht werden kann. ({2}) Zur Sache, meine Damen und Herren: Die Millionenzahlen im 200 Seiten starken Sportbericht der Bundesregierung sagen allein sicher noch nichts über Geist und Ziel aus, die hinter der Förderung des Sports in der Bundesrepublik Deutschland stehen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1976 hat der Bundesinnenminister, Herr Professor Maihofer, mit seinen programmatischen Darlegungen die Partnerschaft zwischen Politik, Staat und Sport umrissen. Dies war, wie wir meinen, deshalb so wichtig, weil wir unter diesem Zusammenspiel etwas ganz anderes verstehen als z. B. die DDR, auf deren erfolgreiches Sportsystem wir so gerne schielen und deren in Innsbruck und Montreal zu erwartenden olympischen Medaillen sicherlich wieder genügend Anlaß für eine neue Diskussion über den Sport in unserem Lande geben werden. Die Sportsysteme in den beiden deutschen Staaten sind nicht vergleichbar, selbst einzelne Maßnahmen nicht untereinander übertragbar, weil dahinter entgegengesetzte politische Grundauffassungen stehen. Bundeskanzler Schmidt hatte absolut recht, als er anläßlich der 25-Jahr-Feier des DSB in der Frankfurter Paulskirche sagte: Es wäre schlimm, wenn wir im verständlichen Wunsch, uns sportlich nicht unterbuttern zu lassen, unseren Sport auf den Weg einer Ideologie bringen, der uns letztlich von unseren freiheitlich-demokratischen Prinzipien wegführen würde. Meine Damen und Herren, Politik, Staat und Sport messen das Ergebnis ihrer Partnerschaft nicht allein an Meistern und Medaillen, Siegen und Rekorden des Spitzensports, die ein interessantes und sicherlich auch heiß begehrtes Teilergebnis sind, sie spielen vielmehr mit dem Ziel des Sports für alle Bürger in unserem Lande zusammen, das auf den feinsinnigen Aphorismus von Jean Giraudoux hinausläuft: Laßt die Greise eines Landes an Euch vorüberziehen, und Ihr werdet sehen, wie es dort um den Sport bestellt ist. Ein freier Sport dieser Vorstellung kann sich eben nur in einem freiheitlichen Staatswesen entfalten, das die persönliche Initiative seiner Bürger auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens fördert und auf jeglichen staatlichen Dirigismus verzichtet. Diese freiheitlich-rechtsstaatliche Ordnung bietet auch die Grundlage für unsere plurale Sportorganisation, in der sich alle weltanschaulichen Richtungen, alle gesellschaftlichen Schichten, wirtschaftlichen Interessen und beruflichen Rollen entfalten können, sofern sie ihrerseits die vorgegebenen satzungsmäßigen Ordnungen beachten. Im Vergleich zu allen anderen Sportsystemen ist der so gezogene Rahmen für das pluralistische Kräftespiel der denkbar weiteste, der liberalste und sicher auch der humanste. Die Sportbewegung nimmt ihre politische Aufgabe ernst, jedem auf diesem Feld die gleichen Rechte und Chancen in der Mitbestimmung und in der Mitverantwortung zu geben. In dieser Gesinnung begegnen sich Sport und Staat „als gleichberechtigte Partner; nicht mehr, aber auch nicht weniger" ({3}). Der Sport selbst beginnt, hierbei ein neues politisches Selbstverständnis zu finden und die alten Komplexe aus einem - angesichts der NS-Vergangenheit und der Nachbarschaft zum sozialistisch ausgerichteten Staatssport - mißverstandenen „unpolitischen Sport" abzuwerfen. „Parteipolitisch neutral, aber politisch handlungsfähig" - so stellt sich der Deutsche Sportbund nach seinem Präsidenten Willi Weyer heute dar. Der Wiederaufbau dieser Turn- und Sportbewegung gehört mit zu den großen deutschen Nachkriegsleistungen. Sport und Staat dürfen stolz darauf sein. Dabei ist der Sport aus dem nur privaten Vergnügen einiger weniger herausgetreten und zum gesellschaftlichen Anliegen vieler Bürger geworden. Er ist heute alles andere als nebensächlich und gehört mit zu jenen Kräften, mit denen wir unser Leben gestalten. Mit dem Leistungsdenken drängt auch der Sport stärker nach vorn. Gleichzeitig kommen mit der größeren Freizeit des Menschen in unserer industriellen Gesellschaft aber auch veränderte Anforderungen auf den Sport zu. Wir begrüßen es, wenn sich die Vereine öffnen und auch weiterhin den politischen Willen, freiwillig in gemeinschaftlicher Solidarität zu leben, symbolisieren. Für die Kraft unserer Demokratie ist diese bürgerliche Leistung gar nicht hoch genug anzusetzen. Der Spielraum in des Wortes ursprünglicher Bedeutung wird zu einem wichtigen Lebensraum, wobei immer deutlicher wird, daß der Sport in seiner Spitze und mächtigen Breite kein einheitliches Phänomen darstellt, sondern sich nach der Art von Bedürfnissen, die von ihm befriedigt werden sollen, differenziert. Gelingt es, die sozialen, biologischen und pädagogischen Funktionen des Sports im Wandel unserer Gesellschaft mit der Organisation des Vereins weiterhin zu verbinden, dann müßte auch das ohne wirklich tiefgreifende Schwierigkeiten überwunden werden können, was gelegentlich heute als die Krise des Sports diagnostiziert wird. Mit dieser grundsätzlichen Vorbemerkung wird das staatliche Engagement gegenüber dem Sport erklärt, so wie es die FDP in ihren liberalen Leitlinien zur Sportpolitik umrissen hat. Es geht um die weitere Ausgestaltung des Beitrages der 13-Millionen-Bewegung des Sports für eine bessere Lebensqualität und um die Entfaltung seiner Bildungs-, Freizeit-, Erholungs- und Sozialwerte, die - auch angesichts der ehrenamtlichen Leistung von über einer Million freiwilliger Helfer - niemals allein mit staatlicher Förderung, mit Gemeinnützigkeit oder mit Steuerfreibeträgen abgegolten werden können. Der Anteil von Bund, Ländern und Gemeinden an der bisherigen Entwicklung des Sports wird damit überhaupt nicht geschmälert, sondern die Eigenleistung des Sports wird nur ins richtige Licht gerückt werden, eine Eigenleistung des Sports, ohne die ein demokratisches Staatswesen nicht auskommt, da der Staat eben nicht alles allein machen kann und auch nicht alles allein machen soll. Ich möchte meine Ausführungen nicht dazu nutzen, die Aufmerksamkeit dieses Hauses und die der Bundesregierung gegenüber dem Sport noch weiter zu verdeutlichen. Das wird heute ohnehin ausgiebig geschehen. Es soll vielmehr der Blick darauf gelenkt werden, um was es uns politisch geht. Dabei muß der Sport allerdings auch von dem Irrtum freigehalten werden, daß er die „preiswerteste Reparaturwerkstatt für verbeulte Arbeitnehmer" ist, wie Jürgen Dieckert dies gesagt hat. Dies wäre zu eng gesehen: Der Sport will mehr für den Menschen, und der Mensch will mehr vorn Sport! Lassen Sie mich aber dennoch im Sinne des Wortes, daß Gesundheit eben nicht alles ist, aber ohne Gesundheit alles nichts ist, fragen: Was soll aus unserem Leben werden, wenn immer mehr Menschen mit 40 Jahren aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden? Was soll aus unserem hart errungenen Wohlstand werden, wenn wir nicht mehr gesund genug sind, um uns an ihm zu erfreuen? Und schließlich: Was soll aus unserer politischen Verantwortung werden, wenn uns das allgemeine Wohlbefinden unserer Bürger als Basis für ihre Wahrnehmungen verlorengeht? Die Zahlen, meine Damen und Herren, die diese Fragestellungen belegen können, sind bestürzend: Sie wissen, daß durch Bewegungsmangel ausgelöste Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems unsere Volkswirtschaft jährlich mit Folgekosten mit mehr als 10 Milliarden DM belasten. Krankheiten des Kreislaufsystems verursachen hierzulande einen Ausfall von fast 30 Millionen Arbeitstagen. Nur zum Vergleich: Alle Streiks seit 1959 haben zusammen weniger als 20 Millionen Arbeitstage gekostet. Vornehmlich wegen der Folgen des Bewegungsmangels scheiden heute zwei Drittel unserer Arbeiter und Angestellten zehn Jahre früher aus dem Erwerbsleben aus. Wie lange, so ist zu fragen, wollen wir eigentlich noch mit ansehen, wie der Fortschritt seine Kinder frißt? „Epidemien gleichen Warntafeln", schrieb vor 125 Jahren der berühmte Arzt und liberale Politiker Rudolf Virchow, „an denen der Staatsmann großen Stils ablesen kann, daß im Entwicklungsgang seines Volkes Störungen aufgetreten sind, die selbst eine sorglose Politik nicht übersehen darf." Diese Warnung Virchows ist heute aktueller denn je. Den Herzinfarktgeschädigten wird inzwischen wohldosierter Sport verordnet. Warum halten wir den Menschen nicht vorher, in Kindergarten und Schule, schon gezielt zu einem lebenslangen sportlichen Training an, das ihm Glück, Freude und persönliche Entfaltung bringt? Bei der Bundeswehr, die sich vorbildlich bemüht, ist es oft schon zu spät. Für die behinderten Menschen, für ältere Mitbürger kann der Sport Hilfe bei der Rehabilitation und in der Unterstützung therapeutischer Maßnah15232 men geben. Der Sport kann einen Beitrag zur Resozialisierung straffällig gewordener Bürger leisten. Die Integration ausländischer Arbeitnehmer in unserer Gesellschaft kann durch den Sport gefördert werden. Dieses sind Dinge, die wir oft gehört haben, deshalb erkennen wir vorbehaltlos alle Hilfestellungen an, die durch den Sport, insbesondere in seinen Vereinen, in diesem sozialen Bereich gegeben werden. Wir unterstützen die im Sportbericht genannten Maßnahmen der Bundesregierung. Natürlich, meine Damen und Herren, wir leben nicht in einer reglementierten Gesellschaft, in der die Menschen gezwungen sind, ihr Leben im Interesse des Staates zu gestalten. Wir alle sind frei und können denken und handeln, wie wir wollen. Doch wenn wir diese Freiheit behalten wollen, für uns selbst und für die kommenden Generationen, dann müssen wir auch gewillt sein, uns jene körperlichen Kräfte anzueignen, die mit denen des Geistes, des Willens und des Mutes untrennbar verbunden sind. Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter Hoffie, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten van Delden?

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte jetzt auf Zwischenfragen, so interessant es wäre, aus Zeitgründen nicht eingehen, weil mir die Zeit so knapp vorgegeben ist. Wir werden danach sicher gerne darüber diskutieren. Wenn wir den Schulsport einmal unter diesem Aspekt betrachten, so erkennen wir, wie wahr der Bundeskanzler gesprochen hat, als er sagte, daß die Lage des Schulsports in unserem Lande „schlechthin unerträglich" ist. Dies mag nur symptomatisch für die gesamte Schulwirklichkeit sein. Aber - so müssen wir fragen - wie lange wollen wir uns damit noch abfinden? Wir haben gerade kürzlich, meine Damen und Herren, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine angemessene Arbeitszeit und Leistung unserer Jugend geschaffen. In unserem Land gibt es, bis auf wenige Ausnahmen in künstlerischen und sportlichen Bereichen, keine Kinderarbeit mehr. Dagegen haben wir es bis heute nicht erreicht, in der Schule einen Sportunterricht anzubieten, der qualitativ und quantitativ den Erfordernissen unserer heranwachsenden Jugend entspricht. Die FDP sieht die von ihr immer wieder geforderte und in ihren Leitlinien zur liberalen Sportpolitik verankerte tägliche Sportstunde in weite Ferne gerückt. Wir richten hiermit erneut einen eindringlichen Appell an die Länder, in dieser wirklich wichtigen Frage voranzukommen. Die FDP-Fraktion wird dem Bundesminister des Innern jede Unterstützung erteilen, entsprechende Initiativen gegenüber den Kultusministern der Länder zu ergreifen. Bund, Länder und Gemeinden, meine Damen und Herren, haben insgesamt, wie der Sportbericht ausweist, für die Entwicklung des Sports wichtige Voraussetzungen geschaffen und auch in den letzten Jahren trotz angespannter Finanzlage durchweg mehr öffentliche Mittel für die Sportförderung bereitgestellt. Auch wenn Sie, Herr Dr. Schäuble, Inflationsraten dagegenstellen wollten, sind es unbestritten mehr Mittel. Was angesichts der hochbedeutsamen gesellschaftspolitischen Aufgabe des Sports verhindert werden muß - darin stimmen wir sicher alle überein -, ist der Rückfall auf ein Nullwachstum im Sport. Mit diesem Ziel wird es jetzt darauf ankommen, die Zuständigkeiten auf allen drei Ebenen zu überdenken und danach zu trachten, durch klare Kompetenzregelungen gezielter als bisher zu fördern. Erste Ansätze sind im Sportbericht der Bundesregierung zu erkennen. Der Bundesminister des Innern hat insbesondere mit seinem flexibel angelegten Leistungssportprogramm die Richtung gewiesen: Konzentration des Bundes auf den Spitzensport und Konzentration der Länder und Kommunen auf den Breiten- und Freizeitsport. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind, so meine ich, mit Ihren Anregungen für einen Leistungssportplan gar nicht so weit davon entfernt. Sie werden mir zugeben, daß eine sehr frühzeitige und eine sehr starre Festlegung insbesondere der finanziellen Förderung nicht im Interesse der Sportverbände sein kann. Es wäre ein falscher Ehrgeiz, wenn jede der öffentlichen Hände alles machen wollte. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, daß der Bund den Vereinen mit Forschungsaufträgen konzeptionelle Hilfestellung zu geben sucht. Ich weiß nicht, Herr Dr. Schäuble, ob es nicht sehr fragwürdig ist, wenn Sie sagen, mit diesen Forschungsaufträgen könnte der Versuch gemacht werden, die Vereine an die Kandare zu nehmen oder sie zu gängeln. ({0}) Ich meine, die Forschungsaufträge sind für die Arbeit der Vereine wichtig und geben ihnen konzeptionelle Hilfestellung. Die Vereinsförderung sollte aber ausschließlich Angelegenheit der Länder und Kommunen sein. ({1}) Die FDP unterstreicht heute erneut ihre alte und als richtig, weil sinnvoll, erkannte Auffassung vom Subsidiaritätsprinzip, wonach der Staat nur dann hilfreich eingreift, wenn die eigenen Mittel der Sportorganisation nicht ausreichen. Als der Sport im Jahre 1967 nicht in den Rang einer Gemeinschaftsaufgabe erhoben wurde, war die Deutsche Sportkonferenz drei Jahre später der gemeinschaftliche Versuch, alle wichtigen Fragen der Förderung des Sports zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und den Sportorganisationen zu koordinieren. Alle Beteiligten haben sich davon viel versprochen, die DSK hat aber davon, wie wir beobachten mußten, nur wenig gehalten. Wir brauchen eine koordinierte Sportförderung auf allen Ebenen. Sie ist allerdings mit dem ständigen Verweis auf die Kompetenzen nicht zu erreichen. Um so mehr sollte die Struktur der DSK noch einmal überdacht werden, damit wir mit der Koordination der Sportförderung weiter vorankommen. Die im Sportbericht der Bundesregierung summierten Millionen für den Spitzensport sind imponierend. Der Bundesinnenminister hat eine überzeugende Leistungsbilanz vorgelegt und einen ermutigenden Ausblick auf das weitere sportpolitische Arbeitsprogramm gegeben, das von der FDP-Fraktion voll unterstützt wird. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch einige notwendige Worte zur Leistung im Sport und dem sozialen Status des Spitzensportlers sagen: Keine Frage, es muß Flagge gezeigt werden! Die Leistung gehört nun einmal zu den Grundelementen des Sports. Ohne Leistung gibt es keinen Sport. Uns geht es um die absolute Höchstleistung einiger weniger ebenso wie um die persönliche Bestleistung möglichst vieler Menschen. Je mehr wir im übrigen über Leben und Leistung nachdenken, meine Damen und Herren, desto eher kommen wir für den Sport immer wieder auf die einfache Formel unseres ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuss: „Es gibt keinen kapitalistischen Klimmzug und keine sozialistische Bauchwelle - man kann es, oder man kann es nicht!" Die Leistung im Sport bedarf keiner besonderen Philosophie. Man kann nicht eindringlich genug davor warnen, zu glauben, daß die Aufgabe des Leistungsprinzips im Sport ohne Einfluß auf andere gesellschaftliche Bereiche bleiben würde. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe spielt an der Nahtstelle zwischen Spitzensport und Gesellschaft eine wichtige Rolle und verdient alle staatlichen Hilfen für die Selbsthilfe, z. B. durch die Sportbriefmarke 1976, deren Zuschlagserlös in voller Höhe dem Sport zufließt, und natürlich auch durch die Fernsehlotterie „Glücksspirale". Für beides haben sich insbesondere meine Parteifreunde Werner Maihofer und Wolfgang Mischnick tatkräftig und mit Erfolg eingesetzt. Natürlich, meine Damen und Herren von der Opposition, ist es sehr sportlich, wenn die CDU/CSU in ihrem Änderungsantrag zu unserer gemeinsamen Entschließung ({2}) nunmehr die jährliche Ausgabe einer Sondermarke fordert. Ob dieses jedoch in die Realität umgesetzt werden kann, werden wir gemeinsam zu prüfen haben, Herr Dr. Schäuble. ({3}) Was die „Glücksspirale" angeht, bedauern wir, daß sie durch die Vorbehalte der ARD und des ZDF wieder in Schwierigkeiten gekommen zu sein scheint. Die Rundfunkanstalten sollten sich verpflichtet fühlen, meine Damen und Herren, gerade weil sie einen ganz wesentlichen Teil ihres attraktiven Programms mit dem Sport bestreiten, alles zu tun, um den Erfolg der „Glücksspirale" sicherzustellen. ({4}) Meine Damen und Herren, die moderne Gesellschaft erwartet heute von ihren Spitzensportlern, daß sie sich jederzeit zur Verfügung halten. Sie identifiziert sich mit ihnen und verleiht ihnen ein ungewöhnliches Maß an Prestige. Unsere Gesellschaft handelt aber verantwortunglos, wenn sie ihre Spitzensportler in dem heute üblichen Maß in Anspruch nimmt, von ihnen verlangt, daß sie der Jugend mit gutem Beispiel vorangehen, asketisch leben und Opfer vieler Art bringen, die Lösung der aufgeworfenen sozialen Probleme in Schule und Beruf mit dem Numerus clausus und verlorenen Semestern dagegen dem einzelnen selbst überläßt. Hier bleibt noch viel zu tun. Man kann diese Debatte nicht ohne einen Blick auf die modernen Olympischen Spiele schließen, die mit denen der alten Griechen nichts mehr zu tun haben, auch wenn immer wieder an sie anzuknüpfen versucht wird. Es sind die Spiele unserer Zeit, so gut und so schlecht wie die Welt, in der wir leben. ({5}) Den Griechen - kein Zweifel - haben die Spiele Frieden gebracht, ihren Frieden. Unsere Spiele können nur die Hoffnung auf Frieden bestärken, selbst Frieden zu stiften, vermögen sie nicht. ({6}) Das hat der Anschlag der palästinensischen Terroristen auf die bis dahin heiteren Spiele von München am 5. September 1972 weltweit vorgeführt. Nicht erst seit diesem Tag sind die Olympischen Spiele von Grund auf politisch. Mit ihren Prinzipien setzen sie nämlich die politische Aufgabe der Menschen, Völker und Staaten ins rechte Licht. Nicht der Wettkampf oder gar der Sieg sind die Grundlage der Spiele, sondern der Friede, der erst Sieg und Niederlage vereint und versöhnt: Weil sie beide zum Frieden, dieser höchsten politischen Leistung der Menschen, beigetragen haben, kann der Sieger sich freuen, braucht der Verlierer sich nicht zu schämen. Dies alles steht nicht mehr im Sportbericht der Bundesregierung, meine Damen und Herren, und es läßt sich auch nicht in Prozentzahlen staatlicher Sportförderung ausdrücken, so daß man daraus ableiten könnte, wie abhängig oder unabhängig der Sport in unserem Lande doch sei. Dies alles hat eigentlich gar nichts mit Zahlen zu tun, sondern nur damit, wie wir es mit unserem Demokratieverständnis halten. Dennoch scheint es mir wichtig zu sein, daß dies in dieser Stunde ausgesprochen wird, damit die politische Linie aufgezeigt wird, auf der wir angetreten sind. Die Entscheidungen in diesem Hohen Hause und in den beteiligten Bundesministerien werden schneller und werden sicherer fallen, wenn alle wissen, was hinter den Zahlen steht: ein großes Programm bürgerlicher Selbsthilfe nämlich, dessen freie und freiwillige Leistung ungezählter stiller Helfer die subsidiäre staatliche Förderung zum Wohle des einzelnen und der Gesellschaft vervielfacht, wie wir es sonst kaum noch kennen. ({7}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Spilker.

Dr. h. c. Karl Heinz Spilker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man einmal den Dritten Sportbericht der Bundesregierung betrachtet, ihn einmal durchblättert und sich sein ausführliches Inhaltsverzeichnis ansieht, dann müßten eigentlich alle Interessierten aus dem Bereich des Sports, der Politik und von den Regierungsparteien verstehen, warum die Opposition bereits vor Jahren, nämlich schon in der letzten Legislaturperiode, einen Bundessportplan beantragt und vorgelegt hat. Das tat sie nicht, Herr Minister, wie Sie in der Sportdebatte des Bundestages am 4. November 1974 meinten, um den Sport zu verplanen oder gar mehr Bürokratie in den Sport eindringen zu lassen - das liegt uns fern -, sondern um den Sport und seine Verbände mit ihren mehr als 40 000 Vereinen freier und unabhängiger zu machen. Es entspricht nicht der Politik der CDU/CSU-Fraktion, nach mehr Staat zu rufen; im Gegenteil! Das gilt auch für den Deutschen Sportbund angesichts seiner nach unserer Auffassung noch zu starken Abhängigkeit von der Bundesregierung, wie der Präsident des Deutschen Sportbundes, Willy Weyer, vor nicht allzu langer Zeit einmal kritisch bemerkte. Unser Bundessportplan, meine Damen und Herren, sollte mehr Überblick verschaffen, mehr Gewißheit für den Sport bringen und endlich einmal den Wirrwarr von Zuständigkeiten beenden, der für den Außenstehenden, für den Sportler, für die Vereine kaum noch zu durchschauen ist. Wenn wir nach dem Durchblättern des Sportberichts - des „vorolympischen" Sportberichts - dazu übergehen, ihn zu lesen und seinen Inhalt zu studieren, werden wir daran gleich erinnert. Über die Zuständigkeiten heißt es dort: Innerhalb der Bundesregierung ist der Bundesminister des Innern für alle Angelegenheiten des Sports zuständig, soweit nicht ressortakzessorische Sonderzuständigkeiten anderer Minister bestehen. Das ist eigentlich nicht die Sprache des Sports, meine Damen und Herren. Dieser Satz über Zuständigkeiten bedarf keines weiteren Kommentars. In der heutigen Debatte darf ich für unsere gesamte Fraktion noch einmal betonen, daß es bei unserer alten, Ihnen bekannten Forderung nach möglichst großer Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Sports bleibt. ({0}) Wenn wir weniger Staat fordern, meine Damen und Herren, mögen Sie ruhig wieder einmal einen Blick auf die Sportförderung in Rheinland-Pfalz oder im Freistaat Bayern werfen. Dort läßt der Staat dem Bayerischen Landessportverband bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel größtmögliche Freiheit. Das ist nach unserer Auffassung ein vorbildliches Modell für Sportförderung, ({1}) mit dem der Bayerische Landessportverband mit seinen vielen tausend Vereinen äußerst zufrieden ist. Sie werden mir zugeben müssen, daß eine solche Praxis nicht mehr, sondern gewiß weniger Staat bedeutet. Und Sie, Herr Minister, werden mir auch als Jurist bestätigen, daß es sich hier nicht um Verplanung oder gar um Verstaatlichung des Sports handelt. In der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, darf ich noch einen ganz anderen Gedankengang vortragen, der mir wichtig erscheint. In dem Sportbericht der Bundesregierung wird auf mehreren Seiten von der Sportförderung in den Entwicklungsländern gesprochen, die wir im Grundsatz ebenfalls begrüßen. Für den innerdeutschen Sportverkehr haben Sie dagegen nur eine knappe Seite übrig, und ich muß Ihnen hier ausdrücklich bestätigen, daß Sie hier auch nichts zu bieten haben. Herr Kollege Dr. Müller-Emmert erklärte in diesem Zusammenhang in der bereits erwähnten 131. Sitzung des Deutschen Bundestages, für die Deutschland- und Ostpolitik der Bundesregierung seien ganz fraglos Vorbehalte abgebaut und neue Beziehungen eingeleitet und entwickelt worden. Ob er das wohl noch glaubt, meine Damen und Herren? Ob er heute noch zu seinen damaligen Ausführungen steht, nach denen die Zugehörigkeit des Westberliner Sports zu den Sportorganisationen der Bundesrepublik Deutschland für die Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit ist? Wir können hier ganz aktuell werden und feststellen, daß es durch eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Turn- und Sportbund der DDR tatsächlich „gelungen" ist, für 1976 sage und schreibe 62 Wettkampftermine festzulegen. ({2}) Davon sind allerdings 44 internationale Veranstaltungen mit multilateraler Beteiligung. Wie steht es nun mit West-Berlin und seinen Bindungen zum Bund? Wir kennen doch die Versuche der Sowjetunion, diese auszuhöhlen. Uns ist auch die Forderung der Sowjetunion bekannt, zu nichtstaatlichen Veranstaltungen in Berlin nicht nur von der veranstaltenden Organisation - wie das sonst üblich ist -, sondern darüber hinaus vom Berliner Senat eingeladen zu werden. Das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Schritt der Sowjetunion - und zwar nach Abschluß des Viermächteabkommens -, die Bindung zwischen West-Berlin und dem Bund neu zu interpretieren und eine Besserung zugunsten der Sowjetunion zu erreichen. Sie werden vielleicht fragen, was das mit dem Sport zu tun hat. Sehr viel! Oder stimmt es etwa nicht, meine Damen und Herren, daß sich die Sowjetunion anläßlich der Vorbereitungen zu den im März dieses Jahres in Berlin stattfindenden Sprintweltmeisterschaften im Eisschnellauf wiederum so verhalten hat? Was ist das - um konkret zu sein - für ein Theater mit der Einladung der Sowjetunion zu diesen Meisterschaften? Warum verlangt sie eine besondere Einladung des Senats, nachdem wir uns hier im privaten, im sportlichen, aber ganz gewiß nicht im staatlichen Bereich befinden? ({3}) Meine Damen und Herren, die Sowjetunion versucht seit langem, entgegen dem Viermächteabkommen auch für Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen in West-Berlin eine Einladungspraxis durchzusetzen, die eine Trennung West-Berlins vom Bund dokumentieren soll. Wenn Regierungssprecher Grünewald von einer zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Sowjetunion entwikkelten neuen Einladungsformel für nichtstaatliche Veranstaltungen spricht, durch die es der Sowjetunion ermöglicht werden soll, in solchen Fällen Vertreter nach West-Berlin zu schicken, so müssen wir das wohl glauben, auch wenn diese Äußerungen im Widerspruch zur Äußerung von Staatsminister Moersch in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 15. Januar dieses Jahres stehen. Wir wissen, daß über eine solche Formel bereits seit Jahren verhandelt und gesprochen wurde, und, meine Damen und Herren, Sie raten sicher nicht falsch, wenn Sie hier an den damaligen Sonderminister Bahr denken, der bei solchen Verhandlungen, die wir nicht kannten, Spezialist war. Es handelt sich im übrigen um eine Formel, die vom Deutschen Sportbund nicht anerkannt worden ist, um eine Formei, die es der Sowjetunion im Augenblick wieder ratsam und politisch aussichtsreich erscheinen läßt, neue Forderungen zu stellen, wie jetzt auch bei den Sprintweltmeisterschaften in Berlin, von denen ich eben sprach, bei denen ebenfalls eine zusätzliche Einladung des Berliner Senats gefordert wird. Fast wäre es ihr gelungen, ihr Ziel zu erreichen, oder, wie eine bekannte deutsche Zeitung neulich schrieb, fast hätte der Kreml den Berliner Senat aufs Eis gelockt, den Senat, von dem Staatsminister Moersch in der Fragestunde, die ich eben erwähnte, sagte, er stehe in dieser Frage im ständigen Kontakt mit der Bundesregierung. Warum, meine Damen und Herren, erwähne ich dies alles? Vor Jahren hat es zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil Deutschlands Sportveranstaltungen in einem Ausmaß gegeben, von dem man heute nur noch träumen kann. Das verschlechterte sich zwar - daran kann es keinen Zweifel geben -, ist aber nach dem Viermächteabkommen und nach den Verträgen von Moskau und Warschau gewiß nicht besser geworden. Die wenigen Sportveranstaltungen im innerdeutschen Verkehr, die zwischen den Spitzenorganisationen für ein ganzes Jahr verabredet werden müssen, erfordern gewiß einen - ich würde fast sagen - bombastischen Aufwand. Wo gibt es das eigentlich in der freiheitlichen Welt, wo gibt es das bei vernünftigen Menschen? Ist das der Erfolg Ihrer Außenpolitik, Herr Minister? Ist es der Erfolg der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung? Ist das vielleicht sogar die Freizügigkeit, von der man bei der KSZE immer wieder gesprochen hat? Hier - das möchte ich doch noch einmal mit Nachdruck betonen dürfen - ist die Politik der Bundesregierung genauso erfolglos geblieben wie auf anderen Gebieten. ({4}) In der gestrigen Debatte über die Lage der Nation wurde unter anderem vom Bundeskanzler und von Bundesminister Genscher über Außenpolitik, die deutsche Nation, den Status von Berlin und natürlich über Entspannungspolitik gesprochen. Auch und gerade in dieser Sportdebatte möchte ich dies sagen: Sicherlich soll der Sport zur Verständigung zwischen Völkern und Menschen das Seine beitragen, weil er dafür besonders geeignet ist. In den innerdeutschen Beziehungen wird jedoch dieser Sport von der anderen Seite politisch mißbraucht. Er wird mißbraucht, um die internationale Position der Sowjetunion, der DDR oder gar des Ostblocks zu verbessern. ({5}) Die Deutschlandpolitik und die Ostpolitik dieser Bundesregierung waren - wie wir sehen - nicht in der Lage, das zu verhindern. Dies, meine Damen und Herren, steht nicht in dem Sportbericht dieser Bundesregierung, über den wir heute debattieren. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was hier von der Opposition gesagt wird, hat die berühmten zwei Gesichter: Gestern ist alles verneint worden; heute sagt Herr Kollege Spilker - was ja auch gestern anklang -, man könne ohnehin nicht mit der anderen Seite reden, und er beklagt dann, daß die Bundesregierung nicht mehr erreicht habe. Meine Damen und Herren, in Wirklichkeit -das wissen Sie genau, Herr Kollege - ist auf den vielfältigsten Gebieten sehr, sehr viel geschehen und erreicht worden. ({0}) - Herr Kollege Kraske, wir sind uns doch alle einig: Sinn und Ziel aller Sport- und Jugendbeziehungen muß es sein, daß sie sich unabhängig vom Staat vollziehen. Wir wissen aber, das geht im innerdeutschen Bereich, in der Dritten Welt und in vielen anderen Teilen der Welt nicht ohne Hilfe und Unterstützung des Staates, des Bundes und auch der auswärtigen Vertretungen. Diese Hilfe haben wir geleistet, und sie hat auf vielen Gebieten zu hervorragenden Verbesserungen und besseren Voraussetzungen geführt. Ich will noch einmal zum innerdeutschen Sportverkehr auf das Protokoll des Deutschen Sportbundes vom 8. Mai als Grundlage verweisen. Es ist uns gelungen, die Sportorganisationen von West-Berlin in die innerdeutschen Beziehungen voll einzubeziehen. Das ist der entscheidende Punkt. Es geht um die zahlenmäßige Ausweitung und einen möglichst unbürokratischen Abschluß künftiger Begegnungen auf Vereins- und Verbandsebene. Die Entwicklungen hat Herr Kollege Spilker noch einmal in die Erinnerung zurückgerufen. Von 19 Begegnungen im Jahre 1970 sind wir immerhin 1975/76 auf 62 gekommen. Ich kann nur sagen: Wir müssen diese Möglichkeiten ausnutzen und auch die Organisationshilfen der Gemeinden in Anspruch nehmen. Vielleicht ergibt sich auch hier ein Schritt auf dem Wege zu kommunalpolitischen Kontakten. Die SPD hat in ihrer Deutschlandpolitik den Sport- und Jugendbeziehungen in diesem Sinne stets einen hohen politisch-humanitären Rang zuerkannt. Sie haben das anders gesehen. Ich darf nur daran erinnern, mit welchen Geschossen Sie damals gegen die sportpolitischen Leitsätze von 1964 vorgegangen sind, mit denen wir damals aufgefordert haben, die 1961 unterbrochenen Sportbeziehungen wiederaufzunehmen. Sie wollten das gar nicht. Heute sind Sie auch da wieder in der Nachhut. Meine Damen und Herren, Herbert Wehner hat das kürzlich noch einmal verdeutlicht, indem er erklärte: Auch von den DDR-Verantwortlichen muß erwartet werden, daß sie die eingegangenen Verpflichtungen zum Nutzen der Sportler in beiden deutschen Staaten ohne Klimmzüge und vollinhaltlich erfüllen. Dies bedeutet zugleich, daß die positiven Ergebnisse politischer Vereinbarungen ebenfalls Auswirkungen auf die Ausweitung der Sport- und Jugendbeziehungen im innerdeutschen Bereich haben müssen. Die SPD wird wie bisher als helfende und beratende Kraft zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, wir sollten - nicht, wie das gestern geschehen ist - dazu beitragen, daß die zusätzlichen Möglichkeiten aus den Schlußdokumenten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa für die jungen Mitbürger in allen Ländern genutzt werden können. Es wird in zwei Jahren mit unsere Aufgabe sein, hier einmal Bilanz zu ziehen. Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, Sie melden sich immer nur dann zu Wort, wenn es irgendwo im Getriebe knirscht, statt dazu beizutragen, daß wir die Reibungsflächen vermeiden oder beseitigen. Bei Ihrer Kritik sollten Sie auch nicht übersehen, daß wir ohnehin fast 7 Millionen Kontakte haben, wie das gestern deutlich gemacht worden ist. Es sind viele Millionen junger Menschen, die von diesen Kontakten Gebrauch machen. Sie sind nun einmal in diesen innerdeutschen Beziehungen kein wegweisender und vertrauenswürdiger Partner, der Beziehungen ankurbelt, sondern Sie befinden sich in diesen Fragen in der Nachhut. Unser sportpolitischer Beistand gehört aber vor allem den Vereinen und Verbänden in Berlin. Sie kennen das. Das ist hier auch deutlich gemacht worden und steht klar im Bericht der Bundesregierung. Wir haben dem vom Deutschen Sportbund geäußerten Wunsch entsprochen, die Errichtung einer Führungs- und Verwaltungsschule für den Deutschen Sportbund in Berlin zu fördern. Bei diesem Vertrauensbeweis bleibt es. Trotz aller Sparmaßnahmen ist der Anteil des Bundes inzwischen auf 2,7 bis 2,8 Millionen DM erhöht worden. Meine Damen und Herren, daß Herr Wohlrabe hier natürlich versucht, die zweifelsfreie Bereitschaft der Bundesregierung in Frage zu stellen, ist ein Teil seiner täglichen Strategie, in die Zeilen der Presse zu kommen. Es wertet aber unsere Bemühungen für Berlin nicht ab. Die sich abzeichnende Entwicklung zur Ausrichtung der EisschnellaufWeltmeisterschaft in Berlin zeigt erneut, daß es den selbstverständlichen Bindungen und der Zusammengehörigkeit der Menschen in Berlin und im Bundesgebiet wenig dienlich ist, auf jede TASS-Zeile oder Ostberliner Stimme aufgeregt zu reagieren und die Aufgeregtheiten auch noch durch eigene Beiträge anzureichern. Meine Damen und Herren, noch niemals sind so viele internationale Sportveranstaltungen auch unter Beteiligung der DDR und osteuropäischer Länder in Berlin vor sich gegangen und wird es noch geben wie zwischen 1974 und 1978, von der Fußballweltmeisterschaft bis zu den Schwimm-Weitmeisterschaften des Jahres 1978. Bei unseren Bemühungen gilt auch hier, das Zusammenleben mit den Völkern in Ost- und Südosteuropa durch Sport- und Jugendbeziehungen zu unterstützen. Sie wissen, daß wir bei der Normalisierung dieser Beziehungen immer wieder bei den Kulturabkommen den Sport und die Sportverbindungen einbezogen haben, um eine Verbesserung dieser Beziehungen zu erreichen. Zur Erleichterung der Begegnung von Sportlern und Mannschaften sowie sportwissenschaftlichen und sportfachlichen Delegationen standen dem Auswärtigem Amt zahlreiche Mittel zur Verfügung. Ich darf nur sagen: mit der Steigerung von 22 auf rund 100 Begegnungen wird die Entwicklung deutlich. Vizepräsident von Hassel: Herr Kollege Dr. Schmitt-Vockenhausen, die für Sie gemeldete Zeit ist schon abgelaufen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich weiß es. ({0}) Ich darf hier noch einmal sagen: Nehmen Sie den Sportbericht der Bundesregierung über die Verbindung zur Dritten Welt noch einmal vor, und nehmen Sie insbesondere die Erfolge in den Beziehungen zur Dritten Welt vor, um zu sehen, was die Bundesrepublik geleistet hat. Dieser Rechenschaftsbericht zeigt eindeutig: Wir haben unseren Beitrag geleistet und werden ihn in diesem Sinne auch in der Zukunft für den Sport und die Verbindung zur Welt leisten. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Mischnick. ({2}) - Verzeihung, jetzt ist Herr Mischnick dran. Er wird etwa fünf Minuten sprechen. Danach folgt zum Abschluß die Opposition; ihr stehen 20 Minuten zur Verfügung.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch die SportMischnick sprecher unter den Fraktionen zu einer anderen Lösung gekommen waren, so bin ich selbstverständlich gern bereit, jetzt die wenigen Minuten in Anspruch zu nehmen. Herr Kollege Schäuble, Sie haben von dem Tauziehen um die Glücksspirale gesprochen. Wir bedauern das alle; wir sind gemeinsam dieser Meinung. Nur darf ich darauf hinweisen, daß es in den Gremien der Rundfunkanstalten der ARD wie beim ZDF Vertreter aller politischen Richtungen gibt. Vielleicht wäre es eine gute Aufgabe, auch in diesen Gremien darauf hinzuweisen, daß es unser gemeinsamer Wille ist, daß diese Glücksspirale möglichst schnell über die Bühne geht. Hier sollte man nicht nur die Forderung aufstellen, sondern überall da, wo man die Möglichkeit hat, Einfluß zu nehmen, diesen nutzen. Wenn sich die Herren Intendanten dagegen wehren, wär es vielleicht gut, darauf aufmerksam zu machen, welche gesamtpolitische Bedeutung wir der Glücksspirale beimessen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß die Frage der Sportbriefmarke lange Diskussionen ausgelöst hat. Wir sind zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen. Wenn Sie allerdings heute in einem Antrag für die Jahre 1977 ff. schon die Entscheidung fällen wollen, so bin ich nicht der Meinung, daß das diesem Unterfangen nützlich ist. Denn Sie wissen genauso wie wir, daß zur Zeit Gespräche im Gange sind, um für die nächsten Jahre die verschiedenen Zuschlagsmarken - Jugendmarke, Wohlfahrtsmarke, Sportmarke - miteinander in Einklang zu bringen, um zu vermeiden, daß jährlich eine Auseinandersetzung geführt wird. Ich würde es deshalb nicht für richtig halten, diese Bemühungen in diesem Augenblick durch einen Beschluß zu stören. Wir wissen ganz genau, wie groß der Widerstand gegen die Sportmarke von verschiedenen Seiten gewesen ist. Ich möchte nicht, daß dieser Widerstand erneut provoziert wird, bevor diese Gespräche geführt worden sind. Sie können sicher sein, daß wir Freien Demokraten alle Bemühungen unterstützen werden, auch in den nächsten Jahren eine solche Sportmarke zu ermöglichen. Es ist von Ihnen, Herr Kollege Schäuble, und vom Kollegen Spilker davon gesprochen worden, daß in der Frage des Berichtes der Bundesregierung nicht alle Punkte erwähnt sind. Natürlich ist das nicht möglich, aber auf eines darf ich doch hinweisen. Sie, Herr Kollege Schäuble, wissen ganz genau - und ich bin sicher, daß Sie das genauso sehen wie wir -, daß wir bespielsweise bei den Bemühungen um Spendenbescheinigungen für die Sportverbände oder bei den Bemühungen, die für die Abgabenordnung beste Lösung zu finden, hier eine gemeinsame Basis haben. Wenn aber die Landesfinanzminister anderer Auffassung sind als der Bundesfinanzminister oder wenn Bundes- und Landesfinanzminister gemeinsam anderer Auffassung sind ({0}) - ich habe hier alles erwähnt, keine Sorge! -, dann ist das eine Frage, die wir nicht nur im Bundestag, sondern auch über die Landtage behandeln müssen. Denn Sie wissen ja, daß wir keine Bundesfinanzverwaltung haben und hier demzufolge auch die Landesfinanzverwaltungen einzuschalten sind, also auf beiden Ebenen die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden müssen. Herr Kollege Spilker hat die innerdeutschen Sportbeziehungen angesprochen; Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat auch einiges dazu gesagt. Folgendes darf aber auch nicht unerwähnt bleiben: Natürlich sind 62 Sportbegegnungen, die ausgemacht sind, nicht das, was wir uns vorstellen. Aber wir erwarten, daß die Sportbegegnungen, die ausgemacht wurden, auch von der Seite des Deutschen Sportbundes bzw. seiner Verbände und Vereine voll wahrgenommen werden und nicht ausfallen, weil man plötzlich auf unserer Seite Bedenken bekommen hat oder andere Überlegungen anstellt; denn dadurch geben wir der anderen Seite einen Vorwand, zu sagen, es werden gar nicht so viele Begegnungen gebraucht. Ich möchte nur noch eine Bemerkung machen, da mir nur fünf Minuten zur Verfügung stehen. Es ist darauf hingewiesen worden, daß Sport und Politik in einem positiven Wechselverhältnis stehen sollen und müssen. Natürlich wird man vom Staat in bezug auf den Sport immer mehr verlangen, als der Staat zu geben in der Lage ist. Selbstverständlich werden wir uns bemühen, dies zu verbessern. Ich bin der Meinung, daß ein vertiefter Dialog zwischen Sport und Politik günstig für beide Seiten ist. Sorgen wir allerdings sowohl dafür, daß die richtige Würdigung des Einsatzes der Politik für den Sport erfolgt, als auch dafür, daß umgekehrt nicht der Fehler gemacht wird, nun zu glauben, daß der Sport ein besonders günstiges Wahlkampfthema sei. Wir sollten hier die alte Grundlage beibehalten, nämlich den Sport als eine gemeinsame Sache wahrzunehmen, zwar unterschiedlich in der Beurteilung dieses oder jenes Details, aber wir sollten den Sport nicht als ein besonders geeignetes Mittel für den Wahlkampf ansehen. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Die nächste Wortmeldung kommt von dem Herrn Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sportbericht der Bundesregierung ist eine Fleißarbeit, die wir als solche anerkennen. Wir sprechen diese Anerkennung aus, auch wenn wir in dem Sportbericht die politische Aussage als eine zukunftsbezogene Richtlinie über das, was die langfristigen Zielsetzungen der Bundesregierung sind, gern deutlicher artikuliert gesehen hätten. Wir sprechen dem Bundesminister des Innern auch die Anerkennung für sein persönliches Engagement für die Sportförderung aus, genauso wie den Beamten des Bundesministeriums des Innern. Wir stellen fest, Herr Minister Maihofer, daß die Sportförderungsmittel im Bundeshaushalt trotz der Haushaltslage auf 234 Millionen DM in diesem Jahr gestiegen sind nach 229 und 219 Millionen DM in den Vorjahren. Das heißt, das, was der Bund für die Sportförderung 1976 zu tun beabsichtigt, nähert sich jetzt der Grenze von 250 Millionen DM, die schon seit einigen Jahren als die Aufwendungen des Bundes auf diesem Gebiet im Gespräch sind. Dies anzuerkennen heißt allerdings nicht, daß 234 Millionen DM bei einem Etatvolumen von 168 Milliarden DM mehr sind als ganze 0,14 % der Gesamtausgaben des Bundes. Wenn wir für diesen Anteil der Sportförderungsmittel den Vergleich mit den Ausgaben im Vorjahr und im Jahre 1974 ziehen, stellen wir fest, daß ein Rückgang dieses prozentualen Anteils von 0,16 über 0,15 auf 0,14 % in diesem Jahr zu verzeichnen ist. Das bedeutet einen relativen Rückgang um 13 % in zwei Jahren. Trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, ruft die Opposition angesichts der Haushaltslage des Bundes heute nicht nach mehr finanziellen Mitteln für den Sport. Wir sprechen Sie nicht von der Verantwortung für diese Entwicklung der Haushaltslage frei, aber wir werfen angesichts der weitgehenden Lähmung der öffentlichen Haushalte die Frage auf, welche anderen Wege wir bei dieser Situation verstärkt beschreiten müssen, um für den Sport das zu tun, was notwendig ist. Und wir verbinden damit eine weitere Frage, meine Damen und Herren: Helfen wir denn dem Sport mit immer höheren staalichen Finanzzuweisungen eigentlich so, wie wir alle es möchten? Wäre es nicht besser, Herr Bundesminister Maihofer, daß wir gemeinsam unsere Anstrengungen verstärkten, an Stelle der nicht verfügbaren finanziellen Mittel die eigenen Bemühungen des Sportes zu unterstützen, sich aus eigener Kraft zu helfen? Wir von der CDU/CSU glauben, daß wir die Unabhängigkeit des Sports in höherem Maße fördern, wenn wir alle Möglichkeiten des Staates nützen, den Sport durch administrative Hilfestellungen in die Lage zu versetzen, sich mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, aus eigener Kraft selbst zu helfen. ({0}) Wir meinen, daß hier viel zu tun ist. Ich darf in diesem Zusammenhang an die hier schon mehrfach zitierte Sportbriefmarke erinnern, deren Verkauf noch in allerletzter Minute für das Jahr 1976 beschlossen werden konnte. Aber ich stehe nicht an, zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Tauziehen, das Hin und Her und das Hickhack um diese Sportbriefmarke waren ein beschämender Vorgang, ({1}) weil die Bundesregierung hier trotz einstimmiger Beschlüsse der Deutschen Sportkonferenz und trotz eines einstimmigen Beschlusses des Sportausschusses des Deutschen Bundestages nicht in der Lage gewesen ist, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß die notwendige Hilfestellung gegeben worden ist, damit sich die Deutsche Sporthilfe die erforderlichen Finanzierungsmittel nicht aus öffentlichen Mitteln beschaffen muß, sondern dies aus privaten Mitteln tun kann. Ich glaube auch nicht, Herr Kollege Mischnick, daß wir heute dieses Faktum der Sportbriefmarke 1976 mit vier Postwertzeichen mit Zuschlag ohne die entsprechende Beschlußfassung auch im Sportausschuß des Deutschen Bundestages hätten. ({2}) - Wenn Sie mir hierin freundlicherweise zustimmen, dann möchte ich sagen: Genau in diese Richtung zielt auch der Antrag, den wir heute hier einzubringen haben und bei dem wir Sie um Ihre Zustimmung bitten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mischnick? - Bitte schön!

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Evers, darf ich Sie aber auch daran erinnern, daß ein anderer Ausschuß dieses Hauses genauso einstimmig einen anderen Beschluß gefaßt hatte und daß ich mit meinem Hinweis vermeiden wollte, daß wir in eine Gegenüberstellung zweier Ausschüsse dieses Hauses kommen und damit das Ganze gefährden. ({0})

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Sache, um die es geht, Herr Kollege Mischnick - und das ist das Entscheidende -, ist die langfristige Konsolidierung der Deutschen Sporthilfe aus eigener Kraft mit der Hilfe des Bundes. ({0}) Das ist das Ziel unseres Antrages, wie wir ihn auf Drucksache 7/4637 formuliert haben. Diesem Antrag sollten Sie zustimmen. ({1}) Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen auch alle miteinander dafür sorgen, daß die Bundesregierung die Deutsche Sporthilfe endlich von den Ausgaben entlastet, die die Deutsche Sporthilfe übernimmt, obwohl die Zuständigkeit des Bundes für diese Ausgaben ganz eindeutig gegeben ist, Herr Bundesminister Maihofer. Wir haben dies in einer Kleinen Anfrage an Sie sehr präzisiert. Ich weise darauf hin, daß die Deutsche Sporthilfe in den letzten Jahren 800 000 DM pro Jahr aus eigenen Mitteln finanziert hat, die von Ihnen zu finanzieren gewesen wären. Hier liegt der Bereich, in dem Sie durch Übernahme dieser in die Zuständigkeit des Bundes fallenden Aufgaben dafür sorgen sollten, daß die Kraft der Sporthilfe zur Selbsthilfe nicht weiter beeinträchtigt, sondern verstärkt wird. Zwar wird die „Glücksspirale" - hier ist das Wort „Tauziehen" ja ebenfalls gefallen - in diesem Jahr nunmehr durchgeführt, aber erst nach den Olympischen Spielen von Montreal und mit einer völlig unzureichenden werblichen Vorbereitung durch die Rundfunkanstalten. So wie dies jetzt nach den Olympischen Spielen vorgesehen ist, ohne Auftaktsendung und ohne Ziehungssendung, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die „Glücksspirale" in diesem Jahr nicht den erhofften Überschuß für den Deutschen Sportbund erbringen. Es muß unser aller Bemühen sein - hier fordere ich insbesondere die Bundesregierung auf -, auf die Rundfunkanstalten einzuwirken, daß die Beschlüsse, die hier bereits gefaßt worden sind, verbessert werden, weil dies dringend notwendig ist, um die eigenen Finanzmittel des Deutschen Sportbundes zu stärken. ({2}) Diese Mittel, meine sehr geehrten Damen und Herren, die aus Briefmarke und Glücksspirale dem deutschen Sport, d. h. der Deutschen Sporthilfe und dem Deutschen Sportbund, zufließen, sollten nun wirklich Mittel sein, die den Sportorganisationen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Es wäre doch ein beschämender Vorgang, wenn diese zusätzlichen Mittel, die keine öffentlichen Mittel sind, nur dazu benutzt würden, um die öffentlichen Zuweisungen zu kürzen. ({3}) Wir alle wissen, daß bei dem Tauziehen um die Folgekosten der Führungs- und Verwaltungsschule in West-Berlin diese Frage im Hintergrund steht, ob die zusätzlichen Mittel nun wirklich den Sport endlich einmal in die Lage versetzen, mehr zu tun als bisher, oder ob dies angerechnet werden soll auf das, was bisher vom Bund getan worden ist. In diesen Beispielskomplex gehören die Entscheidungen über die Abgabenordnung hinein, die insbesondere dadurch unbefriedigend sind, daß die Begünstigung sportlicher Maßnahmen leider ausgeschlossen worden ist. Diese Entscheidung wurde von einer Mehrheit des Hauses gegen den Antrag der Opposition getroffen. Wir müssen uns weiter um die Spendenbescheinigungskompetenz der Vereine bemühen, und wir müsssen versuchen, über die Reform der Körperschaftsteuer das wieder auszubügeln, was bei der Abgabenordnung leider nicht gelungen ist. Ich weiß nicht, Herr Bundesminister Maihofer, wie Sie die Bilanz der Sportförderung Ihres Hauses sehen, wenn Sie sich die Tasache vergegenwärtigen, daß die Trimm-Dich-Aktion des Deutschen Sportbundes, eine Aktion, die 10 Millionen Menschen mobilisiert hat und die in der Größe der Beteiligung wahrscheinlich beispielhaft in der Welt ist, weil es nichts Gleichartiges gibt, von der Bundesregierung mit ganzen 10 Prozent bezuschußt wird. Die Bundesregierung läßt den Träger dieser Maßnahme, den Deutschen Sportbund, damit allein, daß er sich 90 Prozent dieser Kosten allein und außerhalb des Haushalts von Sponsoren beschaffen muß. Ich glaube, dies ist eine Regelung, die verbesserungsfähig ist, die verbessert werden muß. Dies sollten wir hier gemeinsam feststellen, ebenso wie wir, wenn wir nicht mehr finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt fordern, die Selbstbindung des Bundes fördern müssen, wie wir sie im Antrag der CDU/ CSU zum Sportplan verlangt haben. Wir müssen gemeinsam darauf hinwirken, daß die Organisationen des Sports in höherem Maße als Vertreter des öffentlichen Interesses anerkannt werden, als das bisher noch der Fall ist. Zu dem, was im Sportbericht der Bundesregierung als Leistungssportplan bezeichnet worden ist: Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist eine Auflistung der Förderungsmaßnahmen, die konkret eingeleitet worden sind oder beabsichtigt werden. Ich begrüße es, daß hier einige Worte - dies ist eine Weiterentwicklung - über die Position der Vereine gesagt worden sind. Wir unterstreichen dies und werden uns dem anschließen. Wir vermissen aber eine Aussage darüber, wie denn die Bundesregierung die Position des deutschen Spitzensports im internationalen Vergleich wertet, wie sie der Herausforderung anderer Länder mit Staatsamateuren oder Hochschulamateuren zu begegnen wünscht. Wir meinen, daß hier in der Sportförderung ein Umdenken erforderlich ist. Wir müssen alle gemeinsam dafür Sorge tragen, die ideelle Motivierung unserer Athleten zu verbessern. Das gleiche gilt für ihre personelle Motivation. Wir brauchen einen Ausgleich für die Privilegien, die Staatsamateure in totalitären Staaten von der Regierung erhalten können. Das Silberne Lorbeerblatt und das, was in unserem Lande bisher über den Numerus clausus beschlossen worden ist, reicht dafür nicht aus. ({4}) Wir brauchen für unsere Athleten so etwas Ähnliches wie die Pille danach, d. h., wir brauchen einen Maßnahmenkatalog, der unseren Athleten die Nachteile während ihrer aktiven Zeit nach Beendigung der aktiven Laufbahn ausgleichen hilft. Wenn wir nicht noch mehr Geld für den Sport zur Verfügung stellen können: die Opposition wird dies angesichts der Finanzlage akzeptieren. Wir müssen dann aber die Fähigkeit des Sports zur Selbsthilfe durch die Maßnahmen, die ich Ihnen hier eben vorgetragen habe, stärken. Unterstützen Sie deshalb unseren Antrag, Spitzensportlern den Zugang zum Sportstudium zu ermöglichen, wenn sie die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, ({5}) und arbeiten Sie an einer langfristigen Konsolidierung mit, indem die finanzielle Leistungsfähigkeit der Deutschen Sporthilfe durch jährliche Sondermarken auf eine gesunde Basis gestellt wird. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 7/3902. Die Ziffern i bis 4 scheinen mir unumstritten zu sein. Ich lasse darüber abstimmen. Wer diesen Ziffern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Weder Enthaltungen noch Gegenstimmen; einstimmig beschlossen. Vizepräsident Dr. Jaeger Ich komme zu Ziffer 5 des Ausschußantrages. Hierzu beantragt die Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4637 unter Ziffer 1, eine Änderung zu beschließen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Dann lasse ich über Ziffer 5 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Dann komme ich zu den Punkten 6 und 7 des Ausschußantrages. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Angenommen. Ich komme zu Ziffer 8 des Ausschußantrages. Hier muß ich zuerst über den Änderungsantrag aller Fraktionen des Hauses auf Drucksache 7/4669, die Ziffer 8 des Ausschußantrages zu streichen, abstimmen lassen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({0}) - Das ist aber doch ein Antrag aller Fraktionen des Hauses. So steht es auf dem Antrag. ({1}) - Also, wer ist für Streichung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist Ziffer 8 des Ausschußantrages ohne Gegenstimmen bei Enthaltungen gestrichen. Damit ist der Fall erledigt, und damit entfällt auch der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4637 unter Ziffer 2. ({2}) - Verzeihen Sie, ich hatte ja nicht den Vorzug, die Geschäfte des Präsidenten zu führen, während die Debatte stattfand. Mir wurde die Sache mit der Bemerkung übergeben: zuerst Abstimmung über den Streichungsantrag, dann ist das andere erledigt. Nach den Gesetzen der Logik scheint mir das auch richtig zu sein. ({3}) - Das Wort können Sie haben. Bitte, Herr Dr. Schäuble!

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht. Die Sachlage ist die, daß die bisherige Fassung der Ziffer 8 in der von der Ausschußmehrheit beschlossenen Formulierung in der Tat gegenstandslos geworden ist. Deswegen bezieht sich der gemeinsame Antrag aller Fraktionen auf Streichung der Ziffer 8 auf diese Fassung. Würde die Ziffer 8 aber so formuliert, wie die Fraktion der CDU/CSU das mit ihrem Änderungsantrag auf der Drucksache 7/4637 unter Ziffer 2 begehrt, wäre die Ziffer 8 der Ausschußfassung nicht gegenstandslos. Deswegen, Herr Präsident, hatte ich darum gebeten, daß zunächst über unseren Antrag abgestimmt wird, weil nur, wenn dieser Antrag abgelehnt würde - was ich nicht hoffe -, eine Erledigung der Ziffer 8 des Ausschußantrages gegeben wäre.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich habe das nicht gehört, weil ich nicht im Saale war. Ich bitte um Entschuldigung. Ich meine, die Demokratie besteht darin, daß die Mehrheit bestimmt. Also können wir schlicht und einfach über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4637 unter Ziffer 2 zu Ziffer 8 des Ausschußantrages abstimmen. Wenn das mit Mehrheit abgelehnt wird, ist das eben erledigt; wenn das angenommen wird, ist das eben angenommen. Wer dem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, eine neue Ziffer 8 einzufügen, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Das Ergebnis ist also doch das gleiche. Dann komme ich noch zu Ziffer 9 des Ausschußantrages. Dazu liegt ebenfalls ein interfraktioneller Änderungsantrag auf Drucksache 7/4669 unter Ziffer 2 vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Damit ist über sämtliche Ziffern eine Entscheidung herbeigeführt. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ({0}) - Drucksache 7/2506 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4615 -Berichterstatter: Abgeordneter Simon Abgeordneter Krampe b) Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({2}) - Drucksache 7/4614 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark ({3}) Abgeordneter Dürr ({4}) Ich danke den Berichterstattern, den Abgeordneten Dr. Stark, Dürr, Simon und Krampe, für ihren Bericht. Wir kommen zur zweiten Beratung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich lasse also über alle Paragraphen sowie über Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das HandzeiVizepräsident Dr. Jaeger chen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - So beschlossen. Ich eröffne die Aussprache in der dritten Beratung und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Stark ({5}).

Dr. Anton Stark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002217, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich für meine Fraktion zu dem Gesetz Stellung nehme, möchte ich als Berichterstatter noch um eine kleine Berichtigung bitten: In den Berichtsantrag, Drucksache 7/4614, sind zusätzlich folgende Änderungen des Gesetzentwurfs aufzunehmen. Erstens: § 1 Abs. 6 muß lauten: „§ 1 Abs. 3, §§ 64 bis 64 f sowie § 89 ..." usw. Zweitens: In § 3 Abs. 1 ist vor den Worten „in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers" das Wort „insbesondere" einzufügen. Das war ein einstimmiger Beschluß des Rechtsausschusses. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten wird eine Forderung erfüllt, welche die CDU/CSU-Fraktion seit Jahren vertritt und wozu meine Fraktion bereits im Jahre 1971 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hat. Die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten entspricht in unserem sozialen Rechtsstaat sowohl einem sozialpolitischen wie auch einem rechtspolitischen Bedürfnis. Für die Entschädigung solcher Opfer aus öffentlichen Mitteln spricht insbesondere, daß der Staat die Pflicht hat, seine Bürger vor strafbaren Handlungen zu schützen und daher auch für den Schaden der Opfer einer mit Strafe bedrohten Handlung aufkommen muß, soweit der staatliche Schutz nicht ausreicht, um derartige Straftaten zu verhüten. Ferner sollte sich der soziale Rechtsstaat zumindest der moralischen Pflicht, dem Opfer einer mit Strafe bedrohten Handlung Hilfe zu gewähren, unseres Erachtens nicht entziehen. Letztlich ist die staatliche und gesellschaftliche Ordnung für manche der mit Strafe bedrohten Handlungen in gewissem Maße mit verantwortlich, wenn sie deren Begehung nicht verhindern kann. Dies sind im wesentlichen die rechtspolitischen und sozialpolitischen Gründe, die für dieses Gesetz sprechen. Unseres Erachtens ist, meine Damen und Herren, in unserer Strafrechts- und Kriminalpolitik die Diskussion allzulange nur um den Straftäter, seine Beurteilung und Verurteilung und seine Behandlung im Strafvollzug gegangen. Die Opfer der Gewalttaten, vor allem der schweren Gewalttaten, sind dabei häufig zu kurz gekommen und ihrem Schicksal überlassen worden. Oft wurden sie nur einmal erwähnt, nämlich in dem Zeitungsbericht über die Gewalttat. Wenn die Täter solcher Gewalttaten nicht ermittelt werden konnten oder aber - soweit sie ermittelt wurden - praktisch mittellos waren, haben die Opfer oft trotz schwerer bestehender Schäden sowohl gesundheitlicher wie wirtschaftlicher Art keinerlei Entschädigung erhalten können. Der Bürger unseres Staats hätte, glaube ich, auf die Dauer kein Verständnis, wenn wir im Rahmen der Strafvollzugsreform jetzt sehr bald - was wir begrüßen - erhebliche Gelder für die Entlohnung der Strafgefangenen aufwenden und andererseits die Opfer ohne jede Entschädigung lassen würden. ({0}) Diese Lücke in unserer Sozial- und Rechtsordnung wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geschlossen. Die Opfer von Gewalttaten werden nach Verkündung dieses Gesetzes Entschädigungsansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz haben. Nach dem Gesetz wird in besonderen Härtefällen auch ein Sachschaden, der unmittelbare Folge einer Gewalttat ist, bis zur Höhe von 50 000 DM entschädigt. Diese Regelung soll allerdings nur gelten, soweit der Geschädigte für den Sachschaden nicht anderweitig Ersatz erlangen kann und es ihm bei Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage nicht zugemutet werden kann, den Schaden selbst zu tragen. Der Gesetzgeber will damit klarstellen, daß der Sachschaden wirklich nur in besonderen Härtefällen ersetzt werden soll, weil der Bürger die Möglichkeit hat, sich für Sachschäden auch auf andere Weise versicherungsrechtlich abzusichern. Schließlich wird nach diesem Gesetz in Zukunft auch dem helfenden Mitbürger, dem sogenannten Nothelfer, der bei Unfällen und Notlagen einem anderen Mitbürger hilft und dabei einen Sachschaden erleidet, dieser Sachschaden ersetzt. Auch diese Vorschrift entspricht unserer Auffassung nach einem zwingenden rechtspolitischen Bedürfnis, zumal nach unserer Rechtsordnung unter Strafandrohung verlangt wird, daß jeder Bürger einem anderen Bürger, der in Not gerät, hilft. Schließlich stellt dieser Gesetzentwurf durch eine Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes sicher, daß Schäden, die im Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug vorsätzlich und widerrechtlich verursacht werden und bei welchen die Versicherung bisher nicht eingetreten ist, in Zukunft in den sogenannten Entschädigungsfonds der Versicherungswirtschaft miteinbezogen und für solche Schäden durch diesen Fonds eine Entschädigung gewährt wird. In dem Gesetz haben wir sichergestellt - darauf legten wir großen Wert -, daß der Gewalttäter durch die staatliche Entschädigungsleistung nicht aus seiner Verantwortung für den von ihm angerichteten Schaden entlassen wird. Die Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger gehen auf den Kostenträger über, der die Entschädigung leistet. Der Kostenträger ist, dessen haben wir uns versichert, haushaltsrechtlich gezwungen, den Schädiger in Anspruch zu nehmen und den Versuch zu machen, soweit es immer möglich ist, den Schaden von ihm ersetzt zu bekommen. Meine Damen und Herren, die Kosten für dieses Gesetz sollen nach dem Vorschlag der Bundesregierung von den Ländern getragen werden. Wir glauben, daß dies nicht richtig ist. Es wäre verfassungsrechtlich und rechtssystematisch - nachdem die Entschädigung im Bundesversorgungsgesetz geregelt wird - richtiger, daß der Bund die Kosten tragen sollte. ({1}) Dr. Stark ({2}) Die Kosten dürfen aber nach unserer Auffassung unter keinen Umständen ein Hinderungsgrund sein, dieses Gesetz zu verabschieden. Die Kosten sind im Verhältnis zu anderen Kosten, die wir im Rahmen des Strafvollzugs beschlossen haben und ausgeben, relativ niedrig. Ich möchte an alle Beteiligten hier appellieren, das Gesetz nicht an den Kosten scheitern zu lassen. ({3}) Ich darf abschließend für die Fraktion der CDU/ CSU zum Ausdruck bringen, daß wir dieses Gesetz nachdrücklich begrüßen und ihm zustimmen werden. Herr Minister, eine Bitte hätte ich noch, und eine Bemerkung möchte ich noch anbringen: Die Verabschiedung dieses Gesetzes zeigt, daß trotz aller Polarisierung hier im Parlament auf dem Gebiet der Rechtspolitik noch eine gemeinsame Gesetzgebung möglich ist, wenn vernünftige Gesetze gemacht werden. ({4}) Wir hätten allerdings den Wunsch - ich merke gerade, daß nicht nur Sie, sondern alle Häuser der Bundesregierung im Augenblick daran sind, Informations- und Propagandaschriften großen Ausmaßes zu veröffentlichen -: Wenn Sie das Gesetz als Erfolg dieser Bundesregierung abhaken, vermerken Sie auch das entscheidende Verdienst der CDU/CSU daran, daß es zu diesem Gesetz kam. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Stark, Sie waren als Redner zur dritten Lesung gemeldet. Ich wußte nicht, daß Sie als Berichterstatter sprechen wollten. Dann hätten Sie sich nämlich zur zweiten Lesung melden müssen. Jetzt haben wir einen falschen Text in zweiter Lesung beschlossen. Die Sache geht nur noch in Ordnung, wenn wir alle einig sind; dann beschließen wir, den von Herrn Stark vorgetragenen Text dem Beschluß der zweiten Lesung zugrunde zu legen. ({0}) - Wenn kein Widerspruch erfolgt, dann ist so beschlossen. Wir fahren in der Diskussion fort. Als nächster spricht Herr Abgeordneter Gnädinger.

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten betrifft zwar einen nur relativ kleinen Personenkreis, es ist gleichwohl ein Markstein im Ringen um mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Lande. Ich bin sicher, daß jede Rückschau auf die Leistungen dieser Legislaturperiode eine schwerwiegende Lücke enthielte, würde man das Opferentschädigungsgesetz dabei nicht erwähnen. Die ohne ausreichende Versorgung gebliebenen Opfer krimineller Gewalttaten waren zwar in der Vergangenheit immer großer öffentlicher Anteilnahme sicher, die Gemeinschaft hat sie jedoch bisher in ihrer Not oft allein gelassen. Bisher hatten diese Opfer einen Entschädigungsanspruch gegen den Täter, der ihnen jedoch nichts nützte, wenn der Schädiger nicht gefunden werden konnte oder mittellos war. Hier Abhilfe zu schaffen, entspricht einem weit verbreiteten Wunsch der Bürger unseres Landes, und seit langem wird eine gesetzliche Regelung über die Entschädigung von Verbrechensopfern gefordert. Ganz besonders wir Sozialdemokraten gehören zu jenen, die eine solche Regelung befürwortet haben. Die nunmehr bevorstehende Verabschiedung erfüllt uns mit Genugtuung; denn wir sehen darin einen Erfolg der sozialliberalen Koalition. ({0}) - Ich sage gleich etwas dazu. Die Vorlage ist ein Ergebnis langjähriger Gesetzgebungsarbeit, die wegen ihrer Dauer, Herr Stark, nicht kritisiert werden sollte, sondern bei der das Ergebnis zählt, nämlich eine ausgereifte Lösung, ein solides Gesetz. ({1}) Die Bedeutung dieses Gesetzes geht weit über den eigentlichen Inhalt, nämlich Nachteile für unschuldige Opfer von Gewalttaten auszugleichen, hinaus. Die kriminalpolitische Aufgabe der Verbrechensbekämpfung wird um die Entschädigung der Verbrechensopfer erweitert. Dieses zeigt deutlich, daß unsere gesetzgeberische Aufmerksamkeit in den vergangenen Jahren nicht nur dem Straftäter und seinen Problemen, sondern eben auch den Opfern von Straftaten gegolten hat. Sozialpolitisch gesehen, meine Damen und Herren, wird dem herkömmlichen sozialen Entschädigungsrecht eine neuartige Dimension hinzugefügt. Daher verwirklicht dieses Gesetz nicht nur ein Stück Gerechtigkeit, es ist auch ein Dokument der Fortentwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins. Die Gesellschaft, die dem Opfer nach Gewalttaten Hilfe leistet, anerkennt ihren Anteil am Geschehen dieser Straftat. Die jetzt zu verabschiedenden Regelungen sind in der deutschen Rechtsordnung ohne Vorbild. Es wird gesetzgeberisches Neuland betreten, was erneut verständlich macht, warum eine blitzartige Beratung nicht von Vorteil gewesen wäre. Jetzt, Herr Dr. Stark, möchte ich noch etwas zur Urheberschaft sagen. Der von der CDU/CSU im Jahre 1971 eingebrachte Entwurf war ({2}) - ich bedauere es - unbrauchbar. Er ging auf wesentliche Fragen nicht ein. Die Fragen der Abgrenzung der Entschädigung für Vermögensschaden und für Körperschaden waren nicht befriedigend gelöst. Der sachliche und persönliche Geltungsbereich des Gesetzes waren im Entwurf der Opposition nicht angesprochen. Offen blieb auch die wesentliche Frage des Rückgriffs auf den Schädiger. Das Verhältnis der Leistungen zu anderen finanziellen Ersatzansprüchen war nicht angesprochen. ({3}) Die Liste dieser Mängel, Herr Stark, könnte man sogar fortsetzen. Bezeichnenderweise - das muß auch hinzugefügt werden - hat die CDU/CSU-Fraktion ihren Entwurf im 7. Deutschen Bundestag auch nicht erneut eingebracht. ({4}) Das Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes wird die Bundesrepublik auf einen Stand bringen, den andere westliche Staaten bereits seit einigen Jahren erreicht haben. Wenn ich mir erlaube, einige Bemerkungen zu Einzelvorschriften zu machen, so tue ich dieses gerade im Hinblick auf den § 1 dieses Gesetzentwurfs, um keine falschen Erwartungen aufkommen zu lassen, die sich mißverständlicherweise an eine solche gesetzliche Regelung anschließen könnten. Es geht nicht daum, den Betroffenen aller möglichen Straftaten eine Entschädigung zu gewähren, sondern das Bedürfnis, daß die Allgemeinheit für Schäden aufkommt, kann nur bei schwerwiegender Kriminalität anerkannt werden. Der gewaltsam Überfallene befindet sich in einer besonderen, unvermeidlichen Situation. Es liegt nahe, meine Damen und Herren, daß eine Regelung, die eine Entschädigung nur für solche Taten vorsieht, die nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen werden, oftmals als unbillig empfunden werden könnten. Dennoch war eine andere Lösung nicht möglich. Hätte man auch zurückliegende Taten in den Kreis der entschädigungsfähigen aufgenommen, wäre die finanzielle Belastung unabsehbar gewesen. Die Kosten dieses Gesetzes werden sich für das Jahr 1976 etwa auf 12 Millionen DM belaufen. Die endgültige Summe wird im wesentlichen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens abhängen. Diese vergleichsweise geringen Beträge werden nach dem Gesetzentwurf überwiegend von den Ländern aufzubringen sein. Im Gegensatz dazu hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung beantragt, den Bund als Kostenträger vorzusehen. Im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat sich die Opposition dieser Auffassung angeschlossen. Das wurde damit begründet, daß es sich bei dem Gesetz um eine Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips handele. Das hört sich ganz gut an. Den Kern der Probleme trifft es jedoch nicht. Für die Länder als Kostenträger spricht vielmehr der durchschlagende Gesichtspunkt des sachlichen Anknüpfungspunktes. Sie sind für die Gewährleistung der polizeilichen Sicherheit verantwortlich, und deshalb trifft sie auch die Haftung. Der vorliegende Gesetzentwurf zieht daraus die richtigen Konsequenzen. Wir sind zuversichtlich, meine Damen und Herren, daß sich der Bundesrat der Auffassung nicht verschließen wird, die sich die Mehrheit der Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages nach eingehender Diskussion gebildet hat, und daß er das Seine dazu beiträgt, ein möglichst frühes Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes nicht zu gefährden. ({5}) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Land mit einem dichten Netz sozialer Sicherung. Die Notwendigkeit, dieses Netz weiter auszubauen, schmälert nicht die Befriedigung über das bisher Erreichte. Die SPD-Bundestagsfraktion will mit ihrer Zustimmung zum Opferentschädigungsgesetz dokumentieren, daß sie willens ist, den Möglichkeiten entsprechend Stück für Stück allen jenen zu helfen, die noch nicht im vollen Genuß dessen sind, was eine moderne sozialstaatliche Ordnung erfordert. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002477, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir in aller Kürze einige Sätze für die Fraktion der Freien Demokraten. Der Entwurf dieses Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ist auch für uns in seinem Grundansatz wie in den Details zu begrüßen. Er stellt den nach meiner Auffassung gelungenen Versuch dar, in einem sozialen Rechtsstaat diejenigen Bürger zu sichern, die durch Gewalttaten Nachteile für Gesundheit und Erwerbstätigkeit erlitten haben, Opfer wie Nothelfer; davon war schon die Rede. Damit schließt der Gesetzentwurf eine Lücke, die nach bisherigem Recht denjenigen hilflos ließ, der nicht durch gesetzliche oder private Versicherungen abgedeckt war oder der einem Täter zum Opfer gefallen war, der nicht ermittelt werden konnte, und ähnliche Fälle. Die staatliche Gemeinschaft darf sich in solchen Fällen nicht gleichgültig verhalten. Hier Hilfe zu gewähren, ist ein Akt sowohl eines praktizierten Humanismus als auch der sozialen Gerechtigkeit. Der Gesetzentwurf erfüllt damit eine im Prinzip übereinstimmende Forderung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses. Dies sage ich jetzt, ohne damit die Frage der Urheberschaft ansprechen zu wollen; ich spreche von dem Standpunkt jetzt und heute. ({0}) Beispiele aus anderen Ländern ermutigen uns im übrigen zu diesem Schritt. Im einzelnen möchte ich nach den Ausführungen meiner Vorredner nur ganz kurz folgende Gesichtspunkte, die uns maßgeblich zu sein scheinen, noch einmal herausstellen. Erstens. Aus rechtspolitischen Gründen muß die Entschädigungsregelung naturgemäß eng begrenzt werden. Wir alle sind uns darüber einig und davon war schon die Rede -, daß wir mit diesem Gesetz in der Bundesrepublik rechtliches Neuland betreten, das nach allen Seiten hin sehr sorgfältig abgegrenzt sein muß. Darauf beruht die Beschränkung auf die reine Gewaltkriminalität. Andere Deliktstatbestände müssen jedenfalls vorerst aus der Erörterung ausscheiden. Zweitens. Das Leistungssystem des Bundesversorgungsgesetzes, in das diese Entschädigungsregelung eingebunden wird, ist sicherlich der geeignete Bereich, in dem diese Materie zu lösen ist. Diese Einbindung eröffnet aber auch eine neue Dimension. Damit kommt im letzten Ergebnis auch auf die Sozialgerichtsbarkeit eine neue Aufgabe zu, verbunden mit sehr vielschichtigen Problemen. Wir sind zuversichtlich, daß die Sozialgerichtsbarkeit diese Aufgabe zufriedenstellend erledigen wird, wobei wir hoffen, daß vorangegangene Strafurteile mit ihren Begründungen hilfreich sind, den Entscheidungsprozeß auch der Sozialgerichte zu erleichtern und zu beschleunigen. Drittens. Die Subsidiarität der gesetzlichen Regelung ist eigentlich eine Zwangsläufigkeit. Daß bei Leistungen nach diesem Gesetz die gesetzlichen Schadensersatzansprüche auf den öffentlichen Kostenträger übergehen und übergehen müssen, war ganz klar. Dies ist in § 6 zufriedenstellend geregelt. Dem Gesetzentwurf in der Fassung der Anträge des Rechtsausschusses sollte man daher zustimmen. Es scheint uns nach der Fassung des Entwurfs nicht mehr notwendig zu sein-ich nehme an, daß ich dies jetzt nicht mehr besonders zu erwähnen brauche -, in einem besonderen § 6 a klarzustellen, daß Ersatzansprüche der Geschädigten gegen Dritte nach Grund und Höhe von den Bestimmungen dieses Gesetzes unberührt bleiben. Meine Damen und Herren, die Fraktion der Freien Demokraten meint, daß dieses Gesetz den Bürger sicherer macht. Es ist ein überzeugender Beweis von der Solidargemeinschaft, die unser demokratisch verfaßter Sozialstaat seinen Bürgern anbietet. Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt dem Entwurf zu. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat nun der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung bitte ich das Hohe Haus, heute ein Gesetz zu verabschieden, das den unschuldigen Opfern von Gewalttaten Entschädigung und soziale Sicherheit gewährleisten soll. Es beruht auf dem Grundgedanken, daß die staatliche Gemeinschaft in den Fällen, in denen sie schwere Verbrechen nicht verhindern konnte, jedenfalls helfen muß, den entstandenen Schaden zu verringern. Mancher wird fragen, warum der Gesetzgeber die soziale Verpflichtung gegenüber dem Opfer erst erkennt, nachdem er in mehr als 20 Gesetzen das Strafrecht erneuert und humanisiert, nachdem er ein Strafvollzugsgesetz verabschiedet hat, das die Besserung und Resozialisierung des Straftäters in den Mittelpunkt stellt. Haben denn nicht eher die Opfer die ganze Sorge verdient? Die Frage nach der Rangfolge der verschiedenen Ziele ist nicht neu. Vor 150 Jahren hat Jeremy Bentham, der große englische Jurist und Philosoph, geklagt, man kümmere sich mehr um das Strafen als um das Wiedergutmachen. „In Übeln also ist man freigebig, in Zuteilung des Guten geizig gewesen." Für ihn war die Gewißheit des Schadenersatzes ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Sicherheit. Die italienischen Kriminalsoziologen Ferri und Garofalo wurden nicht müde, zu betonen, daß der Staat dem Opfer einer Straftat wirksamen Schutz schulde und auch für den Schadensausgleich zu sorgen habe. Andere nahmen diesen Gedanken auf. Aber die Verwirklichung ließ in all diesen Ländern auf sich warten. Erst die englische Juristin Margery Fry versuchte einen Durchbruch. Sieben Jahre, nachdem sie in ihrem bekannten Buch „Gerechtigkeit für die Opfer" gefordert hatte, wurde 1964 in Großbritannien die Entschädigung aus öffentlichen Mitteln für Opfer der Gewaltkriminalität eingeführt. Einzelne Staaten der USA, Kanadas und Australien folgten; in Schweden und Österreich gibt es seit 1971 bzw. 1972, in den Niederlanden seit dem 1. Januar 1976 entsprechende Gesetze; Dänemark, Frankreich, Italien und Norwegen bereiten entsprechende Regelungen gegenwärtig vor. Die Entwicklung zeigt, daß eine solche Idee, auch wenn sie naheliegt und einleuchtet, erst dann Aussicht auf Verwirklichung hat, wenn die Zeit reif ist und die sozialen Bedingungen es erlauben, sie auszuführen. Das vorliegende Gesetz fügt in unsere gemeinsamen Bemühungen um ein modernes Strafrecht und einen humanen und gerade deshalb wirksamen Strafvollzug eine neue, eine soziale Komponente ein. Mit Genugtuung kann ich eine Übereinstimmung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses darüber feststellen, daß in unserem sozialen Rechtsstaat die Gemeinschaft ihre Verantwortung für die Opfer von Gewalttaten erkennen und dieser Verantwortung gemäß auch handeln muß. Der Gesetzentwurf bietet den Opfern von Gewalttaten und ihren Hinterbliebenen alle im Bundesversorgungsgesetz vorgesehenen Leistungen zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit, aber auch der Leistungsfähigkeit sowie eine angemessene wirtschaftliche Versorgung. Um nicht falsche Hoffnungen zu erwecken, möchte ich klarstellen, daß die Entschädigung beschränkt ist auf Opfer von vorsätzlichen, tätlichen Angriffen sowie von Verbrechen, die mit gemeingefährlichen Mitteln begangen worden sind. Nur der Schaden an Leib und Leben führt zu einer EntBundesminister Dr. Vogel schädigung. Ausnahmsweise, in besonderen Härtefällen, kann ein begrenzter Ausgleich für Sachschaden gewährt werden. Das Gesetz will nicht etwa den Schuldigen entlasten. Der Schuldige wird selbstverständlich zum Schadensersatz herangezogen, und zwar von der Staatskasse - sogar noch nachdrücklicher und wirksamer -, soweit sie das Opfer entschädigt hat. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Opfers gegen den Täter bleiben unberührt. Es wäre kriminalpolitisch sehr wünschenswert, wenn man bereits den Arbeitslohn des Strafgefangenen zur Wiedergutmachung heranziehen könnte. Das setzt aber einen entsprechend hohen Lohn voraus. Wie Sie, meine Damen und Herren, aus der Beratung des Strafvollzugsgesetzes wissen, haben sich hier die ursprünglichen Vorstellungen noch nicht vollständig verwirklichen lassen. Ich sage das ausdrücklich, weil bei der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzes von einem Sprecher Hoffnungen in dieser Richtung artikuliert worden sind. Nicht wenige Menschen leiden unter den Folgen von Gewaltverbrechen, die an ihnen oder ihren Angehörigen begangen worden sind. Wir wissen um eine Reihe sehr tragischer Fälle. So begreiflich die Wünsche sind, dem Gesetz rückwirkende Kraft beizulegen, so wenig war das durchführbar. Eine Ausdehnung in die Vergangenheit hätte notwendigerweise wieder an einer zeitlichen Grenze enden und ungelöste Fälle übriglassen müssen. Andererseits können und dürfen wir die Grenzen unserer finanziellen Möglichkeiten nicht aus den Augen verlieren. Endlich soll das Gesetz die in der Reichsversicherungsordnung geregelten Ersatzansprüche der sogenannten Nothelfer abrunden. Wer bei Verkehrsunfällen, Überschwemmungen - das hat gerade jetzt bei den jüngsten Sturmfluten an unseren Küsten eine Rolle gespielt - oder anderen Unglücksfällen Hilfe leistet, soll nicht nur Versicherungsschutz gegen Gesundheitsschäden genießen, sondern auch Anspruch auf vollen Ersatz seines Sachschadens und seiner Aufwendungen haben. Damit wird ein berechtigter Wunsch erfüllt und eine Lücke geschlossen, auf die vor allen Dingen die Automobilclubs wiederholt aufmerksam gemacht haben. Ich möchte allen danken, die zum Zustandekommen des Gesetzes beigetragen haben, hinsichtlich der Vorbereitungsphase insbesondere auch dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, ferner den vier Ausschüssen, die diesen Entwurf eingehend beraten haben. Der Rechtsausschuß hat vorgeschlagen, das Gesetz im wesentlichen unverändert anzunehmen. Ich bitte das Hohe Haus, dem Gesetz zuzustimmen. Was Ihre Anregung, Herr Kollege Dr. Stark, angeht, will ich sie gern in dieser Form aufgreifen und verallgemeinern: Die Opposition stimmt jeweils unseren Vorlagen zu, und wir werden das dann draußen zu rühmen wissen. - Herzlichen Dank! ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Der Ausschuß beantragt, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Wahl eines Mitglieds des Vermittlungsausschusses. Ich höre keinen Widerspruch gegen diese Erweiterung der Tagesordnung; es ist so beschlossen. Ich schlage vor, daß wir diese Wahl der Einfachheit halber gleich vornehmen. -- Das Haus ist auch damit einverstanden. Die Fraktion der CDU/ CSU schlägt vor, für den aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Dr. Sprung den Abgeordneten Vogel ({0}) zu bestimmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Vogel ({1}) als Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen Drucksache 7/3657 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4633 - Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({3}) - Drucksache 7/4631 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung Abgeordneter Rapp ({4}) ({5}) Ich danke den Berichterstattern, den Abgeordneten Dr. Sprung und Rapp ({6}), für ihren Bericht und komme in zweiter Lesung zu Art. 1. Hierzu liegt auf Drucksache 7/4670 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird dieser Antrag begründet? -- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Sprung!

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem halben Jahr äußerte ich an dieser Stelle anläßlich der Einbringung der Novelle zum Kreditwesengesetz die Hoffnung, daß schließlich Regelungen verabschiedet würden, die einen weitestgehenden Schutz der privaten Spareinlagen und der Geschäftseinlagen der kleinen und mittleren Unternehmen vor einem Verlust, der oft die Mühen eines ganzen Arbeitslebens zunichte machen könne, bringen würden. Heute kann festgestellt werden, daß diese Hoffnung nicht getrogen hat, daß es im Gegenteil während der rasch und konzentriert geführten Ausschußberatungen - eingeleitet von einem eindrucksvollen öffentlichen Hearing - zu entscheidenden Verbesserungen der ursprünglich in vielen Punkten weit über das Ziel hinausschießenden Regierungsvorlage gekommen ist. Dies bedeutet gleichzeitig, daß es gelungen ist, während der Beratungen all das aus dem Entwurf herauszunehmen, was nicht in erster Linie der Einlagensicherung gedient, sondern einen tiefen Eingriff in die Strukturen und die Wettbewerbsverhältnisse der Kreditwirtschaft bedeutet hätte. Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Ereignisse des Jahres 1974 und auf den Beitrag, den die CDU/CSU-Fraktion dazu geleistet hat, daß wir heute von der Gesetzgebung her die Rahmenbedingungen für eine nahezu vollkommene Einlagensicherung beschließen können. Als 1974 eine große Privatbank, die Herstatt-Bank in Köln, Konkurs anmelden mußte und Tausende von Sparern, aber auch in- und ausländische Unternehmen sowie Kommunen ihre bei dieser Bank angelegten Gelder verloren, stellten sich vor allem zwei drängende Fragen: erstens, ob nicht die damals bestehende Einlagensicherung erheblich verstärkt werden müßte, um allen Einlegern einen weitestgehenden Schutz für die einem Kreditinstitut, und zwar gleichgültig welchem, anvertrauten Gelder zu geben, und zweitens, ob die gesetzlichen Vorschriften für das Betreiben eines Kreditinstituts, für seine Geschäftstätigkeit als solche und für die Überwachung der Geschäftstätigkeit noch ausreichten. Müßten sie nicht geändert, verbessert, schärfer gefaßt werden, um in Zukunft ähnliche Vorgänge zu verhindern bzw. Situationen, die zum Konkurs eines Kreditinstituts führen, gar nicht erst entstehen zu lassen? Die CDU/CSU-Fraktion hat damals sofort die Konsequenzen aus diesen Fragen gezogen. Um nicht nur eine Verbesserung der bestehenden unzureichenden Einlagensicherung zu erreichen, sondern eine umfassende Neuregelung dieser Probleme durchzusetzen, brachte die CDU/CSU-Fraktion im November 1974 einen Antrag ein, in dem sie die Bundesregierung aufforderte, weitgehende Maßnahmen zum Schutz der Einleger zu ergreifen. Dabei sollte jedoch grundsätzlich am System der verbandseigenen freiwilligen Absicherung festgehalten werden. Die Bundesregierung legte einige Monate später den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kreditwesengesetzes vor, der im wesentlichen eine Minderung der Risiken der Kreditvergabe, vor allem durch eine äußerst scharfe Großkreditregelung, vorsah und sich damit im Grunde mit nur einer Seite der Bankgeschäfte befaßte. Eine Risikobeschränkung für den Einleger durch Sicherung der Einlagen blieb zunächst weitgehend ungeregelt. Auf Grund der zwischenzeitlichen Entwicklung, des Hearings und der Ausschußberatungen haben folgerichtig die ursprünglichen Initiativen sowohl der CDU/CSU-Fraktion als auch der Bundesregierung wesentliche Änderungen erfahren. Wir entscheiden heute über einen Gesetzentwurf, der in Verbindung mit dem völlig neu konzipierten Einlagensicherungssystem des Bundesverbandes Deutscher Banken und dem bereits bestehenden Sicherungssystem der Sparkassen- und Girozentralen sowie der genossenschaftlichen Kreditinstitute die privaten Sparer und auch die kleinen und mittleren Unternehmen künftig gegen Verluste wie in der Vergangenheit praktisch vollständig absichert. So ist innerhalb des Bundesverbandes Deutscher Banken inzwischen ein Einlagensicherungsfonds gegründet worden, der seine erste Bewährungsprobe bei dem jüngsten Bankenzusammenbruch, dem der Pfalz-Kredit-Bank, im Vorgriff auf die heute zu beschließende Novellierung des Kreditwesengesetzes bereits bestanden hat. Gesichert sind danach künftig alle Einlagen bei Privatbanken bis zur Höhe von 30 O des haftenden Eigenkapitals des einzelnen Kreditinstituts. Damit werden selbst bei kleinen Banken Millionen-Einlagen abgedeckt. Mir scheint, daß diese Deckung in der überwältigenden Zahl der Fälle ausreichen dürfte, um alle Einlagen zu sichern, zumal jeder Einleger die Möglichkeit hat, den eventuell diese Deckungssumme übersteigenden Teil seiner Einlage bei einer anderen Bank anzulegen. Was uns im Hinblick auf diesen Fonds des privaten Bankgewerbes in den Beratungen dennoch Kummer gemacht hat und auch jetzt noch unbefriedigend bleibt, ist der Umstand, daß zwar die meisten privaten Kreditinstitute dem Bundesverband des privaten Bankgewerbes und damit künftig dem Einlagensicherungsfonds angehören werden, jedoch eben nur die meisten und nicht alle. Ausnahmen gibt es auch weiterhin im Bereich kleinerer, nicht voll konzessionierter Teilzahlungsbanken, die immerhin über ein Einlagenvolumen von knapp 300 Millionen DM verfügen. Ich möchte an dieser Stelle der Erwartung Ausdruck geben, daß in naher Zukunft ein Weg gefunden wird, auch den bisher noch nicht dem Einlagensicherungsfonds angeschlossenen Kreditinstituten den Anschluß an diesen Fonds zu ermöglichen. Dazu könnte und wird hoffentlich auf der einen Seite der Wettbewerb beitragen und andererseits die künftige Praxis des Bundesaufsichtsamtes, für das der Beitritt zu einem Sicherungsfonds nunmehr zu einem wesentlichen Gesichtspunkt für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben eines Bankgeschäfts werden wird. Das setzt jedoch umgekehrt voraus, daß der jeweilige Spitzenverband seinerseits alles tut, um dem betreffenden Institut den Beitritt zu ermöglichen. Unter diesem Aspekt ist es nur logisch, daß der Spitzenverband vor der Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes gehört wird, um gegebenenfalls die Gründe für die Nichtaufnahme in den Sicherungsfonds darzulegen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit vor allem an den Bankenverband apellieren, den noch nicht angeschlossenen Instituten den Beitritt soweit wie irgend möglich zu erleichDr. Sprung tern. Es darf nicht dazu kommen, daß Außenseitern, deren Geschäftstätigkeit den Wettbewerb innerhalb des Kreditgewerbes verschärft, auf dem Weg über die Verweigerung des Fondsbeitritts das Wasser abgegraben wird. Von großer Bedeutung im Zusammenhang mit der Schaffung ausreichender Einlagensicherungsfonds durch die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft ist die Tatsache, daß durch die vorliegende Novelle die dem Bundesaufsichtsamt zur Verfügung stehenden Eingriffsmöglichkeiten erheblich erweitert werden. Diese erweiterten Eingriffsmöglichkeiten sollen letztendlich verhindern, daß es in Zukunft überhaupt noch zu einem Bankenkonkurs kommt. Von diesen erweiterten Eingriffsmöglichkeiten scheinen mir vor allem zwei besonders wichtig: Erstens die Möglichkeit von Sonderprüfungen des Bundesamtes - bzw. in seinem Auftrag - ohne vorherige Ankündigung. Es ist klar, meine Damen und Herren, daß solche Sonderprüfungen nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie überraschend, d. h. ohne Ankündigung, erfolgen. Ebenso wichtig ist auch, daß diese Prüfungen künftig bei allen Instituten zu einer normalen Angelegenheit werden. Nur so wird zu vermeiden sein, daß mit der Vornahme einer Sonderprüfung in der Öffentlichkeit sofort der Eindruck entsteht, als ob das geprüfte Institut sich in Schwierigkeiten befinde bzw. Unregelmäßigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften begangen worden seien. Dies hätte, wie wir wissen, fatale Folgen und würde über die rasche Abziehung der Einlagen ein in Schwierigkeiten befindliches Institut erst recht belasten. Zweitens. Ebenso bedeutsam ist die Möglichkeit der vorübergehenden Anordnung eines Moratoriums für ein notleidendes Kreditinstitut. Besonders diese Möglichkeit ist eine wichtige flankierende Maßnahme. Sie soll den Beteiligten Zeit für Überlegungen und Aktivitäten geben, die den Schaden bei dem betroffenen Kreditinstitut in möglichst engen Grenzen halten. Man kennt ja die Gefahren, die in Verhandlungen und bei Entscheidungen unter Zeitdruck entstehen können und auch in der Vergangenheit entstanden sind. Die Anordnung eines Moratoriums gibt darüber hinaus auch dem Bundesaufsichtsamt mehr Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, früher einzugreifen, als das bisher der Fall war. Zwar wird auch durch die Anordnung eines Moratoriums ein Konkurs möglicherweise nicht endgültig verhindert werden können, jedoch sind die Chancen einer Sanierung wesentlich größer als ohne ein solches Moratorium. Ist ein Konkurs trotz eines Moratoriums nicht zu verhindern, so hat in Zukunft allein das Bundesaufsichtsamt das Recht, den Konkursantrag zu stellen. Auch dies - so meinen wir - ist eine begrüßenswerte Neuregelung. Lassen Sie mich nun eine kurze Bemerkung zur Großkreditregelung des § 13 machen, dem Kernstück der Verbesserungen des Einlegerschutzes durch verschärfte Kreditvergaberegelungen. Da - so wurde von seiten der Bundesregierung argumentiert - die Mehrzahl der Bankenzusammenbrüche in der Vergangenheit auf den Ausfall von Großkrediten zurückzuführen sei, sei es nur logisch, die Ursache dafür künftig von vornherein auszuschließen, indem einmal die Höhe der Großkredite, zum anderen die Vergabe von Großkrediten eingeschränkt werde. Die Bundesregierung sah deshalb in ihrem Gesetzentwurf rigorose Beschränkungen der Gewährung von Großkrediten vor, die diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen sollten. In dem Hearing, daß über den Regierungsentwurf stattfand, wurden die Mehrfachregelungen für Großkredite von allen daran Beteiligten, ausgenommen die Bundesbank und das Bundesaufsichtsamt, sonst aber von allen privaten Banken, öffentlichen Banken, Sparkassen und den genossenschaftlichen Kreditinstituten abgelehnt. Mein Kollege Professor Zeitel wird darauf noch im einzelnen eingehen. Die CDU/CSU-Fraktion vertrat in den Beratungen den Standpunkt und vertritt ihn auch heute noch, daß das Hearing deutlich gemacht hat, daß die Mehrfachregelung für die Großkredite flexibler aussehen sollte, als sie im vorliegenden Entwurf enthalten ist. Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion vor, der dem Rechnung trägt und vorsieht, daß die Muß-Vorschrift in § 13 Abs. 3 in eine Soll-Vorschrift abgewandelt wird. Wir glauben, nachdem es in den Ausschußberatungen bereits gelungen ist, die von der Bundesregierung ursprünglich vorgesehene Grenze des Sechsfachen auf das Achtfache abzumildern, daß trotzdem eine weitere Liberalisierung durch die Wahl einer Soll-Vorschrift im Sinne des Kreditgewerbes und der kreditnehmenden Wirtschaft wünschenswert ist; gäbe doch die Soll-Vorschrift dem Bundesaufsichtsamt auf der einen Seite die Möglichkeit, diese Regelung nach Prüfung des Einzelfalles flexibel und weiter auszulegen, während auf der anderen Seite gleichwohl die gesetzliche Handhabe gegeben wäre, hart im Sinne einer Muß-Vorschrift durchzugreifen, wenn dies nötig ist. Wir halten das für eine gute und liberale Lösung. Wir bitten Sie, diesem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen. Ich darf zusammenfassen: Erstens. Die Novelle bringt für die Sparer und den Großteil der übrigen Einleger eine nahezu vollständige Sicherung ihrer Einlagen. Sie trägt zudem der Zielsetzung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion vom November 1974 voll Rechnung. Zweitens. Die Aufsichts- und Eingriffsmöglichkeiten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen sind wesentlich verbessert worden. Dies ist zu begrüßen. Drittens. Eine Reihe von Übersteigerungen des Regierungsentwurfs konnten während der Ausschußberatungen ausgeräumt werden. Außerdem ist es gelungen, die über das Ziel hinausschießende Mehrfachregelung für Großkredite abzumildern. Ein übriges könnte in dieser Frage durch die Annahme unseres Antrags geschehen. Die CDU/CSU-Fraktion stimmt im übrigen dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Ausschußfassung zu. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich hatte dem Abgeordneten Dr. Sprung das Wort zur Begründung des Änderungsantrags erteilt. Ich habe aber im Laufe seiner Rede bemerkt, daß er in der allgemeinen Aussprache gesprochen hat, die noch gar nicht eröffnet ist. Damit nun aber Gleichheit für alle herrscht, schlage ich nachträglich vor, daß wir ausnahmsweise in der zweiten Lesung eine allgemeine Aussprache durchführen. - Widerspruch erfolgt nicht. In dieser allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Rapp das Wort.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß schon die bloße Existenz eines Gesetzentwurfs und die Beratung dieses Entwurfs das Ergebnis zeitigen, welches man sich von der Rechtskraft des fertigen Gesetzes verspricht, mag eine Rarität sein: Tatsächlich konnte der Fall - „Fall" im Doppelsinn des Wortes - der Pfalz-Kredit-Bank bereits mit den Mitteln und nach den Grundsätzen des heute zu verabschiedenden Gesetzes, im Vorgriff auf das Gesetz also, so zufriedenstellend geregelt und erledigt werden, daß man im R ü c k g r i f f auf den „Fall PfalzKredit-Bank" sagen kann, das heute zur Beschlußfassung anstehende Gesetz habe sich bereits bewährt. Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal etwas Ungewöhnliches tun. Ich glaube, zumindest im Namen aller Mitglieder des Finanzausschusses sprechen zu können, wenn ich dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zu seiner neuen Präsidentin gratuliere. Die Art und Weise, wie sie den Fall der Pfalz-Kredit-Bank angepackt hat - umsichtig und couragiert -, war eindrucksvoll. Nun hat es mit dem Gesetz, mit dem wir es zu tun haben, noch mehr Merkwürdiges auf sich. Jene Regelungen, denen im Fall Pfalz-Kredit-Bank vorgegriffen wurde, standen im Regierungsentwurf noch gar nicht drin. Sie wurden vielmehr im Laufe der Ausschußberatungen eingeführt und hinzugefügt. Zu den Schwerpunkten der Regierungsvorlage im Bereich der Großkreditregelungen, der Einreichung von Bilanzen durch die Kreditnehmer, der Einführung des Vier-Augen-Prinzips, der Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten und Befugnisse des Bundesaufsichtsamts, zu all dem kam das weitere schwergewichtige Element der flankierenden Maßnahmen zur Einlagensicherung hinzu, auf das sich meine einleitenden Bemerkungen bezüglich der Pfalz-Kredit-Bank bezogen haben. Freilich war die Hinzufügung dieses Elements - flankierende Maßnahmen zu den Einlagensicherungseinrichtungen - das Ergebnis eines vom Regierungsentwurf ausgelösten Prozesses. Der Regierungsentwurf war in der Strenge der darin vorgesehenen Maßnahmen gewissermaßen eine Herausforderung an das Kreditgewerbe, das Einlagensicherungssystem zu vervollständigen. Ich habe diesen spannungsreichen Zusammenhang bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs so zum Ausdruck gebracht, daß ich sagte, die Bundesregierung habe einen dicken Stein ins Wasser werfen wollen, damit sich ein bißchen mehr ereigne als bloßes Gekräusel der Oberfläche. Das Angebot wurde angenommen. Indem der Bundesverband Deutscher Banken in das System der verbandseigenen Sicherungseinrichtungen jenen Schlußstein eingefügt hat, dessen Fehlen bis dahin - bei aller Stabilität der anderen Bausteine - noch Labilität des Gesamtsystems zur Folge gehabt hatte, konnte - do ut des - auch der Finanzausschuß geben, er konnte zugeben, indem er, etwa im Bereich der Großkreditregelungen, die gesetzlichen Anforderungen gegenüber dem Regierungsentwurf abmilderte, weil eben der mit den strengeren Anforderungen angestrebte Zweck im Hinblick auf den Ausbau der Selbsthilfeeinrichtungen des Kreditgewerbes nunmehr auch mit weniger einschneidenden Regelungen erreichbar erscheint. Ohne den dicken Stein des Regierungsentwurfs wäre das -- ich drücke mich vorsichtig aus - wohl nicht so rasch möglich gewesen. In der Entstehungsgeschichte der KWG-Novelle mag somit ein sehr exemplarischer Vorgang für ein produktives Zusammenwirken von Regierung, Parlament und Betroffenen gesehen werden. Dabei ist die KWG-Novelle ihrerseits wieder Schlußstein eines umfassenderen Rahmens und Vorgangs gewesen, der - durch die Herstatt-Pleite ausgelöst und jedenfalls ihretwegen forciert - zu einem tiefgestaffelten und umgreifenden System der Sicherung und Sicherheit des deutschen Kreditwesens geführt hat und dessen einzelne sich sowohl auf das Aktiv- als auch auf das Passivgeschäft erstreckende Maßnahmen einander sinnvoll stützen, flankieren und ergänzen. Zunächst wurde der neue Grundsatz nach § 10 des Kreditwesengesetzes eingeführt, der die Devisengeschäfte der Banken insoweit begrenzt, als tägliche Glattstellung gefordert wird. Sodann ist die Liquiditätskonsortialbank geschaffen worden, mit deren Hilfe Kreditinstitute aufgefangen werden können, die auch nach Ausschöpfung der im Vorfeld von der Bundesbank bereitgestellten Hilfen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, obwohl ihre Bonität, die Bonität ihres Kreditgeschäfts, außer Zweifel steht. Beim Kreditgeschäft selbst setzt das Kreditwesengesetz an. Denn selbstverständlich hängt die Sicherheit der Einlagen bei den Banken letzten Endes von der Sicherheit der von den Banken ausgereichten Kredite ab. Endlich greift in diesem tiefgestaffelten System in der nächsten Stufe die Einlagensicherungseinrichtung des jeweiligen Verbands. Hierzu treten sodann schließlich die von uns nachträglich ins Gesetz eingeführten flankierenden Maßnahmen, die insgesamt wiederum die Sicherungseinrichtungen selbst sichern sollen. Das Ganze bildet also ein fein austariertes Programm, dessen einzelne - teils administrativen, teils der Selbsthilfe zuzurechnenden - Elemente und Instrumente lückenlos ineinandergreifen und ein Gesamtsystem der Sicherung des Bankgeschäfts in unserem Land bewirken, das in der Welt nicht seinesgleichen hat. Daß darüber hinaus beim Bundesfinanzminister eine Studienkommission für Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft gebildet wurde, in der über noch andere Rapp ({0}) Ansatzpunkte zur Verbesserung unseres Kreditwesens nachgedacht wird, sei am Rande vermerkt. Und nun zu den wichtigeren Regelungen. Da ist zunächst auf die strengere und erweiterte Fassung der Vorschriften zur Risikostreuung, die sogenannten Großkreditvorschriften, einzugehen. Der einzelne Großkredit darf - bisher: soll - 75 v. H. - bisher: 100 v. H. - des haftenden Eigenkapitals des Kreditinstituts nicht überschreiten. Die ursprünglich hiergegen vorgebrachten Einwände, ein sorgfältig gepflegtes Großengagement sei doch allemal sicherer als eine Menge schlechter Kleinkredite, sind rasch verstummt. Es ist nun einmal so, daß ein kaputter Kleinkredit leicht zu verdauen ist, ein einzelner notleidender Großkredit aber - die Geschichte der bisherigen Bankinsolvenzen spricht da eine deutliche Sprache - der Anfang vom Ende der Bank und der Sicherheit der Einlagen bei dieser Bank sein kann. Auf Grund der Ausschußberatungen hat es hier eine Abmilderung insoweit gegeben, als bundesbankfähige Wechsel bei der Errechnung der Großkredite weiterhin nur zur Hälfte anzusetzen sind. Des weiteren haben wir eine Anregung des Bundesrates aufgenommen, von Gemeinden oder Gemeindeverbänden verbürgte Kredite im Rahmen des § 13 KWG zu privilegieren. Neu sind nun die sogenannten Mehrfachregelungen für Großkredite, der einzige Punkt - Herr Dr. Sprung hat das bereits erwähnt -, bei dem die Ausschußberatungen kontrovers gelaufen und geblieben sind. Es war in der Tat so, daß wir im Unterausschuß bezüglich der Mehrfachregelungen des § 13 Abs. 3 eingehend geprüft haben, ob es nicht genüge, die hier vorgesehenen Normierungen als Soll-Vorschriften auszugestalten. Die Entscheidung der Mehrheit für die Muß-Vorschrift ist nicht zuletzt unter dem Eindruck der Stellungnahme von Frau Bähre, der Präsidentin des Bundesaufsichtsamts, gefallen, die uns die schlichte Frage stellte, was denn wohl das Aufsichtsamt mit einer Soll-Vorschrift anfangen solle. Tiefer setzt die Überlegung an, daß alle Großkreditvorschriften auch die Funktion haben, einen Bankleiter vor der Pression zu schützen, durch Nachschieben von immer noch mehr Kredit gutes Geld schlechtem nachzuwerfen und so das Siechtum eines dabei immer mehr anwachsenden Engagements über Gebühr zu verlängern. Muß-Vorschriften machen dem Bankleiter den Rücken frei. Er entzieht sich der Verstrickung durch den schlichten Hinweis auf das Gesetz. Demgegenüber vermöchten Soll-Vorschriften allenfalls einen unverbindlichen Dialog mit der Aufsicht in Gang zu setzen. Was nun das Mehrfachprinzip selbst anbelangt, so hat es seine Ratio darin, daß die Bank nicht nur die einzelnen Großengagements im Auge zu behalten hat, sondern in unterschiedlicher Gruppierung auch die Summierung der Risiken aus den Großkrediten. Es werden unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zusätzliche Überwachungsraster geschaffen, wobei - gemäß den Mehrfachregelungen - beide Gesichtspunkte, wie erwähnt, darauf abstellen, daß unter ungünstigen Umständen auch per se minimierte latente Risiken zu einem hohen akuten Risiko kumulieren können. Erkennt man aber den inhaltlichen Sinn dieser Vorschriften an, so wird man kaum umhin können, sich einzugestehen, daß sie der Form nach nur wirksam sind, wenn sie die Gestalt von Muß-Vorschriften haben. Daß es dergleichen im Ausland nicht gibt, will nicht viel besagen, zumal die Grenze für den einzelnen Großkredit in vielen Ländern wesentlich niedriger als bei uns angesetzt ist. Im übrigen wurde und wird durch die Abmilderung des für das Gesamtgroßkreditvolumen geltenden Mehrfachen und durch die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu bekommen, vermieden, daß es ob dieser Vorschrift zu einem Kreditkarussell kommt. Wir werden es jedenfalls bei der Muß-Vorschrift belassen. Die einzige bisher allenfalls vergleichbare Vorschrift zu den Mehrfachregelungen hatte das Volumen der Großkredite an das Gesamtkreditvolumen der Bank geknüpft, mit der einigermaßen absurden Folge, daß das einzelne Kreditinstitut das Großkreditvolumen in dem Maße selbst bestimmen konnte, in dem es über das Gesamtkreditvolumen zu disponieren in der Lage war. Nunmehr aber dürfen alle Großkredite zusammen das Achtfache des haftenden Eigenkapitals des Instituts nicht übersteigen, wobei nur auf die Inanspruchnahmen abzustellen ist und die noch freien Zusagen unberücksichtigt bleiben. Dieses war im übrigen jener Punkt, bei dem sich der von mir geschilderte Prozeß des Aufeinanderzugehens am deutlichsten manifestiert hat. In der Regierungsvorlage hatte - das wurde bereits erwähnt - anstelle des Achtfachen noch das Sechsfache gestanden und waren die Zusagen mit einbezogen. Die zweite Mehrfachregelung, wonach die fünf größten Großkredite unter Berücksichtigung der Zusagen das Dreifache des haftenden Eigenkapitals nicht übersteigen dürfen, ist erhalten geblieben. Meine Damen und Herren, daß es uns bei alledem nicht um die Betätigung eines Fallbeils geht - denken Sie dabei auch an die langen Übergangsfristen -, mögen Sie daran ermessen, daß wir auf eine Zusage des Bundesaufsichtsamts gedrungen haben, Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zügig zu bearbeiten. Bezüglich der Programmkredite haben wir in § 13 Abs. 4 a schon mal eine generelle Freistellung in das Gesetz mit hineingeschrieben. An dieser Stelle ist noch kurz auf § 19 einzugehen, der die Konzernvorschrift betrifft. Gemäß der Regierungsvorlage sollte die Vorschrift über die Zusammenfassung von an Konzernunternehmen gewährte Kredite zu einem Großkredit schärfer gefaßt werden. Die Kreditinstitute hingegen forderten - sie hatten bemerkenswerte Gründe dafür - Erleichterungen über das geltende Recht hinaus. Wenn sich der Ausschuß darauf verständigt hat, es insoweit beim geltenden Recht zu belassen, so ist auch dies Ausdruck jenes do ut des, von dem ich gesprochen habe. Eine Sonderregelung für Zwischenfinanzierungskredite an angeschlossene Immobilienfonds entlastet die solche Kredite gewährenden Treuhänderbanken. Zu § 19 ist noch klarzustellen, daß wir bewußt nicht unter dem Gesichtspunkt des Für und Wider Rapp ({1}) zum Universalbankprinzip beraten haben. Diese Frage gehört in einen größeren Zusammenhang; dafür gibt es die vorher erwähnte Kommission. Aus der großen Zahl der sonstigen Verbesserungen der aufsichtsrechtlichen Absicherung unserer Kreditwirtschaft - Stichwörter: Vieraugenprinzip, erweiterte Erkenntnis- und Eingriffsmöglichkeiten des Aufsichtsamts durch Sonderprüfungen auch ohne besondern Anlaß, wirksameres Erlaubnis- und Erlaubnisrücknahmerecht, erweiterte Melde- und Vorlagepflichten, Ausweitung der als ordnungswidrig zu ahnenden Tatbestände - möchte ich nur noch § 18 herausgreifen, dessen Änderung, scheinbar unscheinbar, von großer geschäftspolitischer Bedeutung ist. Hier wird schlicht vorgeschrieben, daß bei der Beantragung von Krediten von mehr als 50 000 DM die wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen sind. Bisher hat es hier einen negativ wirkenden Wettbewerb dahin gehend gegeben, daß Kreditnachfrager mit der Drohung, zur Konkurrenz zu gehen, den einen oder anderen Bankleiter schwach zu machen verstanden. Jetzt kann und muß der Bankleiter auf das Gesetz verweisen. Freilich waren insbesondere im Hinblick auf die Besonderheiten der Außenhandelsfinanzierung, der Teilzahlungsfinanzierung sowie des Factoring-Geschäfts gewisse Ausnahmen vorzusehen. Doch nun zur Einlagensicherung. Es ist schon eine große und anerkennenswerte Sache, wenn wir heute sagen können, daß es praktisch keinen Sparer mehr gibt, der infolge der Zahlungseinstellung seiner Bank sein Geld verliert. Die zuletzt hinzugekommene Sicherungseinrichtung, die des Bundesverbands Deutscher Banken, schützt Einlagen bis zur Höhe von 30 v. H. des haftenden Eigenkapitals der betreffenden Bank. Das geht in aller Regel weit in die Millionenbeträge hinein. Es liegt auf der Hand, daß die Regelung des Innenverhältnisses des dazu erforderlichen Fonds nicht einfach war und ist. Damit wird auch noch das Kartellamt zu befassen sein. Unsere Aufgabe war es, diese zur Selbsthilfe geschaffenen Einrichtungen durch einen gesetzlichen Rahmen zu flankieren und abzusichern. Bisher war es so, daß die Befassung des Bundesaufsichtsamts mit einem gefährdeten Institut Signalwirkungen haben, einen Run auslösen und damit die Gefährdung potenzieren konnte. Am Ende war die Chance der stillen Liquidation vertan, durch die offene Insolvenz wurden wirtschaftliche Werte vernichtet. In § 46 a wurde nun die Anordnung eines Moratoriums durch das Bundesaufsichtsamt ermöglicht, d. h. eines vorläufigen Verbots aller Veräußerungen und Zahlungen. Abgewendet werden kann das Moratorium dadurch, daß die Sicherungseinrichtungen des Verbands die Gewähr dafür übernimmt, daß durch zwischenzeitliche Zahlungen, etwa durch Auszahlung von Einlagen, im Falle des Konkurses die verbliebenen Gläubiger nicht geschädigt werden. Jedenfalls kommt durch die eine oder andere Maßnahme Ruhe ins Ganze. Die Sanierung kann besonnen und ohne ständige Bedrohung durch einen Run eingeleitet und durchgeführt werden. Das Bundesaufsichtsamt kann die gerichtliche Bestellung neuer Geschäftsleiter veranlassen. Gelingt die Sanierung, ist es gut; mißlingt sie, so ist die Stellung des Konkursantrags dem Bundesaufsichtsamt vorbehalten, wodurch ausgeschlossen bleibt, daß ein einzelner Gläubiger - berechnend oder unbedacht -das Institut in eine vielleicht vermeidbare Insolvenz hineintreibt. Dieser Tage ist in einem Zeitungsartikel die bedenkenswerte Frage nach den ordnungspolitischen Implikationen dieser Vorschriften zu den Sicherungseinrichtungen gestellt worden. Gewiß, dieses Modell ist auf andere Wirtschaftsbereiche nicht übertragbar. Aber Geld ist eben auch ein anderes Wirtschaftsgut als jede beliebige Ware, worüber zu philosophieren hier leider nicht die Zeit ist. Jedenfalls gibt es nach wie vor keine Bestandsgarantie für das einzelne Kreditinstitut. Jede einzelne Bank bleibt der strengen Disziplin des Marktes unterworfen. Nach wie vor kann jeder einzelne Bankier, in welcher Rechtsform auch immer, sein Kapital verlieren. Wir stellen die Banken nicht unter die Käseglocke einer Immunität gegen die Sanktionsmechanismen des Marktes. Geschützt werden jedoch die Einleger, die nicht Schaden nehmen sollen, wenn die Bank oder die Sparkasse Schaden nimmt, der sie ihre Gelder anvertraut haben. Daß das hohe Gut der so erreichten Sicherheit seinen Preis hat, wird nicht verwundern. Man denkt vielleicht in erster Linie an die Beiträge zu den Sicherungseinrichtungen. Spürbarer mag im Einzelfall sein, daß z. B. die Großkreditvorschriften auch in ihrer modifizierten Form da und dort noch kneifen werden. Wer das Mehr an Sicherheit begrüßt, wird nicht in Wehklagen darüber ausbrechen dürfen, daß sich da und dort im Laufe einer angemessenen Übergangszeit die Struktur des einen oder anderen Kreditvolumens ändern muß. Wir gehen davon aus und geben der Hoffnung Ausdruck, hierfür Verständnis zu finden. Ich bitte, dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sprung hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß der größte Teil der gesetzlichen Neuregelungen von der CDU/CSU-Fraktion mitgetragen und begrüßt wird. Diese politische Übereinstimmung erleichterte die Beratungen und ermöglichte die relativ schnelle Verabschiedung der Novelle. Die einzige größere Meinungsverschiedenheit bezieht sich nicht auf alle, aber auf bestimmte Teile der Großkreditregelung, die auch den Gegenstand unseres Abänderungsantrages bilden. Lassen Sie mich deutlich sagen: Es geht freilich - jedenfalls nach Auffassung der Regierung, nicht nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion - um ein materielles Kernstück der Novelle. Die CDU/CSU-Fraktion hält die Mehrfachbegrenzung bei Großkrediten, die in § 13 Abs. 3 Ziffern 1 und 2 entDr. Zeitel halten sind, für verfehlt. - Gestatten Sie mir hierzu einige erläuternde und klarstellende Bemerkungen. Wir begrüßen es, daß die ursprünglichen Vorschläge den Kreditbegriff der Regierungsvorlage, der in diesem Zusammenhang bedeutsam ist, nicht aufgegriffen haben, weil Übereinstimmung zwischen den Parteien darin bestand, daß insoweit die bisherige Finanzierungs- bzw. Refinanzierungspraxis der Kreditinstitutskonzerne beibehalten werden sollte. Die CDU/CSU-Fraktion hält es im Hinblick auf die vorliegenden Erfahrungen auch für angemessen, wenn die einzelne Großkreditgewährung in bezug auf das haftende Eigenkapital eingeengt, d. h. auf 75 % begrenzt wird. Insoweit stimmen wir also überein. Die Gesetzgebung unseres Landes steht insoweit auch im Einklang mit entsprechenden Regelungen in anderen Industriestaaten, die zum Teil sehr viel schärfere Grenzen für die Höhe eines einzelnen Großkredits im Verhältnis zum Eigenkapital vorsehen. Für solche Regelungen lassen sich gute Gründe geltend machen. Dagegen gibt es meines Wissens in keinem anderen bedeutenden Industriestaat eine gesetzliche Vorschrift, die die Summe mehrerer Großkredite begrenzt. Die CDU/CSU-Fraktion hält den mit der Novelle beschrittenen Weg der Mehrfachgrenzen bei Großkrediten im Ansatz für verfehlt, weil eine sachliche Ratio in bezug auf die vorgeschlagenen Multiplikatoren unter dem auch für uns entscheidenden Sicherheitskriterium nicht zu erkennen ist. Wie das öffentliche Hearing zur Gesetzesnovelle deutlich gemacht hat, basiert die von der Regierung vorgesehene Multiplikatorregelung im wesentlichen auf einer einfachen Durchschnittsberechnung. Man hat also von hinten gerechnet: was ist möglich, und was geht nicht? Solche Durchschnittsrechnungen können in der Statistik allgemein ihren Sinn haben. Aber im Durchschnitt sind eben unsere Kreditinstitute nicht sicherheitsgefährdet. Insofern ist der Ansatz der Regelung verfehlt. Auch die Konkursstatistik bei Banken, die unter dem Blickwinkel des Sicherheitsrisikos ohnehin nur begrenzt aussagefähig ist, läßt erkennen, daß eine verpflichtende Multiplikatornorm willkürlich bleibt. Die Paradebeispiele für Sicherheitsrisiken im Bankgeschäft in der jüngsten Vergangenheit, nämlich der Helaba- oder der Herstatt-Fall, würden durch die vorgesehenen Regelungen nicht erfaßt. Wir halten im übrigen die Sicherung besonders schutzbedürftiger kleiner und mittlerer Einleger für wichtiger als das Streben nach perfektionierender Gesetzgebung, die im Endergebnis mehr schadet als nützt. Der verfehlte Ansatz bei der Mehrfachkreditbegrenzung wird auch nicht dadurch geheilt, daß entgegen der Regierungsvorlage nunmehr ein höherer Multiplikator bei der Summe der Großkredite gewählt worden ist. Vielmehr wird der Sachzusammenhang mit dem Bestreben, das Sicherheitsrisiko zu mindern, noch fragwürdiger als nach der Regierungsvorlage. Der nunmehr von den Koalitionsparteien vorgesehene höhere Multiplikator mindert lediglich den kreditpolitischen Anpassungsdruck auf Grund der Novelle für einzelne Institute. Die Regelung wird nicht nur zu Umschichtungen in unserem Bankensystem Anlaß geben, deren Zweckmäßigkeit wir bezweifeln, sondern allgemein die ausgeprägten Konzentrationstendenzen im Bankgewerbe weiter verstärken. Die CDU/CSU-Fraktion hält daher auch aus diesen marktwirtschaftlichen Gründen die Regelung für falsch. Sie beinhaltet vielmehr ein Element illiberalen Dirigismus. Die im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Risikobeschränkung letztlich entscheidende Frage einer hinreichenden Eigenkapitalausstattung wird durch die Normen leider nicht erleichtert, sondern ebenfalls - zusätzlich zu anderen Maßnahmen der jüngsten Vergangenheit - weiter erschwert.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Zeitel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rapp?

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zeitel, wenn dies alles so schrecklich und sinnlos ist mit den Mehrfachregelungen, weshalb verlangen Sie dann hier nicht die Annullierung dieser Mehrfachregelungen? Weshalb dann das Zurückgehen auf eine Soll-Vorschrift?

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Rapp, ich bin noch nicht ganz zu Ende; es gibt einen Grund, der von Ihnen vorgetragen wurde, wenn ich mich recht an die Beratungen erinnere, der unter Umständen für eine Soll-Vorschrift spricht. Darauf komme ich aber noch. Wir wären im Prinzip - lassen Sie mich das deutlich sagen - für die ersatzlose Streichung; aber wir hoffen auf die Zustimmung zu einer abgemilderten Form, für die es Gründe gibt. Ein gesetzlicher Regelungsansatz dieser Kernfrage, die gewiß diskussionswürdig ist, müßte unseres Erachtens auf direkterem Wege gefunden werden. Die vorgesehenen Gesetzesregeln zur Begrenzung mehrerer Großkredite lösen also im ganzen Änderungen unserer Bankenstruktur aus, die den Wettbewerb faktisch einengen und bei zu erwartenden Aushilfsmaßnahmen, wie z. B. Konsortial- oder Metakredite, höhere Kreditkosten zur Folge haben. Auch die anvisierte Kreditstreuung bleibt auf diesem Wege höchst unbefriedigend. Soll indessen der Mehrfachkreditregelung nur eine gewisse Signalfunktion zukommen - Herr Rapp, dies ist der Punkt -, wie es in den Ausschußberatungen auch von Ihrer Seite anklang, dann genügt an Stelle der dirigistischen Muß-Vorschrift eine Soll-Vorschrift. Dem entspricht unser liberaler Änderungsantrag, dem zuzustimmen wir Sie hiermit auffordern möchten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich befinde mich in der angenehmen Lage, Herr Kollege Zeitel, für die Annahme eines Gesetzes zu plädieren, das „marktwirtschaftliche Regelungen abschafft und illiberalen Dirigismus" einführt. Herr Zeitel, haben Sie es nicht eine Nummer kleiner? ({0}) Ich komme darauf noch zurück, keine Sorge, und werde mich natürlich auch noch mit der Sache auseinandersetzen. Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP freut sich darüber, daß wir heute, wie wir annehmen, mit großer Mehrheit, die Novelle zum Kreditwesengesetz in zweiter und dritter Lesung verabschieden können. Wir gehen davon aus, daß auch der Bundesrat dieser notwendigen Ergänzung des KWG seine Zustimmung nicht versagen wird. Ich möchte zunächst im Namen meiner Fraktion den beiden Berichterstattern, den Kollegen Dr. Sprung und Rapp, danken; Herrn Sprung möchte ich ebenfalls für die Leitung des Unterausschusses und die sachbezogene Beratung danken, die uns geholfen hat, so schnell mit diesem Gesetzgebungsvorgang fertig zu werden; denn damit haben wir nun als gesetzgebende Körperschaft die notwendigen Folgerungen aus dem Herstatt-Fall gezogen. Meine Fraktion, meine Damen und Herren, hat bereits in der ersten Lesung die Frage gestellt, ob die notwendige Einlagensicherung besser freiwillig zustande kommen oder ob sie vom Gesetzgeber angeordnet werden soll. Wir haben damals keinen Zweifel daran gelassen, daß wir einer freiwilligen Regelung den Vorzug geben, wobei ich heute offen bekennen darf, meine Damen und Herren, daß wir eine gesetzgeberische Regelung für eine Einlagensicherung im privaten Bankgewerbe für nahezu unmöglich gehalten haben. Wir wären jedenfalls längst noch nicht am Ende unserer Beratungen und sicherlich nicht in der Lage, in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Um so mehr begrüßen wir - das möchte ich hier festhalten - die aufgeschlossene Mitarbeit der Verbände, in diesem Falle insbesondere des Bundesverbandes Deutscher Banken, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß nun ein umfassendes System der Einlagensicherung und damit des Gläubigerschutzes zustande gekommen ist. Im übrigen beschränkt sich dieser Dank nicht nur auf den Bankenverband; denn auch die Sparkassen haben zusätzlich zu ihrer Gewährsträgerhaftung inzwischen einen Einlagensicherungsfonds aus versteuerten Gewinnen aufgebracht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rapp?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Graf Lambsdorff, wären Sie, nachdem Herr Zeitel hier den ordnungspolitischen Zampano gemacht hat, bereit, einmal zu schildern, welche Mühe es immerhin gekostet hat, die CDU von dem Projekt einer Pflichtmitgliedschaft in der Sicherungseinrichtung herunterzukriegen?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Rapp, ich bedanke mich für diesen Hinweis. Ich will mich nachher noch mit dem auseinandersetzen, was von Herrn Professor Zeitel zur Großkreditregelung gesagt worden ist. Aber wir wissen ja, daß inzwischen das, was hier auf dem Tisch liegt, von allen Betroffenen und Beteiligten im Kreditgewerbe, und zwar in allen Bereichen des Kreditgewerbes, akzeptiert wird und daß jeder meint, damit vernünftig leben zu können. Aber ich komme noch darauf zurück, daß wir es für wichtig gehalten haben, daß zur Gewährsträgerhaftung ein Einlagensicherungsfonds aus versteuerten Gewinnen aufgebaut worden ist, denn nur dadurch kann in den drei wichtigsten Säulen des deutschen Kreditwesens, dem Genossenschaftswesen, dem Sparkassenwesen und den privaten Banken - der gemeinwirtschaftliche Sektor schließt sich dem letzteren an, wie Sie wissen -, von einer parallelen Behandlung gesprochen werden. Die Gewährsträgerhaftung allein ist nämlich nichts weiter als der Rückgriff auf die Tasche des Steuerzahlers, womit sie zwar für den Einleger, also für den Kunden, völlig ausreichend ist, im Interesse der Wettbewerbsgleichheit und im Interesse der öffentlichen Hände als Gewährsträger der Sparkassen aber mit Recht dazu geführt hat, daß vor dem Rückgriff auf öffentliche Mittel, zunächst einmal eigenverdientes Geld dieses Geschäftszweiges eingesetzt werden soll. Diese Regelung ist zufriedenstellend. Meine Damen und Herren, wir haben uns die Prüfung des Einlagensicherungssystems nicht leicht gemacht, weil wir großen Wert auf eine wettbewerbsrechtlich einwandfreie Lösung gelegt haben. Diese ist jetzt erreicht. Die Anfangsentwürfe des Status des Prüfungsverbandes gaben zu Bedenken Anlaß, weil ein so weitgehender Eingriff des Prüfungsverbandes in die Geschäftspolitik der angeschlossenen Unternehmen vorgesehen war, daß kartellrechtliche Bedenken erhoben werden mußten. Jetzt beschränken sich die Vorschriften und die Richtlinien, nach denen geprüft und notfalls auch eingegriffen wird bzw. sogar die Mitgliedschaft zum Prüfungsverband gekündigt werden kann, darauf, daß das angeschlossene Institut die Vorschriften des Kreditwesengesetzes einhalten muß. Das ist wettbewerbsrechtlich in Ordnung; denn eine solche Einschränkung sieht das bestehende Gesetz bereits vor. Darüber hinausgehende Eingriffe sind nicht möglich. Auch das schwierige Thema der Werbung mit der Einlagensicherung dürfte in einer Weise geklärt werden, die wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen standhält. Wir begrüßen es, daß das Bundeswirtschaftsministerium davon absieht, die wettbewerbsrechtliche Legalisierung des Einlagensicherungsstatuts über eine Ministererlaubnis nach § 8 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen, sondern den Bankenverband und das KarDr. Graf Lambsdorff tellamt auf den Weg des § 102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verwiesen hat. Es scheint uns richtig, meine Damen und Herren, daß hier die Vorschriften der Mißbrauchsaufsicht praktiziert werden und daß die Vorschriften über die Ausnahmebereiche in den §§ 102 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in diesem Falle beweisen, daß sie den Anforderungen der Praxis genügen. Die FDP-Fraktion hat in der ersten Lesung Bedenken angemeldet, ob ein umfassender Schutz für alle Einleger und in unbegrenzter Höhe denn eigentlich notwendig sei. Wir haben das gefragt, weil wir bei einem solchen Schutz einen ungezügelten Konditionenwettbewerb befürchteten und als Konsequenz dessen damit rechneten, daß das Kreditgewerbe nach einer neuen Zinsverordnung rufen würde. Nun ist es mit dieser Vorlage und mit diesem Einlagensicherungssystem zu einem solchen umfassenden Schutz gekommen, und unsere Bedenken - mindestens unsere Fragen - bleiben bestehen. Wir möchten hier bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit klarmachen, daß wir uns einer Regulierung des Zinswettbewerbs durch eine staatliche Zinsverordnung oder ein Habenzinsabkommen mit aller Entschiedenheit widersetzen werden. Ohne die Bemühungen des Gesetzgebers, die wir heute vollenden, wäre die Einlagensicherung allerdings nicht wirksam geworden. Die Konstruktion der §§ 46 a ff. des neuen KWG zieht die Konsequenz aus der Erfahrung, daß konkursrechtliche Maßnahmen im Kreditgewerbe in vielen Fällen zu unnötig großen Verlusten geführt haben. Wir meinen, daß die Ausnahmeregelungen für diesen Sektor unseres Wirtschaftslebens gerechtfertigt sind, und gehen davon aus, daß auch diese Regelung letztlich dem verbesserten Gläubigerschutz dient. Es geht nicht darum, meine Damen und Herren, die Banken und deren Anteilseigner - der Kollege Rapp hat darauf hingewiesen - vor der Gefahr des Konkurses zu schützen; auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes wird es noch Pleiten im Kreditwesen und zumindest den Verlust des Eigenkapitals in solchen Fällen geben. Die Entwicklung auf den Euro-, Petro- und anderen Dollarmärkten sowie ihr möglicher Einfluß auf die Passivseite der Bilanzen auch deutscher Kreditinstitute beunruhigt uns etwas. Aber es geht darum, den Gläubiger, den Einleger, den Kunden, der von der Straße kommt und ein Bankgeschäft betritt, mit dem notwendigen Vertrauensschutz auszustatten. Dies ist geschehen, und wir meinen, daß der Gesetzgeber mit diesen konkursrechtlichen Vorschriften eine gute Lösung gefunden hat. Es bleibt für den Gesetzgeber allerdings noch die steuerliche Behandlung der Einlagensicherungsfonds und auch der Liquiditäts-Konsortialbank zu lösen. Für die nächsten Jahre ist dies bekanntlich durch Verwaltungsabkommen gesichert, und wir brauchen die Beratungen des Körperschaftsteuergesetzes, die gegenwärtig im Finanzausschuß stattfinden, nicht mit diesem Zusatzproblem zu belasten. In der nächsten Legislaturperiode allerdings wird sich wohl die Aufgabe stellen, für eine dauerhafte und beständige Regelung zu sorgen. Meine Fraktion hat von Anfang an die Verbesserung der aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten begrüßt; schnellere Prüfung, Sonderprüfer, Zwischenberichte der Prüfer an das Aufsichtsamt usw. - dies alles ist nunmehr zufriedenstellend geregelt. Auch das beste Gesetz hilft aber nur - dies ist eine Binsenweisheit -, wenn es richtig angewandt wird. Die FDP-Fraktion meint, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen das Vertrauen rechtfertigt, das wir mit dieser Gesetzesänderung in seine Amtsführung setzen. Von Anfang an - und nun komme ich zu dem von Ihnen angesprochenen Thema, Herr Zeitel - haben meine Freunde und ich die ursprünglich vorgeschlagene Großkreditregelung zurückhaltend beurteilt. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, daß wir einer Regelung, die zu einer erheblichen Umschichtung der Kreditengagements im Kreditgewerbe und zu einer Veränderung der Struktur unseres Kreditwesens führen würde, unsere Zustimmung versagen müßten. Denn nach wie vor ist die Frage nicht endgültig entschieden, ob für die Bankpleiten der Vergangenheit eigentlich die Großkredite entscheidend gewesen sind oder ob der Grund nicht doch in einer weitgehend verfehlten Geschäftspolitik gelegen hat. ({0}) - Wahrscheinlich haben viele Umstände zusammengewirkt, Herr Zeitel. Es wird kaum möglich sein, jede einzelne Insolvenz auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Nach den Beratungen im Finanzausschuß und angesichts der heutigen Vorlage kommen wir jedenfalls zu dem Ergebnis, daß die vorgesehene Großkreditregelung, wonach die Großkredite eines Instituts das Achtfache des Eigenkapitals - ohne Einrechnung der Kreditzusagen - nicht überschreiten dürfen und wonach Bürgschaften und bundesbankfähige Wechsel nur zu 50 % angerechnet werden, vertretbar ist. Damit wird - dies ist der entscheidende Gesichtspunkt; deshalb widerspreche ich auch der Behauptung, daß mit diesem Gesetz eine nichtmarktwirtschaftliche Regelung gefunden worden sei - kein Kreditkarussell in Gang gesetzt; damit können sowohl die Landesbanken und Girozentralen auf der einen Seite wie auch die Privatbankiers auf der anderen Seite ohne strukturelle Eingriffe ihren Geschäften nachgehen. Daß die Großkreditregelung vom Ansatz her verfehlt sei, wird - ich möchte das jetzt nicht im einzelnen wiederholen, Herr Zeitel; wir haben es im Ausschuß diskutiert - von uns bestritten. Im übrigen würden Sie damit einen Ansatz aufgeben, den ja auch das alte Kreditwesengesetz - jedenfalls in der Tendenz - schon gekannt hat. Wir sind in den Beratungen aber auch immer dafür eingetreten, daß in der Großkreditregelung aus der Soll-Vorschrift eine Muß-Vorschrift wird, und deswegen werden wir den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion ablehnen. Es ist eben nicht richtig, Herr Zeitel - das hat auch Herr Sprung schon formuliert -, daß man mit der Soll-Vorschrift über das Aufsichtsamt den Einzelfall in den Griff bekommen kann, denn wir haben in der Vergangenheit erlebt, daß die Soll-Vorschrift in allen Fällen von den Kreditinstituten außer acht gelassen worden ist und daß sich das Aufsichtsamt immer erst im nachhinein mit einer Verletzung der Soll-Vorschrift und daher nur mit geschaffenen Tatbeständen befassen konnte. ({1}) - Das ist sicherlich richtig. Nun wollen wir mit dieser Muß-Vorschrift, deren Verletzung im übrigen nicht zur Nichtigkeit der Kreditverträge führt - dies war eine schwierige Frage, die wir mit dem Justizministerium haben klären können -, zum Ausdruck bringen, daß wir auf die Kreditinstitute einen Druck in Richtung auf die Erhöhung des Eigenkapitals ausüben wollen. Uns scheint hier eine der maßgeblichen Schwächen des deutschen Kreditwesens zu liegen. Ein großer Bereich unseres Kreditwesens, insbesondere der öffentlich-rechtliche Bereich, arbeitet auf einer Eigenkapitalbasis, die man nur als unzulänglich bezeichnen kann. Die Geschäftsleiter dieser Institute haben in der Sachverständigenanhörung des Finanzausschusses diesen Tatbestand deutlich dargelegt. Wir können an diesem beklagenswerten Zustand nichts unmittelbar ändern, aber wir können und dies wollen wir hier tun - die öffentlichen Hände auffordern, für eine bessere Eigenkapitalausstattung ihrer Institute zu sorgen. Im Grundsatz, meine Damen und Herren, gilt die These: Wer kein Geld und kein Kapital besitzt, der kann auch kein Bankgeschäft betreiben. Wir von der FDP-Fraktion stimmen der Novelle des Kreditwesengesetzes zu; aber wir wissen, daß der Gesetzgeber damit noch längst nicht alle Aufgaben erfüllt hat, die ihm dieser Bereich unseres Wirtschaftslebens stellt. Der Kollege Rapp hat auf die Arbeiten, die im Gange sind, hingewiesen. Das Kreditwesengesetz muß nach unserer Ansicht - wir hoffen, in der nächsten Legislaturperiode - einer gründlichen Überarbeitung unterzogen werden. Ich habe schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß die Diskussion um Höchstkredite, Depositenbegrenzung, um den Inhalt des § 23 KWG, um die Vermischung von Gewerbeaufsicht und Geldpolitik im KWG und z. B. um die Frage, warum die Kreditanstalt für Wiederaufbau kein Kreditinstitut im Sinne dieses Gesetzes sei, weitergeführt und dies alles einmal untersucht werden muß. Wenn wir diese Fragen stellen, so heißt das nicht - dies wollen wir mit aller Deutlichkeit hier sagen -, daß wir systemverändernde Maßnahmen im Bereich des Kreditwesens wollten. Das deutsche Kreditwesen hat sich als leistungsfähig erwiesen, der Wettbewerb ist ausreichend, und die Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik ein fast einzigartig dastehendes vielgliedriges Kreditsystem haben, sollte uns veranlassen, sehr schonend mit dieser erfreulichen Errungenschaft umzugehen. Meine Fraktion will auch das Universalbanksystem nicht in Frage stellen, weil wir uns angesichts der Größenordnungen im deutschen Kreditwesen eine sinnvollere Aufteilung kaum denken können. Außerdem ist die immer wieder vorgebrachte Behauptung, daß auf diese Weise Interessenkonflikte vermieden werden könnten, nach unserer Meinung illusionär. Es bleibt aber z. B. die Frage zu prüfen, ob etwa die industriellen Beteiligungen der Kreditinstitute ausgegliedert werden sollten. Es bleibt zu prüfen, ob das Depotstimmrecht, für das wir alle keinen vernünftigen und handhabbaren Ersatz wissen, durch Stimmrechtsbeiräte transparent gemacht werden kann, und es bleibt auch die Frage zu prüfen, ob man etwa der Deutschen Bundesbank - das wäre dann allerdings im Bundesbankgesetz zu regeln - bessere Möglichkeiten für eine offene Marktpolitik einräumt. Ebenso meinen wir, daß sich der Gesetzgeber mit der Frage befassen muß, ob die Blankettermächtigungen des Kreditwesengesetzes wirklich der Weisheit letzter Schluß sind; besonders ist aber auch zu prüfen, ob das, was Bundesbank und Bankenaufsicht in Gestalt der Grundsätze aus diesen Ermächtigungen gemacht haben, wünschenswert ist. Ich wiederhole noch einmal, meine Damen und Herren: Diese Fragen stellen heißt nicht etwa Anregungen für grundlegende Änderungen unseres Kreditsystems geben wollen. Ich befürchte, daß vernünftige Reformüberlegungen wieder vor eine Wand laufen, wenn wir dabei das notwendige Augenmaß verlieren. Mit anderen Worten: Wer die Reformschraube überdreht und überzieht, wird das verhindern, was an Reform notwendig ist. Diese allgemeine Erkenntnis gilt wahrscheinlich nicht nur für das Gebiet des Kreditwesens, aber sie wird auf diesem Gebiet besonders deutlich. Die FDP-Fraktion stimmt diesem Gesetz zu. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU in Drucksache 7/4670 wurde bereits in der allgemeinen Aussprache begründet. Ich kann demnach über diesen Antrag, in Art. 1 Nr. 3 eine Änderung vorzunehmen, abstimmen lassen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich lasse nunmehr über Art. 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr die Art. 2, 2 a, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Vizepräsident Dr. Jaeger Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile dem Herrn Bundesminister der Finanzen das Wort.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der dritten Lesung möchte ich insbesondere den Mitgliedern des Finanzausschusses, aber auch den Mitgliedern des Unterausschusses sehr herzlich dafür danken, daß es möglich gewesen ist, diese Eilvorlage innerhalb von sechs Monaten von der ersten Lesung bis zur dritten Lesung im Deutschen Bundestag zu behandeln. Immerhin hat es sich um eine sehr komplizierte Materie gehandelt, und die Leistung, die die Damen und Herren im Finanzausschuß vollbracht haben, ist bemerkenswert. Heute können wir feststellen, daß sich auf Grund der hier bereits angesprochenen Maßnahmen, die vom Aufsichtsamt durch Erlaß eines neuen Kreditgrundsatzes ergriffen wurden, auf Grund der Schaffung der Liquiditäts-Konsortialbank, der zusätzlichen Melde-, Prüfungs- und anderen Aufsichtsregelungen für das Aufsichtsamt in Berlin sowie der durch dieses Gesetz möglichen Einlagensicherung das Leid und Elend, die der Herstatt-Fall gebracht hat, nicht wiederholen können. Diese Regelung, die wir heute verabschieden, bedeutet - zusammen mit dem Bündel der anderen Maßnahmen -, daß wir in enger Zusammenarbeit zwischen Verbänden, Parlament und Regierung eine echte Reform vollbracht haben. ({0}) Diese Einlagensicherung, die mit dem, was auch bei cien Sparkassen und den Kreditgenossenschaften geschehen ist, im Zusammenhang zu sehen ist, steht einzigartig in der Welt da. ({1}) Es gibt kein Land, in dem der Sparer, was seine eigenen Spareinlagen anlangt, nach Verkündung dieses Gesetzes so viel Sicherheit hat. Ich kann mir zum Proben der Großkredite weitere Bemerkungen ersparen; die Sprecher der Koalition haben unsere Position deutlich gemacht. Ich hatte hier bereits in der ersten Lesung vor gut sechs Monaten klargemacht, daß die Bundesregierung in der Frage des sogenannten Multiplikators zu Kompromissen bereit wäre. Dies, was wir heute vor uns haben, paßt in unsere Wirtschaftsordnung hinein. Es erhöht den Sparerschutz; der Wettbewerb, die Marktwirtschaft und die Verantwortung der Bankleiter bleiben erhalten. Wir verbinden Aufsicht, Wettbewerb und Verantwortung der Unternehmen in einer vernünftigen Art und Weise. Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Auch ich bin der Meinung, daß diese Eilvorlage, die hier heute beschlossen wird, nicht grundsätzliche Fragen der künftigen Struktur des Bankenwesens beantwortet. Insofern bin ich mit Herrn Graf Lambsdorff der Meinung, daß wir in der nächsten Legislaturperiode über eine Reihe von Fragen debattieren müssen; dazu gehören natürlich die Frage des Depotstimmrechts, die Frage des industriellen Beteiligungsvermögens der Banken, die Frage der Universalbank und andere Fragen. Worauf es ankommt - und deswegen habe ich die Untersuchungskommission eingesetzt -, ist, clie Dinge nicht ideologisch, sondern sachgerecht zu betrachten. Ich habe die Mitglieder der Untersuchungskommission gebeten, uns ihren abschließenden Bericht im Frühjahr 1977 vorzulegen, d. h. so weit vom Bundestagswahlkampf abgesetzt, daß dieses Thema nicht in clie Debatten und Auseinandersetzungen der nächsten Monate einbezogen wird, aber so frühzeitig, daß wir die nächste Legislaturperiode nutzen können, um gründlich, gelassen, aber zielbewußt neue Antworten auf neue Fragen zu geben. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses zielt darauf ab, den Antrag auf Drucksache 7/2734 durch die Beschlußfassung zu 1. für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, gebe das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Schließlich schlägt der Ausschuß unter Ziffer 3 seines Antrags vor, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung - Drucksache 7/1443 Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({0}) - Drucksache 7/4545 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Rehlen Abgeordneter Dr. Stark ({1}) ({2}) Ich danke den Berichterstattern, der Abgeordneten Frau Dr. Rehlen und dem Herrn Abgeordneten Dr. Stark ({3}), für ihren Bericht. Wir treten in die zweite Lesung ein. Meine Damen und Herren, wünschen Sie eine allgemeine Aussprache? - Dann erteile ich der Abgeordneten Frau Dr. Rehlen das Wort.

Dr. Wiltrud Rehlen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Agrarrecht bedarf der Anpassung in zweierlei Hinsicht. Erstens. Die wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen die Landwirtschaft betrieben wird, ändern sich - und damit auch die Arbeitsbedingungen, die Einstellungen und die Interessen der ländlichen Bevölkerung. Zweitens. Die allgemeine Rechtsentwicklung, auch das Erbrecht, das Bodenrecht wird heute kaum mehr vom Agrarrecht her bestimmt. Entscheidungen über die Interpretation des Grundgesetzes und die Ausgestaltung der Gesetze orientieren sich an den Strukturen einer modernen Industriegesellschaft. Unterließe es der Bundestag, sich laufend um die Anpassung des Agrarrechts zu bemühen, müßten sich die Unterschiede zwischen Stadt und Land zu Gegensätzen vertiefen. Dies wäre eine Entwicklung, der gerade die SPD-Fraktion mit der von ihr vorangetriebenen Strukturpolitik für ballungsferne Räume entgegentritt. Das politische Ziel, in der Bundesrepublik einheitliche Lebensbedingungen anzustreben, fordert Anpassungsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft von der ländlichen Bevölkerung unter anderem auch an die Weiterentwicklung der Grundnormen unserer Rechtsordnung. Die Höfeordnung ist ein Sondererbrecht für die Landwirtschaft der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Sie ist damit nach Art. 125 des Grundgesetzes örtlich beschränktes Bundesrecht. In den süddeutschen Ländern und in Bremen besteht das bisher gültige Landesrecht weiter. Das Berücksichtigen unterschiedlicher Rechtstraditionen ist ein ausreichender sachlicher Grund für die Differenzierung selbst innerhalb der Bundesgesetzgebung. Die Höfeordnung regelt die Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe abweichend vom allgemeinen Erbrecht. Ein Hof kann nur an einen Hofnachfolger übergeben werden. Es unterbleibt also die sonst übliche Aufteilung des Vermögens an alle Erben. Dieses Sondererbrecht, das den Hoferben gegenüber seinen Miterben begünstigt, ist im Bewußtsein und im Verhalten der bäuerlichen Bevölkerung Norddeutschlands verankert. Es hat die Realteilung weitgehend verhindert und dazu beigetragen, daß lebensfähige Höfe über vielfachen Generationenwechsel hinweg erhalten blieben. Als Sondererbrecht muß sich die Höfeordnung an Art. 14 des Grundgesetzes messen lassen, der nicht nur das Eigentum, sondern auch das Erbrecht garantiert. Es ist allgemein anerkannt, daß das Erbrecht vom Grundgesetz nur in seinem Kernbereich geschützt ist, daß dem Gesetzgeber also hinsichtlich der Gestaltung und Umgestaltung des Erbrechts ein erheblicher Spielraum bleibt. Für den Fall der Hoferbfolge bedeutet dies, daß zwei Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind, erstens die Belange der Gesellschaft und zweitens die Individualinteressen des Hofeigentümers, des Hoferben und der weichenden Erben. Die Belange der Gesellschaft sind konkret definiert: Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum, unter anderem durch Erhalten von auf Dauer lebensfähigen landwirtschaftlichen Betrieben. Ziele der Agrarstrukturpolitik können herangezogen werden, um individuelle Interessen weiter zu beschränken, als dies im allgemeinen Recht üblich ist. Wenn die Höfeordnung vor der Verfassung Bestand haben soll, darf sie nur für wirtschaftlich gesunde und entwicklungsfähige Betriebe gelten. In einem Gesetz können über die Entwicklungsfähigkeit jedoch nur allgemeine Entscheidungen getroffen werden. Der Ernährungsausschuß hat einstimmig folgende Regelung bestimmt: Erstens. Die Höfeordnung gilt für alle Höfe mit einem Wirtschaftswert von über 20 000 DM, wenn nicht der Hofbesitzer erklärt, daß sein Hof aus der Höferolle gelöscht werden soll. Zweitens. Höfe mit einem Wirtschaftswert von mindestens 10 000 DM und höchstens 20 000 DM werden Höfe, wenn ihr Eigentümer eine entsprechende Erklärung abgibt. Damit ist den Interessen sowohl der Obstbaugebiete als auch der arbeitsintensiven Milchbetriebe in Norddeutschland Rechnung getragen. Ob ein Hof Vollerwerbsbetrieb oder Zuerwerbsbetrieb ist, spielt keine Rolle, soweit der Betrieb in der Höferolle eingetragen ist. Die bisherige Höfeordnung ist ein Zwangsanerbenrecht, d. h., dem Hofinhaber sind durch Gesetz Beschränkungen in seiner Verfügung über den Hof auferlegt. Dies entspricht nicht dem Gedanken der Testierfreiheit, wie er Art. 14 des Grundgesetzes zugrunde liegt. Die Höfeordnung wird deshalb in Zukunft fakultativ sein, d. h., je der Hofeigentümer hat die Möglichkeit, seinen Hof aus der Höferolle löschen zu lassen. Er kann dann im Rahmen bestehender Gesetze - zu denen auch das Grundstückverkehrsgesetz gehört -, über seinen Hof verfügen. Der Ernährungsausschuß hat noch vor dem Rechtsausschuß diese Grundentscheidung beraten und einstimmig gebilligt. Neben den Interessen des Hofinhabers an freier Verfügung über sein Eigentum stehen die Interessen der nichtprivilegierten weichenden Erben. Sie verlangen vom Gesetzgeber, mit Recht, einen fairen Ausgleich. In den meisten Fällen haben die weichenden Erben die Landwirtschaft bereits verlassen. Das Erbe ermöglicht es ihnen, die sozialen Belastungen beim Übergang zu gewerblicher Tätigkeit zu mildern. Die Privilegierung der Hoferben kann nicht im bisherigen Umfang aufrechterhalten werden. Sie war noch stark orientiert an den Schwierigkeiten der Landwirtschaft in den 20er und 30er Jahren und der unbefriedigenden Lage auf dem Markt für Agrarkredit in dieser Zeit. Der seit damals gestiegene Anteil der Produktion unmittelbar für den mit Subventionen gestützten Markt hat die Liquidität in der Landwirtschaft verbessert. Durch staatliche Kapitalhilfen und die Initiativen von Spezialkreditinstituten ist die Versorgung der Landwirtschaft mit Krediten heute ausreichend. Diese Entwicklung stärkt die Stellung der weichenden Erben. Der Interessenausgleich zwischen Hoferben und weichenden Erben wurde vom Agrarausschuß auf der Basis des Regierungsentwurfs entwickelt. Grundlage ist das Anderthalbfache des Einheitswertes von 1965. Das zur Zeit noch geltende Recht ist für den Hoferben günstiger, für den weichenden Erben ungünstiger. Im Regierungsentwurf war vorgesehen, das Doppelte des Einheitswertes von 1965 zur Grundlage der Wertbestimmung zu machen. Dies wurde abgelehnt, weil dadurch die Kapitalausstattung des Hofes allzusehr belastet worden wäre. Ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang zu lösen war, ist das der Nachabfindung. Was geschieht, wenn z. B. ein Hof nach 10 oder 15 Jahren verkauft oder gar im Rahmen der „vierten Fruchtfolge" zu Bauland wird? Schon das bisherige Recht sieht vor, daß bis zu einer Frist von 15 Jahren der Hoferbe die Miterben so zu stellen hat, als wenn zum Zeitpunkt des Erbfalles eine Auseinandersetzung über den gesamten Nachlaß nach den Vorschriften des BGB stattgefunden hätte. Diese Regelung ist unbefriedigend, weil sie den Hoferben auch dann noch privilegiert, wenn der Hoferbe den Hof aufgibt. Deshalb wurde sie grundlegend überholt: 1. Der Zeitraum, in dem die Nachabfindung greift, wird von 15 auf 20 Jahre verlängert. 2. Der nach BGB aufzuteilende Betrag wird nicht mehr nach der wirtschaftlichen Lage zur Zeit des Erbfalles berechnet, sondern nach den wirtschaftlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Veräußerung des Hofes. 3. Es bleibt nicht unbeachtet, daß der Hoferbe in der Regel durch seine Arbeit Anteil an der Wertsteigerung des Hofes hat. Deshalb wurden die Abfindungsquoten nach 10 und 15 Jahren degressiv gestaltet. Im Zusammenhang mit der Nachabfindung stellt sich das Problem: Was geschieht, wenn der Hof in eine Gesellschaft eingebracht wird? Dies kann in Zukunft häufiger geschehen, weil das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten darauf abzielt, Kooperationsformen im Rechtskleid der OHG oder KG zu erleichtern. Durch Veräußerung an eine Gesellschaft fällt der Hof aus der Höfeordnung heraus. Eine Gesellschaft kann nicht der Höfeordnung unterliegen. Es gelten die Bestimmungen über die Nachabfindung. Wird der Hof jedoch verpachtet, so ist dies keine Veräußerung - und Nachabfindung wird nicht fällig. Der Rechtsausschuß wollte mit dieser Regelung einerseits dem Sinn der Höfeordnung gerecht werden, andererseits aber nicht die sich entwickelnden und agrarstrukturell begrüßenswerten Formen der Kooperation in der Landwirtschaft hemmen. Die Novelle zur Höfeordnung bringt nicht nur einen neuen Interessenausgleich zwischen dem Hoferben und den weichenden Erben, sondern auch eine neue Regelung für die Hofnachfolge. Während im geltenden Recht je nach örtlichem Recht das älteste oder jüngste Kind als erstes erbberechtigt ist, sieht die neue Regelung vor: In erster Linie ist jenes Kind erbberechtigt, dem vom Hofeigentümer der Hof auf Dauer zur Bewirtschaftung überlassen ist, in zweiter Linie jenes Kind, das für das Führen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgebildet wird. Diese beiden Gruppen von Hoferben genießen in der neuen Höfeordnung einen besonderen Vertrauensschutz. Vielfältige Erfahrungen im landwirtschaftlichen Bereich haben die Notwendigkeit einer solchen Regelung deutlich gezeigt. Der Rechtsausschuß hat sich bemüht, die Bestimmungen so zu fassen, daß Familienstreitigkeiten möglichst verhindert werden können. Auch die Stellung des überlebenden Ehegatten wurde gegenüber dem bisherigen Gesetz erheblich verbessert. Während derzeit der überlebende Ehegatte den Hof in der Regel nur als Hofvorerbe erhalten kann, wird er künftig den Hof erben können, wenn nicht Kinder den Hof übernehmen können oder wollen. ({0}) Die Bestimmungen über die Erbfähigkeit des Ehegatten stehen damit im Einklang mit dem Grundgedanken des kürzlich vom Bundestag verabschiedeten Ehe- und Familienrechts. Im System der Höfeordnung spielt das Konzept der Wirtschaftsfähigkeit eine erhebliche Rolle. Nur derjenige kann in der Regel Hoferbe werden, der wirtschaftsfähig ist. Der Begriff der Wirtschaftsfähigkeit war bis jetzt im Gesetz nicht definiert. Er wurde in der Rechtsprechung entwickelt. Ich halte es für mißlich, wenn tragende Bestimmungen eines Gesetzes nicht im Gesetz selbst verankert sind. Der Rechtsausschuß ist diesem Gedankengang gefolgt und hat deshalb den Begriff der Wirtschaftsfähigkeit - übrigens durchaus im Einklang mit der bisherigen Spruchpraxis - in das Gesetz geschrieben. Die Höfeordnung schließt sich den Gesetzen zur Weiterentwicklung des Agrarrechts an, die in dieser und in den vergangenen Legislaturperioden vom Bundestag verabschiedet worden sind. Auch in Zukunft wird das Agrarrecht neuen Entwicklungen angepaßt werden müssen. Raumordnung und neue Konzeptionen der Bodenordnung können nicht ohne Folgen für die Landwirtschaft bleiben. Wie ernst die Sozialdemokratische Partei dabei die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes nimmt, ist nicht zuletzt an der Beratung dieses Gesetzes nachzuweisen. Verdächtigungen, die gerade auch im ländlichen Raum geschürt worden sind, die SPD wolle die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes aufweichen, sind falsch und haben nur den Zweck, Unruhe zu schaffen. Auch die ländliche Bevölkerung braucht die Stabilität unseres Staatswesens, und zwar in allen seinen Teilen. Reformen, auch wenn sie zunächst Lösungen für die Probleme und Widersprüche in Ballungsgebieten suchen, liegen auch im Interesse des „flachen Landes". Das Höferecht, das ein spezieller Teil des Familienrechts ist, hat aber auch eine soziale Komponente. Hofübergabe und Übernahme des Hofes durch den Sohn oder die Tochter stellen immer die Frage, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Hofes ausreicht, um die Familie des jungen Bauern und auch noch seine Eltern auf dem Altenteil zu ernähren. Deshalb ist die Agrarsozialpolitik ein unverzichtbarer und für die Lebensverhältnisse auf dem Lande überaus wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik. Die sozialliberale Koalition hat ihr von Anfang an einen hohen Stellenwert eingeräumt. So ist die Altershilfe für die Landwirtschaft seit 1973 dynamisiert. Das Netz der sozialen Sicherheit ist auch für die bäuerliche Bevölkerung ausgespannt. Für 570 000 Altersgeldempfänger wurden 1975 im Bundeshaushalt 1,4 Milliarden DM und für 31 000 Bezieher der Landabgaberente 140 Millionen DM veranschlagt. Meine Damen und Herren, die sozialliberale Koalition ist sich bewußt, daß soziale und ökonomische Probleme auf dem Lande und in der Landwirtschaft nicht geringere Aufmerksamkeit verdienen als Probleme in den Ballungsgebieten. Mit der Novellierung der Höfeordnung wurde die Gültigkeit dieser allgemeinen politischen Leitlinie unter Beweis gestellt. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Schröder ({0}).

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion, die mich bei den Beratungen dieses Gesetzes im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Federführung beauftragt hatte, darf ich einige Anmerkungen zu diesem Tagesordnungspunkt machen. Zunächst einige Worte des Dankes. Danken möchte ich vor allem den beiden Berichterstattern, der Kollegin Frau Dr. Rehlen und dem Kollegen Dr. Anton Stark, dafür, daß sie sich mit großer Energie und Gründlichkeit in die teilweise doch recht komplizierte Materie dieses Gesetzes eingearbeitet haben, so gründlich - Sie haben das soeben erleben können -, daß man sie heute beinahe als Sachverständige in Sachen Höfeordnung bezeichnen könnte. Danken möchte ich aber auch dafür, daß die Berichterstatter und auch die Mitglieder des Rechtsausschusses die zahlreichen Änderungsanträge des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten respektiert haben, Anträge, die sich verständlicherweise vorrangig an der agrarpolitischen Zielsetzung dieses Gesetzes orientierten. Meine Damen und Herren, ein Sondererbrecht wie die Höfeordnung wird auf die Dauer nur dann als gerecht empfunden werden, wenn neben dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung entwicklungsfähiger Betriebe und damit einer gesunden Agrarstruktur auch die Rechte der Miterben gewahrt werden. Diesen Anforderungen wurde das noch geltende Gesetz aus dem Jahre 1947 schon lange nicht mehr gerecht. Es sicherte zwar die Erhaltung der Höfe in ihrer Geschlossenheit und verhinderte damit die von niemandem gewünschte Zersplitterung des Grund und Bodens, gleichzeitig blockierte dieses Zwangsanerbenrecht aber auch in vielen Fällen einen sinnvollen Strukturwandel. Von einer auch nur annähernd gerechten Abfindung der Miterben konnte darüber hinaus erst recht nicht die Rede sein. Darum haben wir von Anfang an die Notwendigkeit der Novellierung der Höfeordnung anerkannt und uns konstruktiv mit zahlreichen Vorschlägen und Anträgen an den Beratungen dieses Gesetzes beteiligt. Wir begrüßen den Vorschlag der Bundesregierung, das Zwangsanerbenrecht in ein fakultatives Höferecht umzuwandeln. § i Abs. 4 regelt ganz klar, daß ein Eigentümer jederzeit erklären kann, daß seine Besitzung kein Hof mehr sein soll. Umgekehrt kann er genauso die Hofeigenschaft durch Erklärung wieder erlangen, wenn die sonstigen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 erfüllt sind. Diese Regelung bringt nicht nur dem Hofeigentümer ein sehr viel größeres Maß an persönlicher Entscheidungsfreiheit, sie schafft auch sehr viel bessere Voraussetzungen für einen vernünftigen Strukturwandel auf freiwilliger Basis. In vielen Fällen wird diese Regelung auch zu einer gerechteren Erbauseinandersetzung beitragen können, vor allem immer dann, wenn bei den Kindern eines Hofeigentümers kein Interesse an der Bewirtschaftung des Hofes erkennbar ist. Herrschte in der Frage: Zwangsanerbenrecht oder fakultatives Höferecht? von Anfang an Übereinstimmung, so war die Diskussion um den Anwendungsbereich der Höfeordnung zunächst völlig kontrovers. Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf vorgeschlagen, daß künftig nur noch Besitzungen Hof im Sinne der Höfeordnung sein sollten, die einen Wirtschaftswert von mindestens 30 000 DM haben. Eine solche Regelung hätte nicht nur dazu geführt, daß zahlreiche entwicklungsfähige Betriebe den Schutz des Höferechts verloren hätten, sondern auch dazu, daß in manchen kleinbäuerlich strukturierten Gebieten bis zu 70 % aller Betriebe die Hofeigenschaft verloren hätten, weil - so die Begründung im Gesetzentwurf -an deren ungeschmälerter Erhaltung im Erbgang kein die Interessen der Miterben überwiegendes agrarpolitisches Interesse besteht. Meine Damen und Herren, diese Äußerung hat in der Landwirtschaft teilweise große Unruhe hervorgerufen. Ich darf hier feststellen, daß sich die CDU/ CSU-Fraktion nach Einbringung des Gesetzes sofort mit aller Entschiedenheit gegen diese Grenze ausgesprochen und auf die obengenannten Gefahren hingewiesen hat. Bei den Detailberatungen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat dann die Regierung erfreulicherweise selbst anerkannt, daß die von ihr vorgeschlagene Grenze von 30 000 DM Schröder ({0}) Wirtschaftswert den Realitäten in der Praxis nicht gerecht wird, und von sich aus Formulierungsvorschläge gemacht, die die Unterstützung des ganzen Ausschusses gefunden haben, so wie sie Ihnen jetzt in dem Bericht des Rechtsausschusses vorliegen. Ich darf an dieser Stelle den zuständigen Referenten der beiden beteiligten Häuser für die hilfreiche Zuarbeit und die sachliche Diskussion bei allen Beratungen danken. Danken möchte ich aber auch allen Kollegen des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die sich an den Beratungen dieses Gesetzes beteiligt haben. Insbesondere möchte ich hier auch den Vorsitzenden, Herrn Dr. Schmidt ({1}), mit einschließen. Ich darf hier feststellen, daß fast alle Vorschläge und Anträge der CDU/CSU-Fraktion - es war eine ganze Anzahl, ich will aber im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit nicht mehr im einzelnen darauf eingehen - sachlich beraten und einvernehmlich beschlossen wurden. Ich glaube, diese Sachlichkeit bei den Beratungen ist dem Gesetz sehr gut bekommen. Wir haben bei den wesentlichsten Problemen der Höfeordnung Lösungen gefunden, mit denen die Landwirtschaft in den nächsten 10 bis 20 Jahren leben kann. Diese Feststellung gilt sowohl für die Erhaltung entwicklungsfähiger Betriebe, die gerechtere Abfindung der Miterben, den Schutz der Hoferben, die den Betrieb zum Zeitpunkt des Erbfalles bewirtschaften, für die Stärkung der rechtlichen Stellung des überlebenden Ehegatten und für viele andere wichtige Fragen, die in diesem Gesetz geregelt werden. Dennoch möchte ich einschränkend folgendes sagen: Je länger und intensiver man sich mit den Auswirkungen eines Gesetzes beschäftigt, desto deutlicher wird die Erkenntnis, daß es unmöglich ist, ein Gesetz zu verabschieden, das alle Wechselfälle des Lebens einbezieht. Ich glaube, das gilt in besonderem Maße für ein Erbrecht. Meine Bitte an die landwirtschaftliche Fachpresse und an die Berater geht deshalb dahin, den Landwirten immer wieder klarzumachen, daß diese Höfeordnung zwar bestimmte Grundsätze für die Vererbung von Höfen vorschreibt, die auch bei der Abfassung eines Testaments berücksichtigt werden müssen, daß sie daneben aber vor allem die Rechtsgrundlage für den Fall darstellt, daß kein Testament vorliegt. Ich meine, daß niemand besser als ein Hofeigentümer selbst beurteilen kann, welche Belastung einem Betrieb bei einer Erbauseinandersetzung zugemutet werden kann. Im allgemeinen ist auch niemand besser als die Eltern selbst in der Lage, ihren Kindern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es sollte immer wieder allen Hofeigentümern angeraten werden, rechtzeitig die Hoffolge und die Abfindung der Miterben durch Übertragung oder Testament zu regeln. Meine Damen und Herren, ich möchte auf die Ausführungen mehr agrarpolitischer oder strukturpolitischer Art, die Frau Dr. Rehlen für ihre Fraktion gemacht hat, hier nicht im einzelnen eingehen, denn wir haben im März eine agrarpolitische Debatte, in der diese Dinge vertieft werden können. Ich darf abschließend feststellen, daß die CDU/ CSU-Fraktion dem Gesetz in der Fassung der Beschlüsse des Rechtsausschusses zustimmt. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann.

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Haus am 13. Dezember 1973 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung mit der Bitte um Beschlußfassung zugeleitet. Das Ergebnis der Ausschußberatungen liegt Ihnen mit der Drucksache 7/4545 vor. Ich möchte mich bei den mit dem Gesetzentwurf befaßten Ausschüssen für die intensive und sachkundige Beratung herzlich bedanken, wie das hier auch schon geschehen ist. Ich danke ganz besonders den Berichterstattern für die geleistete Arbeit. Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung bestätigt die Höfeordnung als partielles Bundesrecht und führt sie weiter fort. ({0}) Die Höfeordnung gilt also nach wie vor nur in den norddeutschen Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In diesen Ländern wird sie - auch als Sondererbrecht - von dem Willen der Landwirtschaft getragen und kann auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurückblicken. Ich erinnere nur an das preußische Höfegesetz für die Provinz Hannover aus dem Jahre 1874 oder an die Anerbengesetzgebung von Oldenburg schon aus dem Jahre 1873. Die bedeutsamen neuen Regelungen des Gesetzentwurfs sind folgende: die Beschränkung des höferechtlichen Schutzes durch Einführung eines fakultativen Anerbenrechts für Höfe mit einem Wirtschaftswert von mindestens 20 000 DM, auf Antrag von 10 000 DM; eine Besserstellung der weichenden Erben; eine stärkere Berücksichtigung des erkennbaren Erblasserwillens im Rahmen der gesetzlichen Hoffolgeordnung; eine Besserstellung des überlebenden Ehegatten, der in Zukunft grundsätzlicher Vollerbe wird; die Möglichkeit für den Hofeigentümer, durch Verfügung von Todes wegen oder Übergabevertrag seine Abkömmlinge zu übergehen, ohne daß er hierzu der Genehmigung des Landwirtschaftsgerichts bedarf; eine Erleichterung der Zahlungsmodalitäten für den Hoferben bei der Miterbenabfindung; der Wegfall der Verpflichtung zur Abfindungsergänzung, wenn der Hoferbe einen gleichwertigen Ersatzbetrieb im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erwirbt; der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist bezüglich der Abfindungsergänzungsansprüche erst vom Zeitpunkt der Kenntnis des Berechtigten an. Ich möchte mich nach den eingehenden Darlegungen der Berichterstatter darauf beschränken, aus dem Katalog dieser Änderungen nur noch einige für die Landwirtschaft bedeutsame Gesichtspunkte aufzugreifen. Es darf nicht übersehen werden, daß das Anerbenrecht für die Erhaltung und Verbesserung der Agrarstruktur von großer Bedeutung ist. In diesem Sinne trägt der Gesetzentwurf dazu bei, die für eine gesunde Agrarstruktur notwendigen landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten. Auch wenn der Regierungsentwurf, der noch von anderen Grundlagen auszugehen hatte, einen Mindestwirtschaftswert von 30 000 DM vorsah - ich möchte hinzufügen, Herr Kollege Schröder, daß wir damals ja noch nicht alle Werte vorliegen hatten; das sollte nicht übersehen werden; wir haben dann von seiten der Bundesregierung aber sofort reagiert, nachdem die Ergebnisse der neuen Einheitsbewertung vorlagen -, so ist die nunmehr gefundene Untergrenze von 20 000 DM, finde ich, sowie die Möglichkeit, bei einem Wirtschaftswert zwischen 10 000 DM und 20 000 DM die Hofeigenschaft auf Antrag zu erlangen, doch die agrarpolitisch richtige Lösung. Ich glaube, darin stimmen wir völlig überein. Die Zulassung dieser Antragshöfe ist agrarpolitisch wünschenswert, weil damit eine Zerschlagung von existenz- und entwicklungsfähigen Betrieben verhindert wird. Der Gesetzentwurf schafft auch bei dem Kernproblem des Höferechts, der Abfindung der weichenden Erben, einen allseitigen und gerechten Interessenausgleich. Das wird dadurch erreicht, daß der Berechnung der Miterbenabfindung künftig nicht mehr nur der einfache alte Einheitswert, sondern das Eineinhalbfache des zuletzt festgesetzten Einheitswertes im Sinne des § 48 des Bewertungsgesetzes zugrunde gelegt wird. Dieser Abfindungsbasis ist das ursprünglich als Bemessungsgrundlage vorgesehene Doppelte des Einheitswertes gewichen, weil es andernfalls zu einer nicht unerheblichen Belastung für die einzelnen landwirtschaftlichen Besitzungen geführt hätte. Dieser Zielrichtung entspricht es auch, daß den weichenden Erben, gegebenenfalls unter Beteiligung des Hoferben, als Mindesterbmasse nicht mehr als ein Drittel des Hofwertes zufällt. Dadurch wird sichergestellt, daß der Hof durch die Abfindungszahlungen nicht überschuldet wird. Besonders betonen möchte ich, daß der Gesetzentwurf die weichenden Erben auch im übrigen, nämlich im Rahmen der Abfindungsergänzung -das ist schon gesagt worden -, wesentlich besser stellt als bisher. Der Hoferbe hat für den Fall der Veräußerung des Hofes oder einzelner Grundstücke im Umfang von mehr als 10 % des Gesamtwertes des Hofes, wie schon vorgetragen, innerhalb von höchstens 20 Jahren den von ihm erzielten Erlös unter den Miterben zur Ausgleichung zu bringen. Hierin ist einerseits eine betriebswirtschaftlich sinnvolle und andererseits eine erbrechtlich gerechte Lösung zu sehen. Abschließend darf ich bemerken, daß das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel, ein den heutigen agrarpolitischen Bedürfnissen entsprechendes Anerbenrecht in den norddeutschen Ländern zu schaffen - ein Anerbenrecht, das auch den verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt -, aus meiner Sicht erreicht worden ist. Der Gesetzentwurf möge deshalb das sage ich auch im Namen der FDP-Fraktion, für die ich gleichzeitig gesprochen habe - Ihre Zustimmung finden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer den Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir müssen noch über den Buchstaben b des Ausschußantrags, die Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären, abstimmen. Ich nehme an, es gibt keinen Widerspruch. - So beschlossen. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({0}) - Drucksache 7/4374 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4658 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bülow b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({2}) - Drucksache 7/4612 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäuble ({3}) Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Das Wort wird auch weiterhin nicht gewünscht. Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. ({4}) - Zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestützt auf § 49 unserer GeschäftsWehner ordnung stelle ich den Antrag, die Beschlußfähigkeit des Deutschen Bundestages festzustellen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Der Antrag ist gestellt. Die Ubersicht über das Haus läßt auch ohne genaues Zählen erkennen, daß die Beschlußfähigkeit nicht gegeben ist. Da eine Feststellung begehrt wird, müssen wir dies feststellen. Ich rufe das Haus erneut auf Mittwoch, den 11. Februar 1976, um 13 Uhr zur Fragestunde zusammen. Damit ist die Sitzung für heute geschlossen.