Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/16/1976

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die Sitzung ist eröffnet. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 16. Dezember 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schulte ({0}), Dreyer, Dr. Narjes, Dr. Müller-Hermann, Dr. Jobst, Sick, Dr. Dollinger, Dr. Riedl ({1}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Aktivität von Staatsunternehmen der Länder des Ostblocks auf den nationalen und internationalen Verkehrsmärkten - Drucksache 7/4357 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4583 verteilt. Überweisung von Zollvorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare verkündete Einunddreißigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - ({2}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 1. April 1976 Aufhebbare verkündete Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({3}) ({4}) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 1. April 1976 Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entscheidung des Rates zur Verlängerung des Mechanismus für den mittelfristigen finanziellen Beistand ({5}) überwiesen an den Finanzausschuß ({6}), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({7}) des Rates zur Festsetzung für das Jahr 1976 der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer und Aluminium zur Festsetzung für das Jahr 1976 der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Blei ({8}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren ({9}) für das Jahr 1976 ({10}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({11}) des Rates zur Aufrechterhaltung der Eilmaßnahmen hinsichtlich der Einfuhr von gewissen Textilerzeugnissen mit Urprung in der Republik Korea und Taiwan nach Frankreich und in das Vereinigte Königreich ({12}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({13}) des Rates fiber den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Tomatenmark mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft ({14}) iiherwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung der Kommission an den Rat zum Getreidenahrungsmittelhilfeprogramm für 1975/1976 und die Verwendung der im Programm 1974/75 vorgesehenen Sahel-Reserve und Verordnung ({15}) des Rates zur Abweichung von der Verordnung in bezug auf die Verfahren zur Bereitstellung von Getreide für die Nahrungsmittelhilfe und Entscheidung des Rates über die gemeinschaftliche Finanzierung einer Ausgabe für die Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975/1976 ({16}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({17}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({18}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe, Samt und Plüsch, auf Handwebstühlen hergestellt, der Tarifnummern ex 50.09, ex 50.10, ex 55.07, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs ({19}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung ins Rat Verordnung ({20}) des Rates über eine Aktion zur Umstrukturierung des Sektors der handwerklichen Küstenfischerei ({21}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({22}) des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft ({23}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Festlegung gemeinsamer Normen für den Wassergehalt in Schlachtkörpern von gefrorenen und tiefgefrorenen Hühnern, Hähnen und Hähnchen ({24}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({25}) Nr. 1599/75 des Rates vom 24. Juni 1975 über die Regelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse und bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean oder in den überseeischen Ländern und Gebieten ({26}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({27}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({28}) Nr. 1877/74 des Rates über die Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung ({29}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Vizepräsident Frau Funcke Verordnung ({30}) des Rates über die Landwirtschaft des Großherzogtums Luxemburg ({31}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften betreffend die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ({32}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik über die Selbstbeschränkung für portugiesische Ausfuhren von Tomatenkonserven für das Jahr 1976 ({33}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({34}) des Rates mit Sondermaßnahmen insbesondere zur Festsetzung der Angebote von Olivenöl auf dem Weltmarkt Sondermaßnahmen insbesondere zur Festsetzung der Angebote von Olivenöl auf dem griechischen Markt ({35}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Einheiten im Meßwesen ({36}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({37}) des Rates über die für die Jahre 1976 und 1977 gültige Einfuhrregelung für synthetische Socken mit Ursprung in Taiwan in der Bundesrepublik Deutschland, in den Beneluxländern und in Frankreich ({38}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend das Butteroil-Nahrungsmittelhilfeprogramm für 1976 und Verordnung ({39}) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Milchfett im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeprogramms 1976 an bestimmte Entwicklungsländer und internationale Organisationen über die Lieferung von Milchfett an bestimmte Entwicklungsländer und internationale Organisationen im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeprogramms für 1976 über die Lieferung von Butteroil an Pakistan als Nahrungsmittelhilfe, im Rahmen dei Verordnung ({40}) Nr. 1542/75 ({41}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Verlängerung bis. zum 30. Juni 1976 der Verordnung ({42}) Nr. 3576/73 über die Einfuhr des Weinbauerzeugnisses mit Ursprung in und Herkunft aus Zypern, das unter der Bezeichnung „Cyprus sherry" ausgeführt wird, sowie der Beihilferegelung für gleichartige Weinbauerzeugnisse, die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erzeugt und nach Irland und dem Vereinigten Königreich ausgeführt werden ({43}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte urn Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Edelmetallarbeiten ({44}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({45}) des Rates über die Lieferung von Magermilchpulver an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zugunsten der Flüchtlinge aus Timor im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeprogramms 1975 und Beschluß des Rates über die gemeinschaftliche Finanzierung bestimmter Ausgaben betr. die Nahrungsmittelhilfe an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zugunsten der Flüchtlinge aus Timor im Rahmen des Programms 1974/1975 und Verordnung ({46}) des Rates zur Abweichung von der Verordnung ({47}) Nr. 2750/75 in bezug auf die Verfahren für die Bereitstellung der Nahrungsmittelhilfe für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zugunsten der Flüchtlinge aus Timor ({48}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({49}) des Rates über ein Referenztarifsystem für die Beförderung von Gütern in der Binnenschiffahrt zwischen den Mitgliedstaaten ({50}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Sichtfeld der Fahrer von Kraftfahrzeugen ({51}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinien des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission verunreinigender Stoffe aus Dieselmotoren zum Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern ({52}) überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({53}), Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur Durchführung der Richtlinie vom 4. März 1969 hinsichtlich der Ausbesserungsvorgänge im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs ({54}) überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Richtlinie des Rates zur fünften Änderung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen ({55}) überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Entscheidung des Rates über ergänzende Maßnahmen in der Landwirtschaft im Anschluß an die Aufwertung der Deutschen Mark ({56}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({57}), Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung betreffend das Europäische Sozialbudget ({58}) überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung ({59}) Nr. 109/70 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf andere Erzeugnisse zur Aufnahme weiterer Waren in Spalte 2 der Liste in Anhang I der Verordnung ({60}) Nr. 1439/74 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung ({61}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung wird Punkt 9 der Tagesordnung als erster aufgerufen: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Strafrechtsänderungsgesetzes - Drucksachen 7/3030, 7/3064 Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform - Drucksache 7/4549 Berichterstatter: Abgeordneter Spranger Abgeordneter Coppik ({62}) b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze des Gemeinschaftsfriedens - Drucksache 7/2772 Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform - Drucksache 7/4549

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordneter Spranger Abgeordneter Coppik ({0}) c) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze des Gemeinschaftsfriedens - Drucksache 7/2854 Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform - Drucksache 7/4549 Berichterstatter: Abgeordneter Spranger Abgeordneter Coppik ({1}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die allgemeine Aussprache ein. Als erster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, ist ein weiterer Schritt auf dem von allen Fraktionen gemeinsam begangenen Weg zur Reform des Strafrechts. In seiner vom Sonderausschuß für die Strafrechtsreform erarbeiteten Fassung steht dieser Entwurf im Einklang mit den Prinzipien, die uns bisher bei der Strafrechtsreform geleitet haben. Hierzu gehört zunächst einmal vor allem das Schuldprinzip, wonach jeder nur nach dem Maße seiner Schuld und der Beteiligung an einer Straftat strafrechtliche Verantwortung zu tragen hat. Zu diesem Prinzip haben sich alle Fraktionen bei der Verabschiedung des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes vom 4. Juli 1969 ausdrücklich bekannt. Ein weiteres Prinzip ist, strafrechtliche Normen nur für diejenigen Lebenssachverhalte vorzusehen, wo strafrechtliches Einschreiten im Interesse des Rechtsgüterschutzes dringend notwendig ist. Daraus folgt, daß nur das, was sich als kriminelles Unrecht darstellt, in das Strafgesetzbuch gehört. Die Regelung des Verwaltungsrechtes hat dagegen im Ordnungswidrigkeitengesetz oder in den einschlägigen Verwaltungsgesetzen ihren Platz. Schließlich ist es ein allgemeiner Grundsatz, der uns bei unseren bisherigen Reformarbeiten im Bereich des Strafrechtes gemeinsam geleitet hat, daß der Gesetzgeber neuen oder zumindest erheblich geänderten Lebenssachverhalten, die durch die Fortentwicklung unserer Gesellschaft entstanden sind und die sich mit den geltenden Strafnormen nicht hinreichend erfassen lassen, durch Schaffung neuer gesetzlicher Vorschriften oder Änderung bestehender Bestimmungen Rechnung trägt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang beispielsweise an die von uns vor einigen Jahren gemeinsam beschlossene neue Vorschrift der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, die notwendig geworden war, um die Bürger vor unbefugtem Abhören mittels neuartiger technischer Geräte zu schützen. Daß sich die Formen der Gewaltanwendung in einigen Bereichen in einer Weise geändert haben, die eine Reaktion des Gesetzgebers erfordert, dürfte allgemein anerkannt sein. Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß wir zu dem Gegenstand, den wir heute behandeln, Gesetzentwürfe sowohl von der Bundesregierung als auch von Bundesrat und Opposition vorliegen haben? Welche Bereiche das im einzelnen sind, darüber besteht zwischen Koalition und Opposition nicht in allen Punkten Einigkeit. Einigkeit besteht jedoch darüber, daß wissentlich falsche Warnungen vor angeblichen Straftaten, wie beispielsweise die unwahre Behauptung eines angeblich bevorstehenden Bombenattentats, strafrechtlich erfaßt werden müssen. Dies ist ein Verhalten, das, wie wir alle wissen, immer häufiger Anwendung findet und in aller Regel sowohl in bezug auf die Staatsbürger als auch in bezug auf die staatlichen Organe die gleichen Wirkungen wie Drohungen hat. Solche wissentlich falschen Vortäuschungen bevorstehender Gewalttaten werden nunmehr in den §§ 126, 145 d und 241 als Straftaten mit erfaßt, so daß diese Lücke im Strafrecht mit gutem Grund geschlossen wird. Einigkeit besteht ebenfalls darüber, daß der geltende § 126 des Strafgesetzbuches, der die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens unter Strafe stellt, nicht mehr ausreicht. Dieser Straftatbestand muß erweitert werden, weil die Bevölkerung auch durch die Androhung anderer Gewalttaten, die vom Strafrecht nicht als gemeingefährliche Verbrechen klassifiziert werden, in gleicher Weise beunruhigt werden kann. Die Auffassungen von Koalition und Opposition unterscheiden sich hierbei jedoch insoweit voneinander, als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Androhung einer jeden Gewalttätigkeit gegen Menschen oder Sachen in § 126 berücksichtigt sehen wollen, während wir von der Koalition aus rechtsstaatlichen Überlegungen eine Beschränkung des § 126 auf schwere Gewalttaten für erforderlich halten. Ein Bereich, in dem von Anfang an keine Einigkeit über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Neuregelung bestanden hat, ist der § 125, die Vorschrift über den Landfriedensbruch. Die geltende Fassung des § 125 beruht auf dem Dritten Strafrechtsreformgesetz vom 20. Mai 1970, mit dem diese Strafvorschrift an das Schuldstrafrecht angeglichen wurde. Bereits damals, in der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzentwurfes, hatten wir uns in diesem Hause eingehend mit den Problemen zu befassen, die mit diesem Straftatbestand verbunden sind. Vieles von dem, was damals ausgeführt wurde, ließe sich heute gegenüber den Vorschlägen von Bundesrat und Opposition wiederholen. Ich will darauf verzichten, alle diese Argumente hier noch einmal darzulegen. Ich will mich auf einige wichtige Gesichtspunkte beschränken, die gegen die von der Opposition vorgeschlagene Erweiterung des Straftatbestandes des § 125 sprechen. Nach den Vorschlägen von Bundesrat und Opposition, die insoweit inhaltlich deckungsgleich sind, soll nach § 125 neu mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer sich einer Menschenmenge anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, wenn aus dieser Menschenmenge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit begangen werden und diese Menschenmenge diese Handlungen in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise unterstützt. Begründet wird diese Erweiterung der Strafbarkeit von der Opposition damit, daß die geltende Regelung in der Vergangenheit für eine wirksame Bekämpfung von Gewalttätigkeiten, die im Zusammenhang mit Demonstrationen begangen wurden, nicht ausgereicht habe. Meine Damen und Herren von der Opposition, das Gegenteil ist erweislich der Fall. Aus dem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform während seiner Beratungen vom Bundesjustizministerium zur Verfügung gestellten statistischen Material geht eindeutig hervor, daß in den Jahren 1970 bis 1974 nicht mehr, wie noch im Jahre 1969, bei jeder zweiten bis dritten, sondern nur noch bei jeder achten bis zwanzigsten Demonstration Gewalttätigkeiten begangen wurden. Der Anteil der unfriedlichen Demonstrationen ist damit erheblich zurückgegangen. Nicht rückläufig, sondern vielfach sogar höher als im Jahre 1969, in dem bekanntlich die meisten unfriedlichen Demonstrationen zu verzeichnen waren, ist dagegen der prozentuale Anteil der Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs, bezogen auf die Gesamtzahl der unfriedlichen Demonstrationen des jeweiligen Jahres. Von einem Rückgang der Verurteilungen als Folge der Liberalisierung des § 125 durch das Dritte Strafrechtsreformgesetz kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, es steht auf Grund dieser Tatsachen fest, daß der neugefaßte Tatbestand des Landfriedensbruchs eine viel wirksamere strafrechtliche Bekämpfung unfriedlicher Demonstrationen ermöglicht. Bei der strafrechtliche Beurteilung der Teilnehmer an einer unfriedlichen Demonstration müssen folgende Personengruppen unterschieden werden: An erster Stelle sind diejenigen zu nennen, die sich in Ausübung dienstlicher oder beruflicher Pflichten in der Menge aufhalten. Hierzu gehören Ärzte, Rotkreuzhelfer, Journalisten, Presse- und Fernsehleute. Daß das Verweilen dieser Personen in einer unfriedlichen Menge kein strafwürdiges Unrecht enthält, dürfte mittlerweile allgemein anerkannt sein. Nur am Rande sei vermerkt, daß der genannte Personenkreis in einem solchen Falle nach der vor dem Jahre 1970 geltenden Gesetzesfassung wegen Landfriedensbruchs bestraft worden wäre. Die Entwürfe von Bundesrat und Opposition greifen insoweit nicht auf das vormalige Recht zurück, sondern stellen entsprechend dem geltenden Recht Personen, die in Ausübung dienstlicher oder beruflicher Pflichten bei einer unfriedlichen Demonstration zugegen sind, straffrei. Als nächste Gruppe wären diejenigen Personen zu nennen, die bei einer unfriedlichen Demonstration lediglich als Neugierige zugegen sind, ohne sich in irgendeiner Weise an dem Geschehen zu beteiligen. Nach den Vorschlägen vom Bundesrat und Opposition sollen sich diese Personen durch den bloßen Anschluß an eine unfriedliche Menge oder das Verweilen in ihr strafbar machen, weil jeder, der sich einer Menge anschließe, die bereits zur Unterstützung von Gewalttätigkeiten übergegangen sei, oder der sich nicht aus einer solchen Menge entferne, deren friedensstörende Bereitschaft fördere, damit zur Solidarisierung der Menge beitrage und auf diese Weise die Gefahr der Aggression und der gesetzwidrigen Übergriffe verstärke. Meine Damen und Herren, bei aller Anerkennung des Unwertes, der einem auf Neugier beruhenden Aufenthalt in einer unfriedlichen Menge möglicherweise anhaften mag, kann ich unter Beachtung der freiheitlich-demokratischen Ordnung unseres Staates in einem solchen Verhalten kein strafwürdiges Kriminalunrecht erblicken. Bürger wegen ihrer Neugierde zu bestrafen und damit für viele Jahre mit dem Makel einer Vorstrafe zu belasten, widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Schuld und ist unbillig. Eine Bestrafung dieser Personen wäre ein Rückfall in die Zeiten des alten Obrigkeitsstaates, von dessen Relikten wir das Strafrecht mit dem Dritten Strafrechtsreformgesetz im Jahre 1970 befreit haben. Für die Ahndung eines solchen Verhaltens ist das Recht der Ordnungswidrigkeiten ausreichend und richtig. In solchen Fällen sieht der Ordnungswidrigkeitstatbestand der unerlaubten Ansammlung Geldbußen bis zu 1 000 DM vor. Sodann wäre die Gruppe derjenigen Demonstrationsteilnehmer anzuführen, die trotz der von anderen verübten Gewalttat, die sie keinesfalls gutheißen, im Hinblick auf das mit der Demonstration eigentlich verfolgte Ziel, das ihnen am Herzen liegt, die Demonstration fortsetzen wollen und sich deshalb nicht entfernen. Für die Bewertung dieses Verhaltens gilt nichts anderes als bei der Gruppe der Neugierigen. Auch hierin kann entgegen der Auffassung der Opposition und des Bundesrates kein kriminelles, sondern lediglich ein Verwaltungsunrecht in Form einer Ordnungswidrigkeit erblickt werden. Zu geradezu grotesken Ergebnissen kommen die Entwürfe des Bundesrates und der Opposition bei der Gruppe der sogenannten Abwiegler. Darunter versteht man in Fachkreisen diejenigen Personen, die sich darum bemühen, auf unfriedliche Demonstranten in der Weise positiv einzuwirken, daß sich diese dem Gesetz gemäß verhalten und keine weiteren Straftaten mehr begehen. Auch diese Gruppe soll nach den Vorstellungen der Opposition und des Bundesrates unter Strafe gestellt werden. Hierfür kann man aber auch beim besten Willen kein Verständnis haben. Schließlich geht es noch um diejenigen Personen, die Gewalttätigkeiten verüben oder an GewalttätigDr. Müller-Emmert keiten anderer als Anstifter oder Gehilfen teilnehmen, indem sie als sogenannte Aufwiegler oder Anheizer tätig werden oder Gewalttäter decken oder vor dem polizeilichen Zugriff abschirmen. Hier handelt es sich in der Tat in jeder Weise um strafwürdiges Unrecht. Dieser Personenkreis wird jedoch eindeutig durch § 125 in der geltenden Fassung ausreichend erfaßt. Eine Änderung des Gesetzes ist demnach nicht notwendig. Weiterhin muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß durch die von der Opposition vorgeschlagene Erweiterung des Straftatbestands des Landfriedensbruchs die Arbeit der Polizei entgegen der Auffassung der Opposition keinesfalls erleichtert, sondern im Gegenteil erschwert würde. ({0}) Zudem würde die Effektivität der Polizei bei der Bekämpfung von Gewalttaten im Zusammenhang mit Demonstrationen abnehmen, wenn der Vorschlag der Opposition Gesetz würde. Mit einer unfriedlichen Demonstration fertig zu werden ist immer Aufgabe der Polizei. Wie dies am besten geschieht, ist vor allem eine polizeitaktische Frage, wobei das Vorgehen der Polizei weitgehend von den jeweiligen Umständen, beispielsweise der Örtlichkeit oder der Größe der Menschenmenge, abhängt. ({1}) - Hören Sie bitte aufmerksam zu, Herr Kollege Eyrich! Mit einer Erweiterung der Strafbarkeit des Landfriedensbruchs würde die Polizei auf Grund des für die Verfolgung von Straftaten geltenden Legalitätsprinzips verpflichtet sein, grundsätzlich alle Teilnehmer an einer unfriedlichen Demonstration festzunehmen oder deren Personalien festzustellen, da sich ja alle strafbar gemacht hätten. Eine Konzentration auf die eigentlichen Gewalttäter, den harten Kern, wäre der Polizei rechtlich nicht möglich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Arndt? - Bitte sehr!

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller-Emmert, können Sie bestätigen, daß die gegenwärtige Fassung des § 125 gerade wesentlich auf Vorschläge des Hamburger Senats zurückgeht, die ihrerseits darauf beruhen, daß entsprechende Erfahrungen bei den Osterunruhen des Jahres 1968 gesammelt wurden, wo die Gefahr von fast hundert Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Begünstigung bestand, weil sie nämlich aus polizeitaktischen Gründen dem Legalitätsprinzip nicht hatten folgen können?

Dr. Adolf Müller-Emmert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001568, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich kann Ihnen das voll bestätigen. Das können auch die Kollegen bestätigen, die dem Strafrechtsausschuß angehören. Wir haben damals auch Sachverständige aus dem Bundesland Hamburg gehört, die uns genau diesen Sachverhalt bestätigt und vorgetragen haben. ({0}) - Herr Kollege Eyrich, Sie weisen in Ihrem Zuruf auf die anderen Sachverständigen hin. Diese mußten aber, da sie juristisch in die Enge getrieben waren, zugeben, daß sie rein faktisch mit den Problemen fertig werden müssen und damit letztlich besser fertig werden, wenn für das Einschreiten der Polizei, was ich noch ausführen werde, nicht das Legalitäts-, sondern das Opportunitätsprinzip gilt. ({1}) Der Polizei würde eine Aufgabe aufgebürdet, die so schwierig und umfangreich wäre, daß sie in vielen Fällen, wie ich schon sagte, rein faktisch nicht erfüllbar wäre. Man braucht nur an größere Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern zu denken. In solchen Fällen wäre die Polizei zwangsläufig in die Lage versetzt, aus der unfriedlichen Menge mit der Folge auszuwählen, daß mehr oder weniger der Zufall über Bestrafung oder Nichtbestrafung entscheiden würde. Damit verbunden wäre die Gefahr, daß Polizisten, wie auch schon erwähnt, wegen Begünstigung im Amt angezeigt würden, wie dies im übrigen in Hamburg 1969 der Fall war. Eine weitere, viel schwerwiegendere Folge wäre, daß wegen der Verpflichtung zur Festnahme oder zur Personalienfeststellung grundsätzlich aller Teilnehmer die eigentlichen Gewalttäter und deren Helfer frei ausgehen könnten, weil die Kräfte der Polizei zur Festnahme dieser Teilnehmer einfach nicht ausreichen würden. Nach der derzeitigen Rechtslage kann sich die Polizei hingegen auf die Gewalttäter und Teilnehmer einschließlich der Anheizer und Aufwiegler konzentrieren, weil nur diese nach § 125 wegen Landfriedensbruchs strafbar sind. ({2}) Wer sich der Polizei dabei in den Weg stellt, um diese Personen zu decken, macht sich der Beihilfe schuldig und ist ebenfalls strafbar. Andere Demonstrationsteilnehmer, die der Polizei hinderlich sind, können bekanntlich ebenfalls vorläufig festgenommen und auf Grund der Polizeigesetze der Bundesländer bis zu 24 Stunden sistiert werden, da sie eine Ordnungswidrigkeit der unerlaubten Ansammlung begangen haben, für die zudem eine Geldbuße bis zu 1 000 DM vorgesehen ist. Die Polizei ist, da im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip gilt, damit in der Lage, ihr Vorgehen bei unfriedlichen Demonstrationen weitgehend nach Zweckmäßigkeitserfordernissen und erst recht auch nach dem Gesichtspunkt der größeren Effektivität auszurichten. Strafvorschriften, die es praktisch ermöglichen, daß oft nur der Zufall über Bestrafung oder Nicht14722 bestrafung entscheidet, wirken nicht generalpräventiv. Sie werden nämlich von der Bevölkerung mit gutem Grund als Unrecht empfunden und deshalb abgelehnt. Solche Vorschriften können überdies sogar noch zu Staatsverdrossenheit und teilweise auch zu unerwünschter Solidarisierung mit Gewalttätern führen. Aus allen diesen Gründen sind wir der Meinung, daß eine Änderung der Strafvorschrift des Landfriedensbruchs in keiner Weise erforderlich ist. Lassen Sie mich weiter kurz darauf eingehen, daß der Bundesrat und die Opposition verschiedene Änderungen des Versammlungsgesetzes vorgeschlagen haben. In diesem Punkt kann ich mich wirklich kurz fassen. Für eine Änderung des Versammlungsgesetzes besteht keine Notwendigkeit, da alle bisher in ,diesem Bereich aufgetretenen Probleme mit den geltenden Vorschriften leicht bewältigt werden konnten. Schließlich möchte ich noch zu einem besonders wichtigen und umstrittenen Problem kommen, das nicht nur den Strafrechtsausschuß und die Fraktionen des Bundestages, sondern auch die Presse und die Öffentlichkeit in besonderer Weise beschäftigt hat. Ich meine die Befürwortung von und die Anleitung zu Gewalttaten. Hier können wir die Augen nicht davor verschließen, daß sich die Formen, in denen solche Befürwortungen und Anleitungen erfolgen, in den letzten Jahren vermehrt und auch wesentlich verfeinert haben. Wir alle kennen die Druckschriften, die unter dem Namen „Kochbücher" bekanntgeworden sind und genaue Anleitungen für Gewalt- und Terrorakte sowie Bombenattentate enthalten. Daneben gibt es aber auch zahlreiche theoretische Abhandlungen, in denen zwar, vom äußeren Inhalt her gesehen, nur über den Verlauf von Revolutionen in der Vergangenheit und die dabei angewandten Methoden berichtet, unterschwellig jedoch dafür geworben wird, mit vergleichbaren Methoden auch bei uns Revolutionen durchzuführen. Den maßgebenden Leuten unter den Terroristen und Revolutionären fehlt es in der Regel nicht an intellektuellen Fähigkeiten. Sie waren und sind daher in der Lage, sich bei der Propagierung von Gewalt komplizierter und ausgeklügelter psychologischer Mechanismen zu bedienen. Ein bestimmter Prozentsatz der in den letzten Jahren bei uns verübten Terror- und Gewalttaten ist sicherlich auch mit auf solche offenkundigen oder verdeckten Propagierungen von Gewaltanwendungen zur Änderung der politischen Verhältnisse in unserem Lande, die klar eine zu Straftaten anheizende Tendenz erkennen lassen, zurückzuführen. Mit den geltenden Vorschriften, beispielsweise über die Anstiftung oder die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, läßt sich ein solches Vorgehen strafrechtlich nicht erfassen. Dabei darf man aber die Schwierigkeit nicht verkennen, die gerade in diesem Bereich hinsichtlich einer klaren Trennung von strafwürdigem Verhalten einerseits und rechtlich zulässigem, nach unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sogar gewünschten Verhalten andererseits bestehen. Die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit von Kunst und Wissenschaft sind Eckpfeiler unserer Verfassungsordnung. Diese Freiheitsbereiche dürfen daher auch nicht im Wege der Strafgesetzgebung eingeengt werden. Wir alle wünschen uns Staatsbürger, die an dem politischen Geschehen dieses Staates regen und auch engagierten Anteil nehmen. Politische Duckmäuser sind uns ein Graus. Jede strafrechtliche Regelung, die in diese Richtung führen würde, wäre ein Rückschritt hin zum alten Obrigkeitsstaat, den wir nicht wollen. Die Bürger in unserem Lande müssen sich auch mit der Gewaltproblematik auseinandersetzen können, sei es im Einzelgespräch, sei es über die Presse oder über künstlerische oder literarische Werke. ({3}) Die Diskussion über die Frage, wann formal illegale Gewalt legitim, also gerechtfertigt, sein kann, darf keinesfalls beeinträchtigt werden. Dies ist ein Problem unserer philosophischen, theologischen und rechtlichen Diskussion, das schon uralt ist und das sich in den Schauspielen Schillers, ich erinnere an „Die Räuber" oder an „Wilhelm Tell" ({4}) - lesen Sie sie einmal, Herr Kollege Vogel -, genauso findet wie in den Auslassungen Nietzsches über die Gewalt oder in den Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels und Karl Kautsky oder in den Ereignissen um den 20. Juli 1944, als die Gewaltherrschaft beendet werden sollte, die Hitler in Deutschland aufgerichtet hatte. Eine solche Diskussion darf nicht vor Strafgerichten ausgetragen werden. ({5}) Auf der anderen Seite muß man aber erkennen, daß Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich ihre Grenze da finden müssen, wo es sich um öffentliche oder in Versammlungen abgegebene oder in Schriften enthaltene Äußerungen handelt, die die Befürwortung erheblicher Straftaten enthalten und die bestimmt und geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern, sich durch die Begehung solcher Taten für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik oder gegen Verfassungsgrundsätze einzusetzen. Solche Verhaltensweisen müssen auf jeden Fall strafrechtlich geahndet werden, da sie sich gegen den Bestand unserer freiheitlichen Demokratie wenden. Ein Staat, der seine Verpflichtung zur Wahrung unseres Grundgesetzes und zum ausreichenden Schutz unserer Bürger ernst nimmt, ist auch verpflichtet, eine entsprechende strafrechtliche Barriere aufzurichten. Aus diesen Grundsätzen heraus haben sich die Mitglieder des Strafrechtsausschusses, die der Koalition angehören, nach sehr eingehenden Beratungen und mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung zu folgender Regelung entschieden. Es wird zwischen Anleitung zu und Befürwortung von Gewalt unterschieden. Der Begriff „BefürworDr. Müller-Emmert tung" reicht sehr weit. Die Grenze zwischen strafwürdigem Verhalten einerseits und künstlerisch oder demokratisch legitimen Aussagen andererseits ist fließend und nicht in allen Fällen hinreichend genau festzulegen. Zur Verhinderung von Eingriffen in diesen von der Verfassung besonders geschützten Bereich muß deshalb die Strafbarkeit der Befürwortung von Gewalttaten auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben, in denen die Befürwortung bestimmt und geeignet ist, die Bereitschaft anderer zu fördern, sich durch die Begehung solcher Taten für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik oder gegen Verfassungsgrundsätze einzusetzen. Infolge der Einschränkung, die durch das Merkmal der Verfassungsfeindlichkeit erfolgt ist, war die Schaffung eines neuen Straftatbestandes, nämlich des § 88 a StGB, notwendig. Diese Vorschrift hat den Charakter eines Staatsgefährdungsdelikts erhalten. Daraus folgt, daß die Vorschrift des § 133 a StGB nunmehr nur noch die Fälle der Anleitung zu Straftaten betrifft. Um zweifelsfrei klarzustellen, daß Handlungen, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen, nicht wegen verfassungsfeindlicher Befürwortung von Straftaten oder wegen Anleitung zu Straftaten strafbar sind, wurde die sogenannte Sozialadäquanz-Klausel des § 86 Abs. 3 StGB entsprechend neu gefaßt und präzisiert. Es ist sicher auch für Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von Interesse, daß der mit seinen verschiedenen Änderungen heute vorgelegte Gesetzentwurf auch die Zustimmung der Vertreter der rechtsprechenden Gewalt gefunden hat. Diese Tatsache sollte die Opposition eigentlich nachdenklich stimmen. ({6}) Der Deutsche Richterbund hat in einer kürzlich herausgegebenen Presseerklärung folgende Feststellung getroffen: Der Deutsche Richterbund begrüßt, daß der von der Koalition vorgelegte Entwurf eines § 130 a StGB, durch den die Befürwortung und Anleitung zu schweren Gewalttaten unter Strafe gestellt werden sollte, in der ursprünglich vorgelegten Form nicht Gesetz wird. So verständlich es ist, daß auch die sozialliberale Koalition auf eine gewisse Eskalation der Gewalt reagiert, so gefährlich wäre es dem Deutschen Richterbund andererseits erschienen, eine neue Bestimmung zu schaffen, die in der Öffentlichkeit nur allzuleicht als Gesinnungsstrafrecht hätte verstanden werden können. Der Kampf gegen das Unrecht muß hart geführt werden, doch darf der Eifer hierin den Geist der Freiheit nicht beeinträchtigen. Der Deutsche Richterbund wertet es daher positiv, daß in der jetzt vorgesehenen Neuregelung ein Tatbestand geschaffen worden ist, der zwar die Bestrafung von Anleitung zu Gewalt noch ermöglicht, aber eine exaktere Eingrenzung vornimmt und außerdem klarstellt, daß die Freiheit der Berichterstattung, der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre nicht beeinträchtigt werden soll und kann. Ich glaube, dieser Stellungnahme des Deutschen Richterbundes braucht nichts mehr hinzugefügt zu werden. Sie sollte auch - dazu fordere ich die Damen und Herren von der Opposition auf - von der Opposition noch einmal nachdrücklich überlegt werden. ({7}) Ich bitte Sie abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, für den vorgelegten Gesetzentwurf zu stimmen. ({8})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sicherung und Durchsetzung unserer freiheitlichen Rechts- und Friedensordnung, die Gewährleistung der inneren Sicherheit, der Schutz unserer Demokratie und ihrer Bürger vor rechtswidrigen Angriffen und Bedrohungen sind heute eine der zentralen politischen Aufgaben in unserem Lande geworden. Dem 1969 von SPD/FDP verkündeten Experiment, die streitbare, kämpferische Demokratie in mehr Demokratie zu verwandeln, folgte die Überbetonung staatlicher Toleranz gegenüber dem Mißbrauch von Freiheitsrechten durch Rechtsbrecher zum Nachteil der gesetzestreuen Burger, fortschreitender Autoritätsverlust des Staates durch falsch verstandene Liberalisierung und die jahrelang geduldete Diffamierung von Werten wie Recht, Ordnung und Sicherheit. ({0}) - Das alles hat Gewalt Kriminalität, Brutalität und Terrorismus gefördert und unerträglich wachsen lassen. Verfassungsschutzberichte und Kriminalstatistiken, Herr von Schoeler, beweisen dieses. Es wäre Ihnen zu empfehlen, sich damit einmal auseinanderzusetzen. Jahrelange Warnungen von CDU/CSU vor dieser Entwicklung und ihre Verharmlosung haben sich, a ich wenn SPD und FDP dies jahrelang als Angst- und Panikmache abqualifizierten, leider bestätigt. ({1}) Immer wieder haben wir betont, daß die Bundesregierung berechtigt, im lnteresse der gesetzestreuen Bürger und zur Aufrechterhaltung eines Lebens in Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet sei, mit Entschiedenheit allen Kräften entgegenzutreten, die den freiheitlichen Rechts- und Sozialstaat bedrohen. Doch SPD/FDP haben den Grundsatz mißachtet, bei aller notwendigen Toleranz auch den Mut zu haben, rücksichtslos gegenüber allen zuzufassen, die die Toleranz dazu miß14724 brauchen, gegen den Toleranten intolerant zu werden - so forderte es einst Kurt Schumacher in einer Rede im Juni 1947. Die Verletzung dieses Grundsatzes führte dazu, daß Gewalt und Gewaltandrohung in den letzten Jahren zunehmend die öffentliche Sicherheit und das friedliche Gemeinschaftsleben gefährdeten. ({2}) Vor allem linksradikale kommunistische Gruppen und subversive Kräfte mißbrauchten Freiheitsrechte wie das Versammlungsrecht, die Meinungs- und Pressefreiheit, um zum Kampf gegen unseren Staat und seine demokratische Ordnung aufzurufen, um den gewaltsamen Umsturz zu fordern und zu proben. Handbücher für die Stadtguerilleros, für die Besetzung von Universitätsinstituten und Häusern, für die Störung von Vorlesungen, für die Herstellung von Bomben und Molotowcocktails und ähnliches führten zu Gewaltaktionen von Terroristen und bei bürgerkriegsähnlichen Demonstrationen und förderten sie. Unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit verfolgten die Täter das Ziel, durch planmäßig angelegte schwere Zusammenstöße mit den Ordnungskräften die staatliche Ordnung, die Staatsorgane und die Bevölkerung zu verunsichern und dadurch eine vorrevolutinäre Situation zur Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes zu schaffen. Nach diesem Schema rollten ab die Ausschreitungen in München während der Olympischen Spiele im September 1972, der Sturm auf das Bonner Rathaus im April 1973, fast bürgerkriegsähnliche, teils wochenlang anhaltende Unruhen in Duisburg, Frankfurt, Heidelberg, Berlin und anderswo. Alle Aktionen zeichnen sich aus durch hervorragende Planung und Organisation durch Linksradikale, die - ausgerüstet mit Helmen, Kampfjacken, Eisenstangen und Wurfgeschossen - mit beispielloser Rücksichtslosigkeit durch Brutalität hohe Personen- und Sachschäden anrichteten. Sie waren, wie der ehemalige Generalbundesanwalt Martin am 6. Juli 1974 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrieb, der Aufstand revolutionärer Stoßtrupps mit dem Ziel der Verhöhnung und Zerstörung der bestehenden Verfassungs- und Gesellschaftsordnung. Sie waren Brutstätten und Heimat jener Terroristen, deren schreckliches Handwerkszeug Mord und Geiselnahme, Raub und Totschlag sind. Die Gewalt hat, so schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 9. November 1974, eine Dimension angenommen, gegenüber der die Zaunlatten und agrarischen Wurfgeschosse von 1968/69 wie Kinderspiele anmuten. ({3}) An sich wäre es auf Grund dieser Geschehnisse die selbstverständliche Pflicht dieser Bundesregieregierung gewesen, zum Schutz der Bürger und der Ordnungskräfte, zur Abwehr dieser Gewaltakte, zur Wiederherstellung und zukünftigen Sicherung friedlicher Verhältnisse, im Interesse des Bestandes und der Sicherheit des Staates diesem geistigen und körperlichen Terror in unseren Straßen, Städten und Universitäten durch wirksamere Gesetze zu begegnen, als sie offenbar bis heute vorhanden sind. ({4}) - Statt wenigstens die im Reformrausch ab 1969, Herr Arndt, begangenen sicherheitspolitischen Fehler zu korrigieren, spielte Sicherheit bei der SPD jedoch erst ab dem Mannheimer Parteitag eine zu Hetzkampagnen gegen die Union mißbrauchte Rolle. ({5}) Die Bundesregierung überließ es auf diesem Gebiet wieder einmal der CDU/CSU und den von ihr regierten Bundesländern, auf Initiative des Freistaates Bayern vom 12. Juli 1974 einen Gesetzentwurf zum Schutz des Gemeinschaftsfriedens vorzulegen. Erst am 23. Dezember 1974 reagierte die Regierung. ({6}) Die unwillige Halbherzigkeit, mit der SPD/FDP sich der Verbesserung des Schutzes des Gemeinschaftsfriedens annahmen, erweist sich nicht nur im Verfahren, sondern auch in dem, wie die SPD- und FDP-Mehrheit im Ausschuß die Vorschläge der Union niederstimmte. Im wesentlichen geht es der CDU/CSU um eine Strafbarkeit auch desjenigen, der sich einer gewalttätigen, den öffentlichen Frieden gefährdenden Menschenmenge anschließt oder sich aus ihr nicht entfernt - § 125 Abs. 2 -, ({7}) - Herr Arndt, Sie können sich durchaus auch von hier artikulieren -, um die Strafbarkeit der friedensstörenden Androhung schwerer Gewalttaten, um die Strafbarkeit von friedensstörender Befürwortung von oder Anleitung zu schweren Straftaten und um Änderungen des Versammlungsgesetzes zur rechtzeitigen und besseren Abwehr von Mißbräuchen des Versammlungsgesetzes. Trotz der vielen gewaltsamen Ausschreitungen lehnen es SPD/FDP jedoch nach wie vor ab, ihre Demontage des Demonstrationsrechts von 1970 zu korrigieren und der Erkenntnis Rechnung zu tragen, daß kein ausreichendes Vorgehen gegen planmäßige, aus der Menge heraus handelnde Gewalttäter mehr möglich ist und daß auch die sozialschädliche, nach massenpsychologischer Erkenntnis friedensstörende Unterstützung desjenigen, der sich einer gewalttätigen Menschenmenge anschließt und dadurch die Überführung der Aktivisten und Rädelsführer verhindert oder erschwert, strafrechtlich erfaßt werden muß. ({8}) - Das ist absolut nicht strafbar. Sonst brauchten wir den Gesetzentwurf nicht vorzulegen. Wenn Sie die Sachverständigen im Ausschuß angehört hätten, hätten Sie eine solche Aussage vermieden, Herr Arndt. ({9}) - Haben Sie die Protokolle aus dem Jahre 1970 gelesen? Ich weiß nicht, ob Sie damals an allen Sitzungen teilgenommen haben. ({10}) Neben Alen schon erwähnten Ausschreitungen gab es z. B. Demonstrationen für die Einführung des Nulltarifs im Juni 1971 in Eßlingen, Teach-ins im Juni 1973 vor der Tübinger Universität, Vorgänge bei der Besetzung des Kernkraftwerkes in Wyhl im Februar 1975 und gewalttätige Menschenansammlungen im Juni und Juli 1975 in Freiburg und Heidelberg. Überall - jetzt, Herr Arndt, passen Sie auf, das sind die Fakten - entzogen sich Rädelsführer und Gewalttäter ihrer strafrechtlichen Verantwortung, weil sie von Schaulustigen nicht zu trennen waren, weil sie die inaktive Masse schützte oder abdeckte, weil sie sich unter die Sympathisanten mischten oder unwiderlegbar behaupteten, zufällig in die Menge geraten zu sein. Die Behauptung, Herr Dr. Müller-Emmert, daß es der Polizei nach der jetzigen Gesetzeslage möglich sei, sich auf die Rädelsführer zu konzentrieren, wird durch diese Erfahrungsberichte der Polizei klar widerlegt. Diese Tatsachen bestätigen die Bedenken, die die Sachverständigen schon 1970 im Hearing des Strafrechtssonderausschusses zur Änderung der Demonstrationsdelikte erhoben hatten. Damals wie heute sprachen SPD und FDP viel von der Verbrechensvorbeugung im Vorfeld; damals wie heute gaben sie jedoch das Vorfeld und das Umfeld gewalttätiger Massenaktionen zum Mißbrauch frei. SPD/FDP behandeln das sogenannte Demonstrationsrecht als eine Art Überrecht und übersehen, daß es nur ein Recht auf friedliche Versammlungen gibt und daß immer die Rechte Dritter beachtet werden müssen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, die Vorstellungen der CDU/CSU ablehnen, dann mißachten Sie, daß der jetzige § 125 unpraktikabel ist und daß die Gruppe der Sympathisanten und Mitläufer den Gewalttätern Schutz und Schirm gibt, sie „unangreifbar für die Polizei abdeckt", wie der Kölner Professor Lange in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 2. Mai 1975 feststellt, der dort außerdem schreibt: Noch aber provoziert die selbstgeschaffene Hilflosigkeit des Staates auch hier den Zusammenschluß von Sympathisanten für Terrorismus, und auf die Moral der Polizei kann es auf die Dauer nicht ohne Wirkung bleiben, daß der Richter, wie geschehen, Hunderte aus guten Gründen Festgenommene auf der Stelle wieder entlassen muß. Wenn SPD/FDP die nach 1945 erfolgten Verurteilungen von NS-Tätern für rechtmäßig halten, die als Herumstehende, als passive Masse einer Minderheit die Mißhandlung von Juden, das Niederbrennen von Synagogen, die Verwüstung von Wohnungen ermöglichten, dann müßten sie logischerweise auch dem Vorschlag des Bundesrates zustimmen, es sei denn, man behandelt Linksradikale zartfühlender und rücksichtsvoller als Rechtsradikale. ({11}) Dieser Verdacht verstärkt sich angesichts der dürftigen Rechtfertigungsversuche. ({12}) - Herr Arndt, das ist aber die Logik. ({13}) Wenn Sie hier polemisieren ({14}) und sagen: Das ist nicht richtig, dann sage ich: Argumentieren Sie vernünftig, aber nicht in dieser Weise. ({15}) Es ist nicht wahr, Herr Dr. Müller-Emmert, daß die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen seit 1970 abgenommen hat. Seit 1973 ist sie vielmehr gestiegen. Die Statistik von 1973 weist 115, die von 1974 144 gewalttätige Ausschreitungen aus, obwohl seit 1970 - das ist auch ein maßgeblicher Grund für unsere Änderungsanträge; ({16}) Sie wissen es besser, Herr von Schoeler, deswegen nehme ich es nicht ernst, wenn Sie einen solchen Zwischenruf machen - vor allem auch die Brutalität und Menschenverachtung der Ausschreitungen zunahm. Wie selbst die Vertreter der Bundesregierung im Ausschuß einräumen mußten, ({17}) sank wegen der Liberalisierung die Zahl der Verurteilungen, ebenso natürlich der notwendige Abschreckungseffekt. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten kann § 125 Abs. 2 keinesfalls ersetzen, wie behauptet wird. Die Androhung von Geldbußen ruft bei den Krawallmachern „nichts außer Heiterkeitserfolgen, ja, Höllengelächter" hervor, wie die Polizeipräsidenten Hübner und Schreiber wörtlich im Hearing 1970 bekundeten. Eine Ordnungswidrigkeit wird auch der Psyche der Störer, ihrer Entschlossenheit, ihrem Fanatismus nicht gerecht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn es nicht auf die Redezeit angerechnet wird, gerne.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Nein. - Bitte schön!

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Spranger, gehe ich recht in der Annahme, daß sich Ihre Äußerungen hierzu auf Vermutungen stützen, die im Jahre 1970 geäußert worden sind, die sich aber keinesfalls bestätigt haben, und haben Sie denn versucht, neue Argumente zu finden, mit denen Sie etwa die damaligen Vermutungen stützen könnten? Das ist doch nicht der Fall.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, sie gehen absolut fehl in der Annahme, weil die Berichte der Sachverständigen damals auf den Unruhen aus den Jahren 1968/60 beruhten und weil die Ausschreitungen der Jahre 1973, 1974, 1975 zusätzliche Argumente für diese Äußerungen gaben. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Frage?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte jetzt fortfahren, damit das hier nicht ausartet. ({0}) - Ihre Frage ist ja wohl beantwortet. Der Gefährlichkeit einer gewalttätigen Menschenmenge, der Verlockung zur Teilnahme in der fast sicheren Erwartung, unentdeckt und unaufklärbar selbst gewalttätig werden zu können, muß das strafrechtliche Risiko beim Dabeisein entgegengestellt werden. Die Tatsache, daß auch dann nicht alle bestraft werden können, entspricht einfach der schlichten Lebenswirklichkeit. Wenn nicht alle Rechtsverstöße in der notwendigen Form geahndet werden, dann heißt dies noch lange nicht, daß sie deshalb alle straffrei bleiben müssen. Ansonsten müßten noch heute viele Strafbestimmungen, wie Diebstahl, Kindesmißhandlung, Notzucht oder das gesamte Verkehrsstrafrecht aufgehoben werden. Unbeachtlich schließlich ist die Behauptung, § 125 Abs. 2 überhäufe die Polizei mit Arbeit, wie auch heute wieder dargetan wurde. Sämtliche Polizeipräsidenten bejahten im Interesse der öffentlichen Sicherheit eventuelle Mehrarbeit, zumal sie ihnen - das haben sie auch übereinstimmend bekundet - das notwendige Vorgehen gegen die wahre Rädelsführer und Aktivisten im erforderlichen Umfange sogar erleichtert. ({1}) Außerdem darf die öffentliche Sicherheit niemals von der Arbeitsbelastung von Polizei und Justiz abhängig sein. Der Staat hat in jedem Fall auch unter Einsatz von mehr Mitteln und Personen die öffentliche Sicherheit im Interesse seiner Bürger zu garantieren. ({2}) Auch mit ihrer Haltung zur Strafbarkeit von Anleitung und Befürwortung von Gewalttaten gemäß § 130 a verstoßen SPD/FDP gegen das Gebot, den Gemeinschaftsfrieden zu schützen und zu sichern. Wie beim Radikalenerlaß und bei der Verteidigerüberwachung zeigen SPD/FDP auch hier eine widersprüchliche Haltung. Im wesentlichen den Vorstellungen der CDU/CSU folgend, sah zuerst der Regierungsentwurf vor, denjenigen zu bestrafen, der in Schriften öffentlich oder in Versammlungen zu bestimmten Gewalttaten anleitet oder sie befürwortet. Die Bundesregierung hat diese Vorlage ausreichend begründet und die Begriffe „Befürwortung" und „Anleitung" zutreffend definiert. So schienen denn alle Voraussetzungen gegeben, wenigstens hier zu einer im Kern gemein-semen Linie zu kommen. Unverhofft entschied jedoch die PD/FDP-Mehrheit im Ausschuß anders. Nach ihr sollen nun Anleitung zu und Befürwortung von Gewalt nur strafbar sein, wenn sie nicht Kunst, Wissenschaft, Forschung und ähnlichen Zwecken dienen. Befürworfung von schweren Straftaten bleibt sogar straffrei, sofern sie sich nicht gegen Bestand oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder deren Verfassungsgrundsätze richten. Die Berichterstattung über Zeitgeschehen, z. B. eine Berichterstattung über revolutionäre, anarchistische, kommunistische Propagandaaktionen, die Gewalttaten befürworten, soll zukünftig straffrei bleiben. Das Anliegen der CDU/CSU und auch der Bundesregierung an sich wurde völlig entwertet. Die jetzige Fassung ist für die Praxis wertlos. Allenfalls ein paar ungeschickte Krakeler und Pamphletisten, nicht aber die wirklich einflußreichen, gefährlichen und raffinierten Gewaltbefürworter können nun erfaßt werden. Die Befürwortung von Mord und Geiselnahme erfährt eine Verharmlosung, die nahezu stimulierend auf verantwortungslose Urheber gewaltbefürwortender Äußerungen wirken muß. Als wesentliche Gründe für diesen Meinungsumschwung bei SPD und FDP werden vorgetragen, erstens sei der Begriff der Befürwortung nicht konkretisierbar, und zweitens müsse die Diskussion über die Befürwortung von Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland straffrei geführt werden können; Kunst, Lehre und Wissenschaft dürften nicht beeinträchtigt werden. Das erste Argument erledigt sich klar durch die unzweideutige Definition der Begriffe durch die Bundesregierung. Das zweite Argument entlarvt sich bei näherer Betrachtung als Zugeständnis gegenüber den Kreisen, die Systemveränderung und Klassenkampf, ja, gewaltsamen Umsturz samt Anwendung von Gewalt befürworten und dies auch lauthals verkünden wollen. Gegen diese systemverändernden revolutionären Propheten linksradikaler, kommunistischer oder anarchistischer Gesinnung kann oder will die SPD/ FDP-Mehrheit nicht vorgehen. Das ergibt sich schon daraus, daß ein überzeugender Grund fehlt, zwischen der menschengefährdenden, aber straffreien und der staatsgefährdenden, aber strafbaren Befürwortung von Mord zu unterscheiden. Die Wirkung beider Delikte ist für den bedrohten Bürger gleichermaßen schwerwiegend. Eine Differenzierung ist deshalb völlig unangebracht. Die plötzliche Großzügigkeit gegenüber der Befürwortung von Gewalt mutet zum anderen angesichts der Tatsache geradezu grotesk an, daß vor allem die Linken in der Regierungspartei seit Jahren gegen die Gewaltverherrlichung in Film, Fernsehen und Literatur zu Felde zogen und daß der neugeschaffene § 131 StGB Gewaltverherrlichung auch unter Strafe stellt. Doch was bei WildwestSpranger filmen schlimm und strafwürdig genannt wird, was Herrn Lattmann in den evangelischen Kommentaren im Januar 1976 veranlaßte, Landserhefte und Kriegsspielzeug zu verdammen, soll bei Revolutionären von links geschützt werden. ({3}) Müßte denn nicht jene Partei, die der Strafbarkeit der Verherrlichung von Gewalt zustimmte, erst recht für die Strafbarkeit der schwerwiegenderen Befürwortung von Gewalt eintreten? Müßten die Worte von Frieden, Entspannung und Versöhnung, die SPD/ FDP im außenpolitischen und im propagandistischen Bereich so gut zu gebrauchen verstehen, nicht auch für die Rechtsgemeinschaft innerhalb unseres Landes mit der Maßgabe gelten, daß alles - und wenn erforderlich, auch mit den Mitteln des Strafrechtes - eingedämmt werden muß, was diesen Rechtsfrieden bedroht? Niemand kann doch behaupten, geschweige denn nachweisen, daß die Befürwortung von Gewalt den Rechtsfrieden nicht bedroht, daß ihr anders und besser als mit den Mitteln des Strafrechtes begegnet werden könnte. Herr Dr. Müller-Emmert hat hier auf die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes verwiesen. Ich wäre dankbar, wenn sich SPD und FDP in gleicher Weise an Erklärungen des Richterbundes zu § 218 gebunden fühlten. ({4}) - Das ist absolut deckungsgleich, Herr von Schoeler. Ich halte es schließlich für völlig unangebracht, ja, verantwortungslos, der Befürwortung von Gewalt ein moralisch-philosophisches Tugendmäntelchen umzuhängen und ihr eine ethische Rechtfertigung zu verleihen. In unserer rechtsstaatlichen Demokratie - angesichts nahezu umfassender Freiheitsrechte des einzelnen und einer Vielzahl von Rechtsmitteln gegenüber dem möglichen Machtmißbrauch durch die öffentliche Hand - besteht weiß Gott kein Anlaß, die Befürwortung von Gewalt gegenüber dem Bürger dieses Landes und seinen Staatsorganen als sinnvoll, notwendig oder gar schutzwürdig anzuerkennen. ({5}) Ich halte die Duldung der Befürwortung bzw. die Befürwortung von Gewalt für keinen rühmenswerten Ausdruck geistiger Freiheit in unserem Lande, sondern eher für einen Ausdruck geistig-moralischer Verwirrung, wie sie z. B. auch in den Ausführungen des Herrn Lattmann zum Ausdruck kommt. Es ist doch einfach unmöglich, die radikale Kritik eines Herrn Böll und anderer Gleichgesinnter in der Bundesrepublik Deutschland, wie es Herr Lattmann zum Ausdruck bringt, ethisch, substantiell und nach Begründetheit mit der Kritik Solschenizyns und Sacharows am sowjetischen Terrorregime gleichzusetzen. Es ist einfach nicht wahr, daß der politische Terrorismus, wie Herr Lattmann behauptet, heute den liberalen Rechtsstaat nicht zu gefährden vermag.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Hellmut Sieglerschmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002171, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie möglichst auch die Duldung der Befürwortung von Gewalt unter Strafe stellen wollen?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte Ihnen hierzu nur sagen, daß die Duldung der Befürwortung von Gewalt allein eine politische Angelegenheit dieser Regierung ist und wir diese politisch beanstanden. Dies war, glaube ich, deutlich zum Ausdruck gebracht worden. ({0}) Es ist schlichtweg Unfug, wenn, wie es auch in diesem Aufsatz ausdrückt wird, von einem gesteigerten Klima der Einschüchterung und Selbstzensur, von nationaler Hysterie statt Nüchternheit gesprochen wird, falls die friedenstörende Befürwortung von Gewalttaten mit Strafe bedroht werden sollte, wie es CDU/CSU und der ursprüngliche Regierungsentwurf vorsahen. Mir erschiene es sinnvoller, wenn Herr Lattmann und ähnlich Argumentierende sich öffentlich für die Gewährung jener Freiheitsrechte im Ostblock oder in anderen Diktaturen einsetzten, die wir heute bei uns so selbstverständlich gebrauchen und die die Unterdrückten dort entbehren müssen. ({1}) Die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre wird durch den ursprünglichen § 130 a nicht gefährdet, einfach deswegen, weil schon Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes diese Begriffe frei von strafrechtlichen Eingriffen stellt. Daß dies allerdings nicht für jenes Subversions-, Revolutions- und Terrorschrifttum gelten kann, wie es beispielsweise im Wagenbach-Verlag produziert und in „Roten Buchläden" verkauft wird, dürfte wohl in einer zivilisierten Kultur selbstverständlich sein. Die Mehrheit von SPD und FDP ist hier allerdings anderer Auffassung. Sie haben es auch abgelehnt, den Anträgen der CDU/CSU auf Verbesserung des Versammlungsrechts zu entsprechen. Sie haben unser Bemühen abgelehnt, eine Herabsetzung der Strafandrohung für die erfolglose Aufforderung zu Straftaten zu verhindern. Abgelehnt wurde die Auffassung der CDU/CSU, die Androhung von Gewalt gegen Menschen oder Sachen unter Strafe zu stellen und in besonders schweren Fällen ein erhöhtes Strafmaß vorzusehen. So muß man zusammenfassend feststellen: Die Verwirklichung der Gesetzesinitiative von CDU/ CSU hätte den Schutz des Gemeinschaftsfriedens wesentlich verbessert. SPD/FDP haben aus den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre unrichtige Kon14728 sequenzen gezogen und verweigern Polizei und Justiz das notwendige Instrumentarium zur Bekämpfung gemeinschaftsschädigender Gewalt und deren Propagierung. Unsere Bürger müssen nach wie vor auf ausreichende Sicherheit warten. Um dieses doch noch zu verhindern, hat die Fraktion der CDU/CSU eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt, die dem Hohen Hause vorliegen, die auf ihren Gesetzesinitiativen beruhen und deren Begründung sich aus meinen bisherigen Darlegungen ergibt. Um die Notwendigkeit einer Änderung strafrechtlicher Bestimmungen hervorzuheben, hat die Fraktion außerdem darauf verzichtet, im Rahmen des Dreizehnten Strafrechtsänderungsgesetzes erneut eine Änderung des Versammlungsrechts zu beantragen, was einem möglichen eigenen zukünftigen Entwurf vorbehalten bleiben soll. Nur durch Annahme unserer Änderungsanträge würde SPD/ FDP die Mitverantwortung für künftige Gewalttaten genommen, die bei den den Vorschlägen der CDU/CSU entsprechenden Strafvorschriften hätten verhindert werden können. ({2}) Wir lehnen aus diesen Gründen den von der Mehrheit im Ausschuß verabschiedeten § 88 a ab, weil wir den von uns vorgelegten § 130 a für sachgerechter halten. Das führt nicht dazu und wird nicht dazu führen, daß die Fraktion den gesamten Entwurf der Regierung in der Ausschußfassung ablehnt, weil der Entwurf zwar völlig ungenügend ist, aber doch einige Bestimmungen enthält, die von uns mitgetragen werden können. ({3}) Eine endgültige Ablehnung unserer Vorstellungen, meine Damen und Herren, würde die Vorwürfe bekräftigen, die der bisherigen Haltung der SPD/FDP zur Inneren Sicherheit gemacht werden müssen, einer Haltung, die kein Zufall ist, sondern auf bestimmten Ursachen beruht; denn Ihre jetzige Haltung deckt sich mit derjenigen bei der Bekämpfung der verfassungsfeindlichen DKP und anderer linksradikaler Organisationen. Sie deckt sich mit der bewußten Untätigkeit, durch klare gesetzliche Bestimmungen Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. Sie deckt sich auch mit einer Ostpolitik, die von der Wahrung deutscher Interessen ebenso weit entfernt ist wie von der antikommunistischen Haltung eines Kurt Schumacher, Fritz Erler, Theodor Heuß oder Reinhold Maier. ({4}) Ursache all dessen sind die innerparteilichen Entwicklungen in SPD/FDP mit der zunehmenden Ausbreitung marxistisch-systemverändernden Gedankenguts und von Volksfrontstrategien in Form der Zusammenarbeit mit Kommunisten, die eine Ablehnung oder gar Bekämpfung linksradikaler marxistischer Strömungen unmöglich machen. ({5}) - Herr von Schoeler, warten Sie, ich habe eine Reihe von Beispielen parat. Die werde ich Ihnen vortragen. Dann werden Sie nicht mehr diese Zwischenrufe machen können, wenn Sie noch glaubwürdig bleiben wollen. ({6}) Zum anderen führte die Ostpolitik neben der Kapitulation vor kommunistischen Forderungen zu einer Paralysierung der geistigen und moralischen Widerstandskräfte bei der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. Das beweisen nicht nur die vielen Beispiele, die die Sprecher der Union in der Sicherheitsdebatte des Deutschen Bundestages vom 13. März 1975 nannten. Sie werden durch viele andere Tatsachen untermauert, wie - und das ist für Sie, Herr von Schoeler, sicherlich sehr verbindlich - das Deutschland-Interview des Bundesaußenministers vom 11. Januar 1976, als er sagte, es sei offenkundig, daß es in der Sozialdemokratischen Partei eine große Anzahl von Mitgliedern gebe, die sich als Marxisten betrachteten und so handeln möchten und wollen. ({7}) Damit kann er die Tatsache meinen, daß Linksradikale unter dem jetzigen Senator Ristock in Berlin für den Sieg des Kommunismus in Vietnam demonstrierten, daß sich im sogenannten Bund Demokratischer Wissenschaftler unter dem Kommunisten Abendroth SPD-Hochschullehrer betätigen und zusammen mit DKP-Mitgliedern in der kommunistischen Hilfsorganisation Vereinigung Demokratischer Juristen gegen unseren Staat arbeiten. ({8}) Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. ({9}) Der Bundesaußenminister andererseits kann wenig Genugtuung angesichts des gleichen Zustandes in seiner eigenen Partei empfinden. Auch dort trägt die Wühlarbeit der Kommunisten reiche Früchte. Wie sonst wäre es zu erklären, daß der FDP-Landesausschuß Hamburg am 2. August 1974 Kommunisten als kritische Demokraten bezeichnet, daß in der kommunistisch gesteuerten Initiative „Weg mit den Berufsverboten!" neben SPD-Mitgliedern maßgebende FDP-Funktionäre wie Enderlein, Schiller, Weber und Becker einträchtig mitarbeiten? Der Judo-Chef Schiller gibt der kommunistischen „UZ" am 12. März 1975 ein Interview zu den Berufsverboten ebenso wie MdL Enderlein am 14. Juni 1975. In der „UZ" vom 12. September 1975 unterzeichnen neben Kommunisten wie Herrn Kroetz die FDP-Bundestagsabgeordneten Hölscher, Möllemann und Schuchardt ein Manifest für Chile. MdB Hölscher fordert am 4. November 1975 im kommunistischen Berliner „Extra-Dienst" zu Spenden für „Unser Dorf in Portugal" auf. ({10}) - Es ist Ihnen sicherlich peinlich, Herr Möllemann, in dieser Form zitiert zu werden. Aber Sie müssen sich vorher überlegen, was Sie machen, wenn Sie sich mit der „UZ" einlassen. ({11}) - Das ist sicherlich zutreffend, Herr Vogel. Es ist sehr schwierig für ihn, vorher über die Folgen seines Tuns nachzudenken. ({12}) Im Juni 1975 treffen sich in Sprendlingen die hessischen Landesvorstände von Jungdemokraten und SDAJ zur Absprache gemeinsamer Aktionen. Am 5. September 1975 beteiligen sich die Jungdemokraten mit DKP, SDAJ und MSB Spartakus an der Aktion „Roter Punkt" in Köln.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dürr?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte jetzt zum Ende kommen. ({0}) Kein FDP-Beschluß ist bekannt, wonach Parteimitgliedern die Zusammenarbeit mit kommunistischen Organisationen untersagt wurde. Statt Schutz vor Linksradikalen und Kommunisten also Volksfrontpraxis auf breiter Front - das ist die traurige Wirklichkeit bei SPD/FDP von heute. Die Frage, ob diese innerparteiliche Volksfrontentwicklung die Ostpolitik von SPD/FDP förderte oder umgekehrt diese auf den Volksfrontentwicklungen beruhte, kann offenbleiben. Tatsache ist, daß beide durch ideologische Grundlagen eng verknüpft sind und sich ergänzen zu einer umfassenden für den freien Teil Deutschlands erschütternd Lähmung und Kapitulation gegenüber der von der Kommunistischen Internationalen mit allen Mitteln und durch zahlreiche Gruppen, Organisationen und Personen in der Bundesrepublik Deutschland geführten ideologisch-politischen Offensive. Deren Erfolg zeichnet sich nicht nur in der nahezu gegenleistungsfreien Erfüllung kommunistischer Ansprüche gemäß den Karlsbader Beschlüssen samt der für eine gigantische Aufrüstung des Ostblocks von uns gegebenen Milliarden ab. Die verlogenen Friedensschalmeien der Kommunisten haben viele in den Reihen der SPD/FDP blind und taub gemacht gegenüber der grausamen, menschenverachtenden, imperialistischen Diktatur des Kommunismus, gegenüber dieser lebenszerstörenden, Geist und Seele tötenden Politpest des 20. Jahrhunderts. ({1}) Alexander Solschenizyn ist zuzustimmen, wenn er sich in seiner Nobelpreisrede, die er leider nicht halten durfte, im Namen seiner Landsleute, die um ihre Freiheit kämpfen und zum Schweigen verurteilt sind, mit einer bitteren Anklage an die im freien Westen dafür Verantwortlichen wendet. „Der Geist von München" - so sagt er - „gehört nicht der Vergangenheit an; das war nur eine kurze Zeitlang so. Ich wage sogar zu behaupten, daß der Geist von München im 20. Jahrhundert überwiegt. Die verzagte zivilisierte Welt hatte dem plötzlichen Ansturm der grinsenden Barbarei nichts anderes entgegenzusetzen als Nachgiebigkeit und Lächeln." ({2}) Solange - hier darf ich, Herr Lambinus, wenn Ihnen das entgangen ist, den Zusammenhang noch einmal ganz deutlich machen; das ist der Kern dieses Gesetzentwurfs, der vorgelegt worden ist- maßgebende Politiker von SPD und FDP auf diesem Kurs der Anpassung gegenüber Linksradikalen, Kommunisten und Neomarxisten, die durch dieses Gesetz getroffen werden sollen, segeln und mit ihnen gemeinsame Sache machen, so lange sind Sicherheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in unserem Lande gefährdet. Es wäre zu hoffen, daß SPD und FDP durch eine Zustimmung zu den heutigen Änderungsvorschlägen der CDU/CSU einen kleinen Schritt zur Umkehr von diesem verhängnisvollen Kurs tun. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schoeler. von Schoeler ({0}) : Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn man es von Ihnen, Herr Kollege Spranger, nicht jedesmal so erwarten würde, wäre man jedesmal neu erschreckt. ({1}) Das Erschütternde an dem, was Sie so hier vortragen, ist, daß Sie die Welt auch so sehen, wie Sie sie hier darstellen! ({2}) Meine Damen und Herren, wenn es um so wesentliche Grundrechte einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung wie die Freiheit der Meinungsäußerung oder die Demonstrationsfreiheit geht, sollten die Bürger in diesem Lande mißtrauisch werden, wenn im Zack-Zack des Kasernenhofstils kurzer Prozeß gemacht werden soll. ({3}) Wie Sie sich hier dargestellt haben, benötigen Sie die Gegner unserer Demokratie, die in diesem Lande Gewalt predigen, ja gerade, um den Buhmann zu haben, den sie brauchen, um überhaupt erst das Klima zu schaffen, das sie haben wollen. ({4}) Ich möchte gern einmal wissen, was Sie, Herr Kollege Spranger, und Ihre Gesinnungsgenossen in der CDU/CSU-Fraktion machen würden, wenn es keine von Schoeler Stadtguerilleros gäbe; Sie wären ja tieftraurig, weil Sie für Ihre Tiraden hier nichts hätten! ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege von Schoeler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Probst? - Bitte!

Dr. Albert Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001752, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr von Schoeler, darf man Ihre Ausführungen eben so auffassen, ({0}) daß Sie im Grunde wegen der Union froh sind, daß es in der Bundesrepublik Deutschland Stadtguerilleros gibt? ({1}) von Schoeler ({2}) : Ich kann mir Ihre Frage, Herr Kollege Probst, nur so erklären, daß Sie gerade eben den Saal betreten und vorher nicht zugehört haben. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Bürger dieses Landes wissen, daß der Rechtsstaat nicht bei demjenigen am besten aufgehoben ist, der am lautesten schreit. ({3}) Wir sollten nicht parteipolitische Polemik, sondern die vernünftige Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte im Vordergrund unserer heutigen Debatte stehenlassen. Wir könnten - ich sage es noch einmal - den Gegnern unserer Demokratie keinen größeren Gefallen tun, als uns gegenseitig mangelnder demokratischer und rechtsstaatlicher Zuverlässigkeit zu verdächtigen. Wenn wir über Demonstrations- und Meinungsäußerungsfreiheit diskutieren, sind so grundlegende Fragen wie die nach dem Staatsverständnis eines jeden von uns angesprochen. Unsere Position, die Position der Liberalen, ist dabei klar: Unser Mißtrauen gegenüber staatlicher Allmacht und Bevormundung des Bürgers läßt uns gegenüber allen Vorschlägen kritisch sein, die die Freiheitsräume des Bürgers beschränken. Mit aller Entschiedenheit bekennen wir uns zu dem Grundsatz, daß im Zweifel die Freiheit des Bürgers den Vorrang haben muß. Aus dieser Einstellung heraus haben die Liberalen die freiheitlichen Garantien unserer Verfassung erkämpft; aus dieser Einstellung heraus verteidigen sie sie auch gegen ständige Angriffe aus dem Lager derjenigen, die um der vermeintlichen Verteidigung der Freiheit willen Freiheitsräume beschränken wollen. Dabei verschließen wir nicht die Augen vor den Gefahren, die von den Heilspredigern der Gewalt ausgehen. ({4}) - Wir sind aber nicht auf einem Auge blind, Herr Kollege Jäger. Wir sehen daher, daß die demokratische Stabilität unserer Gesellschaftsordnung größer ist, als sie jemals zuvor in diesem Lande war. ({5}) Auch noch so viele Debatten in diesem Hause können niemanden davon ablenken, daß die Zahl der gewalttätigen Demonstrationen - ich werde darauf später noch einmal zurückkommen - heute eben nicht größer, sondern kleiner ist als zu der Zeit, zu der Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das letztemal in diesem Lande Regierungsverantwortung getragen haben. ({6}) Warum hat Herr Spranger in seinem Debattenbeitrag eigentlich kein einzigesmal darauf hingewiesen, daß unsere demokratische Ordnung, unser Rechtsstaat stark ist, weil er sich auf das Vertrauen seiner Bürger stützen kann? Warum versuchen Sie denn immer, unseren Staat als schwächlich oder schwach darzustellen? Wem nützen Sie denn damit? ({7}) - Wissen Sie, Herr Jäger, den Rechtsstaat als schwächlich zu diffamieren, um den starken Mann herbeizurufen, das war schon immer die Methode von Leuten, mit denen wir nichts gemein haben wollen! ({8}) Wir gehen von der Überzeugung aus, daß die Stärke des Rechtsstaats nicht an der Zahl der Verbote, sondern nur an dem Maß des Vertrauens zu messen ist, das die Bürger ihm entgegenbringen. ({9}) Ich bin kein Psychologe, aber ich meine, der würde sagen, daß irgend etwas mit dem Realitätsbezug nicht stimmt, wenn Sie glauben, daß die Bürger dieses Staates kein Vertrauen in diesen Staat haben. ({10}) Wie sieht es denn aus bei den Wahlen? Ist es nicht so, daß die Extremisten bei jeder Wahl eine ganz deutliche Absage bekommen? Gefahren muß man erkennen. Man sollte sie aber nicht zum Anlaß von Panikmache benutzen. ({11}) Meine Damen und Herren, bei allem Willen zur entschiedenen Verteidigung unserer demokratischen Ordnung sind wir Liberalen skeptisch gegenüber der Wirksamkeit des Strafrechtes, wenn es darum geht, ob die Gewaltprediger in einer demokratischen Gevon Schoeler sellschaft eine Chance bei den Bürgern haben. Der Propagierung der Gewalt wird am wirkungsvollsten durch politische Aufklärung der Nährboden entzogen. Zwar kann auf das Strafrecht bei der Bekämpfung von Gewalt nicht verzichtet werden. Das Strafrecht kann dabei aber auch nur das äußerste, das letzte Mittel sein. Niemand sollte sich dem Irrglauben hingeben, man müsse nur eine möglichst lükkenlose Paragraphenkette ins Strafrecht schreiben, um sich nicht mehr mit dem Problem der Gewalt in einer Gesellschaft auseinandersetzen zu müssen. Von dieser Ausgangsposition haben wir in den ausführlichen Beratungen im Strafrechtssonderausschuß alle uns vorliegenden Gesetzentwürfe eingehend geprüft. Wir hatten uns dabei mit der in der Öffentlichkeit oft sorgenvolle geäußerten Frage auseinanderzusetzen, ob denn überhaupt eine Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes notwendig ist. Bei allem Verständnis für die Sorge derjenigen, die grundsätzlich skeptisch gegenüber jeder neuen Strafvorschrift und gegenüber jeder Veränderung des Strafrechts im Hinblick auf aktuelle Gegebenheiten sind, muß doch auf folgendes hingewiesen werden: Strafrechtlich nicht verfolgt werden kann heute, wer in einem für jeden erhältlichen Flugblatt anschaulich darstellt, wie man am besten eine neue Form von Zeitzündern für Bomben herstellt, die beispielsweise zur Deponierung in Post- oder Bahnschließfächern geeignet sind. Weder die Herstellung noch die Verbreitung eines solchen Flugblattes sind heute strafrechtlich erfaßt. Das von mir erwähnte Beispiel ist auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern leider tatsächlich vorgekommen. Genauso falsch, wie es wäre, solche Vorgänge als typisch für unsere Gesellschaft zu erklären, genauso falsch wäre es, zu leugnen, daß hier eine Lücke im Strafrechtsschutz vorhanden ist. Sicher: professionelle Bombenbastler werden solche Anleitungen kaum benötigen. Aber wer von uns kann ausschließen, daß durch solche Dinge das Leben oder die Gesundheit von Bürgern in Einzelfällen beeinträchtigt werden? Deshalb haben wir uns zur Schaffung eines Straftatbestandes entschlossen, der die Anleitung zur Begehung ganz bestimmter, besonders schwerer Gewalttaten unter Strafe stelle. Ein anderes Beispiel sei an die Adresse derjenigen, die jede Gesetzesinitiative für überflüssig halten, gesagt: Es kann doch wohl nicht richtig sein, daß es nicht strafbar ist, wenn beispielsweise nach der Ermordung des Berliner Kammergerichtspräsidenten Drenkmann jemand öffentlich gesagt hätte, daß dies ganz richtig gewesen sei. Hier liegt ebenso zweifellos eine Lücke im Strafrecht vor, die geschlossen werden muß. Keine Gesellschaft kann es sich leisten, daß in ihr öffentlich diskutiert wird, ob ihre Grundordnung durch Ermordung von Menschen beseitigt werden soll. Deshalb haben wir uns zur Schaffung einer Strafvorschrift entschlossen, die die öffentliche Billigung oder Belohnung bestimmter, besonders schwerer Gewalttaten unter Strafe stellt. Besonders kritisch und mit besonderen Sorgen ist in der Öffentlichkeit die Frage gestellt worden, ob über die genannten Vorschriften hinaus auch die Bestrafung der Befürwortung von Gewalttaten notwendig ist. Dabei war zu beachten, daß neben der Billigung oder Belohnung, neben der Androhung oder Anstiftung auch die öffentliche Aufforderung sowie die Anleitung und Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalttaten heute bereits unter Strafe gestellt sind. Das Netz der Strafvorschriften, die der Propagierung von Gewalt vorbeugen sollen, ist also bereits außerordentlich eng geknüpft. Wir hatten uns darüber hinaus aber auch mit der Frage zu beschäftigen, ob durch eine zu weitgehende Vorschrift nicht Gefahren für Kunst, Literatur oder Wissenschaft entstünden. Als Ergebnis dieser eingehenden Beratungen legen wir Ihnen nun einen neu formulierten § 88 a vor, der die verfassungsfeindliche Befürwortung bestimmter schwerer Gewalttaten erfassen soll. Die Bedenken, die gegen den ursprünglich vorliegenden § 130 a StGB vorgebracht worden sind, treffen auf diese Vorschrift nicht mehr zu. Es ist meine feste Überzeugung, daß diese Befürchtungen nun gegenstandslos geworden sind. Wir haben uns die Entscheidung in dieser Frage nicht leichtgemacht. Wir Liberalen haben uns dafür eingesetzt, daß kein literarisches und kein wissenschaftliches Werk über den Tisch der Staatsanwaltschaft laufen muß, bevor es im Buchhandel ausgeliefert werden kann. Wir haben uns dafür stark gemacht, daß die Freiheit der wissenschaftlichen Diskussion nicht beschränkt wird. Wir haben uns dafür stark gemacht, daß niemand, der sich mit Konfliktsituationen im Ausland - beispielsweise in der Dritten Welt - auseinandersetzt, befürchten muß, plötzlich mit der Polizei Bekanntschaft zu machen. In diesem Sinne haben wir Liberalen erreicht, daß der Regierungsentwurf verbessert worden ist. ({12}) Die Eingrenzung des Straftatbestands war deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Begriff der Befürwortung außerordentlich weitgehend ist und auch die Gefahr seiner Unbestimmtheit nicht von der Hand gewiesen werden kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Begründungen der verschiedenen Gesetzentwürfe hinweisen. Danach liegt eine Befürwortung bereits dann vor, wenn eine der besonders genannten Gewalttaten als unvermeidbar bezeichnet oder dargestellt wird. Ich glaube, es ist überdeutlich, daß unter eine so weitgehende Definition gefährliche Verhaltensweisen ebenso fallen wie harmlose Verhaltensweisen. Der Regierungsentwurf hat sich aus diesem Grund bereits bemüht, einige Eingrenzungen des Tatbestands vorzunehmen. Diese Tendenz ist verstärkt, der Tatbestand in seinem Anwendungsbereich weiter eingegrenzt worden. Wir haben dies nicht nur getan, um die bereits erwähnten Gefahren zweifelsfrei auszuschließen, sondern auch in der Erkenntnis, daß bereits im Vorfeld eines solchen wie des ursprünglich vorgesehenen Paragraphen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen notwendig gewesen wären. von Schoeler Gerade wenn man an den Bereich der Literatur denkt, kann man dies nicht wollen. Nun haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier heute wieder Änderungsanträge gestellt. Ich möchte für jeden Ihrer Fraktionskollegen einmal deutlich erkennbar nur einige Beispielfälle nennen, die Sie künftig unter Strafe stellen wollen. Sie wollen unter Strafe stellen, wenn in der Bundesrepublik Deutschland jemand nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion öffentlich befürwortet, daß sich die Bevölkerung der CSSR mit Gewalt dagegen wehren sollte, und dadurch Unruhe in der Bevölkerung hier eintritt. ({13}) Ich will gar nichts anderes dazu sagen, als daß dies strafrechtlich erfaßt wäre. - Herr Kollege Eyrich, wir haben gerade diesen Fall im Strafrechtssonderausschuß diskutiert. Dabei ist deutlich geworden, daß dieser Fall durch die von Ihnen hier beantragte Strafvorschrift erfaßt wäre. Da Sie so nervös reagieren, habe ich den Eindruck, daß dieses Beispiel nicht so ganz falsch sein kann. ({14}) Lassen Sie mich ein zweites Beispiel bilden. Wie sieht es denn mit dem Büchlein aus, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann, und unter dem Titel „Die verlorene Ehre der Katharina Blum" erschienen ist? ({15}) - Herr Kollege Spranger, der Hinweis auf Art. 5 GG ist außerordentlich sachdienlich. Nur hat das mit Ihrem Entwurf nichts zu tun; denn Sie haben sich ja gerade nicht dazu entschließen können, den Kunst- und Literaturvorbehalt in Ihren Gesetzentwurf aufzunehmen. Auf mein ausdrückliches Befragen im Strafrechtssonderausschuß haben Sie, Herr Kollege Spranger gesagt, den Kunst- und Literaturvorbehalt wären Sie nur im Wege eines Kompromisses mit der Koalition bereit, in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Da frage ich mich: Wollen Sie den Literaturnobelpreisträger Böll etwa auf der Anklagebank haben? Wollen Sie dann über die „Katharina Blum" und über die richtige Auslegung dieses Buches vor einem Strafgericht entscheiden, und das alles auch noch, um Terroristen zu bekämpfen?! Da wird es doch tragikomisch! ({16})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spranger?

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr von Schoeler, können Sie sich erinnern, daß wir im Ausschuß während der Diskussion angeboten haben, eine dem Art. 5 Abs. 3 GG entsprechende Bestimmung aufzunehmen, daß dies aber von Ihnen abgelehnt worden ist? von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Spranger, die Ausschußberatungen sind genauso abgelaufen, wie ich es soeben dargestellt habe. Sie haben gesagt: einen Kunst- und Literaturvorbehalt nur im Wege des Kompromisses, d. h. nur dann, wenn die Koalition in anderen Punkten Abstriche macht. Das heißt doch: Sie wollen den Kunst- und Literaturvorbehalt nicht in diesem Gesetz haben. ({1}) Nicht anders sind die Beratungen im Ausschuß gelaufen, wie jeder Bürger an Hand der Protokolle des Strafrechtssonderausschusses nachprüfen kann. ({2}) Meine Damen und Herren, wir lehnen heute ebenfalls die Vorschläge der Opposition zur Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts ab. Diese Vorschläge sind ungerecht und unpraktikabel. Ungerecht sind sie, weil Sie auch solche Leute bestrafen wollen, die sich an sich nicht strafwürdig verhalten. ({3}) Herr Kollege Müller-Emmert hat vorhin in aller Ausführlichkeit - ich will das nicht wiederholen; Sie haben es gehört, Herr Kollege Vogel - darauf hingewiesen, daß es den Unterschied zwischen Kriminalunrecht und Verwaltungsunrecht gibt. Wir haben uns damals entschieden, den hier diskutierten Bereich mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz abzudecken. Ich glaube, wir sind damit - die Erfahrungen haben es gezeigt - gut gefahren. Unpraktikabel ist Ihr Vorschlag, weil er der Polizei ihre Aufgabe nicht erleichtert, sondern erschwert. - Auch das hat der Kollege Müller-Emmert ausführlich dargetan. Wenn die Polizei nach dem von Ihnen geforderten Straftatbestand einschreiten muß, kann das im krassen Widerspruch zu den Notwendigkeiten der polizeilichen Taktik bei einer gewalttätigen Demonstration stehen und der Polizei gegenüber dem heutigen Rechtszustand ihre Arbeit ganz erheblich erschweren. Nun fragt sich - und wir haben diese Frage an Sie im Ausschuß mehrfach gestellt -, warum Sie denn überhaupt diese Änderung des Demonstrationsstrafrechts vorschlagen. Sie haben im Ausschuß Beispiele angeführt. Sie haben beispielsweise davon gesprochen, daß die gewalttätigen Demonstrationen gegen die Preiserhöhungen beim Frankfurter Verkehrs- und Tarifverbund eine solche Änderung notwendig machten. Für mich zeigt die Tatsache, daß Sie dieses Beispiel - auch wieder heute hier - in die Debatte eingeführt haben, nur, wie weit Sie davon entfernt sind, sich nun wirklich mit den Problemen der Polizei in diesem Bereich auseinanderzusetzen. Ich will die Problematik deshalb hier etwas ausführlicher erörtern. von Schoeler Bei den gewalttätigen Demonstrationen gegen die Fahrpreiserhöhungen in Frankfurt war es die Taktik einer kleinen, militanten Gruppe von gewalttätigen Demonstranten, keine große Menge zu bilden, sondern sich in kleine Gruppen aufzulösen, unter harmlose Passanten zu mischen und von dort aus Gewalttaten vorzunehmen. Herr Kollege Spranger, bei diesem Vorgehen von Demonstranten haben Sie keine große Menge. Da findet keine Demonstration statt, wie Sie sie sich anscheinend vorstellen und wie es sie vor zehn Jahren gab, als Sie regierten, sondern das ist eine ganz andere, neue Form gewalttätiger Demonstrationen. Gegen diese Form aber bietet Ihr Gesetz überhaupt keine Handhabe. Selbst von Ihrem Ausgangspunkt her ist es völlig unlogisch, eine solche Gesetzesvorschrift vorzuschlagen, um derartige Vorgänge zu bekämpfen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege? von Schoeler ({0}) : Ja. - Bitte schön, Herr Kollege Eyrich!

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege von Schoeler, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir, wenn wir den aufgehobenen § 110 im Demonstrationsstrafrecht noch hätten, eine Möglichkeit hätten, bei diesen kleinen Gruppen einzugreifen - eine Möglichkeit, die damals von fast allen Polizeipräsidenten in allen Ländern gefordert worden ist? von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Eyrich, ich bin nicht dieser Auffassung. Offensichtlich ist Ihre Fraktion auch nicht dieser Auffassung, sonst hätte sie hier einen entsprechenden Antrag gestellt. Das ist aber nicht geschehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spranger? von Schoeler ({0}) : Bitte sehr!

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr von Schoeler, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie beabsichtigen, gegen diese Art von Demonstrationen in kleineren Grüppchen nichts zu unternehmen, obwohl die Gefährlichkeit dieser „Grüppchen" und der Vielzahl von kleineren „Demonstratiönchen" doch erwiesen ist? von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Spranger, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie ,doch wirklich erkennen müssen, daß ich dargelegt habe, daß Ihr Gesetzentwurf gegen solche Formen von Demonstrationen gar keine Handhabe bietet. Daraus können Sie doch nicht entnehmen, daß ich gegen Gewalttaten bei solchen Demonstrationen nichts unternehmen will. Ich sage nur: Das Mittel, ,das Sie anbieten, ist untauglich. Damit müssen Sie sich doch etwas sachlicher auseinandersetzen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eyrich? von Schoeler ({0}) : Ja, aber das ist dann die letzte, weil ich dann mal weitermachen muß.

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege von Schoeler, nachdem Sie gemeint haben, wir hätten einen Antrag bezüglich des § 110 nicht gestellt, frage ich Sie: Würden Sie denn einem solchen Antrag, wenn wir ihn heute stellten, zustimmen? von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Eyrich, ich habe nicht nur darauf hingewiesen, daß Sie den Antrag nicht gestellt haben, sondern ich habe auch darauf hingewiesen, daß ich einen solchen Antrag nicht für sachdienlich hielte. Nun, meine Damen und Herren, haben Sie auch an Hand der vorliegenden Zahlen 'in keiner Weise den Nachweis erbringen können, daß die von Ihnen geforderten Änderungen notwendig sind. Herr Kollege Spranger hat vorhin einige Zahlen zitiert. Ich muß schon sagen, daß das - ich glaube, die Berliner würden sagen - chuzpe ist, so etwas hier vorzutragen. Ich möchte die Zahlen einmal vollständig nennen. 1969, also vor der Änderung des Demonstrationsstrafrechts, gab es in diesem Lande insgesamt 2 253 Demonstrationen. Von diesen 2 253 Demonstrationen waren 813, also über ein Drittel, unfriedlich. 1970 gab es 1 383 Demonstrationen; davon waren 122 unfriedlich. 1974 gab es 1 922 Demonstrationen; ,davon waren 144 unfriedlich. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß diese Zahlen eindrucksvoll bestätigen, was ich vorhin schon gesagt habe: Die Zahl der gewalttätigen Demonstrationen war zu Ihrer Regierungszeit größer, als sie heute ist. Sie sollten nicht den Eindruck hervorrufen, als ob das Gegenteil der Fall wäre. Wir lehnen Ihre Vorschläge zum Demonstrationsstrafrecht also ab, weil sie ungerecht und unpraktikabel sind und weil keine praktische Notwendigkeit für diese Vorschläge dargetan ist. Meine Damen und Herren, es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten, was Sie sowohl mit den Anträgen zum Demonstrationsstrafrecht als auch mit den Änderungen, die Sie zum § 88 a StGB vorschlagen, bezwecken. Die ,eine Möglichkeit ist, daß die Anträge ernst gemeint sind. Dann, so muß ich sagen, graut es mir vor Ihren Vorstellungen im staatspolitischen Bereich. Die andere Möglichkeit ist die, daß diese Anträge nicht ernst gemeint sind, und da ich Ihnen wohl will, will ich das einmal unterstellen. Sie sind meines Erachtens mit dem Blick auf die Wahlurne und dafür gemacht, eine Handhabe zu finden, um die Koalitionsfraktionen der demokratischen Unzuverlässigkeit zu zeihen. von Schoeler Dies wird Ihnen beim Wähler nach meiner festen Überzeugung nicht gelingen. Mit Ihren Vorstellungen, meine Damen und Herren, ist kein Staat zu machen, es sei denn, ein Polizeistaat. ({1}) In der festen Überzeugung, daß die Bedenken, die bis in die letzten Tage hinein gegen den Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, geäußert worden sind, nach den vorgenommenen Änderungen unberechtigt sind, stimmen wir Freien Demokraten dem Gesetzentwurf zu. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/4582 der Fraktion der CDU/CSU vor. Ich möchte zunächst der Ordnung halber darauf hinweisen, daß in der Überschrift die zweite zitierte Drucksachennummer unkorrekt ist. Es muß 7/4549 heißen, nicht 7/4649. Die Drucksache 7/4582 sieht zunächst eine Änderung zu Artikel 1 Nr. 01 vor. Ich gehe davon aus, daß wir zunächst über Nr. 001 in der Drucksache 7/4549 abstimmen können, da wir ohnehin einzeln abstimmen müssen. ({0}) - Ja, aber der kommt frühestens bei Nr. 01 vor. Deswegen möchte ich zunächst Nr. 001 aufrufen, weil wir nach der Reihenfolge vorgehen. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer diesem Passus zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe nun Art. 1 Nr. 01 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/4582 vor. Ich rufe ihn auf Wunsch der Antragsteller für alle Punkte gemeinsam auf. Herr Kollege Spranger hat eben in seiner Rede die Begründung dafür gegeben. Dann hat Herr Abgeordneter Coppik das Wort.

Manfred Coppik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000337, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spranger hat für die CDU/ CSU-Fraktion hier einige Änderungsanträge vorgetragen, die ich mit Genehmigung von Frau Präsidentin insgesamt ansprechen und zu denen ich auch begründen möchte, warum die Fraktion der SPD diese Änderungsanträge ablehnen wird. Die von der CDU/CSU vorgelegten Änderungsanträge sind teils überflüssig, teils gefährlich, überwiegend beides. ({0}) Die CDU/CSU will in ihrem Änderungsantrag den § 130 a als Gewaltbefürwortungsparagraphen in der Fassung des Bundesratsentwurfs beschlossen sehen, in einer Fassung also, die weit über den von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen § 88 a hinausgeht. Auf irgendeine Schutzklausel zugunsten von Kunst, Literatur, Forschung, Lehre oder Berichterstattung will sie dabei ebenso verzichten wie auf eine Einschränkung im Hinblick auf die Motive und Ziele der Befürwortung. Sie verkennt dabei völlig, daß die allgemeine Diskussion darüber, wann Gewalt legitim sein kann, ein uraltes philosophisch-moralisches Problem ist, gerade in der europäischen Kulturgeschichte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Manfred Coppik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000337, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Coppik, würden Sie bestätigen können, daß der von uns vorgeschlagene § 130 a nicht nur dem Entwurf des Bundesrates, sondern im wesentlichen auch dem Entwurf der Bundesregierung entspricht?

Manfred Coppik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000337, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, das kann ich Ihnen leider nicht bestätigen. Das, was Sie wollen, hat die Bundesregierung nie gewollt. Auch wenn die Formulierung des Regierungsentwurfs von uns in den Ausschußberatungen verbessert wurde, verbessert wurde auch deswegen, um Gefahren, vielleicht auch nur einer Fehlinterpretation, auszuschließen, ({0}) muß dennoch festgestellt werden, daß die Bundesregierung das, was Sie wollen und vorschlagen, nie vorgeschlagen und gewollt hat. Mein Kollege Dr. Müller-Emmert hat hier auf diese Gesamtproblematik hingewiesen und dabei angemerkt, daß etwa auch Dramen von Friedrich Schiller unter die Formulierung Ihres Änderungsantrags fallen würden. Und selbstverständlich haben die damaligen Herrscher solche Darbietungen zu Zeiten von Friedrich Schiller für geeignet gehalten, den öffentlichen Frieden zu stören - die einzige einschränkende Voraussetzung, die Sie in Ihrem Vorschlag haben. Ich muß Sie ernsthaft fragen: Wollen Sie die Verhältnisse aus dein 19. Jahrhundert in diesem Lande wiederherstellen? Es gibt keine Rechtfertigung, gerade heute, in der freiheitlichsten und stabilsten Republik, die je auf deutschem Boden bestanden hat, die uralte philosophische Diskussion um und über Gewalt ohne Rücksicht auf Motiv und Zielsetzung unter Strafe zu stellen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Meinungsfreiheit bedeutet eben, daß auch etwas Unsinniges, etwas Falsches oder sogar auch etwas Verwerfliches gedacht, gesagt und geschrieben werden kann und nicht nur das, was Sie für richtig halten, oder das, was wir für richtig halten. ({1}) Es ist schon ein erschreckendes Demokratieverständnis, was Herr Spranger uns hier in dieser Frage geboten hat. ({2}) Ich hoffe und glaube, daß es in Ihrer Fraktion wenigstens einige gibt, denen es bei dieser Rede des Herrn Kollegen Spranger kalt den Rücken hinuntergelaufen ist. ({3}) - Bei einigen von Ihnen löst das nur Gelächter aus. Auch das macht deutlich, wie ernsthaft Sie sich mit dieser Problematik auseinandersetzen. Es ist ein gefährlicher Aberglaube, zu glauben, durch möglichst weitgehende Straferweiterungen und Strafschärfungen und den damit für alle Bürger verbundenen Abbau von Freiheitsrechten eine Sicherheitsgarantie gegen alle Gewalttaten erreichen zu können. Sie haben hier wider besseres Wissen diesen Eindruck erweckt, obwohl die Erfahrungen in aller Welt das Gegenteil lehren. Niemand von uns verharmlost Gewalt. ({4}) Wenn aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das wahnwitzige Treiben einiger hundert Terroristen zum Anlaß nehmen wollen, um einen allgemeinen wesentlichen Eingriff in die Meinungsfreiheit mit Ihrem Änderungsantrag vorzunehmen, dann werden Sie auf unseren erbitterten Widerstand stoßen. ({5}) Darauf kann sich jeder verlassen, innerhalb und außerhalb dieses Hauses. Die Sozialdemokratische Partei steht in einer mehr als 100jährigen Tradition des Kampfes auch für die Meinungsfreiheit, insbesondere für die Meinungsfreiheit Andersdenkender und gegen politischen Machtmißbrauch der Obrigkeit. Wir haben deswegen im Ausschuß dafür Sorge getragen, daß alles getan wird, um ungerechtfertigte Eingriffe in die Freiheitsrechte in diesem Lande auszuschließen. Dabei haben wir uns die Sache sicherlich nicht einfach gemacht. Es gab vieles gegeneinander abzuwägen, und es gab manche unterschiedliche Meinung. Aber das, was Herr Spranger heute hier von sich gegeben hat, und zusätzlich Ihre Änderungsanträge machen deutlich, aus welcher Richtung die Gefahren für die geistige Freiheit in diesem Lande drohen und wie notwendig es ist, diesen Gefahren mit aller Entschlossenheit und Geschlossenheit entgegenzutreten. ({6}) Aber Ihre Änderungsanträge sind nicht nur eine Gefahr für wesentliche Freiheitsrechte, sondern gleichzeitig auch eine Gefahr für die innere Sicherheit in unserem Lande. Wenn man entsprechend dem Änderungsvorschlag der CDU/CSU zu § 125 des Strafgesetzbuchs auch friedliche Demonstranten nur deshalb, weil sie sich nicht rechtzeitig von einer Demonstration entfernt haben, zu Vorbestraften machen wollte, würde man dadurch das Potential vergrößern, aus dem heraus sich politische Desperados, aus dem heraus sich anarchistische Gewalttätergruppen rekrutieren. ({7}) Wenn man sich nämlich in der geschichtlichen Entwicklung anschaut, wer die Anarchisten waren und auch heute wieder sind, dann stellt man fest, daß es sich meist um zutiefst bürgerliche, um nicht zu sagen: kleinbürgerliche, aus den Geleisen gekommene Intellektuelle handelt, die aus persönlicher Verzweiflung den Bezug zur Realität verloren haben und zu Kriminellen wurden. ({8}) Nun sind das Gedanken, die den Damen und Herren von der Opposition offensichtlich ziemlich gleichgültig sind. Sie müssen ja auch ein sehr gespaltenes Verhältnis zu den anarchistischen Terrorakten haben; denn schließlich sind Sie und alle Kräfte der Reaktion in unserem Lande die einzigen objektiven Nutznießer dieser Wahnsinnstaten, ({9}) zumal es zu Ihrer Taktik gehört - das hat die Rede von Herrn Spranger deutlich gemacht -, genauso wie es seit jeher zur Taktik der deutschen Reaktion gehörte, die anarchistische Ideologie und Praxis in die Nähe der Sozialdemokratie zu rücken. ({10}) Mit solcher Lügenpropaganda wurde schon der Wahlkampf 1878 bestritten. Nicht umsonst hat Karl Marx die Anarchisten als eine Bande von Agents provocateurs der Reaktion bezeichnet. ({11}) Die deutsche Sozialdemokratie hat die damaligen Verunglimpfungen und Diffamierungen überstanden; wir werden erst recht heute damit fertig. Wir vertrauen darauf, daß sich auf Dauer der bundesdeutsche Wähler nicht wird darüber täuschen lassen, von wem er wirklich mehr Sicherheit in diesem Land erwarten kann. Meine Damen und Herren, wem es nicht nur um Schlagworte geht, wem es nicht nur darum geht, auf dem Problem der Gewaltkriminalität ein parteipolitisches Süppchen zu kochen, wie Herr Spranger es hier getan hat, wem es ernsthaft um die innere Sicherheit in dieser Republik geht, der wird darauf achten müssen, bei aller strafrechtlich gebotenen Erfassung des Vorfeldes der Gewaltkriminalität die Heranzüchtung neuer politischer Desperados zu verhindern. Eine solche Heranzüchtung könnte eigentlich nur im Interesse der Anarchisten liegen. Alle Demokraten sind aufgerufen, sie zu verhindern. Leider sind Ihre Änderungsanträge geeignet, eine solche Heranzüchtung zu fördern. ({12}) Die Annahme Ihrer Vorschläge würde deshalb ein unübersehbares Risiko für die innere Sicherheit in diesem Lande bedeuten. Daher lehnen wir Ihre Anträge ab. ({13})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4582. Bestehen Bedenken dagegen, über alle Punkte gemeinsam abzustimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich den gesamten Änderungsantrag zur Abstimmung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, die Schriftführer bitten darum, daß man sich zunächst hinsetzen möge; dann wäre es einfacher zu übersehen. Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Danke schön. Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Es ist mir mitgeteilt worden, daß über Art. 1 Nr. 01, d. h. über § 88 a, eine namentliche Abstimmung gewünscht wird. Dazu rufe ich jetzt auf. Ich bitte, gleichzeitig zur Kenntnis zu nehmen, daß auch für die Gesamtabstimmung in dritter Lesung namentliche Abstimmung beantragt ist. Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über § 88 a in der vorliegenden Fassung des Berichts. Meine Damen und Herren, es sind Zweifel bei der Abgabe einer Stimme aufgekommen. Es tut mir leid, wir müssen ,die Abstimmung wiederholen. Abstimmungsergebnisse sollten nicht unklar oder anfechtbar sein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Timm.

Dr. Helga Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich habe große Bedenken, diese Prozedur zu wählen. Von meiner Fraktion sind im Augenblick insbesondere Regierungsmitglieder und der Fraktionsvorsitzende selbst - ich denke, dies gilt auch für den Vorsitzenden Ihrer Fraktion - auf dem Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. ({0}) Sie haben hier abgestimmt unid sind nun zu diesem Empfang gegangen. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. Es ist unmöglich, diese Prozedur zu wählen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Abstimmung sind eben von einem Kollegen, wie von einem amtlich bestellten Schriftführer dieses Hauses festgestellt worden ist, zwei Karten in die Urne geworfen worden. Es besteht also der Zweifel, daß hier nicht ordentlich abgestimmt worden ist. Aus diesem Grunde beantrage ich namens meiner Fraktion eine Wiederholung dieser Abstimmung. ({0}) Die Begründung, die die Frau Kollegin Timm gegeben hat, halte ich nicht für zureichend. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, wie der Sachverhalt tatsächlich ist - ich finde, wenn ein ernsthaftes Bedenken entstanden ist, sollten wir die Abstimmung wiederholen. Ich bitte die Schriftführer daher, erneut an ihre Plätze zu gehen. Und zugleich bitte ich weiterhin alle Kollegen, die Stimmkarten nach Möglichkeit etwas geordneter abzugeben, damit die Schriftführer auch den Überblick behalten. Meine Damen und Herren, seitens des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses bin ich gebeten worden, mitzuteilen, daß der Haushaltsausschuß seine Beratungen erst nach der nächsten namentlichen Abstimmung fortsetzen wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich gebe das Ergebnis der wiederholten namentlichen Abstimmung zu Art. 1 Nr. 01 bekannt. Mit Ja haben 225 uneingeschränkt stimmberechtigte und 12 Berliner Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 167 uneingeschränkt stimmberechtigte und 5 Berliner Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich niemand. Insgesamt haben 392 voll stimmberechtigte und 17 Berliner Abgeordnete an der Abstimmung teilgenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 392 und 17 Berliner Abgeordnete; davon ja: 224 und 12 Berliner Abgeordnete nein: 167 und 5 Berliner Abgeordnete ungültig: 1 Becker ({0}) Biermann Blank Dr. Böhme ({1}) Börner Frau von Bothmer Brandt ({2}) Bredl Brück Buchstaller Büchner ({3}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Ja SPD Ahlers Dr. Ahrens Amling Anbuhl Arendt ({4}) Dr. Arndt ({5}) Augstein Baack Bäuerle Barche Dr. Bardens Batz Vizepräsident Dr. Jaeger Coppik Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({6}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Frau Dr. Focke Friedrich Gansel Geiger Gerstl ({7}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({8}) Haase ({9}) Dr. Haenschke Halfmeier Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({10}) Jahn ({11}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Frau Dr. Lepsius Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Frau Meermann Dr. Meinecke ({12}) Meinike ({13}) Metzger Möhring Müller ({14}) Müller ({15}) Müller ({16}) Müller ({17}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Offergeld Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({18}) Rappe ({19}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Rosenthal Sander Saxowski Schäfer ({20}) Dr. Schäfer ({21}) Scheffler Scheu Frau Schimschok Schinzel Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({22}) Schmidt ({23}) Schmidt ({24}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiber Schulte ({25}) Dr. Schweitzer Dr. Schwencke ({26}) Dr. Schwenk ({27}) Seibert Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Spillecke Stahl ({28}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Sund Tietjen Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({29}) Vogelsang Walther Dr. Weber ({30}) Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Wischnewski Dr. de With Wittmann ({31}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Manning Mattick Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt FDP Dr. Bangemann Baum Dr. Böger Engelhard Frau Funcke Gallus Geldner Grüner Hölscher Jung Kirst Krall Dr. Kreibaum Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Logemann Frau Lüdemann Dr. Dr. h. c. Maihofer Mischnick Möllemann Moersch Ollesch Opitz Peters ({32}) Schleifenbaum Schmidt ({33}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Berliner Abgeordnete Hoppe fraktionslos Emeis Nein CDU/CSU Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Dr. Barzel Dr. Becher ({34}) Dr. Becker ({35}) Frau Benedix Benz Berger Bewerunge Biechele Biehle Dr. von Bismarck Dr. Blüm von Bockelberg Böhm ({36}) Braun Breidbach Bremm Burger Carstens ({37}) Dr. Czaja Damm Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({38}) Engelsberger Erhard ({39}) Ernesti Ey Freiherr von Fircks Franke ({40}) Dr. Franz Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({41}) Gerster ({42}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Haase ({43}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser ({44}) Hauser ({45}) Dr. Hauser ({46}) Dr. Heck Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Dr. Hupka Jäger ({47}) Dr. Jahn ({48}) Dr. Jobst Josten Katzer Kiechle Dr. Klein ({49}) Dr. Klein ({50}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({51}) Dr. Köhler ({52}) Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({53}) Lagershausen Lampersbach Leicht Dr. Lenz ({54}) Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Maucher Dr. Mende Mick Dr. Mikat Dr. Miltner Milz Dr. Müller ({55}) Müller ({56}) Dr. Müller-Hermann Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Picard Pieroth Vizepräsident Dr. Jaeger Pohlmann Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({57}) Dr. Riedl ({58}) Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Russe Sauer ({59}) Sauter ({60}) Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Schetter Frau Schleicher Schmidhuber Schmidt ({61}) Schmitz ({62}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({63}) Schröder ({64}) Schröder ({65}) Schulte (Schwäbisch Gmünd Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Stahlberg Graf Stauffenberg § 88 a in der Ausschußfassung ist damit angenommen. Wir kommen zu den restlichen Nummern des Art. 1, also zu Nr. 1 bis 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Art. 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Damit, meine Damen und Herren, eröffne ich die dritte Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Lattmann!

Dieter Lattmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn eine Unsicherheit eingestehen, was ein Politiker eigentlich nicht tun sollte. Aber es ist die Unsicherheit, die mir einzig aufrichtig erscheint. Ich habe mich nämlich heute nacht sehr ernsthaft gefragt, ob es die Stimmung dieses Tages hergebe, das zu sagen, was ich mir zu sagen vorgenommen habe. Aber die Situation ist da, und es muß nun sein. Ich hoffe, daß es möglich ist, eine Sorge, an das ganze Haus gerichtet, zu formulieren, die dahin geht, daß wir uns vielleicht alle gemeinsam fragen müssen, ob wir nicht unter dem Druck von Tagesereignissen in eine Situation kommen können, Gesetze zu beschließen, die uns allen eines Tages ein schlechtes Gewissen machen. Da ich aber Ihnen, Herr Kollege Spranger, zugehört habe, möchte ich zu Beginn auch eines ganz klarstellen. Was ich hier als kritischer Sozialdemokrat sage, ist unmißbrauchbar gegen meine Fraktion und die Bundesregierung. Denn eines ist deutlich: Da, wo die Freiheit und der Individualismus, aber auch die Sozialbindung des Eigentums wachsen, ist die SPD zu Hause. Von diesem Platz lassen wir uns durch niemanden verdrängen. ({0}) Es gibt keine politische Kraft in Deutschland, die für das Herstellen, Erhalten und Sicherermachen einer sozialen Demokratie mehr geleistet, gelitten und gerungen hat als die SPD. ({1}) Wer im Widerspruch zur Mehrheitsmeinung der eigenen Fraktion im Bundestagsplenum das Wort begehrt, muß es hinnehmen, daß manche sagen, er wolle etwas für sich und nicht für die Sache. Die Sache aber, um die es hier und heute geht, ist so schwierig, daß sie unterschiedlicher Überzeugungen bedarf. Kann der Zustand der Demokratie durch die Verschärfung des Strafrechts verbessert werden? Die Frage stellt sich angesichts des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Gemeinschaftfriedens, mehr noch durch die schärferen Gesetzesvorhaben des Bundesrats wie der Fraktion der CDU/CSU. Weniges bewegt die Menschen in der Bundesrepublik dringender als der internationale Terrorismus und die Auswirkungen in unserem Land. Durch die Vorgänge um Peter Lorenz und den Überfall von Terroristen auf die Botschaft der Bundesrepublik in Stockholm, durch scheinbar namenlos gebliebene Opfer wie durch die immer vorhandene Gefahr weiterer Anschläge auf den liberalen Rechtsstaat ist die Verantwortlichkeit aller nachdenklichen Bürger entschieden herausgefordert. Politik ist von den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit nicht zu trennen. Berührt sind durch Erpressungen mit Geiseln und jede Form politischer Kriminalität Grundfragen des Verhältnisses zwischen Zeitgeist und Intelligenz, Demokratie und Macht. Die Forderung nach der Stabilität der inneren Sicherheit sollte das Verbindende unter allen Demokraten sein und bleiben. Für ihre größtmögliche Verwirklichung bestehen jedoch verschiedene Vorstellungen. Keine bietet entsprechend der Grundbedingung der menschlichen Existenz eine Sicherheitsgarantie. Es bleibt immer ein Rest an Unsicherheit, den einzugestehen politisch so schwierig wie konsequent erscheint. Denn jeder neue Terrorakt ruft in der Öffentlichkeit gewaltige Emotionen hervor. Sie werden unweigerlich zum Material der Auseinandersetzung zwischen den Parteien. In einem öffentlichen Klima aber, das emotional aufgeheizt wird, fällt es schwer, über Gewalt so nüchtern zu debattieren, wie es das parlamentarische Gebot der Stunde ist. Dr. Stavenhagen Susset de Terra Thürk Tillmann Frau Tübler Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({2}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Wawrzik Weber ({3}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({4}) Dr. Wörner Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Frau Berger ({5}) Kunz ({6}) Müller ({7}) Frau Pieser Straßmeir Zu unterscheiden ist, scheint mir, zwischen juristischen Erwägungen und einem umfassenden Denken, das sich mit Gesetzgebung nicht zu begnügen vermag. Nach geltendem Recht sind die Befürwortung von Gewalt und die Anleitung zu Straftaten schon bisher unter Strafe gestellt, dann nämlich, wenn es sich um versuchte Anstiftung im Sinne des § 30 oder eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten im Sinne des § 111 handelt. Mit Strafe bedroht sind außerdem die Beschimpfung der verfassungsrechtlichen Ordnung ({8}), die Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens ({9}), Volksverhetzung nach § 130, Verherrlichung von Gewalt nach § 131, Billigung von Straftaten nach § 140, Bedrohung mit einem Verbrechen nach § 241. Das Grundgesetz und das gesamte Rechtswesen der bisher freiesten und sichersten deutschen Demokratie bieten einen so umfassenden Schutz gegen Terrorismus und politische Kriminalität, wie er international unübertroffen ist. Wenn das Strafrecht darüber hinaus verschärft wird, muß die zusätzliche Effektivität einer solchen Gesetzesänderung bezweifelt werden. Vor allem aber besteht die Gefahr, daß durch gesetzestechnischen Perfektionismus etwas ganz anderes erreicht wird als die Zielvorstellung des aus Sorge um die rechtsstaatliche Ordnung bestimmten Regierungsentwurfs, nämlich ein Klima von Einschüchterung, Opportunismus und jener Selbstzensur, die in Deutschland allzu häufig Zivilcourage verdrängt. Insbesondere gilt das für den Begriff der Befürwortung von Gewalt durch Schriften, auch wenn der neue § 88 a einen Teil öffentlich erhobener Bedenken berücksichtigt und trotz des Vorbehalts für Kunst, Wissenschaft und Berichterstattung nach § 86 Abs. 3. Ich verkenne nicht, meine Damen und Herren, daß die Strafvorschrift gegen die Befürwortung von Gewalt jetzt im neuen § 88 a enger gefaßt wurde, als es der ursprüngliche Entwurf vorsah. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß es zu kaum einer rechtskräftigen Verurteilung auf Grund des neuen § 88 a kommt. Jedoch setzt die Vorschrift eine Strafnorm, die wegen ihrer Kompliziertheit - zuerst definiert sie einen Bereich der Strafbarkeit, dann zieht sie mehrere auslegungsbedürftige Kautelen wieder davon ab - manche Unsicherheit mit sich bringt. Wie viele enge Geister werden meinen, da müsse doch endlich einmal durchgegriffen und Anzeige erstattet werden?! Wieviel Staatsanwälte, die die Lage nicht ganz übersehen, werden zu Ermittlungen schreiten, die Betreffenden vorladen und sich rechtfertigen lassen?! Außerdem ist, fürchte ich, noch immer nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß an dem einen oder anderen Ort der Justizbürokratie für strittig erklärt wird, was als Kunst zu gelten habe, und im Endeffekt dann doch ein solches Gesetz zu Zensurmaßnahmen mißbraucht werden kann. Jeder, der sich nur einige Jahre mit zeitkritischem Schreiben beschäftigt hat, kennt auch die Erfahrung, daß der bisher uns schützende Artikel 5 des Grundgesetzes zwar Zensurfreiheit fordert, aber in der Praxis das Ringen um die veröffentlichte Meinung mehr oder weniger sublime Formen der Einflußnahme von Interessen, oft unter dem euphorischen Etikett angeblicher Ausgewogenheit, zur Regel macht. Wer das öffentliche Klima in der Bundesrepublik mit internationalen Maßstäben mißt und das begonnene Jahr 1976 mit dem Demokratieverlangen der Mehrheit Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre vergleicht, mag sich sorgen, daß die Demokratie unter dem Druck von nationalem Ordnungsdenken Rückschritte macht. Eine Bewegung ist in Kraft, die Freiräume einengt und in einigen Fällen Weimarer Ausmaße von Demokratiefeindlichkeit annimmt. Jeder, der dem überkommenen Zustand unserer Republik nicht huldigt und die Unverrückbarkeit der Gegebenheiten nicht als verfassungsbedingt erachtet, setzt sich der Bedrohung aus, von den Verfechtern dieser Tendenz als „verfassungsfeindlich" denunziert zu werden. ({10}) Der Staat, in dem wir leben, ist aber noch lange nicht die Demokratie, die das Grundgesetz fordert. ({11}) Also ist seine Veränderung mit demokratischen Mitteln eine legitime Forderung, die nur den ewig Rückwärtsgewandten nicht einleuchtet. In diesem Zusammenhang muß ein Teil des öffentlichen Erfüllungsdrucks nach Gesetzesverschärfungen gesehen werden. Kein Vernünftiger wird Gewalt verharmlosen. Fest steht aber auch, daß der politische Terrorismus kleiner Gruppen den sozialen und um Demokratie bemühten Rechtsstaat nicht ernsthaft zu gefährden vermag, wenn wir ihm mit dem sachlichen Gebrauch vorhandener Rechtsmittel und mit dem unerschütterlichen Festhalten an demokratischen Errungenschaften begegnen; denn nicht Ruhe, sondern Demokratie ist die erste Bürgerpflicht. ({12}) Es ist aus diesem Grunde, so denke ich, erforderlich, sich zu erinnern, wie alles begann. Denn offensichtlich gibt es im Leben der Völker zyklische Prozesse, deren Zwangsläufigkeit allerdings im voraus nie erwiesen, eher im nachhinein festgestellt wird. Zwei Jahrzehnte lang war in der Bundesrepublik eine historische Schrecksekunde bestimmend, in der das „Tausendjährige Reich" politischen Gewalttätern den Atem verschlagen hatte. Erst eine neue Generation machte sich davon frei. Kaum einer bezweifelt heute im Rückblick das außerordentliche intellektuelle und moralische, teilweise erklärt christliche Niveau der Außerparlamentarischen Opposition und des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, des SDS, in der Initialphase ihrer politischen Wirkung Mitte der sechziger Jahre. Unübersehbar sind aber auch die Markierungspunkte, an denen sich die Studentenbewegung teilte und in der großen Mehrheit zu den demokratischen Parteien wie in etablierte Positionen der Gesellschaft überging, während der ursprünglich moralische Antrieb in einigen rasch isolierten Gruppen der extremen Minderheit zu Terrorismus und militanter Ignoranz pervertierte. Tatsache ist: diejenigen, die sich für Revolutionäre halten, haben - teils nach einschlägigen Lehrbüchern - Verbrechen gegen die Humanität politisch zu rechtfertigen versucht. Wie immer ihre Gewaltanwendung epidemischen Charakter hat, sie erscheinen intellektuell besonders verantwortlich. Denn ihre geistigen Voraussetzungen liegen weit über dem Durchschnitt. Sie entstammen vorwiegend der bürgerlichen Schicht und hatten, wenn auch voller Wut, teil an Privilegien jener Bevölkerungsgruppe, die sich im Kern auch heute als akademische Elite begreift. Eines unter anderem ist ihnen gelungen: Sie haben eine Verschärfung des öffentlichen Klimas herbeigebombt. Sie haben damit auch, durchaus gemäß ihrem Vorsatz, bei einem freilich kleinen Teil der Bevölkerung eine verborgene, immer vorhandene ,,Rübe-ab"-Mentalität bloßgelegt. Wenn sie eines vor allem wollen, dann ist es: daß der Rechtsstaat sein Gesicht verliert. Warum ist es so schwierig, großen Bevölkerungsgruppen klarzumachen, mit welchen Zielen der Terrormechanismus abläuft? Wer gegen unbeteiligte Menschen mit Bomben wütet wie Baader-Meinhof und ihre Nachfolger, wird niemals den Weg in eine bessere Gesellschaft freisprengen. Er provoziert nur den Ruf nach Recht und Ordnung in ewig gestriger Verzerrung. Dieses Land hat Erfahrung mit politischen Mördern und Gewaltherrschaft. ({13}) Der Staat aus Stahl und Eisen - den haben wir allzu lange gehabt, der soll uns nicht wiederkehren durch die Hintertür, an der die Bombenleger ihren Schattenkrieg hochgehen lassen. Denn es gibt viele Dinge, die es in diesem schwierigen Land namens Bundesrepublik zu schützen lohnt. Es muß möglich sein und bleiben, daß Künstler und Autoren vom Standpunkt einer radikalen Moral aus die Gegenwartspolitik kritisieren, wie Pasternak, Solschenizyn und Sacharow das in der Sowjetunion getan haben oder Pablo Neruda in Chile, Theodorakis im Griechenland der Junta, Wolf Biermann in der DDR, Heinrich Böll und andere in der grundsätzlich anders gearteten Bundesrepublik.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Dieter Lattmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich richte mich danach und schließe, indem ich den Rest meiner Rede zu Protokoll gebe *) und ergänzend sage: Es gibt Situationen, in denen sich die politischen Prioritäten neu und mit Macht stellen. Meine Abwägung sieht so aus, daß ich, indem ich meine ernsthaften Bedenken zurückstelle, mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion für dieses Gesetz stimme. ({0}) *) Siehe Anlage 2.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas Ruhe!

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Rechtsordnung ist nichts Starres, Unabänderliches. Sie bedarf immer wieder der Überprüfung, und sie bedarf der Änderung und Ergänzung, wenn Sie nicht mehr den Wertvorstellungen der Gemeinschaft entspricht, aber auch dann, wenn neue Sachverhalte auftreten, wenn neue Verhaltensweisen neue Gefahren für die Rechtsgemeinschaft oder einzelne Rechtsgenossen bewirken. Das gilt insbesondere für das Strafrecht. Im Zuge der Strafrechtsreform haben wir die uns zum Teil aus dem vergangenen Jahrhundert überkommenen Normen den geläuterten Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes angepaßt. Wo es die Entwicklung der Lebensverhältnisse erforderte, haben wir aber auch neue Strafbestimmungen geschaffen oder in Angriff genommen, so auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität und der Umweltkriminalität. Neuen Herausforderungen sehen wir uns seit einigen Jahren indessen auch in einem ganz anderen Bereich gegenüber, nämlich durch terroristische Aktivitäten und durch neuartige Formen der Störung der inneren Sicherheit. Wir wissen heute: Der Terror, die Anwendung individueller Gewalt zur Erreichung politischer Ziele, ist eine weltweite Erscheinung. Die Welle der Gewaltätigkeiten hat keinen Kontinent, ja kaum ein Land verschont. Es handelt sich nicht um ein isoliertes Problem der Bundesrepublik; ja, wir können ohne Überheblichkeit sagen, daß wir in dieser Bundesrepublik mit diesen Problem schon unter dem geltenden Recht keineswegs schlechter, insgesamt sogar eher besser fertiggeworden sind als andere. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, neben der Verbesserung, Verstärkung und Verfeinerung der Verfolgungsmaßnahmen auch unsere bestehenden Strafrechtsvorschriften ,an den neuen Herausforderungen zu messen und, wo notwendig, Konsequenzen zu ziehen. Die Bundesregierung hat sich dieser Pflicht nüchtern, ohne Rücksicht auf Tagesstimmungen und ohne vordergründige Effekthascherei unterzogen. Sie hat dabei vor allem erwogen, wie der Schutz des einen Rechtsgutes, etwa des Rechtsgutes des inneren Friedens unserer Gemeinschaft, verbessert werden kann, ohne daß andere Rechtsgüter und Bürgerfreiheiten, wie etwa die Meinungsfreiheit und die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Schaden leiden. Denn es hieße in der Tat, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, wollten wir ein Mehr an Sicherheit mit einem Weniger an Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtswirklichkeit erkaufen. ({0}) Dabei ist allerdings vor zwei Übertreibungen deutlich zu warnen: vor der Ansicht, schon ein zweifelhaftes und geringes Mehr an Sicherheit rechtfertige nahezu jede Erweiterung der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten; nicht minder aber vor ,der Ansicht es sei in jedem Fall besser, Opfer und Einbußen einzelner und der Gemeinschaft hinzunehmen, als die Machtbefugnisse des Staates zu erweitern. Sie, Herr Kollege Lattmann, haben gerade in diesem Zusammenhang die Sorge geäußert, der vorliegende Entwurf überschreite die vernünftige Grenze dessen, was ein demokratischer Rechtsstaat zur Abwehr von Gefahren auf ,dem Weg der Gesetzgebung tun könne und tun solle. Eine solche Sorge, Herr Kollege Lattmann, verdient es, ernstgenommen zu werden. Unsere Demokratie wäre ärmer, wenn eine mahnende Stimme wie die Ihre nicht mehr erhoben und nicht in Ruhe angehört werden könnte. ({1}) Indes enthebt die Ernsthaftigkeit 'der Motive, aus denen heraus eine Sorge geäußert wird, diejenigen, die für den Staat als Mitglieder der Gesetzgebungsorgane Verantwortung tragen, nicht der Pflicht, die vorgetragenen Argumente im einzelnen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu prüfen. Ich vermag in wesentlichen Punkten diesen Argumenten nicht zu folgen. Es ist gesagt worden, der Zustand der Demokratie könne nicht durch die Verschärfung des Strafrechts verbessert werden. Ich glaube, das ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Natürlich müssen wir, wenn auch als ultima ratio, neue Strafvorschriften einführen und bestehende verschärfen, wenn neue Herausforderungen das notwendig machen. Gustav Radbruch hat das zu seiner Zeit unter schwierigsten Verhältnissen in der Weimarer Demokratie getan; die Regierung Brandt/Scheel mußte einen Tatbestand der Luftpiraterie in das Strafgesetzbuch einfügen; diese Koalition will neue Strafdrohungen ich erwähnte das schon - gegen Umweltschäden und gegen Wirtschaftsdelikte in Kraft setzen. Das alles soll selbstverständlich die Lebensverhältnisse in unserem Lande, d. h. aber: den Zustand unserer Demokratie, beeinflussen. Man kann philologisch darüber streiten, ob es den Zustand verbessert. Jedenfalls verhindert es Verschlechterungen, und das 'ist ja wohl gegenüber ,dem Zustand, der sonst einträte, der bessere, der vorzuziehende Zustand. Warum, meine Damen und Herren, soll dies gegenüber neuen Formen terroristischer Aktivitäten nicht gelten? Übrigens - und das bitte ich gerade in dieser Diskussion zu bedenken -: die neuen Normen sollen und wollen ja nicht den Staat als Abstraktion schützen. Schutzobjekte sind doch im Grunde das Leben, die Gesundheit, die Freiheit der einzelnen Rechtsgenossen. Sie geraten in Gefahr, wenn der Staat in seiner Schutzfähigkeit und in seinem Gewaltmonopol beeinträchtigt wird. Dann ist ausgeführt worden, unser Staat sei noch lange nicht die Demokratie, die das Grundgesetz fordere; seine Veränderung sei eine legitime Forderung. Gewiß, keiner, der es mit dem Grundgesetz ernst meint, wird das bestreiten. ({2}) Aber gerade als Bundesminister der Justiz füge ich hinzu: Schon in seiner unvollkommenen Ordnung ({3}) gibt dieser Staat seinen Bürgern mehr Freiheit als die meisten Staaten dieser Welt. Er schützt den Bürger in dieser Freiheit aber auch gegen den Mißbrauch der Freiheit durch andere. ({4}) Unser Staat ist eben nicht mehr der Staat des späten 19. Jahrhunderts oder gar der Staat der Diktatur. An diesem Staat sind doch Generationen sozialdemokratischer und liberaler Politik nicht ohne Spur vorübergegangen. Ein Gustav Radbruch, ein Hugo Sinzheimer, ein Kurt Schumacher, ein Adolf Arndt, ein Carlo Schmid, ein Fritz Erler, ein Friedrich Naumann, ein Theodor Heuss, ein Thomas Dehler, aber auch manche aus dem konservativen Lager, haben doch nicht nur Fußnoten zur Staatslehre dieser Republik geschrieben. Nein, sie haben diesen Staat mitgeformt und in seinem Wesen verändert. Dieser Staat muß um der Freiheit willen, die er sonst nicht gewährleisten kann, auch seine Handlungsfähigkeit, seine Schutzfähigkeit erhalten und bewahren. Nur so werden auch die Veränderungsmechanismen funktionsfähig bleiben, die für diese Republik nach dem Grundgesetz unverzichtbar sind. Schließlich ist gesagt worden, der Konflikt zwischen Geist und Macht sei notwendig. Auch dem stimme ich zu. Allerdings, kein Geringerer als Thomas Mann hat gerade in der Überspitzung dieses Gedankens einen Mangel des geschichtlichen deutschen Bildungsbegriffs gesehen, weil dieser Begriff, wie Thomas Mann in seiner Gedächtnisrede für den ermordeten Walther Rathenau sagte, das politische Element nicht in sich aufgenommen hat. Vielmehr hat er, und zwar bei der gleichen Gelegenheit, die Republik geradezu als Einheit von Staat und Kultur, d. h. aber doch von Geist und Macht, definiert. Bedenken Sie jedenfalls: Der Geist kann sich mit aller ihm möglichen und ihm zustehenden Einseitigkeit bis hin zur wirklichkeitsfernsten Utopie nur entfalten, wenn ihm die Macht, die im demokratischen Rechtsstaat gebändigte, an Grundwerte gebundene und vom Geist immer wieder in Frage gestellte Macht, einen Freiraum sichert. So sieht es auch Thomas Mann, wenn er in seinem Aufsatz „Vom kommenden Sieg der Demokratie" betont, daß die Philosophen, denen ein Plato die Regierung anvertrauen will, eben nicht nur Philosophen, sondern auch Regenten sein müssen. Macht ohne Geist führt in die Barbarei; aber Geist ohne eine von gebändigter Macht gewährleistete Ordnung verliert in dem dann hereinbrechenden Chaos Wirkung, Sinn und Möglichkeit. In diesem Sinne hat die Bundesregierung geprüft, was jetzt notwendig erscheint. Als Ergebnis hat sie den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und anderer Vorschriften, der anschließend in erster Lesung behandelt wird, und diesen Entwurf vorgelegt. Zu diesem Entwurf ist vieles bereits in der bisherigen Debatte gesagt worden. Ich beschränke mich auf die beiden Kernpunkte, auf die sich auch die Opposition konzentriert hat. Da ist einmal das Demonstrationsstrafrecht. Die Bundesregierung hat keinen Anlaß gesehen, eine Änderung dieses seit 1970 geltenden Rechts vorzuschlagen. Die Ausschußberatungen und auch die heutigen Ausführungen haben nichts erbracht, was die Bundesregierung zu einer Änderung ihrer Haltung veranlassen müßte. Vielmehr hat sich einmal mehr ergeben: das geltende Recht ist ausreichend. Die Zahl der gewalttätigen Demonstrationen liegt heute erheblich niedriger als vor 1970. Im Hinblick auf Ihre Behauptung, Herr Kollege Spranger, nenne ich noch einmal die Zahlen: Unfriedlich verliefen 1968 533, 1969 813 Demonstrationen. In den folgenden Jahren bis 1974 lauten die Zahlen: 132, 208, 77, 125, 144. Der Qualitätsunterschied in diesen Zahlen gegenüber 1969 ist also unbestreitbar. ({5}) In den wenigen Fällen, in denen es wie 1972 in München, 1973 in Bonn und 1974 in Frankfurt am Main zu massiven Gewaltanwendungen gekommen ist, hätten die von der Opposition befürworteten Rechtsänderungen weder die Anwendung der Gewalt verhindert noch den Ablauf des Geschehens beeinflußt. Entscheidend für die Abwendung der Gefahren war vielmehr das kluge und entschlossene Eingreifen der Polizei. Bei den übrigen unfriedlichen Demonstrationen erbringt der Vorschlag für den Polizeieinsatz ebensowenig; denn mit den zur Auflösung unerlaubter Ansammlungen gebotenen Mitteln - Wasserwerfer, Tränengas, unmittelbarer körperlicher Zwang - schreitet die Polizei zulässigerweise schon jetzt ein. Andere Mittel stehen ihr auch nach der Gesetzesänderung nicht zur Verfügung. Der Vorschlag setzt sich dem Verdacht aus, daß man von einer in ihrer Wirksamkeit untauglichen Maßnahme eine Entlastung der eigenen Verantwortung erwartet, die Schwierigkeiten für die Polizei in der Praxis aber in keiner Weise vermindert oder erleichtert. ({6}) Zum zweiten geht es um die Eindämmung der Gewalt, und zwar auch der verbalen Vorbereitung und Begünstigung der Gewaltanwendung in der politischen Auseinandersetzung. Die Gewaltlosigkeit im politischen Kampf ist ein wesentliches Element des demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaats. Wer auch nur verbal an dieser Grundübereinkunft unserer Gemeinschaft rüttelt, stellt einen der größten Fortschritte unserer politischen Kultur in Frage und will uns auf das Niveau des politischen Faustrechts zurückwerfen. Unser Staat bedroht deshalb schon jetzt nicht nur die Gewalttat selbst, sondern die Anstiftung, die Aufforderung, die Androhung und die Verherrlichung der Gewalt mit Strafe. Die Bundesregierung will mit ihrem Entwurf die Bestimmung gegen die Androhung von Gewalt verbessern und auch die Anleitung zur und die Befürwortung von Gewalt als sozialschädlich und gemeinschaftsgefährlich unter Strafe stellen. Der Ausschuß ist dem in den beiden ersten Punkten gefolgt. Hinsichtlich der Gewaltbefürwortung hat die Mehrheit des Ausschusses die Grenze der Strafbarkeit enger gezogen als der Entwurf und den Tatbestand auf die Fälle eingeengt, in denen durch die Gewaltbefürwortung der Kern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung berührt wird. Die Opposition hat dies auch heute scharf kritisiert. Ich meine, zu Unrecht. In Wahrheit handelt es sich hier zunächst einmal um einen völlig normalen Vorgang, nämlich darum, daß der Ausschuß eine Abwägung, die schon von der Bundesregierung angestellt wurde, in eigener Verantwortung wiederholt hat und dabei zu einem abweichenden Ergebnis gekommen ist. Die Bundesregierung sieht die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Berichterstattung schon durch die von ihr gewählten Begrenzungen voll gewährleistet. Die Mehrheit des Ausschusses hat noch eine weitere Eingrenzung durch die Aufnahme des von mir erwähnten Tatbestandsmerkmales für erforderlich gehalten. Die Bundesregierung kann und will dem Ausschuß eine solche selbständige Entscheidung nicht verwehren. Die Bundesregierung -reiß, daß das Parlament seiner eigenen - gegenüber der Bundesregierung völlig selbständigen - Verantwortung anders gar nicht gerecht werden kann. Meine Damen und Herren, was sollen all die Vorwürfe der Opposition, die sich inhaltlich gerade an diese Änderung knüpfen? Warum eigentlich verdächtigen Sprecher der Opposition - dies ist auch heute geschehen - jede abwägende Prüfung, jeden Zweifel, der im Hinblick auf die Eignung einzelner Maßnahmen geäußert wird, jede Abwägung, die zu anderen Ergebnissen als denen der Opposition führt, als versteckte Hilfe für die Terroristen? Zweifel sind doch keine Schande. Nur Diktaturen kennen keine Zweifel. ({7}) Ich meine, es ist eher ein Zeichen von Stärke, wenn ein Rechtsstaat zweimal mit sich zu Rate geht, bevor er neue Strafgesetze in Kraft setzt. Außerdem gibt es diese Zweifel, über die wir hier unsere Meinungen austauschen und um die wir miteinander ringen, doch auch in Ihrem Lager. Tun Sie doch nicht so, als ob alle Vorschläge, die aus Ihren Reihen kommen, bei Ihnen völlig unumstritten seien und als ob es nicht auch bei Ihnen Bedenken und Sorgen gebe. Wollen Sie wirklich alle, die Sorgen äußern, als unzuverlässig, schwächlich, anfällig verteufeln, auch den Deutschen Anwaltverein, den Deutschen RichterBundesminister Dr. Vogel bund, die Bundesrechtsanwaltskammer und eine ganze Anzahl namhafter Rechtslehrer? ({8}) Außerdem: Wer Herrn Spranger zugehört hat, wird nur schwer auf den Gedanken kommen, daß hier Demokraten miteinander über die Frage diskutieren, wie der von ihnen gemeinsam geschaffene Rechtsstaat am besten in rechtsstaatlicher Weise gegen neuartige Herausforderungen geschützt werden kann. ({9}) Herr Kollege Spranger, was sollen eigentlich diese maßlosen Übertreibungen? ({10}) Wem hilft diese ganz unsinnige Schlachtordnung? Keiner bestreitet der Opposition das Recht zur Kritik. Jeder erwartet von der Opposition alternative Vorschläge. Warum entwerten Sie aber das Gewicht Ihrer Vorschläge durch Begleittöne, die man nur als pure Demagogie bezeichnen kann? ({11}) Was ist Ihnen denn eigentlich wichtiger: der gemeinsame, wirksame, von einer breiten Überzeugung getragene Schutz unserer freiheitlichen Ordnung ({12}) oder der möglichst tiefe, unüberbrückbare Graben gegenüber der Koalition? ({13}) Namens der Bundesregierung danke ich allen, die innerhalb und außerhalb des Parlaments an der Beratung des Entwurfs mitgewirkt haben. Ich bitte, diesen Entwurf in der vorliegenden Fassung nunmehr in der dritten Lesung endgültig zu verabschieden. ({14})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird in der dritten Lesung des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung in Form einer namentlichen Abstimmung. Die Abstimmung ist eröffnet. - Ich schließe die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Schlußabstimmung über das Vierzehnte Strafrechtsänderungsgesetz bekannt. Es haben 402 uneingeschränkt stimmberechtigte und 18 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Alle Abgeordneten haben mit Ja gestimmt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 402 und 18 Berliner Abgeordnete; davon ja: 402 und 18 Berliner Abgeordnete. Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({0}) Jahn ({1}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Leber Lemp Lenders Frau Dr. Lepsius Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann Dr. Meinecke ({2}) Meinike ({3}) Metzger Möhring Müller ({4}) Müller ({5}) Müller ({6}) Müller ({7}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Offergeld Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({8}) Rappe ({9}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Rosenthal Sander Saxowski Schäfer ({10}) Dr. Schäfer ({11}) Scheffler Scheu Frau Schimschok Ja SPD Ahlers Dr. Ahrens Amling Anbuhl Arendt ({12}) Dr. Arndt ({13}) Augstein Baack Bäuerle Barche Bahr Dr. Bardens Batz Becker ({14}) Biermann Blank Dr. Böhme ({15}) Börner Frau von Bothmer Brandt ({16}) Bredl Brück Buchstaller Büchner ({17}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({18}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Frau Dr. Focke Franke ({19}) Friedrich Gansel Geiger Gerstl ({20}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({21}) Haase ({22}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Vizepräsident Dr. Jaeger Schinzel Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({23}) Schmidt ({24}) Schmidt ({25}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiber Schulte ({26}) Dr. Schweitzer Dr. Schwencke ({27}) Dr. Schwenk ({28}) Seibert Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Spillecke Stahl ({29}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Sund Tietjen Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({30}) Vogelsang Waltemathe Walther Dr. Weber ({31}) Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Dr. de With Wittmann ({32}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Manning Mattick Frau Schlei Schwedler CDU/CSU Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Dr. Barzel Dr. Becher ({33}) Dr. Becker ({34}) Frau Benedix Benz Berger Bewerunge Biechele Biehle Dr. von Bismarck Dr. Blüm von Bockelberg Böhm ({35}) Braun Breidbach Bremm Burger Carstens ({36}) Dr. Czaja Damm Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({37}) Engelsberger Erhard ({38}) Ernesti Ey Freiherr von Fircks Franke ({39}) Dr. Franz Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({40}) Gerster ({41}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Haase ({42}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser ({43}) Hauser ({44}) Dr. Hauser ({45}) Dr. Heck Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Dr. Hupka Dr. Jaeger Jäger ({46}) Dr. Jahn ({47}) Dr. Jobst Josten Katzer Kiechle Dr. Klein ({48}) Dr. Klein ({49}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({50}) Dr. Köhler ({51}) Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({52}) Lagershausen Lampersbach Leicht Dr. Lenz ({53}) Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Maucher Dr. Mende Dr. Mertes ({54}) Mick Dr. Mikat Dr. Miltner Milz Möller ({55}) Müller ({56}) Dr. Müller-Hermann Dr. Narjes Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Picard Pieroth Pohlmann Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({57}) Dr. Riedl ({58}) Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Russe Sauer ({59}) Sauter ({60}) Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Schetter Frau Schleicher Schmidhuber Schmidt ({61}) Schmitz ({62}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({63}) Schröder ({64}) Schröder ({65}) Schulte (Schwäbisch Gmünd: Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Dr. Sprung Stahlberg Graf Stauffenberg Dr. Stavenhagen Strauß Stücklen Susset de Terra Thürk Tillmann Frau Tübler Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({66}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Wawrzik Weber ({67}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({68}) Dr. Wörner Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Dr. Zeitel Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Amrehn Frau Berger ({69}) Kunz ({70}) Müller ({71}) Frau Pieser Straßmeir FDP Dr. Bangemann Baum Dr. Böger Engelhard Ertl Frau Funcke Gallus Geldner Grüner Hölscher Jung Kirst Krall Dr. Kreibaum Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Logemann Frau Lüdemann Dr. Dr. h. c. Maihofer Mertes ({72}) Mischnick Möllemann Ollesch Opitz Peters ({73}) Schleifenbaum von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe fraktionslos Emeis Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich komme zu den weiteren Anträgen des Ausschusses. Unter Ziffer 2 wird beantragt, die unter den Punkten 9 a und b der Tagesordnung behandelten Gesetzentwürfe für erledigt zu erklären. Ich lasse darüber abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich komme zu Ziffer 3, dem Antrag, die Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. - Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Vizepräsident Dr. Jaeger Meine Damen und Herren, damit kann ich diesen Punkt der Tagesordnung abschließen. Es ist nunmehr interfraktionell vereinbart, auch die Punkte 10 und 11 vorzuziehen. - Kein Widerspruch; dann geschieht es so. Ich rufe die Punkte 10 und 11 auf: 10. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung terroristischer krimineller Vereinigungen - Drucksache 7/4004 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({74}) Sonderausschuß für die Strafrechtsreform Innenausschuß 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Bundesrechtsanwaltsordnung - Drucksache 7/4005 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({75}) Sonderausschuß für die Strafrechtsreform Innenausschuß Wird eine Begründung des Entwurfs unter Punkt 10 gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Wird der Entwurf unter Punkt 11 begründet? - Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon in der vorangegangenen Debatte habe ich darauf hingewiesen, daß die terroristischen Gewalttaten eine neuartige und durchaus nicht auf die Bundesrepublik beschränkte Herausforderung des demokratischen Rechtsstaats darstellen. Es ist die selbstverständliche Pflicht des Staates und all seiner Organe, seine Bürger und zu diesem Zweck auch sich selbst vor diesen Aktivitäten zu schützen. Dazu gehört die Anwendung der vorhandenen Gesetze, dazu gehört die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit, dazu gehört aber auch die Ergänzung und Verbesserung unserer Rechtsordnung an den Stellen, an denen neue Erfahrungen das dringend geboten erscheinen lassen. Die Justiz macht von den bestehenden Gesetzen einen angemessenen Gebrauch, und zwar sowohl die Justiz des Bundes als auch die der Länder. Es ist nicht wahr, meine Damen und Herren, daß die Justiz den Terroristen hilflos gegenüberstehe. Ich weiß, manche versuchen - aus welchen Gründen auch immer -, einen solchen Eindruck zu erwecken. Aber der Eindruck ist falsch; die Zahlen und die Fakten sprechen eine andere Sprache. Das ist die Realität: 80 terroristische Gewalttäter sind bereits rechtskräftig verurteilt worden, davon allein 30 im Jahre 1975. In 46 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sind erstinstanzielle Urteile ergangen; 27 dieser Urteile stammen aus dem Jahr 1975. 90 Personen wurden 1975 wegen des Verdachts terroristischer Gewalttaten in Untersuchungshaft genommen, davon 16 im Zusammenhang mit der Entführung von Peter Lorenz. Gegen 78 Personen haben die Staatsanwälte wegen des Verdachts terroristischer Gewalttaten Anklage erhoben, darunter auch gegen die Personen, die der Teilnahme an dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft in Stockholm verdächtig sind. In diesem Zusammenhang ein Wort zu dem Stammheimer Prozeß. Es ist nicht Sache des Bundesministers der Justiz, zu werten. Immerhin ist aus den Berichten bekannt, daß sich der Prozeß entgegen allen Unkenrufen und entgegen aller mitunter schwer verständlichen Kritik im Stadium der Beweisaufnahme befindet. Diejenigen, die meinten, die Justiz sei zur Abwicklung eines solchen Verfahrens nicht imstande, haben jedenfalls in diesem Punkt unrecht behalten. Auf der anderen Seite haben sich bisher aber auch alle Vorwürfe gegen die Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsmäßigkeit einzelner, insbesondere am 1. Januar 1975 in Kraft getretener Verfahrensbestimmungen als unbegründet erwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang alle Beschwerden zurückgewiesen oder überhaupt nicht zur Behandlung angenommen, so die Beschwerden gegen den Verteidigerausschluß, gegen das Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung und gegen die Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat in mehreren Entscheidungen zusätzlich festgestellt, daß in den betreffenden Verfahren weder die Dauer der Untersuchungshaft noch die Umstände des Haftvollzugs in irgendeiner Weise zu beanstanden sind. Die Justiz tut also das, was unsere Gemeinschaft billigerweise von ihr erwarten kann. Sie verschafft mit Geduld und Zähigkeit unter Beachtung der rechtsstaatlichen Prinzipien den geltenden Gesetzen auch denen gegenüber Geltung, die unseren Staat und seine Rechtsordnung ablehnen und beide mit Gewalt zerstören wollen. Sie tut das unter Umständen, die für den einzelnen Richter und Staatsanwalt sehr belastend sein können. Sie verdient dafür Dank und Anerkennung. ({0}) Die internationale Zusammenarbeit muß schon deshalb verbessert werden, weil sich die terroristischen Aktivitäten mehr und mehr internationalisiert haben. Die Herren Kollegen Genscher und Maihofer haben in ihren Bereichen die erforderlichen Initiativen ergriffen. Ich selbst habe im Frühjahr vergangenen Jahres meinen europäischen Ministerkollegen beschleunigte Verhandlungen im Europarat vorgeschlagen, um ein Übereinkommen über die Auslieferung und Bestrafung terroristischer Gewalttäter, die sich ins Ausland geflüchtet haben, zu erreichen. Die europäischen Justizminister haben dem zugestimmt. Ein Ausschuß des Europarats arbeitet an einer entsprechenden Konvention gegen Terrorismus und berät weitere Möglichkeiten, die internationale Zusammenarbeit zu verbessern. Die Konvention, die noch im Frühsommer dieses Jahres den europäischen Justizministern vorgelegt wird, wird folgende Grundsätze enthalten: 1. Die Auslieferung eines terroristischen Gewalttäters kann grundsätzlich nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden, es handle sich um eine politische Straftat. 2. Der Staat, der einen Terroristen nicht ausliefert, ist verpflichtet, ihn selber strafrechtlich zu verfolgen. 3. Die Vertragsstaaten verpflichten sich auch im übrigen zu intensiver Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung bei Strafverfahren gegen terroristische Gewalttäter. Ich habe hier insbesondere meinem französischen Kollegen Lecanuet, der diese Vorschläge unterstützt und sich zu eigen gemacht hat, sehr herzlich zu danken. Die Konvention wird ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zu einem internationalen Einvernehmen im Kampf gegen den Terrorismus sein. Das alles enthebt uns indessen nicht der Pflicht, auch unsere Gesetze immer wieder daraufhin zu prüfen, ob sie den neuen Anforderungen genügen. Die Bundesregierung hat auf Grund einer solchen Prüfung im Juni 1975 den jetzt vorliegenden, abgewogenen Entwurf verabschiedet. Er hat den Bundesrat passiert. Er liegt dem Bundestag heute zur ersten Lesung vor. Auf Grund eines Initiativantrags der beiden Koalitionsfraktionen ist der gleiche Entwurf am 12. Juni 1975 schon einmal in erster Lesung behandelt worden. Ich kann im wesentlichen auf meine Ausführungen in der damaligen Debatte verweisen. Nunmehr wird es Aufgabe des Rechtsausschusses und der mitbeteiligten Ausschüsse sein, den Entwurf der Bundesregierung und die weiteren einschlägigen Entwürfe sorgfältig zu beraten und jeweils die Schwere der Gefahr und die Tragweite der Eingriffe in die Rechtssphäre einzelner gegeneinander abzuwägen. Dabei, meine Damen und Herren, kann es nicht um Punkt und Komma gehen und erst recht nicht um die schiefe Alternative: Freiheit oder Sicherheit. Vielmehr geht es darum, die Freiheit sicherer zu machen. Nicht um des Staates oder seiner Organe willen, sondern um der Bürger willen, die ihre Freiheitsrechte nur dann gebrauchen und ausschöpfen können, wenn der Staat nicht nur ihre Freiheitsrechte achtet, sondern auch Dritte wirksam daran hindert, mit Gewalt und Terror in diese Freiheitsrechte einzugreifen. Diese Aufgabe stellt uns das Grundgesetz. Die Bewältigung dieser Aufgabe erwartet unser Volk. Ich bin sicher, daß der Deutsche Bundestag sein Bestes tun wird, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die Bundesregierung wird ihn dabei nach Kräften unterstützen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Gesetzentwurf ist damit begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger.

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Über die Schwerpunkte der heute in erster Lesung zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe von Bundesregierung und Bundesrat haben wir Mitte vergangenen Jahres auf Grund zum Teil inhaltsgleicher Entwürfe im Plenum des Deutschen Bundestages bereits ausgiebig diskutiert. Nach Abschluß unserer heutigen Debatte werden dem Rechtsausschuß und den mitberatenden Ausschüssen alle Vorschläge von Bundesregierung, Opposition, Bundesrat und Koalitionsfraktionen als Beratungsgrundlage vorliegen, so daß sie dort gemeinsam erörtert werden können. Wir Sozialdemokraten sehen in gesetzlichen Maßnahmen gegen den Terrorismus nur einen Teilaspekt der Gesamtproblematik, der wir uns hier zu stellen haben. ({0}) Ich bedanke mich. - Darüber hinaus sprengt diese Problematik natürlich auch den nationalen Rahmen. Immer mehr wird deutlich, daß ein erfolgreicher Kampf ohne internationale Maßnahmen nicht möglich ist. Insbesondere wäre es hilfreich, zu sehen, daß kein Land dieser Erde Terroristen Unterschlupf bietet. Ich darf an dieser Stelle Herrn Bundesminister Vogel für das, was er soeben zu diesem Punkt gesagt hat, recht herzlich danken. ({1}) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung richtet sich wie jener der Koalitionsfraktionen, der vor einigen Monaten eingebracht wurde, gegen alle Mitglieder und Helfer krimineller Vereinigungen. Dabei gehen wir davon aus, daß ein Entwurf nichts Endgültiges und Unwiderrufliches darstellt, sondern Bedenken, Anregungen und Verbesserungsvorschlägen zugänglich sein muß. Bei den Bemühungen um ein wirksames, aber auch an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiertes Gesetz sollten wir alle uns nicht von parteitaktischen Überlegungen leiten lassen, ({2}) sondern vom Wissen darum, daß die Bekämpfung des Terrorismus und die Gewährleistung dier inneren Sicherheit eine gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Parteien und gesellschaftlichen Kräfte ist. Von seiten der Opposition haben wir in den vergangenen Monaten eine ganze Palette von Argumentationslinien unterschiedlichster Tonart gehört, die von dem ehrlichen Bemühen um Gemeinsamkeit bis zu jenem Punkt reichen, bei dem man den Eindruck haben kann, daß es in erster Linde nicht um die Bekämpfung des Terrorismus geht, sondern darum, die Tatsache, daß es solche Terroristen gibt, im parteipolitischen Tageskampf so weit und so gut wie möglich ausnützen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung dokumentiert auch unsere Auffassung, daß auf neue Formen bisher nie erfahrener Kriminalität auch durch Änderungen und Ergänzungen von Gesetzen reagiert werden kann und muß. Der Entwurf zeigt aber in seinen Einzelheiten zugleich, daß wir uns dabei im Rahmen des rechtsstaatlich Zulässigen halten. Wir wollen uns davor hüten, jeden aktuellen TaGnädinger gesfall mit neuen Gesetzen zu beantworten, die ihrerseits weit über den Tag hinaus gelten. Das schließt jedoch nicht aus, auch zum Mittel des Gesetzes zu greifen, um entstehende Lücken zu schließen. Gerade die vor Jahresfrist verabschiedeten Vorschriften zur selbstverschuldeten Verhandlungsunfähigkeit von Angeklagten machen uns im Hinblick auf den großen Terroristenprozeß unserer Tage deutlich, daß ohne solche Bestimmungen die Funktionsfähigkeit unserer Rechtspflege bedroht gewesen wäre. Die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege ist nämlich eines unserer Rechtsstaatsprinzipien. Die Unmöglichkeit, es durchzusetzen, hätte für das Rechtsbewußtsein unserer Bürger unabsehbare Folgen gehabt. Noch deutlicher möchte ich jedoch vor einer zweiten, anders gearteten Meinung warnen, nämlich zu glauben, aus Gründen der Effekthascherei über das Erforderliche hinausgehen zu müssen. Ich glaube, die Vorschläge der Opposition bewegen sich in diesem Gefahrenbereich. Ihr verbissenes Festhalten an der Verfahrenssabotage als Ausschlußgrund für Verteidiger legt eine solche Vermutung nahe. Der Ausschluß des Verteidigers ist doch ein so schwerwiegender Eingriff, daß er nur auf Grund eines klaren, fest umrissenen Tatbestandes erfolgen darf. Aber gerade der Begriff der Verfahrenssabotage konnte trotz monatelanger Bemühungen nicht in klarer und eindeutiger Weise definiert werden. ({3}) Was Sie von der Opposition vorgeschlagen haben, Herr Erhard, ist nicht justitiabel und deshalb auch nicht praktikabel. Lassen Sie mich nun zu den im Regierungsentwurf vorgeschlagenen gesetzlichen Einzelmaßnahmen einige wenige kurze Anmerkungen machen. Der Tatbestand der kriminellen Vereinigung umfaßt viele strafbare Verhaltensweisen. Es ist eben einfach ein Unterschied, ob sich eine Gruppe als Ladendiebe zusammengetan hat oder ob es sich um eine Personengruppe handelt, deren Ziel Mord, Brandstiftung oder Geiselnahme ist. Wir meinen daher, es war richtig, vorzuschlagen, die schwersten Delikte aus diesem Tatbestand herauszunehmen und sie in einer neuen Strafbestimmung unter der Überschrift „Terroristische Vereinigungen" zusammenzufassen und mit einer schärferen Strafdrohung zu versehen. Einer solchen Bestimmung müßten sich dann auch Änderungen des Haftrechts anschließen. Der zweite Punkt, den ich noch ansprechen möchte, betrifft die Verteidigerüberwachung. Es ist in der Tat der Zentralpunkt. Gegen eine solche Regelung sind Bedenken geltend gemacht worden, und zwar nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von den Standesorganisationen der Rechtsanwälte, von vielen Richtern und von einer großen Zahl von Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten. Dies veranlaßt mich, noch einmal zu wiederholen, was ich schon in der Debatte vom Juni vergangenen Jahres dazu gesagt habe, nämlich daß wir bereit sind, die vorgetragenen Auffassungen bei den Beratungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestags genau zu prüfen. ({4}) Wenn ich sage „genau prüfen", dann meine ich nicht nur eine Floskel, sondern will deutlich machen, daß das eben heißt, daß Endgültiges noch nicht entschieden ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gnädinger, könnten Sie uns aus großer Freundlichkeit mitteilen, was sich denn nun eigentlich zugetragen hat vom Dezember 1974 über den Sommer 1975, wo Sie als Fraktion selbst den gleichen Entwurf hier eingebracht haben, bis zur heutigen Stunde und was an Unterschieden entstanden ist? Denn wir haben das Problem der Verteidigerüberwachung bereits seit 1973 in der Diskussion?

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Erhard, in unseren Äußerungen sind keine Unterschiede entstanden. In der damaligen Debatte haben sowohl Herr Kleinert als auch ich darauf hingewiesen, daß hier Vorschläge zur Diskussion auf den Tisch des Hauses gelegt worden sind und daß wir da unbedeckt bleiben und daß Parlament nicht heißen kann, daß alles, was hier in diesem Hause eingebracht wird, auch so verabschiedet wird. Sonst könnten wir die Ausschüsse dieses Hauses abschaffen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Gnädinger, Sie haben einen Entwurf der Bundesregierung aus dem Jahre 1974, der die Verteidigerüberwachung enthielt, im Dezember 1974 abgelehnt. Sie haben im Juni als Fraktion ({0}) die Verteidigerüberwachung selbst wieder hier vorgeschlagen. Was hat sich denn nunmehr ergeben, daß Sie das wiederum in Frage stellen?

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Erhard, die Verteidigerüberwachung, die damals von der Bundesregierung vorgeschlagen worden ist, hatte ja für ihre Wirksamkeit bestimmte Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen haben wir damals unberührt gelassen und daran nicht die Konsequenz der Überwachung, sondern die Konsequenz des schärferen Mittels, nämlich des Verteidigerausschlusses, gesetzt. ({0}) Wir haben in den Debatten des vergangenen Jahres immer wieder versucht, deutlich zu machen, was sich insbesondere durch Erkenntnisse aus Gerichts14748 urteilen in den Baader/Meinhof-Verfahren verändert hat, und was uns dazu gebracht hat, zu sagen, wir müßten neben der Frage des Verteidigerausschlusses auch die Frage der Verteidigerüberwachung diskutieren. Ich werde jetzt, wenn ich weiterreden darf, zu dieser Verteidigerüberwachung noch einmal im einzelnen etwas sagen. Bei der Prüfung wird davon auszugehen sein, daß die Verteidigerüberwachung doch zwei recht unterschiedliche Dinge meint, nämlich die Überwachung des schriftlichen Verkehrs und jene des Besuchsverkehrs. Zunächst muß man angesichts der vielfach vorhandenen falschen Vorstellungen noch einmal darauf hinweisen, daß nach dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen und dem der Bundesregierung - im Gegensatz zu dem der Opposition - eine solche Überwachung nur dann stattfinden soll, wenn der neu zu schaffende Tatbestand der terroristischen Vereinigung in Rede steht, d. h., wenn der in Haft Genommene dringend verdächtig ist, einer terroristischen Vereinigung anzugehören. Andererseits muß man deutlich sehen, daß zwischen Überwachung des Schriftverkehrs und einer solchen des Besuchsverkehrs in dreifacher Weise ganz erhebliche Unterschiede bestehen: Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit, bezüglich der Eingriffsintensität in Rechte und bezüglich der Praktikabilität. Nach all dem, was wir wissen, ist gerade der Schmuggel von Kassibern, Herr Erhard, für den Zusammenhalt und für die generalstabsmäßige Führung krimineller Vereinigungen von besonderer Bedeutung. Deshalb wollen wir verhindern, daß Pläne für neue Verbrechen, nur weil sie die Aufschrift „Verteidigerpost" tragen, ungehindert die Gefängnismauern in beiden Richtungen passieren können. ({1}) Es war Bundesjustizminister Dr. Vogel, der in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hingewiesen hat, daß die persönliche Aussprache im Gegensatz zum Schriftverkehr zu dem Kernbereich des Vertrauensverhältnisses zwischen Inhaftiertem und Verteidiger gehört und deshalb des qualifizierten Schutzes der Rechtsordnung bedarf. In vielen Fällen macht die vertrauliche Aussprache zwischen Mandantem und Rechtsanwalt die Verteidigung vor Gericht erst sinnvoll und gleichwertig mit der Anklage. Auch die Praktikabilität der Überwachung des Besuchsverkehrs wird noch genau zu prüfen sein. Dabei spielen die Frage, ob der Richter, der diese Überwachung vorzunehmen hat, nicht überfordert wäre, und die Tatsache, daß während der Hauptverhandlung, die oft Monate dauern kann, eine Überwachung überhaupt nicht möglich ist, eine ausschlaggebende Rolle. Dies alles zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Frage, ob eine Überwachung des schriftlichen Verkehrs und eine solche des Besuchsverkehrs in das Gesetz aufgenommen werden sollen, durchaus unterschiedlich entschieden werden kann. In den Beratungen der Ausschüsse werden wir auch zu prüfen haben, welche Vor- und Nachteile die Einführung eines sogenannten Kronzeugen mit sich bringt. Dabei handelt es sich in Wahrheit nicht um das Institut des aus dem angelsächsischen Recht bekannten Kronzeugen, sondern um eine Regelung, die an das uns hier in Deutschland bekannte Rechtsinstitut der tätigen Reue anknüpft. Der Gesetzesvorschlag enthält jedoch auch Elemente des Kronzeugen. Die Einführung der Regelung hat den Zweck, Ermittlungsnotstände zu beheben. Unzweifelhaft würde sie auch dazu dienen, den inneren Zusammenhalt krimineller Vereinigungen zu lockern und zu stören. Auf die Bedenken, die es hierzu gibt, hat mein Fraktionskollege Dr. Penner in unserer Debatte Mitte vergangenen Jahres bereits eingehend hingewiesen, so daß ich es mir ersparen kann, dies noch einmal darzulegen. Ich beziehe mich darauf. Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Die Vorwürfe der Opposition und von anderer Seite treffen uns wenig. Wir laufen den Ereignissen nicht hinterher. ({2}) Wir haben umfassende Vorschläge zum Zweck der Diskussion auf den Tisch gelegt, und es gilt nach wie vor, was wir Sozialdemokraten in der letzten Debatte gesagt haben, nämlich: daß wir uns in dem Bemühen um das wirksamste Gesetz von niemandem übertreffen lassen. ({3}) - Dabei, Herr Erhard, werden wir letztlich jedoch nur solche Vorschläge akzeptieren können, die sich streng im rechtsstaatlichen Rahmen unseres Grundgesetzes halten ({4}) und die praktikabel und erfolgversprechend sind. ({5}) Für uns ist die Bekämpfung des Terrorismus kein Konkurrenzkampf zwischen Freiheit und Sicherheit. Wir wollen die größtmögliche Sicherheit für alle Bürger in einem freiheitlichen Staate. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eyrich. Für ihn ist eine Redezeit von 30 Minuten angemeldet.

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich auf die Einzelbegründung und einige grundsätzliche Dinge eingehe, die im Zusammenhang mit der ersten Lesung dieser beiden Gesetzesvorlagen stehen, noch einmal auf die vorher stattgefundene Debatte zurückkommen. Ich kann Ihnen, Herr Bundesjustizminister, und Ihrem Kollegen Lattmann folgenden Vorwurf nicht ersparen. Herr Lattmann hat mit dem, was er hier vortrug, den Eindruck erweckt, als werde er von einer sehr schweren Sorge um diesen Rechtsstaat und die hier zur Verfügung stehenden Freiheiten umgetrieben. Wenn ich dann sehe, daß der Herr Bundesminister der Justiz diese bereits vorbereitete Rede in sein Konzept aufgenommen hat, drängt sich mir der Verdacht auf, daß hier nicht nur vom Kollegen Lattmann möglicherweise eine Verbeugung nach einer Seite gemacht würde, ({0}) sondern daß in Absprache mit dem Bundesjustizminister offenbar auch auf diesem Gebiet eine Doppelstrategie betrieben werden soll. ({1}) Sie müssen sich entgegenhalten lassen, daß das, was hier praktiziert wird, unfair ist - insbesondere nach lange vorher erfolgter Absprache -, weil zuvor gesagt worden ist, daß in dieser Debatte darüber eigentlich nicht noch einmal gesprochen werden sollte. ({2}) Lassen Sie mich aber zum Gesetzentwurf sprechen, den Sie begründet haben. Es ist bezeichnend, daß wir genau sieben Monate gebraucht haben, nämlich seit dem 12. Juni 1975, bis wir heute die zweite erste Lesung in dieser Frage durchführen können. Über all das, was wir heute miteinander behandeln, ist am 12. Juni 1975 eigentlich ausführlich geredet worden. Wir haben dort wie heute, Herr Kollege Gnädinger, von Ihnen gehört, daß Sie sich natürlich in dem Bemühen um die Freiheit der Bürger, in dem Bemühen um die Rechtssicherheit in diesem Lande von niemandem übertreffen lassen wollen. ({3}) Wir haben auch die Beteuerungen gehört, daß es natürlich dazugehöre, daß man sehr schnell an die Arbeit gehe. „Sehr schnell" ist immerhin schneller als sieben Monate. Das müssen Sie sich vorhalten lassen. Gestern ist im Rechtsausschuß eine Zusage gemacht worden, daß man nunmehr an die Beratung der Gesetzentwürfe herangehen wolle. ({4}) Ich muß Ihnen sagen: Das ist natürlich der Ausfluß einer Lage, in der Sie sich befinden, die man mit dem Begriff „Konzeptlosigkeit" kennzeichnen kann, auch damit, daß wohl der eine dahin, der andere dorthin und der dritte vielleicht nirgendwohin möchte. ({5}) Das wird dann verbrämt mit allerlei Überlegungen, daß neue Tatsachen aufgetreten seien, daß man jetzt neue Erkenntnisse gewonnen habe. Vielleicht treten in ein paar Monaten wieder neue Erkenntnisse auf. Dann wissen wir wieder nicht, was die Regierung und, wie es so schön heißt, die sie tragenden Koalitionsparteien eigentlich wollen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Eyrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gnädinger?

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte!

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Eyrich, ich darf noch einmal auf das zurückkommen, was Sie soeben gesagt haben. Ist Ihnen bekannt, daß auch die CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuß der Meinung war, daß die Beratung der Ehe- und Familienrechtsreform Vorrang genießen muß vor den anderen Gesetzentwürfen? ({0}) Ist Ihnen bekannt, daß vereinbart war, dieses Terroristengesetz auf die Tagesordnung zu setzen, daß die Sitzung damals aber wegen des Rechtspolitischen Kongresses der CDU ausfallen mußte? ({1})

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gnädinger, ich weiß nur eines - das weiß ich von dem Obmann unserer Fraktion im Rechtsausschuß, nämlich vom Kollegen Erhard -: daß gestern offenbar zum erstenmal der Versuch stattgefunden hat, diese Problematik auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses zu bringen. Das entspricht nicht dem, was Sie mit Ihrer Frage bezwecken wollten, nämlich daß der Eindruck entsteht, als hätte es schon früher geschehen können, wie Sie es behauptet haben. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Eyrich, gestattten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Eyrich, könnten Sie dem Kollegen Gnädinger sagen, daß die CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuß den dringenden Wünschen mit genauen Terminen über die Beratung des Eherechtsgesetzes gefolgt ist, weil die Regierungsparteien das unbedingt so haben wollten und mit Mehrheit auch durchsetzen konnten?

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte das sehr gerne bestätigen und hinzufügen, daß man nicht auf der einen Seite Wünsche hinsichtlich der Dringlichkeit äußern kann, auf der anderen Seite aber jemandem vorwerfen kann, wenn er dieser Dringlichkeit nachgibt, daß er sich nicht darum bemüht habe, daß es auf die Tagesordnung kommt. Aber vielleicht sollte man noch eines hinzusetzen, nämlich daß sich bei ein und derselben Materie, Herr Bundesjustizminister und Herr Kollege Gnädinger, im Laufe der Zeit folgendes abgespielt hat. Während Sie uns noch im Dezember 1974, als wir die Verteidigerüberwachung zum erstenmal zur Diskussion stellten, vorgeworfen haben, wir befänden uns hier wohl in einer gewissen Distanz zum Rechtsstaat, und das, was wir betrieben, sei doch wohl eine Art von Panikmache, mußten wir, nachdem wir das gehört hatten, feststellen, daß es nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen ein ganz klein bißchen anders aussah; denn dort vernahm man dieses Ceterum Censeo, das Sie heute wieder einmal vorgebracht haben, ({0}) daß man sich von niemandem übertreffen lassen wolle, wenn es um die Sicherheit gehe. Als diese Koalition dann zum erstenmal die Möglichkeit hatte, sich von niemandem übertreffen zu lassen, als es nämlich eine Vorlage der Bundesregierung gab, die wohl als Formulierungshilfe in den Rechtsausschuß hineinkam, wie der Kollege Erhard bei der letzten Debatte schon einmal gesagt hat, hat prompt die die Regierung tragende Koalition diese Regierung nicht mehr getragen, sondern, wenn ich es einmal ein bißchen banal sagen darf, auf den Bauch fallen lassen. ({1}) Seither hat man sich zu keiner Lösung aufraffen können, insbesondere und ganz sicher deswegen nicht, Herr Kollege Gnädinger, weil man, wie Sie auch heute wieder dargetan haben, noch einmal Überlegungen anstellen müsse. Ich muß sagen, eigentlich sind sehr viele Dinge in der Zwischenzeit geschehen, die es rechtfertigen, daß diese Überlegungen langsam zum Abschluß kommen. ({2}) - Herr Kollege Kleinert, Sie haben nachher die Möglichkeit, dazu einiges zu sagen. Jedenfalls wissen wir seit dem Jahre 1972 - und die Bundesregierung weiß es sogar noch viel besser -, daß Kassiber ausgetauscht werden, daß in den Gefängnissen Konspiration betrieben wird, daß Schlachtpläne in den Zellen geschmiedet werden und daß sie von gewissenlosen Anwälten das darf man in diesem Zusammenhang doch wohl sagen - schließlich weitergegeben worden sind. ({3}) Jetzt richte ich die Frage wirklich an alle, deren Solidarität in diesem Hause immer wieder einmal beschworen wird: Was können wir eigentlich dagegen tun? Sie haben schon lange die Möglichkeit, mit Ihrer Mehrheit etwas dagegen zu tun. Lassen Sie mich aber sagen, worauf es uns ganz entscheidend ankommt: Wir wollen erstens unsere Rechtsordnung und unseren Rechtsstaat sichern. Wir wollen zweitens den Schutz unserer Bürger durch das Recht. Was für meine Begriffe eigentlich das wichtigste ist und was bisher nicht gewährleistet werden konnte - für mich ist es, ich möchte fast sagen, der Kernpunkt der Überlegungen -: Wir sollten durch eine gesetzliche Regelung das Vertrauen unserer Bürger in die Funktionsfähigkeit unserer Justiz festigen bzw. wiederherstellen. Für die Bildung eines solchen Vertrauens ist es unentbehrlich, daß der Staat die Durchsetzung seines Anspruchs auf Strafe zu gewährleisten imstande ist. Ich möchte Ihnen dazu folgendes sagen. Der Bürger draußen versteht es tatsächlich nicht, wenn er zusehen muß, wie wir es dulden, daß Rechte, die den Verteidigern und den Beschuldigten eingeräumt werden, laufend mißbraucht werden und wir kein Rezept dagegen finden. Diese Bürger vergleichen das, was sie in Stammheim und anderswo sehen, mit den Verfahren, mit denen sie selbst möglicherweise einmal überzogen werden, und stellen dann fest, daß sie offenbar die Nachsicht, die man den Leuten dort bisher eingeräumt hat, nicht erwarten können. Das ist für das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unserer Justiz einfach schädlich. Professor Rudolphi aus Bonn hat kürzlich bei den Bitburger Gesprächen darauf hingewiesen, daß der Strafprozeß auch die Aufgabe habe, generalpräventiv zu wirken. Diese Meinung trifft zu, weil wir wissen, daß es dem Bürger unverständlich ist, wenn die Aufgabe des Strafprozesses, nämlich für Wahrheit und Gerechtigkeit zu sorgen, nicht sehr schnell in Angriff genommen wird. Das soll, um jeden Irrtum zu beseitigen, nicht heißen, daß wir der Devise frönen: jetzt machen wir kurzen Prozeß und schauen, daß wir diese Verfahren so schnell wie möglich abschließen. Es hat nichts mit gesundem Volksempfinden zu tun, wenn wir an den Unmut und an die innere Zerrissenheit vieler Bürger im Verhältnis zu diesem Rechtsstaat denken, sondern es hat etwas damit zu tun, daß wir jetzt die Aufgabe haben, das zu beseitigen. Genauso wichtig ist aber, wie ich glaube, daß der wirksame Schutz vor Mißbrauch rechtsstaatlicher Prinzipien in Strafverfahren und der Schutz vor Mißbrauch von Privilegien, die den Verteidigern berechtigterweise zustehen, gewährleistet sein müssen. Herr Kollege Gnädinger, ich komme nachher im Zusammenhang mit der Verfahrenssabotage noch einmal darauf zurück. Das hat nichts mit Effekthascherei zu tun, sondern es ist schlicht und einfach die Frage zu beantworten: Wie sieht es eigentlich bei der Verfahrenssabotage aus? Sind wir hier nicht in der Lage, einem alten Rechtsgrundsatz zum Durchbruch zu verhelfen, daß nämlich der, der in einem Rechtsstaat ein Recht für sich in Anspruch nimmt und dieses Recht mißbraucht, am Ende dieses Recht verwirkt hat? Ein Rechtsstaat kann nicht den Mißbrauch eines Rechts hinnehmen, ohne daß er eines Tages sagt: Dieses Recht hast du verwirkt. ({4}) Denn sonst hat die Rechtsordnung am Ende keinen Sinn. Ich komme darauf noch einmal im Zusammenhang mit der Verfahrenssabotage zurück. Lassen Sie mich einen anderen Schwerpunkt ansprechen, den des § 148 der Strafprozeßordnung. Es wird in beredten Worten - wir haben Verständnis dafür - von der Notwendigkeit anwaltschaftlicher Freiheit gesprochen. Auch Sie, Herr Kollege Gnädinger, haben davon gesprochen, daß ein Verteidiger seine Aufgabe nur erfüllen könne, wenn jenes Vertrauensverhältnis mit seinem Mandanten bestehe, wenn er ungestört mit seinem Mandanten werde sprechen können. Wir wissen vom Anwaltsverein, wir wissen von der Bundesrechtsanwaltskammer, daß sie immer wieder einmal darauf hingewiesen haben, hier sei das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem in Gefahr; es bestehe die Gefahr, daß mit der Überwachung in dieses Verhältnis eingebrochen werde. Wir wissen auch, daß die Bundesrechtsanwaltskammer z. B. gesagt hat, die Beeinträchtigung des Verteidigers in dieser Art und Weise sei ein so fundamentaler Eingriff, daß man von einer Verteidigung nicht mehr sprechen könne. Glauben Sie bitte ja nicht - und darin scheint Ihr Irrtum zu bestehen -, daß wir all diese Bedenken auf die Seite schieben. Glauben Sie auch nicht, daß wir das Bedenken auf die Seite schieben, das immer wieder einmal zum Ausdruck kommt, auch in ausländischen Zeitungen, wo gesagt wird, wir, die Deutschen, müßten wissen, hier stehe eigentlich das eigene Justizsystem vor Gericht; dabei wäre es für die ausländischen Zeitungen angebracht, wenn sie sich einmal mit den Rechten in ihrem eigenen Lande befaßten. Sie würden dann sehr schnell feststellen, daß wir hinter diesen Lösungen weiter zurückbleiben. Ich möchte nur sagen, es geht bei der Regelung des § 148, der Verteidigerüberwachung, nicht darum, Rechte einzuschränken, sondern den Mißbrauch von Rechten zu verhindern. Wir wissen, daß es ein schmaler Grat ist zwischen der Gewährleistung der Rechte des Verteidigers auf der einen Seite und andererseits der Verhinderung von Mißbrauch mit dem Ausschluß eines Rechts als Folge. Diese Gedanken, die ich oben über das Vertrauensverhältnis des Verteidigers zu seinem Beschuldigten geäußert habe, sind dort richtig, wo es um einen herkömmlichen Prozeß geht, und sie sind dort richtig, wo es um einen gesetzestreuen, seinem Berufsethos verpflichteten Anwalt geht. Aber hier im Bereich des § 148 und dem Anlaß zu diesem § 148 handelt es sich nicht - ich behaupte das! - um einen Einbruch in das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigten und Verteidigern und nicht mehr um eine Verteidigung überhaupt, sondern um eine Verhinderung der Komplizenschaft zur Ausarbeitung neuer Straftaten und möglicherweise zur Vorbereitung neuer Terrorakte. Man könnte natürlich auch sagen: Es ist ein Vertrauensverhältnis sehr eigener Art, das sich hier entwickelt hat. Dies ist es eben, worum es uns geht. ({5}) Die Frage ist, ob in einem solch eklatanten Fall und bei dringender Verdächtigung des Beschuldigten und des Verteidigers dieser Rechtsstaat nicht den Mut haben sollte, zu sagen: Hier handelt es sich nicht mehr um das herkömmliche Verhältnis zwischen Beschuldigten und Verteidigern, sondern um Konspiration, die die Sicherheit der Bürger nicht mehr zu gewährleisten in der Lage ist. Dies ist das Problem, und es geht nicht um die Frage der anwaltschaftlichen Freiheit. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Anwalt noch die Möglichkeit zur Verteidigung hat, sondern darum, ob er in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit haben soll, Konspiration zu treiben und Verbrechen zusammen mit dem Beschuldigten vorzubereiten. Es ist schon so, wie es das ausländische Blatt gesagt hat: In der Tat stehen hier die Justiz und unser System vor Gericht. Das wissen doch auch die, die diesen Mißbrauch praktizieren. Wie oft muß man es eigentlich noch sagen? Es geht diesen Leuten doch nicht um die Verteidigung ihres Mandanten, und der Mandant will letztlich auch gar nicht verteidigt sein. Es geht vielmehr darum, das System, das wir aufgebaut haben, ad absurdum zu führen, um sagen zu können: Hier habt ihr den schwachen Staat. Hier habt ihr den Staat, der nicht mehr in der Lage ist, dieser Dinge Herr zu werden. ({6}) - Herr Kollege Penner, ich habe Ihre Ausführungen in der letzten Aussprache - ich komme nachher noch darauf zurück - sehr sorgfältig durchgelesen. Ich schätze die abwägende Art, in der Sie argumentiert haben. Ich versuche - wenn auch in einigen Punkten vielleicht mit etwas mehr Engagement - darzustellen, daß es nicht unsere Position ist, hier Verteidigerrechte einzuschränken. Es geht uns vielmehr darum, den Mißbrauch bestimmter Handlungen, die unter dem Deckmantel der Verteidigerrechte erfolgen, zu unterbinden. Ich bedaure im übrigen, Herr Bundesminister, daß Sie nicht den Mut gefunden haben, Ihre Vorlage der der Opposition mindestens insoweit anzugleichen, daß Sie von der Bezugnahme auf § 129 a und die dort bezeichneten Delikte abgehen. Es wäre ganz gut gewesen, wenn wir auch die Vorbereitung anderer Straftaten unter das Verdikt des Mißbrauchs und damit des Entzugs der freiheitlichen Rechte des Anwalts gestellt hätten. Dies richtet sich - ich sage das ausdrücklich - nicht gegen die Anwaltschaft, sondern gegen die Außenseiter in der Anwaltschaft. Lassen Sie mich nur der Vollständigkeit halber - ich glaube es ist es schon wert, dies in die Diskussion hier mit einzubringen - einige ausländische Beispiele anführen. In der Schweiz wird bei Gefahr der Kollusion, wie es dort heißt, der Verdunkelung oder der betrügerischen Abrede der Verteidiger mitsamt seinem Beschuldigten mit Überwachung bedacht. Dort kann sogar der Ausschluß der schriftlichen und mündlichen Korrespondenz angeordnet werden. In Holland - ein sicherlich doch auch unverdächtiger Staat - kann der mündliche und schriftliche Verkehr ausgeschlossen werden, wenn auf Grund bestimmter Umstände ernsthaft vermutet werden kann, daß der freie Verkehr zwischen Verteidiger und Mandant dazu benutzt werden kann - jetzt passen Sie sehr gut auf! -, die Wahrheitsfindung zu behindern. In England - dies sollte ergänzend noch angemerkt werden - ist der Verteidiger sogar verpflichtet, dann, wenn er ein Plädoyer für seinen Mandanten hält, dem Gericht auch die ihm bekannten, gegen seinen Mandanten sprechenden Entscheidungen vorzulegen. Ich sage das nicht, weil ich der Meinung wäre, wir sollten dies nachahmen. Ich sage es nur, um zu verdeutlichen, daß wir mit all dem, was wir vorsehen, noch unter dem bleiben, was andere Staaten bereits praktizieren und was dort in die Gesetzgebung Eingang gefunden hat. Es geht uns darum - dies mache ich deutlich -, daß das Erfordernis, hier im Rahmen des Rechtsstaates zu handeln, gewahrt sein muß. Unsere Vorschläge bleiben weit hinter den ausländischen Regelungen zurück. Schließlich muß der Verteidiger - lassen Sie mich auch dazu noch ein Wort sagen -, gleichgültig, ob wir ihn als Organ der Rechtspflege darstellen wollen oder nicht, nicht nur mit besonderen Rechten, sondern auch mit besonderen korrespondierenden Pflichten konfrontiert sein. Wenigstens, meine Damen und Herren, sollte er sich enthalten müssen, mit seinem Mandanten innerhalb der Anstalt Straftaten zu vereinbaren. Lassen Sie mich ganz kurz noch auf einige Einzelbestimmungen eingehen: Ich kann bezüglich dessen, was zur Schaffung des § 129 a des Strafgesetzbuches geführt hat, weitgehend das unterstreichen, was der Kollege Gnädinger schon gesagt hat. Ich meine nur, es wäre der Diskussion wert, daß wir uns einmal überlegten, ob wir nicht die Strafdrohung, die die Koalition vorgeschlagen hat, nämlich von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, auf ein Jahr bis zu zehn Jahren erhöhen sollten. Nach meiner Meinung ist es dem, was dort zur Diskussion steht, angemessen. Die Abschreckungswirkung ist in diesem Bereich - wer wüßte das nicht - ganz gewißlich problematisch. Aber sie scheint doch, wenigstens um deutlich zu machen, um was es hier geht, notwendig zu sein; denn der Zweck der Vereinigung - und darum geht es, meine Damen und Herren; daran kommen wir nicht vorbei - ist immerhin der, Mord, Tatschlag, Völkermord oder Geiselnahme zu begehen. Das, so meine ich, rechtfertigt eine höhere Strafandrohung. ({7}) Schließlich möchte ich noch ganz kurz das Problem des Kronzeugen aus unserer Sicht beleuchten. Es handelt sich nicht - vielleicht wird der Versuch noch einmal unternommen - um eine Form der tätigen Reue - auch das wurde bereits einmal gesagt -, sondern es handelt sich schlicht einfach darum, den Kronzeugen in unser Rechtssystem einzuführen. Damit sehen wir uns konfrontiert. Damit verbunden ist eine weitere Abschwächung des Legalitätsprinzips zugunsten des Opportunitätsprinzips. Wir können in diesem Bereich nicht mehr sicherstellen, daß der Staatsanwalt nicht nur anklagen kann, sondern anklagen muß. Eine gewisse Kontrollmöglichkeit ist bei einem solchen Verfahren nicht mehr gegeben. Es ist keine Frage - ich verhehle das gar nicht -: Wenn dadurch Taten aufgeklärt werden können, wenn kriminelle Vereinigungen gehindert werden können, Terroranschläge zu verüben, zu planen und auszuführen, dann ist es tatsächlich der Überlegung wert, ob wir dieses Rechtsinstitut einführen. Aber die Nachteile, die damit verbunden sind, scheinen mir so schwer zu wiegen, daß ich dieser Konzeption eine Chance nicht zu geben bereit bin. Die Kronzeugenregelung wird auch - und das muß man sehen - unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der Aussage des Kronzeugen überprüft werden müssen. Die Gefahr, daß bewußt ein anderer - aus welchen Gründen auch immer - belastet wird, um den eigenen Kopf und Kragen zu retten, ist außerordentlich groß, so groß wie die andere Gefahr nämlich, daß der Kronzeuge bewußt Taten auf sich nimmt, damit den Strafanspruch des Staates absorbiert und andere entlastet. Es ist natürlich schwierig, das, was ein Kronzeuge sagt - sonst brauchte man ihn wohl nicht -, auch nachzuprüfen und entsprechend als Beweis zu sichern. Die Erfahrungen in den Vereinigten Staaten kann man mit einem Satz umschreiben: Mit ganz großer Vorsicht wird das Institut des Kronzeugen noch gehandhabt. Man ist zunehmend zurückhaltender gegenüber diesem Institut geworden, ich glaube auch, mit Recht. Es sei vielleicht noch darauf hingewiesen, daß natürlich auch das Gerechtigkeitsgefühl irgendwo tangiert ist, wenn eine Rechtsordnung die Möglichkeit gibt, daß man von Strafe freigestellt wird, wenn man einen anderen - ich sage das einmal in Anführungszeichen - „verkauft". Ganz abgesehen davon gibt es natürlich Gefahren der Gewalttätigkeit gegen Kronzeugen. Wer amerikanische Gefängnisse kennt, weiß, daß diese Kronzeugen unter besonderem Verschluß gehalten werden, weil sie keine Minute sicher sind, daß sie von irgend jemandem - selbst in den Zuchthäusern - umgebracht werden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine zweite und dritte Frage stellen! Wir haben vorgeschlagen, einen § 138 a Abs. 2 aufzunehmen. Es handelt sich dort um einen ganz einfachen Tatbestand: Der Verteidiger mißbraucht den Verkehr mit dem Beschuldigten, um Straftaten zu begehen, vorzubereiten oder zu fördern. So weit sind wir uns, glaube ich, einig. Aber die Konsequenz ziehen wir nicht, nämlich daß ein solcher Anwalt aus dem Verkehr gezogen werden muß. Es müßte eigentlich selbstverständlich sein, daß wir das tun. Dann gibt es natürlich einen zweiten Absatz - ich weiß; vielleicht stoßen Sie sich daran -, nämlich daß ein Verteidiger auch dann von der Verteidigung ausgeschlossen werden kann, wenn er zusammen mit seinem Mandanten Taten vorbereitet, die die Sicherheit einer Vollzugsanstalt gefährden. Ich höre natürlich schon den Einwand, daß es nicht adäquat sei, einen Verteidiger auszuschließen. Aber ich frage mich natürlich auch: Ist es das, was uns bewegen muß, oder ist nicht der Einwand bei weiDr. Eyrich tem gewichtiger, daß das alles mit einer sachgerechten Verteidigung nichts mehr zu tun hat und daß sich ein Anwalt, der sich in dieser Weise verhält, ganz einfach außerhalb seines Berufsstandes und damit auch außerhalb der Möglichkeit seiner weiteren Tätigkeit stellt? Schließlich und endlich zu dem, was Herr Kollege Gnädinger angeführt hat, zur Effekthascherei des § 138 b - wie er es genannt hatte -, nämlich zur Verfahrenssabotage. Es ist hochinteressant - ich möchte das noch sagen -, einmal die Debatte vom Juni 1975 darüber zu verfolgen. Lassen Sie mich versuchen, sie in ein paar Sätzen aufzuzeigen. Auf der einen Seite sagt der Herr Bundesminister der Justiz zum Problem der Verfahrenssabotage, das Merkmal der rechtswidrigen Mittel, die hier angewendet würden, sei doch wohl nicht justitiabel. Der Gedanke und das Problem - so sagte er damals - würden wohl gesehen, aber bisher sei es nicht gelungen, zu Abgrenzungen zu kommen. Stellen wir das einmal zur Diskussion und hören, was der Abgeordnete Dr. Penner in derselben Debatte zu diesem Problem gesagt hat. Er meinte, der § 138 b sei fast entbehrlich, weil jetzt schon etwas Ähnliches, nämlich die Ablehnung von Beweisanträgen zum Zwecke der Prozeßverschleppung, möglich sei. Herr Bundesjustizminister, da frage ich Sie natürlich: Wenn wir das eine in den Griff bekommen, ist es dann nicht denkbar wenn wir uns gemeinsam darum bemühen; Herr Kollege Kleinert hat damals auf die Frage auch keine Antwort gewußt , das so zu fassen, daß wir der Prozeßverschleppung und dem Mißbrauch von Rechten entgegentreten können? Herr Kleinert hat damals gesagt, „rechtswidrige Mittel" sei etwas, womit man nichts anfangen könne, weil sich der gewiefte Anwalt natürlich solcher Mittel bediene, die ihm zur Verfügung ständen. Ich habe Ihnen damals die Frage gestellt - Herr Kollege Kleinert, vielleicht können Sie das nachher mit verwenden -: Warum machen Sie dann eigentlich nicht mit, wenn wir den Vorschlag machen? Dann schreiben wir eben nicht „rechtswidrige Mittel", sondern „mit rechtsmißbräuchlichen Mitteln", nämlich wenn das zur Verfügung stehende Recht mißbraucht wird. Ich gebe zu, hier tauchen Schwierigkeiten auf. Aber, ich glaube, wir sollten uns der Mühe unterziehen, das einmal gemeinsam zu überlegen. Herr Kollege Engelhard hat gemeint, man müsse helfen, diesen Begriff neu zu fassen oder müsse einen neuen Begriff finden; man müsse das alles im Auge behalten. Aber das führt uns auf diesem Gebiet natürlich nicht weit. Ich sage es noch einmal -- ich knüpfe an das an, was ich zu Beginn gesagt habe -: Es geht in der Tat darum, den Gedanken der Verwirkung von Rechten hier mit hineinzunehmen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß sagen: Das, was wir jetzt auf den Tisch des Rechtsausschusses bekommen, sollte in der Tat sehr schnell verabschiedet werden. Es sollte in der Tat in der Solidarität der Demokraten verabschiedet werden, und es sollte in der Tat möglich sein, daß man über zwei grundsätzliche Überlegungen eine Einigung erzielt, nämlich daß einem Anwalt nicht das Recht gegeben werden kann, Straftaten jeder Art vorzubereiten, und daß ihm, wenn er dringend verdächtig ist, das zu tun, die Möglichkeit der ungestörten Unterhaltung mit seinem Mandanten genommen wird. Wenn es richtig ist, daß der Strafprozeß auch eine Frage der Generalprävention ist, kann es keine Frage sein, daß dieser Grundsatz in das Strafverfahren gehört, um die rechtsmißbräuchliche Anwendung von eingeräumten Rechten zu unterbinden. Ich glaube, das Vertrauen der Bürger in die Funktionsfähigkeit unserer Justiz wäre durch ein solches Verfahren gewährleistet. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, trotz der fortgeschrittenen Zeit haben wir offenbar noch eine zweite Runde vor uns. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Prof. Dr. Werner Maihofer (Minister:in)

Politiker ID: 11001414

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die anstehende Beratung der gesetzgeberischen Maßnahmen gegen terroristische Vereinigungen kann, wie ich meine, verantwortlich nur geführt werden im klaren Wissen um die gegenwärtige Lage und die voraussichtliche Entwicklung auf dem Felde des Terrorismus und um die besonderen Probleme, vor die Polizei und Justiz bei seiner Bekämpfung in einem freiheitlichen Rechtsstaat gestellt sind. Zunächst: Wie ist die gegenwärtige Lage auf dem Felde des Terrorismus? Nach der Ermordung des Berliner Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann am 10. November 1974, zu der sich „Die Bewegung 2. Juni" bekannte, wurden für das Jahr 1975 verstärkte terroristische Aktivitäten erwartet. Diese setzten am 27. Februar 1975, unmittelbar vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, mit der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz ein und setzten sich, knapp zwei Monate später, am 24. April 1975, mit dem Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm fort, wobei zwei Botschaftsangehörige erschossen wurden. Auch ein Terrorist kam dabei ums Leben; ein weiterer starb später an den Folgen der Verletzungen, die er durch vermutlich vorzeitige Detonation der von ihm selbst gelegten Sprengsätze erlitten hatte. Etwa zur gleichen Zeit meldete sich eine sogenannte „Revolutionäre Zelle" mit Sprengstoffanschlägen am 4. März 1975 auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sowie am 29. und 30. April 1975 auf die Gebäude der Ausländerpolizei in Berlin und der Industrie- und Handelskammern in Ludwigshafen und Mainz. Diesem hier kurz umschriebenen Wiederaufleben terroristischer Aktivitäten begegnete die Innenministerkonferenz mit ihren Beschlüssen vom 11. April 1975 durch verstärkte Bekämpfungsmaßnahmen der Polizeien in Bund und Ländern, die dem Bundeskriminalamt nicht nur bei der zentralen Steuerung der Information, sondern auch bei den Operationen gegen den Terrorismus umfangreiche zusätzliche Aufgaben zuwiesen, was zur entsprechenden Einrichtung einer Abteilung Terrorismus im Bundeskriminalamt führte. Ziel der von Bund und Ländern damit verfolgten Bekämpfungsstrategie sind: die weitestmögliche Verhinderung weiterer Terroraktionen, die beschleunigte Aufklärung erfolgter Terrorakte und die verstärkte Fahndung nach gesuchten Terroristen, um sie dem ordentlichen gerichtlichen Verfahren zuzuführen. Ein zwischen den Polizeien von Bund und Ländern koordiniertes System der Informationssammlung und -auswertung sowie der Fahndungs- und Ermittlungssteuerung ermöglicht es: die Informations- und Befehlswege der Terroristen zu stören, ein Bewegungsbild der terroristischen Szene zu zeichnen, so personelle und organisatorische Zusammenhänge in einem Umfang, wie dies bisher nicht möglich war, aufzudecken; aber auch die für Terroristen unverzichtbaren Beschaffungsaktionen für Geld, Kraftfahrzeuge, Ausweise, Wohnungen und Stützpunkte schnell zu erkennen und so Schwerpunkte für die Fahndungs- und Ermittlungsarbeit zu setzen. Durch aufopferungsvollen, unermüdlichen Einsatz der Polizeiorgane in Bund und Ländern konnten allein im Jahre 1975 139 politisch motivierte Gewalttäter festgenommen werden - gegenwärtig befinden sich noch 97 Personen in Untersuchungsoder Strafhaft, die politisch motivierter Gewalttaten verdächtig oder wegen solcher Taten verurteilt sind -, die Entführung von Lorenz aufgeklärt und der größte Teil der Tatbeteiligten festgenommen werden, die polizeilichen Ermittlungen gegen die am Überfall auf die Deutsche Botschaft in Stockholm beteiligten Terroristen abgeschlossen werden und mehrere im Aufbau befindlichen Gruppen entdeckt und einem gerichtlichen Verfahren zugeführt werden, bevor sie terroristisch aktiv werden konnten. Die Erfolge bei der Bekämpfung des Terrorismus durch die Polizeien von Bund und Ländern waren 1975 ermutigend. Sie sind dem selbstlosen Einsatz vieler namenloser Polizeibeamter bei Tag und Nacht zu danken, die in der Stille ihre Pflicht und mehr als ihre Pflicht getan haben. ({0}) Daran sollten wir bei der heute gedankenlos nachgeredeten Beamtenschelte - wenn ich auch dies hier offen sagen darf - gelegentlich auch einmal denken! Sie sind nicht zuletzt aber auch der zunehmenden Mitwirkung unserer Bürger an diesem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus zu danken, der unser aller Sache ist. Diese erkennbaren Erfolge bei der Bekämpfung des Terrorismus im vergangenen Jahr haben nach dem Urteil der Fachleute zu einer erheblichen Schwächung der terroristischen Organisationen in unserem Lande geführt. Dennoch gibt es keinen Grund für die Annahme, daß die politisch motivierten Gewalttäter in unserem Lande den „bewaffneten Kampf", wie sie es nennen, aufgegeben hätten oder in absehbarer Zeit aufgeben würden. Im Gegenteil! Im Jahre 1975 auch das muß hier klar gesagt werden - sind immerhin 198 Brand- und Sprengstoffanschläge registriert worden, die überwiegend der Terroristenszene zugerechnet werden müssen. Die Entdeckung bisher unbekannter Gruppierungen und teilweise unbekannter Mitglieder deutet auf umfangreiche Aufbauarbeiten an der logistischen Basis und auf ein personelles Reservoir erheblichen Umfangs hin. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die zahlreichen Straftaten hinzuweisen, welche offenkundig der Verbesserung der Logistik des Terrorismus dienen sollen. Gerade in jüngster Zeit hat es in vermehrtem Maß Einbrüche in Verwaltungsgebäude zur Beschaffung von Blankoausweisen, Angriffe auf Sprengstoffbunker und Waffendiebstähle sowie Überfälle auf Geldinstitute gegeben. ({1}) In ihrer Druckschrift „Revolutionärer Zorn", Ausgabe Mai 1975, beantworte die sogenannte ,,Revolutionäre Zelle" die selbstgestellte Frage „Stockholm, wie geht es weiter?" unter anderem mit der Feststellung - ich zitiere -: Klar ist, daß jetzt ein anderer Druck erzeugt werden muß, um unsere Genossen rauszuholen. Die Entwicklung zur Guerilla also als Massenperspektive geht nicht von heute auf morgen, doch deshalb ist sie nicht falsch. Klarer kann man das nicht sagen. Nicht nur aus dieser Schrift wird erkennbar, daß mit weiteren terroristischen Aktionen gerechnet werden muß. Noch werden 23 gefährliche Terroristen, gegen die Haftbefehl ergangen ist, gesucht. Ebenso sind terroristische Aktivitäten wechselnder Gruppierungen, wie sie etwa in Stockholm neu auftraten, auch in Zukunft nicht auszuschließen. Besondere Beachtung verdient das ist in den bisherigen Beiträgen schon mehrfach berührt worden die zunehmende Internationalisierung des Terrorismus. Neben der Anzahl der Anschläge ist dabei deren Brutalität alarmierend. In erschreckender Menschenverachtung haben Terroristen jüngst in den Niederlanden, 'in Wien und zuletzt in New York auf dem La Guardia-Flugplatz gemordet. Dabei wurde, abgesehen von dem isoliert zu sehenden Fall der Südmolukker in den Niederlanden die Internrationalisierung sowohl in der Zusammensetzung der agierenden Terrorgruppen als auch in deren Zielsetzung deutlich. Während sich deutsche Terroristen in früheren Jahren darauf beschränkten das läßt sich aus allen Unterlagen nachweisen -, theoretische Grundlagen für die internationale Zusammenarbeit mit ausländischen Gruppen zu erarbeiten und Ausbildung, Unterbringung sowie beschränkte Logistikhilfen in Anspruch zu nehmen oder zu gewähren, wurde 1975 erstmals eine Beteiligung deutscher Täter an internationalen terroristischen Aktionen nachgewiesen. So wird ein Deutscher verdächtigt, im Januar 1975 an einer terroristischen Aktion des Venezolaners Iljitsch Ramirez-Sanchez, genannt „Carlos", gegen ein israelisches Objekt auf französischem Territorium für eine palästinensische Gruppe beteiligt gewesen zu sein. Ein weiterer Deutscher wurde im Mai 1975 von dem gleichen „Carlos" angeworben und mit falschen Ausweispapieren versorgt. In Depots des „Carlos" im Ausland wurden Einsatzmittel aus Beständen deutscher Terroristen gefunden, die zum Teil aus Waffen- und Munitionslagern der Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland entwendet worden waren. Schließlich gehörte zu der international zusammengesetzten Terroristengruppe, die den Überfall auf das OPEC-Gebäude in Wien am 21. Dezember 1975 ausgeführt und drei Menschen getötet hat, mindestens ein Deutscher. Eine Analyse dieser Aktionen - ich glaube, das ist zum Auftakt einer Parlamentsdebatte und der Ausschußberatungen über dieses Thema wichtig - führt zu dem Schluß, daß deutsche Terroristen in diesen Fällen personelle und logistische Vorleistungen für internationale Terroraktionen erbracht haben, um sich auf diese Weise - das ist jedenfalls das Urteil der Fachleute - internationale Unterstützung für geplante eigene Aktionen in der Zukunft zu sichern. Anders ist das alles gar nicht erklärbar; das macht sonst gar keinen Vers. Dieser erkennbar werdenden Internationalisierung des Terrorismus kann nur durch eine entsprechende Internationalisierung der Bekämpfung des Terrorismus erfolgreich begegnet werden. Sie muß im Bereich der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit auf drei Ebenen erfolgen - auch hierin stimmen wir im Grundsätzlichen glücklicherweise ja überein -: einmal durch Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern. Hierzu habe ich schon im vergangenen Jahr mit meinem französischen Kollegen Poniatowski weitreichende Vereinbarungen getroffen, die in der Kriminalpolizeigeschichte ohne Beispiel sind. Über eine entsprechende Verstärkung der Zusammenarbeit auch mit Großbritannien werde ich in der kommenden Woche mit meinem britischen Kollegen Jenkins verhandeln. Die hier getroffenen bilateralen Absprachen sollen auf der für Mitte dieses Jahres angestrebten europäischen Innenministerkonferenz in eine multilaterale Regelung für die polizeiliche Zusammenarbeit der EG-Staaten insgesamt bei der gemeinsamen Bekämpfung des international organisierten Terrorismus übertragen werden. Diese Vereinbarung europäischer Staaten zur Zusammenarbeit nicht nur bei der wechselseitigen polizeilichen Information, sondern - das ist das Entscheidende - auch der polizeilichen Operationen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, muß mit einer Ächtung terroristischer Aktivitäten, gleich welchen Vorzeichens, verbunden werden, die es, wie ich meine, zum Verhaltenskodex jeder zivilisierten Nation erklärt, internationale Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus zu üben. Dies unterscheidet wie nichts sonst einen Staat von einer Räuberbande. Eine solche europäische Konvention, die durch entsprechende Vereinbarungen auch der Justizminister für den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit ergänzt wird, über die Herr Kollege Vogel berichtet hat, kann ihrerseits auf dieser zweiten Ebene Ausgangspunkt für die auf der dritten Ebene der internationalen Institutionen zu erreichende weltweite Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorakten werden. Hierzu hat der Bundesaußenminister, Herr Kollege Genscher, eine politische Initiative der Bundesregierung unternommen, deren nächstes Ziel es ist, die Behandlung dieser Frage auf der 31. Generalversammlung der Vereinten Nationen noch in diesem Jahr zu erreichen. Damit sollen die seit 1973 steckengebliebenen Bemühungen um den Abschluß einer internationalen Konvention gegen den Terrorismus neu belebt werden. Zur Zeit klärt die Bundesregierung in Kontakten mit einer Vielzahl anderer Regierungen in allen Teilen der Welt, ob und wie für eine solche Initiative eine Mehrheit in den Vereinten Nationen erreicht werden kann. Die Bundesregierung bemüht sich zugleich um Unterstützung dieser Initiative durch die Regierungen der Europäischen Gemeinschaft. Aus diesem Grunde wird auf Antrag des Bundesaußenministers diese Frage bei dem Ministertreffen am 23./24. Februar 1976 in Luxemburg im Rahmen der europäischen politischen Zusammenarbeit behandelt werden. Mit allen diesen Maßnahmen auf den verschiedenen zwischenstaatlichen und überstaatlichen Ebenen wird sich auch unser eigener Erfolg bei der Bekämpfung des international organisierten und operierenden Terrorismus durch den konzentrierten und konsequenten Einsatz der Sicherheitsorgane von Bund und Ländern noch weiter steigern lassen. Auch hier muß jedoch offen gesagt werden, was ich schon früher feststellte, um vorschnellen Illusionen zu begegnen: Der Terrorismus wird uns auch und gerade wegen seiner Internationalisierung selbst bei äußersten Anstrengungen auf allen diesen Ebenen noch auf Jahre beschäftigen. Darauf müssen wir uns nüchtern und ebenso entschlossen wie besonnen einstellen und einrichten, getreu dem alten Grundsatz: Mit dem Schlimmsten rechnen und das Äußerste dagegen unternehmen! Dem dienen auch die gesetzgeberischen Maßnahmen, die heute im Parlament erneut zur Debatte stehen. Sie sind die juristische Antwort auf die besonderen Probleme einer erfolgreichen Bekämpfung des international organisierten und konspirativ operierenden Terrorismus von heute. Ein freiheitlicher Staat westlicher Prägung hat dabei grundsätzlich drei Möglichkeiten, mit der Bedrohung seiner Bürger durch terroristische Aktivitäten fertig zu werden. Er hat einmal die Möglichkeit, von der etwa Kanada, aber auch England beim Kampf gegen ihren separatistischen Terrorismus Gebrauch gemacht haben: ihm als bürgerkriegsähnliche Erscheinung mit kriegsrechtlichen Maßnahmen, selbst unter Einsatz von Militär, zu begegnen. Das ist dort ja geschehen, kann aber nur in so außergewöhnlichen Lagen wie damals in Kanada und heute in England in Betracht kommen. In einer Lage wie der unseren ist dafür keinerlei Anlaß und Anhalt. Zum anderen hat ein freiheitlicher Staat die Möglichkeit, sein auch gegen alle anderen kriminellen Aktivitäten geschaffenes allgemeines Strafrecht zugleich gegen terroristische Organisationen anzuwenden. Das birgt die Gefahr in sich, daß bei der entsprechenden Verschärfung des allgemeinen Strafrechts und des Strafprozeßrechts zur wirksamen Meisterung der besonderen Probleme bei der Bekämpfung terroristischer Organisationen hierdurch Regelungen in unser Recht hineingetragen werden, die zwar für den Bereich des Terrorismus unerläßlich, für die übrigen Bereiche der Kriminalität jedoch überzogen sind. Das, meine ich, ist das eigentliche juristische Problem. ({2}) Will man eine solche Ausuferung unseres Rechts vermeiden, so verbleibt nur die dritte Möglichkeit: die für die Bekämpfung terroristischer Organisationen notwendigen Regelungen ausschließlich auf diesen Anwendungsbereich zu beschränken und durch möglichst eng begrenzte und streng umschriebene spezielle Normen für terroristische Organisationen sicherzustellen. Eben das geschieht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, dessen Bezugspunkt und Kernstück der neu geschaffene Straftatbestand der terroristischen Vereinigung ({3}) ist, auf den sich alle anderen strafrechtlichen wie strafprozeßrechtlichen Vorschriften beziehen, von der Sonderregelung - von meiner Seite nach wie vor so genannt - für tätige Reue, dem sogenannten Kronzeugen-Privileg, bis hin zu den Regelungen im Zusammenhang mit der Verteidigerüberwachung, die ausschließlich bei terroristischen Organisationen anwendbar sein sollen. Das klingt alles selbstverständlich und ist es doch nicht, noch nicht einmal beim internationalen Überblick über die Rechte anderer Nationen. Diese speziellen Normen sind sämtlich Antworten, wie ich meine, auf spezifische Probleme, die sich nur bei der wirksamen Bekämpfung terroristischer Organisationen stellen, in denen, um nur eines davon hier zu umschreiben, auf der einen Seite ein Teil der bisherigen Terroristen hinter Gittern in Untersuchungsoder Strafhaft sitzt, auf der anderen Seite der andere Teil der Terroristen draußen in Freiheit im Untergrund, wie es heißt, „weiterkämpft"; nicht zuletzt mit dem Ziel, die bisher inhaftierten Terroristen durch neue terroristische Aktionen zu befreien. So einfach ist der Grundsachverhalt. Es ist eben ein anderer als bei irgendeiner anderen auch kriminellen Vereinigung, und zwar mit all den besonderen Gefahren des Zusammenspiels von Terroristen drinnen und draußen bei der Planung und Steuerung solcher Terroraktionen bis hin zur eigenen Selbstbefreiung. Diesem wie anderen spezifischen Problemen bei der polizeilichen wie justiziellen Bekämpfung terroristischer Organisationen, zunehmend verschärft noch durch ihr Zusammenspiel auf der internationalen Szene, können wir, wie ich meine, nur durch entsprechende spezielle Normen begegnen. Dies will ich abschließend beispielhaft für das spezifische Problem der Verteidigerüberwachung, im besonderen der Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs, deutlich machen. Es gilt für alle anderen Probleme ebenfalls. Dabei stellt sich in einem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem wir den hier in der Sache liegenden Konflikt der Prinzipien der Freiheitsverbürgung für jeden einzelnen und zugleich der Sicherheitsgewährung für alle Bürger austragen müssen, die Frage für den Gesetzgeber jeweils dahin, daß derjenige die zwingende Notwendigkeit eines Gesetzes dartun muß, der eine Freiheitseinschränkung zugunsten der Sicherheit der anderen vornehmen will. Steht doch der freiheitliche Rechtsstaat, jedenfalls für einen Liberalen, unter dem doppelten Grundsatz: So viel Freiheit wie möglich, aber auch: So viel Sicherheit wie nötig! Das im buchstäblichsten Sinne, allerdings nicht umgekehrt. Das heißt, daß auch in Hinsicht auf Freiheitseinschränkungen bei der Verteidigerüberwachung sorgfältig geprüft werden muß, ob eine solche zwingende Notwendigkeit besteht und welche Regelungen sie unerläßlich fordert. Wie steht es damit bei der von Regierung und Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs. Ich beschränke mich wegen der vorgerückten Zeit auf einige grundsätzliche Bemerkungen. Das uns vorliegende Material beweist den eindeutigen und vielfältigen Mißbrauch von Zellenzirkularen und Rundbriefen durch Rechtsanwälte unter dem Deckmantel der Verteidigerpost. Er ging bis zur Einrichtung einer mit mehreren Personen betriebenen sogenannten Informationszentrale im Büro eines Hamburger Rechtsanwalts. In dieser Informationszentrale wurden die von den Gefangenen in den Zellen vorbereiteten Zirkulare umgeschrieben, vervielfältigt und über die einzelnen Anwaltsbüros der Verteidiger nach einem ausgeklügelten System, förmlich als „Verteidigerpost" getarnt, allen Häftlingen der sogenannten „Rote-Armee-Fraktion" zugeleitet. Berge von Material! Zu dieser gezielten Verwendung der Verteidigerpost durch die Gefangenen heißt es in einem bei Bernhard Braun gefundenen Zellenzirkular mit dem Datum vom 8. Juni 1973 - ich zitiere -: Die Frage, ob konkretes Material an gezielte Stellen, muß endgültig entschieden werden und gegebenenfalls delegiert werden. Wir müssen einen genauen Verteilerplan aufstellen für die Zirkulare, damit jeder, der sie kriegen soll, sie auch kriegt und die, die sie nicht kriegen sollen, sie nicht kriegen. Kann nicht den Anwälten überlassen werden. Post-Disziplin bei uns und bei den Anwälten. Minimale Forderungen: Umtippen, geeignete Umschläge, am besten doppelt, fest verschließen ({4}), ausreichend beschriften ({5}). Ein weiteres Schriftstück - es ist nur eines unter vielen - vom 16. Juni 1973, das von einem der damals verteidigenden Rechtsanwälte stammt, an alle Gefangenen gerichtet ist und ausdrücklich den Vermerk „Verteidigerpost" trägt, enthält im Zusammenhang mit dem Plan für die Errichtung dieser Infozentrale folgende bemerkenswerte Sätze - ich zitiere -: Meins hat dazu wesentlichen Punkt angefügt. Nämlich, daß es Leute gibt, die auf kaum was schärfer sind, als irgendwo sauber gesammelt und entwickelt die Theorie und Anleitung zur Praxis eines konsequenten Kampfes gegen den bestehenden Macht- und Gewaltapparat zu finden. Dieser Punkt muß unbedingt berücksichtigt werden. Ablichtungen des Schreibens wurden in den Zellen von Ensslin, Meins, Möller, Meinhof und Braun gefunden. Aus diesen und vielen anderen Materialien, über die in den zuständigen Ausschüssen dieses Hohen Hauses im einzelnen zu reden sein wird, ergibt sich für mich buchstäblich die zwingende Notwendigkeit einer auf terroristische Organisationen beschränkten Regelung der Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs, jedenfalls bei erkennbarer Gefahr des Mißbrauchs, was ebenso auch für den vielfältig nachweisbaren Austausch von Kassibern beim mündlichen Verteidigerverkehr zutrifft. Ich halte es im übrigen für bedenkenswert - ich knüpfe an das an, was Sie, Herr Eyrich, soeben gesagt haben -, daß keiner unserer westlichen Nachbarstaaten einen rechtsstaatlichen Makel darin sieht, die Möglichkeit der Verteidigerüberwachung dort, wo sie zwingend geboten ist, zu nutzen. Die Schweiz und Holland haben umfassende Überwachungsregelungen, sogar für die Fälle der bloßen Behinderung der Wahrheitsfindung, wie Sie zu Recht festgestellt haben. In Großbritannien - wir haben dies an Ort und Stelle nachgeprüft - gibt es überhaupt nur mündlichen Verkehr des inhaftierten Beschuldigten mit seinem Verteidiger unter optischer Aufsicht eines Gefängnisbeamten; Kassiber gibt es da nicht. Weitere Einschränkungen sind je nach Lage der Dinge möglich. In Schweden gar hat nur ein öffentlich bestellter Verteidiger uneingeschränkten Verkehr mit den Beschuldigten. Außerdem würde beim Verdacht des strafbaren Zusammenwirkens niemals der vom Angeklagten gewünschte, sondern der vom Gericht bestellte Verteidiger beigegeben werden. Ich meine, auch diese Regelungen von Staaten, deren Rechtsstaatlichkeit außer Frage steht - im übrigen nicht nur Regelungen für die Fälle des Terrorismus, sondern für die der Kriminalität überhaupt -, sollten wir sorgfältig mitbedenken. So müssen wir Punkt für Punkt der vorliegenden Novelle in den Ausschüssen unter Einbringung aller belegbaren Fakten, auch der vertraulichen, erörtern. Sie werden sich dann selbst davon, wie ich meine, durch eigenen Augenschein überzeugen, inwiefern und inwieweit die von Regierung und Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen gegen terroristische Aktionen für jeden rechtsstaatlich Denkenden zwar bittere Notwendigkeit, aber doch Notwendigkeit sind. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Vogel ({0}).

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, daß ich auch mit einiger Befangenheit hier noch an das Rednerpult gegangen bin ({0}) - ja, Herr Kollege Wehner, das trauen Sie mir nicht zu, aber es ist wirklich so -, ({1}) weil ich natürlich weiß, wie sehr die Kolleginnen und Kollegen darauf warten, daß wir zum Abschluß der Sitzung kommen. Was den Ablauf der heutigen Debatte angeht -das muß ich leider sagen -, so haben wir in ihrem Verlauf gesehen, wie wenig wir in diesen Parlamentsdebatten auf Rede und Widerrede, auf Austausch der Meinungen angelegt sind. Ich bin jetzt bei den Tagesordnungspunkten, die den Bereich der inneren Sicherheit angehen, der dritte Redner meiner Fraktion. Es haben acht Redner der Koalition und der Bundesregierung vorher geredet, und das hat natürlich die parlamentarische Auseinandersetzung leider ein bißchen beeinträchtigt. Ich bin aber - das möchte ich sagen - dem Herrn Bundesinnenminister sehr dankbar für die eindrucksvolle Schilderung der inneren Sicherheitslage und der bestehenden Gefährdung der inneren Sicherheit. Ich bin auch sehr dankbar dafür, daß Ausführungen gemacht wurden, die, wenn sie durchgehalten werden, es ermöglichen sollten, in einigen der hier anstehenden Fragen doch zu einem höheren Maß an Übereinstimmung zu kommen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Sie haben den Satz geprägt: „Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen und das Äußerste dagegen unternehmen." In diesem Zusammenhang müßte man natürlich einmal kritisch fragen, ob sich die Mehrheit dieses Hauses und die Bundesregierung in der Vergangenheit danach gerichtet haben, ob wir eine Reihe der Themen heute nicht mehr auf der Tagesordnung hätten, wenn sich Bundesregierung und Mehrheit im Parlament in der Vergangenheit danach gerichtet hätten. Sie machten einen interessanten Vorschlag, den wir neulich auch in Bitburg erörtern konnten, nämlich daß man sich überlegen sollte, ob man nicht Regelungen schafft, die ausschließlich für terroristische Organisationen gelten. Der Anknüpfungspunkt dafür soll der neugeschaffene § 129 a des Strafgesetzbuches sein. Ich halte das für einen überlegenswerten Gedanken, möchte jedoch Zweifel anmelden, ob sich das durchhalten läßt, ob wir hier nicht auf Abgrenzungsprobleme stoßen, die wir nicht lösen können. Sie haben das Problem der Verteidigerüberwachung angesprochen. Es hat sich eigentlich deutlich an dem, was Sie dazu ausgeführt haben - auch im internationalen Vergleich -, gezeigt, daß wir hier in bezug auf das Problem der Verteidigerüberwachung mit Regelungen nicht hinkommen, die nur beschränkt auf den Bereich der terroristischen Organisationen wirken. Nach dem, was Sie ausgeführt haben, frage ich mich im übrigen, warum die Bun14758 Vogel ({2}) desregierung dann so zurückhaltend in dem Entwurf ist, den sie uns zu dieser Problematik vorgelegt hat. Sie wissen ganz genau, welchen Entwicklungsprozeß er genommen hat und welche inneren Schwierigkeiten sich im Zusammenhang mit diesen Fragen aus der Koalition heraus immer wieder ergaben. Ich darf auch noch einmal auf das zurückkommen, was wir in Bitburg erörtern durften. Sie haben heute für die Bewältigung des Spannungsverhältnisses Freiheit/Sicherheit erneut Bezug genommen auf den Grundsatz „in dubio pro libertate", wenn ich es so verkürzt sagen darf. Wir haben den Bundesjustizminister gehört, der sagte, die Alternative Freiheit/ Sicherheit sei eine falsche Alternative. Ich möchte das sehr wohl unterstreichen und noch einmal sagen: Ich glaube nicht, daß dieser Grundsatz „in dubio pro libertate" auch nur irgendwo bei den Fragen, mit denen wir es zu tun haben, hilfreich sein kann; denn Sie können doch die Grenze je nach Situation unterschiedlich verschieben. Es geht vielmehr darum, daß wir in jeder konkreten Situation - und auf sie ausgerichtet - ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit auf der einen Seite und dem natürlich unabweisbar in unserer Verfassung niedergelegten Bedürfnis nach Freiheit auf der anderen Seite herstellen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn wir manches Mal in der Vergangenheit den Gesichtspunkten der Sicherheit mehr Rechnung getragen hätten, wären uns die Probleme, die sich uns in ihrer extremen Fragestellung jetzt bieten, hier und da erspart geblieben. ({3}) Wir sollten dafür Sorge tragen, daß es keine extremen Pendelschläge mal zur einen Seite, mal zur anderen Seite gibt, sondern daß wir irgendwie den Weg finden, daß sich das Pendel vernünftig in der Mitte einstellt. Die einen werfen den anderen vor: „Ihr wollt feste druff!", die anderen sagen: „Ihr seid zu lasch!" Das ist in der Tat das Thema der Auseinandersetzung, mit dem wir es hier zu tun haben. Ich hätte sehr gern einiges zu dem gesagt, was der Herr Kollege Lattmann hier ausgeführt hat, und zwar in bezug auf einen ganz bestimmten Satz, auf den auch der Herr Bundesminister der Justiz eingegangen ist: „Der Staat, in dem wir leben, ist noch lange nicht die Demokratie, die das Grundgesetz will." Das ist ein Satz, über den man sehr wahrscheinlich noch sehr viel und sehr lange nachdenken muß, weil sich dahinter eine ganze Menge verbirgt. Ich will das nur ganz kurz andeuten. Herr Kollege Lattmann, der leider nicht mehr hier ist, hatte sich eingangs darauf berufen, er sei ein kritischer Sozialdemokrat. Ich hatte zunächst angenommen, dies sei so zu verstehen, daß er kritisch gegenüber der Sozialdemokratie sei. Dafür hätte ich natürlich auch volles Verständnis gehabt. Aber offenbar hat er es anders verstanden. Es ist ein neuer Begriff gegenüber demjenigen, den wir schon kennen, dem Begriff des „kritischen Demokraten". Ich weiß jetzt nicht, ob es vom kritischen Demokraten zum kritischen Sozialdemokraten eine Steigerung ist oder ob das eventuell ein Aliud ist. Dem wäre nachzugehen. Aber ich meine, dahinter steckt etwas, was ich im Hinblick auf die Auseinandersetzung, in der wir uns befinden, für gefährlich halte. Natürlich habe ich an das Godesberger Programm und an jenen Satz gedacht, daß die Demokratie erst durch den Sozialismus erfüllt werde. ({4}) - Herr Kollege Wehner, ich kenne erstens den Satz, wie er im Godesberger Programm steht, ({5}) ich kenne zweitens die Interpretation, die der frühere Bundeskanzler, Ihr Parteivorsitzender, dazu gegeben hat, und ich kenne drittens die Interpretation, die z. B. der österreichische Bundeskanzler dazu gegeben hat. ({6}) - Ja, Herr Kollege Wehner, dennoch bleibe ich dabei, daß dahinter natürlich etwas steckt, was ich als so etwas wie eine demokratische Alleinvertretungsanmaßung bezeichnen möchte. ({7}) - Dann streichen wir das „erst"! ({8}) - Dann bleibt aber noch eine Menge übrig. ({9}) - Ja: Demokratie wird erfüllt durch Sozialismus. ({10}) : Aber durch das „erst" wollen Sie dem eine Bedeutung geben, die dem nicht zukommt!) - Herr Kollege Wehner, dennoch bleibe ich dabei, daß das die Auseinandersetzung in ganz erheblichem Maße belastet. ({11}) Wir merken das auch ständig in der Praxis der Auseinandersetzung, Herr Kollege Wehner. ({12}) - Das finde ich auch sehr liebenswert von Ihnen, daß Sie für eine gute Diskussionsgrundlage sorgen wollten. Ich halte es im übrigen auch für richtig, daß man sich immer an den exakten Texten orientiert. ({13}) Dem stimme ich durchaus zu. Aber hier bleibt dieses Problem dennoch. Hier haben wir es natürlich mit der Frage nach einem formalen Demokratiebegriff und der Frage nach einem materialen Demokratiebegriff sowie damit Vogel ({14}) zu tun, was man mit einem materialen Demokratiebegriff machen kann. Hier gibt es nun die Erscheinung, daß sich eine militante Linke bei uns dieses Begriffes bemächtigt hat und daß diese militante Linke in ihrer Zusammensetzung nicht mehr mit dem übereinstimmt, was ich das „demokratische Spektrum" in der Bundesrepublik Deutschland nennen möchte, sondern daß es hier eben Überlappungen gibt. Ich habe das einmal als einen „unzulässigen Grenzverkehr" zwischen dem noch demokratischen Teil der Linken und dem nicht mehr demokratischen, sondern demokratiefeindlichen Teil der Linken bezeichnet. Genau dieser Teil bemächtigt sich in der gleichen militanten Weise dieses materialen Demokratiebegriffs. Von daher rühren eine Fülle der Schwierigkeiten auch in der Auseinandersetzung hier unter uns. Darüber hätte ich gern mit dem Kollegen Lattmann gesprochen, dem ich - das muß ich Ihnen sagen - sehr viel mehr von dem, was er hier gesagt hat, abgenommen hätte, wenn er dann auch bereit gewesen wäre, die Konsequenz daraus zu ziehen. Aber das ist jedermanns persönliche Sache. Lassen Sie mich auf drei Punkte, zu denen ich etwas sagen möchte, ganz kurz zu sprechen kommen. Herr Minister Maihofer, Sie haben einige Ausführungen über die Art und Weise gemacht, wie wir die Probleme des Terrorismus angehen sollen. Das, was mich belastet, ist, daß nicht einmal diese Bundesregierung in der Lage ist, eine Linie zu finden und diese Linie durchzuhalten. Hier ist verschiedentlich über, nun, ich würde sagen, die verschiedenen Haken gesprochen worden, die der Bundesjustizminister unter dem Druck der Kollegen der Koalition schlagen mußte. Viel schlimmer finde ich aber, daß diese Bundesregierung Gesetzentwürfe einstimmig verabschiedet und daß, kaum, daß sie verabschiedet sind: einzelne Mitglieder dieser Bundesregierung schon in irgendwelchen anderen Gremien sitzen, um Formulierungen zu erarbeiten, die genau das Gegenteil von dem beinhalten, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, oder die jedenfalls ganz andere Lösungen beinhalten, als sie die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Wir haben heute das 13. Strafrechtsänderungsgesetz mit dem § 130 a verabschiedet. Beim § 130 a haben wir sehen müssen, daß der Herr Bundesinnenminister, nachdem die Bundesregierung unter maßgeblicher Beteiligung des Bundesinnenministers diesen Gesetzentwurf beschlossen und eingebracht hatte, in einem anderen Gremium an Formulierungen mitgewirkt hat, die Eingang in das gefunden haben, was heute verabschiedet worden ist. Es hat ja auch mit Bezug auf den Entwurf der Bundesregierung, den wir heute behandeln, Auseinandersetzungen zwischen dem Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister des Innern über die Frage gegeben, ob denn der Bundesinnenminister zu dem stehe, was die Bundesregierung verabschiedet habe, oder ob der Bundesinnenminister, auf dessen Initiative teilweise diese Gesetzentwürfe zustande gekommen sein sollen, hier einen anderen Kurs vertrete. Das ist eine Frage, von der ich meine, daß sie ganz wichtig ist, weil die Bundesregierung eine Führungsaufgabe in diesen Fragen hat und weil natürlich Klarheit innerhalb der Bundesregierung in diesen Fragen für die Öffentlichkeit und, wie ich meine, auch für das Parlament wichtig wäre. Eine zweite Frage, die ich ansprechen möchte. Sie haben auf die Internationalisierung der Bekämpfung des Terrorismus hingewiesen. Ich halte das in der Tat für einen ganz wichtigen Bereich, obwohl wir uns nicht damit entschuldigen dürfen, daß es da, wo Maßnahmen unterlassen werden, ja eine internationale Erscheinung sei. Sie wissen, daß nicht alles auf die Internationalisierung abgeschoben werden kann. Daß man sich um Konventionen bemüht, halte ich für richtig. Wie schwierig das ist und wieweit das in der Praxis führt, wissen wir auch. Wir kennen die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben. Hier geht es für mich aber um einen ganz besonderen Komplex, nämlich die Frage, wieso wir eigentlich zusehen, wie Terroristen, gegenüber denen wir einen Strafanspruch haben, in bestimmten Gegenden dieser Welt ihren Unterschlupf finden, ohne daß sich die Bundesregierung genötigt sieht, bei den Regierungen dieser Staaten die Auslieferung dieser Terroristen zu verlangen. Wir haben das zuletzt im Falle des Terroristen Klein gehabt, als er in Algerien war. Ich glaube, daß der Hinweis darauf, mit Algerien gebe es kein Auslieferungsabkommen, doch nichts anderes als ein Vorwand ist. Wir haben das Problem im Falle des Südjemen bei den Terroristen gehabt, die wir im Zusammenhang mit der Lorenz-Entführung nach Südjemen ausfliegen lassen mußten. Hier lautet die Begründung nicht: „Da haben wir keinen Auslieferungsvertrag", sondern hier lautet die Begründung: „Hier besteht die Gefahr der Rache." Wir haben dieses Problem bereits im Zusammenhang mit dem Massaker von München und der gewaltsamen Entführung der dort inhaftierten gehabt, als diese in Libyen Unterschlupf fanden. Die Frage, die wir zu stellen haben, ist die, ob wir uns nicht mitschuldig machen, wenn wir uns hier von Angst oder welchen Erwägungen immer abhalten lassen, und ob es nicht notwendig ist, gerade weil es sich um bestimmte Staaten in einer bestimmten Gegend dieser Welt handelt, sehr deutlich zu machen, daß wir das Verhalten dieser Staaten mißbilligen und auch eine Belastung der Beziehungen in Kauf nehmen, wenn einem Auslieferungsersuchen nicht stattgegeben wird. Ich halte das für einen sehr, sehr ernsten Punkt. Er ist für mich so ernst, daß damit für mich die Frage nach der moralischen Kompetenz der Bundesregierung in diesen Fragen aufgeworfen wird. Wir haben ja alle noch im Ohr, was der damalige Bundespräsident Heinemann im Olympiastadion sehr eindrucksvoll gesagt hat - ich möchte es zitieren -: Wer sind die Schuldigen dieser Untat? Im Vordergrund ist es eine verbrecherische Organisation, die da glaubt, daß Haß und Mord Mittel des politischen Kampfes sein können. Verantwortung tragen aber auch jene Länder, die diese Menschen nicht an ihrem Tun hindern. Ich habe drei Länder genannt, in denen Terroristen ungehindert Unterschlupf finden können, in denen Vogel ({15}) sie Hilfe finden können, ohne daß von unserer Seite auch nur der Versuch gemacht wird, die Auslieferung der dort Untergeschlüpften zu verlangen. Ich halte dies für ein ernstes Problem. Lassen Sie mich kurz auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen. Ich habe in der Debatte am 12. Juni des vorigen Jahres gesagt: Die innere Stabilität und damit die innere Sicherheit sind mehr, als wir ertragen können, gefährdet durch eine geistig-politische Labilität, die sich der Werte dessen, was unsere freiheitliche Demokratie ausmacht, nicht mehr klar genug bewußt ist. Ich möchte hier nur ganz kurz ein neues Beispiel dieser geistig-politischen Labilität ansprechen, weil es uns in einem anderen Themenbereich sehr stark beschäftigt. Ich beziehe mich auf das, was ich über eine Diskussion im Regionalfernsehen des Norddeutschen Rundfunks gelesen habe, an der unter anderem der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Posser, beteiligt gewesen ist. Ich möchte Ihnen zwei Stellen, die bei mir Anstoß erregt haben, hier nennen. Die erste Stelle ist diese. Nach einer entsprechenden Pressemeldung hat Herr Posser in dieser Fernsehdiskussion erklärt, er halte es für zweifelhaft, ob in einem Verfahren gegen die DKP deren Verfassungswidrigkeit festgestellt werden würde. Ich sage das deshalb, weil dies in einem krassen Widerspruch zu der Auffassung steht, clie die Bundesregierung in dieser Frage vertritt. Dies steht in krassem Widerspruch zu dem, was nach Ihrer Meinung, Herr Bundesinnenminister, die Auffassung der Bundesregierung und aller Bundesländer wie auch der drei im Bundestag vertretenen Fraktionen ist. Es steht im Widerspruch zu dem, was die Bundesregierung in einer sehr sorgfältigen Beantwortung unserer Kleinen Anfrage betreffend die Verfassungsfeindlichkeit der DKP selbst ausgeführt hat. Ich halte es für unerträglich, wenn das, was gemeinsame Basis ist, immer wieder in dieser Art und Weise in Frage gestellt wird. Ich frage mich: Wem soll das denn dienen? ({16}) - Entschuldigen Sie, das ist doch Sophismus, Herr Penner. Ich möchte noch anmerken, daß der Herr Bundesinnenminister hierzu die Auffassung vertreten hat, er sei völlig sicher, daß bei einem Verbotsantrag in Karlsruhe die Verfassungswidrigkeit der DKP festgestellt würde. Das, was uns hier vorgelegt worden ist, spricht auch dafür, daß es in der Tat so ist. Um so mehr frage ich mich: Was hat Herrn Posser denn bewogen, sich in dieser Frage so zu äußern, wie er es getan hat? Es kommt aber noch viel schöner. Es heißt in diesem Pressebericht weiter: Er bejahte die Frage, ob es für eine Partei bereits eine Benachteiligung darstelle, wenn ihre Mitglieder damit rechnen müßten, bei Bewerbungen für den öffentlichen Dienst einem Anhörungsverfahren unterworfen zu werden. Meine Damen und Herren, hier müßte sich jetzt eine Reihe weiterer Ausführungen anschließen. Jetzt müßte ich eigentlich auf einen Aufsatz eingehen, den der Parlamentarische Staatssekretär Schmude kürzlich verfaßt hat. Wir könnten auf die Fragestunde vom Mittwoch dieser Woche zurückkommen. Dann sind wir natürlich mitten in einem Themenbereich, den ich heute nicht mehr behandeln will, von dem ich Ihnen aber sagen muß, daß er uns hier - dessen bin ich ganz sicher - noch intensiv beschäftigen wird, weil auch hier eine bestimmte Linie sichtbar wird. Auf der Grundlage einer solchen geistig-politischen Labilität gegenüber der demokratischen Verfassungsordnung dieser Bundesrepublik Deutschland ist es natürlich schwierig, in all den Fragen der inneren Sicherheit, zu denen auch die gehören, die Gegenstand der Entwürfe sind, die hier heute in erster Lesung behandelt werden, den richtigen Weg durchzusteuern. Ich bitte um Nachsicht, daß ich Sie damit noch aufgehalten habe. Aber ich war der Auffassung, daß wir diese drei Fragen jedenfalls hier deponieren sollten, damit Sie sich auch damit beschäftigen können. ({17})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, eine der drei Fragen des Herrn Kollegen Vogel sollte sofort beantwortet werden. Es geht um die Auslieferung. Da ich zu diesem Punkt das Wort erbeten und genommen habe, darf ich aber vorweg nur drei Sätze sagen. Herr Kollege Eyrich, die Gedankengänge des Herrn Kollegen Lattmann sind bereits in einem gedruckten Aufsatz erschienen. Es ist auch aus Ihrer Fraktion daraus zitiert worden. Ich kann nicht erkennen, daß ein Meinungsaustausch, gerade unter Freunden, dadurch leidet, daß er sorgfältig, überlegt und abgewogen geführt wird. Ich glaube, es kommt doch auf den Inhalt an und nicht auf die Frage der Vorbereitung. Zum zweiten: Sie haben an einer Stelle gesagt, Herr Kollege, der Strafprozeß hätte auch eine generalpräventive Funktion. Das, glaube ich, sollte noch einmal überlegt werden, wenn es nicht einfach ein Versprecher war. Dem Strafrecht kann man diesen Aspekt sicher nicht aberkennen, aber -({0}) - Gut! Ich möchte jedenfalls die Gelegenheit benutzen, für die Bundesregierung und für das Bundesjustizministerium zu sagen, daß für uns der Strafprozeß ein Instrument ist, um ein faires Verfahren zur Aufklärung eines Verdachtes und zur FeststelBundesminister Dr. Vogel lung von Schuld und Unschuld in rechtsstaatlicher Weise zu gewährleisten, nicht aber dazu, daß die Leute durch Gerichtsverfahren abgeschreckt und durch Gerichtsverfahren nun generalpräventiven Motivationen unterworfen werden sollen. ({1}) - Herr Kollege Eyrich, das ist doch völlig unstreitig. Ich glaube, wir sollten das auch wegen der Zeit nicht vertiefen. Ich will nur daran festhalten: Strafrecht hat generalpräventive Funktionen, der Prozeß nie und nimmer. Das Dritte ist die Frage, warum es seit dem 12. Juni 1975 dauert. Es hat Sie geehrt, Herr Kollege Eyrich, daß Sie, anders als solche, die zu schrecklichen Vereinfachungen neigen, selber Bedenken und Gesichtspunkte vorgetragen haben, die gerade das Problem des § 148 schwierig machen. In diesen Bedenken, in diesen Schwierigkeiten, in der Notwendigkeit, abzuwägen, liegt natürlich auch eine Erklärung für die Zeit, die dafür benötigt wird. Aber nun zu Ihrer Frage betreffend die Auslieferung. Sie haben in sehr kritischer Weise gefragt und haben geglaubt, daß dieses Problem eine moralische Qualität habe. Ich will dem nicht widersprechen. Ich möchte zu beiden angesprochenen Fällen Auskunft geben. Erstens. Die Auslieferungsersuchen an den Jemen sind von einer Landesregierung angeregt worden, von zwei Landesregierungen nicht. Sie sind deswegen, Herr Kollege Vogel, nicht ausgelaufen, weil die für die innere Sicherheit und für diese Fragen Verantwortlichen nach dem Stande, ,der für die Prüfung maßgebend war, erklären, daß ein solcher Schritt unmittelbare Leibes- und Lebensgefahr auslösen würde. Herr Kollege, es gibt die Möglichkeit, sich mit dieser Problematik näher vertraut zu machen. Aber ich muß hier einfach auch für den Bereich der inneren Verwaltung sagen: Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit dieser Behörden, eine solche Überlegung anzustellen. Ich glaube, wir alle würden uns ,die bittersten Vorwürfe machen, wenn solche Überlegungen unterlassen würden und ,der Schritt dann dazu führte, daß sich diese Befürchtung realisierte Herr Kollege Vogel, ich glaube, Sie können sich ohne große Phantasie vorstellen, um welche konkreten Personen es geht. Ändert sich diese Beurteilung, kommen diejenigen, die auf diesem Sektor dafür die Verantwortung tragen, zu dem Ergebnis, daß sich ,diese Gefahrenlage geändert hat und nicht mehr besteht, dann ist der einzige Hinderungsgrund für die Absendung dieser Auslieferungsersuchen entfallen. Das ist der Zusammenhang. Ich glaube, hier ist keinerlei Angriff oder Vorwurf gerechtfertigt. Der zweite Fall ist der Fall Klein. Hierzu ist zu sagen: Der Haftbefehl ist vom Generalbundesanwalt erwirkt worden. Über Interpol ist die Bitte um Fahndung ergangen. Das Auslieferungsersuchen wird dann gestellt, wenn hinsichtlich des Verbleibs von Klein das Maß an Klarheit geschaffen ist, das für die Stellung eines Auslieferungsersuchens notwendig ist. Wir können nicht auf Verdacht an eine ganze Reihe von Regierungen solche Auslieferungsersuchen richten. ({2}) - Entschuldigung. Es ist natürlich notwendig, daß Sie zunächst einen Haftbefehl erwirken, Herr Kollege Vogel. Für den Haftbefehl brauchen Sie Material. Das Material müssen Sie von den Österreichern anfordern. Sie brauchen die Fingerabdrücke, Sie brauchen das, was den hinreichenden Verdacht rechtfertigt. Jetzt dreht es sich einfach um die Frage des Aufenthalts. Es ist völlig klar, daß die Bundesregierung diese Ersuchen stellt, wenn es die Umstände ermöglichen und erlauben. Den Vorwurf - ich muß das noch einmal ganz deutlich sagen , daß an dem Verhalten der Bundesregierung unter moralischen Gesichtspunkten Kritik geübt werden könne, muß ich ganz entschieden zurückweisen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel ({0})?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Bitte sehr!

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich dann Ihrer Antwort zumindest entnehmen, daß die Frage eines Auslieferungsvertrages für ein solches Auslieferungsersuchen kein entscheidendes Hindernis ist? Das ist ja auch als Argument geltend gemacht worden.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Das, Herr Kollege Vogel, kann ich ausdrücklich bestätigen. Die Frage, ob ein Auslieferungsersuchen gestellt wird oder nicht, hängt davon nicht ab. Allerdings ist zu prüfen, ob das Auslieferungsersuchen Erfolg hat, ob die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Das kann sich je nachdem, ob ein Vertrag vorliegt oder nicht, anders beantworten. In den beiden konkreten Fällen spielt dieser Umstand keine Rolle. Ich bin dankbar, daß ich diese Klarstellung vornehmen konnte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel ({0}) ?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Bitte sehr!

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich dann die Zusatzfrage stellen, ob die Bundesregierung gegebenenfalls bereit ist, auch eine Belastung ihres Verhältnisses zu einem anderen Staat in Kauf zu nehmen, wenn es um eine solche Auslieferungsfrage geht?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Kollege Vogel, nach dem Auslieferungsrecht hat die Bundes14762 republik nur zwei Möglichkeiten, Auslieferungsersuchen, die von den Bundesländern kommen, nicht weiterzuleiten. Das eine ist der Sonderfall, zu dem ich bereits etwas vorgetragen habe: die Frage, ob damit Gefahr für Leib und Leben deutscher Staatsbürger in unserem Lande verbunden ist. Der zweite Gesichtspunkt ist: wenn die auswärtigen Interessen der Bundesrepublik dem entgegenstehen. Das ist nach unserer Verfassung Rechtens. Eine solche Prüfung wird von Fall zu Fall vom Auswärtigen Amt vorgenommen. Bisher sind Auslieferungsersuchen in diesem Zusammenhang aus diesen Gründen nicht unterblieben. Ich kann nicht ausschließen, daß es solche Fälle, wie sie es in der Vergangenheit in anderem Zusammenhang gegeben hat, auch in Zukunft wieder einmal geben wird. In dem Zusammenhang hat das keine Rolle gespielt. Darf ich fragen, ob noch eine Zwischenfrage gewünscht wird? - Nein. Dann danke ich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrte Dame! Meine Herren! Viele haben sich doch gefragt, ob es Sinn hätte, zum, ich glaube, fünften Male in größerem Rahmen das zu erörtern, was wir heute bei im wesentlichen nicht veränderten faktischen und politischen Verhältnissen erörtert haben. ({0}) Die Debatte zeigt meiner Auffassung nach, daß es schon sehr wichtig ist, auf diejenigen, die die Entwicklung etwas langsamer mitvollziehen, durch .stetige Wiederholung - nach ganz schlichten pädagogischen Grundsätzen - einzuwirken, jedenfalls diesen Versuch immer wieder zu unternehmen, wenn man es mit ihnen gut meint. ({1}) - Sie werden vielleicht in der Lage sein, auf Grund der wenigen Bemerkungen, die ich jetzt noch machen möchte, insbesondere zu den von Ihnen angesprochenen Punkten, zu erkennen, wie die Dinge unserer Auffassung nach verlaufen sind. Mehrere Ihrer Redner haben den Zeitablauf gerügt, Sie auch, Herr Eyrich. Herr Vogel hat dann in diesem Zusammenhang die Variante gebracht, daß die Bundesregierung zu wenig Führungsstärke gezeigt habe, um ihre ursprünglichen Vorstellungen möglichst zügig durchzusetzen. Dazu möchte ich zweierlei bemerken. Wenn die Dinge so schwierig sind, wie besonders Sie, Herr Eyrich, das dankenswerterweise in differenzierter Form vorgetragen haben, dann ziert es diejenigen, die sich um die Fortentwicklung des Rechts in ganz wesentlichen Fragen zu sorgen haben, wenn sie dabei nicht in überstürzte Hast verfallen, zumal wenn wesentliche Verbesserungen, die allerdings aus der konkreten Situation heraus erforderlich waren, Ende des Jahres 1974 auf verhältnismäßig breiten Gebieten vorgenommen worden sind und es auch galt, Erfahrungen mit diesen Veränderungen abzuwarten, Erfahrungen, die, wie ich glaube, inzwischen schon - bei allen fortbestehenden Bedenken - als recht positiv bezeichnet werden können. Wir haben in Stammheim einen sehr unerfreulichen Prozeß, der in vieler Hinsicht zu Besorgnissen und Bedenken Anlaß gibt, bei dem aber inzwischen nach einer Anfangsphase, in der alle möglichen Experten und Propheten nach Sofortmaßnahmen gerufen haben, um die dort herrschenden Zustände sofort zu ändern - was übrigens rechtsstaatlich wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre -, eine Beruhigung eingetreten ist, zwar nicht im Sinne dessen, was wir uns unter einem Strafprozeß vorstellen, aber immerhin eine Beruhigung, die die Fortführung dieses Prozesses ermöglicht, und zwar auf Grund der gesetzlichen Änderungen, die wir Ende des Jahres 1974 gemeinsam verabschiedet haben. Das ist, meine ich, ein wesentlicher Grund, sich dann allerdings bei den nächsten Schritten etwas mehr Überlegungszeit zu gönnen. Wenn ich beim Überlegen bin, komme ich in diesem Zusammenhang zwangsläufig auf das, was Herr Kollege Vogel hinsichtlich der Bundesregierung gesagt hat. Ich möchte doch das Geschrei hören, das entstünde, wenn wir als Koalitionsparteien hier antreten und sagen würden: Herr Vogel, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden von uns nicht erwarten können, daß wir Ihre Änderungsvorschläge im parlamentarischen Verfahren ernsthaft diskutieren, denn dieses Land braucht eine handlungsfähige und durchsetzungsfähige Regierung, und deshalb müssen wir das so machen, wie diese Regierung uns das vorgelegt hat. - Mit dieser Umkehrung, die ich, ausgehend von dem, was Sie vorhin gesagt haben, für völlig logisch halte, möchten Sie sich doch auch nicht so gerne konfrontieren lassen, denn Sie möchten doch sicherlich noch viele Male mit uns gemeinsam überlegen, was man in den Ausschüssen und im Gang der Beratungen auch in dem mehr informellen Teil - ändern kann und ändern sollte und was nicht. ({2}) - Ich habe zu dieser Frage im letzten Juni, wie Sie - ich meine mich zu erinnern - aufmerksam zur Kenntnis genommen haben, von dieser Stelle aus Ausführungen gemacht und habe gesagt, daß wir den bereits vorliegenden Entwurf der Bundesregierung, der uns heute auf einem anderen Wege noch einmal beschäftigt, einbringen, um diese Vorschläge zugleich mit Ihren Entwürfen - gewissermaßen als ein Zeichen des Respekts auch vor der Arbeit der Opposition - schriftlich vorliegen zu haben und darüber reden zu können. Das haben wir so deutlich gesagt, wie wir es bei vergleichKleinert baren Gelegenheiten nicht zu sagen pflegen, und ich bin deshalb ganz sicher, daß Sie den Sinn dieser Ausführungen von Herrn Kollegen Gnädinger und von mir bei der seinerzeitigen Gelegenheit nicht mißverstanden haben, sich also weitere Rückfragen zum gleichen Thema heute - insbesondere bei dem von uns allen geschätzten hohen Stand Ihrer Intelligenz - erübrigen sollten. Deshalb haben wir also inzwischen beraten, und deshalb haben wir auch gar keine Vorwürfe gegen die Bundesregierung zu erheben, wenn sie hier liebenswürdigerweise unsere Diskussion über das, was im einzelnen geregelt werden soll, fördert und unterstützt und diese Diskussion insbesondere durch die Unterstützung des vorhandenen ministerialen Sachverstandes mit uns führt. Das ist die Situation. ({3}) Wir haben zur Zeit der letzten Debatte, im Juni, große Bedenken wegen der erheblichen öffentlichen Erregung gehabt, die solchen Beratungen - jedenfalls dann, wenn man es mit ihnen verantwortlich ernst meint - naturgemäß abträglich sein muß, und wird haben gemeint, es sei ein Segen, daß kurz nach dieser letzten Beratung die Sommerpause längere Gelegenheit zu einer Beruhigung und einen Abstand geben würde, ({4}) einen Abstand, aus dem heraus die Dinge dann allerdings völlig ohne Zorn und Eifer - so wie sich das gehört - weiter beraten werden können. Das alles ist von Anfang an von uns so gesehen und betrieben worden, und wir glauben, jetzt an dem Punkt zu sein, an dem die Beratungen und die Überlegungen und die Erfahrungen so weit sind, daß wir das tun können, was wir damals angekündigt haben. Wir wollen nämlich in den Ausschüssen Stück für Stück und Punkt für Punkt anhand der vorzulegenden Tatsachen prüfen, welche weiteren Maßnahmen unbedingt noch erforderlich sind unter der Überlegung, daß so viel Sicherheit wie möglich gegeben werden soll, und welche etwa entbehrlich sind, weil der Gesichtspunkt der Wahrung von möglichst viel Freiheit bei Beachtung des Sicherheitsbedürfnisses dies erfordert - eine sehr schwierige Abwägung, die mit all den zu Herzen gehenden, von mehreren Seiten des Hauses heute übrigens zu hörenden Formeln dieser Art, die lediglich das Begriffspaar nennen, nicht erfaßt werden kann, weil uns diese Formeln die Einzelarbeit nicht abnehmen. ({5}) Wir werden also über die Verteidigerfrage weiter nachdenken. Es ist dazu wieder vieles zu hören gewesen. Wir haben uns früher bereits geäußert. Es ist hier der Eindruck erweckt worden - Herr Kollege Eyrich, mir ist das so am Rande aufgefallen, ich möchte es aber nicht stehenlassen -, daß zum Beispiel in England der Verteidiger - Sie haben es nicht so gesagt, aber es könnte so verstanden werden von denen, die die Dinge nicht so genau kennen - auch zum Nachteil seines Mandanten agieren müsse, was den tatsächlichen Bereich der Vorwürfe angeht oder die aus den Fakten zu ziehenden Folgerungen. Tatsächlich haben Sie gesagt, wie ich gerne bestätige, daß er seinen Mandanten auf ungünstige Entscheidungen - was nach englischem Recht bedeutet: ungünstige gesetzliche Bestimmungen, auf unsere Verhältnisse übertragen - hinweisen muß. Das ist natürlich kein besonders durchschlagendes Argument in unserer Unterhaltung, denn wir nehmen ja auch zu allen in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen, die nachteilig sein könnten, Stellung. Lediglich das Case Law erfordert es, daß man etwas anders vorgeht. Ich meine unter Berücksichtigung dessen, was Laien sich darunter vorstellen, sollte man das hier noch kurz richtigstellen. Wir haben im Bereich der Verteidiger eine Entwicklung, die wir schon immer gefordert haben, inzwischen weiter verfolgen können in der unheilvollen - wie ich meine - Auseinandersetzung zwischen den Rechtsanwaltskammern einerseits und den Generalstaatsanwälten andererseits über die Anwendung der standes- und ehrengerichtlichen Befugnisse gegenüber Verteidigern, die ihre Pflichten nicht nur nicht ernst nehmen, sondern gröblich verletzen. Der Streit ist zwischen diesen beiden Gruppen nach wie vor nicht ausgetragen. Es zeichnet sich aber ab, daß gerade im Verlauf des letzten Jahres Schritte, die unserer Auffassung nach in vielen Fällen schon zwei Jahre früher hätten unternommen werden können, auch und gerade in Ländern, in denen die CDU oder CSU den Justizminister stellt, jetzt endlich unternommen worden sind und zu einer Bereinigung geführt haben. Das meinte ich mit der pädagogischen Notwendigkeit, die ich eingangs erwähnte. Wir haben jetzt endlich gesehen, daß das, was wir 1974 gefordert haben, in stärkerem Maße geübt wird, nämlich Ausschluß statt der ungeheuer schwierigen und ungeheuer problematischen Überwachung. Dieses Instrument ist jetzt genutzt worden. Wir halten es im Einklang mit dem, was wir dazu stets gesagt haben, für das sauberere, auch wenn oder gerade weil es härter greift, und wir appellieren an alle Beteiligten, davon weiterhin verantwortlichen, aber auch straffen Gebrauch zu machen, damit wir von dieser Seite Ordnung in die Dinge bekommen, während wir - so meine ich jedenfalls persönlich - mit der Überwachung des mündlichen Verkehrs mit dem Verteidiger nur weitere Verwirrung und rechtsstaatliche Unsicherheit stiften würden. Wenn hier wiederum „die Schlachtpläne, die in den Zellen gemacht werden", angesprochen worden sind, dann wiederhole ich eben auch zum wiederholten Male, daß sich das alles hauptsächlich in Haftanstalten unter Aufsicht von CDU-Justizministern abgespielt hat ({6}) und daß diese nach geltendem Recht in der Lage hätten sein müssen, dafür zu sorgen, daß die Dinge jedenfalls nicht die grandiosen Ausmaße angenommen hätten, die sie tatsächlich angenommen haben. Ich bin bereit, diesen Vorwurf genauso oft hier zu wiederholen, wie von Ihnen ungerechtfertigte Vorwürfe etwa gegen die politische und staatspolitische Zuverlässigkeit der Koalitionsfraktionen geäußert werden. ({7}) Ich möchte noch einen Hinweis auf die erstrebte Einrichtung des Kronzeugen geben. Da gibt es die Frage, wieweit wir dogmatisch mit der tätigen Reue zurechtkommen oder tatsächlich sagen müssen, daß es sich um einen Kronzeugen handelt. Herr Kollege Eyrich, ich bin bereit, Ihnen weitgehend zu folgen. Außerdem wäre es unpraktisch, sich bei der Theorie, dem Dogmenstreit zu lange aufzuhalten. Auch hier haben wir unsere Bedenken von Anfang an mit einer ungewöhnlichen Geradlinigkeit erwähnt. Ich möchte nur auf eines, was in den letzten Wochen wieder aktuell geworden ist, hinweisen. Wenn wir auf der einen Seite sagen - das wurde eben auch in dem Gespräch zwischen den beiden Herren Vogel noch einmal erörtert -, daß man Kidnapping wirksam nur bekämpfen kann, wenn alle Staaten in der Auslieferung zusammenarbeiten und damit in allen Fällen die Strafverfolgung möglich wird und auch alle Staaten die notwendige Härte in der Verfolgung dieses Delikts zeigen, damit die Täter nicht immer damit rechnen können, in ihren Kreisen gefeiert und im übrigen nicht belangt zu werden, dann muß man daraus auch Rückschlüsse auf das Institut des Kronzeugen ziehen. Denn hier setzen wir eine ganz ähnliche Gefahr, daß nämlich derjenige, der sich von Anfang an entsprechend einrichtet, in der Lage ist, Verbrechen genauso zu begehen, ohne mit der konsequenten Verfolgung rechnen zu müssen. Ich möchte diese Parallele neben vielen anderen Argumenten, die ich mir heute erspare, für die weiteren Beratungen mit einführen. ({8}) - Das ist eine Frage, die wir zu prüfen haben werden. Wir werden sehen, ob andere Fragen aufgebauscht sind, wie Sie meinen, oder ob da nicht auch unsere gemeinsamen Beratungen ergeben, daß wir vernünftige Mittelwege gehen können, solange wir nur bei dem bleiben, was hier rhetorisch so gern betont wird, daß wir nämlich im Grunde doch einig sind. Solange Sie alle in Ihren Darlegungen in der breiteren Öffentlichkeit, hier im Hause und in den Ausschüssen - da ist das sowieso nicht so problematisch - bei der sachlichen Art bleiben, die Sie im zweiten Teil der heutigen Diskussion an den Tag gelegt haben, ist mir um die wirklich gemeinsame Grundlage gar nicht bange, und dann können wir uns auch nicht an Einzelfragen zerstreiten. Das hat allerdings für die Opposition auch die aus der Sicht einiger ihrer Mitglieder unangenehme Folge, daß sie nicht den ganzen Wahlkampf hindurch durch die Lande ziehen und politische Gegner, die es mit unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat genauso ernst meinen, verdächtigen und verunglimpfen kann. ({9}) Das ist die für Sie bedauerliche Konsequenz aus dieser von Ihnen gewünschten gemeinsamen Arbeit, die wir jetzt aufnehmen wollen. ({10})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Überweisung beider Gesetzentwürfe. Aus der Tagesordnung ersehen Sie die Vorschläge des Ältestenrats. Wer mit ihnen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist so beschlossen. Auf Grund interfraktioneller Vereinbarung wird Punkt 8 - Jugendarbeitsschutzgesetz - auf die nächste Woche vertagt. Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 21. Januar 1976, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.