Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/11/1975

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die Situng ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts ({0}) - aus Drucksache 7/650 a) Zweiter Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4396 -Berichterstatter: Abgeordneter Simon b) Zweiter Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({2}) - Drucksache 7/4361 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emmerlich Abgeordneter Thürk ({3}) Gleichzeitig rufe ich Tagesordnungspunkt 27 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften - Ducksache 7/2015 a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4450 - Berichterstatter: Abgeordneter Walther b) Bericht und Antrag des Innenausschusses ({5}) - Drucksache 7/4365 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Miltner Abgeordneter Spillecke ({6}) Ich frage zunächst, ob von den Herren Berichterstattern eine Ergänzung der vorgelegten Berichte gewünscht wird. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern für die vorgelegten Berichte. Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." - Diese Forderungen des Grundgesetzes haben die Politik der Sozialdemokraten stets bestimmt. Sie waren auch richtungweisend für das heute zur Beschlußfassung vorliegende Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts. Wir wollen durch diese Gesetzgebung nicht nur für mehr Gleichberechtigung und für einen besseren Schutz von Ehe und Familie sorgen, sondern auch für ein gerechtes, die Bedürfnisse des heutigen Menschen und die gesellschaftlichen Gegebenheiten respektierendes, sozial ausgewogenes Scheidungsund Scheidungsfolgenrecht, und wir wollen den Scheidungsprozeß wieder ehrlich und glaubwürdig machen. Wie kann das neue Eherecht zu mehr Gleichberechtigung der Frau in Ehe und Familie beitragen? Nach geltendem Recht ist die Haushaltsführung Sache der Frau, während die Erwerbstätigkeit dem Mann obliegt. Dieser erst 1957 festgeschriebene Rechtszustand steht im Widerspruch zur Gleichberechtigung und zu einer partnerschaftlichen Eheauffassung. Der vorliegende Gesetzentwurf beseitigt daher diese gesetzliche Fixierung der Ehefrau auf die Rolle der Hausfrau und stellt klar, daß beide Ehegatten gleichermaßen zur Haushaltsführung verpflichtet und zur Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Der vorliegende Gesetzentwurf ersetzt das bisherige gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe nicht durch das der erwerbstätigen Ehefrau. Die Aufteilung der Aufgaben in der Ehe ist nach sozialdemokratischer Auffassung eine Angelegenheit, die die Eheleute selbst vornehmen können und die von staatlicher Einflußnahme und Reglementierung frei sein muß. Wir Sozialdemokraten wissen, daß die soziale Wirklichkeit - auf der einen Seite Isolierung und Vereinsamung der Ehefrau in der häuslichen Wohnung, andererseits Dreifachbelastung durch Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung und Kindererziehung - durch die neuen Bestimmungen über die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit unmittelbar nur wenig beeinflußt werden dürfte. Das kann aber nicht bedeuten, es bei der bisherigen gesetzlichen Rollenfixierung der Ehefrau zu belassen. Im Gegenteil, wir müssen jede Möglichkeit nutzen, um zu einem Wandel des Bewußtseins und damit der sozialen Wirklichkeit beizutragen. Wir Sozialdemokraten können und wollen es, wenn die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Rede steht, nicht bei einer formalrechtlichen Gleichberechtigung bewenden lassen. Wichtiger ist uns die tatsächliche Gleichstellung der Frau. Deshalb haben wir so entschieden dafür gekämpft, daß die soziale Flanke des Scheidungsrechts beschlossen wird und bei einer Scheidung insbesondere die während der Ehe erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf eine Alters- und Invaliditätssicherung nicht mehr wie bisher vom Erwerbstätigen, also regelmäßig vom Ehemann, mitgenommen werden und die nicht erwerbstätige Frau und Mutter leer ausgeht. Der Versorgungausgleich ist ein wesentlicher Fortschritt in Richtung auf eine nicht nur formale, sondern inhaltliche Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Das wird auch das neue Unterhaltsrecht bewirken. Bisher trafen der Unterhaltsausschluß bei alleiniger bzw. überwiegender Schuld und die Unterhaltsminimierung bei beiderseitigem gleichen Verschulden die nicht erwerbstätige Hausfrau ungleich schwerer als den Mann. Bei einer Scheidung bleibt die Existenzgrundlage des Mannes erhalten, ohne Rücksicht darauf, ob er schuldig geschieden wird. Der allein bzw. überwiegend schuldig geschiedenen Hausfrau und Mutter dagegen wird ihre Existenzgrundlage, der Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, bei einer Scheidung vollständig und übergangslos entrissen. Das neue Unterhaltsrecht wird auch dieser geschlechtsspezifischen Benachteiligung der Frauen ein Ende setzen. Der Deutsche Bundestag hat das Seine bereits getan, um eine weitere Benachteiligung der Frauen im geltenden Recht zu beseitigen, nämlich die Privilegierung des Mannes bei der Festlegung des Ehe-und Familiennamens. Ich erinnere an das am 31. Januar dieses Jahres beschlossene Gesetz über den Ehe- und Familiennamen. Der Bundesrat hat diesem Gesetz bisher mit Mehrheit die Zustimmung verweigert. Wir erwarten, daß die Bundesratsmehrheit nach einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses ihre ablehnende Haltung überprüft und sich einer mit der Gleichberechtigung übereinstimmenden Regelung des Ehe- und Familiennamenrechts nicht länger entgegenstellt. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts mit dem Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip ist in Wissenschaft und Praxis unbestritten. Die Gründe für die Abkehr von der Verschuldensscheidung und die Folgen, die sich daraus ergeben, sind in den vergangenen Jahren schon mehrfach dargelegt worden. Es ist nach meiner Auffassung gleichwohl nützlich, sie sich heute noch einmal in Erinnerung zurückzurufen. Wir haben ein Scheidungsrecht, in dem die Scheidung nach § 43 des Ehegesetzes nur erfolgen darf, wenn der Scheidungswillige darlegt und beweist, daß der andere sich einer schweren Eheverfehlung schuldig gemacht und dadurch die Ehe zerrüttet hat. Die gerichtliche Praxis sieht dagegen so aus, daß regelmäßig ein ehewidriges Verhalten der Scheidung zugrunde gelegt wird, das nicht Ursache der Zerrüttung, sondern Ausdruck einer bereits eingetretenen Zerrüttung ist. Mit anderen Worten: die eigentlichen Ursachen der Zerrüttung bleiben unberücksichtigt. Aus den Streitigkeiten infolge der Zerrüttung werden je nach den vorhandenen Beweismöglichkeiten mehr oder weniger zufällig und damit mehr oder weniger willkürlich einzelne herausgegriffen und zur Grundlage der Entscheidung gemacht. Diese gerichtliche Praxis ist nicht zurückzuführen auf ein Fehlverhalten der Gerichte, sondern darauf, daß diese hoffnungslos überfordert sind, wenn man von ihnen die Feststellung der eigentlichen Ursachen für die Zerrüttung einer Ehe verlangt. ({0}) Die Zerrüttung einer Ehe ist in der Mehrzahl der Fälle ein lange Zeit währender Prozeß, in dem sich die Beziehungen zwischen den Ehegatten immer mehr verschlechtern, so daß die eheliche Lebensgemeinschaft schließlich zerbricht. Die Gründe für diese Entwicklung sind überaus vielgestaltig; sie liegen nicht nur in schuldhaften Eheverfehlungen. Sie sind auch zu suchen in Anlässen und Umständen, die vom Verhalten der Ehepartner unabhängig, von ihren Lebensumständen und Lebensverhältnissen bestimmt oder gar schicksalbedingt sind. Infolgedessen sind die Eheleute oft selbst nicht in der Lage, alle Zerrüttungsursachen zu erkennen und ihre Gewichtung für die Zerrüttung der Ehe richtig einzuschätzen. Das setzt sie außerstande, dem Gericht eine zutreffende Darstellung über den Gesamtvorgang zu unterbreiten. Noch viel weniger als die Ehegatten vermögen die Gerichte den gesamten zur Zerrüttung führenden Eheverlauf zu rekonstruieren. Das gilt um so mehr, als für ihn in wesentlichen Teilen meist keine Beweise vorliegen. Es ist deshalb zwangsläufig, daß in den Scheidungsprozessen zumeist einzelne Ereignisse aus der letzten Phase des ehelichen Zerwürfnisses herausgegriffen werden, während die tiefer liegenden eigentlichen Ursachen für die ehelichen Schwierigkeiten unbeachtet und unerörtert bleiben. Wir haben ferner festzustellen, daß das Verschuldensrecht die Gerichte zwingt, sich nicht selten in geradezu halsbrecherischer Weise damit auseinanderzusetzen, ob das Verhalten eines Ehegatten ehewidrig ist, ob es schwer ehewidrig ist und ob das Verschulden des einen erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Dabei werden die Gerichte sehr oft genötigt, in den Intimbereich der Ehe einzuDr. Emmerlich dringen, in einen Bereich, der einer Überprüfung und Bewertung, jedenfalls mit prozessualen Mitteln, nicht zugänglich ist. Wir haben es weiter mit einem Scheidungsrecht zu tun, das die Ehegatten in eine Situation bringt, in der sie sich gegenseitig möglichst viele und möglichst schwere Eheverfehlungen vorwerfen müssen. Das hat zur Folge, daß das Scheidungsverfahren die Beziehungen zwischen ihnen häufig weiter vergiftet und damit eine faire Auseinandersetzung, insbesondere über die Scheidungsfolgen, beträchtlich behindert. Das führt nicht selten dazu, daß die Interessen und das Wohl der Kinder mißachtet werden und die Kinder Schaden erleiden. Wir sehen uns schließlich einem Scheidungsrecht gegenüber, das dem Scheidungsunwilligen selbst bei langjähriger Zerrüttung ein so starkes Widerspruchsrecht einräumt, daß er eine Scheidung praktisch verhindern kann. Die Folge ist, daß Eheleute seit 10, 15 oder gar 20 Jahren getrennt leben und der eine Ehegatte längst eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, aus der auch Kinder hervorgegangen sein mögen, daß aber eine Scheidung nicht möglich ist. Wir haben letztlich ein Scheidungsrecht, das dem Schuldausspruch für die Regelung der Scheidungsfolgen eine unangemessene Bedeutung beimißt. Es ist z. B. ungerecht, dem sozial schwächeren Ehegatten trotz jahrzehntelang gut geführter Ehe wegen einer einmaligen schweren Eheverfehlung nach einer Scheidung jeden Unterhaltsanspruch zu versagen, und zwar selbst dann, wenn er aus der Ehe hervorgegangene Kinder zu versorgen hat. ({1}) Noch ungerechter ist es, daß in solchen Fällen keine Geschiedenen-Witwenrenten bzw. bei geschiedenen Beamtenehefrauen kein Unterhaltsbeitrag gewährt wird, obwohl die zur Scheidung führende Eheverfehlung nichts daran ändert, daß die geschiedene Ehefrau durch ihre Leistungen für Haus und Familie in gleicher Weise wie der Mann für die Alterssicherung gesorgt hat. Es ist ferner eine diskriminierende Unterstellung mit Sanktionscharakter, wenn das geltende Recht davon ausgeht, es widerspreche im Zweifel dem Wohl der Kinder, daß das Sorgerecht dem für schuldig erklärten Elternteil übertragen wird. Lassen Sie mich an Hand eines Beispiels noch einmal verdeutlichen, wie gravierend sich die Mängel des geltenden Rechts auswirken können. Eine Frau, die von ihrem Mann ständig drangsaliert und gedemütigt wird, dafür aber keine Beweise hat - im Zweifel ist eine derartige Beweisnot gegeben -, kann sich diesem Martyrium nicht entziehen, weil sie dann nämlich wegen böswilligen Verlassens schuldig geschieden wird mit der Folge, ohne Unterhalt und ohne Alterssicherung dazustehen. Außerdem läuft sie noch Gefahr, ihre Kinder zu verlieren. Natürlich kann es auch so sein, daß die Sache umgekehrt liegt und die Ehefrau durch ihr Verhalten ein weiteres Zusammenleben unmöglich macht. Würde der Ehemann seine Frau verlassen und infolgedessen geschieden, so bedeutet es für ihn aber nicht den Verlust seiner Existenzgrundlage und seiner Alterssicherung. Diese schwerwiegenden Folgen des Schuldausspruchs für das Sorgerecht, den Unterhalt und die Alterssicherung bewirken es, daß die Ehegatten vor Gericht oft nur scheinbar über das „ob" der Scheidung streiten, während sie in Wahrheit beide geschieden werden wollen. Den Scheidungsprozeß führen sie nur - und dann meist mit gesteigerter Verbissenheit -, um eine günstige Ausgangsposition für die Scheidungsfolgeverfahren zu erlangen. Das geltende Recht, meine Damen und Herren, verkennt die eigentliche Verantwortung, welche die Ehegatten mit der Eheschließung füreinander übernommen haben. ({2}) Es gibt die Möglichkeit, sich unter Berufung auf ehezerstörendes Verhalten des anderen Teils gleichsam durch eine außerordentliche Kündigung im Wege der Scheidung bequem aller Verpflichtungen gegenüber dem anderen zu entledigen. Bei der Ehe handelt es sich jedoch nicht um vertragliche oder vertragsähnliche Pflichten, sondern um Verantwortlichkeiten, die sich aus dem gemeinsam angenommenen Status der Ehe und dem gemeinsamen ehelichen Leben ergeben. Diesen Mängeln des geltenden Rechts kann nur durch die Abkehr vom Verschuldens- und den Übergang zum Zerrüttungsprinzip begegnet werden. Ehe und Familie werden nicht geschützt, wenn das rechtliche Band formal aufrechterhalten wird, obwohl die Ehegatten außer ihrem Namen nichts mehr gemeinsam haben. Eine Ehe soll deshalb zukünftig geschieden werden können, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft objektiv zerbrochen ist und ihre Wiederherstellung nicht erwartet werden kann. Damit wird der von Zufall und Willkür bestimmte und deshalb ungerechte Anknüpfungspunkt des Verschuldens aufgegeben und das Scheidungsrecht auf eine objektive Grundlage gestellt. Es wird ausschließlich darauf abgestellt, worauf es in Wahrheit ankommt, nämlich ob die Eheleute in der Lage sind, dem Sinn und Wesen der Ehe gerecht zu werden, in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben. Gegen das Zerrüttungsprinzip wird eingewandt, daß es dabei möglich sei, sich einseitig aus der Ehe zu lösen, selbst dann, wenn die Zerrüttung nur auf dem Verhalten des Scheidungswilligen beruhe und der andere Ehegatte an der Ehe festhalten wolle. Dazu ist festzustellen: Der Staat kann es nicht verhindern, daß ein Ehegatte einseitig und ohne einen in der Person des anderen liegenden Grund seine Ehe aufgibt. Der Staat kann es insbesondere nicht verhindern, daß ein Ehegatte von seinem Ehepartner getrennt lebt. Der Gesetzgeber kann nur festlegen, unter welchen Voraussetzungen er eine Scheidung zuläßt. Wer die Scheidung in den soeben angeführten Fällen verweigert, bewirkt, daß Ehegatten auf eine Ehe fixiert bleiben, die nur noch auf dem Papier existiert, daß der aus der Ehe Herausstrebende neue Bindungen nicht legalisieren kann und auch der an der Ehe festhaltende Partner daran gehindert wird, sich ein neues Leben aufzubauen. Die Folgen einer endgültigen Scheidungsverweigerung in solchen Fällen sind nicht nur unvereinbar mit Gerechtigkeit und Billigkeit, sie verstoßen meist auch gegen die Grundsätze der Humanität. Das scheint auch die Opposition nicht zu verkennen. Sie will nämlich in den hier in Rede stehenden Fällen die Scheidung nicht unbegrenzt verweigern, sondern dem anderen Ehegatten gegen die Scheidung nur ein Widerspruchsrecht für die Dauer von drei Jahren geben. Der Unterschied zu unserem Vorschlag besteht darin, daß danach die Scheidung durch Aussetzung nur bis zu einem Jahr hinausgeschoben werden kann und daß das nicht vom Widerspruch des scheidungsunwilligen Ehegatten abhängt, sondern von der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung des Familienrichters. Davon, daß der Familienrichter dem Einzelfall gerechter wird als der befangene Ehepartner, dürfen wir aus gutem Grunde ausgehen, ebenso davon, daß eine einjährige Karenzzeit ausreicht, um dem an sich zur Fortsetzung der Ehe bereiten Ehepartner die Umstellung auf seine neue Lebenssituation zu ermöglichen und um nötigenfalls auch den erforderlichen Abstand zwischen dem etwaigen Unrecht der Ehezerstörung und dem Ausspruch der Scheidung herzustellen. Von einer Verstoßung könnte man nur dann sprechen, wenn die Scheidung ohne eine gerechte und sozial ausgewogene Verteilung der Scheidungsfolgen ausgesprochen würde. Es ist unbestreitbar, daß das neue Scheidungsfolgenrecht eine durchgreifende Verbesserung bringt. Niemand hat bisher dargelegt, daß es gravierende zusätzliche Verbesserungsmöglichkeiten gibt. ({3}) Ich kann daher den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes in aller Eindeutigkeit erklären: Eine Verstoßensscheidung wird es durch das neue Eherecht in unserem Lande nicht geben. ({4}) Wir bekunden, meine sehr geehrten Damen und Herrn, denen unseren ausdrücklichen Respekt, für die eine Ehe schlechthin unauflöslich ist. Sie müssen es jedoch verstehen und hinnehmen, daß das staatliche Recht den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe nicht übernehmen kann. Das staatliche Recht muß die Scheidung dann zulassen, wenn ein schwerwiegender Grund dafür gegeben ist. Welcher Grund für eine Scheidung könnte aber schwerer wiegen und beachtlicher sein als der, daß die Ehegatten endgültig und unwiederbringlich außerstande sind, ihr Leben miteinander in ehelicher Lebensgemeinschaft zu führen? Die Zulässigkeit der Scheidung steht dagegen nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit. Wer das akzeptiert, dürfte eigentlich nicht behaupten, der neue Scheidungsgrund des endgültigen Scheiterns einer Ehe stelle die Ehe auf Lebenszeit in Frage. ({5}) Wessen Bedenken, meine sehr geehrten Damen und Herren, darauf beruhen, daß die Vermutung des endgültigen Scheiterns der Ehe bei dreijähriger Trennung unwiderlegbar ausgestaltet ist, der möge bitte folgendes bedenken: Auch wir sind ja zunächst von der Widerlegbarkeit der Vermutung ausgegangen. Wir sind dabei jedoch nicht stehengeblieben und haben über die Auswirkungen einer solchen widerlegbaren Vermutung weiter nachgedacht. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, ({6}) daß eine widerlegbare Vermutung nicht ehefreundliche und eheerhaltende Tendenzen hat, sondern das genaue Gegenteil bewirken würde: Vorzeitige und voreilige Scheidungsklagen würden begünstigt, zwischen den getrennt lebenden Ehegatten würden Kontakte unterbleiben, die in ihrem Interesse, vor allem aber im Interesse der Kinder und letztlich auch zur Ausschöpfung aller Chancen auf Aufrechterhaltung der Ehe, dringend geboten sind. Die widerlegbare Vermutung würde bei dem Ehegatten, der die Scheidung nicht will, die Hoffnung wecken, die Scheidung verhindern und eine Fortsetzung der Ehe erreichen zu können, eine Hoffnung, die sich nachträglich praktisch immer als eine Illusion entpuppen wird. Wir haben den Eindruck, daß sich unsere Kritiker mit diesen Konsequenzen der widerlegbaren Vermutung bisher nicht genügend auseinandergesetzt haben. Wir bitten Sie zu überprüfen, ob Ihre Haltung nicht zu sehr von dogmatischen und prinzipiellen Ansätzen geprägt ist und zu wenig die praktischen Auswirkungen einbezieht. ({7}) Wir bitten auch zu sehen, daß wir dem Familiengericht die Möglichkeit geben, das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, wenn in kaum vorstellbaren, vielleicht aber doch nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließenden extremen Ausnahmefällen trotz der dreijährigen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht oder die Aussetzung aus anderen Gründen billig erscheint. Damit haben wir auch solchen Einwendungen Rechnung getragen, die von der Unwiderlegbarkeit der Vermutung eine unangemessene Entscheidungsautomatik und eine zu weit gehende Beschränkung der Möglichkeiten des Scheidungsunwilligen befürchten, sich gegen die Scheidung zur Wehr zu setzen. Wir weisen letztlich darauf hin, daß die praktische Bedeutung dieser Frage denkbar gering ist und im umgekehrten Verhältnis zu dem Aufwand und dem Engagement steht, mit dem sie diskutiert wird. Wir halten es jedenfalls nicht für gerechtfertigt, die Regelung dieser Einzelfrage zum alleinigen oder hauptsächlichen Kriterium für die Bewertung des zukünftigen Scheidungsrechts, ja sogar der gesamten Eherechtsreform, hochzustilisieren.' Vor allem aber muß die Behauptung des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken in der Erklärung vom 24. Oktober 1975 zurückgewiesen werden, die Unwiderlegbarkeit der Vermutung habe zur Folge, daß das staatliche Recht nicht mehr vom Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit ausgehe. Eine solche Aussage kann nur darauf beruhen, daß die Verfasser dieser Erklärung über die Gründe für unseren Regelungsvorschlag nicht genügend unterrichtet waren. Die Erklärung des Zentralkomitees ist auch insofern bemerkenswert, als in ihr behauptet wird, der Entwurf gefährde den Bestand der Institution Ehe. Es wird deutlich, wie sehr das Zentralkomitee institutionellem Denken verhaftet ist und wie wenig dabei die Rede von den Menschen ist, um die es doch schließlich geht, und von den konkreten Auswirkungen, die dieses Eherechtsreformgesetz für sie hat. Die Stellungnahme des Arbeitskreises für Eherecht beim Kommissariat der Deutschen Bischöfe vom 10. Oktober 1975 hebt sich von einer derartigen Stellungnahme insofern ab, als in ihr immerhin ausgeführt wird, es seien nicht nur die konkrete Lebensgemeinschaft zweier Ehepartner, sondern darüber hinaus Ehe und Familie als Institution unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen Ehe und Familie nicht nur und auch nicht vorwiegend als eine Institution sehen und darüber den Menschen, sein Glück und sein Leid vergessen oder in den Hintergrund treten lassen. Im Mittelpunkt aller Politik steht der Mensch. Institutionen sind nichts ohne den Menschen. Institutionen sind in dem Maße gut, wie sie dem Menschen dienen. Wer die Ehe als Institution im Auge hat und dabei den Menschen und seine Sehnsucht nach Erfüllung, Glück und Zufriedenheit übersieht oder hintanstellt, der mag zu manchen Dingen fähig sein, ein guter Berater des Gesetzgebers ist er jedenfalls nicht. Bei der Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf kommt einerseits immer wieder hoch, daß dadurch die Scheidung erleichtert werde. Andererseits - hier darf ich z. B. auf Äußerungen von Herrn Dr. Lenz und Frau Will-Feld hinweisen - wird vorgebracht, das neue Scheidungsrecht, insbesondere der Versorgungsausgleich, bringe vor allem für die Männer solche zusätzlichen Belastungen mit sich, daß die Scheidung zukünftig schwerer statt leichter werde und - ich zitiere Frau Kollegin Will-Feld jetzt wörtlich - „die Unauflöslichkeit der Ehe durch die ökonomischen Daten wieder eingeführt werde". Dazu ist zu sagen.: Unsere Aufgabe bei einem neuen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht besteht nicht darin, die Scheidung zu erleichtern oder zu erschweren. Wir müssen ein Gesetz schaffen, das auf die bei einer Scheidung auftauchenden Probleme eine Antwort gibt, eine Antwort, die vor den Postulaten der Gerechtigkeit, der sozialen Ausgewogenheit und der Menschlichkeit Bestand hat. Wir halten es daher für wenig sachdienlich, den vorliegenden Gesetzentwurf mit der Elle „Erleichterung oder Erschwerung der Scheidung" zu messen. Durch das Unterhaltsrecht und den Versorgungsausgleich entstehen keine negativen Auswirkungen einer Scheidung. Die ohnehin vorhandenen Folgen einer Scheidung werden durch das Gesetz lediglich zwischen den Ehegatten aufgeteilt. Nach geltendem Recht ist diese Lastenverteilung ungerecht, weil sie den sozial Starken begünstigt und den sozial Schwachen benachteiligt. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diese Ungerechtigkeit beseitigen und die soziale Symmetrie auch im Scheidungsfolgenrecht herstellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ich dargelegt habe, wird das neue Eherecht für die Frauen mehr Gleichberechtigung bringen und für Gerechtigkeit und soziale Ausgewogenheit im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht sorgen. Darüber hinaus stärkt das neue Eherecht Ehe und Familie. Indem das Eherecht für mehr Gleichberechtigung in der Ehe sorgt, leistet es einen Beitrag dazu, daß die Ehe als Partnerschaft Gleichberechtigter, Gleichverpflichteter und Gleichwertiger verstanden und gelebt wird. Nur eine partnerschaftliche Ehe kann aber unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen und den absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bestand haben. ({8}) - Seien Sie doch nicht so ungeduldig, Herr Erhard; es kommt ja noch. Das neue Eherecht schützt und stärkt die Familie ferner, indem es dafür sorgt, daß Ehen, die nur noch auf dem Papier existieren, nicht länger zeitlich unbegrenzt von Rechts wegen aufrecht erhalten werden müssen. Ein Recht, das Ehen bewahren will, von denen nur noch die leere Hülse des rechtlichen Bandes vorhanden ist, schützt die Ehe nicht, sondern diskriminiert sie. ({9}) Es leistet der Bildung nicht legalisierter Lebensgemeinschaften Vorschub und entspricht weder der Menschenwürde noch der Menschlichkeit. ({10}) Ein Recht, meine Damen und Herren, das Ehegatten, obwohl ihre Ehe auch aus ihrer Sicht zerstört ist, dazu zwingt, an der Ehe festzuhalten, ja sich an diese Ehe festzuklammern, ({11}) weil im Falle einer Scheidung ihr Lebensunterhalt, vor allem aber ihre Altersversorgung nicht gesichert ist, degradiert die Ehe zum bloßen Versorgungsinstitut; es dient der Institution Ehe nicht, es gefährdet, ja es untergräbt sie. Ein Recht, das die gemeinsame Lebensleistung der Ehegatten im Falle der Scheidung nur unter Bedingungen akzeptiert und sie bei Nichtvorliegen dieser Bedingungen ignoriert, relativiert die sich aus der Eheschließung und der gemeinsamen Lebensführung ergebende Verantwortung in einem solchen Maße, daß darin eine Relativierung der Ehe selbst liegt. Diese für Ehe und Familie schädlichen Wirkungen des geltenden Rechts werden durch das neue Eherecht beseitigt. Darüber hinaus schützt die erstmals vorgesehene besondere Verfahrensgestaltung vor Familiengerichten, insbesondere der Verhandlungsund Entscheidungsverbund zwischen Scheidung und Scheidungsfolgen nicht nur die Ehe als solche, sondern auch die Ehegatten selbst, indem vorzeitigen und voreiligen Scheidungen entgegengewirkt wird. Heute ist es so, daß zunächst die Scheidung durch14408 geführt werden muß und erst anschließend in völlig neuen und selbständigen Verfahren vor neuen Richtern die Scheidungsfolgen geregelt werden. Ich habe einmal nachgerechnet, daß mit einer Scheidung in erster Instanz sechs Richter des Landgerichts und vier Richter des Amtsgerichts in sechs Verfahren befaßt sein können. Dieses Durcheinander von Zuständigkeiten und Verfahren wird es nach der Errichtung der Familiengerichte nicht mehr geben. Alle aus dem Scheitern einer Ehe resultierenden Fragen werden zukünftig von einem Richter, dem Familienrichter, entschieden, und zwar nicht in bis zu sechs Verfahren, sondern, soweit das irgend möglich ist, in einem einzigen Verfahren. ({12}) Damit wird nicht nur der Arbeitsaufwand verringert, und zwar sowohl auf seiten der Parteien als auch bei der Justiz. Wichtiger ist, daß Zusammenhängendes nicht auseinandergerissen wird, daß eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung eines einheitlichen Lebensvorganges stattfinden kann und sachgerechte Entscheidungen möglich sind. Das gilt um so mehr, als der Familienrichter sich auf die Familiensachen spezialisieren kann, d. h., sich in diesem Rechtsgebiet größere Erfahrung, aber auch tiefere juristische Kenntnisse zu verschaffen vermag. Die wichtigste Folge des Verhandlungs- und Entscheidungsverbundes - jetzt passen Sie gut auf, Herr Erhardt - ist - darauf hat der Bischof von Osnabrück zu Recht hingewiesen -, daß durch die möglichst gleichzeitige Verhandlung und Entscheidung der Scheidung selbst und der Folgeverfahren jedem Ehegatten vor der Ehescheidung unmißverständlich klar wird, welche Konsequenzen die Scheidung mit sich bringt. Gerade dadurch ist es möglich, voreilige Scheidungen zu verhindern und das Verantwortungsbewußtsein der Ehegatten zu stärken. ({13}) - Sie haben eine ungeheure Skepsis, Herr Erhardt, gegenüber der Verantwortungsfähigkeit des Menschen. Wir teilen diese Skepsis nicht. ({14}) Auch in diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist erneut darauf hinzuweisen, daß der Familienrichter das Scheidungsverfahren von Amts wegen, also notfalls auch gegen den Willen des Ehegatten, der geschieden werden will, aussetzen kann, wenn nach seiner Überzeugung Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht oder die Aussetzung aus anderen Gründen billig erscheint. Mit der Aussetzung soll das Familiengericht den Ehegatten nahelegen, eine Eheberatungsstelle in Anspruch zu nehmen. Auch durch all dies wird erreicht, daß jede Chance zur Aufrechterhaltung und Fortsetzung der Ehe ausgeschöpft werden kann. Die ehefreundliche Tendenz des neuen Eherechts wird damit eindringlich unterstrichen. ({15}) Das Eherechtsreformgesetz wird die durch das geltende Recht in Frage gestellte Glaubwürdigkeit des Ehescheidungsverfahrens wiederherstellen. Die Gerichte werden nicht länger genötigt sein, auf Verlangen der Parteien jedes wie auch immer geartete Verhalten von Ehegatten als „ehewidrig" oder „nicht ehewidrig" kategorisieren und in die Privat- und Intimsphäre der Ehe eindringen zu müssen. Die Parteien und die Gerichte brauchen nicht länger das als Ursache einer Ehezerrüttung zu bezeichnen, was in Wahrheit nicht Ursache, sondern Folge einer bereits eingetretenen Zerrüttung ist. Es wird auch nicht mehr vorkommen, daß Eheleute in Kenntnis des Gerichts über die Scheidung streiten müssen, obwohl beide geschieden werden wollen und den Kampf um die Scheidung nur führen wegen der vom Ausgang des Scheidungsverfahrens abhängigen Scheidungsfolgenregelung. Von besonderer Bedeutung für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit des gerichtlichen Verfahrens ist es, daß nunmehr endlich die einverständliche Scheidung vom Gesetzgeber anerkannt wird. Parteien und Gerichte müssen zukünftig nicht mehr so tun, als gäbe es sie nicht. Die Gerichte brauchen nicht mehr vorzuspiegeln, das Einverständnis der Parteien sei rechtlich ohne Bedeutung. Die Parteien werden bei Konventionalscheidungen vom Gesetz nicht mehr in die Zwangslage gebracht, entweder sie nicht belastende und damit meist unwichtige sogenannte „Eheverfehlungen" vorzutragen oder überhaupt nicht vorliegende Eheverfehlungen zu fingieren. Die Gerichte brauchen sich nicht länger so zu verhalten, als wüßten sie nicht, welches Scheingefecht sich vor ihnen abspielt. Die Gerichte brauchen vor allem nicht länger bei einer derartigen Farce mitzuspielen. Viele Rechtsuchende, viele Rechtsanwälte und viele Richter haben sich mit Empörung und Widerwillen gegen dieses Spiel mit der Wahrheit vor Gericht gewehrt. Zu Recht: wenn vor Gericht nicht mehr die Wahrheit zählt, sondern Spiegelfechterei, die halbe Wahrheit und statt des Seins der Schein verlangt wird, so werden die Würde des Rechts und der Rechtsstaat preisgegeben. Wir begrüßen es, meine Damen und Herren, daß die CDU/CSU nach gewissen Startschwierigkeiten, die durchaus verständlich sind, mehrheitlich das Erste Eherechtsreformgesetz, aus welchen Motiven auch immer, in seinen Grundzügen mitträgt. Einigkeit besteht darüber, daß folgende Grundsatzentscheidungen zu treffen sind: Erstens. Die gesetzliche Fixierung verheirateter Frauen auf die Rolle der Hausfrau wird beseitigt. Zweitens. Im Ehescheidungsrecht soll das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt werden. Drittens. Dadurch wird der Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit nicht in Frage gestellt. Viertens. Eine dreijährige Trennung rechtfertigt die Vermutung, daß die Ehe endgültig gescheitert ist. Fünftens. Selbst demjenigen, der die Ehe allein oder mutwillig zerstört hat, darf die Scheidung zeitlich nicht unbegrenzt verweigert werden. Sechstens. Die Gerichte sollen in Ehescheidungsfragen, soweit das möglich ist, nicht mehr gezwungen werden können, in die Privat- und Intimsphäre der Ehegatten einzudringen. Siebtens. Übereilten Scheidungen muß entgegengewirkt werden. Achtens. Die Ehescheidung hebt die sich aus der Ehe ergebende Verantwortung für den Ehepartner in wirtschaftlicher Hinsicht insoweit nicht auf, als dieser infolge der Scheidung nicht in der Lage ist, für seinen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Neuntens. Während der Ehe erworbene Anwartschaften und Aussichten auf Versorgung wegen Alter und Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sollen wie während der Ehe erworbenes Vermögen als von beiden Ehegatten erarbeitet behandelt und zwischen ihnen zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Zehntens. Scheidungs- und Scheidungsfolgeverfahren sollen zukünftig von einem Richter, dem Familienrichter, möglichst in einem Verfahren verhandelt und entschieden werden. Richtig ist, daß die Opposition nicht allen Paragraphen dieses Gesetzentwurfs zustimmt. Der leider noch verbliebene Dissens ist aber erheblich geringer, als das in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Er betrifft im wesentlichen folgende Punkte: Erstens. Die Opposition will bei einer Scheidung nach dem Grundtatbestand dem Antragsgegner ein bedingtes Widerspruchsrecht gegen die Scheidung einräumen. Die Abweichung vom vorliegenden Gesetzentwurf wird dadurch relativiert, daß dieser Widerspruch einerseits nur in den ersten drei Jahren nach der Trennung geltend gemacht werden kann und andererseits unser Entwurf die Aussetzung des Verfahrens bis zu einem Jahr zuläßt. Zweitens. Die Opposition will, daß die Vermutung, die Ehe sei bei dreijähriger Trennung gescheitert, widerlegbar sein soll. Das würde am Ergebnis des Scheidungsverfahrens, nämlich daß die Scheidung trotzdem erfolgt, praktisch nichts ändern, weil der Beweis kaum zu führen sein dürfte, daß trotz dreijähriger Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Ehe noch intakt ist. Drittens. Die Opposition will die Härteklausel erweitern, wird aber nicht in Abrede stellen können, daß ihr Anwendungsbereich gleichwohl so eng bleibt, daß auch insoweit keine wirklich ins Gewicht fallenden praktischen Folgen einträten. Das gilt um so mehr, als auch die Opposition anerkennt, daß der Anwendungsbereich einer ihren Vorstellungen entsprechenden Härteklausel mit zunehmender Dauer der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft immer geringer wird. Viertens. Im Unterhaltsrecht hält die Opposition einen anderen dogmatischen Ausgangspunkt für richtig. Die Unterschiede, die sich daraus für die Gesetzesanwendung ergeben, muß man mit der Lupe suchen, um sie überhaupt erkennen zu können. Fünftens. Die Opposition möchte schließlich, daß der Versorgungsausgleich bei Eingehung der Ehe durch übereinstimmende Erklärung der Ehegatten abdingbar sein soll. Wenn man sich überlegt, wie wenig von einer derartigen Möglichkeit Gebrauch gemacht würde, so wird deutlich, daß dieses Änderungsbegehren gleichfalls nur eine geringe praktische Bedeutung hat. Ich will die zwischen Koalition und Opposition in einzelnen Fragen bestehenden Divergenzen keineswegs herunterspielen. Ich möchte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, jedoch bitten, die zwischen uns und Ihnen bestehenden Differenzen nicht hochzuspielen und sie nicht aufzubauschen. ({16}) Wir alle, die Koalition und die Opposition, vor allem aber die Bürger unseres Landes, brauchen in Lebensfragen unseres Staates und unserer Gesellschaft eine Grundübereinstimmung der Demokraten. Gerade für Ehe und Familie ist eine solche Grundübereinstimmung der Demokraten erforderlich. ({17}) Diese Grundübereinstimmung ist vorhanden. Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, als sei das nicht der Fall. ({18}) Abschließend möchte ich für meine Fraktion allen danken, die geholfen haben, diese Eherechtsreform zustande zu bringen; denen, die sie mit uns initiiert, konzipiert und formuliert haben; denen, die uns ermutigt und angespornt haben; und last not least auch denen, die uns ihre Kritik geschenkt und die mit uns gestritten haben. Sie alle haben einen nicht wegzudenkenden Anteil daran, daß der Deutsche Bundestag heute das erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts beschließen kann. ({19})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Mikat.

Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Mikat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel gehört das Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts, das wir jetzt in zweiter Lesung zu beraten haben, zu den tief in unsere Rechtsordnung eingreifenden Gesetzen, auch wenn - das sage ich an die Adresse von uns allen - die Präsenz im Plenum in umgekehrtem Verhältnis zu der Bedeutung dieses Werkes steht. ({0}) Allein die Tatsache der Bedeutung dieses Gesetzes macht es notwendig, auch in der zweiten Lesung - die die Stunde der Einzelanträge ist - vor dem Hohen Haus einleitend auf die Grundsätze hinzuweisen, von denen unsere Haltung zu dem Gesetz insgesamt wie zu unseren einzelnen Anträgen bestimmt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in seinen berühmten „Grundlinien der Philosophie des Rechts" hat Georg Wilhelm Friedrich Hegel die Ehe als das „unmittelbare sittliche Verhältnis" und die Familie als „sittliche Wurzel des Staates" beschrieben. In der Tat wirken sich sittliche Wertvorstellungen und weltanschauliche Standpunkte in wohl kaum einem anderen Zivilrechtsbereich so intensiv und folgenschwer aus wie im Ehe- und Familienrecht, und hier insbesondere im Recht der Ehescheidung. In der heutigen Debatte über die Reform des Ehe- und Familienrechts ist es daher notwendig, sich zunächst auf diejenigen allgemeinverbindlichen Wertvorstellungen von Ehe und Familie zurückzubesinnen, die unserer verfassungsrechtlichen Ordnung zugrunde liegen. Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Auf welchen Wertvorstellungen diese Bestimmung beruht, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem denkwürdigen Gleichberechtigungsurteil vom 29. Juli 1959 festgestellt. Danach ist die Ehe auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft und die Familie die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen. In demselben Urteil wird sodann ausgeführt, daß „dieser Ordnungskern der Institute für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar ist". Es hieße dieses Urteil mißverstehen, wenn man darin eine Anerkennung und Sanktionierung eines kirchlich gebundenen Ethos erblicken würde. Staatliches Recht wird noch nicht dadurch zu einer Umsetzung kirchlicher Forderungen in Rechtsnormen, daß es mit den Wertvorstellungen beider oder einer der großen christlichen Kirchen im Ergebnis ganz oder teilweise übereinstimmt. ({1}) Die Gleichheit der Forderungen bedingt nicht ohne weiteres die Gleichheit der jeweils zugrundeliegenden Motive und Zielsetzungen. Es widerspräche im übrigen auch dem Selbstverständnis des eine pluralistische Gesellschaftsordnung voraussetzenden säkularen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, wenn er sich unbesehen die Wertvorstellungen einer oder mehrerer großer Gruppen der Gesellschaft zu eigen machte. Das schließt natürlich nicht aus, daß die christlichen Kirchen wie auch andere Gruppen unserer Gesellschaft an dem für unsere Gesetzgebung wichtigen Wertbildungs- und Meinungsbildungsprozeß teilnehmen. Wir sind dankbar für die Mitarbeit und Mitsorge, mit der gerade die christlichen Kirchen die Ehe- und Familienrechtsreform in unserem Land begleitet haben. ({2}) Das festzustellen mindert aber nichts an der Tatsache, daß es dem säkularen Staat verwehrt ist, transzendentale Vorstellungen als solche zur Grundlage staatlicher Gesetzgebung zu machen. Andererseits wäre es verfehlt - und nur Ausdruck einer ebenso naiven wie ahistorischen Betrachtungsweise -, wollte man die Existenz eines in erster Linie durch Wertvorstellungen christlichen Ursprungs geprägten Ehebildes in unserem Lande schlechthin leugnen. ({3}) Jede Rechtsordnung steht in der Kontinuität ihrer Geschichte und kann hieraus nicht einfach entlassen werden, ({4}) weil anderenfalls Rechtsbewußtsein und Rechtsüberzeugung schweren Schaden nehmen. Dieser Tatsache hat jede sinnvolle und verantwortungsbewußte Rechtsreform Rechnung zu tragen, soll sie nicht Gefahr laufen, zum bloßen Instrument einer billigen Anpassungsideologie an vorübergehende modische Zeitströmungen herabzusinken. ({5}) Bei der kritischen Überprüfung des Bestehenden im Hinblick auf seine Verbindlichkeit für Gegenwart und Zukunft stellt das Festhalten an bewährter Überlieferung ein unentbehrliches Mittel der Rechtsfortbildung dar. Dieser Ausgangspunkt ist kein Vorurteil und kein Beharren auf Ewig-Gestrigem, sondern Respekt vor dem, was sich in langer, stetiger Entwicklung erfahrungsgemäß als kulturelles Gemeingut gefestigt hat. Der Gesetzgeber muß sich deshalb stets fragen, was er mit Neuerungen einhandelt, bevor er sich vom bewährten Überkommenen abwendet. ({6}) In diesem Sinne - das sei allen überstürzten Ideologen und sogenannten Progressiven ins Stammbuch geschrieben - ist der echte, nach vorn gerichtete Konservative geschichtlich in die Zukunft gerichtet und damit stärker als reaktionäre Progressive. ({7}) Denn nicht zu Unrecht, meine Damen und Herren, gelten stabile Institutionen als Gradmesser der Fähigkeiten eines Volkes. In Geschichte und Gegenwart, in Idee und Wirklichkeit ist die Ehescheidung jedenfalls Ausnahme. Wer schon in der bloßen Existenz der Scheidungsmöglichkeit den Gegenbeweis sieht, macht die Ausnahme zur Regel und verkennt damit die historischen Bezüge, aus denen die Ehe auch in ihrer bürgerlich-rechtlichen Form ausgestaltet worden ist. Die zwar nicht absolute, wohl aber grundsätzliche Unauflöslichkeit der Ehe findet diesseits aller religiösen Motivation ihre Grundlage in dem von der allgemeinen, d. h. von der geschichtlichen Erfahrung und der philosophischen Ethik aussagbaren Sinngehalt der Ehe als dem Ort einer Gemeinschaft für das ganze Leben, einer Gemeinschaft, die in sehr hohem Maße gegenseitiges Vertrauen, opferwillige Bereitschaft und langfristige Lebensdisposition mit dem Ehepartner voraussetzt und die deswegen keinen Rücktrittsvorbehalt verträgt. Wie problematisch und gebrochen eine solche eheliche Gemeinschaft im Einzelfall auch immer sein mag und welche Hilfen dann die staatliche Rechtsordnung auch anzubieten hat, sie hat unter allen Umständen von ihrer institutionellen Anlage her die Tendenz zur Dauer in sich. Diese Erkenntnis hat mit Konfessionalismus nichts zu tun, sie entspringt der sozialen Wirklichkeit, in der eine entsprechende Erwartungshaltung der Eheleute als realer Faktor vorhanden ist. Indem der Gesetzgeber die Ehe auch als Institut schützt und in seinem Eherecht bestimmte Forderungen an die Eheleute stellt und Sie andererseits auch in bestimmten Erwartungen schützt, zieht er gleichermaßen Konsequenzen aus der anthropologischen Gegebenheit, daß der als Mängelwesen instinktarme Mensch für gleiche Situationen in seiner persönlichen Lebensführung stereotype Modelle von Verhaltensfiguren schafft, die ihm als überpersönliches oder, wenn man so will, als institutionelles Verhaltensmuster eine willkommene Hilfe bei der Bewältigung eigener Lebensaufgaben bieten und so seine Kräfte für andere persönliche Aufgaben und Ziele freisetzen. In diesem Sinne kann man mit der modernen Soziologie von einer Entlastungsfunktion der Institutionen sprechen, die zugleich zur Stabilisierung der persönlichen Unsicherheit führt und die Persönlichkeitsbildung und Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen ermöglicht oder fördert. So erlebt der einzelne auch die Ehe - worauf Arnold Gehlen zutreffend hingewiesen hat - „wie ein überpersönliches, vorgefundenes Muster, in das er sich einordnet", und so entsteht für ihn jene „wohltuende Fraglosigkeit in den Elementardaten, eine lebenswichtige Entlastung, weil von diesem Unterbau innerer und äußerer Gewohnheiten her die geistigen Energien nach oben abgegeben werden können, und das ist, was Freiheit auch bedeuten kann". Das Leitbild der auf lebenszeitliche Dauer angelegten Ehe entspricht im übrigen den Ergebnissen moderner Persönlichkeitspsychologie. Personale Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung - die etwas anderes sind als die einseitige Befriedigung eines individualistischen Glücks- und Erfolgsstrebens, das ja in seiner Bedeutung nicht verkannt werden soll - erheischen eine dauerhafte Bindung. Dazu gehört der verantwortliche Wille, Mißstimmungen und Unzufriedenheiten, wie sie in jeder Ehe vorkommen können, in einer grundsätzlich positiven und bejahenden Einstellung zur eigenen Ehe zu meistern und zu überwinden. Die Ehe ist kein Vertragsverhältnis, das in seinem Bestand vom Belieben beider Eheleute abhängt und darauf abstellt, ob und wie lange und unter welchen Bedingungen beide noch beieinanderbleiben wollen oder nicht. Es wäre verhängnisvoll, in diesem Zusammenhang die weltanschauliche Neutralität des pluralistisch verfaßten demokratischen Staates als Wertlosigkeit zu mißdeuten, um dann im Namen des Pluralismus die Schwelle von der Toleranz in den Nihilismus des Geltenlassens von schlechthin allem zu überschreiten. ({8}) Gewiß, der eigentliche Kern der Ehe, die personale Begegnung und Bindung, ist einer Regelung durch die staatliche Gesetzgebung weitgehend entzogen. Es sind die Eheleute, die ihre Ehe zu gestalten haben, und nicht der Staat. Dieser Sachverhalt darf aber nicht dazu verführen, in der Ehe staatlicherseits nur die juristische Gestaltung zweier in ihrer Individualität im übrigen unberührt bleibender Menschen zu sehen. Denn dann wäre die Ehe in der Tat nichts anderes als eine dem Gesetz angepaßte Form des Zusammenlebens ohne inneren Gehalt. Staatliches Ehe- und vor allem staatliches Ehescheidungsrecht hat eine Leitbildfunktion für die soziale Wirklichkeit und kann sich von daher nicht nur auf die gesetzliche Fixierung von Konfliktlösungen beschränken. Die CDU/CSU-Fraktion hält es deshalb für geboten, das unserer Verfassung zugrunde liegende, für uns alle verbindliche und von uns allen zu akzeptierende Leitbild der Ehe im neuen Eherecht gesetzlich zu beschreiben; dies um so mehr, als der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip es mit sich bringt, daß im künftigen Recht ohne eine solche klarstellende Bestimmung die Wertvorstellungen des Gesetzgebers zu Ehe und Familie nicht einmal mehr auf dem Wege des Umkehrschlusses interpretierbar sind. Die mit unserem entsprechenden Änderungsantrag, der noch näher begründet wird, begehrte Neufassung des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ist für uns kein überflüssiges Rankenwerk, sondern ein klares Bekenntnis zu einer Wertentscheidung unserer Verfassung. ({9}) Sicher wird das Leitbild der Ehe noch stärker als durch Gesetze vor allem von Erziehung und menschlichem Vorbild geprägt. Hier, so befürchten wir, liegen Versäumnisse, deren Folgen auszuräumen in der Zukunft nicht leicht sein wird. Was wird denn an unseren Schulen in dieser Hinsicht getan? Wird von aller staatlichen Gewalt - und die Schulen und die hierfür Verantwortlichen gehören ja dazu -die besondere Obhutspflicht des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes überhaupt in gebührender Weise wahrgenommen? Ich meine, daß hier manches im argen liegt. Es ist mehr als an der Zeit, vornehmlich auf dem pädagogischen Sektor dafür Sorge zu tragen, daß die Leitbilder von Ehe und Familie so, wie sie dem Verständnis unserer grundgesetzlichen Ordnung entsprechen, unseren jugendlichen und jungen Mitbürgern wieder als positive Wertvorstellungen nahegebracht werden. ({10}) Hier gilt, was auch für den Gesamtaufbau unseres staatlichen Gemeinwesens gilt. Bei aller Bedeutung, die dem Problem von Konflikten und Konfliktlösung zukommt: Jede Sicht, die menschliches Zusammenleben, die staatliche Ordnung ausschließlich vom Konflikt her sieht und nicht von den positiven Wertgehalten der Gemeinschaften und Institutionen, führt letzten Endes zur Verneinung und zur Auf14412 gabe dieser Ordnung. Das ist der Punkt, um den es geht! ({11}) Staatliche Erziehung kann sich nicht mit der bloßen Vermittlung von Fähigkeiten zur kritischen Analyse der sozialen Wirklichkeit zufriedengeben; ihr ist es auch aufgegeben, die zentralen normativen Begriffe der Rechts- und Verfassungsordnung wertend zu festigen und zu schützen. Staatliches Ehe- und Familienrecht hat aber nicht nur eine Leitbildfunktion. Ihm fallen auch Gestaltungs- und Ordnungsaufgaben zu, denen sich der Gesetzgeber nicht entziehen kann und nicht entziehen darf. Denn Ehe und Familie sind nicht nur isolierte, private Intimbereiche, sondern zugleich auch in Kommunikation mit der Gemeinschaft der übrigen Bürger stehende soziale Lebens- und Rechtsverhältnisse. Der Zustand der einzelnen, konkreten Familie ist für die Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung, daß er von der staatlichen Rechtsordnung nicht negiert und ausgeklammert werden kann. Zwar neigt unsere Zeit dazu, den privaten Intimbereich für dem Gesetzgeber entzogen zu halten, und eine Auffassung, die in der Ehe ausschließlich einen privaten Intimbereich sieht, wird dann zwangsläufig zu einer völligen Minimalisierung des staatlichen Eherechts führen müssen. Geht man aber davon aus, daß auch die einzelne konkrete Ehe in Beziehung zur Gesellschaft steht - ein Tatbestand, der besonders bei der gestörten oder zerbrochenen Ehe gravierend in Erscheinung tritt -, so wird man allein schon auf Grund der dem staatlichen Gesetzgeber obliegenden Sozialverpflichtung nicht darauf verzichten können, der staatlichen Rechtsordnung auch die Verpflichtung zuzuweisen, das Ehe- und Familienrecht entsprechend der Funktion von Ehe und Familie in der Gesellschaft auszugestalten. Die Tatsache, daß wir es heute in unserem Kulturbereich ausschließlich mit der Kleinfamilie zu tun haben - also mit einer Familienform, die vielfach als Ausdruck des privaten Intimbereichs gilt -, zwingt den staatlichen Gesetzgeber nicht, wie man vielleicht zunächst meinen könnte, zu einer Reduktion, sondern zu einer Ausweitung seiner ehe- und familienrechtlichen Vorschriften. Das gilt insbesondere für den vermögensrechtlichen Bereich, z. B. für das eheliche Güterrecht, das Unterhaltsrecht, für die rechtlichen Folgen der Eheauflösung; aber auch die erbrechtlichen Bestimmungen und andere mehr wären hier zu nennen. Diese Tendenz zur Ausweitung und Differenzierung der ehe- und familienrechtlichen Gesetzgebung sollte nicht mit der auf anderen Gebieten zu beobachtenden Neigung des modernen Staates zu möglichst umfassender gesetzlicher Regelung verwechselt werden. Sie ist vielmehr zwangsläufig, da mit dem Wegfall der Großfamilie bzw. der größeren Familie für die einzelne Ehe und Familie zugleich ein Verlust an gesellschaftlicher Stabilität und sozialer Sicherheit eintrat, der die staatliche Regelungsfunktion im Interesse des einzelnen auslösen mußte. Von hierher wird auch einsichtig, daß sich die eigentlich tragenden ehe- und familienrechtlichen Vorschriften - sieht man einmal vom Eheschließungsrecht ab - mit der gestörten oder gar zerbrochenen Ehe und Familie befassen. Es ist - dies vorausgeschickt - nur konsequent, daß im Mittelpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Reform des Ehe- und Familienrechts ebenfalls die Neugestaltung des Rechts der Ehescheidung und ihrer Folgen steht. In ihrer Haltung zu diesem Reformwerk bleiben für die CDU/CSU-Fraktion die drei Grundsätze und Forderungen bestimmend, die ich dem Hohen Hause für meine Fraktion von dieser Stelle aus schon bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs zur Reform des Ehe- und Familienrechts in der 6. Legislaturperiode vorgetragen habe. Erstens: Entsprechend dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Ehe muß auch im neuen Scheidungsrecht klargestellt sein, daß jede Ehescheidung nur Ausnahme von der prinzipiell unauflöslichen, auf Lebenszeit angelegten Ehe ist. Zweitens: Das neue Recht muß die besondere Sozialfunktion des Ehe- und Familienrechts insgesamt und in allen Details berücksichtigen und verdeutlichen. Drittens: Das neue Recht darf keinem Automatismus und Schematismus huldigen, sondern muß dem jeder Rechtsordnung immanenten Gebot der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen. ({12}) Wer wirklich humanes Recht will, muß das Recht am Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit orientieren und muß dem Gericht oder künftig dem Familienrichter die Möglichkeit geben, dem Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit entsprechen zu können. ({13}) Die Rechtsordnung kann sich nicht damit begnügen, durch das staatliche Ehescheidungsrecht ein möglichst schnelles, unauffälliges und unverbindliches Auseinandergehen der Eheleute in die Wege zu leiten. Sie hat vielmehr zur Überwindung von Konflikten beizutragen, indem sie Einrichtungen zur Verfügung stellt und Maßnahmen vorsieht, die der Wiederversöhnung der Ehepartner dienen können. Positive soziale Maßnahmen fördern nämlich weit mehr noch als ein strenges Scheidungsrecht Erhaltung und Bestand einer Ehe und einer Familie. Im Falle einer endgültig und unheilbar zerstörten Ehe sollte durch das staatliche Eherecht jedoch sichergestellt sein, daß diese Ehe durch richterlichen Urteilsspruch mit einem Maximum an Fairneß und Praktikabilität, einem Minimum an Bitterkeit und einem Optimum an sozialer Verantwortlichkeit gegenüber und unter allen Beteiligten geschieden werden kann. Die Praxis der Scheidungsgerichtsbarkeit hat gezeigt, daß das geltende Scheidungsrecht unter der Herrschaft des Verschuldensprinzips dieser Maxime nur sehr unvollkommen hat nachkommen können. In seinem Ausgangspunkt, nämlich der Annahme, daß der für das Zerbrechen der Ehe Verantwortliche eindeutig ermittelbar sei, ist das Verschuldensprinzip der Komplexität menschlicher SchuldverstrikDr. Mikat kung und den Möglichkeiten richterlicher Erkenntnisse nicht gerecht geworden, hat oft nicht Befriedigung der Verhältnisse bewirkt, sondern - im Kampf um den Schuldspruch - neue und tiefere Bitterkeit erzeugt. Im einverständlichen Unterlaufen des geltenden Rechts durch heimliche schuldübernehmende Scheidungsabsprachen über das beiderseitige Vorbringen vor Gericht wurde und wird zu viel Unwahrhaftigkeit gefördert, so daß kaum noch von Achtung vor dem derzeit geltenden Scheidungsrecht die Rede sein kann. Auch die CDU/CSU tritt daher dafür ein, im neuen Scheidungsrecht das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen. Wir wollen jedoch, worauf ich früher schon hingewiesen habe, keinen Zweifel darüber lassen, daß nach unserer Auffassung kein Anlaß dafür gegeben ist, allein den Abschied vom Verschuldensprinzip schon lautstark als Fortschritt zu feiern. Für sich allein genommen ist der Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip noch kein Fortschritt und noch keine verheißungsvolle Reform. Die Ersetzung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip darf vor allem nicht einer Flucht der Eheleute aus ihrer sittlichen Verantwortung für Bestand und Gestaltung ihrer Ehe Vorschub leisten. ({14}) Daß das wertblinde Zerrüttungsprinzip eine solche Gefahr in sich birgt, ist nicht zu verkennen. Gerade darum müssen wir bei der Neugestaltung des Ehescheidungsrechts deutlich machen, daß die Abkehr vom Verschuldensprinzip kein Freibrief zur Verantwortungslosigkeit ist, ({15}) daß wir zwar auf die Schuldfeststellung verzichten wollen, aber darum wissen, daß es künftig ebenso wie früher Schuld und Verantwortung gibt. Ich darf auch hier noch einmal betonen, was ich 1971 von dieser Stelle aus ausführte: Eine Rechtsordnung, die Schuld und Verantwortung nicht mehr kennt, degradiert den Menschen letztlich zum pathologischen Fall. ({16}) Gehört nicht - so habe ich damals gefragt - die Möglichkeit, schuldig zu werden - schuldig werden zu können, nicht zu müssen -, zur unaufgebbaren Würde des Menschen? Wenn wir uns zur Preisgabe der Verschuldensscheidung entschlossen haben, so doch im wesentlichen darum, weil die Schuldfeststellung, die Bewertung und das Abwägen der Schuld in der scheidungsrichterlichen Praxis auf so große, oft unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Aber dies kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ein Schuldig-werden gibt, unabhängig davon, ob Gesetz oder Richterspruch es kennen oder nicht. ({17}) Bei der Ersetzung der Verschuldens- durch die Zerrüttungsscheidung wäre es an und für sich nur logisch, wenn der zentrale Begriff der Zerrüttung, und zwar der unheilbaren Zerrüttung, zum gesetzlichen Dreh- und Angelpunkt des neuen Rechts würde. Der vorliegende Gesetzentwurf hat sich jedoch dieser Logik verschlossen. Statt auf den Begriff der unheilbaren Zerrüttung stellt er auf den des Scheiterns ab, was man nach allen Einlassungen, die Regierung und Koalition uns zum Begriff des Zerrüttungsproblems vortragen, überhaupt nicht versteht. Dennoch, dahinter steckt ja eine Absicht. - Statt auf den Begriff der unheilbaren Zerrüttung wird - noch einmal sei es gesagt - bei Ihnen auf den Begriff des Scheiterns abgestellt. Dieser Umstellung vermag die CDU/ CSU-Fraktion ihre Zustimmung nicht zu geben. Zum einen ist der Begriff der unheilbaren Zerrüttung nicht nur von unserer Rechtsprechung bereits erläutert und ausgestaltet, sondern er findet sich auch in den Rechtsordnungen unserer europäischen Nachbarn und könnte deswegen bei seiner Weiterverwendung in unserem Scheidungsrecht die Lösung von Fragen aus dem Bereiche des internationalen Ehe- und Familienrechts erleichtern. Zum anderen haftet dem Begriff des Scheiterns ein Moment des Schicksalhaften an; ({18}) er assoziiert die Vorstellung, daß jede fehlgeschlagene Ehe im Grunde nur das Ergebnis außerpersönlicher, anonymer Fremddetermination sei und nicht auch wesentlich oder doch zumeist wenigstens teilweise menschlichen Versagens ({19}) vor einer selbst gestellten und freiwillig übernommenen Verpflichtung. Wir sollten nicht unnötig in unserer Rechtsordnung jenen geistigen Zeitströmungen das Tor öffnen, die dazu neigen, menschliches Versagen ausschließlich dem Schicksal, der Umwelt oder den gesellschaftlichen Verhältnissen zuzuweisen. ({20}) Wohlgemerkt, ich habe gesagt: ausschließlich. ({21}) - Herr Emmerlich, ich habe nicht gesagt, daß Sie das tun; ich habe gesagt, wir sollten nicht Strömungen Tür und Tor öffnen, die dazu neigen, menschliches Versagen ausschließlich diesen Umständen zuzuweisen. ({22}) Wenn ich hier, Herr Kollege Emmerlich, Ihres Beifalls gewiß bin, um so besser! Vielleicht erleben wir dann in der Abstimmung zur zweiten Lesung noch eine Änderung Ihrer bisherigen Haltung. ({23}) Darüber hinaus würde der Begriff des Scheiterns jene Ehen abwertend etikettieren, die vor der Zerrüttung für die Ehepartner, für die gemeinsamen Kinder wie auch für Staat und Gesellschaft durchaus wertvoll waren. Ist denn eine Ehe, die 20 Jahre bestanden hat, „gescheitert"? Hat sie unter Umständen nicht ihren Sinn erfüllt, auch wenn dann eine Zerrüttung zwischen den Partnern eingetreten ist? Wollen Sie das „Scheitern" nennen? - Doch wohl kaum. Beim Übergang auf den Begriff „Scheitern" wären im übrigen auch die Differenzierungen ausgeschlossen, die beim Begriff „Zerrüttung" noch möglich sind. Die CDU/CSU-Fraktion beantragt deshalb, den in § 1565 des Gesetzentwurfs enthaltenen Satz „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist" zu ersetzen durch den Satz „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie unheilbar zerrüttet ist". ({24}) - Wenn Sie sagen, der Unterschied sei mit der Lupe zu suchen, haben Sie nicht zugehört. Sie können sagen „Ich bin anderer Meinung" ; aber die Behauptung, daß der Unterschied mit der Lupe zu suchen sei, ist allenfalls aus dem Begriff „Lupe" bei Ihnen zu erklären. ({25}) Ich weiß natürlich nicht, ob wir dasselbe meinen; wir könnten es ja einmal klären. Ein auf dem Zerrüttungsprinzip aufbauendes Scheidungsrecht bedarf jedoch wirksamer Korrektive, wenn es nicht zu neuen Ungerechtigkeiten führen soll. Das gilt sowohl für die Scheidungsgründe als auch für die Scheidungsfolgen. Bedingungsloser Prinzipientreue steht das Gebot der Einzelfallgerechtigkeit entgegen. Diesem Gebot hat das neue Recht ebenso zu entsprechen wie dem Grundsatz, daß niemand aus eigenen Rechtsverletzungen für sich günstige Rechtsfolgen herleiten kann. ({26}) Mit unserer Auffassung vom Wesen des sozialen Rechtsstaats ist es jedenfalls nicht zu vereinbaren, entscheidende Lebenskonflikte und Schicksalsfragen von Menschen von starrem Fristenschematismus und unwiderlegbaren Vermutungen abhängig zu machen. ({27}) Unter Berufung auf die konsequente Durchführung eines Prinzips und im Namen der Rechtssicherheit darf nicht letztlich inhumanes Recht gesetzt werden. Unsere Ablehnung des Fristenschematismus bedeutet freilich nicht, daß wir damit Fristen als Indiz für die richterliche Feststellung der unheilbaren Zerrüttung einer Ehe überhaupt ablehnen. Die Berücksichtigung der von uns vorgeschlagenen Trennungsfristen soll den zuständigen Richtern bei ihrer Urteilsfindung in der Regel vielmehr eine wertvolle Hilfe sein. Wir wollen allerdings nicht die Freiheit der richterlichen Entscheidungsfindung dadurch praktisch auf Null reduzieren, daß wir die Richter zwingen, lediglich auf Grund bloßen Zeitablaufs bzw. im Falle der einverständlichen Scheidung auf Grund der zusätzlichen übereinstimmenden Erklärungen der Ehegatten immer und in jedem Falle die Scheidung der Ehe automatisch aussprechen zu müssen. Sicher, auch der vorliegende Entwurf stellt es dem Richter frei, gegebenenfalls das Scheidungsverfahren auszusetzen. Aber welchen Sinn soll diese Regelung noch haben, wenn im Endeffekt auf Grund der unwiderlegbaren Vermutung der Zerrüttung - oder, um in der Sprache des Entwurfs zu bleiben, des Scheiterns - die Ehe dennoch geschieden werden muß? Die Ausgestaltung der Trennungsfristen als unwiderlegbare Vermutungen macht das Scheidungsverfahren zur Farce und die Richter zu Scheidungsautomaten, zu gerichtlich bestallten Ehescheidungsurkundsbeamten. ({28}) Sie ermöglicht darüber hinaus die Verstoßungsscheidung - zumindest hindert sie diese nicht - und entspricht damit nicht der grundgesetzlichen Obhutspflicht des Staates zum besonderen Schutz von Ehe und Familie. ({29}) Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung läßt schließlich auch den Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs völlig außer Betracht. Meine Damen und Herren, der heute schon glossierte und kolportierte Satz „Ehe kündbar, Miete unkündbar" darf nicht zur Maxime unseres Ehe-und Familienrechts werden! ({30}) - Herr Kollege Wehner, ich will jetzt mit Ihnen nicht noch in eine Diskussion darüber eintreten, ob das etwas billig ist. Ich wiederhole: Der Satz, das Diktum, das durch die Lande kursiert - ich gebe zu, daß es übertrieben ist - „Ehe kündbar, Miete unkündbar", darf nicht zur Maxime des Gesetzes werden! ({31}) - Ich brauche mich, Herr Kollege, weder auf das „Bild-Zeitungs"-Niveau herunterzubegeben noch davon zu erheben. ({32}) Ich will Ihnen eines sagen: So billig kommen Sie auch nicht davon. Ausgerechnet diejenigen von Ihnen, die durch die Lande laufen und uns vorwerfen, wir hätten nicht die Belange der Frau im Auge, wir wollten ein rückschrittliches, ein vermottetes Scheidungsrecht, erklären mir jetzt hier, wenn wir unsere Konzeption darlegen, das sei nun Niveau der „Bild-Zeitung". Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wir können dann ja auch einmal in der Sprache reden, in der oft von Ihnen zu diesem Punkte Zurufe gemacht werden. ({33}) Nur, auf dieses Niveau begebe ich mich nicht, um das hier ganz klar zu sagen. ({34}) - Das ist nicht sehr selbstgerecht, Herr Wehner; aber über die Kunst der Zwischenrufe wollen wir beide uns hier nun wirklich nicht unterhalten. ({35}) Denn da sind Sie Meister, aber mich werden Sie in diesem Punkte niemals in Ihre Lehre bekommen. ({36}) - Nun kommen wir einmal wieder hier zur Sache. - Eine unwiderlegbare Vermutung macht im übrigen jeden Vortrag eheerhaltender Tatsachen unschlüssig und jeden richterlichen Versöhnungsversuch unzulässig. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt daher die Ausgestaltung der Trennungsfristen als unwiderlegbare Vermutungen ganz entschieden ab. Wir sind ferner der Auffassung, daß eine Ehe trotz unheilbarer Zerrüttung dann nicht geschieden werden soll, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder notwendig ist oder wenn die Scheidung für den Ehegatten, der sie ablehnt und noch eine innere Bindung an die Ehe hat, auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten eine unzumutbare Härte darstellen würde. ({37}) Wenn wir in unserem Änderungsvorschlag zu den Scheidungsvoraussetzungen auf das Interesse der minderjährigen Kinder an der Aufrechterhaltung der Ehe abstellen, so übersehen wir dabei nicht die Tatsache, daß dem Interesse der Kinder durch die Aufrechterhaltung einer unheilbar zerrütteten Ehe zumeist nicht gedient ist; das sehen wir durchaus. Es sind jedoch Fälle denkbar, für die eine solche Kinderschutzklausel erforderlich ist. So ist es z. B. nicht ausgeschlossen - darauf ist von unseren Kollegen in den Ausschußberatungen auch mehrfach hingewiesen worden -, daß sich ein Ehegatte, der die Scheidung beantragt hat, auf seine Elternpflicht gegenüber seinen Kindern besinnt und fortan im Interesse der Kinder eine äußerlich geordnete Ehe führt und die Kinder gut erzieht, wenn ihm die Notwendigkeit hierzu verdeutlicht und die Scheidung versagt wird. Dies zeigen Erfahrungen auch in der DDR, in der das Zerrüttungsprinzip schon seit längerer Zeit gilt, wo es sich gar nicht so selten als erforderlich erwiesen hat, die Scheidung einer unheilbar zerrütteten Ehe im Interesse minderjähriger Kinder abzulehnen. Da wir bei der Neugestaltung des Scheidungsrechtes die Sozialfunktion des Rechts hervorheben, halten wir im Gegensatz zum vorliegenden Entwurf außer der Berücksichtigung von immateriellen Härten zum Schutz des sozial schwächer gestellten Ehepartners auch die Einbeziehung von materiellen Härten in eine entsprechende Härteklausel für zwingend geboten. Abgesehen von den praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich bei der Differenzierung zwischen materiellen und immateriellen Härten unweigerlich ergeben müßten, liegt es in der Natur einer Härteklausel, daß sie nicht auf den Herkunftsbereich der Härte abstellen kann, sondern von der auf den Betroffenen zukommenden Wirkung ausgehen muß. Weil nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Härte das Entscheidende ist, würde es auch dem Sinn einer Härteklausel zuwiderlaufen, sie einer zeitlichen Befristung zu unterwerfen. Da die Mehrheit des Ausschusses - übrigens abweichend von der Regierungsvorlage den Anwendungsbereich der Härteklausel auf den Grundtatbestand der Scheidungsvoraussetzungen beschränkt hat, kommt dies im Ergebnis einer zeitlichen Befristung der eingeschränkten Härteklausel auf drei Jahre nach der Trennung gleich. Diese Befristung wird von uns ebenfalls abgelehnt. Es ist im übrigen nicht überzeugend, den Ausschluß einer auch materiellen Härteklausel damit zu begründen, daß durch die vorgesehene Verbesserung des Unterhaltsrechts Nachteile für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten ausgeschaltet würden; denn wenn das neue Recht keine wirtschaftlichen Nachteile brächte, so könnte ja die materielle Härteklausel ruhig im Gesetz stehen, wiewohl sie dann von den Gerichten kaum bemüht werden müßte. Ist aber dennoch mit wirtschaftlichen Nachteilen, vor allen Dingen für die Frau, zu rechnen, so muß auch eine Berücksichtigung materieller Härten kraft Gesetzes möglich sein. Das heißt: da auch der beste Gesetzgeber nie die Komplexität und die Fülle aller Tatbestände beim Akt der Gesetzgebung im Auge haben kann, ist es gut, im Gesetz eine Vorschrift zu haben, die vielleicht nur ganz selten bemüht zu werden braucht, die aber dann bemüht werden kann, wenn es darum geht, dem Grundsatz der Gerechtigkeit im konkreten Fall zu entsprechen. ({38}) Die CDU/CSU-Fraktion besteht weiterhin darauf, daß eine Ehe - den Fall des einverständlichen Scheidungsbegehrens eingeschlossen - grundsätzlich nur dann geschieden werden darf, wenn sie mindestens ein Jahr bestanden hat, es sei denn, daß die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Durch diese Mindestfrist wollen wir übereilte Scheidungsanträge vor allem junger Eheleute verhindern. Sie sollen bei ersten auftretenden Schwierigkeiten nicht gleich die Flucht aus der Ehe ins Auge fassen, sondern den Versuch unternehmen, aufgetretene Schwierigkeiten einvernehmlich und eingedenk ihrer sittlichen Verantwortung für den Bestand ihrer Ehe zu überwinden. Was Friedrich Carl von Savigny in seinem Kampf um das Ehescheidungsrecht in Preußen schon im Jahre 1844 schrieb, hat in diesem Zusammenhang auch heute an Aktualität noch nichts verloren. Ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Savigny zitieren: Bei vielen Ehen liegt der Grund des Verderbens schon in der Art, wie sie geschlossen werden. Nicht selten steht den neuen Ehegatten . . . schon der bestimmte Gedanke an die leichte Auflösung vor Augen, in vielen anderen Fällen wird wenigstens die Ehe mit gedankenlosem Leichtsinn geschlossen . . . Betrachten wir . . . die Art, wie der Unfriede in schlechten Ehen entsteht, und endlich unerträglich wird, so werden dabei nur höchst selten mächtige Leidenschaften zum Grunde liegen. Vielmehr werden zuerst leichte Anwandlungen von übler Laune, Selbstsucht, Roheit, böser Lust vorhanden sein, denen durch einen mäßigen Aufwand von Selbstbeherrschung begegnet werden könnte. Nur weil der Versuch dazu nicht gemacht wird, gewinnen solche Neigungen durch Nachgiebigkeit und Gewöhnung einen solchen Grad von Herrschaft über den Menschen, daß sie ihm und anderen verderblich werden. Nun kommt der entscheidende Satz bei Savigny: Wenn nun dem Ehegatten, der auf solche Abwege kommt, der Gedanke an ein ernstes, die bloße Willkühr beschränkendes Gesetz vor Augen steht, so wird er vielleicht jene Selbstbeherrschung anwenden und der Friede wird wiederhergestellt werden. Weiß er dagegen, daß das Gesetz die Willkühr nicht zügelt, sondern frei läßt, so wird er sich selbst jene mäßige Gewalt nicht anthun, und das Übel wird bald unheilbar werden. Sie werden natürlich einwenden können, diese Sprache Savignys sei nicht mehr unsere Sprache. Aber die rechtspolitische Maxime, die hinter diesem vielleicht größten Juristen des 19. Jahrhunderts stand, sollte auch die unsere sein. ({39}) In diesem Sinne verstehen wir von der CDU/CSU-Fraktion die Vorschrift über die einjährige Mindestdauer als Voraussetzung einer Scheidung auch als Beitrag zur Festigung der unserer Verfassung zugrunde liegenden Leitbildvorstellung von der prinzipiell unauflöslichen, auf Lebenszeit angelegten Ehe. Was den weiten Komplex der Neuordnung des Unterhaltsrechts der Ehegatten nach der Scheidung angeht, so ist für die CDU/CSU-Fraktion das vornehmste gesellschaftspolitische Ziel - und hier sei nochmals auf die Sozialfunktion des Rechtes hingewiesen - die soziale Sicherung des schwächeren Teils, also in der Regel der Frau, auf Grund eigener Ansprüche. Da wir uns vom Verschuldensprinzip trennen, können die Entscheidungen über die Scheidungsfolgen nicht mehr vom Schuldspruch abhängig gemacht werden, sondern müssen an andere Erwägungen anknüpfen. Richtungweisend ist hier die Antwort auf die Frage, ob durch die Ehescheidung alle Rechtsbeziehungen der Ehepartner beendet werden oder nicht. Zwar entspräche es der Logik eines konsequent aufgeformten Zerrüttungsprinzips, wenn durch die Scheidung gleichzeitig die Rechtsbeziehungen der Eheleute untereinander und füreinander beendet würden, doch müßte diese Logik in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen den wirtschaftlich schwächer gestellten Ehepartner besonders hart treffen. Juristische Logik und soziale Gerechtigkeit sind ja durchaus nicht deckungsgleich. Der Gesetzgeber kann auch nicht an der Tatsache vorbeisehen, daß die Geschiedenen einmal in ehelicher Lebensgemeinschaft verbunden waren, füreinander Verantwortung getragen und mit ihrer Eheschließung gleichzeitig im grundsätzlich vorbehaltlosen Vertrauen in die gemeinsame Zukunft, im Vertrauen auf die einander geschuldete Hilfe und gegenseitige Ergänzung regelmäßig den weiteren Lebensweg entscheidend bestimmende Festlegungen im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des einzelnen und seine Rolle in Ehe, Familie und Gesellschaft getroffen haben. Für die CDU/CSU ist daher für die Regelung der Scheidungsfolgen und insbesondere des Unterhaltsrechts die fortwirkende Verantwortung der geschiedenen Eheleute füreinander der entscheidende Ausgangspunkt. In Verfolgung dieses Ausgangspunktes schlagen wir in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Bundesrates deshalb eine Regelung des Unterhaltsrechts vor, die sicherstellt, daß ein früherer Ehegatte dem anderen, soweit dieser sich selbst nicht helfen kann, auch dann noch Unterhalt zu gewähren hat, wenn dieser aus Gründen unterhaltsbedürftig wird, die schicksalsbedingt sind und in keinem Zusammenhang mit der früheren Ehe stehen. In diesem Punkt unterscheidet sich die von uns vorgeschlagene Regelung deutlich von derjenigen des Entwurfs, da dort nur die ehebedingte Bedürftigkeit eine Unterhaltspflicht auslöst. Die von uns angestrebte, im Grundtatbestand als Generalklausel ausgestaltete Unterhaltsverpflichtungsregelung, die in der Debatte von meinen Freunden noch eingehend erläutert wird, hat zudem den Vorteil, sich nahtlos in das übrige unterhaltsrechtliche System des Bürgerlichen Gesetzbuches einzufügen. Auch bei der Neugestaltung des gesamten Unterhaltsrechts ist für uns die Maxime bestimmend, daß Einzelfallgerechtigkeit den Vorrang vor jeglichem, die Wechselfälle des Lebens in ein Zwangskorsett pressenden Schematismus haben muß. So haben wir denn auch zur Vermeidung von Härten aller Art in unserer Regelung positive und negative Billigkeitsklauseln eingefügt, die im einzelnen bei der Begründung der entsprechenden Anträge hier noch erörtert werden. Und schließlich: Das Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs, durch das der im geltenden Recht bereits verankerte Grundsatz des Zugewinnausgleichs auch im Bereiche der Versorgung verwirklicht werden soll, wird von meiner Fraktion prinzipiell bejaht. Wir haben jedoch gegen die Einzelheiten der Durchführung dieses Versorgungsausgleichs, so wie er im Entwurf vorgesehen ist, eine Reihe schwerwiegender Bedenken, die im Verlauf der Debatte noch dargelegt werden, so daß ich es mir ersparen will, sie jetzt schon im Detail vorzutragen. Nur auf einen entscheidenden Punkt will ich im Vorgriff hinweisen: auf die Vorschläge meiner Fraktion zur Gestaltungsfreiheit der Ehegatten auch im Bereiche des Ausgleichs ihrer Versorgungsansprüche. Dabei lassen wir uns entsprechend den Grundwerten, für die die CDU/CSU eintritt, von dem Gedanken leiten, auch in diesem Bereich die persönliche Freiheit des einzelnen überall dort zu stärken, wo es möglich ist, andererseits aber auf der sittlichen Veranwortung des einzelnen überall dort zu bestehen, wo es nötig und geboten ist. Beiden Anliegen, sowohl der Stärkung und Sicherung des sozial schwächeren Teils als auch der Stärkung der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Eheleute, muß die Ausgestaltung und Durchführung des Versorgungsausgleichs gleichermaßen Rechnung tragen. Die Zeit verbietet es mir, nun auch noch auf die Frage des Leitbildes der sogenannten Hausfrauenehe einzugehen. Ich habe schon früher von dieser Stelle aus deutlich gemacht: Wie auch immer die Konzeption sein mag, die eine Partei, ein Abgeordneter oder ein Bürger von der zukünftigen Gesellschaft hat, eines ist sicherlich dem Gesetzgeber verwehrt: das Ehe- und Familienrecht, insbesondere das Scheidungsrecht als Zwangsmittel zur Durchführung solcher Konzeptionen einzusetzen. ({40}) Wir bejahen durchaus die gewandelte Sicht von Ehe und Familie, den Abbau patriarchalischer Vorstellungen, ein neues partnerschaftliches Verhältnis von Mann und Frau, eine größere Rollenvariabilität, meinen aber auch, daß wir uns sehr wohl im Hinblick auf die Zukunft unserer Gesamtgesellschaft überlegen müssen, was wir zu tun haben, um gerade wiederum die Tätigkeit der Frau als Hausfrau und Mutter in jenen hohen Rang zu setzen, der nicht nur ihr entspricht, sondern der konstitutiv für eine stabile, leistungsfähige, aber auch für eine wirklich humane Gesellschaft ist. ({41}) Hier liegt die Aufgabe künftiger sozialer Gesetzgebung. Ich warne aber davor, über das Ehescheidungsrecht einen ganz bestimmten Rollentypus Frau gleichsam zum Angelpunkt gesellschaftlicher Veränderungen zu machen. ({42}) Ich habe hierzu früher schon Stellung genommen und muß es mir versagen, hierauf weiter einzugehen; ich muß zum Schluß kommen. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 13. Oktober 1971 habe ich bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts für die Fraktion der CDU/CSU hier erklärt, daß es für meine Fraktion entscheidend darauf ankommt, ob der Entwurf einerseits dem Grundsatz der Sozialfunktion des Rechts entspricht und ob er andererseits dem Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit genügend Raum gibt. Diese fundamentalen rechtspolitischen Maximen und die unverzichtbare Orientierung an den Wertentscheidungen unserer Verfassung haben die Arbeit meiner Fraktion am Gesetzentwurf und ihre Alternativen bestimmt. Eine Rechtsreform, die der Wertentscheidung unserer Verfassung, der Sozialfunktion des Rechts und der Einzelfallgerechtigkeit nicht entsprechen würde, verdient nicht den Namen „Reform"; sie wird unserer Ablehnung gewiß sein. Unser Wille zur beständigen, Maß und Mitte wahrenden Reform hat sich in unseren Anträgen konkretisiert, erschöpft sich aber nicht in ihnen, sondern wird auch unsere weitere Arbeit am Ehe- und Familienrecht tragen. ({43})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, für die Fraktion der FDP hat das Wort der Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Leitbild der Hausfrauenehe verabschiedet. Der Entwurf verzichtet aber darauf, ein gesetzlich festgeschriebenes Leitbild an seine Stelle zu setzen. ({0}) Statt dessen unterbreitet der Gesetzgeber ein Angebot für eine partnerschaftlich gestaltete Ehe. Ich halte es für eine weise Beschränkung, daß darauf verzichtet wird, eine bestimmte Rollenverteilung innerhalb der Ehe vorzuschreiben. ({1}) Dieser Verzicht ist ein Angebot für einen erweiterten Freiheitsraum innerhalb der Ehe. ({2}) Jedes einzelne Ehepaar soll, ohne daß ihm ein bestimmtes Rollenverständnis aufgedrückt wird, nach seinen Anschauungen, nach seinen jeweiligen Gegebenheiten, nach seinen Bedürfnissen, immer nur begrenzt durch die Rücksichtnahme auf den anderen Teil und die Familie, sein Verständnis von Ehe finden. Hier beginnen natürlich bereits die Mißverständnisse und Meinungsverschiedenheiten in dieser ganzen Diskussion; denn wenn man die politische Diskussion offen verfolgt, so wird man nicht übersehen können, daß die Opposition bereits in diesem Punkte, hinter diesem „mehr Freiheit", Ansätze oder doch zumindest Gefährdungen im Sinne von Willkür und Chaos sieht, daß sie bei der Ehe, so wie wir sie jetzt definiert haben, feste Strukturen vermißt, daß sie hinter der verwirklichten Gleichberechtigung der partnerschaftlichen Ehe die Gefahr sieht, daß das letztlich nur auf zeitweilige und flüchtige Bindungen hinausläuft. Der wahre Grund für diese Meinungsverschiedenheiten und für diese Mißverständnisse liegt, wie ich meine, darin, daß bei der Opposition viele nach wie vor den Hauptschwerpunkt ihrer Sicht der Ehe auf den Begriff der Institution legen und ergänzend das Modell des Vertrages heranziehen. Ich glaube, das ist - bei allen Versuchen, hier einen besonders liberalen Einstieg zu geben - auch an den Ausführungen von Herrn Professor Mikat deutlich geworden. 14418 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Engelhard Für uns steht als Auffassung von Ehe die Ehe als eine personale Lebensgemeinschaft im Vordergrund. ({3}) Nun weiß ich, wir sollten gar nicht erst einen dogmatischen Streit beginnen; denn alle drei Auffassungen - institutionelle, vertragsrechtliche und personale - werden ihren Teil in jedes Gesetz, wie immer wir es formulieren und verstehen werden, einbringen. Die Frage ist nur: Worauf legen wir den Schwerpunkt? Hier muß darauf verwiesen werden - das ist auch schon in der bisherigen Debatte deutlich geworden, jedenfalls im Ansatz -, daß, wer die Ehe hauptsächlich als Institution sieht, sie als eine vorgegebene Einrichtung betrachtet, über die es wenig zu reden gibt. Wenn er über Ehe, Eherecht und auch über Scheidungsrecht spricht, so sieht er zunächst immer - jedenfalls im Hintergrund - die Ehe an sich und nicht so sehr die einzelne Ehe. Das führte dann auch dazu, daß man sehr schnell mit der Argumentation bei der Hand war, daß doch wohl geprüft werden müsse, ob das neue Scheidungsrecht nicht verfassungswidrig sei, ob es der Forderung des Art. 6 Abs. 1 unseres Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, standhalte. Ich meine, eine solche Auffassung verkennt, daß das Grundgesetz zunächst nicht die Konflikte der Ehegatten untereinander meint, wenn es vom Schutz der staatlichen Gemeinschaft spricht. ({4}) Und Ehescheidung ist eine Frage der Konfliktlösung. Deswegen ist dem Gesetzgeber hier ein weiter Spielraum für seine Entscheidungen gegeben. ({5}) - Nur ist es, Herr Professor Mikat, wenn Sie die gesamte Diskussion - nicht nur die bisherige Diskussion des heutigen Vormittags - verfolgen, ganz sicher nicht unstreitig, sondern wir haben mit aller Deutlichkeit gegenteilige Auffassungen im politischen Raum gehört, die so vorgetragen wurden. Vielmehr gibt Art. 6 Abs. 1 GG den Ehegatten ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Im Extremfall endet hier die Befugnis des Staates, ein bestimmtes Scheidungsrecht zu schaffen. Denken wir etwa daran, daß ein totalitärer, rassistisch geprägter Staat auf die Idee kommen könnte, aus bevölkerungspolitischen Gründen die Auflösung aller kinderlosen Ehen zu verfügen. Dies meint das Grundgesetz in Artikel 6, wenn es hier Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt. Natürlich meint die Verfassung, daß hier auch eine Instituts-, also Einrichtungsgarantie gewährt werden soll. Nur müssen wir uns bei der ganzen Diskussion - das sollten auch die weltanschaulichen Gemeinschaften dabei berücksichtigen - darüber klar sein, daß die inhaltliche Ausfüllung einer solchen Garantie in enem zwar wertbezogenen Verfassungssystem, aber einem weltanschaulich neutralen Staat. immer sehr schwierig sein wird. (I Auch in der Vergangenheit war es ja nie so, daß es in unserem Kulturkreis jemals über längere Zeit eine festgefügte einheitliche Auffassung von Ehe gegeben hätte. Aber es ist ganz unbestritten, daß die Einehe nach dieser Institutsgarantie unserer Verfassung geschützt ist. Ebenso ist die Tatsache unbestritten, daß eine Eheschließung nur in gegenseitiger Übereinstimmung erfolgen kann und daß die Ehe ohne Bedingung und ohne Befristung, also auf Lebenszeit, geschlossen wird. Wir müssen uns auch in der Diskussion etwa um unser neues Scheidungsrecht immer wieder mit den Versuchen einzelner weltanschaulicher Gruppen auseinandersetzen, über dieses zulässige Maß hinaus Einfluß auf unser Eherecht zu gewinnen. Wir haben uns dagegen immer heftig gewehrt; denn wir können uns als Gesetzgeber nicht zum Vollstrecker der noch so ehrenwerten und subjektiv als richtig empfundenen Auffassungen dieser oder jener bestimmten weltanschaulichen Gemeinschaft machen lassen. ({6}) Ich glaube, daß gerade hier - das sei an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit gesagt - etwa eine weltanschauliche Gemeinschaft ihren Auftrag verkennen würde, ihren Auftrag, der, da es den Scheidungszwang ja nicht gibt, darin liegt, ihren Anhängern, Mitgliedern oder Gläubigen deutlich zu machen, daß sie als Kirche dieses und jenes von ihnen verlangt, u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe. Es ist dann Aufgabe dieses Staates, dem Entschluß des einzelnen nichts entgegenzusetzen, ihn nicht zu erschweren. Aber andere Auffassungen aus dem kirchlichen Bereich können nicht zur Grundlage staatlichen Eherechts in unserem Staat gemacht werden, wenn wir in der Diskussion auch alle Stimmen aufmerksam verfolgen und selbstverständlich zur Aussprache über alle Fragen stets bereit sind.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Arnold?

Dr. Gottfried Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Engelhard, wären Sie bereit einzuräumen, daß dies in den Beratungen sowohl des Unterausschusses als auch des Rechtsausschusses, als auch in den Beratungen heute hier unstreitig war und ist?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Arnold, ich räume Ihnen völlig ein, daß bei den Beratungen selbstverständlich niemand Änderungsanträge im Sinne des kanonischen Rechts vorgelegt hat; das ist völlig unbestritten. Sie wissen aber ebenso, was sich draußen in der Diskussion abspielt. Das wird man mit im Auge haben müssen. Wir werden außerdem sehen müssen, daß diese Institutsgarantie unserer Verfassung natürlich zunächst einmal eine Einrichtung vorsieht für die Betroffenen, die sich dieses Instituts bedienen, und daß diese Einrichtung erst in zweiter Linie übergeordneten Interessen dient. Wir haben uns bei der Diskussion mit einer zweiten Auffassung auseinanderzusetzen, die die Ehe zunächst einmal als Vertrag sieht. Für den, der das so sieht, ist die Welt immer in Ordnung, wenn er gesetzlich Rechte und Pflichten festschreiben kann, wenn sein am bürgerlichen Recht geschulter Verstand dann das Problem der Eheauflösung unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung bewältigt, und dort, wo unverschuldete Umstände zur Zerrüttung der Ehe geführt haben, zur Figur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage greift, um das Problem lösen zu können. Ich glaube, daß so manches - nicht heute hier, aber in der allgemeinen politischen Diskussion - auch bei der Union noch im Raume steht und nicht ausgeräumt ist. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Union bei ihrem Weg zum Zerrüttungsprinzip - ich weiß nicht, vielleicht ist es sogar ein Gewaltmarsch - im Kreise geht und im Ansatz immer wieder zu ihren Ausgangspunkten zurückkehrt. ({0}) Unser Eheverständnis ist es jedenfalls, daß im Vordergrund die Ehe als eine personale Lebensgemeinschaft steht. Das ist eine Einrichtung, die sich der rechtlichen Regelung nicht entzieht, die aber eines weiten Spielraums bedarf, der im einzelnen von den Ehegatten ausgefüllt werden muß. Ich erinnere mich, daß sich einiger Protest bei der ersten Lesung dieses Entwurfs erhoben hat, als ich sagte: In Wahrheit gründet sich der Bestand der einzelnen Ehe doch nur auf den Willen der beiden Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft. ({1}) Ich weiß, daß mit dieser Aussage natürlich ein subjektives Element in unsere Ehen hineingetragen wird. ({2}) Aber es wird nicht hineingetragen, Herr Kollege Dr. Lenz, es ist vorhanden, denn Ehepaare heute verstehen sich weniger als Inhaber und Träger einer überkommenen und gesetzlich normierten und fixierten Rolle, sondern wir erleben nicht erst seit heute, seit zumindest 150 Jahren, daß immer stärker Neigung und Eros in die Auffassung von Ehe miteingebunden sind. ({3}) Dem personalen Ehebegriff entspricht beim Scheidungsrecht am besten das Zerrüttungsprinzip. Wo der Wille zur Ehe bei einem oder bei beiden Ehepartnern endgültig erloschen ist, da ist eine Ehe gescheitert und kann geschieden werden. Aber um Mißverständnisse zu vermeiden: das Zerrüttungsprinzip setzt ja nicht etwa den Bestand einer Ehe, weil es auf einer gewissen Willenstheorie gründet, der Willkür oder gar der Eingebung des Augenblicks aus. Es ist gerade umgekehrt, im Verschuldensrecht wird eine Momentaufnahme gemacht, und das genügt. Beim Zerrüttungsprinzip muß der Weg der Ehe bis zu jenem Punkt abgeschritten werden, ({4}) wo man von endgültiger Zerrüttung, vom Scheitern sprechen kann. ({5}) Bei der Anwendung des Zerrüttungsprinzips wird der Zustand einer Ehe also sorgfältiger erforscht. Wir müssen doch aus unserer täglichen Praxis heraus deutlich sehen, daß beim heutigen Verschuldensrecht die Erforschung von Verfehlungen völlig die Frage überlagert und nahezu zu verdecken sucht, ob eine Ehe zerrüttet ist. Es ist ja ganz interessant: Beim Scheidungsgrund des Ehebruchs, jenem absoluten Scheidungsgrund - vielleicht ein einmaliger Vorgang, eine einmalige Verfehlung -, interessiert der Zustand einer Ehe überhaupt nicht. Dann wird die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe ganz einfach unterstellt. ({6}) Ich glaube, daß dies doch jenen, die immer wieder - auf Umwegen zwar - zum Verschuldensprinzip zurückkehren wollen, etwas zu denken geben sollte. Um diese Fragen muß die Auseinandersetzung gehen. Wenn Sie in Ihren Änderungsanträgen heute auch bei einverständlicher Scheidung nach einjähriger Trennung die Widerlegbarkeit der Vermutung wünschen, so möchte ich Sie einmal an die tägliche Praxis bei Konventionalscheidungen heute in diesem Lande erinnern. Es werden keine hohen Anforderungen mehr an Schimpfworte gestellt, die als schwere Eheverfehlungen dienen sollen. Beschimpfungen zwischen Eheleuten müssen längst nicht mehr von der Sprachgewalt jenes unaussprechlichen Wortes sein, mit dem in den „Buddenbrooks" der Münchener Privatier Aloys Permaneder seine Frau belegte, als diese nach heftigem Streit fluchtartig den Rückzug aus dem ehelichen Schlafzimmer antrat - eines, wie damals Toni Buddenbrook meinte, so unaussprechlichen Wortes, daß sie gelobte, es Zeit ihres Lebens nie über ihre Lippen zu bringen. ({7}) - Herr Kollege Dr. Lenz, heute reichen weit gedämpftere Töne aus, um die erwünschten Rechtsfolgen nach sich zu ziehen. Aber das Entscheidende scheint mir zu sein, daß dabei der Zustand der Ehe vom Gericht überhaupt nicht geprüft wird, daß die Ehe auf die bloße Erklärung des anderen Teils hin, daß er die eingeräumte Eheverfehlung des anderen nicht verziehen habe, als gescheitert angesehen wird. Das ist die Praxis in unserem Lande bei der Konventionalscheidung nach dem Verschuldensrecht: Das Unwesentliche, in der Ehe nahezu Beiläufige, das vielleicht Unschöne, aber nicht Entscheidende wird erforscht, während das Wesentliche, das Scheitern der Ehe als gegeben unterstellt wird. Trotz solcher Praxis unseres geltenden Rechts schlägt die Opposition in dieser Hinsicht einiges vor und sagt, Ehescheidungen würden zu leicht gemacht. ({8}) Gleichzeitig wird mit einer gewissen Verwunderung festgestellt, daß materiell eine Ehescheidung zu stark belastende Folgen nach sich ziehen könne. Das Verhältnis von Eherecht, Scheidungsrecht und materiellen Scheidungsfolgen hat zu ganz merkwürdigen Mißverständnissen geführt. So hat etwa der Familienrechtler Professor Schwab vor der Katholischen Akademie Schwerte am 1. Februar 1975 - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dem Sonderabdruck aus „Stimmen der Zeit", Heft 5, Mai 1975 - ausgeführt: Insgesamt würde durch die Verwirklichung der Regierungsvorlage die Ehe als Gegenstand staatlichen Rechts an Deutlichkeit ihrer Sinnbestimmung und ihrer Strukturen verlieren. Professor Schwab meint weiter, dann müsse ein Abbau der vermögensrechtlichen Auswirkungen der Ehe dem eigentlich entsprechen. Er begründet dies mit einer Parallele aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht. Und anschließend - hier darf ich wieder zitieren - stellt er, fast etwas überrascht, fest: Eine Rückbildung der vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe ist nun aber keineswegs beabsichtigt. Man kann eher vom Gegenteil sprechen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier liegt ein grundlegendes Mißverständnis des dreifachen Ziels des Regierungsentwurfs zugrunde. Ich will es einmal negativ ausdrücken: Wer in der Ehe die Partner nicht in bestimmte Rollenschemata pressen will, wer eine gescheiterte Ehe nicht mit gesetzlichen Zwangsmitteln aufrechterhalten will, braucht es noch lange nicht hinzunehmen, daß der geschiedene und wirtschaftlich schwächere Ehegatte in seiner gesamten Existenz gefährdet wird. Das ist es eben, daß Ehescheidung nach unserem Verständnis nicht ein Kampf um alles oder nichts, nicht ein Streit um Sein oder Nichtsein sein soll, sondern daß wir mit der Scheidung Konfliktlösungen im personalen Bereich ermöglichen wollen. Und die materiellen Folgen? Diese Konsequenzen sind zu ziehen. Die Ehe ist auch wirtschaftliche Lebensgemeinschaft, und die wirtschaftlichen Folgen müssen desto sorgfältiger geregelt sein, je eher man dem einzelnen Ehegatten gestattet, seine persönliche Konfliktsituation mit den Mitteln des Scheidungsrechts zu lösen. Wir versuchen dies mit einem neuen Unterhaltsrecht und mit dem neuen Institut des Versorgungsausgleichs, das insbesondere der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau dienen soll. Darüber wird später noch einiges zu sagen sein. Ich will hier nur betonen, daß wir mit dem vorgelegten Konzept zum Unterhaltsrecht und zum Versorgungsrecht wohl eine gute Grundlage für die Regelung der materiellen Scheidungsfolgen geschaffen haben. Bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs am 8. Juni 1973 hatte ich dargelegt, wie ein Scheidungsrecht, das die Zustimmung und Billigung der Fraktion der Freien Demokraten in diesem Hause finden soll, aussehen müsse. Dazu waren dann ja auch einige Korrekturen am ursprünglichen Regierungsentwurf notwendig. Ich kann heute - auch für meine politischen Freunde - mit Befriedigung feststellen, daß unsere Erwartungen bei den Beratungen im Unterausschuß und im Rechtsausschuß in dieser Hinsicht voll erfüllt wurden. Ich hatte damals gefordert, daß die Trennungsfristen von einem bzw. von drei Jahren Maximalfristen sein müßten. Ich hatte weiter verlangt, daß die Vermutung für das Scheitern der Ehe nach dreijähriger Trennung unwiderlegbar sein müsse, und ich hatte weiter gefordert, daß auch die vorgesehene immaterielle Härteklausel nur hinnehmbar sei, wenn sie zeitlich eng beschränkt werde. ({9}) Nun sehen wir gar keinen Grund, etwa bei nicht einverständlicher Scheidung fünf Jahre zuzuwarten, bis eine Scheidung erfolgen kann. Der Respekt vor den Ausführungen von Herrn Professor Mikat und mein Interesse an ihnen hat mir noch nicht die Möglichkeit gegeben, die uns heute auf den Tisch gelegten Änderungsanträge Ihrer Fraktion bereits gewissenhaft zu studieren. Aber soweit ich gesehen habe, verlangen Sie jetzt auch nicht mehr, daß hier eine fünfjährige Trennungsfrist eintritt; ich muß mich mit dieser Frage also nicht mehr sehr breit auseinandersetzen. ({10}) Nur eines sei Ihnen gesagt: daß etwa Praktiker der Eheberatung bis weit in den kirchlichen Bereich hinein doch der Auffassung sind, daß auch bei nicht einverständlicher Scheidung eine Trennungsfrist von zwei Jahren ausreicht, daß dann also im Regelfall das endgültige Scheitern der Ehe festgestellt werden kann, und wir nur in dem Bestreben, hier nun wirklich auch letzte Auffangmöglichkeiten zu schaffen, bereit waren, von vornherein eine Dreijahresfrist vorzusehen. Wir würden es jedenfalls nicht einsehen - um dies der Vollständigkeit halber mit allem Nachdruck hier zu sagen -, wenn eine Zermürbungstrennung- so muß man es nennen - von fast einem halben Jahrzehnt im Gesetz vorgesehen würde. Eine so lange Trennung dient ja auch in Wahrheit nicht den Interessen des Widersprechenden. In ihm werden nur falsche Hoffnungen erweckt. Er ist, von der ehelichen Lebensgemeinschaft her gesehen, nicht mehr verheiratet. Von Gesetzes wegen ist er es; er befindet sich in einem Zwischenzustand, in einem Wartezustand. Mit einer solchen Regelung wird den Interessen des Widersprechenden nicht gedient. Außerdem muß immer gesehen werden, daß natürlich die Trennung eines Ehepaares, jedenfalls die Trennung auf eine geEngelhard wisse Dauer, nicht den Beginn, sondern einen gewissen Schlußpunkt einer schweren Ehekrise markiert. All dem gehen ja Überlegungen voraus. Ich bin damals bei der ersten Lesung gerade auf diese Frage eingegangen, wo uns allerdings statistisches Material, soweit man derartiges überhaupt erheben kann, aus unserem Lande weitgehend fehlt. Die Widerlegbarkeit der Vermutung nach dreijähriger Trennungszeit würde bedeuten, daß sie praktisch nie zur Anwendung kommen würde, es sei denn, man würde die Rückkehr zum Verschuldensprinzip unseres geltenden Scheidungsrechts finden, was wir wohl alle in diesem Umfang nicht wünschen. Aber eines steht fest: die Widerlegbarkeit hätte schädliche Auswirkungen auf die Haltung nahezu aller Ehepaare, die sich in einer derartigen Scheidungssituation befinden. Wiederum würden beim widersprechenden Teil falsche Erwartungen geweckt. Wie nach dem bisherigen Recht müßten die Parteien wie Hund und Katze auseinandergehalten werden. Versöhnungsversuche, die wir ausdrücklich im neuen Recht als ein Angebot des Gesetzgebers vorsehen, Möglichkeiten zu finden, auch eine Ehe wieder zu kitten, Möglichkeiten zu finden, überhaupt miteinander zu sprechen, ohne von vornherein eine Fristunterbrechung herbeizuführen, würden von Gesetzes wegen zunichte gemacht. Nun haben wir in § 614 ZPO weite Möglichkeiten für den Richter geschaffen, ein Scheidungsverfahren auf Zeit auszusetzen. Wir begrüßen das; denn aus dem jeweiligen Stadium eines bestimmten Verfahrens heraus wird nur der Familienrichter beurteilen können, was jetzt notwendig und was zu tun ist. Es ist nach unserem letzten Beschluß auch möglich, über die dreijährige Trennungszeit hinaus noch sechs Monate ein Verfahren auszusetzen. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir sehen in dieser Vorschrift nicht so sehr eine große materiell-rechtliche Regelung. Wir sehen vielmehr Möglichkeiten für das Prozeßrecht, für den Ablauf eines Verfahrens, wo hier dem Richter ein Mittel in die Hand gegeben wird, was ihm beim Abwickeln eines bestimmten Verfahrens ganz sicherlich sehr dienlich sein wird. Mit dem Thema „Härteklausel zur Begrenzung des objektiven Zerrüttungsprinzips" beschäftigt sich die Freiburger Dissertation von Helmuth Peuckmann aus diesem Jahr. Der Verfasser kommt in dieser Doktorarbeit zu dem Ergebnis, daß sowohl die materielle wie auch eine immaterielle Härteklausel abzulehnen seien. Wir haben bei den Beratungen im Rechtsausschuß in einem begrenzten Umfang die im Regierungsentwurf vorgesehene immaterielle Härteklausel belassen, aber wir haben sie zeitlich stark eingeschränkt und in ihrer Anwendung begrenzt auf Scheidungen nach dem Grundtatbestand, also nicht mehr über den dreijährigen Ablauf der Trennungsfrist hinaus. Wir haben das getan, weil wir nach den sehr ausführlichen und gewissenhaften Beratungen nicht ausschließen wollten, daß in ganz verschwindend wenigen Fällen in der Scheidung nach dem Grundtatbestand für den widersprechenden Teil etwas Überfallartiges liegen mag ({11}) und er mit diesem Überfall konfrontiert wird in einer persönlichen Situation, in der er dies seelisch nicht hinnehmen kann, in der er damit nicht fertig werden kann, weil er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Ausnahmesituation befindet. Deswegen haben wir in diesem begrenzten Umfang die immaterielle Härteklausel belassen. Wir müssen uns aber, wenn wir die Diskussion verfolgen, immer bewußt sein, daß - und darauf zielt die CDU/CSU mit ihren Änderungsanträgen - eine unbefristete Härteklausel einen neuen Einstieg in das Verschuldensprinzip bringen könnte. ({12}) - Herr Kollege Vogel, ob das dummes Zeug ist, möge die gesamte Öffentlichkeit beurteilen. Ich werde Ihnen zunächst einmal eines sagen: Es ist sehr interessant, daß in der zitierten Dissertation Peuckmann auf das Problem hinweist, daß sich stets bei der Interpretation neuer Rechtssätze durch eine alte Juristengeneration das soziologische Problem stelle, daß die Auslegung mit einem am alten Recht orientierten Vorverständnis erfolge. Das ist ja auch der Grund - Herr Professor Mikat hat das angesprochen, und Sie haben entsprechende Änderungsanträge gestellt: nicht Scheitern, sondern unheilbare Zerrüttung verlangen Sie -, warum wir nicht darauf eingehen. Das wird Ihnen jeder Anwalt sagen, der in seinem Büro fortlaufend Scheidungsklagen zu diktieren hat und dem der berühmte Satz in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß der Beklagte durch diese oder jene vorher angeführte Verfehlung die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet habe, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Es folgt dann die Bitte um Erlaß des Sühneversuchs und die Unterschrift. Wer dies viele hundertmal getan hat, der wird die unheilbare Zerrüttung immer vor jenem Hintergrund sehen, von dem Peuckmann spricht, vor dem Hintergrund des Vorverständnisses, in dem er erzogen ist, in dem er aufgewachsen ist. Deswegen wird es an einigen Stellen notwendig sein, auch zu einem anderen Sprachgebrauch in unserem neuen Recht zu kommen. ({13}) Wir sollten auch nicht unbeachtet lassen, was von Befürwortern einer Verschuldensprüfung im Rahmen einer unbefristeten Härteklausel zur Stützung ihrer Auffassung angeführt wird. Da ist die Rede davon, daß es gelte - ich darf zitieren -, den Triumph der Niedertracht, die legale Verstoßung, den Sieg des reinen Individualismus in der Form des härtesten Egoismus zu verhindern. Nur damit wir uns hier nicht so im Stande der Unschuld gegenseitig konfrontieren, will ich darauf hinweisen: Dies alles sind Zitate aus der juristischen Literatur der allerletzten Jahre, die uns in diesem Punkt zur Vorsicht mahnen sollten. Aber damit kein Mißverständnis entsteht: Wir gehen an diese Dinge nicht etwa mit der Auffassung heran, daß der Mensch gut sei oder daß er zumindest doch immer das Rechte wolle und sich deswegen für uns die Frage im praktischen Recht gar nicht stelle. Das ist nicht der Unterschied in unseren Auffassungen. Wir sind nur der Meinung - deswegen sind wir für eine sehr restriktiv gefaßte Härteklausel -, daß die Verweigerung der Scheidung keine Lösung bringt, auch nicht für den, der zunächst an der Ehe festhalten will. Dort, wo es sich um besonders krasse Fälle handelt, etwa bei Mißhandlungen und ähnlichem, hat man ja geradezu die Verantwortung, den Beteiligten nahezulegen, nicht nur die Trennung, sondern auch die Scheidung durchzuführen. ({14}) Im übrigen - auch das soll nicht unerwähnt bleiben -: Bei allem, was auch zwischen Ehepartnern passiert und vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen, sollten wir uns bei der öffentlichen Diskussion, bei der Diskussion draußen im Lande, davor hüten, immer mit Beispielen aufzuwarten, die in der Öffentlichkeit so herumgereicht werden und doch sehr stark den Zuschnitt einer erheblichen Vereinfachung und einer etwas lasziven Phantasie haben. ({15}) Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nochmals aus der Dissertation von Peuckmann, Seite 98, zitieren: Niemand wird eine intakte eheliche Gemeinschaft praktisch grundlos aufgeben, wenn oberflächliche, äußere Reize an ihn herangetragen werden. In den Fällen einer „Verstoßung" wird die eheliche Gemeinschaft schon zuvor brüchig geworden sein, etwa, wenn die Partner sich seit langem nichts mehr zu sagen hatten und sich allmählich - über Jahre hinweg - voneinander entfremdet haben, ohne daß sich die eine oder andere Auseinandersetzung allein als ehezerrüttend ausgewirkt hätte. Ich glaube, das ist ein wichtiger Beitrag in diesem Zusammenhang, daß wir auch beim Ausmalen von Beispielen nicht immer so tun sollten, als würden wir das wirkliche Leben nicht kennen, als hätten wir nicht gerade als Richter und Anwälte oder in anderen Berufen, die mit dem Zustand von Ehen zu tun haben, die notwendigen Erfahrungen gesammelt, um zu wissen, daß es diese einseitige Zerstörung, boshaft, ohne Hintergrund von einem angezettelt und durchgeführt, auch einmal geben mag, aber kaum in vielen Fällen. Es steht immer mehr im Hintergrund. Da beginnt bereits wieder unser juristisches Vorverständnis. Wir sprechen über die Dinge falsch, weil wir, geschult am juristischen Vorverständnis des Verschuldensprinzips, uns gar nicht vorstellen können, daß diesem Eklat, dieser bösen Tat des einen in der Ehe - das mag etwas sehr Schlimmes sein -, vieles vorausgegangen sein wird, das sich unserer Beurteilung und Betrachtung und auch der gerichtlichen Feststellung entzieht. Ich glaube, bei allem Verständnis für diejenigen, die in schlechter, in gescheiterter Ehe leben und daran oft schwer zu tragen haben, ist es notwendig, darauf in der Diskussion hinzuweisen. Wir helfen ihnen nicht, wenn wir mit Scheidungsverboten zu operieren suchen. Wir können uns nur bemühen, die Ehescheidung künftig weniger zu einem Strafgericht als vielmehr zu einem Mittel werden zu lassen, mit dem versucht wird, persönliche Konflikte zu lösen. ({16}) Vizepräsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute, bei der Verabschiedung des Ehe- und Familienrechts, wollen wir uns daran erinnern, daß eine Reform des Eherechts nicht erst in der Regierungserklärung der sozialliberalen Koalition vom Oktober 1969 zum Ziel gesetzt wurde. Heute geben wir Sozialdemokraten und Freie Demokraten Antworten auf alte soziale Fragen, die schon in der Weimarer Republik gestellt wurden. Die Einführung des Zerrüttungsprinzips, ein sozial ausgewogenes Unterhaltsrecht und eine gerechtere soziale Alterssicherung der Frau wurden bereits damals erörtert. Als Sozialdemokratin erfüllt es mich mit Stolz, daß diese sozialliberale Koalition nach 50 Jahren Überlegungen realisiert, die von der Koalition von Sozialdemokraten, von Deutschen Demokraten und auch vom damaligen Gesamtverband der Frauenverbände in der Weimarer Republik angestellt wurden. Auch heute steht der Deutsche Frauenrat, dem sechs Millionen Mitglieder angehören, auf unserer Seite in den Grundsätzen einer Partnerschaft zwischen Mann und Frau im Ehe- und Familienrecht, einem humaneren Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht und - jetzt - dem Versorgungsausgleich als dem eigentlich sozialdemokratischen Kern des Eherechtsreformgesetzes. ({0}) Auf dieses neue Familienrecht haben wir lange gewartet. Dieses Reformwerk muß sich in seinem Kern mit den pluralistischen Wertvorstellungen von Ehe und Familie in der industriellen Gesellschaft auseinandersetzen, muß den sozialen Wandel in den Einstellungen und Denkweisen von Menschen berücksichtigen, muß den Strukturprinzipien unserer Gesellschaftsordnung Rechnung tragen und muß auch die Vielfalt unterschiedlicher Wertbegründungen und Wertvorstellungen rechtspolitisch regelungsfähig machen. Wir befinden uns also nicht auf unbeFrau Dr. Lepsius siedeltem Niemandsland, sondern auf dem Boden der durch die Grundrechte aufgerichteten Wertordnung und der Verpflichtung des Staates, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu fördern. Dies sind in der Tat, meine Damen und Herren, sehr ernste, konflikt- und folgenreiche Probleme. Daß es dabei unterschiedliche Auffassungen gibt, ist also nicht überraschend. Gestatten Sie mir hierzu einige grundsätzliche Bemerkungen. Ich war immer der Meinung, daß es über die Ausgangslage, nämlich über den sozialen Wandel von Ehe und Familie als Institutionen von der agrarischen zur hochindustrialisierten Gesellschaft, unter uns in diesem Hause keinen Streit geben kann. Das bedeutet, daß bestimmte Verhaltensänderungen der Bevölkerung ebenso wie eingetretene Strukturveränderungen der sozio-ökonomischen Lebensordnung die Änderung normativer Rechtsregelungen durch die Gesetzgebung zur Entschärfung von Konflikten notwendig machen. Eine Reform des Ehe- und Familienrechts ist also ein Element in dem beständigen Modernisierungsprozeß unserer institutionellen Lebensordnung. Im Kern geht es uns Sozialdemokraten beim 1. Eherechtsreformgesetz darum, eine Verminderung der sozialen Spannungen zu erreichen. Es geht uns darum, die Kluft, die zwischen den moralischen Überzeugungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung und den gesetzlichen Normen aufgebrochen ist, durch neues Recht zu überbrücken. Diese Spannungen zwischen Normsetzung und dem tatsächlichen Verhalten von Menschen sind ja doch alarmierende und, wie ich meine, auch besorgniserregende Tatbestände. Es gibt doch eine unendliche Fülle von Konflikten und Spannungsverhältnissen, die wir gesellschaftspolitisch regeln müssen. Denken Sie doch nur an das Aufbegehren der Frauen in vielen emanzipatorischen Bewegungen. Sie alle sind ein Spiegelbild dieser gesellschaftlichen Spannungen, die einer besseren Konfliktregelung dringend bedürfen. Sie aber, meine Damen und Herren von der Opposition, glauben, sich um diese Realität mit der flinken These von der Konfliktdramatisierung durch die sozialliberale Koalition herummogeln zu können, der Sie die werterhaltende Garantie des Status quo gegenüberstellen. ({1}) Das läuft Ihnen geschmeidig von der Zunge nach dem Motto: Wenn das sittliche Verhalten der Bevölkerung unseren normativen Vorstellungen nicht mehr entspricht, um so schlimmer ist dann das moralische Verhalten der Bevölkerung. Solche moralisierenden und rigorosen Auffassungen und Ordnungsmaximen können wir Sozialdemokraten uns nicht zu eigen machen. ({2}) Wenn Sie uns im Zusammenhang mit der Eherechtsreform unterstellen wollen, daß wir die staatlich geregelte Ehe zu einer leeren Hülle für höchst individualistische und personalisierte Auffassungen von Menschen ohne solidarische und normative Leitbilder machen würden, dann bitte ich Sie herzlich darum, vor lauter Suche nach wertdramatisierender Profilierung nicht die regelungsbedürftigen Strukturkonflikte der Rechts- und Sozialordnung einfach zu übersehen. Vizepräsident von Hassel: Frau Kollegin, ich möchte etwas Ungewöhnliches tun und Sie unterbrechen, und zwar aus folgendem Grund: Auf der Diplomatentribüne sitzt ein besonderer Gast, nämlich Frau Kohlberg, die 100 Jahre alt ist und der Frau Präsidentin einen Besuch abgestattet hat. Wir freuen uns herzlich, Sie bei uns zu haben. ({3})

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte auf das eben von mir Gesagte zurückkommen, weil ich meine, daß ich diese Zusammenhänge gar nicht deutlich genug herausstellen kann. Die Individualisierung der Ehe und der Funktionsverlust der Familie sind historische Prozesse, die man nicht durch Wertbekenntnisse aus der Welt schafft. Ich sage das auch Ihnen, Herr Mikat, nach Ihrer Rede: Dies sind historische Prozesse, die man nicht durch Wertbekentnisse aus der Welt schafft. Dabei hat der wirtschaftliche Charakter der Ehe an Wirksamweit verloren, denn einer starken Personalisierung der Ehebeziehung von Menschen steht ganz unvermittelt die Funktionalisierung der Sozialordnung gegenüber. Dies sind zwei miteinander konkurierende und rivalisierende Prozesse der Gesellschaftsund Sozialordnung, die nicht einfach wegleugnen können. Es ist das große Verdienst dieser sozialliberalen Regierung, daß mit dem neuen Ehe- und Familienrecht und seinem Verfahrensverbund, mit dem neuen Unterhaltsrecht und den Regelungen für den Kindesunterhalt, vor allem aber mit dem neuen Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs, diese gegenläufigen Tendenzen wieder vermittelt werden. Die Solidarhaftung und der Versorgungsschutz des Eheverbandes kommen wieder in das Blickfeld der Ehepartner. Darum ist es ein zentrales rechtspolitisches Ziel dieser Reform, gerade bei langjähriger Ehe die wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkte wieder in den Vordergrund zu stellen und durch den Versorgungsausgleich den Vertrauensschutz der Ehepartner auf die Solidargemeinschaft der Ehebeziehung zu betonen. ({0}) Zwischen dem neuen Ehe- und Familienrecht, zwischen Scheidungsreform und Versorgungsausgleich besteht also ein unbedingter und kausaler Zusammenhang, der in dem Solidaritätsgebot der höchstpersönlichen Ehebindung gründet. Dies sagen wir Sozialdemokraten unseren Kritikern, Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, und jenen, die sowohl in diesem Haus wie draußen im Lande in leichtfertiger und unangemessener Polemik uns die Abwertung der Ehe als Institution anhängen wollen, die von der „einseitigen Aufkündigung der Ehe", vom „Verstoßungsprinzip", vom „Kalenderprinzip", ja selbst von der „Aushöhlung des Grundgesetzes" sprechen, um mit dieser gedanklichen Kette gegen die sozialliberale Koalition den kardinalen Vorwurf der Wertezerstörung von Ehe und Familie zu schleudern. Das vorliegende Eherechtsreformgesetz macht derartige Angriffe objektiv gegenstandslos; es macht ihren rein polemischen und irreführenden Charakter offensichtlich. ({1}) Denn was ist Ehe nach diesem Gesetz? Ehe ist das, was sie immer war: eine auf Dauer geschlossene, sehr persönliche Beziehung zwischen Menschen, deren Inhalt gesetzlich nicht bestimmt, deren Form aber rechtlich gesichert ist. Wer eine Ehe eingeht, begibt sich in eine Vertrauens- und Solidarbindung. Lösen kann er diese Bindung nur, wenn der andere Ehepartner in seiner sozialen Existenz gesichert ist. So gesehen bedeutet die Einführung des Versorgungsausgleichs allerdings eine sehr ernstzunehmende wirtschaftliche Auffüllung der Ehe als Wirtschafts- und Solidargemeinschaft. Das heutige Ehescheidungs- und Scheidungsfolgenrecht ist den Ehe- und Lebensverhältnissen unangemessen. Es hat einen Strafcharakter, der inhuman und dazu noch endgültig ist. ({2}) Es moralisiert menschliches Verhalten und verdeckt soziale Notstände mit rechtlichen und moralischen Sanktionen, deren Folgen sich vor allem für Frauen skandalös auswirken. Je nach Moralzensur verteilt es einen Scheidungsbonus oder -malus, verteilt die sozialen Risiken ungleich, trifft Frauen und Kinder härter, macht es den Ehepartnern an vielen Stellen zu leicht und an den falschen Stellen viel zu schwer; denn nach dem Prinzip moralischen Verschuldens legt es einen Schuldner fest, demgegenüber ein Geschädigter Versorgungsansprüche geltend machen könnte. Freilich sind dies nur Ansprüche, nicht aber auch eine tatsächliche Versorgung. Uns Sozialdemokraten geht es also nicht um eine Erleichterung der Ehescheidung, sondern es geht uns darum, die sozialen Folgen der Ehescheidung im Sinne einer ausgewogenen Solidarhaftung und Risikoverteilung neu zu regeln; denn eine Scheidungsfolgenregelung muß es Männern wie Frauen gleichermaßen ermöglichen, sich aus einer zerrütteten Ehe zu lösen und nicht den einen oder anderen Ehepartner wegen der sozialen Folgen an eine zerbrochene Ehe zu ketten. Meine Damen und Herren, der Versorgungsausgleich steht im Zusammenhang mit der Verwirklichung der ehelichen Partnerschaft im sozialen Bereich. Seine verfassungsrechtliche Grundlage findet er in der ehelichen Lebensgemeinschaft als einem der in Art. 6 des Grundgesetzes geschützten Strukturprinzipien der Ehe. Der Versorgungsausgleich entspricht auch dem heutigen Verständnis von der Ehe als einer Verbindung zweier gleichberechtigter Ehepartner, denn wenn die Leistungen der Ehegatten auf Grund der vereinbarten Arbeitsteilung als gleichwertig anerkannt werden, beruhen auch die in der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften auf der gemeinsamen Lebensleistung beider Eheleute. ({3}) Insofern ist es nur folgerichtig, daß beim Zusammenbruch einer Lebensgemeinschaft beide Ehegatten an dieser sozialen Sicherung gleichmäßig zu beteiligen sind. Mit dem Versorgungsausgleich wird die völlig unzulängliche soziale Sicherung der Frauen im Falle der Scheidung auf festere Füße gestellt. Die Bundesregierung hatte in ihrer ersten Regierungserklärung 1973 herausgestellt, daß sie den Versorgungsausgleich als einen ersten Schritt zu einer langfristigen Neuordnung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau ansieht. Ich halte es für notwendig, diese langfristige gesellschaftspolitische Perspektive des neuen Rechtsinstituts Rentensplitting im Versorgungsausgleich für die vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bis 1984 geforderte Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung ({4}) und den Zusammenhang mit einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau noch einmal zu unterstreichen. ({5}) - Es geht um Männer und Frauen in dieser Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung. ({6}) - Sie verstehen zu wenig davon, Herr Kollege. ({7}) Meine Fraktion hat die Problemlage außerordentlich ernst genommen. Sie hat 1973 eigens eine Arbeitsgruppe von Sozialpolitikern und Rechtspolitikern im Arbeitskreis „Sozialpolitik" eingesetzt, deren Beratungsergebnisse Eingang in die Vorlage des Arbeits- und Sozialausschusses gefunden haben. Die Beschlüsse des Arbeitsausschusses sind Grundlage der vom Rechtsausschuß verabschiedeten Regelungen zum Versorgungsausgleich geworden. Sicherlich ist es mir gestattet, nach den gründlichen Beratungen dieser sehr komplizierten Materie festzuhalten, daß in dieses Gesetz einige Anregungen aus dem öffentlichen Hearing im Sommer dieses Jahres, Anregungen der Opposition und auch des Bundesrates Eingang gefunden haben. Dabei wurde die Regierungsvorlage in ihrer ursprünglichen Fassung in vielerlei Hinsicht entscheidend verbessert. Erstens konnten wir davon absehen, für eine Übergangszeit bis 1980 eine lediglich schuldrechtFrau Dr. Lepsius liche Regelung des Versorgungsausgleichs einzuführen, die zu sehr willkürlichen, ungerechten und unbilligen Ergebnissen für die Frauen geführt hätte. Zweitens ist der Versorgungsausgleich jetzt durchgängig öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Drittens sind in dem Bereich, in dem der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich zu wirtschaftlich unbefriedigenden Ergebnissen hätte führen können, unter engen Voraussetzungen Vereinbarungen und Abweichungen von der Regel zugelassen. Diese Verbesserungen bringen mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Sie werden insgesamt dazu führen, daß der sozial Schwächere - in der Regel noch immer die Frau - erstmals sozial besser gestellt wird und auch im Sozialrecht gerechter behandelt wird. Wir haben es dabei mit zwei Gesetzen zu tun: dem Ersten Eherechtsreformgesetz, das die materiellen Regelungen über den Versorgungsausgleich enthält, und dem Gesetzentwurf zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften, das die beamtenrechtlichen Folgeänderungen wiedergibt. Nach dem bewährten Zugewinnprinzip werden im Versorgungsausgleich alle von den Ehepartnern in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften wegen Alters, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gegenübergestellt, ausgeglichen und die Wertdifferenz dem Ehepartner mit dem geringeren Konto gutgeschrieben. Der Ausgleich findet grundsätzlich in der gesetzlichen Rentenversicherung statt. Wichtig ist dabei, daß alle vor der Eheschließung erworbenen Anwartschaften auf die soziale Sicherung der Ehepartner jedem getrennt verbleiben. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für alle nach der Scheidung erworbenen Anwartschaften. Durch diese neue Regelung wird erstmals erreicht, daß auch die nicht berufstätige Hausfrau, also vor allem die Mutter, die wegen der Erziehung kleiner Kinder nicht erwerbstätig ist, eigene Ansprüche an die in der Ehe erworbene soziale Sicherung erwirbt, weil die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bei Ehescheidung auseinandergebrochen ist. Im Falle der Scheidung erhält sie also ihr eigenes Rentenkonto. Da Frauen nach der Ehescheidung in weitem Umfang wieder erwerbstätig werden - es sind 84 % der geschiedenen Frauen ohne Kinder und noch über 70 % der geschiedenen Frauen mit kleinen Kindern, die erwerbstätig sind -, trägt diese Sockelsicherung dazu bei, daß aus eigener Erwerbstätigkeit und Versorgungsausgleich eine ausreichende Altersversorgung aufgebaut werden kann. Ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung hingegen nicht möglich, dann sind die Beiträge für eine Alterssicherung Bestandteil des Unterhaltsanspruches. Es ist das Verdienst dieser sozialliberalen Bundesregierung, daß dieses Eherechtsreformgesetz mit der sozialen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen aufräumt und erstmals Elemente einer eigenständigen sozialen Sicherung der geschiedenen Frauen im Versorgungsausgleich verankert hat. ({8}) Denn was wird sich alles ändern? Erstmals ist auch die geschiedene nicht erwerbstätige Frau durch Leistungen im Falle der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und im Alter geschützt. Erstmals hat sie einen Anspruch auf Rehabilitationsleistungen. Erstmals steht der geschiedenen Frau für die Erziehung waisenrentenberechtigter Kinder eine Erziehungsrente zu, wenn wegen des Todes des geschiedenen Mannes der Unterhalt für die Kinder weggefallen ist. Erstmals wird mit dieser Erziehungsrente eine außerordentlich begrüßenswerte Neuerung eingeführt, die, neben der Halbwaisenrente gewährt, einen zukunftsweisenden Regelungscharakter für eine eigenständige soziale Sicherung der Frau hat. Erstmals wird sich auch die Situation von Halbwaisen gegenüber der Mutter in der Weise verändern, daß sie nach dem Tode der Mutter und aus deren Konto eine eigene Halbwaisenrente beziehen. Mit der Einführung des Versorgungsausgleichs im Falle der Scheidung wird künftig die abgeleitete Geschiedenenwitwenrente entbehrlich; denn mit dem Versorgungsausgleich sind wir dem langfristigen gesellschaftspolitischen Ziel einer eigenständigen, vom Ehemann unabhängigen sozialen Sicherung der Frau wenigstens im Ehescheidungsfall nähergekommen. Nun sind gegen den Versorgungsausgleich eine Reihe massiver Vorwürfe erhoben worden, mit denen ich mich jetzt noch etwas auseinandersetzen möchte, nämlich die Einwände, daß der Versorgungsausgleich zur Halbierung von Renten führen werde, daß er im Extremfall Minirenten produziere und insgesamt zu kompliziert und nicht durchführbar sei. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hierzu folgendes feststellen. Erstens. Heute, nach dem geltenden Recht, nimmt der geschiedene Mann bei einer Scheidung seine volle Altersversorgung mit. Geschiedene Frauen hingegen, die während der Ehe nicht oder nur kurz erwerbstätig waren, sind bei Invalidität und im Alter entweder gar nicht oder nur durch eine kleine eigene Rente geschützt. Ich frage mich: Wie konnten wir es überhaupt verantworten, daß nur 4 v. H. der Frauen eine abgeleitete Geschiedenenwitwenrente erhalten? ({9}) Ich frage mich: Wo ist denn da die von Ihnen, Herr Professor Mikat, zitierte Einzelfallgerechtigkeit gewesen? ({10}) Was sind das überhaupt für Renten, wenn im Durchschnitt die kleine Geschiedenenwitwenrente 82 DM und die große Geschiedenenwitwenrente rund 300 DM beträgt? Meine, die sozialdemokratische Fraktion nennt diese Renten Minirenten; das sind nämlich die berüchtigten Minirenten. ({11}) - Herr Thürk, das sind und bleiben Minirenten, ({12}) weil den geschiedenen Frauen bei der Berechnung ihres Altersruhegeldes die Ehejahre fehlen. ({13}) Dies wird. sich künftig ändern. ({14}) Zusätzlich zur Diskriminierung der Frauen in der Berufsausbildung, zur Benachteiligung im Sozialrecht und zum Chancenverlust, den Frauen in ihrer beruflichen Laufbahn durch Haushalt und Kindererziehung erleiden, tritt ihre soziale Diskriminierung bei der Hausfrauenarbeit als einer unbezahlten, nichtversicherungspflichtigen Tätigkeit. Die soziale Lage geschiedener Frauen konnte also schlimmer gar nicht sein. Ihr Anteil an Sozialhilfeempfängern ist überaus hoch, ihre Alterssicherung höchst mangelhaft, ihre Ansprüche aus langjähriger Ehe sind gleich null, weil das, was in gemeinsamer Lebensleistung von Eheleuten in der Ehe an Ansprüchen auf die Alterssicherung erworben wird, dem Mann in vollem Umfang verbleibt. Zweitens. Gegenüber dem geltenden Recht führt der Versorgungsausgleich in der großen Mehrzahl der Fälle zu einer erheblichen Verbesserung für die geschiedenen Frauen. Auch dem geschiedenen Ehemann muß die Veränderung des sozialen Besitzstandes mit Blick auf die Aufgabenteilung in der Ehe sozial gerecht und ausgewogen erscheinen. Da zudem der geschiedene Ehepartner, der im Versorgungsausgleich Anwartschaften an den anderen Partner abtritt, das Recht erhält, sein Rentenkonto in alter Höhe wieder aufzustocken, können wir generell davon ausgehen, daß diese Regelung nicht zu Härtefällen führen wird. Freilich zwingt die Wiederaufstockung des alten Rentenkontos zu vorübergehendem Konsumverzicht. Doch das ist keine Härte angesichts der großen Versorgungsdefizite, die eine nichterwerbstätige Hausfrau und vor allem Mütter im Fall einer Scheidung heute hinnehmen müssen. ({15}) Drittens. Durch den Versorgungsausgleich werden Renten auch nicht halbiert, sondern in der Ehe gemeinsam erworbene Anwartschaften auf die Alterssicherung ausgeglichen. Da in der Regel das Arbeitsleben mit der Ehezeit nicht deckungsgleich ist, da in der Regel Männer durch lange Berufsausbildungszeiten, durch lange Versicherungszeiten vor der Ehe über ein dickes Versicherungspolster verfügen, wirkt sich auch der Versorgungsausgleich nicht so erheblich aus, wie so gerne in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Hinzu kommt auch, daß über 50% der Ehescheidungen bereits in den ersten sieben Ehejahren und nur 4 % der Ehescheidungen nach 26 und mehr Ehejahren erfolgen. Dadurch wird der Unterschied zwischen den auszugleichenden Versorgungswartschaften ohnehin vermindert. Viertens. Lassen Sie mich jetzt noch an einigen dramatisierten Beispielen einige klärende Bemerkungen anknüpfen. Ich greife das Kaltenbachsche Beispiel auf, das im öffentlichen Hearing eine Rolle gespielt hat, wo der Mann gegen den dicken Baum fährt. Also: der Mann verläßt Frau und Kinder, es kommt zur Scheidung und zum öffentlich-rechtlich durchgeführten Versorgungsausgleich. Die Frau hat für ihre Kinder einen Unterhaltsanspruch. Ein Jahr nach der Scheidung wird der Mann Invalide. Es tritt also ein Versorgungsfall mit der Wirkung ein, daß der Mann der nichterwerbstätigen geschiedenen Frau keinen Unterhalt mehr leisten kann. Mit diesem Fall will wohl die CDU jetzt die Bürger verkohlen, denn unter dem Regenschirm ihrer patriarchalischen Gesinnung ({16}) tut sie so, als ob geschiedene Ehemänner ihre geschiedene Ehefrauen bestens versorgen und somit beschützen würden. ({17}) - Wir haben im Hearing genügend gehört. - Dies mag sicherlich für einige Fälle zutreffen. Die Realität im Lande sieht aber ganz anders aus: Nur ein Viertel, nämlich 25 °/o aller anspruchsberechtigten Frauen erhalten überhaupt Unterhaltsleistungen. Vom idealtypischen patriarchalischen Versorgungsund Alimentierungsdenken sind wir also in der gesellschaftlichen Wirklichkeit sehr weit entfernt. In der Regel stellen sich ja geschiedene Frauen auf den Boden dieser Tatsachen und stehen selbst ihren Mann, wann immer ihnen dies möglich ist. Grundsätzlich ist das normale Arbeitnehmereinkommen eben nicht ausreichend, um davon zwei Familien zu ernähren. ({18}) Dies heißt also nichts anderes, ob nun mit Scheidung oder ohne Scheidung: bei der Masse der Arbeitnehmerbevölkerung wird die Frühinvalidität eines Ehemannes zur Erwerbstätigkeit der Frau oder eben zum Sozialamt führen. Dies ist im geltenden Recht so, und dies kann auch im künftigen Recht so sein, allerdings mit sehr veränderten Grundlagen. Auch heute ist kaum zu vermuten, daß ein geschiedener Ehemann bei vorzeitiger Invalidität in der Lage wäre, seiner ersten Familie, der geschiedenen Frau und den Kindern aus erster Ehe, und seiner zweiten Familie Unterhalt zu leisten. Problematischer kann es für die Frau im Alter von 50 bis 60 Jahren werden, wenn nach der Scheidung, nach Versorgungsausgleich und Wiederheirat der Mann zum Frührentner wird. Hier kann der Fortfall von Unterhalt mangels Leistungsfähigkeit, wie wir es heute bereits unter dem geltenden Recht erleben, in der Tat die geschiedene Frau hart treffen. Aber wieviel besser wird künftig ihre Rechtsposition! Künftig haben diese geschiedenen und unterFrau Dr. Lepsius haltsberechtigten Frauen ihr eigenes Rentenkonto für den Fall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit und für das Alter. Grundsätzlich wird die ältere Frau damit erheblich bessergestellt und rentenrechtlich besser geschützt. Dabei ist es nur selbstverständlich, daß sie versicherungsrechtlich nicht anders behandelt werden kann als alle anderen Versicherten auch, daß also auch für sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Berufs-, Erwerbsunfähigkeitsoder Altersrente gelten müssen. Lassen Sie mich am Beispiel eines Rentnerehepaares schließlich noch die Wirkungen des Versorgungsausgleichs verdeutlichen. In diesen Fällen wird der Versorgungsausgleich im Verbund mit dem neuen Ehescheidungsrecht dazu führen, daß sich jeder der beiden Ehepartner die ökonomischen Konsequenzen einer Ehescheidung sehr genau überlegt. Eine leichtfertige Scheidung wird es dann gewiß nicht mehr geben. ({19}) Merkwürdig in diesem Zusammenhang ist allerdings, daß gerade Kritiker, die so gern von der drohenden Verstoßungsscheidung sprechen, uns in diesem Fall die Wiedereinführung des katholischen Prinzips der Unauflöslichkeit der Ehe unterstellen. An diesem Fall wird freilich die einseitige Privilegierung des Mannes unter heutigem Recht deutlich. Ohne Einbußen an seinen sozialen Besitzständen zu erleiden, kann er den Fluchtweg aus einer langwährenden Ehe, aus einer 30- oder 40jährigen Ehe antreten. Umgekehrt haben alte Frauen unter dem geltenden Recht nur eine Waffe: das Widerspruchsrecht. Sie müssen also, um im Alter wirtschaftlich versorgt zu sein, auch demütigende und menschlich unwürdige Situationen ertragen. ({20}) Dies wird nun freilich anders, denn auch die ältere Frau gewinnt durch den Versorgungsausgleich an Freiheit, die bislang nur dem älteren Mann vorbehalten war. An einer sinnentleerten und unwürdigen Ehe muß sie nicht unbedingt festhalten, nur um im Alter versorgt zu sein. ({21}) Auch dies ist ein Stück mehr Gleichberechtigung, die es Menschen ermöglichen wird, mit sozial ausgewogeneren Chancen und mit weniger Angst auch im Alter zu leben. ({22}) Das ist eine sehr nachdenkliche Rede, Herr Thürk. Sie sollten auch etwas mehr nachdenken. ({23}) Meine Damen und Herren, an diesen Beispielen wird deutlich, welche sozialen Probleme dieser Reform zugrunde liegen. Mit der Einführung des Versorgungsausgleichs haben wir einen institutionellen Modernisierungsschritt getan, der die Frauen aus ihrem sozialrechtlichen Schattendasein herausführen wird. Wie irreführend sind da doch die Angriffe der Opposition gegen diese Reformpolitik der Koalition! Wie irreführend ist auch der Hinweis auf modische Verbeugungen. Die Status-quo-Fixierung Ihrer Argumentation, meine Damen und Herren von der Union, ist unhistorisch, gegenwartsblind und zukunftslos, ({24}) denn ohne exakte Darstellung der Strukturbedingungen sozialer Lebensverhältnisse bleibt Ihr Rückgriff auf vermeintlich bedrohte Werte kurzschlüssig und ohne Willen zur Bewahrung durch Veränderung. Das neue Ehe- und Familienrecht strebt ausgewogene und sozial gerechte Lösungen an, die den Lebensbedingungen unserer Gesellschaft seit der Industrialisierung, also seit rund 150 Jahren, gerecht werden sollen. An die Stelle von Hilfskonstruktionen, Fiktionen und falschen Moralisierungen treten rechtliche Regelungen, die die widersprüchlichen Ordnungsprinzipien unserer Gesellschaft zu vermitteln suchen. Dies, meine Damen und Herren, ist ein ernstes Gesetz. Wir Sozialdemokraten erwarten von ihm, daß es dem einzelnen Bürger und der Gesellschaft als Ganzes mehr menschliche Würde und mehr soziale Gerechtigkeit gewährt. Diese Reform ist ein Bestandteil des beständigen Modernisierungsprozesses unserer institutionellen Lebensordnung, den die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Freien Demokraten durchsetzen werden - auch weiterhin. ({25}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat. der Bundesminister der Justiz, Herr Dr. Vogel.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Gesellschaftsordnung ist in ihrer Identität durch einige grundlegende Elemente geprägt. Dazu gehören die Werte, denen sich die Gesellschaft verpflichtet weiß, Werte wie die Menschenwürde, die Freiheit und die Gerechtigkeit. Dazu gehören einige zentrale Rechtsinstitute wie die Privatautonomie und das Eigentum. Dazu gehören aber vor allem auch die elementaren Institutionen wie der Staat, die Gemeinde, die Familie und die Ehe. Der Gesetzentwurf, den wir heute behandeln, ist schon deshalb kein Alltagsgegenstand. Seine Regelungen gehören vielmehr zum engeren Bestand unserer gesellschaftlichen Grundnormen. Dem entspricht, daß der Entwurf das Lebensschicksal, das Glück und die Persönlichkeitsentfaltung von Millionen Mitbürgern unmittelbar berührt. Am stärksten gilt dies für die Zehntausende, ja wahrscheinlich sogar über hunderttausend Mitbürger, die das geltende Recht seit Jahren und Jahrzehnten in einer toten, schon längst zerbrochenen Ehe festhält, und die das Fortbestehen einer sinnentleerten rechtlichen Bindung als Unheil und als tägliche Bestrafung und Brandmarkung empfin14428 den. Jeder von uns kennt die Not und die innere Auflehnung dieser Menschen, und jeder von uns weiß, mit welcher inneren Spannung gerade diese Menschen den heutigen Tag erwartet haben. Es gilt aber auch für diejenigen, deren Ehen in Zukunft scheitern und denen es keineswegs gleichgültig ist, welche Verfahren und welche Lösungen das Recht für sie und ihre Kinder zur Überwindung einer solchen Lebenskrise zur Verfügung stellt. Der Bedeutung des Entwurfs entspricht schließlich auch die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der er vorbereitet worden ist. 1967 hat der Deutsche Bundestag auf Antrag der SPD-Fraktion die Einsetzung einer Eherechtskommission gefordert. 1968 hat Gustav Heinemann in die Kommission Männer und Frauen aller weltanschaulichen und politischen Richtungen, Wissenschaftler, Praktiker und Politiker berufen. Mein Amtsvorgänger Gerhard Jahn hat dann den auf den Vorarbeiten der Kommission be- ruhenden Text einer umfassenden öffentlichen Diskussion unterbreitet. Zahlreiche betroffene oder interessierte Bürger, die Kirchen, die Medien, die Frauenorganisationen, die Gewerkschaften, der Deutsche Juristentag und viele andere - sie alle haben mit ihren Anregungen und Vorschlägen den endgültigen Entwurf mitgeformt, der jetzt nach ganz besonders intensiven parlamentarischen Beratungen verabschiedungsreif vor uns liegt. Aus all dem folgt, meine Damen und Herren: Wir müssen diesen Entwurf engagiert, aber mit Würde behandeln. Wir sollten auf alle vordergründigen Effekte verzichten. Und wir sollten uns unserer besonderen Verantwortung bewußt sein. Hier kann und darf es nicht um ein paar parteipolitische Tagesvorteile gehen. Hier geht es um Kernstücke unserer Rechtsordnung. ({0}) Deshalb, Herr Mikat, bedaure ich ein wenig, daß Sie Ihre sonst durchaus ernst zu nehmende und bedenkenswerte Rede durch das banale Zitat von der Ehe, die leichter kündbar sei als ein Mietvertrag, nicht bereichert, sondern eher entwertet haben. ({1}) Schon die bisherige Debatte hat gezeigt, daß wir uns nicht über alle Einzelheiten des Entwurfs werden einigen können. Um so wichtiger erscheint mir, daß wir unsere Ausgangspunkte gegenseitig mit Respekt zur Kenntnis nehmen und uns so verdeutlichen, wo eigentlich Gegensätze bestehen und wo nicht. Dann nämlich werden die Schreckenstafeln, die einzelne Kritiker im Laufe der Zeit aufgerichtet haben, wie Kartenhäuser zusammenfallen. Zunächst einmal: Wer will denn im Ernst leugnen, daß die Familie in allen Industriestaaten einen tiefgreifenden Funktions- und Strukturwandel durchgemacht hat? Die Familie, in der nur Eltern und Kinder zusammenleben, ist heute die Regel - nicht mehr die Großfamilie der früheren vorindustriellen Jahrhunderte. Ebenso ist die Familie heute normalerweise nicht mehr Produktionsgemeinschaft, sondern eben in starkem Maße Konsumgemeinschaft. Die seit der beginnenden Industrialisierung fortschreitende Trennung der Produktion von der Familie, die Verlagerung der Produktionstätigkeit in den außerfamiliären Bereich, hat sicher die Möglichkeiten familiären Erlebens vermindert und der Familie Funktionen genommen. Aber zugleich hat diese Veränderung die Hoffnung und den Anspruch der Menschen auf Chancengleichheit, auf Selbstverwirklichung, auf personale Liebesgemeinschaft gesteigert. Sie bietet auch neue Chancen, diesen Anspruch in Ehe und Familie zu verwirklichen. Diese Anforderungen an eine Ehe, nicht mehr die Ansprüche einer - etwa der bäuerlichen - Produktionsgemeinschaft, stehen heute üblicherweise im Vordergrund, und dies - nämlich die stärkere Orientierung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf den Innenbereich und die Gefühlswelt - hat eben Folgen für die Frage, wann eine Ehe ihren Sinn verfehlt hat und deshalb gelöst werden darf. Sie hat - darin stimme ich Ihnen, Herr Kollege Mikat, zu - auch Folgen für den Bedarf an staatlichen Regelungen, insbesondere für die Gebiete, auf denen Regelungen getroffen werden müssen. Zu diesen Gebieten kann aber gerade der eheliche Intimbereich mit Sicherheit nicht gehören. ({2}) Zwei Funktionen vor allem haben Ehe und Familie in unserer Zeit zu erfüllen. Da ist einmal ihre Mittlerfunktion zwischen Individuum und Gesamtgesellschaft. Die Familie verklammert den einzelnen mit allen übergreifenden sozialen Strukturen. Für die Entwicklung der nachfolgenden Generation, für ihre Sozialisation leistet die Familie Unersetzliches und Unverzichtbares. Denn die Verhaltensweisen, ohne die eine offene demokratische Gesellschaft auf Dauer nicht bestehen kann, müssen zuallererst in den entscheidenden frühkindlichen Phasen in der Familie vermittelt, erlernt, ja, eingeübt werden. ({3}) In der Familie erfahren das Kind und der junge Mensch, wie Spannungen abgebaut und Meinungsverschiedenheiten bereinigt werden. Es prägt das Kind, ob dies durch patriarchalischen Machtspruch oder durch den ständigen Dialog der Eheleute geschieht, durch das Gespräch, in das die Kinder - ihrem Alter entsprechend - allmählich mit einbezogen werden. Zum anderen steht neben dieser die Generationen umfassenden Vermittlungsfunktion die individuelle, auf das Individuum bezogene Stabilisierungsfunktion. Die Familie steht auch in einer dialektischen Spannung zur Gesellschaft und namentlich zum Arbeitsleben. Gerade daraus zieht sie ein Gutteil ihrer Lebenskraft. Sie befriedigt Bedürfnisse, die in einer durch Technisierung, Rationalisierung, ständigen Wandel und wachsende Vielfalt der Kontakte geprägten Umwelt sonst zu kurz kommen. Die Stabilität der Innenbeziehungen, die Liebesgemeinschaft in der Familie geben dem einzelnen Halt und Zuflucht. Sie sichern dem einzelnen die festen Bezugspunkte und die Identität seiner Person in dem unaufhörlichen, sich eher noch beschleunigenden Wandel seines gesellschaftlichen Umfeldes. Wer dies erkennt, hat keine Ursache, den Funktionswandel der Familie als Funktionsverlust auszugeben. Die pessimistische Feststellung des berühmten Zivilrechtlers Martin Wolff, die Rechtsgeschichte der Familie sei die Geschichte ihrer Zersetzung, ist aus der Gegenwart nicht zu belegen. ({4}) Die Diagnose, die Familie sei tot oder leide an einer Krankheit zum Tode, ist eine Fehldiagnose. Im Gegenteil: Ehe und Familie sind höchst lebendig; ihre Vitalität ist ungebrochen. ({5}) Wir brauchen nur daran zu erinnern, welch ungeheure Belastungsprobe die Familie in den Notjahren des Krieges und der ersten Nachkriegszeit glänzend bestanden hat. Andere Sozialverbände wie der Staat, die Länder, ja selbst die Gemeinden zerbrachen damals; die Familie hielt stand und gab den Menschen Halt und Zuflucht. Brüchig geworden ist etwas ganz anderes, nämlich die patriarchalische Ordnung der Familie, das einseitig an der Herrschaft des Ehemannes und Vaters orientierte Familienleitbild. Das ist brüchig geworden und befindet sich in Auflösung. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind keine modischen Zeitströmungen, das sind tiefgreifende, ja das sind - ich sage es bewußt - säkulare Wandlungen. Der Entwurf nimmt diese Wandlungen zur Kenntnis und will ihnen gerecht werden. Manche bekämpfen den Entwurf aber gerade deshalb, weil sie diesen Wandel leugnen; weil sie einfach nicht stark genug sind, sich der veränderten Wirklichkeit und ihren Herausforderungen zu stellen. Weil ihre Nostalgie sie nicht beflügelt, sondern lähmt. Aber nicht der schützt Ehe und Familie, der vor ihrem geschichtlichen Wandel die Augen verschließt. Schützen kann sie nur, wer auf neue Fragen neue Antworten gibt und nicht die alten Antworten von gestern, wer neuen Gefahren mit neuen Abhilfen begegnet. Darüber sollte eigentlich in diesem Haus kein Streit bestehen. ({7}) Außer Streit stehen sollte auch, daß ein pluralistisches Gemeinwesen nicht eine von mehreren ethischen oder gar theologischen Maximen für verbindlich erklären kann. Dies ist nachgerade ein Grundprinzip unserer Staats- und Verfassungsordnung. Ich freue mich, daß Sie, Herr Kollege Mikat, mit einer Deutlichkeit, die man bei anderen manchmal vermißt, dieses Prinzip hier von dieser Stelle aus unterstrichen haben. Natürlich gibt es unterschiedliche Eheauffassungen. Die katholische Ehelehre unterscheidet sich nicht unwesentlich von der protestantischen; beide wiederum stehen in wichtigen Punkten im Gegensatz zur Eheauffassung religiös ungebundener Humanisten. Warum wird dann - weniger vielleicht hier von der Tribüne des Parlaments aus als vor allem draußen in vielen Diskussionen - immer wieder der Versuch gemacht, bestimmte Lehren zu verabsolutieren? Das ist mit unserem Grundgesetz unvereinbar und widerspricht ebenso protestantischem wie modernem katholischem Verständnis. Wer Gegenteiliges behauptet, hat das Zweite Vaticanum und insbesondere die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, wohl mit das bedeutendste Dokument des Zweiten Vaticanums, nicht zur Kenntnis genommen. Freilich, meine Damen und Herren, Sätze wie „Bürgerliche Gesellschaft und Kirche sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und selbständig" lassen sich bei der Bekämpfung eines Reformvorhabens viel schwerer handhaben als gängige pseudotheologische Vorurteile. Im übrigen: Die Eiferer mögen sich sagen lassen, daß sich noch jede Änderung unseres Familienrechts im Laufe der Jahrhunderte unter der Anklage vollzogen hat, der Gesetzgeber wolle die Moral oder die Natur beeinträchtigen. ({8}) Man braucht sich nur an die Widerstände zu erinnern, die seinerzeit dem Gleichberechtigungsgesetz oder der verfassungskonformen Ausgestaltung des Nichtehelichenrechts entgegengesetzt worden sind. Heute findet sich in dem von der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland am 8. und 9. November 1974 verabschiedeten Dokument über die „Christlich gelebte Ehe und Familie" der ebenso verantwortungsbewußte wie lapidare Satz: Die Synode bittet den Heiligen Stuhl, bei der Reform des Kirchlichen Gesetzbuches die nichtehelichen Kinder den ehelich geborenen gleichzustellen. ({9}) Das ist ein Satz, der so in einem offiziellen katholischen Text noch vor 20 Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre. ({10}) Ich bin überzeugt: Mit manchem Rechtsgedanken des Entwurfs, den wir heute behandeln, wird es ebenso gehen wie mit dem eben von mir zitierten Gesichtspunkt. ({11}) Wir sollten hier doch keine falschen Fronten aufbauen. Das bedeutet keineswegs, daß der Gesetzgeber die rechtliche Ordnung der Ehe nach Belieben gestalten kann. Er ist an das Grundgesetz gebunden. Das Grundgesetz gebietet uns als Gesetzgebungsorgan in diesem Zusammenhang dreierlei: Einmal muß sich selbstverständlich auch die Ehegesetzgebung an den Grundwerten unserer Verfassung orientieren, also an der Menschenwürde, dem Recht des einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und am Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Zum zweiten stellt Art. 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie mit gutem Grund unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Das heißt: der Gesetzgeber muß bei allen Änderungen des geltenden Rechts von dem überkommenen Kern der beiden Institute ausgehen. Diesen Kern hat das Bundesverfassungsgericht im Gleichberechtigungsurteil so definiert, daß Ehe die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft und Familie die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern sei, in der den Eltern vor allem die Pflicht und das Recht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachse. Zum dritten muß die Gesetzgebung den Ehepartnern genügend Raum dafür lassen, daß sie ihre Ehe nach ihren Gewissens- und Glaubensüberzeugungen führen können. Ich frage: Wo weicht denn der Entwurf von diesen Richtlinien ab? An welcher Stelle greift er in die Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen ein? An welcher Stelle höhlt der Entwurf das Institut der Ehe im Verständnis des Grundgesetzes eigentlich aus? ({12}) Gewiß, der Entwurf reglementiert weniger, und er moralisiert auch nicht. Er vertraut mehr auf das Verantwortungsbewußtsein der Ehepartner, und er sieht davon ab, die Gewährung oder Versagung der Scheidung einer gescheiterten, in der Wirklichkeit gar nicht mehr existenten Ehe als staatliches Strafoder Sanktionsmittel einzusetzen. Das ist ein personales Eheverständnis, das dem Grundgesetz voll entspricht; ein Eheverständnis, das sich nicht den unfruchtbaren Gegensatz zwischen der Ehe als Institution und der Ehe als engster mitmenschlicher Beziehung aufnötigen läßt. Natürlich ist die Ehe auch eine Institution, aber eine personale, eine personenbezogene Institution; eine Institution, die nicht von den Menschen abgelöst werden kann, die sie bilden, die sich nicht verselbständigt neben die beiden Menschen dieser Ehe stellen läßt. Meine Damen und Herren, es wird gesagt, in diesem Eheverständnis hätten Liebe, Treue, gegenseitiges Dienen, gegenseitige Aufopferung keinen Platz mehr. Es wird gesagt, die Ehe des Entwurfs sei nicht mehr als ein gewöhnlicher kündbarer Vertrag. Welch fataler Irrtum! Gerade weil der Entwurf all diesen Antriebskräften Raum geben, diese Verhaltensweisen fördern will, verzichtet er darauf, ihre Entfaltung zu verordnen oder zu befehlen oder zu erzwingen. ({13}) „Was hat die Intimsphäre der Ehe", so fragt Max Rheinstein, ein führender Vertreter der Zivilrechtsvergleichung, „mit den grobschlächtigen Mitteln der staatlichen Zwangsmaschinerie zu tun?" Eheliche Gemeinschaft entsteht freiwillig oder gar nicht. Auch nur ein mittelbarer staatlicher Zwang verfehlt sein Ziel und erreicht das Gegenteil. Aus diesem Eheverständnis leitet der Entwurf seine Regeln ab, und aus diesem Verständnis heraus ändert er das bisherige Recht dort, wo es der Wertordnung unseres Grundgesetzes und der veränderten Wirklichkeit nicht mehr standhält. Vieles ist hierzu schon vorgetragen worden oder wird noch im einzelnen vorgetragen werden. Ich beschränke mich deshalb auf das Wesentliche. Erstens. Die Ehe kann schon nach dem geltenden Recht nicht bedingt oder befristet, sondern nur auf Lebenszeit geschlossen werden. Das neue Recht ändert an diesem Grundsatz nichts. Es bekräftigt ihn sogar noch, indem es den Satz: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen" in das Gesetz ausdrücklich aufnimmt. Ich begrüße das. Zweitens. Der Entwurf beseitigt das durch die Wirklichkeit überholte Leitbild der ,,Hausfrauenehe". Er verzichtet aber auch darauf, es durch ein neues Leitbild zu ersetzen. Allein die Ehegatten haben künftig darüber zu entscheiden, wie sie die Aufgaben in Ehe und Familie untereinander aufteilen wollen. Diese Entscheidung hat der Staat zu respektieren, nicht aber den Eheleuten vorzuschreiben. ({14}) Drittens. Beim Scheidungsrecht bringt der Entwurf den Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip. Hierin liegt eine aus der Sache heraus gebotene Selbstbeschränkung der staatlichen Gewalt. Das Zerrüttungsprinzip ist die juristische Formel für eine humanere und gerechtere Lösung zerbrochener, nicht mehr lebendiger Ehen. ({15}) Ein Gericht kann feststellen, ob eine Ehe lebendig oder tot ist, ob sie nur in eine Krise geraten oder ob sie gescheitert ist. Die Feststellung hingegen, wer an dieser Zerrüttung schuld ist, überfordert das Gericht in den meisten Fällen. Wann hätte denn je ein Gericht die Muße gehabt, die Geschichte einer Ehe über Jahre nachzuzeichnen, Schuld und Verstrickung, Schicksal und Schwäche voneinander zu trennen? Da wurde doch notgedrungen mit groben Beweisanzeichen und allgemeinster Lebenserfahrung geurteilt. Und bei der Konventionalscheidung geschah noch nicht einmal das. Die sogenannte Schuld wurde vielmehr zum Handelsobjekt der Parteien. Da blieb doch gar nichts von der Schuld und der Mitverantwortung, von der Herr Mikat heute schon sprach und die jeder bejaht, der sich zum Wert der Menschenwürde bekennt. Der Regierungsentwurf leugnet doch keineswegs, daß es Schuld auch in einer Ehe geben kann, daß Eheleute aneinander schuldig werden können, ({16}) aber er zieht die Konsequenz aus der jahrzehntelangen Erfahrung, daß der Staat mit seinen Mechanismen und Verfahren diese Schuld in aller Regel nicht aufzuspüren, zu quantifizieren und justitiabel zu machen vermag. ({17}) Außerdem bringt das Verschuldensprinzip notwendigerweise die soziale Ungerechtigkeit mit sich, daß die Strafe des Unterhaltsentzugs - und das ist eine schwere Strafe - nur den nichterwerbstätigen Teil, also noch immer meist die Frau, treffen kann. Der erwerbstätige Teil verliert, auch wenn er noch so schuldig geschieden wird, nicht seine wirtschaftliche Existenzgrundlage. Manche behaupten, der Entwurf führe die Verstoßungsscheidung ein. Diese Bezeichnung paßt doch viel eher auf den von mir soeben geschilderten Fall des geltenden Rechts. Hier wird wirklich ein Partner aus seiner bisherigen Existenz hinausgestoßen, und zwar mittellos, ohne Anspruch auf Unterhalt und ohne jede Differenzierungsmöglichkeit. ({18}) Noch ein Grund spricht für das Zerrüttungsprinzip. Der Kampf um den Schuldausspruch wiederholt den Ehekonflikt, den die beiden schmerzlich, meist über lange Zeit, miteinander erfahren haben, unnötiger' weise noch einmal vor Dritten, oft genug vor einer sensationsgierigen Öffentlichkeit - und wenn sie nur aus den Nachbarn besteht. Alle negativen Emotionen der Parteien werden noch einmal gegeneinander aufgewühlt. Ihr Verhältnis wird weiter vergiftet, und zwar meist zu Lasten der Kinder. Denn den Kindern werden beide Eltern einer gescheiterten Ehe dann am ehesten erhalten, wenn sie sich in Würde und mit einem Höchstmaß an gegenseitiger Achtung trennen können. ({19}) Gegen die Konsequenzen des Zerrüttungsprinzips, das die Opposition als Prinzip bejaht, wendet sich ihre Kritik in besonderem Maße. Drei Vorwürfe werden vor allem erhoben: das neue Recht ermögliche die sogenannte Verstoßungsscheidung, die gesetzliche Vermutung, daß eine Ehe nach Ablauf bestimmter Trennungszeiten gescheitert sei, führe zur Fristenscheidung, und das Kindeswohl sei nicht berücksichtigt. Zunächst zum Vorwurf der Verstoßungsscheidung. Er richtet sich gegen die Regelung des Entwurfs, nach der auch dem Ehegatten die Scheidung ermöglicht wird, der die Zerrüttung der Ehe selbst verschuldet hat. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist denn nicht auch diese Ehe zerrüttet und zerstört? Wem hilft es denn, eine auf diese Weise zugrunde gegangene Ehe auf dem Papier bestehen zu lassen? Wird hier nicht Eheschutz mit Sühnebedürfnis verwechselt? Welche der so zerstörten Ehen hat denn das gegenwärtige Scheidungsverbot wieder lebendig werden lassen? Wo hat denn das geltende Recht dazu geführt, daß sich eine dieser so gescheiterten und auseinandergegangenen Ehen wenigstens wieder halbwegs normalisiert hat? ({20}) Wie kann man von Verstoßung reden, in wenn der wirtschaftlich schwächere Teil einen Anspruch auf Unterhalt hat, und zwar gegebenenfalls auf Lebenszeit, wenn er durch den Vorrang gegenüber einem neuen Ehegatten geschützt ist, wenn er außerdem durch den Versorgungsausgleich gesichert ist und wenn ihm die Beiträge für seine Alterssicherung als Unterhalt geschuldet werden, falls eine Erwerbstätigkeit für ihn nicht mehr in Betracht kommt? ({21}) Die Opposition hat vorgeschlagen, die Scheidung vor Ablauf einer dreijährigen Trennungsfrist nur dann zuzulassen, wenn dem Antragsteller aus Gründen, die in der Person oder dem Lebensbereich des anderen Ehegatten liegen, die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann. Damit soll offenbar ausgeschlossen werden, daß sich jemand vor Ablauf der dreijährigen Frist auf eigenes ehezerstörendes Verhalten berufen kann. Zunächst einmal stelle ich mit Genugtuung fest, daß auch die Opposition anerkennt, daß Zeitablauf rechtliche Qualität besitzt, daß durch Zeitablauf Sachverhalte einer anderen Würdigung zugänglich werden. Bei näherer Betrachtung dieses Vorschlags zeigt sich, daß die Opposition aber eben doch von einer grundsätzlich anderen Position ausgeht. ({22}) Weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß jemand für sich den Tatbestand des Scheiterns leichtfertig ausnutzt, soll in den ersten drei Jahren der Trennung eine Scheidung eben überhaupt nur nach Verschuldensgrundsätzen möglich sein. Leichtfertiges Verhalten wird also offenbar als Regelfall unterstellt und zur Grundlage der gesetzlichen Norm gemacht. Welches von Mißtrauen und Skepsis gezeichnete Menschenbild wird hier in diesem Vorschlag offenbar! ({23}) Man traut dem einzelnen offenbar nicht zu, sich verantwortungsbewußt zu entscheiden. ({24}) Wir haben ein humaneres Bild vom Menschen und stellen Regel und Ausnahme nicht auf den Kopf. Daß die Freiheit zu eigenverantwortlicher Entscheidung auch mißbraucht werden kann, ist leider wahr. Aber das berechtigt den Gesetzgeber keineswegs, diese Freiheit jedermann ausnahmslos vorzuenthalten. Dies, meine Damen und Herren, wäre ein Rückfall in Gesetzgebungsmaximen des 19., ja des späten 18. Jahrhunderts. ({25}) Der vorliegende Gesetzentwurf geht davon aus, daß sich der Antragsteller in der Regel seinen Schritt reiflich überlegt. Der Gang zum Gericht wird künftig nicht bequemer; die Scheidungsfolgen werden nicht leichter. Erweist sich ein Scheidungsbegehren im Einzelfall als leichtfertig, so kann das Gericht nach dem neuen Recht das Verfahren bis zu einem Jahr und nach Ablauf der Dreijahresfrist bis zu einem halben Jahr aussetzen und in Extremfällen, wenn sich die Scheidung für den Antragsgegner außerhalb des wirtschaftlichen Bereichs als eine außergewöhnliche persönliche Härte darstellt, den Scheidungsantrag sogar abweisen. Diese Regelung achtet auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Ausnahmeregeln kommen nur für Ausnahmefälle in Betracht. Nun noch ein Wort zum Einwand der Fristenscheidung. Die Vermutung des Scheiterns einer Ehe nach bestimmten Trennungsfristen dient zum Schutz der ehelichen Intimsphäre und der Versachlichung des Verfahrens. Daß die Ehe gescheitert ist, wird dann vermutet, wenn die Eheleute seit mindestens einem Jahr getrennt leben und beide geschieden werden wollen. Stellt nur ein Ehegatte den Scheidungsantrag, dann tritt die Vermutung des Scheiterns nach dreijähriger Trennung ein. Der Rechtsausschuß hat vorgeschlagen, daß in beiden Fällen, also auch bei nur einseitigem Scheidungsbegehren, die Vermutung unwiderlegbar sein soll. Dagegen wird eingewandt, dies führe zu einer Scheidungsautomatik nach dem Kalender und schneide das Gespräch zwischen Richter und Parteien ab. Es sei denkbar, daß eine Ehe auch nach dreijähriger Trennung noch nicht unheilbar zerbrochen sei. Diese Argumentation ist nicht mit leichter Hand abzutun. Aber es ist doch einfach unrichtig, daß die Unwiderlegbarkeit der Vermutung das Gespräch zwischen Richter und Prozeßparteien über die Ehe abschneidet. Nach dem neuen Eheverfahrensrecht sind die Eheleute stets vom Richter persönlich zu hören. Trägt der Antragsgegner Aussöhnungsmöglichkeiten vor, so hat der Richter den Antragsteller zu hören. Die Unwiderlegbarkeit der Vermutung verbietet es dem Richter lediglich, über Tatsachenbehauptungen Beweise zu erheben; dies müßte er sonst tun. Sollte aber ein Hin und Her von Beweisen und Gegenbeweisen dann noch erforderlich sein, wenn der Antragsteller bekräftigt, daß es für ihn trotz des richterlichen Hinweises kein Zurück mehr gibt? Der Antragsteller, der sich so äußert, hat in diesem Zeitpunkt immerhin schon mindestens drei Jahre menschlich und wirtschaftlich belastender Trennung hinter sich. Vor ihm liegen erhebliche persönliche und auch finanzielle Opfer. Meine Damen und Herren von der Opposition, wo ist denn hier eine Lebensgemeinschaft, eine Ehe, die wirklich noch gerettet werden könnte? ({26}) Die generelle Widerlegbarkeit der Vermutung würde zwangsläufig dazu führen, daß der Antragsteller die dreijährige Trennungsfrist gar nicht erst abwarten, sondern alsbald die Scheidung aus dem Grundtatbestand des neuen § 1565 beantragt, und dies wird doch wohl von keiner Seite gewünscht. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard ({27})?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Gern!

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister der Justiz, darf ich Sie fragen, was sich denn die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministers der Justiz gedacht hat, als sie einen Entwurf vorlegte, bei dem diese Automatik nicht vorhanden war? ({0})

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Sie hat seinerzeit in der Begründung ausführlich auf die Problematik gerade dieses Falles aufmerksam gemacht. Sie hat die Gründe pro und kontra aufgezählt und hat damals die Widerlegbarkeit für die Dreijahresfrist vorgeschlagen. Durch die Beratungen im Rechtsausschuß hat sich ergeben, daß das damit angesprochene Problem mit der Lösung der Aussetzung, mit der Möglichkeit, daß der Richter eine halbjährige Besinnungs- und Bedenkpause einlegt, besser erreicht werden kann als mit der Lösung der Widerlegbarkeit. ({0}) Es ist also das Problem in angemessenerer und differenzierterer Weise gelöst. ({1}) Sicherlich - das wird gar nicht bestritten, Herr Kollege Erhard -, in einigen seltenen Fällen mag es denkbar sein, daß sich auch die Partner einer gescheiterten Ehe nach dreijähriger Trennung wiederfinden. Auch bereits Geschiedene haben gelegentlich wieder geheiratet. Stellt der Richter im Einzelfall nach seiner freien Überzeugung Versöhnungschancen fest, so kann und soll er auch nach dreijähriger Trennung und trotz der Unwiderlegbarkeit der Vermutung das Verfahren aussetzen können. Damit werden dem Richter praxisgerechte Regeln an die Hand gegeben. So wird auch dem Ausnahmefall Rechnung getragen, indem noch eine Hoffnung auf Aussöhnung der Eheleute besteht. Die Aussetzung vermeidet aber die Nachteile einer nur Streit und weitere Zerwürfnisse provozierenden widerlegbaren Vermutung. Über den dritten Einwand der Opposition, die Härteklausel berücksichtige nicht die Interessen der minderjährigen Kinder, ist in den Ausschüssen und auch in der Öffentlichkeit eine lange Debatte geführt worden. Dieser Einwand ist im wahrsten Sinne des Wortes verführerisch; denn wem läge nicht am Wohl der von einer Ehezerrüttung betroffenen Kinder? Die wissenschaftlichen UntersuchunBundesminister Dr. Vogel gen haben freilich gezeigt, daß dem Kind am allermeisten mit einer baldigen Bereinigung und Erledigung des elterlichen Konflikts und nicht mit seiner Verewigung gedient ist. ({2}) Durch die zwangsweise Aufrechterhaltung des rechtlichen, bloß noch formalen Ehebandes wird aber genau das Gegenteil erreicht. Die Fronten verhärten sich, der Zwist der Eltern wird tiefer. Ein Kind, das in einer solchen Atmosphäre aufwächst, erlebt die Familie nicht als Friedensordnung, sondern als Schauplatz offener oder versteckt ausgetragener Feindseligkeiten. Das Familienbild dieses Kindes wird von Anfang an entstellt. Ein bedeutender Psychologe hat das einmal mit dem Satz ausgedrückt: „Um der Kinder willen neben- und miteinander unglücklich zu sein ist ein Betrug, und noch nicht einmal ein frommer Betrug." ({3}) Wer die Untersuchung des Schweizer Psychiaters Carl Haffter, eines führenden Gelehrten seines Fachs, über Kinder aus geschiedenen Ehen gelesen hat, der wird überzeugt sein, daß die von der Opposition vorgeschlagene Berücksichtigung des Kindeswohls im Rahmen einer Härteklausel kaum je zum Besten der Kinder ausschlagen würde. Denn, wohlgemerkt, meine Damen und Herren das ist auch in der Öffentlichkeit bisher nicht klar genug geworden -, es geht ja bei der Härteklausel nicht um die Fortführung einer intakten oder heilungsfähigen, sondern um die zwangsweise Aufrechterhaltung der bereits gescheiterten, zerrütteten und zerstörten Ehe. ({4}) Beim Unterhaltsrecht bestehen zwischen Koalition und Opposition im wesentlichen noch in zwei Punkten Meinungsunterschiede. Die Opposition geht davon aus, daß die wechselseitige Verantwortung der Eheleute auch nach der Scheidung zeitlich unbegrenzt fortdauert. Das soll besagen, daß der nicht wieder verheiratete geschiedene Ehegatte vom anderen jederzeit, und sei es nach 30 Jahren, Unterhalt verlangen kann, gleichgültig, aus welchem Grund die Bedürftigkeit eintritt. Wir meinen, das schießt über das Ziel hinaus. Ursache der wirtschaftlichen Abhängigkeit des einen Ehegatten vom anderen ist die gemeinsam verantwortete Aufgabenteilung in der Ehe. Unterhalt soll deshalb nur so lange geschuldet werden, wie die Abhängigkeit andauert. Nur der Unterhaltsbedarf, der mit der Ehe in Zusammenhang steht, kann einen Anspruch rechtfertigen. Sobald der geschiedene Ehegatte wieder einen angemessenen Arbeitsplatz gefunden hat, der ihn für die Zukunft endgültig sichert, ist diese ehebedingte wirtschaftliche Abhängigkeit aufgehoben. Wenn sich herausstellt - was einmal vorkommen mag -, daß der geschiedene Teil nur scheinbar dauerhaft gesichert ist, so soll nach dem Regierungsentwurf der Unterhaltsanspruch wiederaufleben. Neu in das Scheidungsrecht fügt der Entwurf den Versorgungsausgleich ein. Hierüber ist im Grundsatz eine erfreuliche Einmütigkeit der Parteien festzustellen. Erfreulich ist diese Einmütigkeit um so mehr, als es sich beim Versorgungsausgleich um eine wichtige sozialpolitische Neuerung handelt, um einen ersten Schritt in Richtung auf eine selbständige Altersversorgung aller nicht erwerbstätigen Verheirateten. Ich freue mich, daß die Rechtspolitik dazu den Anstoß geben konnte. Alle übrigen Neuerungen, so auch die Einführung des Familienrichters und der Zusammenfassung aller die Scheidung und die Scheidungsfolgen betreffenden Verfahren zu einem einzigen Verfahren, werden noch gesondert behandelt werden und sind übrigens in ihrem Kern auch nicht kontrovers. Ich brauche deshalb an dieser Stelle nicht auf sie einzugehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluß noch einmal die entscheidende Frage: Wird die Scheidung durch das neue Recht zu einer Formalie, die Ehe zu einem kündbaren Vertrag? Die Antwort ist ein eindeutiges Nein. Das Eherecht wird ehrlicher. Es rechnet auch mit menschlichem Versagen, mit dem Zerbrechen einer Bindung, die ein Leben lang währen sollte. Das neue Recht erliegt nicht dem Aberglauben, alles lasse sich verbieten, auch das Scheitern einer solchen Bindung könne verboten werden. Das neue Recht will in dem Falle eines solchen Scheiterns nicht in erster Linie strafen und ahnden, sondern helfen und dafür sorgen, daß Eheleute ohne Haß nach dem Wort von Max Rheinstein „mit einem Minimum an Bitterkeit und einem Maximum an Fairneß" auseinandergehen und im vollen Bewußtsein der von ihnen zu tragenden Last einen neuen Abschnitt in ihrem Leben beginnen können. Der Entwurf will Wunden verheilen lassen, nicht ein Leben lang offenhalten. Richtig gesehen ist er ein Entwurf der Selbstbescheidung, der weiß, wo Menschenmacht endet. Die Macht, die uns als Gesetzgeber gegeben ist, nützt der Entwurf für mehr Menschlichkeit. Deshalb verdient dieser Entwurf, Gesetz zu werden. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz ({6}).

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben mit großem Interesse sowohl den Bericht gelesen als auch die Ausführungen gehört, die heute morgen von den Rednern der Koalition, zuletzt vom Bundesminister der Justiz, gemacht worden sind. Danach muß das geltende Recht eine ganz finstere Angelegenheit sein. ({0}) - Man muß es ja auch so schwarz malen, Herr Kollege Metzger, damit das Aschgrau der Zukunft als Silberstreifen am Horizont erscheinen kann. ({1}) Die Wirklichkeit sieht leider etwas anders aus. ({2}) Dr. Lenz ({3}) Aber der Bundesminister der Justiz hat sich ja dazu kürzlich auf einer Pressekonferenz auch sehr euphorisch geäußert. Ich habe diese Pressekonferenz überhaupt mit Interesse vermerkt und darf mich für die Amtshilfe bedanken, mit der er den Entwurf des Rechtsausschusses der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt hat. ({4}) Ich war an dem Tag leider verhindert; wir hatten unseren rechtspolitischen Kongreß in Karlsruhe. Offensichtlich waren auch die zuständigen und sachkundigen Sprecher der Koalition verhindert, den Entwurf vorzustellen. So blieb es dann einem Mitglied der Regierung vorbehalten, diese Arbeit des Parlaments der deutschen Öffentlichkeit vorzustellen. Die einen arbeiten, die anderen lassen arbeiten! ({5}) Auf dieser Pressekonferenz hat der Herr Bundesminister der Justiz davon gesprochen - das hat er ja eben auch wiederholt -, daß die Scheidung mit einem Maximum an Anstand und einem Minimum an Bitterkeit zu ermöglichen sei. Dieses wolle die Neuregelung der Scheidung erreichen. Meine Damen und Herren, ich hoffe, er irrt hier, ich hoffe, er sagt uns nicht etwas, was er eigentlich besser wissen, müßte. Nehmen Sie eine junge Familie mit einem Kind; die Ehe wird nach drei oder vier Jahren geschieden. Damit komme ich jetzt zu den Einzelfällen, und ich rede nicht mehr von der Theorie. Das ist ein Fall, der in der Statistik ziemlich häufig vorkommt. Nehmen wir an, beide Arbeiter und das Kind wächst bei der Mutter der Frau auf. Nun lernt der Mann eine andere Frau kennen, die er heiraten möchte, und zwar sofort. Er gibt die Lebensgemeinschaft mit seiner bisherigen Frau auf, lebt mit seiner neuen Freundin zusammen und bricht jegliche Beziehungen zu seiner bisherigen Frau ab, so daß eine Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner bisherigen Frau nicht mehr besteht. Seine Frau möchte nicht geschieden werden. Nach dem geltenden Recht kann sie auch nicht geschieden werden; denn der Mann kann gar nicht auf Scheidung klagen. Nach den Vorstellungen der CDU/CSU kann vor Ablauf von drei Jahren nicht geschieden werden und auch danach nicht automatisch. Nach dem Gesetzentwurf, den wir zu beraten haben, kann die Ehe jedoch geschieden werden, ohne daß es der Einhaltung einer Frist bedarf. Daraus ergibt sich für meine Begriffe eine wesentliche Schlechterstellung des ehetreuen Ehegatten. ({6}) Nun wird von den Schönfärbern dieses Gesetzentwurfs behauptet, das neue Scheidungsrecht vermeide das Waschen schmutziger Wäsche. Dieses Argument ist heute morgen mehrfach erwähnt worden. Das stimmt einfach nicht. Um im vorliegenden Fall - ich bleibe bei meinem Beispiel - die Zerrüttung der Ehe zu beweisen, kann und wird der Mann vortragen müssen, warum er die neue Frau seiner bisherigen Frau vorzieht. Wenn die bisherige Frau dabei in einem ungünstigen Lichte erscheint, wird sie auf seinen Vortrag erwidern. Dann sind wir wieder bei dem Waschen schmutziger Wäsche, genau wie bisher. ({7}) Nur hat das jetzt gar keinen Zweck mehr; denn jedes Wort der Erwiderung macht die Zerrüttung nur noch deutlicher. Wir haben also das Waschen schmutziger Wäsche und noch dazu die Frustration. ({8}) Sie haben behauptet, Herr Bundesminister der Justiz, das neue Scheidungsrecht sei ehrlicher. ({9}) Auch das stimmt nicht. Das vorher abgesprochene Rollenspiel der Parteien und die Gerichtskomödie, wie Sie sich auszudrücken beliebten, werden auch in Zukunft stattfinden; denn während sich die Ehegatten bisher darüber absprechen konnten, wer welche Schuld übernimmt, können und werden sie sich in Zukunft bei der Scheidung aus der Generalklausel über gewisse Zerrüttungssymptome absprechen können und damit jeden Streit vor Gericht über die Zerrüttung vermeiden. So wird genauso wie bisher die Schuld in Zukunft die Zerrüttung abgesprochen werden. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Emmerlich?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lenz, würden Sie die Freundlichkeit haben, mir zu erklären, was es der Ehefrau in Ihrem Beispielsfall hilft, wenn sie nach drei Jahren geschieden wird?

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, darauf komme ich sowieso noch zu sprechen. Die Frau wird jetzt fragen, Herr Kollege Emmerlich: Wer schützt mich gegen die Untreue meines Mannes? Die Koalitionsparteien antworten ihr: Treue ist kein gesetzlicher Bestandteil der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Frau wird fragen: Wer hilft mir gegen das Eindringen einer fremden Frau in die Ehe? Die Koalitionsparteien werden ihr antworten: Niemand kann dir da helfen. Die Frau fragt: Steht denn nicht auch meine Ehe nach dem Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung? Die Koalitionsparteien antworten ihr: Deine Ehe ist gescheitert. Gescheiterte Ehen genießen nicht den Schutz des Gesetzes. Sie können geschieden werden, wenn es ein Ehegatte beantragt. Meine Damen und Herren, so sieht Ihr „humanes" Scheidungsrecht aus. Glauben Sie wirklich, Herr Bundesminister der Justiz, daß diese Ehe mit einem Maximum an Anstand, ohne Gerichtskomödie und mit einem MiniDr. Lenz ({0}) mum an Bitterkeit geschieden wird, vor allen Dingen dann, Herr Bundesminister der Justiz, wenn die Frau im Nachgang erfährt, daß sie auch noch die Hälfte der Kosten des Scheidungsverfahrens zu tragen hat? ({1}) Die Frau sagt nun: Wenn ich schon meine Ehe nicht retten kann, dann möchte ich wenigstens Unterhalt haben. Ich habe meinem Mann zuliebe gearbeitet, um meiner Familie einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen. Deshalb habe ich die doppelten Belastungen von Beruf und Hausarbeit auf mich genommen und habe auf mein Kind weitgehend verzichtet. Jetzt, wo ich auf meinen Mann verzichten muß, möchte ich nicht mehr auf mein Kind verzichten. Ich möchte wissen, ob ich Unterhalt bekommen kann. - Die Antwort der Koalitionsparteien lautet: Unterhalt kannst du nur bekommen, wenn von dir wegen der Erziehung oder Pflege eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. In diesem Fall kann von dir Erwerbstätigkeit erwartet werden wie bisher. Du hast sogar mehr Zeit, wo du keinen Mann mehr hast. Meine Damen und Herren, auch nach dem geltenden Recht sind solche Entscheidungen vorgekommen, obwohl die Frau grundsätzlich ein Recht hat, sich ganz den Kindern zu widmen, und sich auch der Mann nicht darauf berufen kann, daß die Frau daneben noch eine Erwerbstätigkeit haben könnte. ({2}) - Herr Kollege Arndt, die Feinheiten dieses Gesetzes sind Ihnen bei den Beratungen offenbar entgangen. Das liegt zum Teil auch an der „glasklaren" Formulierung; daran werden unsere Gerichte und Anwälte noch viel Spaß haben, wenn sie die Paragraphen in der Länge von fünf Schreibmaschinenseiten sehen. Nun, meine Damen und Herren, streben der Bundesjustizminister und die Koalitionsparteien mehr Gerechtigkeit durch den Versorgungsausgleich an. Wer immer strebend sich bemüht, den soll man wenigstens loben, auch wenn manchmal die Bemühungen nicht sehr erfolgreich sind. Der Herr Bundeskanzler hat uns neulich ja erklärt, es komme gar nicht auf das Bemühen, sondern nur auf die objektiven Ergebnisse an. Schauen wir uns nun die objektiven Ergebnisse einmal an! Ich bleibe immer noch bei meinem Arbeiterehepaar. Durch die Halbierung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche - so sagt der Bundesminister der Justiz - wird die Frau jetzt endlich so behandelt, als hätte sie mitverdient. Unser Facharbeiter hatte seine Rentenansprüche während der Ehe - er ist ja noch sehr jung, 25 Jahre, und nur kurz verheiratet, nämlich vier Jahre - um 87 DM steigern können. Diese Steigerung wird nach dem neuen Recht halbiert: Er kriegt die Hälfte und sie kriegt die Hälfte, jeder, auf den Pfennig ausgerechnet, 43,50 DM. Diese 43,50 DM, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden der Frau ausgezahlt, wenn sie selber einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder normalerweise wegen Alters hat. Die Frau, die in unserem Beispiel 22 Jahre alt ist, muß also noch zweimal so lange warten, bis sie alt wird, bis sie in den Genuß dieses „großen" Fortschritts kommt. Meine Damen und Herren, ob sie das sehr trösten wird, wage ich zu bezweifeln. ({3}) Frau Kollegin Lepsius, verglichen mit diesen Beträgen ist das, was Sie heute morgen als Minirente apostrophiert haben, nämlich 83 DM, das glatte Doppelte, und danach wären diese Renten ja wohl kaum mehr als Taschengeld zu qualifizieren, die Sie hier als soziale Sicherheit im Alltag auswerfen. Meine Damen und Herren, nach geltendem Recht steht die Frau viel besser da. Sie braucht sich nämlich auf die Scheidung überhaupt nicht einzulassen. Sie konnte hoffen - und jetzt komme ich zu Ihrem Punkt, Kollege Emmerlich -, daß ihr Mann zu ihr und zu ihrem gemeinsamen Kind zurückkehrt. Kein Gericht konnte und durfte ihr diese Hoffnung rauben. Diese Frau hatte auch einen Anspruch auf Unterhalt ({4}) und hätte nach dem Tode des Mannes Anspruch auf 60 % seiner Rente gehabt. Das sind nach meiner Rechnung ungefähr 580 Mark. Jetzt bekommt sie 43,50 DM pro Monat. Wie sagte doch der Herr Bundesminister der Justiz: Dadurch wird die Hausfrau so behandelt, als hätte sie mitverdient. ({5}) Natürlich wird man mir antworten, sie hätte vor der Ehe gearbeitet, während der Ehe gearbeitet und müßte auch nach der Ehe noch arbeiten und habe daher einen eigenen Rentenanspruch erworben, der nun um 43,50 DM aufgestockt werde. Meine Damen und Herren von der Koalition, das mag so sein, aber in diesem Falle war sie auf die 43,50 DM nicht angewiesen, und sie wird den Eindruck haben, als wäre ihre Liebe und Mühe und Treue mit gar zu kleiner Münze vergolten worden. ({6}) Herr Bundesminister der Justiz, was ich hier geschildert habe, ist kein Extremfall. Das ist ein statistischer Häufigkeitsfall. ({7}) - Herr Kollege Emmerlich, das können Sie in den uns vorliegenden Statistiken nachschauen. Der Fall zeigt genau, worauf es heute ankommt. Dieses neue Gesetz gibt dem treuen Ehegatten keinen Schutz. Es gibt den Kindern keinen Schutz vor Scheidung. Ein Ehegatte allein bestimmt, ob die Ehe dauern soll oder nicht. Kein Gericht und kein Ehegatte kann sich dem länger als dreieinhalb Jahre widersetzen. Die Ehe wird eine unverbindliche leicht scheidbare Gelegenheitsgesellschaft, die den ehetreuen Ehegatten weit weniger schützt als das Mietrecht den vertragstreuen Mieter. ({8}) Dr. Lenz ({9}) Da das Ihre Aufmerksamkeit so stark erregt hat, will ich zu dem Punkt doch noch einige Sätze sagen, die nicht in meinem Manuskript stehen. ({10}) - Ich sage Ihnen, Herr Kollege Emmerlich, die Produktion von Holzschrauben durch zwei Personen oder der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes sind nach diesem Gesetz auf eine festere rechtliche Grundlage gestellt als die Pflege und Erziehung von Kindern. Daß das human, gerecht und familienfreundlich ist, können Sie erzählen, wem Sie wollen, aber uns nicht. ({11}) Ich komme auf den Punkt noch einmal zurück. Nehmen wir ein anderes Beispiel. ({12}) - Das Wort „katholisch" ist bisher nur von den Rednern der Koalition in den Mund genommen worden. Wir haben es nicht nötig, so häufig Bischöfe zu zitieren wie Sie. ({13}) Ein Ehepaar ist 24 Jahre verheiratet. Auch derartige Ehen werden noch geschieden, nicht so häufig wie die vorgenannten Fälle, aber doch auch noch in einer großen Häufigkeit. Nehmen wir an, er ist 59, sie ist 45. Sie verläßt ihn, um mit einem anderen Mann zu leben. Nach drei Jahren reicht sie die Scheidung ein. Die Ehe wird geschieden, weil die dreijährige Trennung unwiderlegbar die Vermutung des Scheiterns der Ehe begründet. Es kommt gar nicht darauf an, was der Mann dazu sagt; es wird geschieden. Nehmen wir an, er hat es im Laufe seiner langen Berufsjahre als Verwaltungsbeamter vom Assistenzanwärter bis zum Verwaltungsrat gebracht; nehmen wir an, er hat im Augenblick der Scheidung 45 Berufsjahre, davon 27 Jahre als Verheirateter und 18 als Unverheirateter, seine Frau war nicht berufstätig; nehmen wir an, er hat sich eine Pension von rund 2 100 DM erarbeitet: Jetzt wird seine Pension um 591 DM pro Monat gekürzt. ({14}) - Ja, darüber reden wir ja gerade, Herr Kollege Arndt. Das heißt, von einer normal zu erwartenden Pension von rund 2 100 DM erhält er noch rund 1 500 DM - und dies, Herr Kollege Dr. Arndt, obwohl er seiner Frau keinerlei Anlaß gegeben hat, ihn zu verlassen; sie ist einem anderen Mann nachgegangen. ({15}) - Lassen Sie mich weiterreden. Außerdem muß er ihr bis zum Eintritt des Rentenfalles Unterhalt zahlen, denn nach den Verhältnissen des Ehegatten und mit Rücksicht auf ihr Alter braucht die Frau nicht zu arbeiten. Nach den Anträgen der CDU/CSU brauchte der Mann keinen Unterhalt und keinen Versorgungsausgleich zu zahlen, weil das grob unbillig wäre. Auch nach dem geltenden Recht hätte er seine Frau zwar nicht festhalten können, aber er hätte ihr weder Unterhalt zahlen noch einen Versorgungsausgleich gewähren müssen. Es entspricht diesem erbarmungslosen Recht, daß er auch noch die Hälfte der Kosten des Verfahrens zahlen muß. Glauben Sie wirklich, sehr geehrter Herr Minister, daß dieser Mann die Weisheit des Gesetzgebers begreifen wird und mit einem Minimum an Bitterkeit geschieden wird? Durch die Regelung der Scheidungsfolgen ohne Rücksicht auf die Scheidungsursachen kommt ein nicht abwendbares finanzielles Risiko in die Ehe, das Schuldige wie Unschuldige gleichermaßen trifft. Alles in allem wird dieses neue Recht zu einer Lockerung der Familienbeziehungen führen. Die Ehegatten wechseln die Partner, die Kinder wechseln die Eltern. ({16}) Die Bundesregierung spricht in diesem Zusammenhang von einer Verletzung des Erzeugerprinzips und prognostiziert, daß in der Zukunft Eltern in abnehmendem Maße leibliche Eltern sind. Kinder würden ihre Eltern nicht mehr ganz und gar selbstverständlich durch Geburt finden. Die Zahl der Stiefeltern, so wird gesagt, werde steigen. Das kann man im Familienbericht der Bundesregierung nachlesen. Meine Damen und Herren, wir können nur hoffen, daß die Stiefeltern gute Stiefeltern sind - nicht böse Stiefeltern wie im Märchen - und daß sie sich um ihre Stiefkinder kümmern und sie nicht vernachlässigen. Sonst könnte die Folge der Entwicklung sein - meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß Sie dies wollen, aber die objektiven Tatsachen zählen -, daß eine steigende Zahl von Kindern in Kinderheimen aufwächst, daß mehr und mehr Jugendliche ohne ausreichende Betreuung aufwachsen und dann in Jugendstrafanstalten landen und mehr und mehr alte Leute vereinsamen und in Altersheimen leben, weil ihre Partner sie verlassen haben, um in den ungestörten Genuß der halbierten Rente zu kommen. Wir alle hoffen zweifellos, daß diese Entwicklung nicht eintritt, aber die Gefahr einer solchen Entwicklung ist nach dem Gesetz nicht von der Hand zu weisen. Ich komme zum Schluß. Unsere Beispiele zeigen: Dieses Gesetz ist frauenfeindlich. Dieses Gesetz ist männerfeindlich. Dieses Gesetz ist familienfeindlich. Dieses Gesetz ist volksfeindlich. Deshalb darf es nicht in Kraft treten. ({17}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 26 wird um 15.30 Uhr fortgeführt. Die Sitzung ist unterbrochen. ({18})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 7/4409 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarischer Staatssekretär Schlei zur Verfügung. Frage 81 des Herrn Abgeordneten Reuschenbach soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 82 des Abgeordneten Jäger ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es für Mitglieder des Bundestages, insbesondere seines Innerdeutschen Ausschusses, nützlich ist, sich durch persönliche Anschauung über die Tätigkeit der Ständigen Vertretung und ihres Leiters zu informieren?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Abgeordneter, Sie fragen, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß es für Mitglieder des Bundestages, insbesondere die des Innerdeutschen Ausschusses, nützlich ist, sich durch persönliche Anschauung über die Tätigkeit der Ständigen Vertretung und ihres Leiters zu informieren. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn die Bundesregierung dies für nützlich hält, teilen Sie dann meine Auffassung, daß es der Bundesregierung gut anstünde, mit dazu beizutragen, die Voraussetzungen solcher persönlichen Informationen, wenn sie z. B. durch Vereinbarungen mit dem Chef dieser Dienststelle geschaffen werden, nicht dadurch zu stören, daß dieser Chef der Ständigen Vertretung kurzfristig abberufen wird und es den Mitgliedern des Ausschusses so sehr erschwert wird, von diesem nützlichen Informationsmittel Gebrauch zu machen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Die Bundesregierung hat nicht gestört, sondern hat den Ständigen Vertreter hierher bitten müssen, weil eine Information notwendig war.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, daß auch bei einem dringenden Informationsbedürfnis der Bundesregierung, das gegenüber dem Leiter der Ständigen Vertretung besteht, doch im Zweifelsfalle das Informationsbedürfnis des Parlaments Vorrang haben müßte?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Es ging hier darum, wichtige Verhandlungen durch Weisungen vorzubereiten. Dies war u. a. eine dringende terminliche Notwendigkeit.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lagershausen.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche wichtigen Verhandlungen standen an, und standen diese unter zeitlichem Druck?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das steht nicht im Zusammenhang mit dieser Frage, Herr Kollege. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 83 des Abgeordneten Jäger ({0}) auf: Steht die Absage des Gesprächs von Mitgliedern des Innerdeutschen Ausschusses mit dem Leiter der Ständigen Vertretung durch die Bundesregierung im Zusammenhang mit Versuchen, die Zuständigkeiten des Innerdeutschen Ministeriums und des zuständigen Bundestagsausschusses einzuschränken?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, von seiten der Bundesregierung gibt es keine Versuche, die Zuständigkeiten des Innerdeutschen Ministeriums oder des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen einzuschränken. Demnach kann die Absage eines Gesprächstermins auch nicht mit solchen Versuchen in einem Zusammenhang stehen oder von Ihnen in einen Zusammenhang gebracht werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wir haben ja erst in der vorletzten Sitzungswoche einen der vielen Versuche erlebt, als der Herr Staatsminister Wischnewski zugeben mußte, daß es eigentlich Sache des innerdeutschen Ressorts gewesen wäre, auf bestimmte Fragen - etwa von mir - zu antworten. Ich möchte Sie fragen, ob dieser und viele andere Punkte, in denen schon durch die Einteilung für die Fragestunde Fragen aus dem innerdeutschen Ressort weggenommen und in andere Ressorts verlagert werden, nicht bereits den Beweis dafür liefern, daß meine Vermutung zutrifft.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Hier gibt es keine Ressortverlagerungen. Sie wissen ganz genau, wo der Ständige Vertreter hier in der Bundesrepublik ressortiert.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hätte es, um solchen Vermutungen, die ja nicht aus der Luft gegriffen sind, in diesem Falle wenigstens keine zusätzliche Nahrung zu geben, beim Besuch der Ständigen Vertretung nicht der Respekt vor dem Parlament geboten, dafür zu sorgen, daß die Abberufung des Staatssekretärs Gaus in einer Weise erfolgt, die nicht nach außen als eine Brüskierung des Innerdeutschen Ausschusses erscheinen mußte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, Ihr Vorsitzender hat solche Äußerungen uns gegenüber nicht gemacht. Es ist also eine Vermutung, die Sie selbst haben. Außerdem muß festgestellt werden - das können Sie nicht bestreiten -, daß die Ständige Vertretung gesprächsbereit war und daß Ihnen Herr Dr. Bräutigam zur Verfügung stand.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, steht Ihre Aussage nicht im Widerspruch zu einer Pressemeldung, nach der der derzeitige Minister für innerdeutsche Beziehungen geäußert hat, daß es bei einer Fortsetzung dieser Regierungskoalition fraglich sei, ob dieses Ministerium in der nächsten Legislaturperiode noch vorhanden sein werde?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich sehe überhaupt keinen Zusammenhang zu den hier gestellten Fragen. Außerdem ist es nicht unsere Übung, Pressemeldungen zu kommentieren. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lagershausen.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, haben Sie Verständnis dafür, daß der Vorsitzende des Ausschusses den Ort Berlin nicht dazu benutzen wollte, seine Meinung zu diesem Vorgang darzulegen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich habe für den Vorsitzenden, Herrn von Wrangel, sehr viel Verständnis. Er trägt durch die politische Führung seiner Geschäfte der ja nicht immer ganz einfachen Situation durchaus Rechnung. Er bringt solche Dinge nicht in die Öffentlichkeit. Dagegen haben Sie dafür gesorgt, daß sie - zum Teil mit Unterstellungen versehen - hier zu einem Thema geworden sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie wirklich der Meinung, daß das, was sich hier die Ständige Vertretung geleistet hat, die geeignete Form des Umgangs mit dem Parlament und seinen Ausschüssen ist?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich muß - wie schon vorhin - noch einmal zurückweisen, daß sich hier die Ständige Vertretung etwas „geleistet" habe. Ihnen stand die gesamte Ständige Vertretung zur Verfügung, und sie hielt sich bereit. Lediglich Herr Staatssekretär Gaus hatte hier in Bonn dem Bundeskanzler zur selben Zeit zur Verfügung zu stehen. Das ist die Tatsache.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, dem Informationsbedürfnis des Innerdeutschen Ausschusses an Ort und Stelle voll gerecht zu werden?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie ist stets bereit, den Mitgliedern des Ausschusses die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Selbstverständlich, Herr Kollege!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie dem Herrn Vorsitzenden des Innerdeutschen Ausschusses solche Wertschätzung zuteil werden lassen, wie Sie es hier zum Ausdruck gebracht haben, warum benutzen Sie dann sein Ihrer Meinung nach - und ich teile diese Meinung - korrektes Verhalten dazu, es hier gegen die Abgeordneten der Opposition ins Feld zu führen? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie sollten mich hier nicht zu solchen differenzierenden Wertungen herausfordern. Es geht einfach darum, ob man gewisse Dinge, die kompliziert sind, untereinander bespricht oder ob man sie hier ins Plenum trägt und zu gewissen Verfälschungen durch gewisse Arten der Fragestellung bringt. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? ({0}) - Sie hatten schon eine Zusatzfrage. Jetzt kommt Ihre Frage. Ich darf die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Lagershausen aufrufen: Ist es richtig, daß der Bundeskanzler Staatssekretär Gaus ausgerechnet für die Stunden nach Bonn zitierte, wo Mitglieder des Innerdeutschen Ausschusses mit Wissen der Bundesregierung langfristig zu einem Besuch bei dem Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin angesagt waren, und welche Gründe veranlaßten ihn hierzu gegebenenfalls?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Lagershausen, Sie fragten, ob es richtig ist, daß der Bundeskanzler Staatssekretär Gaus ausgerechnet für die Stunden nach Bonn zitierte, als Mitglieder des Innerdeutschen Ausschusses mit Wissen der Regierung langfristig zu einem Besuch bei dem Leiter der Ständigen Vertretung angesagt waren. - Das ist nicht richtig. Herr Staatssekretär Gaus hat sich seit Dienstag in Bonn befunden, um notwendige Besprechungen hier zu führen. Der Bundeskanzler mußte Herrn Staatssekretär Gaus aus zwingenden Gründen persönlich Weisungen geben, und dies konnte aus Termingründen erst am 4. Dezember geschehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie sagen, der Leiter der Ständigen Vertretung habe sich schon am Dienstag hier beim Bundeskanzler befunden, können Sie mir dann bestätigen, daß der Leiter der Ständigen Vertretung den Ausschußvorsitzenden am Dienstag, als er bereits in Berlin im Hotel war, vom Bundeskanzleramt oder von Bonn aus informiert hat?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich denke, daß Herr Staatssekretär Gaus schon bei einem ersten Gespräch Ende November den Herrn Vorsitzenden darauf hingewiesen hatte, daß er u. a. am 3. in Bonn sein müsse. Er konnte die Terminlage damals noch nicht genauer übersehen, Herr Lagershausen.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nach unseren Informationen mit Sicherheit nicht.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Lagershausen, ich habe hier mitzuteilen, was mir Staatssekretär Gaus selbst gesagt hat. Bitte, das müssen Sie mir nun als das mir Gesagte abnehmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie hatten zwei Zusatzfragen, Herr Lagershausen. - Herr Abgeordneter Jäger, bitte!

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da sich ja der Besuch von Mitgliedern des Innerdeutschen Ausschusses nur auf wenige Stunden erstreckt hat: Wäre es bei der dringenden Notwendigkeit, die Sie hier ins Feld führen, daß Herr Gaus nach Bonn mußte, nicht möglich gewesen, den Respekt gegenüber dem Parlament dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß Herr Gaus die wenigen Stunden noch abgewartet hätte, bis sich die Mitglieder des Innerdeutschen Ausschusses mit ihm aussprechen konnten, um dann nach Bonn zu fahren, nachdem sich inzwischen herausgestellt hat, daß ganz offenkundig der Anlaß doch nicht so dringend war, wie man dort getan hat? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Jäger, Sie dürfen diese komplizierte Terminsituation nicht in Zusammenhang bringen mit einem von Ihnen unterstellten nicht vorhandenen Respekt vor dem Parlament.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Lagershausen auf: Was veranlaßte die Bundesregierung, die Absage des Besuches von Mitgliedern des Bundestages bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin erst tags zuvor dem Ausschußvorsitzenden mitteilen zu lassen, nachdem sich die Mitglieder des Ausschusses bereits in Berlin befanden?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Lagershausen, es trifft überhaupt nicht zu, daß die Bundesregierung einen Besuch von Mitgliedern des Bundestages bei der Ständigen Vertretung abgesagt hat. Sie hat lediglich dem Vorsitzenden des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen des Deutschen Bundestages am 3. Dezember mitteilen lassen, daß Staatssekretär Gaus am Vormittag des 4. Dezember nicht persönlich in der Ständigen Vertretung anwesend sein könne, da er, wie schon gesagt, ein unaufschiebbares Gespräch mit dem Bundeskanzler zu führen hatte. Er hatte dem Bundeskanzler über eine gewisse Zeit hinweg zur Verfügung zu stehen, weil hier eine Reihe von Terminen angelaufen waren. Sie wissen, der Herr Bundeskanzler ist am 3. Dezember erst aus Rom zurückgekehrt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, kann die Bundesregierung bestätigen, daß der Herr Bundeskanzler durch die Fraktionsspitze der SPD-Bundestagsfraktion veranlaßt wurde, den Besuch von Mitgliedern des Innerdeutschen Ausschusses bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin zu verhindern?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Abgeordneter, aus dem bisher Gesagten können Sie entnehmen, daß hier keine Verhinderung beabsichtigt war und bei objektiver Prüfung auch in der Zukunft keine Verhinderungen zu erkennen sein werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hätte die Bundesregierung Verständnis dafür, daß zumindest durch die Opposition in diesem Hause, aber sicher auch durch die aufmerksame und kritische Öffentlichkeit das Verhalten der Bundesregierung in diesem Falle doch als eine vielleicht ungeschickte Mißachtung des Parlaments - ich möchte einschränken: nicht gewollte, aber ungeschickte - anzusehen ist?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, nehmen Sie das, was Sie als Ungeschicklichkeit mißdeuten, bitte als ein Zusammentreffen von nicht sehr glücklichen Umständen! Und sollten Sie in Zukunft wieder einmal das Gefühl haben, daß eine Terminangelegenheit oder eine Gesprächsvereinbarung nicht richtig läuft, biete ich auch ganz persönlich meine Vermittlung an. Ihr Herr Vorsitzender weiß, daß ich mein Wort halte, wenn ich eine Vermittlung anbiete. ({0}) Vizepräisdent Frau Funcke: Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Wrangel.

Olaf Wrangel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002565, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, mitzuhelfen, den Eindruck in der Öffentlichkeit, der in Berlin und in Bonn entstanden ist, zu korrigieren, daß Mitglieder des Innerdeutschen Ausschusses bei der Ständigen Vertretung offenbar seitens des Bundeskanzleramts nicht erwünscht sind?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sollte dieser Eindruck wirklich entstanden sein, bin ich gern bereit, Ihnen und selbstverständlich auch den anderen Mitgliedern Ihres Ausschusses hierbei behilflich zu sein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Susset auf: Hat Bundeskanzler Schmidt behauptet, daß „in den vergangenen 17 Jahren kaum jemals ein erstklassiger Politiker" unter den Mitgliedern der Europäischen Kommission war, und wie kann er dies bejahendenfalls begründen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Abgeordneter Susset, die von Ihnen wiedergegebenen Äußerungen des Kanzlers sind aus dem Zusammenhang der Äußerungen des Bundeskanzlers in einem Informationsgespräch mit den bei der EG tätigen deutschen Journalisten herausgerissen worden. Der Kern der Ausführungen des Bundeskanzlers war die Besorgnis, daß der Prozeß der europäischen Integration in eine Sackgasse geraten könnte. Illusionismus, der sich in feierlichen Resolutionen und Proklamationen ausdrücke, habe verschleiert, daß die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten immer weiter auseinandergelaufen sei. Auf Grund dieser Sachlage hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß eine wirkungsvolle Fortführung der Integration der Autorität der politisch Verantwortlichen, d. h. der vom Willen der demokratischen Mehrheiten getragenen Regierungen der Mitgliedstaaten, bedürfe. Die Kommission könne nicht als europäische Regierung fungieren, weil von ihr im Augenblick eben nicht über diese Autorität verfügt werden könne. In diesem Zusammenhang steht der erläuternde Hinweis des Bundeskanzlers, daß der Kommission im allgemeinen keine Politiker angehört hätten, die aus der ersten Reihe der politisch Verantwortlichen in Europa hervorgegangen seien.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann darf ich also aus der Antwort entnehmen, daß der Herr Bundeskanzler nicht bestreitet, daß er, wie in der Presse berichtet wurde, vor etwa zwei Monaten in kleiner Runde beklagte, daß in den letzten 17 Jahren keine erstklassigen Politiker aus den verschiedensten Mitgliedstaaten nach Brüssel entsandt wurden?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, „keine" hat er nie gesagt, und es gibt kein Protokoll, welches das nachweist. Er hat gesagt: „kaum", und das heißt nach seiner Auffassung: zu wenige aus der Spitze der vorher verantwortlichen Politiker.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie so antworten, frage ich Sie: Wäre die Bundesregierung bereit, alles zu tun, damit zumindest bei den Politikern in Europa, die in den Verdacht kommen, zweitklassige Politiker zu sein, dieser Eindruck ausgeräumt wird, beispielsweise bei Mansholt, Spinelli, aber auch bei Dahrendorf, Lardinois und denjenigen, die jetzt noch in der Kommission tätig sind? Was wird die Bundesregierung tun, um diesen Eindruck auszuräumen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, ich habe den Eindruck, fast jeder Politiker hält sich für erstklassig. - Er hat ja keinen einzelnen bezeichnet. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, kann die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Gerüchte dementieren, daß Herr Kohl und Herr Strauß daran interessiert sein sollen, als Mitglieder der Kommission nach Brüssel zu gehen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, ich kenne solche Gerüchte nicht. Aber wir müßten dann die Frage der Erstklassigkeit neu stellen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, finden Sie nicht Ihre jetzt gegebene Antwort in dem Zusammenhang, daß Herr Bundeskanzler Schmidt -ohne von Ihnen dementiert werden zu können - gesagt hat „Kaum ein erstklassiger Politiker hat sich in den letzten 17 Jahren in Brüssel betätigt", etwas deplaciert?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Nein, keineswegs. Sie müssen dabei an den Begriff „Politiker" denken. Hier geht es gar nicht um eine Einordnung von fachlicher Qualität, sondern hier war der SpitParl. Staatssekretär Frau Schlei zenpolitiker aus dem einzelnen europäischen Regierungssystem gemeint, Herr Kollege. Wenn Sie den Gesamtkontext, das ganze Interview lesen, merken Sie, daß es lediglich die Sorge um die nicht schnell genug erfolgende Integration in Europa war, die den Herrn Bundeskanzler dazu brachte, zu sagen - das ist im Text zu erkennen -, es müßten die Spitzen der europäischen Regierungspolitiker dort zusammen sein, um diese schwierige Aufgabe bewältigen zu können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf: Trifft es zu, daß von deutscher Seite Mitglieder in die Kornmission der Europäischen Gemeinschaften entsandt wurden nach dem Motto: „ Jetzt müssen wir den Koalitionspartner befriedigen - oder: Der Mann hat noch keine Pension, schicken wir ihn für vier Jahre nach Brüssel", und wer ist bejahendenfalls damit gemeint?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, der Herr Bundeskanzler hat sich in seinem Interview nicht auf die Auswahlpraxis irgendeines Landes der Gemeinschaft bezogen. Das heißt also, daß er auch niemanden persönlich gemeint hat; das ist auch aus dem Text zu entnehmen. Es ging vielmehr darum, wie ich das schon vorhin darzustellen versuchte, daß sich die Stellung der Kommission und die Wirksamkeit ihrer Arbeit verstärken ließen. Er hat dazu erklärt, die Kommission müsse in Zukunft anders zustande kommen als bisher. Der von den Regierungschefs auszuwählende Präsident müsse ganz erheblichen Einfluß auf die Auswahl der Kommissionsmitglieder haben. Er brauche Kommissare, die für ihn ihre speziellen Aufgaben in ganz hervorragender Weise erledigen können, die also die erforderlichen Voraussetzungen mitbringen. Im Interesse dieser Zielsetzung sollten nach der Äußerung des Bundeskanzlers künftig in keinem Falle Gesichtspunkte der Versorgung, des Parteienproporzes oder ähnliches bei der Auswahl der Kommissions-Mitglieder maßgebend sein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage!

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie kann der von Ihnen ja nicht dementierte Text, der in der entsprechenden Pressemeldung lautet: „Und dann dürfen die übrigen Hanseln nicht mehr nach folgenden Gesichtspunkten ... entsandt werden" Ihre jetzige Antwort, daß sich das nur auf die Zukunft bezogen habe, rechtfertigen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Also, auf die „Hanseln" kommen wir noch später, in der nächsten Frage, Herr Kollege. Jetzt geht es darum, die Auswahl zu beschreiben. ({0}) Da hat er Beispiele angeführt, die uns aus der Politik ja durchaus erklärbar sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage!

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich bin vorhin offensichtlich mißverstanden worden und darf deswegen noch einmal den vollen Text zitieren: Und dann dürfen die übrigen Hanseln nicht mehr nach den folgenden Mottos bestimmt werden: Jetzt müssen wir den Koalitionspartner befriedigen .. . Das „mehr" hat sich also durchaus auf „den Koalitionspartner befriedigen und die Pension vervollständigen" bezogen. Deswegen meine Frage, ob sich Ihre Antwort denn da nicht etwas daneben bewegt.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Auch dieser Punkt, Herr Kollege, bezieht sich ja keineswegs auf unsere Verhältnisse. Denn auch in anderen europäischen Staaten hat es Koalitionen und Koalitionspartner gegeben, solange die Europäische Gemeinschaft besteht. Sie wissen doch selbst aus reicher Erfahrung Ihrer Regierungszeit, daß man auf Koalitionen manchmal in einer Weise Rücksicht nehmen muß, die dann nicht unbedingt zur höchsten Qualifikation führen müssen. Aber das weiß jeder Politiker. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie leugnen, daß die Antwort, die Sie dem Kollegen Kiechle vorhin gegeben haben und in der Sie sagten, der Bundeskanzler trete dafür ein, daß künftig keine Proporzgesichtspunkte mehr herangezogen werden, doch ergibt, daß die Praxis dieser Bundesregierung bisher offenbar darin bestand, solche Proporzgesichtspunkte zu berücksichtigen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Also, da gibt es eine Praxis, die schon länger währt als die augenblickliche Koalition, die die Regierung bildet, lieber Herr Kollege. Außerdem stehe ich nicht vor einem Gericht, und ich muß nicht leugnen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach welchen Kriterien, Frau Staatssekretärin, ist dann der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Außenministerium, Herr Dahrendorf, nach Brüssel entsandt worden, und glauben Sie, daß er ein erstklassiger Politiker in der Terminologie des Herrn Schmidt war?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Der Herr Dahrendorf ist ein deutscher Professor und bringt schon dadurch ganz hervorragende Eignungen ({0}) für alle wesentlichen Positionen mit. Bei seiner Auswahl haben wir uns an einen Rahmen gehalten, der uns als richtig erschien.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wilhelm.

Werner Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002511, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, in der Frage kommt zum Ausdruck, daß in den vergangenen Jahren von deutscher Seite Mitglieder in die Kommission nach dem Motto entsandt wurden: „Jetzt müssen wir den Koalitionspartner befriedigen, d. h. die FDP." Würden Sie meinen Eindruck teilen, daß die CDU/CSU, um wieder in die Bundesregierung zu kommen, in weit höherem Maße den möglichen Koalitionspartner FDP befriedigen würde und wollte, als dies die SPD zu tun bereit ist?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, ich beziehe mich also erst einmal wieder auf den Text. Der gibt so etwas nicht her; das betrifft also die Vergangenheit. Die Zukunft wird sicherlich so sein, daß sich Ihre Frage nicht stellt. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf: Hält der Bundeskanzler den Präsidenten, die Vizepräsidenten und Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für „Hänseln", und sind damit auch das ehemalige deutsche Mitglied der Kommission Dahrendorf und die jetzigen Mitglieder Haferkamp und Brunner gemeint?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege Kiechle, Sie fragen: Hält der Bundeskanzler den Präsidenten, die Vizepräsidenten und Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für „Handeln", und sind damit auch das ehemalige deutsche Mitglied der Kommission Dahrendorf und die jetzigen Mitglieder Haferkamp und Brunner gemeint? Zu Herrn Dahrendorf habe ich hier schon eine Antwort gegeben. Zu den beiden anderen genannten Herren ist zu sagen, daß der Herr Bundeskanzler regelmäßig ihren Rat einholt, daß sie des öfteren in Bonn sind und daß er - und das ist jetzt die entscheidende Aussage - wirklich niemanden persönlich apostrophiert hat.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da ich im Interesse der gutnachbarlichen Beziehungen aller EG-Staaten eigentlich darüber betrübt bin, daß Äußerungen, wie hier in der Presse zitiert, nicht widersprochen werden kann und sie daher gemacht worden sind, frage ich Sie: Teilen Sie meine Meinung, daß es sowohl dem Ansehen des amtierenden Bundeskanzlers als auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland dienen würde, wenn der Herr Bundeskanzler in etwas gepflegterer Sprache seine Meinung über die EG und die EG-Kommission zum Besten gäbe?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, gepflegte Aussprache und Sprache des Bundeskanzlers werden eigentlich allgemein gelobt. ({0}) Ich weiß das speziell aus England. Es gibt in keinem anderen Land eine solche wie die hier gezeigte Empörung über dieses Interview. Wir haben die Presse verfolgt. Dieses Interview ist durchaus als der Ausdruck des Engagements eines Bundeskanzlers verstanden worden, der sich für europäische Probleme nicht nur interessiert, sondern sie engagiert zu lösen versteht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zweite Zusatzfrage.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da Sie sich ausdrücklich zu diesem Ton der Formulierung und den damit zusammenhängenden Dingen bekennen, darf ich Sie fragen, ob es vielleicht doch objektive Gründe dafür gibt, daß der Herr Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Beinamen hat, der „Schnauze" lautet.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, diese alte Bezeichnung wird schon lange nicht mehr erwähnt. ({0}) Wie Sie sehen, hat sein Temperament es nicht verhindert, daß er nicht nur Bundeskanzler, sondern auch ein sehr geachteter europäischer Staatsmann geworden ist. Ich habe mich zu keinem Ausdruck bekannt. Ich habe nur den Gesamtkontext dieses Interviews genommen und beleuchtet. Dieses ist so, wie gesagt, Ausdruck einer typischen Aktivität für ein Europa, das nicht nur durch Deklamationen, sondern durch Handeln zusammengeführt werden kann. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hansel, - Gansel. ({0})

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin jedenfalls nicht bereit, meine parlamentarische Tätigkeit durch die Übernahme eines Postens bei der Kommission in Brüssel vorzeitig zu beenden, Frau Präsidentin. Aber das bezog sich nicht auf die „erstklassigen Politiker" - Frage 31. Frau Staatssekretärin, würden Sie in Anbetracht der allgemein geschätzten „gepflegten" Umgangssprache des Herrn Bundeskanzlers diesem zutrauen, daß er die Europäische Kommission als „Saustall" bezeichnen könnte, und welcher andere deutsche Politiker hätte das nach Informationen der Bundesregierung vielleicht sagen können? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, es werden dort zwar weitgehend Probleme der Agrarpolitik besprochen, ({0}) aber wir werden diesen Ausdruck trotzdem nicht übernehmen und ihn dort belassen, wo er hergekommen ist. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie die beleidigenden und herabsetzenden Äußerungen des Bundeskanzlers über die Mitglieder der Kommission hier bestätigt haben, frage ich Sie, ob der Bundeskanzler bereit ist, sich im Interesse eines besseren Klimas und der Zusammenarbeit in der EG bei den genannten Persönlichkeiten, die er beschimpft hat, jetzt zu entschuldigen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, Sie sollten den Text gründlicher lesen, dann würden Sie erkennen, daß für Ihre Frage keine Grundlage besteht. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Staatssekretär. Ich rufe nunmehr die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatsminister Moersch anwesend. Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Grobecker auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Raum; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Dasselbe gilt auf Bitten des Fragestellers für die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Möllemann. Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf: Sind im Rahmen der jüngsten Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen auch Gespräche über die Möglichkeiten der Gräberpflege, insbesondere der Kriegsgräberfürsorge, geführt worden, oder besteht die Absicht, solche Gespräche zu führen, damit verbindliche Vereinbarungen getroffen werden können?

Not found (Gast)

In den vergangenen Monaten hat ohne unmittelbaren Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen ein Meinungsaustausch über Fragen der Pflege von Gräbern, insbesondere von Kriegsgräbern, stattgefunden. Es besteht die Absicht, diesen Meinungsaustausch fortzusetzen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, findet dieser Meinungsaustausch auf Regierungsebene statt oder läuft dieser Meinungsaustausch auf anderen Ebenen, die dann wieder zu keiner Verbindlichkeit führen?

Not found (Gast)

Es sind Vertreter der Bundesrepublik Deutschland.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß umgekehrt weder für einen Polen als Einzelperson noch für irgendwelche polnische Institutionen eine Behinderung besteht, die polnischen Gräber in der Bundesrepublik jederzeit zu pflegen und zu warten?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, es ist in der Bundesrepublik Deutschland eine volle Freiheit auf diesem Gebiet gegeben, und sicherlich wird niemand in der Bundesrepublik Deutschland gehindert werden, Gräber zu pflegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, in welchem unmenschlichen Zustand die Gräber jenseits von Oder und Neiße sich befinden?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Sorge um die Pflege dieser Gräber hat die Bundesregierung zu diesem Gespräch veranlaßt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, liegt der Bundesregierung eine umfassende Dokumentation der polnischen Regierung vor, wo überall in Polen und in den deutschen Ostgebieten Soldatengräber vorhanden sind?

Not found (Gast)

Den deutschen zuständigen Stellen liegen Unterlagen darüber vor, wo diese Gräber sind. ({0}) - Ich kann das nicht nachprüfen, Herr Abgeordneter. Das ist eine Wertung. Ich habe hier Zahlen und habe Unterlagen, und ich hoffe, sie sind umfassend.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, in der Frage ist die Rede von Gräbern schlechthin. Bezieht sich die Sorge der Bundesregierung Dr. Arndt ({0}) auch auf solche Gräber, in denen Tote liegen, deren Tod von Menschen verursacht worden ist, die die Uniform der SS getragen haben?

Not found (Gast)

Ja, alle!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Die Frage 89 des Herr Abgeordneten Schäfer ({0}) soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Dr. Wittmann auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf: Welche rechtliche Bedeutung ergibt sich aus der Aussage des Bundesaußenministers in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 1975, daß das Ausreiseprotokoll vom 9. Oktober 1975 aus verfassungsrechtlichen Gründen der polnischen Seite nicht die Form eines völkerrechtlichen Vertrags erhalten hat, im Hinblick auf Artikel 46 und 47 der Wiener Vertragsrechtskonvention?

Not found (Gast)

Der in Art. 46 der Wiener Vertragsrechtskonvention niedergelegte Grundsatz läßt sich nicht mit der in Ihrer Frage angesprochenen Äußerung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen in Verbindung bringen. Diese bezog sich ausschließlich auf die Form, in der die polnischen Zusagen über Ausreisemöglichkeiten abgegeben worden sind. Die polnische Seite war nicht bereit, mit uns einen formellen zweiseitigen Vertrag hierüber abzuschließen. Die Verbindlichkeit der Zusage wird dadurch nicht berührt. ({0})

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in welcher Weise hat die polnische Seite die deutsche Seite davon informiert, daß sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sei, über diesen Gegenstand einen völkerrechtlichen Vertrag abzuschließen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, dies ist ein Zitat, das so nicht zutrifft, wie Sie es eben gebraucht haben. Ich bitte, sich an den Wortlaut der Äußerungen des Herrn Bundesministers des Auswärtigen zu halten. Darin werden Sie für eine solche Frage keine Grundlage finden können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn der Herr Bundesaußenminister in seiner Rede formuliert hat: Diese - nämlich die Bindung wird nicht dadurch gemindert, daß das Ausreiseprotokoll aus verfassungsrechtlichen Gründen der anderen Seite nicht die Form eines völkerrechtlichen Vertrages erhalten hat, darf ich dann noch einmal die Frage stellen, auf welche Weise die polnische Seite die deutsche Seite - den Herrn Bundesaußenminister oder in sonstiger Weise die deutsche Seite - davon informiert hat, daß verfassungsrechtliche Gründe vorliegen, die einer völkerrechtlichen Vereinbarung, einem völkerrechtlichen Vertrag widersprechen.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, Sie gehen hier von einer irrigen Voraussetzung aus. Wenn jemand aus innerstaatlichen Gründen eine bestimmte Form für eine völkerrechtlich wirksame Vereinbarung ausschließt, ändert das die Wirksamkeit nicht. Wenn Sie den Art. 46 der Wiener Vertragsrechtskonvention lesen und mit dem ganzen Zitat des Bundesaußenministers vergleichen - ich glaube, ich brauche es hier nicht vorzulesen; es steht im Protokoll -, dann werden sie sehen, daß es ohne Zweifel so ist, daß der anerkannte Grundsatz dieses Art. 46 in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der in der Frage angesprochenen Äußerung des Herrn Bundesministers steht. Ich glaube, hier wird etwas hineinkonstruiert, was, wenn ich recht informiert bin, übrigens im Rechtsausschuß gestern in völlig befriedigender Weise geklärt werden konnte. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung bei den Gesprächen mit der polnischen Regierung hierüber der polnischen Seite entgegengehalten, daß die polnische Regierung mit anderen Staaten durchaus solche völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen hat, und wie hat sich darauf die polnische Seite eingelassen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich kann hierzu jetzt im einzelnen nicht Stellung nehmen. Mir ist nur bekannt, daß die polnische Seite zu dieser Frage einen Standpunkt hat, der sich von dem Standpunkt anderer Regierungen, die andere Vorstellungen haben, unterscheidet, und ich vermag nicht zu erkennen, wo hier die Besonderheit des polnischen Verhaltens liegen sollte. Das ist ein Verhalten und eine Meinung, die uns seit vielen Jahren bekannt ist und die an der Verbindlichkeit der Zusage - und darauf kommt es für uns allein an -nichts ändert. Wir können doch nicht der polnischen Seite ihre innerstaatliche Form vorschreiben wollen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß sich die Äußerungen des Herrn Bundesaußenministers auf polnische MitDr. Arndt ({0}) teilungen v o r Vertragsabschluß bezogen haben, wohingegen der Art. 46 der Wiener Vertragsrechtskonvention sich darauf bezieht, daß sich nach Vertragsabschluß ein Vertragspartner darauf beruft, er habe aus innerstaatlichen Gründen den abgeschlossenen Vertrag nicht abschließen können, und Art. 47 sich auf die mangelnde Vollmacht eines Bevollmächtigten ebenfalls nach Vertragsabschluß bezieht?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich bin darauf vorbereitet, den Art. 46 vorzulesen, aber ich glaube nicht, daß wir eine Oberseminar-Veranstaltung abhalten sollten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hätte es aber nicht verfassungsrechtliche Gründe für die Bundesrepublik Deutschland gegeben, hier eine vertragliche Absprache zu finden?

Not found (Gast)

Nein, Herr Abgeordneter. Für die Bundesrepublik Deutschland ist entscheidend, daß sie eine bindende Zusage hat. Alles andere ist keine entscheidende Frage für die Bundesregierung. Die polnische Seite hat - das habe ich hier wiederholt dargelegt - niemals eine andere Auffassung vertreten als die, daß sie keine Abmachungen in der Form eines Vertrages über für sie als innerstaatliches Recht in Anspruch genommene Fragen schließen kann. Aber daß sie völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen abschließen kann, ist etwas anderes.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, weil es sich hier nicht um ein Oberseminar, sondern um übernommene oder nicht übernommene Rechtspflichten für 125 000 deutsche Staatsangehörige handelt, frage ich Sie, wieso verfassungsrechtliche Gründe Polen daran hindern, die völkerrechtliche Form eines Vertrages zu wählen, und ob Sie Beweise dafür haben, daß Polen völkerrechtliche Rechtsverpflichtungen bezüglich der Deutschen eingehen konnte und eingehen wollte, ohne von der eigenen Verfassung gehindert zu sein.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, es würde zu Mißverständnissen führen, wenn ich das, was Sie zu Beginn Ihrer Zusatzfrage in bezug auf meine Bemerkung über das Oberseminar gesagt haben, so stehenließe. Ich bin der Meinung, daß wir die Wiener Vertragsrechtskonvention nicht im Deutschen Bundestag abklopfen sollten. Wenn das im Rechtsausschuß geschieht, ist das sicher ein geeigneterer Ort dafür. Was ich zum Ausdruck bringen will, ist: Wenn die Bundesregierung mit einer ausländischen Regierung eine Vereinbarung abschließt, dann sind wir gegenüber der ausländischen Regierung im Wort. Wie wir das innerstaatlich umsetzen, ist allein unsere Entscheidung. Umgekehrt gilt selbstverständlich dasselbe. Wir haben lediglich zur Kenntnis genommen, daß die polnische Seite diese Form bevorzugt. Das war die Form, von der sie glaubte, daß sie sie - aus Gründen, die bei Polen liegen - nehmen bzw. vorschlagen müsse. Für uns zählt das Ergebnis und nicht die Form, die Polen im Hinblick auf seine inneren Verhältnisse wählt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf: Welche völkerrechtliche Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen „völkerrechtlichem Vertrag" und „zweiseitigem Protokoll" zu?

Not found (Gast)

Die Begriffe „völkerrechtlicher Vertrag" und „zweiseitiges Protokoll" kennzeichnen nicht voneinander klar geschiedene unterschiedliche Typen völkerrechtlicher Instrumente. Der Unterschied ist fließend. Ein zweiseitiges Protokoll kann ein Vertrag sein. Muß es aber nicht. Sowohl durch die eine wie durch die andere Form kann völkerrechtliche Bindungswirkung herbeigeführt werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, auf welche Weise hat die polnische Seite der deutschen Seite bekanntgegeben oder notifiziert, daß sie im Zusammenhang mit der Aussiedlungsfrage nicht einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern nur ein zweiseitiges Protokoll abzuschließen in der Lage sei?

Not found (Gast)

Das hat sie in den Gesprächen deutlich gemacht, Herr Abgeordneter.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es darüber, Herr Staatsminister, einen Schriftwechsel?

Not found (Gast)

Gespräche werden von den Gesprächsführern selbstverständlich festgehalten. Natürlich gibt es darüber von der polnischen Seite Äußerungen, die wir zur Kenntnis genommen haben. Aber über die Mitteilungen einer Verfahrensweise, einer gewünschten Methode werden bisher keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen. Da genügt Kenntnisnahme. Auf diesem uns mitgeteilten Faktum aufbauend haben wir die Form gewählt, die zur Debatte steht. Im übrigen hängen die mit völkerrechtlichen Instrumenten bewirkten Rechtsfolgen nicht nur von der jeweils gewählten Form ab, sondern richten sich auch nach dem jeweiligen Inhalt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, gerade angesichts der außerordentlich unverbindlich formulierten Weise, in der die Aussagen dieses Protokolls getroffen sind: In welcher Weise hat sich denn die Bundesregierung dagegen abgesichert, daß die polnische Seite eines Tages erklärt: Das ist zwar ein Protokoll, aber das Protokoll kann - wie Sie selber sagen - völkerrechtliche Bindungswirkung haben oder auch nicht, und wir gehen davon aus, daß es keine völkerrechtliche Bindungswirkungen hat?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, der Bundesaußenminister hat in diesem Hause - ich brauche das nicht zu wiederholen - zu diesem ganzen Problem eindeutige Erklärungen abgegeben. Ich verstehe überhaupt nicht, wie von deutscher Seite eine Zusage, die die polnische Seite gegeben hat, sozusagen pro futuro angezweifelt werden sollte bzw. angezweifelt werden kann. Das kann doch gar nicht unseren Interessen entsprechen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schweitzer.

Prof. Dr. Carl Christoph Schweitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002131, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wäre die Bundesregierung bereit, der Opposition einmal einige Völkerrechtslehrbücher kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit diese Fragen nicht ständig im Bundestag wieder aufgeworfen werden? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, warum das kostenlos geschehen sollte. Soweit ich unterrichtet bin, gibt es für bestimmte Unterrichtsmittel einen Zuschuß in diesem Hause. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß es dem deutschen Interesse nur dienen kann, wenn man ganz eindeutig feststellt, daß aus dem Wortlaut des Abs. 4 Satz 1 des Protokolls unbezweifelbar eine Verpflichtung der Volksrepublik Polen zur Genehmigung der Anträge auf Ausreise und der Ausreise hervorgeht?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, für die Mehrheit dieses Hauses, habe ich den Eindruck, ist das unbezweifelbar. ({0}) Ich kann nicht für andere sprechen. Das müssen sie selbst verantworten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben einige zynische Bemerkungen über das Futurum gemacht. Können Sie mir aber darin zustimmen, daß jede Skepsis und jedes Mißtrauen berechtigt sind auf Grund der sehr schlechten Erfahrungen, die die Bundesrepublik Deutschland mit der „Information" zum Warschauer Vertrag gemacht hat? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe mit meiner Bemerkung auf die Zweckmäßigkeit des Insistierens angespielt, und ich bleibe bei dieser Bemerkung. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da es deutschen Interesse nur dienen kann, wenn Sie hier erklären, daß die Volksrepublik Polen ausdrücklich bestätigt hat, daß sie durch das Protokoll völkerrechtliche Rechtspflichten übernommen hat, frage ich Sie, ob Sie diese Erklärung hier vor dem Hause und vor der deutschen Öffentlichkeit abgeben können. ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich bin bereit, zu wiederholen, was der Bundesminister des Auswärtigen vor diesem Hause gesagt hat. Falls Sie das nicht zur Kenntnis genommen haben sollten, steht Ihnen das Protokoll zur Verfügung. Er hat gesagt - abgedruckt im Bulletin der Bundesregierung vom 28. November -: Die in diesem Protokoll gegebene Zusage erzeugt eine völkerrechtliche Bindung der polnischen Seite. ({0}) - Das ist eine Feststellung des Bundesaußenministers. Die Interessen der Bundesrepublik Deutschland werden nach unserer Verfassung von der Bundesregierung und der Mehrheit des gewählten Parlaments festgestellt und sonst von niemandem. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Biehle auf: In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß eine Vollmitgliedschaft Griechenlands in der Europäischen Gemeinschaft nur mit einer spätestens gleichzeitigen Rückkehr in das atlantische Militärbündnis erfolgt?

Not found (Gast)

Griechenland ist keineswegs aus dem Atlantischen Bündnis ausgetreten, sondern hat lediglich auf dem Höhepunkt der Zypernkrise die Absicht erklärt, sich aus der militärischen Integration der NATO zurückzuziehen. Hierüber finden zur Zeit im Bündnis Verhandlungen statt. Die Bundesregierung hofft, daß sich im Rahmen dieser Verhandlungen für die praktischen militärischen Fragen Regelungen finden lassen, die den gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Bündnispartner gerecht werden. Sie hofft darüber hinaus, daß die Solidarität zwischen dem griechischen und dem türkischen Bündnispartner möglichst bald wiederhergestellt wird. Selbstverständlich besteht auch nach Ansicht der Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen der europäischen Einigung und der europäischen Sicherheit, die durch die NATO gewährleistet wird, obschon weder nach Ansicht der Gemeinschaft noch nach Ansicht der Bundesregierung die Mitgliedschaft in der NATO Vorbedingung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die tatsächlich volle Integrierung Griechenlands im Atlantischen Bündnis aus sicherheitspolitischen und strategischen Gründen eine Lebensnotwendigkeit für Europa und den freien Westen darstellt, zudem die Südflanke der NATO mit dem gesamten Mittelmeerraum durch die starke Aufrüstung der Sowjetunion im Sinne einer Angriffsarmee, besonders auch im maritimen Bereich, militärisch in ein immer größeres Ungleichgewicht gegenüber der Sowjetunion und damit dem Warschauer Pakt gerät?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Entscheidung Griechenlands, sich aus der militärischen Integration zurückzuziehen, bedauert. Sie hat mit Nachdruck versucht, darauf hinzuwirken, daß diese Entscheidung rückgängig gemacht wird. Das habe ich hier eben dargelegt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie stellen fest, daß die Bundesregierung dies bedauert hat. Ich frage Sie: Was hat die Bundesregierung im einzelnen konkret getan, um den alten Zustand wiederherzustellen?

Not found (Gast)

Sie hat sich zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und mit den Partnern der NATO bemüht, den Konflikt, der zu dieser Entscheidung Griechenlands geführt hat, möglichst auszuräumen. Ich glaube, sie hat sich hier außerordentliche Verdienste erworben. Das wird von keiner Seite bestritten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage mehr. Dann rufe ich die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Ey auf: Wie beurteilt die Bundesregierung Pressemeldungen, wonach ausreisewillige Deutsche aus Polen zum Eigentumsverzicht gezwungen werden, ehe dem Ersuchen auf Ausreise stattgegeben wird?

Not found (Gast)

Frau Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die Fragen 94, 95, 96 und 101 zusammen beantworten könnte, da sie exakt den gleichen Inhalt betreffen. ({0}) - Ich kann die Fragen auch einzeln beantworten. Ich werde mich dann jedemal auf die eine Antwort beziehen müssen, weil sie die genau gleichen Fragen mitumfaßt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das dürfen Sie sicherlich machen. Ich meine, wenn die Kollegen eine Einzelbeantwortung wünschen, dann sollten wir dabei bleiben.

Not found (Gast)

Den Pressemeldungen, Herr Abgeordneter, auf die Sie sich beziehen, liegt die Mitteilung eines in Polen lebenden Umsiedlungsbewerbers an seine im Bundesgebiet lebenden Verwandten zugrunde, daß die polnischen Behörden vor der Ausreisegenehmigung eine notarielle Verzichtserklärung hinsichtlich des in Polen belegenen Grundbesitzes verlangten, die auch von den im Bundesgebiet wohnenden Angehörigen abgegeben werden müsse. Wir sind der Sache nachgegangen und stellen nun fest, daß derartige Anforderungen dem Auswärtigen Amt bisher nicht bekanntgeworden waren. Wir haben diese Frage deshalb sofort auf hoher politischer Ebene mit der polnischen Regierung erörtert. Diese hat uns versichert, daß die Pressemeldungen nicht den Tatsachen entsprechen und sich das Ausreiseverfahren nicht geändert hat.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus diesem Verhalten der polnischen Regierung für die im Polen-Vertrag vorgesehenen Ausreiseregelungen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe eben gesagt, daß die polnische Regierung den Einzelfall, der hier geschildert wird, nicht bestätigt hat. Wir haben auch keine Anhaltspunkte dafür finden können, daß es eine solche Regelung, wie sie in einem Brief migeteilt wurde, tatsächlich gibt. Ich glaube, insofern entfällt die Antwort auf diese Frage. Ich will aber noch einmal klarmachen: Bisher ist folgendes Verfahren nach unserer Kenntnis gültig - wie gesagt, diesen Einzelfall ausgenommen, den ich als generellen Fall nicht bestätigt gefunden habe -: Die polnischen Behörden verlangen von den Umsiedlern vor ihrer Ausreise eine Bereinigung ihrer vermögensrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere in bezug auf Grundbesitz, der veräußert werden muß. Eine Möglichkeit, den Verkaufserlös ins Ausland zu transferieren, besteht nicht. Die Umsiedler können aber von dem Erlös bewegliches Vermögen erwerben und dieses im Zuge der Übersiedlung in das Bundesgebiet ausführen. Die Gel14448 der können auch auf einem Sperrkonto angelegt und innerhalb Polens im Rahmen der geltenden Bestimmungen verwendet werden. Von dem Verlangen nach entschädigungslosem Verzicht auf Grundbesitz vor der Ausreise kann somit nicht gesprochen werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zweite Zusatzfrage.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, dieser Frage speziell und intensiv nachzugehen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, sie sie ist nicht nur dazu bereit. Ich habe gesagt, sie hat es schon getan, und zwar sogleich nach Bekanntwerden dieses Briefes.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie sagten, dem Auswärtigen Amt seien solche Fälle nicht bekannt. Würden Sie mir sagen, wieso dann das Auswärtige Amt mit Schreiben Az. 512-520-e-123 in einem ähnlichen Fall bestätigt hat, daß in völkerrechtswidriger Weise deutsches Eigentum von Aussiedlern auf Grund eines polnischen Dekrets vom Januar 1946 beschlagnahmt worden ist, daß aber seitens der Bundesregierung keine Entschädigungsforderungen, die an sich angebracht wären, angemeldet werden, um das Verhältnis zu Polen nicht zu belasten?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, auf was Sie jetzt anspielen. Hier ist ein Fall in einem Schreiben eines Justizministers aufgeführt worden. Dieser Fall wurde durch einen Brief aus Polen mitgeteilt. Wir haben nachgeprüft, ob es ähnliche Fälle gibt, d. h. eine andere Regelung als bisher. Bisher ist mir kein Fall dieser Art, daß nämlich Grundbesitz im Zusammenhang mit der Umsiedlung entschädigungslos abgegeben werden muß, bekanntgeworden. Wenn es sich um einen anderen Fall handelt, bitte ich, eine entsprechende Frage zu stellen. Dann bin ich bereit, der Sache nachzugehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Biehle.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie in der Fragestunde am 22. Januar 1971, als die erste Frage nach Schikanen gegenüber ausreisewilligen Deutschen in Polen gestellt wurde, auch gesagt haben, die Bundesregierung verfüge über keine Anhaltspunkte für Schikanen gegen deutsche Aussiedler in Polen usw. Schon wenige Tage darauf hatte sich dann der Sachverhalt bestätigt, und die Bundesregierung mußte es zugeben, nachdem über Wochen hinweg alle Welt davon gesprochen hatte.

Not found (Gast)

Ich weiß nicht, ob Sie von dem Fall sprechen, der hier zur Verhandlung steht. Ich bin bereit, das nachzuprüfen, was sich damals ereignet hat. Ich bitte mir zuzugestehen, daß mein Gedächtnis zwar manchmal ganz gut ist, aber den 22. Januar 1971 im Augenblick nicht wiedergeben kann. Deswegen kann ich auch nicht den Fall im Auge haben, der damals zur Debatte stand. Es geht hier um das angebliche Verlangen nach einer entschädigungslosen Abgabe von Grundbesitz vor Genehmigung der Ausreise. Eben dies scheint mir, wie ich eben klargestellt habe, bis zum Beweis des Gegenteils auf einer irrtümlichen Annahme zu beruhen. Es besteht die Verpflichtung, den Grundbesitz zu verkaufen, aber der entscheidende Unterschied liegt darin, ob die Abgabe entschädigungslos erfolgt oder nicht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Bundesregierung hat doch offenbar bisher nur die Auskunft der polnischen Regierung eingeholt, oder war die Bundesregierung bereit, in dem konkreten Fall nachzugehen, wer eigentlich aus dem Gebiet jenseits von Oder und Neiße diesen Brief geschrieben hat, der einen Justizminister in der Bundesrepublik Deutschland veranlaßt hat, einen Runderlaß herauszugeben?

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Natürlich haben wir gerade diese Prüfung veranlaßt und sind dabei bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hält es die Bundesregierung nicht gegenüber den betroffenen ausreisewilligen Deutschen für verantwortungslos, sich lediglich mit dem Dementi der polnischen Regierung zufriedenzugeben, obwohl bekannt ist, wie sehr kommunistische Regierungen auf dem Kriegsfuß mit der Wahrheit stehen? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich glaube, daß es sich hier - auch im Interesse der Betroffenen - verbietet, auf den eigentlichen Inhalt dieser Frage einzugehen. Ich habe festgestellt, daß ein Fall mitgeteilt wurde und daß eine Nachprüfung von anderen Betroffenen und auch unserer Dienststellen ergeben hat, daß niemand bis jetzt einen Anhaltspunkt für eine generelle Regelung hat. Außerdem hat die sofort gefragte polnische Seite erklärt, dies sei nicht so. Wenn keine Gegenbeweise vorliegen, wenn es sich um einen Einzelfall handelt, wenn es sich vielleicht um ein Mißverständnis oder auch um einen Versuch handelt - ich kann dies nicht in Abrede stellen; es gibt in manchen Ländern auch Behörden, die gelegentlich solche Versuche unternehmen -, wenn also in dieser Hinsicht keine generelle Weisung vorliegt, welchen Anlaß sollten wir dann haben, hier irgendwelche hypothetischen Fragen in der Form zu stellen, wie Sie dies eben getan haben? Glauben Sie ernsthaft, daß den Ausreisewilligen dadurch irgendein Dienst erwiesen werden kann? Diese Frage müssen Sie sich in diesem Zusammenhang doch wohl einmal stellen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Fircks.

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Ihre Auskunft über die augenblicklichen tatsächlichen Verhältnisse auf dem Fernschreiben der Botschaft an das Auswärtige Amt beruht und sich die Botschaft ausschließlich auf die Erfahrungen der Umsiedlungsberatungsstelle der Botschaft stützt, frage ich Sie: Sind Sie der Auffassung, daß die Umsiedlungsberatung in einem so großen Umfang Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse hat, daß Ihre Auskunft auf Grund dieser Informationen der Botschaft an das Auswärtige Amt eine vollkommene Übersicht über die tatsächliche Situation in allen Gebieten, aus denen Aussiedler kommen, gibt?

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Herr Abgeordneter, die Eigenschaft der Vollkommenheit haben wir nie für uns in Anspruch genommen. Hier geht es darum, daß durch einen Brief aus Polen ein Fall mitgeteilt wurde. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns, falls Sie ebenfalls solche Briefe haben, diese zur Verfügung stellten. Dann werden wir das Gespräch mit der polnischen Seite an Hand solcher konkreten Dokumente aufnehmen. Aber bei Nichtvorhandensein von Dokumenten lediglich sozusagen auf Verdacht Interventionen vorzunehmen - also in Fällen, die von uns nicht belegt werden können -, ist doch sicherlich kein sinnvolles Verfahren. Darum geht es. Wenn Sie mir irgendeine Unterlage zusätzlicher Art geben und wenn durch die Veröffentlichung dieser Fragestunde ähnliche andere Fälle auftauchen, sind wir selbstverständlich bereit, entsprechende Demarchen zu unternehmen. Es ist doch unmöglich, auf Verdacht hin Demarchen zu unternehmen und zu behaupten, es sei eine Regelung geändert worden, die wir in anderer Form kennen. Ich bitte also um Verständnis für unsere Situation. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister Moersch, kann ich Ihrer Antwort an den Kollegen Spranger entnehmen, daß die deutsche Botschaft mit dem Betroffenen selbst in Kontakt steht und daß sie im Rahmen ihrer Schutzpflicht bei der entsprechenden polnischen Administrationsstelle, also am Ort, vorstellig geworden ist?

Not found (Gast)

Sie dürfen meiner Antwort entnehmen, daß wir mit der verantwortlichen polnischen Seite diese Frage erörtert haben. Sie dürfen meiner Antwort ebenfalls entnehmen, daß, wie Sie längst wissen, die Botschaft in Warschau mit sehr vielen Umsiedlungswilligen in Kontakten steht und daß es doch verwunderlich wäre, wenn diese Umsiedlungswilligen es der Botschaft nicht mitgeteilt hätten, wenn ein solcher Fall gegeben gewesen wäre. Ich kann nur schlicht sagen, daß wir, obwohl wir viele andere Mitteilungen haben, bei der Botschaft jedenfalls keine solche Mitteilung erhalten haben. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie hatten eben schon eine Frage gestellt. Ich rufe jetzt die von Ihnen gestellte Frage - es ist Frage 95 - auf: Treffen die Meldungen der „Frankfurter Rundschau" ({0}) und des SDR vom 3. Dezember 1975 zu, wonach in Polen ausreisewillige Deutsche u. a. zur Erreichung einer Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland zu entschädigungslosem Verzicht auf Eigentum an Grund und Boden veranlaßt ({1}) werden und sich sogar vorab von ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten notariell beglaubigte Verzichtserklärungen beschaffen müssen, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls dagegen zu unternehmen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, da die Frage sich inhaltlich mit der vorhergehenden Frage deckt, verweise ich auf meine Antwort auf Frage 94.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biehle.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß der „Süddeutsche Rundfunk" in seiner Sendung am 3. Dezember 1975 folgende Formulierung gebraucht hat: Ganz unbestritten sind zahlreiche Erpressungsversuche polnischer Stellen gegenüber Auswanderungswilligen. Berufliche und persönliche Diffamierungen solcher Menschen, die Polen verlassen und in die Bundesrepublik übersiedeln wollen, sind leider keine Erfindungen. Haben Sie auf Grund dieser Äußerungen unter Umständen auch versucht, über Journalisten Hinweise zu erhalten, um das, was in dieser Sendung am 3. Dezember 1975 gesagt wurde, zu überprüfen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, wenn Sie die Frage so gestellt hätten, wie Sie sie jetzt stellen, hätten wir natürlich auch diesen Kommentar des „Süddeutschen Rundfunks" zur Grundlage unserer Recherchen gemacht. Ich habe hier aber eine sehr naheliegende Schlußfolgerung zu ziehen. Der Artikel in der „Frankfurter Rundschau", auf dem Ihre Anfragen offensichtlich beruhen, ist am 2. Dezember - ({0}) - Entschädigung, es tut mir leid, ich habe das übersehen. ({1}) Ich habe die Beantwortung auf die eine Frage abgestellt. Der Artikel in der „Frankfurter Rundschau" ist am 2. Dezember erschienen. In der Sendung des „Süddeutschen Rundfunks" ist nichts anderes enthalten als in diesem Artikel. Das, was Sie außerdem vorgetragen haben, sind offensichtlich Meinungen und Wertungen des Verfassers, sind aber nicht Mitteilungen neuer Tatsachen. Insofern ergab sich nicht die Notwendigkeit, neu zu recherchieren, weil es in diesem Beitrag des Rundfunks keinen Anhaltspunkt für andere Informationen oder andere Tatsachen gab als in dem Beitrag der „Frankfurter Rundschau", der das Original darstellt. Wir haben uns auf das Original bezogen; ich habe mir den Brief, auf dem dieser Artikel beruht, beschafft.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, teilen Sie die Meinung, daß das Verhalten der polnischen Behörden gegenüber ausreisewilligen Deutschen unter Umständen absichtlich zu einer Reduzierung der Stellung von Anträgen auf Übersiedlung in die Bundesrepublik führen soll?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich möchte mich beim gegenwärtigen Stand der Umsiedlungsaktion zu dieser Frage nicht äußern. Das ist eine Frage, zu der sich jeder auf Grund der Tatsachen selbst eine Meinung bilden kann. Ich glaube nicht, daß das Gegenstand Ihrer ursprünglichen Frage gewesen war. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie dauernd sagen, es lägen dem Auswärtigen Amt keine Fälle vor, darf ich Sie noch einmal fragen, wieso das Auswärtige Amt Sie nicht über den umfangreichen Schriftwechsel in der Angelegenheit Valentin Richter, Kaufbeuren/Allgäu, beginnend mit dem 11. März 1970, unterrichtet hat, über einen Schriftwechsel, in dessen Verlauf das Auswärtige Amt mir unter anderem am 27. Juni 1974 mitgeteilt hat, daß auch in diesem Fall eine entschädigungslose Enteignung eines deutschen Staatsangehörigen vorliegt, die als völkerrechtswidrig betrachtet wird und aus der sicher Ansprüche hergeleitet werden müssen, wonach das Auswärtige Amt aber fortfährt, daß solche Entschädigungsforderungen, an Polen gestellt, die Beziehungen belasten würden. ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe hier einen Fall aufgegriffen, der aus dem Jahre 1975 stammt. Sie haben einen Fall zitiert, den ich jetzt nicht vor Augen habe und der nach Ihrem Zitat jedenfalls nicht das Problem betrifft, daß jemand vor der Umsiedlung ({0}) seinen Besitz hätte abgeben müssen. ({1}) - Wenn dies so ist, prüfe ich es sehr gern nach. Aber Sie können doch von mir nicht verlangen, daß ich bei einer Antwort auf die Frage, was jetzt die polnische Regelung sei, etwas anders zitiere als das, was ich eben zitiert habe. Wenn Sie sagen, es gebe noch einen zweiten Fall dieser Art, nehme ich das gern zur Kenntnis. Aber das heißt ja noch nicht, daß damit eine generelle neue Regelung aus dem Jahre 1975 bewiesen wäre; Sie haben ja einen Fall aus dem Jahre 1971 zitiert. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks. ({0})

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie mir zugeben, daß das von mir zitierte Fernschreiben, das ja im Zusammenhang mit diesem Fall von der deutschen Botschaft in Warschau an das Auswärtige Amt ging, wonach es den Umsiedlern freistehe, ihr Vermögen zu veräußern, nur eine theoretische Darstellung ist, da die Frist zwischen der Erteilung der Ausreisegenehmigung und dem Zwang, auszureisen, so kurz ist, daß praktisch eine wirkliche Veräußerung nicht möglich ist, sondern den Aussiedlern zum größten Teil nur die Schenkung an den polnischen Staat unter Begleichung der Notariatsgebühren für die Schenkung übrigbleibt? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, zwischen der Feststellung, daß eine entschädigungslose Enteignung verlangt wird, und der Variante, die Sie hier vortragen, mag, wenn sie zuträfe, im Effekt für die Betroffenen kein wesentlicher Unterschied bestehen. ({0}) Aber die Regelung ist rechtlich so, wie ich sie hier vorgetragen habe, und ich kann jetzt nicht generell auf Grund einer solchen Vorhaltung zu der Frage selbst Stellung nehmen, sondern kann nur feststellen: Wenn Ihnen ein solcher Fall bekannt ist und er sich genauso abgespielt hat, wie Sie sagen, haben Sie sicherlich recht. Aber das ist eine Frage des „Wenn".

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, haben Sie bei Ihren Recherchen von der polnischen Regierung auch die Zusicherung erhalten, daß die polnische Regierung derartige Schikanen auf keinen Fall jemals gegenüber Aussiedlungswilligen anwenden wird?

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Die polnische Seite hat uns gesagt, das Ausreiseverfahren habe sich nicht geändert und werde nicht geändert.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Jäger ({0}), bitte!

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, weshalb, so frage ich, hat die Bundesregierung, nachdem sich nun herausgestellt hat, daß dem Auswärtigen Amt bereits ein ähnlicher Fall aus der Zeit vor dem Abschluß der jüngsten deutsch-polnischen Vereinbarungen bekannt war, bei den jüngsten Verhandlungen mit der Regierung Polens nicht darauf gedrängt, daß solche Fälle durch klare und eindeutige Vereinbarungen für die Zukunft ausgeschlossen werden? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe vorhin gesagt, daß die Regelung Polens die ist, die ich hier vorgetragen habe. Diese Regelung wurde uns auch in den Verhandlungen bestätigt. Wenn es jetzt zwei Fälle geben soll - ich habe hier den einen im Auge, nach dem gefragt wurde -, so habe ich ja ausdrücklich gesagt, ich könnte nicht ausschließen, daß sich bestimmte polnische Behörden - es ist ja nicht etwa die Regierung, die Einzelentscheidungen am Ort trifft - eben anders verhalten, als es der generellen Regelung entspricht. Das ändert aber doch nichts an der Tatsache, daß wir wegen der bestehenden generellen Regelung die polnische Regierung auf diese Regelung ansprechen können, wenn sie nicht eingehalten wird. Exakt dies haben wir in dem jetzt vorliegenden Fall getan. Mehr war in diesem Fall nicht zu tun. Man kann nicht prophylaktisch für alle Fälle der Nichteinhaltung einer generellen Regelung durch eine örtliche Behörde sozusagen vertragliche Abmachungen treffen. Es wäre mir völlig unverständlich, wenn erwartet würde, daß wir dies tun müßten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage 96 des Abgeordneten Hupka: Kann die Bundesregierung die Nachricht bestätigen, daß polnischerseits Aussiedlungswilligen nahegelegt worden ist, durch ihre Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland notariell beglaubigt zu erhalten, daß ein Verzicht auf das Eigentum daheim jenseits von Oder und Neiße ausgesprochen wird, wodurch das Aussiedlungsbegehren schneller und leichter erfüllt werden könnte, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich darf mich hier ebenfalls auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Ey beziehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stimmen Sie dem Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Herrn Diether Posser, zu, der dieses Verhalten seitens der polnischen Regierung, hier eine notarielle Beglaubigung zu erwirken, für unsittlich gehalten hat?

Not found (Gast)

Es ist inzwischen klar, daß es offensichlich nicht um ein Verhalten der polnischen Regierung ging. Vielmehr muß zuerst einmal geprüft werden, ob dieser Fall von einer lokalen Behörde so behandelt worden ist. Eben dies ist bisher nicht festgestellt worden. Herr Posser hat, wenn ich den Brief recht gelesen habe, gesagt: Wenn es so ist, dann wäre es so.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben soeben gesagt: „Wenn es so ist, dann wäre es so." Das ist die Meinung von Herrn Posser. Ich würde gern einmal die Meinung der Bundesregierung dazu hören, wie es dann wäre, wenn es so wäre. ({0})

Not found (Gast)

Wenn es so wäre, dann wäre es anders, als uns gesagt wurde. Das ist die Meinung der Bundesregierung. Das würden wir außerordentlich bedauern. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Hupka, Sie haben Ihre beiden Zusatzfragen gestellt. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Biehle!

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, daß sich am Ausreiseverfahren nichts geändert habe. Darf ich Sie fragen, ob es nicht einen Unterschied zwischen dem formellen Verfahren für die Ausreise und der Behandlung der Deutschen in Polen zur Zeit der Antragstellung gibt. Ich frage Sie weiter: Was hat die Bundesregierung getan, um den Schutz der Deutschen auch zur Zeit der Antragstellung für die Zukunft zu gewährleisten, zumal den bisherigen Vereinbarungen und Protokollnotizen keinerlei konkrete Festlegungen zu entnehmen sind?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat deutlich gemacht, daß gerade denjenigen, von denen wiederholt Anträge gestellt wurden, von der polnischen Seite eine Zusage hinsichtlich ihrer Ausreise gegeben worden ist. Offensichtlich gibt es auch erste Fakten, die belegen, daß diejenigen Umsiedlungswilligen, die sich in früherer Zeit wiederholt gemeldet hatten und bei denen es sich um Härtefälle handelt, beschleunigt die Ausreisegenehmigung bekommen. Das hat die Bundesregierung auch in einer Sitzung des Bundestages dargelegt. Ich glaube nicht, daß es sinnvoll wäre, das hier noch einmal aus dem Protokoll zu zitieren. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir darin einig, daß sich die Bundesregierung, sollten sich solche völkerrechtswidrigen Konfiskationen bestätigen, veranlaßt sehen würde, völkerrechtliche Schritte gegenüber der Volksrepublik Polen zum Schutz deutschen Eigentums zu unternehmen, insbesondere nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Entscheidung vom 7. Juli 1975 in den tragenden Gründen festgestellt hat, daß Rückgewähr und Entschädigungsansprüche wegen solcher völkerrechtswidrigen Konfiskation in Betracht kommen und Vermögenswerte Rechtspositionen im Schutzbereich des Art. 14 GG darstellen, die geltend zu machen sind?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird sich zu einer Lage äußern, wenn ihr Fakten vorliegen. Aber ich glaube, Sie verkennen prinzipiell, daß die Frage der Behandlung von Eigentum eine Frage innerstaatlichen Rechts eines jeden Staates ist. ({0}) - Aber sicher! ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg!

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich komme auf eine Antwort zurück, die Sie vorhin gegeben haben. Können Sie mir sagen, ob die Bundesregierung bis heute den Eindruck gewonnen hat, daß das tatsächlich geübte generelle Verfahren bei der Bewilligung der Aussiedlung mit dem Verfahren identisch ist, das der Bundesregierung von der polnischen Regierung mitgeteilt worden ist?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich glaube, es ist nicht sinnvoll, wenn ich hier vage Eindrücke wiedergebe oder interpretiere. Ich kann auf präzise gestellte Fragen nach Fakten hier eine Auskunft, eine Information geben. Etwas anderes können Sie, glaube ich, von der Bundesregierung nicht verlangen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Keine weitere Zusatzfrage. Ich komme zu der Frage 97 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka: Hat die Bundesregierung in der gleichen Weise, wie es soeben der Bundesaußenminister in Israel getan hat: „Wir sind überzeugt, daß dem internationalen Grundsatz Rechnung getragen werden muß, der jede Gebietserwerbung durch Gewalt als unzulässig bezeichnet" ({0}), auch in Moskau und Warschau den Standpunkt vertreten, daß Annektionen unzulässig sind?

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Die Bundesregierung hat bezüglich ihrer Haltung zum Annektionsverbot mehrfach Stellung genommen. Sie verweist auf die Frage des Abgeordneten Paul Gerlach, beantwortet in der Fragestunde des Bundestages vom 24./25. April 1974, sowie auf die Frage des Abgeordneten Karl-Heinz Lemmrich, beantwortet in der Fragestunde des Bundestags vom 7. Mai 1974. Die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage ist deshalb klar und auch bei Abschluß der Verträge von 1970 deutlich und ohne jeden Zweifel zum Ausdruck gebracht worden. Der Grundsatz der Nichtanwendung von Gewalt leitet sich aus dem Gewaltverbot ab, wie es insbesondere in Art. 2 Ziff. 4 der Charta der Vereinten Nationen seinen Ausdruck gefunden hat. Auf diesen Artikel nehmen die Verträge von Moskau und Warschau ausdrücklich Bezug.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie mir vielleicht einen Ausspruch des Bundeskanzlers oder des Bundesaußenministers zitieren, der etwa in Moskau oder in Warschau genauso deutlich ausgefallen ist wie der Ausspruch des Herrn Bundesaußenministers Genscher in Israel?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen auf diese Frage hin zitieren, was die Bundesregierung in der Denkschrift zu den Verträgen von Moskau und Warschau gesagt hat. Das ist die Meinung der Bundesregierung. Ich bin gern bereit, das hier vorzutragen, wenn es gewünscht wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wenn es nicht zu lang ist.

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Es sind mehrere Seiten, Herr Präsident.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Dann würde ich doch bitten, darauf zu verzichten.

Not found (Gast)

Ich nehme auch an, daß die Wiederholung von Stellungnahmen der Bundesregierung nicht notwendig ist. Ich wollte nur darauf verweisen, daß die Bundesregierung in dieser Form Stellung genommen hat, und zwar eindeutig.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ihr Hinweis auf diese Stellungnahme wird dem Abgeordneten Dr. Hupka genügen. - Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, das war keine Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung durch irgendeinen Repräsentanten jemals eine derartige Erklärung wie die von Herrn Genscher, die ich hier zitiert habe, in Moskau oder in Warschau expressis verbis gemacht hat.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, der Wissenschaftliche Dienst wird leicht in der Lage sein, die Regierungserklärungen dieser Bundesregierung auf solche Textstellen hin zu prüfen und diese zu zitieren. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie ernstlich bestreiten, daß die Äußerungen der Bundesregierung in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt haben, als sorge sich diese Bundesregierung mehr um die Verhinderung oder Beseitigung unrechtmäßigen Gebietserwerbs durch Israel gegenüber arabischen Staaten als durch die Sowjetunion gegenüber Deutschland? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung macht sich Ihre Eindrücke nicht zu eigen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, müßten Sie hier nicht eigentlich eine Antwort parat haben, nachdem es zur völkerrechtlichen und grundgesetzlichen Mitverantwortung der Bundesrepublik Deutschland gehört, für Deutschland als Ganzes und seine Rechtspositionen einzutreten und diese wachzuhalten?

Not found (Gast)

Das hat diese Bundesregierung immer getan, Herr Abgeordneter.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zu der Frage 98 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja: Kann der Bundesaußenminister bestätigen, der polnische Mitunterzeichner des Ausreiseprotokolls habe zu dessen völkerrechtlicher Bindungswirkung in den Verhandlungen die Übereinstimmung dafür zum Ausdruck gebracht oder zu erkennen gegeben, daß dieses im Polnischen „Protokollnotiz" genannte Dokument eine „Zusage mit völkerrechtlicher Bindung Polens für Deutsche" sei und wie eine zweiseitige Vereinbarung „völkerrechtliche Wirksamkeit und Bestandskraft" haben soll, was der Bundesaußenminister am 26. November 1975 im Bundestag deutscherseits behauptete?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, der polnische Verhandlungspartner war sich während der Verhandlungen über die Bedeutung der mit dem Ausreiseprotokoll getroffenen Regelungen im klaren.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie betonen immer wieder, daß die betroffenen deutschen Staatsangehörigen bei ihrer Ausreise faktisch vom polnischen Staat und seinen Behörden abhängig sind. Wenn sich Polen der Bedeutung der Regelungen bewußt war, so frage ich noch einmal, ob Polen selbst eine Rechtsverpflichtung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in dieser Richtung bei den Verhandlungen bestätigt hat und ob Sie angesichts der bisherigen Erfahrungen, die die deutsche Seite gemacht hat, auf dieser Bestätigung bestanden haben.

Not found (Gast)

Der Bundesminister des Auswärtigen hat hier vor dem Deutschen Bundestag wörtlich gesagt - nicht, wie Sie zitiert haben -: Die in diesem Protokoll gegebene Zusage erzeugt eine völkerrechtliche Bindung der polnischen Seite. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, offensichtlich wollen Sie nicht verstehen, was ich gefragt habe, nämlich ob Polen während der Verhandlungen bestätigt hat, daß diese soeben gegebene deutsche Auslegung richtig ist, daß eine Verpflichtung der Volksrepublik Polen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland besteht, die Ausreise Deutscher zu gestatten, ob also Polen bestätigt hat, daß es eine solche Verpflichtung übernommen hat.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, der Bundesaußenminister hat aus dem Verhandlungsverlauf und aus den Äußerungen der polnischen Seite die hier gegebenen Schlußfolgerungen gezogen, die nicht bestritten werden können. Ich nehme an, daß Sie durch Ihre Frage zum Ausdruck bringen wollen, wie wertvoll Ihnen die Gesamtvereinbarung mit Polen und wie wertvoll Ihnen die Versöhnung mit Polen ist. Ich schließe daraus, daß Sie jetzt ganz offensichtlich eine positive Haltung zu diesen Vereinbarungen einnehmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male die Frage stellen: Welchen Anlaß haben Sie, zu glauben, daß die polnische Seite die Auslegung, was die völkerrechtliche Bindung anlangt. ebenso beurteilt wie die Bundesregierung? ({0})

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, der vom Herrn Bundesaußenminister hier wiedergegebene Text beantwortet diese Frage hinreichend. Wenn Sie der Meinung sind, daß man Vereinbarungen mit der Volksrepublik Polen überhaupt nicht schließen kann, bitte ich, die Frage so zu stellen, ob wir glaubten, daß wir solche Vereinbarungen überhaupt schließen könnten. Wir sind der Meinung, daß wir solche Vereinbarungen schließen können. Daraus ergibt sich die Antwort auf Ihre Frage.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie sich erklären, warum mit diesen Fragen aus den Reihen der Opposition der Versuch unternommen wird, diese Verabredungen auch in der Öffentlichkeit als unverbindlich darzustellen? Liegen diese Versuche wirklich im Interesse der Nation, im Interesse der deutschen Politik gegenüber unseren östlichen Nachbarn? ({0})

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Herr Abgeordneter, ich glaubte, dies vorher schon zum Ausdruck gebracht zu haben. Aber ich muß, anknüpfend an den Anfang Ihrer Frage, bekennen: in der Tat fällt mir nach zahlreichen solchen Zusatzfragen nur die Antwort ein: Der Rest bleibt unerklärlich. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem wir im Gegensatz zur Auffassung des Herrn Kollegen Reuschenbach gerade wissen wollen, wie verbindlich diese Geschichte ist, frage ich Sie: Wann wird die Bundesregierung auf die insistierenden Fragen in diesem Hause endlich erklären können, daß die polnische Regierung ihrerseits diese Vereinbarung als völkerrechtlich bindend ansieht? ({0})

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Herr Abgeordneter, die Lektüre dessen, was von polnischer und deutscher Seite unterschrieben und veröffentlicht wurde, gibt die Antwort auf Ihre Frage eindeutig. Ich bedaure, daß ich mich im Gegensatz zu Ihnen nicht in der Lage sehe, das Wort „verbindlich" mit einem Komparativ zu versehen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Frage 99 des Abgeordneten Dr. Czaja: Kann der Bundesaußenminister versichern, daß die polnische Regierung ausdrücklich die in seiner Rede vom 26. November 1975 enthaltene Auffassung auch während der Verhandlungen geteilt hat, wonach die deutschen Ausreisebewerber „Anspruch, auf der Grundlage der Information ({0}) auszureisen" haben, der ihnen weiterhin aufrechterhalten wird ({1}), ferner alle Deutschen über die aufgeführten Zahlen hinaus diesbezügliche „Rechtspositionen", die nicht beeinträchtigt werden dürfen, besitzen ({2}) und das Ausreiseprotokoll „dieselbe völkerrechtliche Bindungswirkung wie das Rentenabkommen" habe ({3}) ?

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Bei dem Ausreiseprotokoll, auf das die Frage abzielt, handelt es sich um ein von den beiden Außenministern unterzeichnetes Dokument, in dem der polnische Außenminister für seine Regierung eine förmliche Zusicherung über die Ausreisemöglichkeiten gibt, die rechtlich verbindlich ist. Dies sage ich noch einmal betont zum Kollegen Jäger. Grundlage für die Abwicklung der Ausreisen ist nach wie vor die „Information" der Regierung der Volksrepublik Polen vom Dezember 1970, auf welche das Ausreiseprotokoll mit der Feststellung Bezug nimmt, daß die Ausreisen auf der Grundlage der „Information" und in Übereinstimmung mit den in ihr genannten Kriterien erfolgen sollen. Das Ausreiseprotokoll sichert die Ausreise von 120 000 bis 125 000 Personen innerhalb der nächsten vier Jahre. Es hält die Möglichkeit der Ausreise des verbleibenden, unter die Kriterien der „Information" fallenden Personenkreises offen. Dies bedeutet gegenüber der allgemeinen polnischen Auswanderungsregelung eine deutliche Besserstellung dieses Personenkreises. Diese Feststellung, Herr Abgeordneter, wurde in der Fragestunde schon wiederholt vorgetragen. Ich verweise auf die Antworten der Bundesregierung zu Fragen des Abgeordneten Gerlach vom 27. August, des Abgeordneten Reddemann vom 15. September und des Abgeordneten Sauter am 6. November dieses Jahres. Der Bundesminister des Auswärtigen hat sich vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 1975 in gleichem Sinne geäußert. Seine Ausführungen sind so auch von der deutschen Öffentlichkeit verstanden worden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da, Herr Staatsminister, für solche Vereinbarungen der gemeinsame Vertragswille entscheidend ist, frage ich Sie, ob nach den enttäuschenden Erfahrungen mit der zügigen Erfüllung der „Information" von 1970 und der Nichteinhaltung der Zusage von Herrn Olszowski Polen nun selbst den weiteren Rechtsanspruch Deutscher auf Ausreise auf der Grundlage der „Information" als völkerrechtlich bindend vereinbarten Rechtsanspruch anerkannt hat.

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Das ist eine polnische Zusage, die durch ein gemeinsames Protokoll und durch eine polnische Unterschrift verbindlich gemacht worden ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist es nur die Auffassung der Bundesregierung, daß auch alle Deutschen über die 125 000 Personen hinaus eine eindeutige Rechtsposition gegenüber Polen haben und das Protokoll die gleiche Bindewirkung wie das Rentenabkommen hat, oder hat Polen selbst diese Auslegung bestätigt?

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Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat die Auffassung der polnischen Seite in der Denkschrift und in der Erklärung vor dem Bundestag dargelegt. Ich möchte mich hier nicht wiederholen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Hupka!

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bei der Berufung auf die Grundlage der „Information" bekannt, daß die polnische Regierung wiederholt diese „Information" nicht eingehalten, sondern gröblich verletzt hat?

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Herr Abgeordneter, auch dieses Thema ist hier in vielen Fragestunden und zuletzt in den Beratungen über die Vereinbarung mit Polen behandelt worden. Ich beziehe mich auf die Äußerungen der Bundesregierung hierzu.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer!

Prof. Dr. Carl Christoph Schweitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002131, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie der Auffassung des Kollegen Czaja noch einmal expressis verbis entgegentreten, daß bei dem seinerzeitigen Besuch des polnischen Außenministers Olszowski hier in Bonn gar keine bindenden Vereinbarungen zustande gekommen sind?

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Herr Abgeordneter, ich möchte auch diese Frage hier nicht behandeln. Wir haben eine Vereinbarung geschlossen, die die Thematik klarstellt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da die deutsch-polnischen Vereinbarungen lediglich die Ausreise von 120 000 bis 125 000 Deutschen aus Polen behandeln, möchte ich Sie fragen, worin die soeben von Ihnen behauptete Besserstellung der übrigen ausreisewilligen Deutschen tatsächlich liegen soll. Könnten Sie das bitte noch einmal konkretisieren?

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Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal den Satz vorlesen. Ich glaubte zwar, es gesagt zu haben, aber ich verstehe, daß das auf Grund der komprimierten Form auf Anhieb vielleicht nicht genug zu verstehen war. Es - nämlich das Ausreiseprotokoll hält die Möglichkeit der Ausreise des verbleibenden, unter die Kriterien der „Information" fallenden Personenkreises offen. Dies bedeutet gegenüber der allgemeinen polnischen Auswanderungsregelung eine deutliche Besserstellung dieses Personenkreises. Der Grund dafür ist also, daß die „Information" weiter geht als die generellen Auswanderungsbestimmungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Sauer ({0}) auf: Im Schuljahr 1975/76 beabsichtigen laut Pressemeldung der „Braunschweiger Zeitung" vom 28. November 1975 in der Volksrepublik Polen ca. 620 000 junge Menschen, die deutsche Sprache zu erlernen, und in welchen Ortschaften innerhalb der deutschen Ostgebiete wird die Möglichkeit gegeben, an Schulen die deutsche Sprache zu erlernen?

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Der Bundesregierung liegen, Herr Abgeordneter, keine statistischen Angaben darüber vor, wie viele polnische Schüler Deutsch als Fremdsprache erlernen, und auch keine Unterlagen darüber, an welchen Schulen in der Volksrepublik Polen Deutschunterricht erteilt wird. Laut offiziellen polnischen Angaben, nämlich des Statistischen Jahrbuches 1975, gibt es in der Volksrepublik Polen zur Zeit 648 000 Oberschüler. Für diese ist Russisch als erste Fremdsprache obligatorisch. Als zweite Fremdsprache stehen in der Regel Englisch, Französisch und Deutsch zur Wahl. Nach den der Bundesregierung zugänglichen Informationen nimmt unter den westlichen Sprachen Deutsch mit knappen Abstand hinter dem Englischen und weitem Vorsprung vor dem Französischen den zweiten Platz bei der Erlernung von Fremdsprachen an polnischen Oberschulen ein. Die von der „Braunschweiger Zeitung" angegebene Zahl von etwa 200 000 polnischen Oberschülern, die Deutsch erlernen, kann deshalb als realistisch betrachtet werden. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer!

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister Moersch, da die „Braunschweiger Zeitung" viel eingehender, genauer, auch aktueller auf das Schuljahr 1974/75 in Polen eingegangen ist, darf ich Ihnen die Frage stellen, ob Sie sich nach dieser Beantwortung bemühen werden, von der polnischen Regierung die diesbezügliche amtliche Ubersicht zu bekommen, um mir die Frage dann konkret zu beantworten?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, die polnischen Unterlagen sind uns im Statistischen Jahrbuch zur Verfügung gestellt. Das ist die Antwort der polnischen Seite. Ich weiß nicht, ob es eine Unterlage in der von Ihnen gewünschten Form gibt. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß es normalerweise nicht möglich ist, andere Regierungen - das war kürzlich auch bei der italienischen der Fall - sozusagen zur Beantwortung von Fragen in der Fragestunde heranzuziehen. ({0}) Das können wir nur unserer Botschaft gegenüber tun.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage hat der Abgeordnete Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat denn die deutsche Botschaft in Warschau die polnische Regierung gebeten, eine Unterlage darüber zu erhalten, an welchen Schulen Deutschunterricht erteilt wird?

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Das ist der deutschen Botschaft bekannt. Das verteilt sich ziemlich gleichmäßig auf die ganze Volksrepublik Polen. Ich habe ja gesagt, daß es die wahlweise zweite Fremdsprache sei.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Hupka. Dr. Hupka ({0}) Herr Staatsminister, in diese Zahlen nicht einbezogen sind die Deutschen, die keine Chance haben, Deutsch zu lernen. Hier ist, wenn ich Sie recht verstanden habe, nur die Rede von Deutsch als Fremdsprache - so wie Russisch oder Französisch -; aber daß Deutsch den Deutschen selber als Sprache vorenthalten wird, das muß man wohl implizieren?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, es ist bekannt, daß in Polen Deutsch als erste Sprache, also als Hauptsprache, weder in Schulen noch in Kirchen noch in der Verwaltung gelehrt, gesprochen oder benutzt wird, sondern daß Deutsch als Fremdsprache, und zwar als zweite Fremdsprache - offensichtlich mit einer gewissen Präferenz -, erlernt werden kann und daß die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache - darauf hat sich die Frage des Herrn Abgeordneten Sauer bezogen - in ganz Polen gleichmäßig ist. Es gibt also nach unseren Feststellungen, die wir treffen konnten, keine Schwerpunkte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich rufe die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Sauer ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt und hat sie konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in Polen Druck auf ausreisewillige Deutsche ausgeübt wird, nicht nur auf eine Entschädigung für ihr Eigentum an Grund und Boden zu verzichten, sondern sich auch von ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten notariell beglaubigte Verzichtserklärungen zu beschaffen?

Not found (Gast)

Die Frage, Herr Abgeordneter Sauer, habe ich inhaltlich dem Abgeordneten Ey beantwortet.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nach der Beantwortung so vieler Anfragen und Zusatzfragen zu diesem Komplex darf ich Sie abschließend fragen, ob Sie denn mit mir darin übereinstimmen, daß die entsprechende polnische Administrationsstelle in diesem betreffenden Fall gegen den Inhalt und den Geist der Vereinbarungen von Helsinki verstoßen hat?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, diese Folgerung wäre dann zutreffend, wenn geklärt wäre, daß es diesen Fall faktisch so gegeben hat. Dann ist ein Verstoß gegen eine polnische Anordnung, die in Polen Gültigkeit hat, festzustellen. Aber, wie gesagt, eine Nachprüfung, wo der Fall wirklich vorgekommen ist, ist offensichtlich außerordentlich schwierig.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Czaja!

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich auch der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herr Dr. Gehlhoff, wie aus einem Schreiben vom 4. November 1974 an mich hervorgeht, mit solchen und ähnlichen Fällen befaßt hat, und werden Sie auf Grund der Fragen dieser Fragestunde die damalige Stellungnahme des Auswärtigen Amtes überprüfen lassen, die vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 1975 ergangen ist und in der das Auswärtige Amt entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Auffassung war, daß zur Vertretung der Eigentumsrechte kein subjektives öffentliches Recht auf Schutzgewährung besteht, während das Bundesverfassungsgericht in den tragenden Gründen festgestellt hat, daß jeder deutschen Dienststelle und jeder Behörde von Verfassung wegen eine solche Schutzpflicht im Einzelfall obliegt?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, Ihre Frage zeigt, daß Sie offensichtlich nicht gehört haben, was Ihr Kollege Sauer geäußert hat, als er sagte, er wolle eine abschließende Frage stellen. Ich kann Ihnen nur antworten, daß mir nicht alle Briefe bekannt sind, die das Auswärtige Amt auf solche Fragen hin geschrieben hat. Ich kann das selbstverständlich nachprüfen. Das kann ich Ihnen gern zusagen. Aber ich kann Ihnen ebenfalls sagen, daß Sie mich nicht dazu bringen werden, in der Fragestunde auf eine mündliche Zusatzfrage Stellungnahmen abzugeben, die Sie dann wiederum in Ihrem Sinne, sozusagen gegen die Bundesregierung, verwerten möchten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme zur Frage 102 des Abgeordneten Reuschenbach: Trifft es zu, daß eine von Prof. Dr. Carstens im Jahr 1965 geleitete Regierungsdelegation nach Saudi-Arabien dort Waffengeschäfte vereinbart hat, und haben Mitglieder der damaligen Bundesregierung jene Region damals als Spannungsgebiet bezeichnet? Bitte sehr, Herr Staatsminister!

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann Ihnen heute nur einen Zwischenbescheid geben. Die Akten des Jahres 1965, die ich zur Antwort auf Ihre Frage heranziehen muß, sind archiviert. Ein Teil des Archivs des Auswärtigen Amts wird zur Zeit umgebaut, und es ist deshalb nicht möglich, die für die Beantwortung Ihrer Frage notwendigen Akten jetzt einzusehen. Ich bitte Sie um Verständnis. Ich werde Sie unverzüglich nach Abschluß des Umbaus - das wird etwa Anfang Februar 1976 sein, wie mir zugesagt wurde - in schriftlicher Form unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich komme damit zur Frage B 2 des Abgeordneten Böhm ({0}) : Trifft es zu, daß die nach Bulgarien ausgestrahlten Sendungen der Deutschen Welle über den Staatsbesuch des Staatsratsvorsitzenden Todor Schiwkoff in der Bundesrepublik Deutschland in Bulgarien durch Störsender erheblich gestört worden sind?

Not found (Gast)

Nach den Feststellungen der „Deutschen Welle" werden die Sendungen nach Bulgarien systematisch gestört. Die Störungen sind erheblich. Sie wurden auch während des kürzlichen Besuchs des Staatsratsvorsitzenden Schiwkov fortgesetzt. Die Bundesregierung bedauert das sehr, da sie der Auffassung ist, daß grenzüberschreitende Rundfunksendungen der gegenseitigen Verständigung zwischen den Völkern dienen. Sie wird sich daher, gestützt auf die Schlußakte der KSZE, auch weiterhin dafür einsetzen, daß den grenzüberschreitenden Rundfunksendungen aller Staaten keine Hindernisse entgegengestellt werden. Ich muß zur Klärung noch einmal sagen: Es handelt sich um die Störung der Sendungen in bulgarischer Sprache, nicht um die in deutscher Sprache.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung diesen konkreten Fall zum Anlaß genommen, bei der bulgarischen Regierung vorstellig zu werden, und gegen diese ausgesprochen unfreundliche Belastung dieses Staatsbesuches protestiert?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich glaube, es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Entscheidungen anderer Staaten in der hier genannten Form aufzugreifen. Selbstverständlich werden wir Gelegenheit nehmen - wir haben diese Mitteilung erst kürzlich von der „Deutschen Welle" bekommen -, in Gesprächen darauf hinzuweisen, daß wir - ich habe das eben gesagt - darauf Wert legen, daß der KSZE-Schlußakte in einer umfassenden Form Rechnung getragen wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, halten Sie es für mit dem Sinn dieses Staatsbesuches vereinbar, daß in Bulgarien gerade durch diese Störungen die Kenntnisnahme vom Ablauf des Besuchs des Staatsratsvorsitzenden in Bonn behindert worden ist?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe vorhin festgestellt, daß es sich um eine allgemeine Störung der bulgarisch-sprachigen Sendungen handelt. Auf der anderen Seite kann ich Ihnen z. B. sagen, daß es wiederholt Gelegenheit gab, Interviews für das bulgarische Fernsehen zu geben, die unverändert und ohne jede Abstriche in Bulgarien ausgesendet worden sind. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Böhm, Sie können die Äußerungen des Vertreters der Bundesregierung hier nicht kommentieren. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Meine Damen und Herren, ich komme noch zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, und zwar zuerst zur Frage 55 des Abgeordneten Zywietz. Ist Herr Zywietz im Saal? - Nein! Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Die Fragen 56, 57, 58 und 59 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich komme zu Frage 60 des Abgeordneten Dr. Jens: Beabsichtigt die Bundesregierung, Untersuchungen in Auftrag zu geben, um die von ihr angenommene schädliche Beeinflussung von Kriegsspielzeug auf das Verhalten der Kinder nachzuweisen? Bitte sehr, Herr Staatssekretär Wolters.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Dr. Jens, in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Schäfer hat die Bundesregierung am 24. September 1975 ihre Auffassung bekräftigt, daß Kriegsspielzeug aus erzieherischen Gründen abzulehnen sei. Ein Unsicherheitsfaktor bei wissenschaftlichen Untersuchungen sind die verschiedenartigen Prädispositionen und Interessen der Kinder, die voraussichtlich zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen würden. Schließlich muß sorgfältig geprüft werden, wieweit verantwortet werden kann, Kinder im Rahmen von Versuchsreihen einer pädagogisch anzweifelbaren Beschäftigung zu überlassen. Die grundsätzlichen Schwierigkeiten eines exakten Nachweises der Kausalität ist bei den zahlreichen Versuchen im Medienbereich sehr deutlich zutage getreten. Die Bundesregierung prüft aber zur Zeit, ob Untersuchungen über Wirkungen von Spielen mit bestimmten Arten von Kriegsspielzeug auf die Entwicklung von Kindern erforderlich und möglich sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir Kenntnis davon zu geben, wie diese Prüfungen ausgegangen sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Selbstverständlich!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir stehen bereits am Ende der Fragestunde. Die Frage 62 ist vom Fragesteller zurückgezogen. Die übrigen nicht behandelten Fragen weren schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich kehre zurück zur allgemeinen Aussprache in der zweiten Beratung der Punkte 26 und 27 der Tagesordnung, Reform des Ehe- und Familienrechts. Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ehe und Familie sind entscheidende Grundlagen unserer Lebens- und Gesellschaftsordnung. Sie gehören zu den Grundwerten, die in diesem Hause zwischen den demokratischen Parteien nicht streitig sind und nicht streitig werden dürfen. Daher bedaure ich so sehr, daß heute von der Opposition der Versuch gemacht wurde, in ihren Beiträgen diese Grundauffassung in Frage zu stellen. ({0}) Ich bedauere auch, daß der von mir sonst so sehr geschätzte Herr Kollege Mikat mit seinem merkwürdigen und offensichtlich auch nicht von ihm stammenden Wortspiel von der Kündbarkeit der Ehe und der Unkündbarkeit der Mieten das Niveau verlassen hat, das ihn ansonsten auszeichnet. ({1}) Er hatte allerdings auch eine schwierige Aufgabe, und sein Nachredner, der Kollege Lenz, hat das besonders deutlich werden lassen, nämlich die recht große Spannweite zwischen den Auffassungen innerhalb der Opposition durch seine Rede zu überbrücken. Und so hat er denn eine Sowohl-als-auchRede gehalten, bei der immer wieder versucht wurde, das eine Postulat mit der Berücksichtigung auch der anderen Erwägungen auszugleichen. Wo es dann aber nun wirklich hingehen sollte, hat der Herr Kollege Lenz mit seiner geschmacklosen Schlußapotheose deutlich gemacht, indem er sagte, dieses Gesetz sei - wie hieß es da? - frauenfeindlich, männerfeindlich, jugendfeindlich, volksfeindlich, und was noch? Meine Herren und Damen, dies ist unter dem Niveau dieses Hauses. ({2}) Wir sollten uns in dieser ernsten Materie nicht in solcherlei martialischen Ausdrücken ereifern. Herr Kollege Mikat hat sehr wohl eine wichtige Problematik aufgezeigt: Wie können Gesetze moralisch normative Kraft mit gewissermaßen Unabdingbarkeit haben und auf der anderen Seite zugleich den persönlichen Bedürfnissen entsprechen? Darin liegt ein echter Widerspruch. In solchem Widerspruch bezieht die Opposition leicht die Position, in dem Gesetz auf jeden Fall und um alles in der Welt zunächst einmal ein Sittenlehrbuch zu sehen, um durch Postulate die Jugend entsprechend zu unterweisen. Doch wird das problematisch, wenn sie gleich im selben Gesetz die Ausnahmen regelt und Abweichungen von dieser Norm legalisiert. Sehen Sie nicht, daß damit das von Ihnen aufgestellte normative Postulat moralischen Inhalts sofort wieder relativiert wird? Frau Kollegin Lepsius hat heute schon darauf hingewiesen. Ein sehr wichtiger Beitrag schien mir der Hinweis von Herrn Mikat, daß unabhängig davon, was der Staat in seinen Gesetzen über die Ehescheidung zuläßt, die Frage nach der persönlichen Schuld der Ehepartner an der Ehescheidung bleibt und daß das nicht verwischt werden sollte mit dem Hinweis auf zufällige Schicksalhaftigkeit. Meine Herren und Damen, das ist sicherlich richtig, aber glauben Sie im Ernst, daß die bisherige Regelung, daß der Richter eine Schuld festsetzte, wirklich dem Bewußtsein persönlicher Schuld gerecht geworden ist? ({3}) Im Gegenteil; wir haben doch alle viele Briefe von denjenigen, die sich deswegen total unschuldig am Scheitern ihrer Ehe fühlen, weil sie vom Gericht nicht schuldig gesprochen worden sind, und das mitunter - das hat Herr Lenz ja mit schöner Offenheit eben gesagt -, weil man sich vorher über die Schuldfrage innerhalb der Ehe geeinigt hat. Wenn man die staatliche Gesetzgebung zum Maßstab des Gewissens macht, dann bringt das doch mit sich, daß der, der nun einmal nicht schuldig gesprochen worden ist, mit sehr großer Selbstrechtfertigung vor dem anderen steht und einklagt, was er glaubt, da einzuklagen zu haben. Ich glaube, daß es der moralischen Wertung von Schuld gerechter wird, wenn wir sie nicht in die Hände von Richtern legen, die dabei gleichzeitig noch soziale Gesichtspunkte, nämlich des Unterhaltes, im Auge behalten müssen. Darum sollten wir trennen - das hat Herr Mikat ja richtig ausgesprochen - zwischen dem, was der Staat an normativer Bestimmung setzt, und dem, was wirklich nur zwei Menschen wissen können: wie sie nämlich in ihrem Leben miteinander auskommen. Wenn zwei Menschen so eng beieinander wohnen und alles miteinander tragen und auch gegeneinander auszuhalten haben, meine Damen und Herren, dann kann man nachher nicht fragen: Wer ist allein oder vorrangig schuld, wer hat angefangen mit der Zerrüttung oder mit dem Scheitern der Ehe? Da greift vieles ineinander: Schuld und Nichtschuld, Schicksal und äußere und innere Umstände. Meine Damen und Herren, wir wollen es nicht mehr in die Hände weltlicher Gerichte legen, darüber zu entscheiden und den einen frei und den anderen schuldig zu sprechen. ({4}) Ich hatte eigentlich nach der Rede von Herrn Mikat gemeint, daß dieses Verständnis bei der Opposition weitgehend Eingang gefunden hätte, im Gegensatz zu den Zeiten noch vor einigen Jahren, wo das sehr viel weniger der Fall war. Aber die Rede von Herrn Kollegen Lenz hat mich doch daran erheblich zweifeln lassen, denn er brachte eigentlich all das an Argumenten, was man auch vor fünf Jahren hier in diesem Hause bezüglich des formalen Rechtsinstituts der Ehe vorgebracht hat. Ist denn Ehe wirklich nichts anderes als eine Rechtskonstruktion, ({5}) an der man festhalten muß, weil es nun einmal eine Rechtskonstruktion ist? Oder ist Ehe nicht wirkliche Ehe nur dadurch, daß sich zwei Menschen verstehen, daß sie sich im Schicksal verbunden wissen und daß sie auch in schlechten Zeiten und wenn es einmal schwierig wird, versuchen, beieinander zu bleiben? Wenn das nicht mehr der Fall ist und über drei Jahre keine Gemeinschaft mehr besteht, meine Damen und Herren, dann hilft uns die rechtliche Klammer überhaupt nichts, und sie hilft schon gar nicht den Kindern. Herr Lenz ist gerade gekommen. Schauen Sie, Herr Lenz, daß Kinder in einer zerrütteten Ehe, aus der ein Elternteil herausbricht, der andere aber einer Scheidung widerspricht, glückliche Kinder sind, das kann doch nun bei Gott kein Mensch behaupten. Im Gegenteil, die Gefahr ist doch - und wer von uns wüßte das nicht -, daß gerade in solchen Fällen der Ehegatte, der aus der Ehe heraus will, alle Mittel, die ihm nützlich zu sein scheinen, auch die seines Elternrechts über die Kinder, ausnutzt, um den Partner endlich zu dem gewünschten Ja zur Scheidung zu bringen. Wir kennen doch eine Menge von tragischen Fällen, wo die Kinder die Leidtragenden der ständigen Kämpfe der Eltern sind. Wenn Sie nun den Gesetzestext dahin abändern wollen, daß nicht das Scheitern der Ehe maßgeblich sein soll, sondern die „heillose Zerrüttung" der Ehe, meine Damen und Herren, dann zwingen Sie doch geradezu denjenigen, der die Scheidung will, sich so zu verhalten, daß das Verhältnis der beiden Ehegatten immer schlimmer wird. Sie zwingen ihn geradezu dazu, die „Heillosigkeit" herzustellen. Was es für Kinder bedeutet, wenn sich die Eltern so heillos zerstritten haben, daß sie nicht mehr in ein vernünftiges Verhältnis miteinander kommen können - das scheint mir allerdings eine Frage zu sein, die das Familienverständnis betrifft. Nicht das auf dem Papier formal niedergelegte Verbundensein von Vater, Mutter und Kindern, nicht die Tatsache, ob der Trauschein formal noch gilt, sondern allein das menschliche Verhältnis zueinander und der Umgang der Familienglieder miteinander entscheiden über Nestwärme und Geborgenheit für das Kind. ({6}) Es ist doch unsere Sorge im Sinne der Familie: daß sie selbst dann noch Familie bleiben kann, wenn sie rechtlich nicht mehr verbunden ist. Wer kennt denn nicht die vielen Fälle, in denen die Eltern nachträglich um der Kinder willen zu einem vernünftigen Verhältnis zueinander finden, um den Zwiespalt ihrer Kinder so klein wie möglich zu halten? Das ist doch die Frage, um die es geht. Ich glaube, wir sollten die Frage nach der Ehe nicht unter dem Gesichtspunkt des formalen Rechts oder des Gebots: du sollst, sondern allein unter dem Gesichtspunkt sehen: Wie sichern wir am besten das unmittelbare Zusammenleben der Eltern mit den Kindern? Das, was der Bundesjustizminister heute morgen, wie ich meine, sehr gut und überzeugend zu der Frage, was Familie für ein Kind bedeutet, gesagt hat, bleibt alles und wird von uns voll und ganz unterstrichen. Aber das kann doch alles seine Wirkung nur haben, wenn die innere Atmosphäre in der Ehe so ist, wie wir uns das als Voraussetzung für die Erziehung des Kindes vorstellen mögen. Diese Voraussetzung ist aber dort nicht gegeben, wenn täglich gestritten wird, um endlich den Tatbestand zu erfüllen, der die Scheidung begründet. Herr Kollege Lenz hat uns nun eine sehr schön konstruierte oder besser: eine wenig schöne Geschichte erzählt. Da ging es um junge Eheleute, von denen der Mann auszieht und geschieden werden will, um möglichst schnell eine neue Familie zu gründen. Das klang sehr rührselig; wir waren auch sehr beeindruckt. Nur, Herr Lenz, mit der Lebenswirklichkeit stimmt sie doch nicht überein. Gerade weil wir sagen, nach drei Jahren ist der Tatbestand der Zerrüttung erfüllt, vermeiden wir, daß erst noch andere Zerrüttungstatbestände hergestellt werden, um endlich vor Gericht die Zerrüttung erkennbar und nachweisbar machen zu können. Gerade das, was Sie als einen formalen Tatbestand ansehen - nach einem Jahr gehe man her und mache die Zerrüttung bei Gericht aktenkundig, und dabei gebe ein Wort des andere -, entspricht ja nicht der Wirklichkeit. Der zeitliche Ablauf verhindert das, was Sie vermuten; ({7}) denn dann wird der Ehegatte eben die erforderliche Zeit warten, um die mit dem Nachweis der Zerrüttung vor dem Gericht verbundenen Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Im übrigen: Allein der Tatbestand, daß man eine Freundin hat, reicht nach unserer Vorstellung innerhalb der ersten drei Jahre für den Zerrüttungstatbestand wirklich nicht aus. ({8}) Auf Grund dieses Umstandes wird der Mann nicht geschieden, und deshalb wird er das auch gar nicht erst probieren; denn dazu müßten schon mehr Tatbestände dargelegt werden. Der Mann kann die Scheidung allerdings nach einer dreijährigen Trennung erreichen, d. h. unter Ausschaltung des unangenehmen und unzulänglichen Weges, der darin besteht, daß die Parteien ihren Streit vor dem Gericht austragen. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard ({0}) ?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gnädige Frau, könnten Sie einen Blick in das Gesetz werfen, um uns dann noch einmal zu sagen, aus welchem Grunde das Gericht bei demjenigen, der wegen seiner Freundin die Behauptung aufstellt, seine Ehe sei zerrüttet, er wolle unter keinen Umständen mehr mit seiner ihm angetrauten Frau zusammenleben, von einer Scheidung absehen könnte, und zwar auch schon vor Ablauf der drei Jahre?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß dies allein maßgebend sein kann. Sonst hätten wir doch überhaupt keine Fristen ins Gesetz geschrieben. Es kann doch nicht einer, der heute zum Standesamt geht, morgen zum Scheidungsrichter gehen. Wir haben doch Fristen, auch die erste, einjährige Frist, eingesetzt ({0}) und wir haben den Tatbestand der Zerrüttung eingeführt, um sicherzustellen, daß nicht eine erste Unstimmigkeit, wie sie in jeder Ehe vorkommt, gleich zur Scheidung führt. ({1}) Nein, eine vorübergehende Freundschaft mit einer oder einem anderen scheint mir gerade eben nicht den Tatbestand der Zerrüttung zu erfüllen. Mit dem Scheitern der Ehe oder der Zerrüttung der Ehe ist etwas anderes gemeint als eine vorübergehende Episode. Nun fragen Sie, Herr Lenz: Wer hilft denn eigentlich einer Frau dagegen, daß eine andere Frau in die Ehe eindringt? Ja, entschuldigen Sie mal, tun Sie das denn? Doch auch nicht das bestehende Recht! Das zu behaupten würde von einer großen Zahl der betroffenen Menschen in unserem Land schwer verstanden. Denn wo schützen Sie denn heute eine Frau vor dem Eindringen einer anderen Frau in die Ehe? Das möchte ich doch um alles in der Welt einmal wissen. Wo sind denn die Frauen heute durch Gesetz davor geschützt? ({2}) - Oh nein! ({3}) Meinen Sie § 48 Abs. 2? ({4}) - Aber Herr Kollege, ich weiß genügend - ({5}) Ich habe so viele Briefe von Geschiedenen bekommen. ({6}) - Ja, Sie sehen das alles immer nur juristisch, meine Damen und Herren. Aber das entspricht eben nicht der Lebenswirklichkeit. Sie meinen immer, das Leben sei so, wie es im Gesetz steht. Wir haben das auch in anderen Fällen bei Ihnen erlebt. Die Wirklichkeit des Lebens ist aber eine andere. Wie viele Frauen haben nicht auf Widerspruch verzichtet oder sogar einer einvernehmlichen Scheidung zugestimmt, trotz ihres formalen Rechts des Widerspruchs. Aus welchen Gründen geschieht das denn, meine Damen und Herren? Doch einmal darum, damit die Frau ihre Versorgung sicherstellt, die man ihr dann verspricht, wenn sie nicht widerspricht, oder weil man sie so bedrängt, daß sie es nicht mehr aushält. Das ist die Lebenswirklichkeit, wenn es darum geht, eine Scheidung auch gegen den Willen des Partners zu erzwingen. Da hilft Ihnen Ihre formale Sicht der Dinge überhaupt nichts. Eigentlich habe ich mich gemeldet, um mehr zu der Frage des Versorgungsausgleichs zu sprechen. Ich meine, er ist ein sehr wesentlicher Anfang für die Überlegungen, die wir längst hätten anstellen müssen. Heute morgen sind mit Recht Zahlen über Minirenten genannt worden, die geschiedene Frauen nach heutigem Recht bekommen, und von den zum Teil unglückseligen Verhältnissen, in denen geschiedene Frauen leben. Ich habe noch im Ohr, Herr Lenz und habe es noch einmal nachgelesen -, was Sie in der ersten Lesung zur Ablehnung des Versorgungsausgleichs gesagt haben. Sie haben u. a. formuliert: Ist es wirklich möglich, jemandem einen Versorgungsanspruch zu geben, der seine ehelichen Pflichten gegenüber seinem Ehepartner in eklatanter Weise verletzt hat? - Meine Damen und Herren, das bezieht sich auf solche Fälle, in denen die Frau, die den Haushalt geführt hat, mit eigenem Verschulden oder Mitverschulden geschieden wurde und der nach heutigem Recht - und da fühlen sich alle moralisch sehr beruhigt - „Recht geschieht, wenn sie dann nichts hat; sie ist ja schuld". So geht sie aus der Ehe nach heutigem Recht ohne Unterhalt und ohne Alterssicherung heraus. Das kann nach dreißigjähriger Ehe und bei sechs großgezogenen Kindern passieren. Ich haben den Fall in meinen Akten. Wo verliert denn eigentlich ein schuldig geschiedener Mann seine Alterssicherung? Auf diese Idee ist bisher noch niemand gekommen. Ist er an dem Scheitern der Ehe schuldig, so ist bei uns noch niemand auf den Gedanken gekommen, daß er deswegen seiner Alterssicherung verlieren könnte oder gar sollte. Aber der Frau „geschieht es ja dann recht, sie ist ja schuld an der Scheidung"! Dies sind unsere Gesetze, meine Damen und Herren! Herr Lenz, wenn Sie wirklich folgerichtig mit dem wären, was Sie hier gesagt haben, hieße das doch, daß für den Fall, daß der Mann die Schuld an der Scheidung trägt, sie die ganze Versorgungsrente bekommt. Das wäre konsequent, aber das wollen Sie offenbar nicht. Wenn wir heute den Vorschlag annehmen, daß im Falle einer Scheidung alle während der Ehe erworbenen Anwartschaften auf Rente oder Pension geteilt werden, so entspricht das dem Gebot der Gerechtigkeit. In einer guten Ehe wird geteilt. Da fragt man auch nicht, wer mehr oder weniger leistet, und man fragt nicht, wer irgendwo schuldig war oder nicht. Eine Lebensgemeinschaft schließt eben die volle Schicksalsgemeinschaft ein, d. h. auch das Geld. Darum haben wir das im Vermögensrecht entsprechend geregelt. Ich kann wirklich nicht einsehen, was das mit der Frage nach der Schuld in der Ehe zu tun hat. Die Frau hat etwas geleistet, wenn sie den Haushalt geführt und die Kinder großgezogen hat. Dafür bekommt sie zwar kein Geld, aber es sollten ihr dann wenigstens die Hälfte der Versorgungsrechte des Partners zustehen, der draußen gearbeitet und für seine Arbeit sogar Geld bekommen hat. Ich kann nicht einsehen, warum das ungerecht sein soll und was das mit dem persönlichen Verhalten in einer Ehe zu tun haben soll. Natürlich kann es im Einzelfall sein, Herr Lenz, daß sich eine geschiedene Frau dann ungüstiger steht als nach geltendem Recht. Das ist bei der Gleichberechtigung nun einmal so. Es gibt auch Nachteile. Aber die Neuregelung ist wenigstens gerecht, wenn wir ausgleichen zwischen denen, die früher besonders günstige Umstände hatten, und denen, für die es bisher besonders ungünstig war. Da mag im Einzelfall auch einmal ein Verlust entstehen, wenn jemand bisher einen besonders günstigen Status hatte. ({7}) - Das halten wir für gerecht. Ich kann mir nichts Günstigeres und nichts Gerechteres denken, als daß Ehepartner, die sich bei der Eheschließung zugesagt haben, alles gemeinsam zu tragen, bei der Trennung auch die erworbenen Rechte unter sich aufteilen. Dies ist gerecht, dies ist fair und entspricht, so meine ich, dem Wesen der Ehe. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Als Vertreter des Bundesrates hat der Herr Bayerische Staatsminister der Justiz das Wort. Staatsminister Dr. Hillermeier ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist heute schon einige Male darauf hingewiesen worden, und ich möchte es meinerseits auch noch einmal tun, daß Sie in der Tat über ein Gesetzesvorhaben zu entscheiden haben, das wie selten ein anderes das Interesse der Öffentlichkeit gefunden hat. Dies ist mit Recht so, denn diese Reform wird tief in den Kernbereich des menschlichen Lebens, in die Familie, eingreifen. Der Bundesrat und insbesondere die bayerische Staatsregierung haben von Anfang an besonderen Anteil an dem Vorhaben genommen. Auch bei den Beratungen des Entwurfs im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages haben wir uns in einer außergewöhnlichen Weise engagiert. Daß wir dabei konstruktive Beiträge haben leisten können, wird, so glaube ich, vom ganzen Hohen Hause anerkannt. Erlauben Sie mir deshalb, als Mitglied des Bundesrates auf einige wenige Grundfragen einzugehen. Ich hätte mir dies, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien, vielleicht ersparen können, wenn ich heute morgen eine etwas deutlichere Resonanz auf die grundsätzlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Professor Mikat und insbesondere auf die sehr instruktiven Beispiele des Herrn Dr. Lenz hätte registrieren können. ({1}) Nachdem dies nicht der Fall war und wohl auch nicht sein wird, möchte ich noch einige Bemerkungen dazu machen. Ich möchte dies auch tun, weil wir uns - damit sage ich wohl nichts Neues - aller Voraussicht nach im Vermittlungsausschuß doch noch mit Änderungsvorschlägen des Bundesrates zu befassen haben werden. Ich möchte einige Worte nur zur Ersetzung des Schuldprinzips durch das Zerrüttungsprinzip sagen. Über diese Ersetzung besteht im Grundsatz kein Streit. Wenn ich trotzdem darauf eingehe, so deshalb, weil über die Bedeutung und die Auswirkung dieses Schrittes, wie mir scheint, noch vielfach falsche Vorstellungen bestehen. Es kann wohl kaum davon gesprochen werden, daß es sich hierbei um eine grundlegende Neuerung für das deutsche Recht handle. Ich beziehe mich hierbei nicht so sehr auf das Ehegesetz, das die Scheidung grundsätzlich nur zuläßt, wenn schuldhafte Eheverfehlungen zur Zerrüttung der Ehe geführt haben, und das auch den Scheidungsgrund der objektiven Zerrüttung in seinem § 48 bereits kennt. Ich beziehe mich vielmehr auf die sogenannten Konventionalscheidungen, deren Anteil an der Gesamtzahl der Scheidungen bekanntlich auf mehr als 90 % geschätzt wird. Für diesen Bereich gilt das reine Zerrüttungsprinzip praktisch heute schon. Insoweit kann das neue Recht nur die bisherige Praxis festschreiben, sie verfahrensrechtlich in eine geordnete Bahn lenken und die Folgerung daraus ziehen, daß der Schuldspruch bei den Konventionalscheidungen - wenn auch keineswegs immer - von den Parteien manipuliert sein kann. Grundlegende Änderungen wird die Einführung des Zerrüttungsprinzips dagegen auf dem Gebiet der streitigen Scheidung mit sich bringen. Wenn man berücksichtigt, daß die Zerrüttung einer Ehe einseitig von einem Ehepartner herbeigeführt werden kann, so kann man - ich sage dies jetzt insbesondere mit dem Blick auf den Beitrag, den eben die verehrte Frau Funcke geleistet hat - überspitzt auch sagen, die Einführung des reinen Zerrüttungsprinzips bedeute, daß die Scheidungsklage allein dadurch begründet wird, daß sie erhoben wird, mit anderen Worten: daß die Abweisung einer ernsthaft verfolgten Scheidungsklage nicht mehr möglich ist. Dies ist doch die Konsequenz aus den von Ihnen im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossenen Formulierungen. Ich meine, es sollte auf der Hand liegen, daß die strenge Durch14462 Staatsminister Dr. Hillermeier führung eines derartigen Prinzips den Lebensverhältnissen eben nicht gerecht werden kann. Das Zerrüttungsprinzip - dies ist heute morgen schon einmal erwähnt worden - wird zutreffend als „wertblind" bezeichnet, denn es nimmt keine Rücksicht darauf, aus welchen Gründen ein Partner einseitig aus der Ehe ausbricht und wie sich die erzwungene Auflösung der Ehe auf den anderen Partner auswirkt. Wird es nicht durch Schutzklauseln eingedämmt, die natürlich eine Abwendung vom reinen Prinzip bedeuten, so ermöglicht es jeglichen Rechtsmißbrauch ebenso wie unzumutbare Härten für den anderen Ehegatten und insbesondere auch für die Kinder. Daraus ergibt sich, daß das reine Zerrüttungsprinzip geradezu als unsozial angesehen werden muß. Wird es so rigoros durchgeführt, wie es den Beschlüssen des Rechtsausschusses dieses Hohen Hauses entspricht, so kann man wohl heute schon sagen, daß die an das neue Recht geknüpften hohen Erwartungen einer Vielzahl von Menschen bitter enttäuscht werden. ({2}) Unser Volk erwartet vom Gesetzgeber in diesem Bereich nichts anderes als die Verwirklichung von Gerechtigkeit. Ich glaube, die Feststellung, die Herr Professor Dr. Mikat heute morgen hier getroffen hat, war sehr richtig, daß es hier nämlich im wesentlichen auf die Einzelfallgerechtigkeit ankommt. Wenn diese Erwartung mit einem Gesetz beantwortet wird, das Rechtsmißbrauch und soziale Härten ermöglicht, so wird ein solches Gesetz niemals einen Erfolg für den Gesetzgeber und, wie ich meine, auch nicht für die Koalitionsfraktionen bedeuten. Heute morgen haben Herr Bundesminister Dr. Vogel und Frau Kollegin Dr. Lepsius die Auffassung vertreten, daß man mit Stolz auf diese Art von Reform wird blicken können. Wir sollten erst einmal - das möchte ich ganz deutlich sagen - abwarten, welche Reaktionen sich in den Einzelbeispielen, die Herr Dr. Lenz heute morgen dargestellt hat, ergeben, und sollten erst dann ein gültiges Urteil über diese Reform fällen. ({3}) Die Befürworter eines uneingeschränkten Zerrüttungsprinzips streben insbesondere das Ziel an, im Scheidungsprozeß nicht in die Intimsphäre der Ehegatten eindringen zu müssen. Dieses Ziel wird sich jedoch durch die Einführung des reinen Zerrüttungsprinzips nicht erreichen lassen, auch wenn dies unser Wunsch ist und so unerfreulich es selbstverständlich ist, in die Intimsphäre anderer Menschen eindringen zu müssen. Es ist immer wieder zu hören, daß eine Prüfung der Zerrüttung der Ehe überhaupt nur möglich ist, wenn die Intimsphäre der Ehegatten eingehend durchleuchtet wird. Vor allem aber wird viel zu wenig bedacht, daß es fast keine Eheverfehlung bisherigen Verständnisses gibt, die sich nicht in irgendeiner Form auf die Kinder auswirken könnte; ich möchte dies hier nicht noch einmal an Einzelbeispielen beleuchten. Spätestens bei der Entscheidung über die Zuordnung der Kinder muß also all das erörtert, d. h. nachvollzogen werden, was man als schuldhafte Eheverfehlung aus dem Scheidungsprozeß verbannt glaubte. Meine Damen und Herren, ich möchte mich mit diesen Ausführungen nicht gegen die Einführung des Zerrüttungsprinzips an sich wenden, sondern noch einmal verdeutlichen, daß die Wunschvorstellung, das Scheidungsverfahren ohne Eindringen in die Intimsphäre durchzuführen, auch im neuen Recht kaum in Erfüllung gehen wird. Es wird auch nicht möglich sein, ein reines Zerrüttungsprinzip ohne Ausnahmen durchzuführen. Das erkennen auch der Regierungsentwurf und die Beschlüsse des Rechtsausschusses an, denn auch sie sehen Ausnahmen vom Zerrüttungsprinzip vor. Ich meine damit weniger die Härteklausel des § 1568 BGB, die durch ihre enge Fassung praktisch keinen Anwendungsbereich hat; ich beziehe mich vielmehr auf die Vermutungen des § 1566 BGB, die keineswegs zum Zerrüttungsprinzip gehören, sondern in einem gewissen Widerspruch zu ihm stehen, in einem Widerspruch, der um so deutlicher wird, je mehr Gewicht diesen Vermutungen beigemessen wird. Wenn sie, wie vom Rechtsausschuß vorgeschlagen, unwiderlegbar sein sollen, heißt das ja, daß die Zerrüttung einer Ehe kraft Gesetzes auch dann angenommen werden muß, wenn sie in Wahrheit noch nicht eingetreten ist. Auch wenn es nicht gern gehört wird, muß ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, doch noch einmal in aller Klarheit feststellen, daß unwiderlegbare Vermutungen der Ehezerrüttung vom Zerrüttungsprinzip weg und eben hin. zum Kündigungsprinzip führen. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch erträglicher, daß im Verfahrensrecht eine Aussetzungsmöglichkeit vorgesehen wurde, wenn nach Überzeugung des Gerichts noch Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht. Dadurch wird an der unglückseligen Fiktion des § 1566 Abs. 2 BGB nichts, aber auch rein gar nichts geändert. - Ich trete deshalb für die Widerlegbarkeit von Vermutungen ein, die für eine Zerrüttung der Ehe sprechen. Noch wichtiger erscheint mir allerdings, daß in folgenden Fallgruppen Ausnahmen vom Zerrüttungsprinzip vorgesehen werden: Erstens. Es muß ausgeschlossen werden, daß die Scheidung der Ehe rechtsmißbräuchlich durch Berufung auf eigenes Unrecht erzwungen werden kann. Der Bundesrat hat hierzu bereits im ersten Durchgang der Gesetzesberatung eine Formulierung vorgeschlagen. Daß dieser Vorschlag im Rechtsausschuß abgelehnt wurde, ist zu bedauern. Überrascht hat die Begründung, die dafür gegeben wurde: Durch die vorgeschlagene Prüfung würden alle Nachteile des geltenden Rechts - gemeint ist wohl das Eindringen in die Intimsphäre der Ehegatten - in das neue Recht übertragen. Ich glaube, diese Begründung ist falsch. Der Vorschlag des Bundesrates hätte sogar zur Folge, daß ein Eindringen in die Intimsphäre der Ehegatten weitergehend vermieden würde, weil dem Scheidungskläger verwehrt würde, sein eigenes ehewidriges Verhalten darzulegen. Staatsminister Dr. Hillermeier ) Ganz unabhängig davon darf aber nach meiner Überzeugung der Gesichtspunkt, daß ein Eindringen in die Intimsphäre der Ehegatten möglichst vermieden werden soll, nicht der entscheidende sein. Wichtiger, glaube ich, ist es, daß dem elementaren Gebot der Gerechtigkeit entsprochen wird, mit dem es nicht vereinbar ist, wenn unter Berufung auf eigenes Unrecht ein Rechtsvorteil erlangt werden kann. Und um jedes Mißverständnis zu beseitigen, möchte ich betonen, daß die Formulierung des Bundesrates kein zeitlich befristetes Widerspruchsrecht, sondern nur die Verhinderung von Rechtsmißbrauch bezweckt. Zweitens. Der Entwurf nimmt keine Rücksicht auf die Interessen der Kinder, die durch das Zerbrechen der Ehe ihrer Eltern am meisten betroffen sind. Hier hat mich auch die Argumentation von Frau Funcke soeben nicht überzeugen können. Es ist richtig, daß in vielen Fällen die Aufrechterhaltung der Ehe der Eltern, wenn sie zerrüttet ist, den Kindern nichts nützt. Es kann aber nicht von Gesetzes wegen - das ist doch das Entscheidende - dekretiert werden, daß dies immer und ausnahmslos so ist und so sein muß. Vielmehr wissen wir doch, daß es durchaus Fälle gibt und auch in Zukunft geben wird, in denen es sinnvoll ist, die Scheidung der Ehe mit Rücksicht auf die Kindesinteressen so lange zu verweigern, wie diese Interessen noch den Vorrang vor dem Interesse des Scheidungsklägers an der Scheidung verdienen. ({4}) Dem ist auch im Scheidungsrecht anderer Staaten entsprechend Rechnung getragen worden, und soviel ich weiß, hat man damit gar keine schlechten Erfahrungen in anderen Staaten gemacht. ({5}) - Wir haben genügend Vorschläge in dieser Richtung gemacht, ({6}) die aber bisher im Rechtsausschuß nicht berücksichtigt worden sind. Drittens. Ich habe schon gesagt, daß es nach meiner Meinung unsozial ist, die wirtschaftlichen Interessen des ehetreuen Ehegatten selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Scheidung der Ehe zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz führt. Hier hört man meistens den Einwand, den wirtschaftlichen Interessen würde durch das neue Scheidungsfolgenrecht Rechnung getragen. Im übrigen, heißt es, stehe die Ehe so hoch, daß sie nicht nur mit Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen aufrechterhalten werden dürfe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist doch eine sehr anzuzweifelnde Begründung und Meinung; denn wir wissen doch, daß das beste Unterhaltsrecht - ich möchte gar nicht darauf eingehen, ob die Vorschläge des Entwurfs hierzu wirklich optimal sind - einfach versagt und versagen muß, wenn keine Geldmittel vorhanden sind, um an sich gegebene Unterhaltsansprüche zu befriedigen. Dann nützt auch, Herr Kollege Engelhard, wie Sie es heute morgen ausgeführt haben, alle Sorgfalt bei der Einzelregelung nichts, wenn diese grundlegenden Voraussetzungen nicht vorliegen. Niemand sollte die Augen davor verschließen, daß ein geschiedener Ehegatte, der Unterhaltsansprüche gegen den anderen, inzwischen wieder verheirateten Ehegatten durchsetzen muß, in aller Regel sehr viel schlechter daran sein wird, als wenn die Ehe noch bestünde. Der ins Gesetz geschriebene Vorrang für die Unterhaltsansprüche der geschiedenen Frau wird sich gegenüber den Realitäten des Lebens oft als unwirksam erweisen. Wer auf das neue Unterhaltsrecht verweist, ohne dies zu sagen, der erweckt eben falsche Hoffnungen. Im übrigen sollte man den ehetreuen Ehegatten, der ohne sein Zutun aus der Ehe gedrängt wird und damit auch seine wirtschaftliche Existenz verliert, nicht damit trösten, auf diese Weise werde das Institut der Ehe hochgehalten. Was soll man schließlich von einem Gesetz halten, das ausdrücklich ausspricht, nach dreijähriger Heimtrennung der Ehegatten müsse die Ehe auch dann geschieden werden, wenn der ehetreue Partner - dies ist die wörtliche Formulierung - „außergewöhnliche Umstände geltend macht, nach denen die Scheidung für ihn eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers geboten erscheint, obwohl sie gescheitert ist". Hier sind Feststellungen getroffen worden, aus denen aber keine Konsequenz für die jetzt gefundene Formulierung gezogen worden ist. Der Entwurf enthält in seiner jetzigen Fassung als erste Bestimmung des sachlichen Rechts den Satz: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen." Ich meine auch hier sagen zu müssen, daß dieser Satz in Widerspruch zum Inhalt des Entwurfs steht, der in seinen Bestimmungen zum Scheidungsrecht darauf abgestellt ist, fast ausschließlich die Interessen des scheidungswilligen Ehegatten durchzusetzen und die Scheidung - allenfalls nach einem kurzen Aufschub - praktisch in jedem Fall zu gewähren. Wenn die Ausschußbeschlüsse Gesetz werden, dann ist am Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit nur noch für diejenigen Fälle festgehalten, in denen auf Lebenszeit beider Ehegatten ein Konsens über die Fortsetzung der Ehe besteht. Dagegen kann der eine Ehegatte nicht mehr darauf vertrauen, daß das Eheversprechen des anderen von der Rechtsordnung garantiert wird. Er muß jederzeit damit rechnen, daß es ohne sein Zutun zur Auflösung der Ehe kommt. Wenn er gut beraten ist, muß er sich deshalb schon während des ungestörten Bestandes der Ehe darauf einrichten, daß es zur Scheidung der Ehe auch dann kommen kann, wenn dadurch seine Existenz vernichtet würde. Das bedeutet, daß die Ehegatten - entgegen vielfältiger Beteuerung und auch entgegen dem Wortlaut des neuen § 1356 BGB - in der Entscheidung eben nicht frei sind, in welcher Form sie ihre Ehe führen wollen. Das viel geschmähte und auch heute mehrmals zitierte bisherige gesetzliche Leitbild der „Haus14464 Staatsminister Dr. Hillermeier frauenehe" wird keineswegs von einer gesetzlichen Regelung abgelöst, die von der freien Entscheidung der Ehegatten ausgeht; vielmehr entwirft das neue Gesetz ein Ehebild, wonach jeder Ehegatte mehr oder weniger in Furcht vor einseitiger Auflösung der Ehe erwerbstätig sein muß, um mit dem etwaigen Zerbrechen der Ehe nicht auch seine Existenzgrundlage zu verlieren. Das düstere Bild, das die neuen Scheidungsregelungen vor uns aufsteigen lassen, meine Damen und Herren, wird auch nicht dadurch aufgehellt, daß insbesondere im Verfahrensrecht und auch im Grundgedanken des Versorgungsausgleichs Verbesserungen gegenüber dem jetzigen Rechtszustand zu finden sind. Sicherlich ist es eine begrüßenswerte Reform - der wichtigste Teil dieser Eherechtsreform überhaupt -, daß in einer Art Gesamtkonkurs zusammen mit der Scheidung auch deren wichtigste Folgen geregelt werden. Ich meine es aber für verfehlt halten zu müssen, Ehescheidungen mit Rücksicht darauf zu erleichtern, daß ihre Folgen in einem verbesserten Verfahren als bisher geregelt werden können. Lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zum Versorgungsausgleich sagen, dessen Grundgedanke, wie erwähnt, durchaus begrüßenswert ist. Als Landesjustizminister macht es mir wie auch allen anderen Kollegen erhebliche Sorgen, wie dieses komplizierte Rechtsinstitut verwirklicht werden kann. Sie alle wissen, daß es bei der derzeitigen Lage der öffentlichen Haushalte nicht möglich sein wird, die Familiengerichte, die ja nach dem Entwurf den Versorgungsausgleich in jedem Einzelfall durchzuführen haben, großzügig mit Planstellen für Richter, Rechtspfleger, Geschäftsstellenbeamte, Protokollführer und Wachtmeister sowie mit Sitzungssälen auszustatten; die neue Aufgabe der Familiengerichte wird mit den vorhandenen Kräften - dies ist nun ein- mal ein Faktum, das einkalkuliert werden muß - bewältigt werden müssen. Gerade die komplizierte Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs läßt uns befürchten, daß sie eine so erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung für die Gerichte mit sich bringen wird, daß Rückstände auflaufen und damit die Bearbeitung von Familiensachen erhebliche Verzögerungen erfahren wird. Auch von daher müssen wir der möglichst qualifizierten Besetzung der Familiengerichte unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Lassen Sie mich abschließend noch auf meine Bemerkung vom Anfang zurückkommen: Dieses Reformwerk wird den persönlichen Lebensbereich unserer Mitbürger tiefgreifend und mehr verändern als die meisten anderen Gesetzesreformen dieser Jahre. Die große Verantwortung, die von daher auf allen mit diesem Gesetzgebungswerk Befaßten ruht, wäre in der Tat leichter zu tragen, wenn es gelänge, Übereinstimmung aller hieran mitwirkenden politischen Kräfte wenigstens in den Grundsatzfragen herbeizuführen. Noch ist es hierfür, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht zu spät. Der Berichterstatter Herr Kollege Dr. Emmerlich hat heute früh vorgetragen, daß wir uns in den Grundsätzen eigentlich auf einer Linie bewegen, daß eine Art Grundübereinstimmung vorhanden sei. Wenn diese Meinung wirklich aufrechterhalten bleiben soll, so wohl nur dann, wenn die Änderungsanträge der Opposition zu einigen grundlegenden Bestimmungen Berücksichtigung finden. Wie gesagt: noch ist es hierfür nicht zu spät. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schimschok.

Hildegard Schimschok (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001971, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen zu dem Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts im wesentlichen auf das Recht der Ehewirkungen, das Kindeswohl und das Unterhaltsrecht beschränken. Es wäre in diesem Zusammenhang interessant, auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der letzten 100 Jahre, durch welche die Familie stark tangiert wurde, einzugehen. Aber das würde den Rahmen meiner Rede sprengen. Der Entwicklung in der Gesellschaft und somit auch in der Ehe haben wir als Gesetzgeber Rechnung zu tragen. Die Familie ist nichts Statisches, für alle Zeiten Unwandelbares, sondern unterliegt wie alle Organisationsformen menschlichen Zusammenlebens einem immerwährenden Wandel. Selbstverständlich wollen wir Sozialdemokraten, daß eine Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird. Wenn dies auch anfangs nicht ausdrücklich im Entwurf stand, so kam doch das Ziel der Gemeinschaft für das ganze Leben in der Formulierung „Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet" zum Ausdruck. Um Mißverständnissen, ja Mißdeutungen vorzubeugen, sahen wir uns gezwungen, mit dem Passus „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen" das Recht der Ehewirkungen einzuleiten. Darüber hinaus ist in § 13 Abs. 2 des Ehegesetzes festgelegt, daß die Verlobten ihre Erklärung, die Ehe miteinander schließen zu wollen, nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgeben können. Dies ist übrigens die im Familienrecht allgemein verwandte Formel zur Bezeichnung einer grundsätzlich lebenslangen Bindung. Da zwischen öffentlicher Meinung und Gesetzgebung eine Wechselwirkung besteht, bin ich sicher, daß das hier zur Verabschiedung anstehende Gesetz den Prozeß der Bewußtseinsumbildung betreffend Partnerschaft in der Ehe und somit auch Partnerschaft in der Familie fördern wird. Ein Indiz hierfür ist schon der Unterschied in der Diskussion um diesen Themenbereich in der Öffentlichkeit vor ein paar Jahren und gegenwärtig. Es wächst in verstärktem Maße die Einsicht und Bereitschaft zur Partnerschaft in der Ehe. Dadurch wird der Freiheitsraum der Frau erweitert, und es kommt zu mehr Gerechtigkeit. Meine Damen und Herren, gerade das soll durch die Reform des Ehe-und Familienrechts erreicht werden. ({0}) Das neue Gesetz wird nicht im luftleeren Raum stehen, sondern - und dafür spricht vieles - von den Menschen angenommen werden; ja, unsagbar viele warten auf diese Reform. Wenn ich von der Bewußtseinsumbildung der Ehegatten zugunsten echter Partnerschaft sprach, die durch dieses Gesetz gefördert werden soll, so verspreche ich mir davon auch Wirkungen auf die Kinder und darüber hinaus auf die größere Gemeinschaft. Wenn Kinder durch das Vorbild der Eltern lernen, daheim Partnerschaft zu üben, sind sie eher bereit, anderen Menschen partnerschaftliches Verhalten entgegenzubringen. Die Opposition wollte in § 1353 die Verpflichtung zu Treue und Beistand einfügen. Meine Damen und Herren, Treue ist eine edle menschliche Eigenschaft. Entweder hat man sie, oder man hat sie nicht; sie ist eine Eigenschaft, die leider nicht vom Gesetzgeber erzwingbar ist. Zu einer guten Ehe gehört noch weit mehr als Treue und Beistand, meiner Meinung nach z. B. auch absolute Ehrlichkeit. Beistand wird schon durch die eheliche Lebensgemeinschaft gefordert. Was bedeutet letzten Endes eine Gemeinschaft im kleinen wie im großen, von der Ehe bis hin zu weltumfassenden Institutionen, wenn der eine dem anderen nicht beisteht? Ich stelle mir ernsthaft die Frage, was ein derartiges Postulat in einem Gesetz soll. ({1}) Durch den geltenden § 1356 wird die Tätigkeit der Frau im wesentlichen auf den Haushalt fixiert. Abs. 1 dieses Paragraphen lautet: Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist. Dem zur Verabschiedung anstehenden Gesetz nach sollen beide Ehegatten das Recht haben, erwerbstätig sein zu können. Beide, nicht nur die Frau, haben bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie, wozu vor allem die Kinder gehören, die gebotene Rücksicht zu nehmen. Die Haushaltsführung sollen sie im gegenseitigen Einvernehmen regeln. Die Kompetenz des Gesetzgebers würde bei weitem überschritten, wenn er glaubte, den Ehegatten vorschreiben zu können, wer welche Aufgaben in der Ehe übernimmt. Dies soll einzig und allein der Entscheidung der Partner überlassen bleiben. Vor allem kann die Frau nach der Reform des Eherechts vom Manne nicht mehr gezwungen werden, im Hause zu bleiben, weil für ihn das Nichterwerbstätig-sein-Müssen zu einer Prestigefrage wird. Es gibt leider noch zu viele Männer, die den Standpunkt vertreten: „Meine Frau hat es nicht nötig, mitzuverdienen; ich kann meine Familie allein ernähren", ohne daran zu denken, daß eine Erwerbstätigkeit der Frau oft die fehlende Befriedigung bringt und mit zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit beiträgt. ({2}) Ein eklatanter Widerspruch besteht zur Zeit zwischen dem § 1356 und dem § 1360. § 1356 fixiert die Tätigkeit der Ehefrau auf den Haushalt, aber § 1360 verpflichtet die Ehefrau, erwerbstätig zu sein, wenn das Einkommen für die Existenz der Familie nicht ausreicht. Einmal darf sie nicht, ein andermal muß sie erwerbstätig sein. Man merkt, daß dieses Gesetz von Männern geschaffen worden ist, denn von einer Verpflichtung des Mannes, im Hause mitzuwirken, steht in ihm nichts. ({3}) Wenn man uns Sozialdemokraten vorwirft, wir wollten das Leitbild der „Hausfrauenehe" beseitigen und das der berufstätigen Ehefrau einführen, so ist das purer Unsinn. ({4}) Wir wollen in dieser Hinsicht gar kein Leitbild, weil es in einer pluralistischen Gesellschaft unmöglich ist, ein für alle mehr oder weniger verbindliches Leitbild zu schaffen. Die Ehepartner sollen - ich betone es noch einmal - über die Gestaltung ihrer Ehe selbst entscheiden können. Wenn eine Frau glaubt, im Hause bleiben zu müssen, um ihre Kinder nach besten Kräften zu fördern, dann haben wir vor dieser Entscheidung größte Achtung. Wesentlich ist letzten Endes, daß jeder dazu beiträgt, alle Mitglieder der Familie so weit wie eben möglich glücklich zu machen und jedem ein Höchstmaß an Selbstverwirklichung zu gewähren. Meine Damen und Herren, in der Öffentlichkeit hat man kein Verständnis für den Antrag der CDU im Rechtsausschuß, daß eine Ehe, obwohl sie unheilbar zerrüttet ist, nicht geschieden werden soll - diese Forderung ist auch heute morgen wieder erhoben worden -, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder notwendig ist. Ich wiederhole: unheilbar zerrüttet. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sind Sie sich dessen bewußt, daß ein Elternhaus, in dem sich Vater und Mutter ständig streiten, ja sogar schlagen, für Kinder zu einer Hölle werden kann? ({5}) Kennen Sie die Ängste der Kinder, wenn sie aus der Schule kommen und nicht wissen, was mal wieder zu Hause los ist? Wissen Sie auch, daß sich Kinder zu gern mit ihren Eltern identifizieren möchten? Haben Sie erlebt, daß Kinder seelisch geschädigt, ja unheilbar geschädigt wurden, daß sie voller Komplexe steckten, weil sie ihre Eltern nicht für gut halten konnten, was sie doch so gern möchten, ja, daß sie sich ihrer Eltern wegen schämten? Gehen Sie bitte zu den Jugendämtern und lesen Sie dort die traurigen Berichte über Kinder aus zerrütteten Ehen, die infolge der Spannungen geprügelt und mißhandelt wurden! Wo bleibt da das Kindeswohl? Auf Grund meiner beruflichen Erfahrung möchte ich sagen, daß eine unheilbar - ich betone: unheilbar zerrüttete Ehe im Interesse der Kinder geschieden werden muß, ({6}) um irreparable Schäden bei den Kindern zu verhindern und sie bei einem Elternteil in Ruhe leben zu lassen. Außerdem, meine Damen und Herren, hat der Richter gemäß § 614 der Zivilprozeßordnung die Möglichkeit, übereilte Scheidungen zu verhindern, indem er das Verfahren auf Scheidung aussetzt, wenn nach seiner freien Überzeugung Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht. Bei einer Trennung von drei Jahren soll die Aussetzung des Verfahrens sechs Monate nicht überschreiten. Damit soll den Ehepartnern Gelegenheit gegeben werden, das Scheidungsbegehren noch einmal in Ruhe zu überdenken. Sollten sie - ich weiß nicht, ob Herr Kollege Mikat da ist; ich sehe ihn nicht - im Interesse der Kinder zu dem Entschluß kommen, mit einem Partner, den sie nicht mehr lieben, äußerlich harmonisch zusammenleben zu wollen, so bedarf diese Entscheidung einer menschlichen Größe. Aber wenn sie diese menschliche Größe haben, brauchen sie den gesetzlichen Zwang nicht. Ich stelle mir wirklich die Frage: Warum soll hier der gesetzliche Zwang sein? Wir haben uns bemüht, den Kindern aus geschiedenen Ehen immateriell und materiell so weit wie eben möglich zu helfen. Durch den § 1610 im Unterhaltsrecht soll das eheliche Kind, welches im Haushalt eines geschiedenen Elternteils lebt, mindestens den Unterhalt in Höhe des für ein nichteheliches Kind der entsprechenden Altersgruppe festgesetzten Regelbedarfs erhalten. Hierdurch soll erreicht werden, daß die geschiedenen Frauen nicht immer wieder um den Unterhalt für das Kind kämpfen müssen, sondern sie, wie die Mütter nichtehelicher Kinder, an der alle zwei Jahre erfolgenden Erhöhung des Unterhaltsgeldes teilhaben. ({7}) Unsere Bemühungen, durch die Reform des Ehe- und Familienrechts mehr Gerechtigkeit in der Ehe und als Konsequenz auch bei den Scheidungsfolgen zu realisieren, finden ihren Niederschlag in dem gesamten Unterhaltsrecht nach der Scheidung. Das geltende Unterhaltsrecht für geschiedene Ehegatten weist große Ungerechtigkeiten auf, weil die Gewährung oder Nichtgewährung von Unterhalt von der Schuldfrage abhängt. Wie fragwürdig der Nachweis der Schuld am Scheitern der Ehe ist, brauche ich kaum näher zu begründen. Es ist nicht feststellbar, ob eine schwere Eheverfehlung des einen Ehegatten ursächlich die Ehe zerrüttet hat oder ob die Zerrüttung eine Folge vieler kleiner Eheverfehlungen des anderen ist. Meine Damen und Herren, kann man beim Scheitern einer Ehe so oft von Schuld sprechen? Ist es nicht menschlicher, wenn man dieses Scheitern auch als etwas Schicksalbedingtes betrachtet, worunter beide Ehegatten leiden? Das entscheidende Kriterium für einen Unterhaltsspruch soll die ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit sein. Der wirtschaftlich schwächere Ehegatte - das ist gegenwärtig noch in der Regel die Frau - soll von dem geschiedenen Ehegatten Unterhalt bekommen, wenn von ihm wegen der Pflege oder (1 Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder wegen Alters oder Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Das gleiche gilt, solange eine Frau, die in der Ehe nicht berufstätig war und infolgedessen den Anschluß an das Berufsleben verpaßt hat, keine angemesssene Tätigkeit findet. Sollte der Umdenkungsprozeß in unserer Gesellschaft soweit erfolgt sein, daß nicht immer die Frau, sondern auch der Mann die Führung des Haushalts übernimmt, dann gilt dies selbstverständlich gleichermaßen für den Mann. Hat der wirtschaftlich schwächere Ehegatte in Erwartung der Ehe oder während der Ehe die Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen, so ist auch er dem geschiedenen Ehegatten gegenüber unterhaltsberechtigt. Da man enumerativ nicht alle Kriterien für den Unterhaltsanspruch erfassen kann, ohne es zu unbilligen Härten kommen zu lassen, wurde im Rechtsausschuß noch folgende positive Billigkeitsklausel angefügt: Ein Unterhaltsanspruch soll bestehen, soweit und solange von einem Ehegatten aus sonstigen schwerwiegenden in den ehelichen Lebensverhältnissen liegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. Umstände, die zum Scheitern der Ehe geführt haben, sind dabei nicht zu berücksichtigen. Durch die Anfügung des letzten Satzes wollten wir verhindern, daß möglicherweise auf Umwegen das Schuldprinzip in das Unterhaltsrecht hineinkommt und der Unterhaltsberechtigte, der sich in der Ehe in wirtschaftlicher Hinsicht nichts zuschulden kommen ließ, durch ein Fehlverhalten im menschlichen Bereich in große Not gerät, wie es auf Grund des geltenden Rechts allzu oft geschieht. Ich betone nochmals, wer gegenwärtig schuldig oder überwiegend schuldig geschieden wird, hat mit wirtschaftlichen Sanktionen zu rechnen, die beim Unterhaltsberechtigten wie auch beim Unterhaltsverpflichteten zu unbilligen Härten führen können. Wie die Versagung des Unterhalts kann auch die Gewährung von Unterhalt an den an sich Berechtigten als grob unbillig empfunden werden. Das ist der Fall, wenn die Ehe von kurzer Dauer war, sich der Berechtigte eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens dem Verpflichteten oder einem nahen Angehörigen gegenüber schuldig gemacht hat oder der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Im Rechtsausschuß wurde analog ,der positiven Billigkeitsklausel eine negative Billigkeitsklausel angefügt durch den Satz: oder ein anderer Grund, der ebenso schwer wiegt wie die vorstehenden". Damit wollen wir verhindern, daß der Unterhaltsverpflichtete aus anderen Gründen als den enumerativ aufgezählten zu Zahlungen an den Berechtigten verpflichtet wird, wenn sie grob unbillig sind. Auch in der Öffentlichkeit wird es als ungerecht empfunden, daß ein schuldig geschiedener Mann - auf die Fragwürdigkeit Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode des Schuldspruchs wies ich schon hin - seiner Frau jahrzehntelang Unterhalt zahlen muß, wenn er nur kurze Zeit mit ihr verheiratet war. Der Unterhaltsanspruch umfaßt den gesamten Lebensbedarf, wozu auch die Kosten einer Weiterbildung oder Umschulung und die Bezahlung von Krankenversicherung und vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens an Rentenversicherungsbeiträge gehören. Wichtig ist, daß in der Sozialversicherung bei 'dem Unterhaltsberechtigten infolge Nichterwerbstätigkeit keine Lücke entsteht, die sich bei einer späteren Rente negativ auswirken würde. Wir haben uns mit der Regelung zum Unterhaltsrecht bemüht, den wirtschaftlich Schwächeren im Bereich des Möglichen abzusichern, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, daß sein Unterhaltsanspruch Vorrang hat vor dem eines eventuell neuen Ehegatten. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß die Reform des Ehe- und Familienrechtes zu einer Aufwertung und nicht, wie die Opposition gern behauptet, zu einer Abwertung der Ehe führen wird. Ein Streben nach mehr Partnerschaft und mehr Gerechtigkeit wird auch vor der Institution Ehe, wo es um eine Bindung von Menschen auf Lebenszeit geht, nicht haltmachen. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Erhard ({0}).

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte fast selbst daran irre werden, was denn zwischen den Parteien noch an Übereinstimmung besteht und was die CDU/CSU bisher gesagt hat, wenn man den Rednern 'der SPD zuhört. ({0}) - Ich wollte Frau Funcke in diesem Zusammenhang nicht erwähnen; ich bitte um Nachsicht. Ich möchte festhalten: Niemand von uns glaubt, daß das Scheidungsrecht eine endgültig zerrüttete Ehe wieder heilen könnte. Auch wir gehen davon aus, daß es Fälle gibt, in denen eine Ehe geschieden werden muß und in denen Ehen geschieden werden, wie das ja auch heute zum geltenden Recht gehört. Es sind immerhin etwa 100 000 Ehen, die zur Zeit im Jahr unter dem geltenden Recht geschieden werden. Auch wir wissen, daß Trennungsfristen - das hat der Kollege Mikat heute morgen schon deutlich gesagt - eine Vermutung für die Tatsache, daß eine Ehe zerrüttet ist und auch unheilbar zerrüttet ist, durchaus begründen können und in der Regel auch begründen. Die Frage ist nur, ob das immer und ausschließlich und ohne jede Überprüfung sein soll. Das neue Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, so meinte der Herr Bundesminister der Justiz, ermögliche, mit schwierigen Lebenssituationen leichter fertig zu werden als das geltende Recht. ({1}) Worin diese Erleichterung bestehen soll, hat der Herr Minister füglich verschwiegen: Ich will es Ihnen sagen: Die Erleichterung liegt schlicht und einfach darin, daß derjenige, der sich in einer Ehe durch das In-der-Ehe-Bleiben bedrückt fühlt und keinen Grund im anderen Partner für eine Scheidung hat, trotzdem und auch relativ leicht und schnell aus der Ehe herauskann. Das ist also die angebotene Erleichterung: den anderen leichter verlassen zu dürfen. ({2}) Der Bundesminister der Justiz hat weiter gesagt, der Gedanke des Zwingens trete in dem neuen Recht zurück. Auch hier hat er nicht einen einzigen, auch nur angedeuteten Fall oder ein Beispiel nennen wollen und auch sicherlich nicht nennen können, denn der Gedanke des Zwingens hat ja immer zwei Seiten in der Ehe; ich werde auf das, was Eheverständnis zu sein scheint oder werden soll, noch eingehen. Der Gedanke des Zwingens, Herr Minister Vogel, tritt doch in dem neuen Recht ausschließlich in den Bereichen zurück, die wir als die „48er Fälle" umgreifen können. Daß das ein ganz kleiner Teil der Scheidung ist, wissen wir, und daß hier eine Veränderung auch nach unseren Vorstellungen Platz greifen soll, ist klar. Wo aber sonst sind denn die eigentlichen Elemente des Zwingens, die in den Hintergrund treten? Es werden Pflichten, die sich aus der Bindung in der Ehe ergeben, leichter abgestreift werden können. Das ist richtig. Alle Pflichten binden denjenigen, der die Pflicht als unerträglich vielleicht empfinden mag. Jede Erleichterung für einen, aus der Ehe herauszugehen, bedeutet eine Verminderung des Rechtes desjenigen, der an der Ehe festhält. Das heißt im Klartext: Das Zwingen wird verlagert auf denjenigen, der an der Ehe festhält, der sich ordentlich und treu verhält. Genau das ist unrecht. ({3}) Ein weiterer Aspekt ist in allen Reden bisher unüberhörbar gewesen, ein Aspekt, als müßte unsere Vorstellung von der Ehe grundlegend geändert werden und als hätte unser geltendes Recht ein unverrückbares Leitbild, das es zu beseitigen gelte, und dieses Leitbild wird die Hausfrauenehe genannt; wir wollen einmal sagen: die Position der Hausfrau und Mutter, die nicht außerhalb des Hauses erwerbstätig ist. Das scheint Sie zu stören. Uns stört das nicht. ({4}) Frau Lepsius meinte, auch heute wieder sagen zu müssen, obwohl sie von uns schon im Rechtsausschuß darauf deutlich angesprochen wurde, wir hätten die Vorstellung einer patriarchalischen Ehe. Auch der hochverehrte Herr Minister Dr. Vogel sprach von dem Leitbild der Herrschaft des Vaters. Erhard ({5}) In meiner Familie ist die Herrschaft des Vaters nicht vorhanden; das kann ich Ihnen nur sagen. In unseren Ehevorstellungen, Herr Minister Dr. Vogel ({6}) - ich weiß, daß der Doktortitel auf einigen Ihrer Plakate ausgeschrieben ist; das ehrt Sie ganz besonders und hebt Sie aus der sonstigen Schar der Doktoren heraus -, ({7}) existiert das Leitbild der Hausfrauenehe überhaupt nicht. ({8}) - Das ist kein Leitbild. - Das Recht muß den Ehepartnern ermöglichen, frei, ohne Zwang, ohne Nachteile bestimmen zu können, welche Art von Ehe in ihrem Bereich gelten soll, wie sie ihre Aufgaben teilen. ({9}) - Genau das schreiben Sie nicht in das Gesetz hinein, sondern Sie errichten ein System, auf Grund dessen für die Frau der Zwang entsteht, außerhalb des Hauses erwerbstätig zu sein. ({10}) Sie reden von der Bevormundung der Eheleute, die beseitigt werden müsse. In dem Papier „Familienpolitik der SPD - Entwurf" ist das auch zu lesen: die Bevormundung der Eheleute durch das Gesetz. Wir stimmen darin überein - es ist wichtig für uns, die Grundposition, in der wir, mindestens dem Wortlaut nach, noch übereinstimmen, festzuhalten; denn es sollte eine breite Basis für die EheScheidungs- oder sonstwie zu nennende Reform angestrebt werden, und vielleicht ist das doch noch möglich -, ({11}) daß die Partnerschaft in der Ehe praktiziert und künftig nicht erschwert oder unmöglich gemacht wird. ({12}) Die gemeinsame Entscheidung der Eheleute über das, was unter ihnen gelten soll, wird von uns - damit es nicht den geringsten Zweifel darüber gibt - voll und ganz bejaht. Aber der Gesetzgeber enthält sich jeglicher Aussage über das, was im Streitfall gelten soll. Wir machen ein Gesetz - richtiger: Sie legen einen Gesetzentwurf vor - für das schöne Wetter. Dafür brauchen wir es nicht. Das Gesetz muß für die Streitfälle Leitfunktion haben, den Eheleuten und dem Richter Lösungselemente an die Hand geben. Aber in typisch sozialdemokratischer Manier - die Freien Demokraten machen das inzwischen ja alles mit - wird gesagt: Wir geben keine Regeln, das macht künftig alles das Gericht, d. h. der Familienrichter. Der Familienrichter weiß dann im Streitfall ganz konkret und genau - viel besser als die Eheleute -, was in der Ehe gelten soll. Er muß dann entscheiden. ({13}) Wenn dann keine Entscheidung getroffen wird, wenn es keine Leitlinien gibt, führt das notwendigerweise zum Zerreißen der Ehe, zur Scheidung. Insofern programmieren Sie ein wesentliches Stück nachhaltigen Streits in die künftigen Ehen hinein. ({14}) Ich bin aber sogar der Meinung, daß Sie in Wirklichkeit gar nicht die gemeinsame Entscheidung der Eheleute meinen und wollen; denn in Ihrem Papier zu diesem Gesetz - „Eherechtsreform" - liest man auf der Seite 16, daß vielfältige Maßnahmen notwendig seien, „damit das Recht der freien Aufgabenverteilung in der Ehe nicht nur auf dem Papier steht, sondern tatsächlich auch eine Wahlmöglichkeit für beide Ehegatten besteht". Das Problem, ob die Ehe als Gemeinschaft anzusehen ist oder ob jeder Ehepartner einzeln die Entscheidung fällen kann - dann muß der andere eben sehen, wo er bleibt -, entscheiden Sie im Sinne der zweiten Möglichkeit. Wer den dickeren Kopf hat, setzt sich durch! Eine saubere Vorstellung von Ehe. Die Frage der Rücksicht, die zu nehmen ist, wird von dem Kollegen Arnold noch deutlich anzusprechen sein. Wir meinen, daß der Familienrichter das, was der Gesetzgeber tun müßte, nicht ersetzen kann. Wir haben die große Sorge, daß sich aus der ständigen Ansprache der Hausfrauentätigkeit und der Hausfrauenehe sowie dem sich aus dem Gesetz tatsächlich ergebenden Zwang zur Erwerbstätigkeit - und zwar aus vielen Gründen; wir werden darüber in der zweiten Lesung noch viel zu sprechen haben - eine ganz allgemein andere Vorstellung von Ehe und Familie herleiten läßt, die vor allem Ihnen von der SPD vorschwebt. Das läßt sich leider auch deutlich machen, wenn man nur hinreichend genug das sieht, was Sie über Ehe und Familie verkünden und in Druckschriften und Reden verkünden. Der Familienbericht der Bundesregierung - von diesem kann sich ja wohl auch der Bundesjustizminister nicht so freischwimmen, wie er sich von früheren eigenen Vorstellungen in den verschiedensten Gesetzentwürfen der eigenen Regierung, auch heute wieder, distanziert oder freischwimmt - bejaht die Punkte, die ich jetzt nenne, ausdrücklich. Darüber kann man zusammenfassend etwa sagen, daß die Ehe als geschichtliche Einrichtung gesehen wird, deren Erhaltung oder auch Abschaffung nur dem gesellschaftlichen Wandel unterliege. Etwas ähnliches steht dann auch wiederum in dem Papier der SPD zur Familienpolitik. Danach unterliegt das, was Ehe im Wesen sein könnte, also dem gesellschaftlichen Wandel. In diesem Familienbericht finden sich auch Abhandlungen, in denen die Frau und Mutter, die ihre ganze Kraft der Familie widmet, als nicht emanzipiert und negativ dargestellt wird. Sie wird ganz pauschal verdächtigt, sie münze ihre eigene UnterErhard ({15}) drückung - die Unterdrückung durch den Mann - in eine totalitäre Erziehungspraxis gegen ihre eigenen Kinder um. Die Bundesregierung äußert, sie wolle die gesetzliche Verankerung des Leitbildes der sogenannten Hausfrauenehe beseitigen. Nun, das ist ja schon der Gegenstand dieses Entwurfs, und das wird im Familienbericht auch noch extra so gesagt. Außerdem wird dort die Familie als der Garant der sozialen Ungleichheit angesprochen, die abzuschaffen das Ziel der Familienpolitik sein müsse. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die wunderbare Begründung zu dem Recht der elterlichen Sorge, in der ausgeführt ist, was von jedem nachgelesen werden kann - auch das ist unter der Federführung des Herrn Justizministers entstanden -, daß die Kinder Objekt der elterlichen Fremdbestimmung seien. Das ganze Familienrecht, die ganzen Verhältnisse in der Ehe werden also unter die Vorstellung von Herrschaftsstrukturen, Zwangsrechten und ähnlichem gebracht, die es abzuschütteln gelte. ({16}) Man versteht unter Familie etwas gänzlich anderes. Ich lese Ihnen nur einmal folgendes vor, weil es so schön ist. Familien sind nach den Vorstellungen der SPD „auf die Dauer angelegte Lebensgemeinschaften eines oder mehrerer Erwachsener mit einem oder mehreren Kindern". ({17}) Unsere Vorstellung, daß die Ehe die dauerhafte Verbindung von einem Mann mit einer Frau ist, ist also nicht mehr unumstritten. Was ich vorgelesen habe, ist im Juli dieses Jahres von der SPD der staunenden Öffentlichkeit schriftlich vorgelegt worden. Auf Seite 9 dieser Schrift steht unter Berufung auf die Wissenschaft - in manchen Bereichen sind Sozialdemokraten ja schon seit eh und je außerordentlich wissenschaftsgläubig Die einschlägigen Wissenschaften lehren, daß die grundlegenden Fähigkeiten, die ein Mensch besitzen muß, am besten in einer Gruppe eingeübt werden können, deren personelle Zusammensetzung sich nicht wesentlich ändert. Die Gruppe ist der Ersatz für die Familie, und ich bin nur froh, daß hier wenigstens nicht die Kommune genannt worden ist. Diese Grundpositionen, die hier angesprochen sind, sehen wir zu einem nicht unerheblichen Teil in dem neuen Gesetz als Basis vorhanden. Nicht die Eheleute, sondern jeder einzelne, nur jeder einzelne hat Rechte. Seine Pflichten werden in den Hintergrund gerückt. Seine Pflichten dem anderen gegenüber werden möglichst nicht mehr genannt. Seine Pflichten den Kindern gegenüber lassen sich nur an einigen Stellen vorsichtig aus dem Gesetzentwurf herauslesen. Im ganzen bringt dieser Entwurf bis jetzt und so wie er ist kein besseres Recht, sondern mehr Unrecht, keine größere Freiheit für die Frau, sondern eine stärkere Belastung der Frau mit den Lebensumständen, wenn sie Mutter wird. Es von Gesetzes wegen nicht zu erschweren, sondern die Möglichkeit offenzuhalten, daß unsere Frauen in den Ehen noch Mütter werden und auch voll ja zu dieser großen Aufgabe sagen können, ist, wie ich meine, eine Aufgabe des Gesetzgebers. Das Recht unserer Mütter in diesem Lande zu sichern, ist eines der wesentlichsten Anliegen, das wir mit diesem Gesetzentwurf gesichert sehen möchten. ({18})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Liegen weitere Wortmeldungen in der allgemeinen Aussprache vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der zweiten Beratung. Wir kommen damit zur Einzelberatung. Bevor ich einzelne Bestimmungen aufrufe, erscheint es mir zweckmäßig, uns mit dem offenbar unstreitigen Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Emmerlich, Thürk und Engelhard auf Drucksache 7/4432 zu befassen. Wird zu diesem Antrag zur Begründung oder in der Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Kann ich über diesen Antrag als Ganzes abstimmen lassen, wodurch sehr viele Bestimmungen des Gesetzes verändert werden? - Das ist der Fall. Meine Damen und Herren, wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Emmerlich, Thürk und Engelhard auf Drucksache 7/4432 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Der Antrag ist demnach einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/4445 vor. Er wird von dem Abgeordneten Dr. Arnold begründet.

Dr. Gottfried Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits nach geltendem Recht sind die Ehegatten einander zur ehelicher Lebensgemeinschaft verpflichtet. Wenn meine Fraktion nunmehr angesichts der Reform mit dem hier vorliegenden Antrag eine Präzisierung des bisherigen Rechtssatzes erstrebt, so wird sie dabei von folgenden Überlegungen geleitet: In der Debatte ist heute mit Nachdruck darauf hingewiesen worden, daß eine so tiefgehende Umstellung unseres Scheidungsrechts, wie sie mit dem Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip nun einmal gegeben ist, den Gesetzgeber dazu zwingt, auch im Gesetz selber klarzustellen, daß er mit seiner Reform den von der Verfassung geschützten Kernbestand und Wesensgehalt der Ehe nicht antasten will, nicht antasten kann und nicht antasten darf. Ich räume durchaus ein, daß auch die Mehrheit der Auffassung ist, daß die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zu Treue und Beistand, zur Sorge für die gemeinsamen Kinder verpflichtet sind. Jedenfalls habe ich in den Beratungen nichts anderes gehört. Um so weniger kann ich verstehen, warum man sich dann sträubt, dies ausdrücklich in das Gesetz hineinzuschreiben. Die Frage ist angebracht, ob nicht in der Weigerung der Koalition doch Vorstellungen zum Ausdruck kommen, die jedenfalls unterschwellig Kern-und Wesensgehalt in Frage stellen. Sollte das nicht der Fall sein, so ist nicht einzusehen, warum unserem Vorschlag nicht jetzt in der zweiten Lesung des Plenums - gefolgt wird. Der Einwand, die Heraushebung einzelner Elemente der ehelichen Lebensgemeinschaft könne dazu führen, daß die Gewichtung innerhalb des Gesamtkomplexes verschoben wird und Teilaspekte auch für solche Ehen in den Vordergrund gerückt werden, für die gerade diese von geringerer Bedeutung sind als andere, vermag nicht zu überzeugen. Auch in unserem Antrag wird ja mit Recht keine umfassende Inhaltsbestimmung der Ehe gegeben. Das sollte bereits durch das Wort „insbesondere" jedem klargeworden sein. Wir meinen aber, daß Treue und Beistand sowie Sorge für die Kinder zu den elementaren Pflichten jeder ehelichen Lebensgemeinschaft gehören. Offenbar verwechselt die Mehrheit bei ihren Bedenken hier Akzentuierung mit Einengung. Wenn die Koalition außerdem befürchtet, daß durch unseren Antrag zeitbezogene Gesichtspunkte zu sehr in den Vordergrund treten würden und eine die gesellschaftliche Entwicklung einbeziehende Rechtsauslegung und Rechtseinbindung behindern wird, dann allerdings muß sie sich fragen lassen, was sie hier im einzelnen befürchtet. Soll das etwa heißen, unser Antrag, der sich aus Kern I und Wesensgehalt der Ehe bezieht, hindere gesellschaftspolitische Entwicklungen? An welche gesellschaftspolitischen Entwicklungen ist dann gedacht? Beziehen sich etwa die von der Mehrheit nicht erläuterten gesellschaftspolitischen Entwicklungen auch auf .das Verfassungsverständnis des Art. 6 des Grundgesetzes? Wie vereinbaren sich die Argumente der Mehrheit mit den heute bereits zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Art. 6 des Grundgesetzes? Ist etwa der zweite Entwurf „Familienpolitik" der SPD, vorgelegt von deren familienpolitischem Ausschuß - mein Kollege Erhard hat eben schon dieses Thema angesprochen -, ein Schlüssel zum Verständnis der Befürchtungen der SPD? In der Tat, meine Damen und Herren, heißt es hier auf Seite 5 - dies muß ich doch noch einmal ins Bewußtsein auch des Hohen Hauses rücken -: Familien sind auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften eines oder mehrerer Erwachsener mit einem oder mehreren Kindern. ({0}) Es bleibt, finde ich, immerhin die Frage offen, welches Bild von der Ehe sich hinter einer solchen zumindest mehrdeutigen Formulierung verbirgt, wenn man in demselben Papier auf Seite 24 dann den Abschlußsatz findet - ich zitiere -: Eine Rechtsform muß außerdem Verbesserungen für ,die bisher durch das Recht nicht anerkannten Lebensgemeinschaften bringen. Meine Damen und Herren, nicht zuletzt die Tendenzen, die in solchen Äußerungen zum Ausdruck kommen, sind ein Beweis für die Notwendigkeit unseres Antrags. Wir haben bereits im Ausschuß darauf hingewiesen, daß es uns mit diesem Antrag um eine Konkretisierung geht, aus der sich die weiteren Verpflichtungen der Ehegatten untereinander und das Verhältnis zu ihren gemeinsamen Kindern ableiten lassen, eine Konkretisierung, die auch für die Rechtsprechung nicht unerheblich sein wird. Denn da die Eheverfehlungstatbestände künftig durch den Zerrüttungstatbestand ersetzt werden, ist es notwendig, seitens der Gesetzgebung für die Rechtsprechung einen deutlichen Anhaltspunkt dafür zu geben, welche Vorstellungen vom Wesen der Ehe dem Gesetzgeber - auch als tragendes Element dieser Reform - vorgeschwebt haben. ({1}) Verneint man das, so kann die Gefahr nicht ausgeräumt werden, daß der auch zum Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft entwickelten Rechtsprechung die Grundlage entzogen und dieser Begriff letztlich ausgehöhlt wird. ({2}) In einer Zeit, in der bei einer Rechtsreform auch die Entwicklung in anderen europäischen Staaten, ja, die Entwicklung auch in außereuropäischen Staaten stets berücksichtigt wird, ist schließlich der Hinweis angebracht, daß unser Antrag mit zahlreichen anderen Rechsordnungen im Einklang steht, in denen der Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft ebenfalls in dem Sinne konkretisiert wird, wie wir es mit unserem Antrag begehren. Ich will jetzt darauf verzichten, alle diese anderen Rechtsordnungen darunter durchaus auch sozialistisch oder sozialdemokratisch mitgeformte - im einzelnen aufzuzählen. Wir haben dies ja im Ausschuß in aller Ausführlichkeit tun können. Meine Damen und Herren, ich darf für meine Fraktion deutlich erklären: Gerade weil wir die Umstellung unseres Scheidungsrechts vom Verschuldensprinzip auf das Zerrüttungsprinzip bejahen - allerdings unter der Bedingung, daß das Scheidungsrecht soziales und gerechtes Recht wird -, müssen wir fordern, daß um so deutlicher im Gesetz selbst die entscheidenden Elemente des Eheverständnisses sichtbar werden. Mein Kollege Professor Mikat hat heute bereits die pädagogischen Probleme angesprochen, die sich für uns alle mit dieser Reform verbinden. Nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt besitzt, wie wir meinen, unser Antrag eine äußerst wichtige Funktion, die nicht auf den Bereich der Rechtsprechung begrenzt bleibt. Wer diese unsere umfassende Zielsetzung bejaht, bejaht damit ein entscheidendes Element unserer verfassungsrechtlichen Ordnung, und aus diesem Grunde bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, einem Antrag, für den ich zugleich namens der Fraktion der CDU/CSU die namentliche Abstimmung beantrage. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schimschok.

Hildegard Schimschok (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001971, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Koalitionsfraktionen möchte ich Sie bitten, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/4445 abzulehnen. Eine Begründung der Ablehnung könnte sich nach meiner soeben gehaltenen Rede erübrigen. Trotzdem möchte ich noch einmal erwähnen, daß Treue eine edle menschliche Eigenschaft ist, die man entweder hat oder nicht hat und die sich vom Gesetzgeber nicht erzwingen läßt. ({0}) Beistand - daß also der eine dem anderen beisteht - muß es in jeder menschlichen Gemeinschaft und nicht nur in der Ehe geben, wenn das Zusammenleben von Menschen überhaupt erträglich sein soll. ({1}) Diese Selbstverständlichkeit gehört in kein Gesetz. Zu einer guten Ehe gehört weit mehr als Treue und Beistand. Die Aufzählung einiger Postulate würde zu einer Einengung des Begriffs „eheliche Lebensgemeinschaft", in dem alles steckt, führen. Daher bitte ich Sie noch einmal, den Antrag abzulehnen. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich gehe davon aus, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung genügend unterstützt wird. Wir treten in die namentliche Abstimmung ein. Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich darf auf Bitten der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU/CSU folgendes bekanntgeben. Am Freitag, dem 12. Dezember 1975 treten um 8.30 Uhr die CDU/CSU und um 9 Uhr die SPD zu Fraktionssitzungen zusammen. Der Ältestenrat hat in seiner heutigen Sitzung vereinbart, daß die Plenarsitzung morgen nicht um 9 Uhr, sondern um 10.30 Uhr beginnt. Ich bitte Sie, aber jetzt schon davon Kenntnis zu nehmen, daß die heutige Plenarsitzung auch über 21 Uhr hinaus weitergeführt wird. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4445 bekannt: Mit Ja haben 189 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 5 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 225 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 13 Berliner Abgeordnete. Es gab eine Stimmenthaltung. Insgesamt haben sich 415 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 18 Berliner Kollegen an der Abstimmung beteiligt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 415 und 18 Berliner Abgeordnete; davon ja: 189 und 5 Berliner Abgeordnete, nein: 225 und 13 Berliner Abgeordnete, enthalten: 1 Ja CDU/CSU Dr. Abelein Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Baier Dr. Barzel Dr. Becher ({0}) Benz Bewerunge Biechele Biehle Dr. Blüm Blumenfeld von Bockelberg Böhm ({1}) Braun Breidbach Bremer Bremm Burger Carstens ({2}) Dr. Carstens ({3}) Dr. Czaja van Delden Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({4}) Engelsberger Erhard ({5}) Ernesti Dr. Eyrich Dr. Franz Dr. Früh Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({6}) Gerster ({7}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Gruhl Haase ({8}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser (BN-Bad Godesberg Hauser ({9}) Dr. Hauser ({10}) Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Dr. Hupka Hussing Dr. Jaeger Jäger ({11}) Dr. Jahn ({12}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Katzer Dr. Kempfler Dr. Klein ({13}) Dr. Klein ({14}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({15}) Dr. Köhler ({16}) Köster Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({17}) Lagershausen Lampersbach Leicht Lemmrich Dr. Lenz ({18}) Lenzer Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Maucher Dr. Mertes ({19}) Mick Dr. Miltner Milz Möller ({20}) Müller ({21}) Dr. Müller-Hermann Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Pfeifer Picard Pieroth Pohlmann Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({22}) Dr. Riedl ({23}) Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Roser Russe Sauer ({24}) Sauter ({25}) Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein Dr. Schäuble Schedl Schetter Schmidhuber Schmidt ({26}) Schmitt ({27}) Schmitz ({28}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({29}) Dr. Schröder ({30}) Schröder ({31}) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Schröder ({32}) Schulte ({33}) Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({34}) Dr. Stavenhagen Frau Stommel Strauß Stücklen de Terra Thürk Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({35}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Wagner ({36}) Dr. Waigel Dr. Wallmann Dr. Warnke Wawrzik Weber ({37}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({38}) Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Amrehn Kunz ({39}) Müller ({40}) Frau Pieser Straßmeir Nein SPD Amling Anbuhl Dr. Apel Arendt ({41}) Dr. Arndt ({42}) Augstein Baack Bäuerle Barche Bahr Dr. Bardens Batz Becker ({43}) Biermann Blank Dr. Böhme ({44}) Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({45}) Bredl Brück Buchstaller Büchler ({46}) Büchner ({47}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Frau Dr. Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({48}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Frau Dr. Focke Franke ({49}) Friedrich Geiger Gerstl ({50}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({51}) Haase ({52}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({53}) Jahn ({54}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Frau Dr. Lepsius Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Frau Meermann Dr. Meinecke ({55}) Meinike ({56}) Metzger Möhring Müller ({57}) Müller ({58}) Müller ({59}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Neumann Dr.-Ing. Oetting Frau Dr. Orth Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({60}) Rappe ({61}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Richter Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Schäfer ({62}) Dr. Schäfer ({63}) Scheffler Scheu Schinzel Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({64}) Schmidt ({65}) Schmidt ({66}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({67}) Dr. Schwenk ({68}) Seibert Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Stahl ({69}) Frau Steinhauer Suck Sund Tietjen Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({70}) Vogelsang Waltemathe Walther Dr. Weber ({71}) Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Dr. de With Wittmann ({72}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Männing Mattick Dr. Schellenberg Schwedler Sieglerschmidt FDP Baum Dr. Böger Christ Engelhard Gallus Geldner Hölscher Hoffie Jung Kirst Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Frau Lüdemann Mischnick Möllemann Ollesch Peters ({73}) Schleifenbaum Schmidt ({74}) von Schoeler Spitzmüller Dr. Wendig Wolfgramm ({75}) Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Fraktionslos Emeis Enthaltungen SPD Dr. Stienen Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf der Drucksache 7/4453 unter Buchstabe a) auf. Es handelt sich um den Antrag auf Neufassung des § 1355. Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Änderungsantrag auf Drucksache 7/4453 handelt es sich um ein altbekanntes Thema, nämlich das Namensrecht. Wir hatten schon Gelegenheit, am 31. Januar dieses Jahres über dieses Thema zu diskutieren. Ich habe damals gesagt, es wäre schlecht, wenn man das Namensrecht vom übrigen Ehewirkungsrecht abtrennen würde, und habe prophezeit, daß wir uns hier nicht so bald mit dem Ergebnis der Beratungen des Vermittlungsausschusses befassen müssen. Dies ist eine der wenigen Prognosen in der letzten Zeit, die in Erfüllung gegangen sind. ({0}) Der Bundesrat hat sich am 7. Februar, wenn ich das recht im Kopfe habe, mit dem Ergebnis unserer Beratungen hier befaßt und hat dem Gesetz seine Zustimmung verweigert. Bundesregierung und Bundestag, die die Möglichkeit gehabt hätten, den Vermittlungsausschuß anzurufen, haben dies bisher unterlassen. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat im Sommer dieses Jahres die Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages zur Stellungnahme aufgefordert, wann denn nun das Namensrecht in Kraft treten könne. Darauf konnte eine Antwort nicht gegeben werden. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt Ihnen deshalb jetzt vor, dieses Namensrecht wieder in den Gesetzentwurf mit einzubauen, dort, wo es ohnedies ursprünglich gewesen ist und wo es auch eigentlich hingehört, um auf diese Weise die Situation im Vermittlungsausschuß wieder flott zu machen, damit wir zu einer baldigen Verabschiedung des Gesetzes kommen. Herr Kollege Gnädinger, in der Offenheit, mit der wir hier normalerweise zu verhandeln pflegen, sage ich, das hat die Folge, daß das Gesetz auch aus diesem Grunde - bitte, beachten Sie die Formulierung - zustimmungsbedürftig wird. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Wir sind für paritätische Mitbestimmung. Ich bitte, unseren Änderungsantrag zu genehmigen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Damit ist der Antrag begründet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die namensrechtlichen Bestimmungen stellten innerhalb des Ersten Eherechtsreformgesetzes einen in sich geschlossenen Komplex dar. Nachdem es schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten war, hier möglichst bald zu einer Entscheidung zu kommen, und wir seinerzeit auch nicht den Überblick hatten, wie lange uns die Beschäftigung mit dem gesamten Ersten Eherechtsreformgesetz noch beanspruchen würde, haben wir seinerzeit die namensrechtlichen Bestimmungen abgetrennt und im Deutschen Bundestag als Gesetz über den Ehe-und Familiennamen verabschiedet. Daß mittlerweile der Bundesrat dieses Gesetz abgelehnt hat, ist eine andere Sache. Das Gesetz über den Ehe- und Familiennamen hat seinen gesonderten Weg genommen, und es besteht kein Anlaß, es heute hier wieder ({0}) in das Erste Eherechtsreformgesetz einzubauen. ({1}) Soweit zur formellen Seite der Sache. Herr Kollege Dr. Lenz, ich bewundere, wie Sie bei Ihrer Begründung es so geschickt völlig übergangen haben, daß Sie als Unionsfraktion materiell so etwas wie Vermittlungsausschuß spielen wollen, weil nämlich in Ihrem Änderungsantrag die namensrechtlichen Bestimmungen in der Fassung und mit dem Inhalt vorgeschlagen werden, wie Sie es bei den Ausschußberatungen gern gehabt hätten. Schon von daher kommt für uns eine Annahme dieses Antrags nicht in Frage.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Engelhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lenz?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Engelhard, würden Sie diesem Hohen Hause den Vorzug einräumen, über einen entsprechenden Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und SPD abzustimmen?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ganz sicherlich, Herr Kollege!

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wann dürfen wir ihn bekommen? ({0})

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, dies ist nicht das Problem. ({0}) Was ich aufzeigen wollte, ist doch lediglich dies, daß Sie hier mit einer rein auf das Formale gerichteten Begründung versucht haben, uns ganz sachte materielle Inhalte unterzuschieben. ({1}) Sie haben, wie ich ausgeführt habe, das, was Sie bei den Ausschußberatungen für richtig gehalten haben, hier in diesen Änderungsantrag mit aufgenommen. Hier fehlt die Notwendigkeit für die Eheschließenden, sich bei der Eheschließung über den Namen zu erklären. Es soll hier wiederum eine Art männlicher Stichentscheid vorgesehen werden, wenn keine Erklärung abgegeben wird. ({2}) Zum anderen schlagen Sie vor, daß derjenige Ehegatte, dessen Familienname nicht Ehename geworden ist, seinen Familiennamen dem Ehenamen anfügen kann. Sie wissen, daß wir uns hier bei der Beratung des Namensrechts für andere Lösungen entschieden haben. Ich bitte namens der Koalitionsfraktionen, den Änderungsantrag abzulehnen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf der Drucksache 7/4453: „In Artikel 1 wird nach der Nummer 1 folgende Nummer 2 eingefügt:". Ich nehme auf den Antrag Bezug, wobei ich davon ausgehe, daß die weiteren Änderungsanträge entfallen, wenn der erste Antrag abgelehnt ist. Meine Damen und Herren, wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Meine Damen und Herren, der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe den Antrag auf der Drucksache 7/4446 auf. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Art. 1 Nr. 12 und 37. Zur Begründung dieses Antrags hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Koalition will die Streichung einer Bestimmung, die vielleicht dazu führen könnte, daß manche Ehe, die jetzt gescheitert ist, aber später wieder geheilt werden kann, geschieden werden muß, weil derjenige, der zur Pflichtteilsentziehung - und um diese geht es hier - berechtigt wäre, diese nur dann vornehmen kann, wenn er auf Scheidung geklagt hat. Meine Damen und Herren, es kann Gründe geben - wir haben darüber in der allgemeinen Aussprache schon gesprochen -, daß eine Ehe aufrechterhalten wird, z. B. wegen des Wohles der Kinder, wegen der Kindererziehung, daß diese Lebensgemeinschaft äußerlich aufrechterhalten wird, obwohl einer der Ehegatten eine so schwere Eheverfehlung begangen hat, daß ihm der andere, der auf Scheidung zu klagen berechtigt wäre, den Pflichtteil entziehen könnte. Daß diese erbrechtliche Vorschrift des § 2335 BGB, wie sie in unserem Antrag enthalten ist, nicht dazu führt, daß die Pflichtteilsentziehung endgültig sein soll, für den Fall, daß die Ehegatten sich wieder zusammenfinden, zeigt der Satz 2 der Bestimmung, wonach die Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft die Entziehung unwirksam macht. Bei einer Fortdauer der Entziehung des Pflichtteils bis zum Tod des Erblassers wird der andere Ehegatte auch nicht schlechter gestellt, denn er soll nach unseren Vorstellungen in jedem Fall einen Unterhaltsanspruch behalten. Meine Damen und Herren, diese Pflichtteilsentziehung kann man nicht als eine „Teilscheidung" abtun, denn in diesem Gesetzentwurf gibt es auch andere Bestimmungen, in denen sogenannte Teilscheidungen enthalten sind. Denken Sie nur an die Bestimmung des § 1353 Abs. 2 BGB, wonach die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft verweigert werden kann, ohne daß daraus zwingend eine Ehescheidung folgen muß. Es handelt sich hier also nicht etwa um eine hinkende Ehescheidung. Die Nr. 1 des Antrags wäre dann eine Folgeentscheidung zu dem Antrag zu § 2335 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ich bitte Sie namens der CDU/CSU-Fraktion, diesem Antrag zuzustimmen, um vielleicht manche Ehe zu retten, die zerstört war, sie vielleicht auch für die Erziehung der Kinder zu retten und nicht Ehegatten mutwillig bei einem Zerwürfnis oder bei einer Verfehlung in die Scheidung hineintreiben zu müssen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit ist der Antrag auf Drucksache 7/4446 begründet. Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag läuft im Endergebnis darauf hinaus, daß wir so etwas wie eine partielle Scheidung einführen sollen, ({0}) nämlich eine Scheidung, in der die Lebensgemeinschaft von beiden Parteien zwar aufrechterhalten werden muß, in der sich derjenige, der Vermögen zu vererben hat, aber das Recht nehmen kann, dem anderen Ehegatten den Pflichtteil zu entziehen. Ich bitte Sie zu überlegen, was für ein Ehebild bei Annahme dieses Antrages zum Durchbruch käme. Ich bitte, sich zu vergegenwärtigen ({1}) - Herr Wittmann, ich meine insbesondere Sie, der Sie sich durch Teilnahme an den Beratungen zum Familienrecht und Eherecht ja bisher nicht ausgezeichnet haben, Sie sollten besonders sorgfältig aufpassen -, ({2}) daß der eine Ehegatte den anderen im vermögensrechtlichen Bereich mit der Pflichtteilsentziehung bestrafen kann, von diesem aber gleichwohl verlangt, ihm gegenüber sämtliche übrigen Verpflichtungen aus der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erfüllen. Schon aus diesem Grunde kann man diesem Antrag nicht zustimmen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund. Bei Annahme dieses Antrags würde die Rechtssicherheit ganz erheblich gefährdet werden ({3}) Wenn wir diesem Antrag folgten, wären die Gerichte gezwungen, ein Scheidungsverfahren post mortem durchzuführen, nämlich bezüglich desjenigen, der bereits gestorben ist. Wie Sie sich das vorstellen, müßten Sie doch bitte einmal erklären. Sie haben versäumt, das zu tun. Ich nehme an, Sie können das auch nicht. Dieser Erklärungsversuch ist schon im Rechtsausschuß gescheitert. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4446 - Änderung des Art. 1 Nrn. 12 und 37 - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. -Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. ({0}) Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4447. Der Änderungsantrag betrifft Art. 1 Nr. 14. Das Wort hat der Abgeordnete Thürk.

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Ersten Eherechtsreformgesetzes - Drucksache 7/650 - hat Ihnen die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen weiteren Änderungsantrag auf Drucksache 7/4447 vorgelegt, der im wesentlichen das Recht der Scheidungsgründe betrifft. Der Änderungsantrag rechtfertigt sich aus folgenden Überlegungen: Heute ist schon viel von dem Übergang vom Schuld- zum Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht gesprochen worden. Dieser Übergang hat während der Beratungen doch wesentlich mehr Probleme aufgeworfen, als das am Anfang - wohl von uns allen - vorausgesehen worden war. Vor allem die Praktiker hatten das Zerrüttungsprinzip gefordert, weil sie glaubten, dadurch eine Fülle von Ungerechtigkeiten und auch Verfahrensschwierigkeiten ausräumen zu können. In erster Linie wurde ausgeführt, man brauche nicht mehr in die Privat- und Intimsphäre der Ehegatten einzudringen, das Waschen schmutziger Wäsche vor Gericht werde künftig aufhören, und man sei der Schwierigkeit enthoben, nachzuprüfen, wer letztendlich das Verschulden an der Zerrüttung trage. Inzwischen sind aber auch bei Richtern und Rechtsanwälten Bedenken laut geworden, ob das so laut propagierte Zerrüttungsprinzip die Mängel des derzeitigen Scheidungsverfahrens zu beheben geeignet sei. Wie im geltenden Recht wird auch im künftigen Recht die Frage im Mittelpunkt stehen, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen die Ehe zerrüttet bzw. gescheitert ist. Notwendigerweise wird - jedenfalls bei der Verstoßensscheidung - auch in Zukunft ein Eingehen auf die ehelichen Probleme notwendig sein. Lediglich die Feststellung, wer einen bestimmten Streit verschuldet oder wer ein bestimmtes Zerwürfnis herbeigeführt hat und somit zum Schuldigen geworden ist, kann in Zukunft als entbehrlich angesehen werden. Ich stelle daher fest: Auch in Zukunft muß -außer bei den Fristenscheidungen - insoweit gebe ich dem Herrn Justizminister recht - zur Feststellung, ob die Ehe gescheitert ist, die Privat- und Intimsphäre der Ehegatten durchleuchtet werden. Leider! Auch in Zukunft kann das Gericht nicht hindern, daß sich in der Verhandlung ehelicher Groll und Hader entladen wird. Allenfalls wird der Zank in das Scheidungsfolgenverfahren verlagert werden. Gespart wird lediglich die Feststellung, ob nur ein Ehegatte oder ob beide Ehegatten in unterschiedlichen Anteilen die Ehe schuldhaft zum Scheitern gebracht haben. Damit sind die Praktiker um einige Illusionen ärmer geworden. Trotzdem wird die Scheidung, obwohl das hier in Abrede gestellt worden ist, einfacher werden. Dies folgt zunächst aus der Einführung der einvernehmlichen Scheidung; darüber besteht wohl Klarheit. Eine Erleichterung liegt ebenfalls in der Möglichkeit, nach. dreijähriger Trennung eine Ehe nahezu ohne Einschränkung aufzulösen oder die Zerrüttung der Ehe auf eigenes Fehlverhalten zu gründen. Der Scheidungsfreudigkeit des vorliegenden Entwurfs müssen aber Grenzen gezogen werden, wenn es diesem Bundestag mit dem Schutz von Ehe und Familie ernst ist, wie er in Art. 6 GG niedergelegt worden ist. ({0}) Wenn der vorliegende Entwurf in der Fassung, die die Koalitionsmehrheit im Rechtsausschuß beschlossen hat, Gesetz werden sollte, müssen alle Bekenntnisse zum Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft und zum Grundsatz, daß die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist, lediglich als Lippenbekenntnisse angesehen werden. Als schlimmster Angriff auf die ethischen, weltanschaulichen und gesellschaftspolitischen Werte der Institution Ehe ist die Vorschrift des § 1565 BGB, der sogenannte Grundtatbestand in der Fassung der Mehrheit des Rechtsausschusses, anzusehen. Er wird deshalb von der Opposition als Verstoßensscheidung gebrandmarkt. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint diese Gesetzesvorschrift nicht mehr zu enthalten als die Verankerung des Zerrüttungsprinzips, wonach eine Ehe zu scheiden ist, wenn sie gescheitert ist. Erst bei weiterem Durchdenken der Vorschrift fällt auf, daß von der Einschaltung einer Frist bewußt abgesehen worden ist. Wenn also ein Ehegatte den Nachweis führen will, daß seine Ehe gescheitert ist, kann er schon unmittelbar nach der Heirat ohne Einhaltung irgendeiner Frist das Scheidungsbegehren stellen, und wenn es darauf ankommt, sogar schon am Morgen nach der Hochzeitsnacht. Damit ist der Überraschung des anderen Ehegatten mit einer plötzlichen Verstoßung Tür und Tor geöffnet. Noch bedenklicher aber ist, daß alle, aber auch alle Gründe, die das Scheitern der Ehe nachzuweisen geeignet sind, von dem klagenden Ehegatten angezogen werden dürfen, also auch solche, für die er ganz allein verantwortlich ist. Der die Scheidung betreibende Ehegatte ist deshalb nicht gehindert, dem Gericht vorzutragen, daß er selber durch sein eigenes Verhalten die Ehe zerstört hat.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Thürk, können Sie mir erklären, wie ein Ehegatte, der am Morgen nach der Hochzeitsnacht aus dem Grundtatbestand auf Scheidung klagen will, die unheilbare Zerrüttung der Ehe beweisen kann?

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Diese Frage scheint auf mangelnder Lebenserfahrung des Kollegen Emmerlich zu beruhen. In der Hochzeitsnacht ist schon mehr schiefgegangen. ({0}) Ich darf fortfahren. Dies wäre der erste Fall im deutschen Rechtskreis, daß jemand aus eigenen Rechtsverletzungen für sich selbst günstige Rechtsfolgen herzuleiten vermag. Damit wird der Schutz der Ehe tiefer angesetzt als der jedes beliebigen unbedeutenden Vertrages. (Sehr richtig! bei der CDU/CSU] Bei allen Bedenken, die die Opposition aus den verschiedensten Gründen gegen den vorliegenden Gesetzentwurf in seinen Einzelausformulierungen hat, scheint uns die Vorschrift über die Verstoßensscheidung das Schlimmste zu sein, was die Bundesregierung dem Bundesbürger vorzusetzen wagt. Deshalb fordern wir, daß eine Ehe vor Ablauf der Trennungsfristen nur dann geschieden werden darf, wenn dem Antragsteller die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten oder in dessen Lebensbereich liegen, nicht zuzumuten ist. Dies bedeutet, daß sich vor Ablauf der Trennungsfristen kein Ehegatte bei der Scheidung auf eigenes Fehlverhalten berufen kann, sondern nur auf ein Fehlverhalten des anderen, das ihm das Zusammenleben unmöglich macht. Und nun, Herr Bundesminister, ob es Ihnen paßt oder nicht, sage ich es doch noch einmal: Die fristlos kündbare Ehe darf bei uns nicht Gesetz werden! ({1}) Die Opposition hält auch daran fest, daß die ursprüngliche Formulierung „unheilbare Zerrüttung", die den Zustand einer Ehe, die geschieden werden soll, am besten umreißt, im Gesetz verankert werden sollte. Der Übergang der Bundesregierung zum Begriff des Scheiterns ist aus mehreren Gründen nicht gut. Der Begriff „Scheitern" ist zu wenig plastisch, um in das Begriffsvermögen des Bundesbürgers richtig einzugehen. Der Ausdruck „unheilbare Zerrüttung" zeigt hingegen eine Ehe, die im Endzustand unter keinem wie auch immer gearteten Gesichtspunkt noch einmal zum Guten zurückgeführt werden kann. Es ist auch merkwürdig, daß die Bundesregierung in der Begründung ihres eigenen Gesetzentwurfes regelmäßig nur von unheilbarer Zerrüttung spricht und sich ja auch zum Zerrüttungsprinzip, nicht aber zum Scheiternsprinzip bekennt. Auch sprachlich ist der neue Begriff zu verurteilen. Häufig wird das Scheitern der Ehe mit dem Scheiden der Ehe in einem Zusammenhang gebracht. Insoweit muß ich im übrigen auf eine notwendige Druckfehlerberichtigung in Zeile 3 auf Seite 28 des Ausschußberichts aufmerksam machen. Abschließend kann zu § 1565 nur gesagt werden, daß diese Bestimmung schlimmstes Unrecht in unseren Rechtskreis einführt. Sind nach dem geltenden Recht vielleicht einige Tausend - und dies geben wir durchaus zu, Herr Kollege Emmerlich - schwer verständlicher Fälle langjähriger Trennungen denkbar, in denen ein Ehegatte gegen seinen Willen über 10 bis 15 Jahre hinweg durch den Widerspruch des anderen an eine Ehe gebunden wird, die tatsächlich nach ihrem Inhalt keine mehr ist, so werden doch die Scheidungen nach § 1565 das Vielfache an Ungerechtigkeit bringen; denn kein ehetreuer Gatte - und dies sollten Sie wirklich zugeben - kann seiner Ehe mehr sicher sein. Binnen kurzer Frist kann er unveränderlich mit der Tatsache der mutwilligen Zerstörung seiner Ehe durch den Partner konfrontiert werden. Die sogenannte Fristenscheidung vermag die Opposition, allerdings nur im Grundsatz, mitzutragen. Der ehetreue Gatte wird durch das Scheidungsbeehren des anderen nicht überrascht, sondern vermag sich über eine gewisse Zeit hinweg darauf einzustellen, sein zukünftiges Leben abzuchecken und Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Die Scheidung nach bestimmten Fristen erspart auch den oft peinlichen Nachweis, daß die Ehe gescheitert ist; denn der Ablauf bestimmter Fristen zuzüglich der beiderseitigen oder einseitigen Erklärung der Ehegatten zur unheilbaren Zerrüttung begründet nach dem Gesetzestext die Vermutung dafür, daß die Ehe gescheitert ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wünscht auch bei der einvernehmlichen Scheidung, daß diese Vermutung widerlegbar ausgestaltet sein muß. Zugegebenermaßen wird die Forderung der Opposition nur eine kleinere Anzahl von Fällen betreffen. Gleichwohl kann und darf nicht hingenommen werden, daß der Richter zu einem Urkundsbeamten degradiert wird, der lediglich die Erklärung der beiden Ehegatten, sich scheiden lassen zu wollen, entgegennimmt, den Ablauf der Trennungsfrist prüft und anschließend das Zertifikat ausschreibt. ({2}) Es muß dem Richter vielmehr erlaubt sein, auf die Ehegatten eheerhaltend einzuwirken. Zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens haben die Ehegatten nämlich durch ihre Anwälte und das Gericht bereits regelmäßig erfahren müssen, welche Probleme mit der Scheidung auf sie zukommen und welche Konzessionen sie hinsichtlich der Kinder, hinsichtlich des Unterhaltes, künftig auch der Versorgung werden machen müssen. Die Chancen für eine Versöhnung der Ehegatten sind daher wesentlich höher anzusetzen als beim herkömmlichen Sühneverfahren, das dem Verfahren vorausgeschaltet war und in das die Ehegatten noch mit frischem Groll und Hader aus der Ehe gingen. Deshalb fordern wir, daß auch bei der einvernehmlichen Scheidung die Vermutung widerlegbar sein muß. In erhöhtem Maße gilt dies aber für die streitige Scheidung nach dreijähriger Trennung. In diesem Fall ist ein Ehegatte der Ansicht, daß die Ehe noch nicht unheilbar zerrüttet ist, daß also noch Substanz vorhanden ist. Dann besteht für das Gericht erhöhte Aussicht, auf die Ehegatten im Sinne einer Versöhnung einzuwirken, indem es die schwerwiegenden Nachteile der Scheidung für die Ehegatten selbst, aber auch für ihre Kinder darlegt und Wege für einen Neubeginn der Ehe aufzeigt. Es ist eine reine Unterstellung, wenn die Regierungskoalition davon ausgeht, daß eine Ehe nach dreijähriger Trennung in allen Fällen als gescheitert angesehen werden müsse. Die Erfahrung spricht dagegen, wenn auch zugegebenermaßen in einer geringeren Zahl von Fällen. Der Wert der Ehe muß es rechtfertigen, jede nur denkbare Anstrengung zu unternehmen, um eine bereits erschütterte eheliche Gemeinschaft wieder zusammenzufügen, wenn er nicht nur als Lippenbekenntnis in der politischen Auseinandersetzung angesehen werden soll. Der Gesetzgeber hat die Pflicht, eheerhaltend zu wirken, wenn er das Institut der Ehe wirklich ernst nimmt. Geradezu als absurd muß die Aussage der Koalition gewertet werden, mäßige Erschwerungen bei der streitigen Scheidung nach dreijähriger Trennung würden zum Ausweichen auf die Verstoßensscheidung führen. Wer bereit ist, mit dem Scheidungsantrag drei Jahre zu warten, wird regelmäßig den Nachweis der Zerrüttung - aus welchen Gründen auch immer - scheuen. Die Darlegungen zur Widerlegung der Vermutung werden nicht die negativen, sondern die positiven Aspekte der Ehe in den Vordergrund rücken, was sicher nicht zu einer weiteren Verfeindung der Parteien führen wird. Mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 1567, der die Definition der Trennung enthält, ist es auch abwegig, anzunehmen, ein versöhnliches Verhalten des die Scheidung betreibenden Ehegatten werde gegen ihn verwandt werden können. Die Prozeßsituation des scheidungswilligen Ehegatten wird durch die Vermutung in jedem Falle günstiger sein als bei einer Verstoßensscheidung. Darüber sollte man sich unter Juristen doch klar sein. Schließlich gebietet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs die Widerlegbarkeit der Vermutung; denn eine unwiderlegbare Vermutung würde jedes Vorbringen eheerhaltender Tatsachen und jeden richterlichen Versöhnungsversuch verbieten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ihre Bedenken dagegen aufrechterhalten, auch junge Ehen nach den allgemeinen Vorschriften zu scheiden. Wegen der Bedeutung dieser Vorschrift hat sie es vermieden, sie in § 1565 einzubeziehen, und hat einen neuen § 1567 a gebildet, der Ihnen vorliegt. Nach dem Vorschlag der Opposition kann eine junge Ehe vor Ablauf eines Jahres nur dann geschieden werden, wenn es einem Ehegatten aus Gründen, die in der Person oder im Lebensbereich des anderen Ehegatten liegen, unzumutbar ist, die Ehe noch fortzusetzen. Das erstmalige Zusammenleben junger Menschen in einer Ehe mit allen Erschwernissen, aber auch mit der Eintönigkeit des Alltags bietet eine Fülle von Konfliktstoff, der in einer länger bestehenden Ehe allmählich abgebaut wird. Der Prozeß des Sich-aneinander-Gewöhnens belastet insbesondere das erste Ehejahr. Zur Erhaltung der Ehe und im Bewußtsein ihres Wertes muß der Gesetzgeber junge Eheleute daran hindern, angesichts des ersten Konfliktstoffes sofort aus der Ehe auszubrechen, statt sich ernsthaft zu bemühen, die Schwierigkeiten zu meistern. Der Hinweis der Koalitionsfraktion darauf, daß das richterliche Aussetzungsrecht bis zu einem Jahr denselben Effekt habe, ist abwegig. Es ist psychologisch ein großer Unterschied, ob ein Scheidungsantrag junger Eheleute vor Ablauf eines Jahres vom Gericht überhaupt nicht angenommen wird oder ob sie jederzeit sofort zum Gericht rennen können und dem Richter lediglich die Möglichkeit geboten ist, das Verfahren mehrfach auszusetzen. Im letzteren Falle ist die Krisenstimmung in der jungen Ehe nicht mehr zu beseitigen. ({3}) Die von der Regierungskoalition angestrebte Fassung des § 1568, der eine sogenannte Härteklausel - ich sage mit Absicht: sogenannte - enthält, ist nichts anderes als Augenwischerei und wird in der Praxis überhaupt keine Bedeutung haben. ({4}) Bis zum heutigen Tage ist die Regierung ein Beispiel für diese immaterielle Härteklausel schuldig geblieben - auch, Herr Minister, in der Fernsehdiskussion. ({5}) Ein solches Beispiel gibt es nämlich gar nicht. Einig sind sich Regierung und Opposition darin, daß eine Ehe, obwohl sie gescheitert ist, dann nicht geschieden werden soll, wenn die Scheidung für den Antragsgegner auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten, also desjenigen, der die Scheidung betreibt, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Damit sind die Gemeinsamkeiten aber auch schon zu Ende. Zunächst rügt meine Fraktion ganz entschieden, daß die Härteklausel nicht auf den Fall der Scheidung nach dreijähriger Heimtrennung, sondern nur auf die Verstoßensscheidung nach dem Grundtat14478 bestand angewandt werden soll. Damit sind die Hauptanwendungsfälle bereits ausgeschlossen. Gerade bei den Scheidungen wegen dreijähriger Heimtrennung, die künftig nicht mehr am Widerspruch des anderen Ehegatten oder am wohlverstandenen Interesse der Kinder sollen scheitern können, ist die Härteklausel dringend geboten. ({6}) Die Verweigerung dieses Rechtsschutzes stempelt den Gesetzentwurf der Regierungskoalition als ungerecht ab. ({7}) Die Opposition verlangt weiter, daß daneben auch das Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder die Aufrechterhaltung der Ehe im Rahmen der Härteklausel gebietet. Richtig ist selbstverständlich - auch dies räume ich gern ein -, daß im Regelfall Kinder aus einer gescheiterten Ehe besser bei einem Ehegatten als bei beiden - bei denen sie den ständigen Streit miterleben - aufgehoben sind. Es sind jedoch aus der Praxis auch genügend Fälle bekannt - und daran sollten wir doch auch einmal denken -, in denen Ehegatten einer gescheiterten Ehe so viel Disziplin besitzen, daß sie im Interesse der Kinder eine geordnete Ehe weiterführen und zusammenleben. In diesem Fall kann es vernünftig sein, die Scheidung zu verweigern. ({8}) Besonderen Bedenken begegnet jedoch der Ausschluß wirtschaftlicher Umstände. Die Regierungskoalition möchte mit dieser Bestimmung vermeiden, daß - wie im geltenden Recht - Unterhalts- und Versorgungsansprüche als ausschließlicher Grund für ein Widerspruchsrecht dienen. Damit ist die Regierung jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen. ({9}) Selbst wenn man mit ihr annehmen wollte, das vorgeschlagene Unterhalts- und Versorgungsrecht würde - was die Opposition im übrigen in Zweifel zieht - die wirtschaftlichen Belange des anderen Ehegatten in vollem Umfange gewährleisten, so ist doch die Formulierung geeignet, jegliche Anwendung der Härteklausel auszuschließen. Denn es ist kein Fall denkbar, in dem nicht eine immaterielle Härte zugleich auch materiellen Charakter besitzt. ({10}) Selbst eine schwere Krankheit eines Ehegatten - wenn ich einmal ein Beispiel bilden darf - kann dann keine ausschließlich immaterielle Härte sein, wenn zugleich durch die Pflege oder zumindest die Anwesenheit des anderen Ehegatten eine Pflegekraft oder Haushaltskraft gespart wird. Selbst eine depressive Phase des widersprechenden Ehegatten beispielsweise reicht zur Anwendung der Härteklausel nicht aus, weil die Anwesenheit des scheidungswilligen Ehegatten einen Pflege- oder Krankenhausaufenthalt vermeiden würde und somit wiederum materiellen Charakter hat. Jeder halbwegs geschickte Rechtsanwalt wird in der Lage sein, bei jedem sogenannten immateriellen Grund eine materielle Auswirkung zu behaupten und damit die Härteklausel zu Fall zu bringen. Den Vorschlag der Opposition, eine Formulierung zu verwenden, die besagt, daß nur „ausschließlich materielle Gründe" ausgeschlossen sind, hat die Regierungskoalition nicht aufgegriffen. Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Scheidungsgründe, wenn sie in der Fassung, die die Mehrheit des Rechtsausschusses gefunden hat, Gesetz werden sollten, eine hemmungslose Liberalisierung des Scheidungsrechtes darstellen, daß der Ehe jeglicher Wert abgesprochen wird, ({11}) daß die eheliche Verbindung hinsichtlich des Rechtsschutzes unter den geringfügigsten zivilrechtlichen Vertrag gestellt wird und daß schließlich, statt Ungereimtheiten im derzeitigen Recht zu beseitigen, umfangreiche neue Unrechtigkeiten geschaffen werden. ({12}) Nur mit den Änderungsanträgen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist das Scheidungsrecht, das ohnehin immer eine unerfreuliche Materie bleiben wird, einer erträglichen Lösung zuzuführen. Wegen der Wichtigkeit der angesprochenen Probleme beantrage ich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion namentliche Abstimmung. ({13})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit ist der Antrag begründet. Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung zum Verfahren. Die Änderungsanträge der Opposition haben wir heute morgen zu Beginn der Sitzung teilweise vorgefunden, und sie sind dann im Laufe der Sitzung weiter eingetröpfelt. ({0}) Das ist geschehen, obwohl dieses Gesetz bereits seit 1973 im Deutschen Bundestag beraten wird ({1}) und obwohl die Beratungen im Rechtsausschuß praktisch im Oktober 1975 abgeschlossen worden sind. Ich will nicht darüber spekulieren, was die Ursachen für dieses Verfahren sind ({2}) - davon bin ich überzeugt, Herr Vogel, daß Sie sich das sehr gut überlegt haben -, ob Sie nicht in der Lage waren, wie man hei uns sagt, rechtzeitig „zu Potte zu kommen", ({3}) oder ob Sie darauf spekuliert haben, uns in Verlegenheit bringen und Ihre Anträge durch vorbereitete Reden begründen zu können. Wir bedauern das gar nicht. Wir sind gern bereit, aus dem Stand zu diesen Anträgen Stellung zu nehmen. ({4}) Im übrigen meine ich, daß dieser Versuch, andere in Verlegenheit zu bringen, sehr leicht auf Sie, die Sie Verlegenheit erzeugen wollten, zurückschlagen könnte. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Emmerlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Vogel!

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, was sagen Sie denn dazu, daß wir vor knapp einer halben Stunde einen Änderungsantrag vorgelegt bekommen haben, ({0}) der die Überschrift „Dr. Emmerlich und Engelhard" trägt und aus einem einzigen Satz zu einem Problem besteht, das auch mindestens seit einigen Jahren bekannt ist? ({1})

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Vogel, ich schätze Sie sehr. Nur, gelegentlich unterlaufen Ihnen Griffe, die nicht gentlemanlike sind. ({0}) Dabei erinnere ich an die Presseerklärung, in der Sie uns aufgefordert haben, Ehe und Familie besser - dagegen ist nichts einzuwenden -, aber darüber hinaus auch ehrlicher zu schützen. Die Frage, die Sie jetzt gestellt haben, geht in genau denselben Bereich. Sie wissen genau, daß es sich bei diesem Änderungsantrag um einen Antrag handelt, der keinerlei rechtliche Konsequenzen, ({1}) sondern lediglich deklaratorische Bedeutung hat. ({2}) Sie wissen, daß wir das im Rechtsausschuß beantragen wollten und auf den Hinweis des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, daß sich der Rechtsausschuß mit einer derartigen Änderung der Eingangsklausel noch nie befaßt habe, davon abgesehen haben, diesen Antrag zu stellen. Bei nachträglicher Prüfung heute morgen hat sich herausgestellt, daß dieser Hinweis des Vorsitzenden des Rechtsausschusses unzutreffend war. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn das auf meine Redezeit nicht angerechnet wird, ja.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, auf die Gefahr hin, eine ebenso zu qualifizierende Antwort von Ihnen zu erhalten, darf ich Sie fragen, ob die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit für Sie von rechtlicher Relevanz ist oder nicht.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Deutsche Bundestag hat diese Frage nicht zu entscheiden, wie Herr Lenz durch Nicken bestätigt. ({0}) Sie sollten sich einmal beim Vorsitzenden des Rechtsausschusses erkundigen, wie die Situation in Wahrheit ist. ({1}) - Aus Gründen der Klarstellung; das habe ich soeben gesagt. Sie sollten doch bitte gelegentlich auch einmal zuhören. Nun lassen Sie mich bitte zu den hier vorliegenden Anträgen kommen. Zunächst zu § 1565. Die Opposition will für die ersten drei Jahre der Trennung das Verschuldensrecht beibehalten. ({2}) Wir können diesem Antrag nicht zustimmen, weil damit - ich möchte jetzt speziell zu Herrn Mikat sprechen - die Mängel des geltenden Verschuldensrechts für diese Zeit uneingeschränkt aufrechterhalten werden würden. Diese Mängel des geltenden Verschuldensrechts, Herr Mikat, beruhen keineswegs hauptsächlich oder in erster Linie darauf, daß das Verschuldensrecht die Gerichte zwingt, in die Intimsphäre der Ehegatten einzudringen. Die Hygiene des Ehescheidungsprozesses ist zwar ein wichtiger Punkt, das Entscheidene ist aber - und das haben auch Sie ausgeführt -, daß es mit den Mitteln des gerichtlichen Verfahrens schlechthin unmöglich ist, die Gründe für die Zerrüttung einer Ehe festzustellen und festzustellen, wer an der Zerrüttung schuld ist, wer mehr oder weniger schuld ist und wer nicht schuldig ist. Insofern bin ich Ihnen für Ihren Hinweis in Ihrer Rede sehr dankbar. Dieser Antrag geht aber noch insofern über diesen Mangeltatbestand des Verschuldensrechts hinaus, als er auch darauf abstellt, ob es Gründe gibt, die in dem Lebensbereich des Antragsgegners liegen. Nun frage ich Sie: Wenn schon die Überprüfung des Verschuldens und der Ursachen nicht mehr justitiabel ist, treten Sie dann nicht durch eine derartige Formulierung noch viel weiter in den nicht mehr justitiablen Bereich ein? ({3}) Es wird von Ihnen immer wieder darauf hingewiesen - darf ich den Satz noch zu Ende sprechen, Herr Thürk -, daß noch niemand - und das sei ein allgemeiner Rechtssatz - aus eigenem Fehlverhalten einen Vorteil ziehen dürfe. Ich will nicht kritisch untersuchen, ob die Scheidung als ein Vorteil anzusehen ist. Der Tatbestand ist doch der, daß es, wenn jemand seine eheliche Lebensgemeinschaft aufgibt, keine Möglichkeit für den Staat, den Gesetzgeber, die Exekutive und die Judikative, gibt, ihn in die Ehe zurückzubringen. Sie, Herr Thürk, haben soeben gesagt, eine fristlose Kündigung der Ehe dürfe es nicht geben. Ich frage Sie: Was ist denn das, was Sie nach drei Jahren zulassen wollen? Ist das eine fristgerechte Kündigung - mit dreijähriger Frist -, oder wie verstehen Sie das? Ich sage Ihnen: Für uns ist der Begriff „Kündigung" völlig unangemessen, ({4}) weil die Regeln des Vertragsrechts auf Ehe und Familie in keiner Weise anwendbar sind.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie können jetzt Ihre Frage stellen. Bitte!

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Emmerlich, sind Sie bereit zuzugeben, daß § 1565 mit Schuldscheidungsrecht überhaupt nichts zu tun hat, sondern daß nach unserem Antrag lediglich bei den Gründen unterschieden wird, die zum Scheitern der Ehe führen, und zwar zwischen den Gründen, die in beiden personalen Bereichen entstanden sind, und denen, die nach unseren Vorstellungen nur in einem Bereich, dem des Antragsgegners, entstanden sind, und sind Sie bereit zuzugeben, daß es unerträglich ist, wenn man aus eigener Rechtsverletzung dann, auch noch positive Rechtsfolgen für sich selbst herleiten kann? ({0})

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Thürk, ich würde Ihnen raten, das, was Sie hier gesagt haben, daß nämlich Verschuldensfragen nicht wieder zum Gegenstand der Entscheidung gemacht würden, vor Richtern und Rechtsanwälten vorzutragen. Sie würden bestenfalls einen Lacherfolg erzielen. Nun haben Sie, Herr Kollege Mikat, nachdenkenswerte Ausführungen über den Inhalt der Begriffe „Zerrüttung" und „Scheitern" gemacht. Herr Kollege Engelhard hat Ihnen für den Übergang von dem Begriff „Zerrüttung" zum Begriff „Scheitern" die Begründung geliefert. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich denke aber, Herr Kollege Mikat, wir sind uns darin einig, daß wir uns hier auch etwas im Bereich der Philologie bewegen, weniger im Bereich der Jurisprudenz. Nun muß ich noch, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Bemerkung zur Bedeutung und zum Stellenwert machen, die dieser Antrag für die Opposition hat. Diese Bemerkungen werden veranlaßt durch den in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Beitrag, den uns der Herr Lenz hier heute morgen kurz vor der Mittagspause abgestattet und abgeliefert hat. ({0}) ich greife den Beispielsfall von Herrn Lenz auf: die 30jährige Frau, die nach 5jähriger Ehe von ihrem Ehemann verlassen wird und mit ihrem Kind zurückbleibt. Herr Kollege Lenz sieht die soziale Sicherung dieser getrennt lebenden Frau darin, daß er die Scheidung verweigern will. Er sagt, dann habe die Frau bis zum Tod des Mannes einen Unterhaltsanspruch, und wenn der Mann gestorben sei, erhalte sie die Witwenrente. Ich will mich jetzt über die Richtigkeit der Folgen, die sich bei einer Scheidungsverweigerung ergeben, noch nicht aussprechen. Ich will nur feststellen: Die CDU/CSU löst diesen Fall, den Herr Lenz hier vorgetragen hat, anders als Herr Lenz. Sie läßt die Scheidung nach dreijähriger Trennung zu. ({1}) Nun frage ich Sie: Für wen hat Herr Lenz hier heute morgen gesprochen? Für sich selbst, gegen die Mehrheit der CDU/CSU, oder drückt sich in der Auffassung von Herrn Lenz die wahre Meinung der CDU/CSU aus? ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Emmerlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenz?

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, ist es Ihrer Aufmerksamkeit heute morgen entgangen, daß ich bei jedem Beispiel die Lösung nach Ihrem Entwurf, die Lösung nach unseren Anträgen und das geltende Recht einander gegenübergestellt habe, dieses in dem Fall auch mit genau demselben Ergebnis, wie Sie es jetzt eben haben? Warum bauen Sie Pappkameraden auf, Herr Kollege Emmerlich? ({0})

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Aufbauen von Pappkameraden und das Schattenboxen, Herr Lenz, haben Sie uns heute morgen in einer, ich will nicht sagen: meisterlichen, aber doch wenig beispielswürdigen Weise vorgemacht. Sie können ja nicht bestreiten, daß Sie gesagt haben: Die soziale Sicherung dieser Frau ist nach geltendem Recht prima und in Ordnung. Das wollen Sie doch wohl nicht in Abrede stellen. Ich will nun nicht entscheiden, ob Herr Kollege Lenz für sich, gegen die Oppositionsfraktion, gesprochen oder die wahre Auffassung der Oppositionsfraktion hier vorgetragen hat. Ich gebe nur zu bedenken, daß es sich bei dem Kollegen Lenz um den Vorsitzenden des Rechtsausschusses und um den oder einen der rechtspolitischen Sprecher der Opposition handelt. Im übrigen, Herr Lenz, haben Sie das, was passiert, wenn man die Scheidung verweigert, völlig unrichtig dargestellt. Sie wissen doch selbst, daß diese 30jährige Frau, die von ihrem Ehemann verlassen wird, nur minimale Aussichten hat, ihren formalen Unterhaltsanspruch auch tatsächlich zu realisieren. Das wissen Sie selbst. Warum tragen Sie uns dann hier etwas vor, das auf etwas ganz anderes hinausläuft? Sie wollen diese Frau bis zum Rest ihres Lebens auf diese kaputte Ehe mit allen Verpflichtungen fixieren, die sich daraus für ihre persönliche Lebensführung ergeben. Das ist ein Menschenverständnis und ein Trost, den Sie solchen Frauen, die von einem derartigen Unglück getroffen werden, zu spenden wünschen, daß man sich wirklich fragt, Herr Kollege Lenz: Mögen Sie das hier im Ernst so vortragen? Nun zu § 1566. Da ist zunächst einmal klarzustellen, daß die Opposition selbst bei einverständlicher Scheidung und einjähriger Trennung die Widerlegbarkeit der Vermutung des endgültigen Scheiterns der Ehe will. Was bedeutet das? Das bedeutet genau dieses: daß das Gericht von Amts wegen trotz des übereinstimmenden Willens der Parteien und der einjährigen Trennung untersuchen muß, ob die Ehe tatsächlich zerrüttet ist. Und nun sagen Sie mir einmal: Wie sollen die Zivilgerichte das wohl bewältigen? ({0}) Daß Sie hier nicht nur über das Ziel hinausgeschossen sind, sondern das Kind mit dem Bade ausschütten, kann, glaube ich, keinem Zweifel unterliegen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Emmerlich, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sicher!

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, können Sie mir denn wohl sagen, welches dann die Motive der Bundesregierung gewesen sind, als sie in ihrem Regierungsentwurf eine gleiche Vorschrift vorgeschlagen hatte?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Vogel, ich bin zwar nicht dazu da, die Motive anderer Leute darzustellen ({0}) - beruhigen Sie sich einmal! -, aber, Herr Vogel, wenn ich den Regierungsentwurf richtig in Erinnerung habe, war danach die Scheiternsvermutung bei einjähriger Trennung unwiderlegbar, nur die Scheiternsvermutung bei dreijähriger Trennung war widerlegbar.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Emmerlich, noch eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Emmerlich, jetzt frage ich: Was hat das wiederum mit der Frage zu tun, was das Gericht von Amts wegen und was es nicht von Amts wegen zu untersuchen hat?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Vogel, anscheinend liegt Ihre Zeit als Zivilrichter etwas lange zurück - Sie haben sich auch wohl vorwiegend mit Strafrecht befaßt -. Sie wissen ja, daß ehefreundliche Tatsachen vom Gericht von Amts wegen zu beachten sind. Das hat man zwar auf der Universität im Zivilprozeßrecht schon ein bißchen gehört, aber ich weiß, daß man so etwas natürlich leicht vergißt. ({0}) Weiter stelle ich mit Befriedigung fest, ({1}) daß die Opposition nunmehr für den Vermutenstatbestand bei nicht einverständlicher Scheidung nicht mehr - wie noch im Rechtsausschuß - eine fünfjährige Trennungsfrist für richtig hält, sondern - das spricht für ihre Vernunft - auf die dreijährige Trennungsfrist umgestiegen ist. ({2}) - Schauen Sie sich bitte einmal § 1566 Abs. 2 an. - Die Gründe dafür, warum die Vermutung unwiderlegbar ausgestaltet werden sollte, habe ich heute morgen dargelegt. Ich verweise darauf sowie auf Seite 12 des Berichts des Rechtsausschusses. Nun zu § 1567 a. Auch da ist ein Versuch der Opposition, mehr praktische Vernunft walten zu lassen, zu registrieren. Bisher haben Sie uneingeschränkt eine Mindestehedauer - man könnte auch sagen: ein Pflichtjahr mit umgekehrtem Vorzeichen - für richtig gehalten. Nunmehr wollen Sie diese Mindestdauer durch Satz 2 des § 1567 a einschränken. Dieser Satz ist identisch mit dem Satz 2 des Abs. 1 in § 1565. Daraus ergibt sich, daß es sich hier bei § 1567 a um eine völlig inhaltsleere Vorschrift handelt. Alle die Fälle, die unter § 1567 a fallen, sind von Ihrer Vorschrift des § 1565 bereits erfaßt. Sie sollten sich auch ein bißchen uni Gesetzestechnik kümmern. Nun letztlich zu der Härteklausel. Ich darf da insbesondere auf die Ausführungen des Justizministers und auf die Ausführungen meiner Kollegin Schimschok verweisen. Unrichtig ist es, daß wir im Rechtsausschuß kein Beispiel für die Anwendung einer rein immateriellen Härteklausel gebracht haben. Herr Kollege Thürk, darf ich Sie daran erinnern, daß wir auf die Fälle hingewiesen haben, in denen die Ehefrau infolge einer besonderen psychischen Situation durch das Scheidungsverfahren selbst und den Ausspruch der Scheidung eine zusätzliche Gesundheitsschädigung erleiden könnte. ({3}) Herr Kollege Thürk, sagen Sie mir einmal, wie Sie das verstehen, wenn Sie sagen, daß die Ehegatten so vernünftig sind, mit Rücksicht auf die Kinder beisammen bleiben zu wollen, obwohl die Ehe gescheitert ist. Glauben Sie denn, daß diese Vernunft erst durch die Abweisung der Scheidungsklage einsetzt, oder sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese entweder ohnehin oder gar nicht vorhanden ist? ({4}) Herr Kollege Thürk, ich möchte noch eines erwähnen. Wenn Sie hier von hemmungsloser Liberalisierung sprechen, dann kann ich nur sagen: Das ist hemmungslos! Wenn Sie sagen, daß durch die immaterielle Härteklausel der Ehe jeglicher Wert abgesprochen wird, dann wissen Sie doch selbst, daß das einfach Unsinn ist und nicht stimmt. Ich beantrage, die Anträge abzulehnen. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nehmen würden, damit sich auch der letzte Redner, der sich noch zu Wort gemeldet hat, verständlich machen kann. Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt nicht an mir, daß die Opposition wieder einmal eine Namentliche Abstimmung beantragt hat und Sie hier ins Plenum beordert worden sind. ({0}) Ich habe mich heute morgen bereits zu den Fragen des Scheidungsrechts geäußert. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich kann mich darauf beschränken, hier in Anbetracht der Umstände eine knappe, aber eindeutige Bemerkung zu machen. Es ist heute erneut der Versuch unternommen worden, so zu tun, als könnten künftig nach dem Grundtatbestand in diesem Lande Ehen geschieden werden, weil der, der die Scheidung betreibt, einen Tatbestand setzt, den man heute als Ehebruch oder schwere Eheverfehlung bewerten würde. ({1}) Was Sie hier in den Tatbestand hineininterpretieren, ist Ihre Sache. Aber ich glaube, daß dies eine etwas verworrene Auslegung ist. Gerade Sie, die Sie sich hier in besonderer Weise als ehefreundlich darzustellen suchten, sollten nicht von sich aus eine Auslegung wählen, die in der Formulierung des Gesetzes und im Sinngehalt der neuen Bestimmungen keine Stütze hat. ({2}) Zum anderen möchte ich folgendes sagen. Es muß wohl einmal mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß in einer ganz merkwürdigen Weise in Ihrer Argumentation doch immer so getan wird, als würden Hunderttausende, ja Millionen Ehen in diesem Lande allein durch ein relativ restriktives Scheidungsrecht zusammengehalten. Man muß heute bei dem, was wir in der Debatte erlebt haben, die Vision gewinnen, als sei der 1. Januar 1977 der Stichtag, wo Männer und Frauen wie die wilden Tiere aus den Käfigen des bisherigen engen Ehegesetzes herausbrechen und sich nach allen Richtungen in die Büsche schlagen. Ich will hier einmal deutlich machen, daß Sie wohl von Ehe etwas falsche Begriffe haben. ({3}) Auf dieser falschen Linie liegt auch eine Zuschrift des Eherechtsausschusses des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, das uns vorher vorgelegt wurde. Dort ist die Rede von der Sorge der Bevölkerung über diese neuen Bestimmungen. Dort ist gesagt - ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -: Wer bisher glaubte, gerade in Krisen seiner Ehe stehe ihm das Gesetz zur Seite und bewahre ihn vor rücksichtslosen Willkürhandlungen seines Partners - - Sie sehen - das nur im Anschluß an meine vorige Bemerkung - auch hier die Unterstellung, als lebten heute eine Unzahl von Menschen in einer Situation, in der sie sich bereits darüber klar sind, daß ihr Ehepartner rücksichtslos bis zum letzten sei und sie eines Gesetzes bedürften, das diese Rücksichtslosigkeit bremst und das Leben in dieser Ehe, wenn nicht schön, so doch gerade noch erträglich und hinnehmbar macht. Ich habe mich zu den anderen wesentlichen Fragen bereits geäußert, aber ich unterstreiche, was Herr Dr. Emmerlich gesagt hat. Nun den Versuch zu unternehmen, schon in Anbetracht der heutigen Scheidungspraxis auch bei der einverständlichen Ehescheidung die Widerlegbarkeit nach einjähriger Trennungsfrist einzuführen, ist doch nahezu kurios. Was soll der Richter in diesem speziellen Falle bei erwachsenen Menschen, die gleichlautend ihren Antrag gestellt haben, noch untersuchen? Soll er vielleicht sagen: „Kinder, geht mal wieder nach Hause, ihr wißt überhaupt nicht, was ihr aneinander habt", und was dergleichen väterliche Ratschläge mehr sind? Ich denke, daß Sie hier des Guten zu viel getan haben und Ihr sicherlich subjektiv zu begrüßendes Bemühen in einer Weise überzogen haben, daß Sie es schwer haben werden, noch ganz ernst genommen zu werden. Und ein letztes. Wenn Sie hier eine Kinderschutzklausel fordern, dann klingt das sicher gut, und Sie werden bei manchen einen vordergründigen Beifall finden. Aber es sollte, auch wenn wir gute Beziehungen zu dem zweiten deutschen Staat wünschen, uns nicht unbedingt eine Empfehlung sein, daß die DDR in § 24 ihres Familiengesetzbuches eine derartige Bestimmung kennt, weil die DDR aus ihrer Staatsauffassung heraus auch von Ehe einen anderen Begriff hat als wir ihn haben können. Das kommt in derselben Bestimmung sehr deutlich zum Ausdruck, wonach nämlich nicht nur untersucht werden soll, ob die jeweilige zu scheidende Ehe für die Ehegatten noch Bedeutung hat, sondern es heißt weiter „und damit auch für die Gesellschaft". Dieses von einem marxistisch-kommunistischen Standpunkt her geprägte institutionelle Gesellschaftsdenken sollte für uns kein Anreiz sein, uns auf etwas einzulassen, was in seinem Kern sinnlos ist, insbesondere für die Kinder. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich gehe davon aus, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung hinreichend unterstützt wird, und bitte die Damen und Herren Schriftführerinnen und Schriftführer mit dem Einsammeln der Stimmkarten zu beginnen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 7/4447 bekannt. Insgesamt haben sich 422 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 18 Berliner Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Mit Ja haben 193 und 5 Berliner Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 229 und 13 Berliner Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 422 und 18 Berliner Abgeordnete; davon ja: 193 und 5 Berliner Abgeordnete, nein: 229 und 13 Berliner Abgeordnete. Ja CDU/CSU Dr. Abelein Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Baier Dr. Barzel Dr. Becher ({0}) Dr. Becker ({1}) Benz Bewerunge Biechele Dr. Blüm Blumenfeld von Bockelberg Böhm ({2}) Braun Breidbach Bremer Bremm Burger Carstens ({3}) Dr. Carstens ({4}) Damm van Delden Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({5}) Engelsberger Erhard ({6}) Ernesti Ey Dr. Eyrich Dr. Franz Dr. Früh Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({7}) Gerster ({8}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Gruhl Haase ({9}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser (BN-Bad Godesberg Hauser ({10}) Dr. Hauser ({11}) Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Hussing Dr. Jaeger Jäger ({12}) Dr. Jahn ({13}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Katzer Dr. Kempfler Dr. Klein ({14}) Dr. Klein ({15}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({16}) Dr. Köhler ({17}) Köster Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({18}) Lagershausen Lampersbach Leicht Lemmrich Dr. Lenz ({19}) Lenzer Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Maucher Dr. Mertes ({20}) Mick Dr. Miltner Milz Möller ({21}) Müller ({22}) Dr. Müller-Hermann Dr. Narjes Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Pfeifer Picard Pieroth Pohlmann Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({23}) Dr. Riedl ({24}) Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Roser Russe Sauer ({25}) Sauter ({26}) Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble Schedl ) Schetter Schmidhuber Schmidt ({27}) Schmitt ({28}) Schmitz ({29}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({30}) Dr. Schröder ({31}) Schröder ({32}) Schröder ({33}) Schulte ({34}) Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({35}) Dr. Stavenhagen Frau Stommel Strauß Stücklen de Terra Thürk Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({36}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Wagner ({37}) Dr. Waigel Dr. Wallmann Dr. Warnke Wawrzik Weber ({38}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({39}) Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Berliner Abgeordnete Amrehn Kunz ({40}) Müller ({41}) Frau Pieser Straßmeir Nein SPD Amling Anbuhl Dr. Apel Dr. Arndt ({42}) Augstein Baack Bäuerle Barche Bahr Dr. Bardens Batz Becker ({43}) Biermann Blank Dr. Böhme ({44}) Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({45}) Bredl Brück Buchstaller Büchler ({46}) Büchner ({47}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Frau Dr. Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({48}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Franke ({49}) Friedrich Geiger Gerstl ({50}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({51}) Haase ({52}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({53}) Jahn ({54}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann Dr. Meinecke ({55}) Meinike ({56}) Metzger Möhring Müller ({57}) Müller ({58}) Müller ({59}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Offergeld Frau Dr. Orth Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({60}) Rappe ({61}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Richter Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Schäfer ({62}) Dr. Schäfer ({63}) Scheffler Scheu Schinzel Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({64}) Schmidt ({65}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({66}) Dr. Schwenk ({67}) Seibert Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Stahl ({68}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Suck Sund Tietjen Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({69}) Vogelsang Waltemathe Walther Dr. Weber ({70}) Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Dr. de With Wittmann ({71}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Manning Mattick Dr. Schellenberg Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt FDP Baum Dr. Böger Christ Engelhard Frau Funcke Gallus Geldner Grüner Hölscher Hoffie Jung Kirst Dr.-Ing. Laermann Logemann Frau Lüdemann Mischnick Möllemann Moersch Ollesch Peters ({72}) Schleifenbaum Schmidt ({73}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Wolfgramm ({74}) Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Fraktionslos Emeis Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Wir kommen nunmehr zu dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4448. Er betrifft Art. 1 Nr. 14 mit einer Reihe von Bestimmungen sowie Art. 1 Nr. 7 und Art. 1 Nr. 1 Lit. a. Wenn die Anträge unter den Ziffern 1 und 2 abgelehnt sind, dann entfallen die Folgerungen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher.

Ursula Schleicher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001980, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute aufmerksam zugehört hat, mußte heraushören, daß eigentlich in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages zu einem bestimmten Gesichtspunkt anscheinend eine einheitliche Meinung herrscht, und zwar dazu, daß Mann und Frau, die eine Ehe eingehen, gemeinsam frei sollen entscheiden können, wie sie die anfallenden Aufgaben innerhalb ihrer Ehe wahrnehmen wollen und wie sie sie verteilen wollen. Ob nun diesem Grundsatz im praktischen Fall, nämlich in unserem Ehe- und Familienrecht, Rechnung getragen wird, hängt davon ab, ob unserem Antrag, der jetzt vorliegt, zugestimmt werden wird. Das im Grundgesetz angelegte lebendige Spannungsverhältnis zwischen persönlicher Freiheit und sozialer Verantwortung gewinnt im Eherecht unmittelbare Bedeutung. Die Reform des Eherechts muß deshalb davon ausgehen, daß der Eheschließende in Ausübung seines Rechts auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit bewußt eine auch rechtliche Verantwortung übernimmt und darüber hinaus sozial relevante Bindungen schafft, aus denen ihn die Rechtsordnung nicht nach seinem Belieben zum Nachteil seines Ehepartners, seiner Kinder oder der Gesellschaft entlassen kann. Ein sozial gestaltetes Ehe- und Familienrecht hat die Verpflichtung zur Solidarität der Ehepartner untereinander über die Durchsetzung von Einzelinteressen zu stellen. Das Unterhaltsrecht ist deshalb auch nach diesen Grundsätzen auszugestalten. Der vorliegende Gesetzentwurf geht im Falle der Scheidung prinzipiell aber davon aus, daß künftig jeder der geschiedenen Ehegatten für seinen Unterhalt selber aufzukommen hat. Ausnahmen von diesem Prinzip werden eigens aufgeführt. Es handelt sich aber um eine Enumerierung von Einzeltatbeständen, die Frau Kollegin Schimschok heute früh schon dargelegt hat. Hier steht eine Lösung an, die wir so nicht mittragen können. Im Gegensatz hierzu sieht die CDU/CSU folgenden Ausgangspunkt. Grundsätzlich besteht auch nach der Scheidung eine wechselseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten füreinander. Ausnahmen sind festzulegen. Vereinbarungen über Scheidungsfolgen dürfen nämlich nicht unbillig sein oder dem Wohl der von der Scheidung betroffenen Kinder widersprechen. Wir wollen mit diesem Antrag also eine positive Generalklausel manifestieren. Dazu ein praktisches Beispiel. Zwei Menschen heiraten. Jeder der beiden Ehepartner überlegt sich vorher sehr genau, was er um der Eheschließung willen eventuell aufgibt. Es wird überlegt, wie die zu erwartenden Aufgaben geteilt werden können. Derjenige Ehepartner, der sich für eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit entscheidet, kann davon ausgehen, daß im Falle einer Scheidung in der Regel kaum einschneidende Änderungen auf ihn zukommen, es sei denn die Erziehung eines oder mehrerer Kinder. Derjenige Ehepartner aber, der sich für eine häusliche Tätigkeit entscheidet und keiner dauernden außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgehen wird, muß eine gewisse Garantie haben, daß ihm diese Entscheidung nicht eines Tages zum Nachteil gereichen wird. Wenn eine solche Lösung im Ehe- und Familienrecht untergebracht würde, könnte sie auch eine positive Wirkung auf die Ehe insgesamt haben; denn für viele Frauen ist gerade die Entscheidung schwierig, eine häusliche Tätigkeit einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit generell vorzuziehen. Wenn ihr das zukünftige Scheidungsrecht nicht mehr diesen Rückhalt gibt, dann wird es möglich sein, daß sie von daher Überlegungen anstellt, die für eine zukünftige Familie zumindest nicht günstig sein werden. Der Unterschied unserer Lösungsvorschläge zu jenen der Koalition besteht eben darin, daß prinzipiell diesem Anliegen im Unterhaltsrecht Rechnung getragen wird. Wichtig für die Urteilsfindung ist es auch, einmal auf die heutige Situation der Menschen in der Bundesrepublik einzugehen und festzustellen, inwieweit die gegenseitige Abhängigkeit der Ehepartner auch im materiellen Bereich vorliegt. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, daß nur etwa 20 % der Frauen im Falle einer Scheidung von dem Ehemann so unabhängig sind, daß ihr sozialer Status durch eine Scheidung ohne Unterhaltsanspruch nicht berührt würde. Es bedarf also in der großen Zahl der Fälle einer Unterhaltsregelung. Um so fragwürdiger ist es, dieses Unterhaltsrecht nur nach aufgezählten Fällen regeln zu wollen, wie dies eben von der Koalition vorgesehen ist. In der Praxis wird sich erweisen, daß das menschliche Leben wesentlich mehr Phantasie spielen läßt, als dem Gesetzgeber - auch nicht im Traum - einfallen könnte. Von daher rührt unsere Bitte, den vorliegenden Antrag auf eine positive Generalklausel zu unterstützen, um dem Problem in diesem Sinne gerecht zu werden. Wir müssen aber auch sehen, daß im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend mehr Ehen geschieden worden sind und darüber hinaus auch der Anteil der Kinder aus geschiedenen Ehen zugenommen hat. Der Familienbericht der Bundesregierung sagt unter anderem, seit 1961 steigt die Zahl der von Ehescheidungen betroffenen Kinder stärker als die der geschiedenen Ehen selbst. In jeder dritten geschiedenen Ehe gibt es ein minderjähriges Kind, und in fast ebenso vielen Ehen gibt es sogar zwei und mehr Kinder. 1971 wurden in Deutschland 80 444 Ehen geschieden; in zwei Dritteln dieser Ehen lebten insgesamt über 90 000 minderjährige Kinder. Außerdem landen in den Heimen immer mehr Kinder und Jugendliche aus zerbrechenden, zerrütteten und geschiedenen Ehen. Wer kümmert sich um das Schicksal dieser sogenannten Scheidungswaisen? Ein weiterer genereller Gesichtspunkt ist auch zu sehen: Die Wiederverheiratungschancen der geschiedenen Männer liegen höher als die der Frauen, wobei festzustellen ist, daß 84 % der geschiedenen Männer wieder heiraten, die unter Vierzigjährigen sogar bis zu 90 %, die Fünfzigjährigen immer noch zu 50 %. Von den geschiedenen Frauen heiraten insgesamt weniger: Bei den unter Vierzigjährigen sind es noch 50 % der Frauen, bei den über Fünfzigjährigen sind es aber nur noch 20 % der Frauen. Die Sorge um die ältere Frau, die aber noch nicht 65 oder 63 Jahre alt ist, ist also berechtigt. Die CDU/CSU stellt deshalb aus ihrer Sicht bestimmte Anforderungen an das Gesetz. Die Ehe darf nicht nur um ihrer selbst willen gesehen werden, sondern auch als Institution, die geschützt werden muß. Wenn nämlich die Wahlfreiheit der Ehepartner gegeben ist, müssen nicht nur die Voraussetzungen vorhanden sein, sondern auch im Gesetz entsprechende Absicherungen gegeben werden. Wir sehen deshalb die einzige Möglichkeit darin, die fortwirkende Verantwortlichkeit der Ehepartner auch nach der Scheidung aufrechtzuerhalten, und zwar im Gegensatz zur Koalition, die in ihrem Entwurf die endgültige Trennung anstrebt. Es wird auch immer wieder betont, daß das neue Recht von einem bisher geprägten Leitbild der Hausfrau abgehen möchte, ohne ein neues Leitbild vorzuschreiben. Wir sehen aber in allen ihren praktischen Ausführungen im Gesetzestext, daß der Koalition das Leitbild der erwerbstätigen Ehepartner vorschweben muß, denn sonst müßte der Generalklausel des Zerrüttungsprinzips mit Fristenautomatik ein Paket von grundsätzlichen Absicherungen entgegengesetzt werden, und dies vermissen wir. ({0}) Eine endgültige Trennung ohne fortwirkende Verantwortung der Scheidungspartner füreinander, wie es die Koalition sieht, bringt mit sich, daß letzten Endes neue Lasten, die erst auf Grund einer Scheidung entstehen, eben dann von der gesamten Gesellschaft mitgetragen werden müssen. Wir haben uns stets für die soziale Sicherung des schwächeren Ehepartners nach der Scheidung ausgesprochen. Im Gegensatz zur Koalition wollen wir dies jedoch nicht auf das Alter beschränkt wissen. Für uns beginnt die Verpflichtung zur Sicherung des sozial schwächeren Ehepartners nicht erst, wenn dieser 65 Jahre alt ist. Was die Koalition anbetrifft, müssen wir bei ihren Vorstellungen für diesen Zeitraum ein Vakuum feststellen. Die Hausfrau und Mutter, die sich während einer 20jährigen Ehe allein ihrer Familie gewidmet hat und nicht außer Haus erwerbstätig gewesen ist, kann nicht nur von einem Tag auf den anderen aus der Ehe entlassen werden; sie wird auch, was ihre materielle und finanzielle Sicherung betrifft, auf die Straße gestellt: Mag sie doch für sich selbst sorgen! Für die Fürsorge der Koalitionsparteien wird sie erst wieder interessant, wenn sie über 65 Jahre alt ist. ({1}) Dies verträgt sich nicht mit unserem Grundverständnis von Ehe und Familie. Auch nach Auflösung der Ehe muß von dem Grundsatz der fortwirkenden Verantwortung der Eheleute füreinander ausgegangen werden. Unser Änderungsantrag zum Unterhaltsrecht geht hiervon aus. Die Regelung des Unterhaltsanspruches wird erst in der Praxis beweisen, was wir heute schon befürchten; es wird sich nämlich messen lassen, inwieweit eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über das gesamte Ehe- und Familienrecht positiv oder negativ beeinflußt werden wird. Koalition und Opposition gehen prinzipiell davon aus - dies ist jetzt so festgelegt -, daß die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird. Wenn im Falle der Scheidung dann aber gerecht verfahren werden soll, so ist, gerade was den Unterhalt betrifft, davon auszugehen, daß Mann und Frau verschiedene Beiträge im Rahmen der Ehe geleistet haben. Diesem Gedanken wird im Koalitionsentwurf nicht Rechnung getragen. Wir bitten deshalb, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Zustimmung zu geben. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Damit ist der Antrag begründet. In der Aussprache hat der Herr Abgeordnete Gnädinger das Wort.

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weder der Text des nunmehr vorliegenden Änderungsantrages der Opposition noch die Ausführungen meiner Vorrednerin und schon gar nicht die seltsamen Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Lenz heute vormittag können über die Tatsache hinwegtäuschen, daß durch die vorgesehene Änderung des Unterhaltsrechts ganz erhebliche Verbesserungen erreicht werden. ({0}) Herr Lenz, ich weiß, daß es nicht meine Aufgabe ist, im Rahmen der Debatte über diesen Antrag auf Ihre Ausführungen einzugehen. Ich möchte aber doch sagen, daß Sie hier eine kuriose Darstellung wundersamer Beispiele geboten haben. Ich nehme mir auf jeden Fall - auch im Rahmen dieser Auseinandersetzung - das Recht heraus, die Bezeichnung „volksfeindlich" noch einmal mit Nachdruck zurückzuweisen. ({1}) Nun zurück zum Thema. Es liegt mir daran, Herr Vogel, festzuhalten, daß insbesondere die Stellung der geschiedenen Frau wesentlich vorteilhafter geregelt ist als im bisherigen Recht. Auf einen kurzen Nenner gebracht, kann man sagen: Das neue Unterhaltsrecht bringt erstens mehr soziale Gerechtigkeit und zweitens mehr soziale Sicherheit. Wer bisher allein oder überwiegend am Scheitern der Ehe schuld war, hatte keinerlei Anspruch auf Unterhalt - und dies ohne jegliche Rücksicht auf seine Bedürftigkeit oder auf seine jahrelange Mitarbeit während der Ehe. Insbesondere der schuldig geschiedenen haushaltsführenden Frau wurde durch die Scheidung ihre materielle Lebensgrundlage entzogen. Das gleiche Fehlverhalten hatte beim erwerbstätigen Mann ganz andere Folgen als bei der haushaltsführenden Frau. Nach der Scheidung hatte der schuldige Mann die gleichen Erwerbseinkünfte, während der Frau ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen worden ist. Sehr geehrte Frau Kollegin Schleicher, es ist nicht richtig, was Sie gesagt haben, denn die vom Ausschuß zur Annahme empfohlene Fassung besagt nicht etwa, daß die Ehegatten nach der Scheidung so zu behandeln seien, als ob sie nie verheiratet gewesen wären. In der Ausschußfassung wird - wie auch schon im Regierungsentwurf - natürlich ausdrücklich daran festgehalten, daß die gemeinsame Verantwortung der Ehegatten füreinander auch über die Ehescheidung hinausreicht. Die gegenseitige Verpflichtung zum Unterhalt über die Scheidung hinaus kann jedoch nicht bestehen, wenn die Bedürftigkeit des Ehepartners auf Umständen beruht, die z. B. erst nach 20 Jahren, nach der Scheidung eingetreten sind und die in keinerlei Zusammenhang mit der einmal geführten Ehe stehen. Das Gesetz bringt, so meine ich, Frau Kollegin Schleicher, auch mehr soziale Sicherheit, weil wir den Unterhaltsanspruch durch klar umrissene Tatbestände regeln und dabei vom Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit ausgehen. Frau Kollegin Schimschok war zu Beginn der Sitzung am heutigen Nachmittag schon so freundlich, auf die einzelnen Punkte hinzuweisen, so daß es mir nicht notwendig erscheint, dies noch einmal im einzelnen darzustellen. ({2}) Natürlich ist es richtig, Herr Thürk, daß der Gesetzgeber, wenn er eine enumerative Aufzählung macht, nicht alle Fälle des Lebens vorhersehen kann. Andererseits haben wir ja gerade deshalb in das Gesetz hineingeschrieben, ({3}) daß auch aus sonstigen schwerwiegenden Gründen Unterhalt verlangt werden kann. Das wissen Sie sehr genau, genauso gut wie ich. ({4}) Wir meinen allerdings im Gegensatz zur Opposition, daß dabei Umstände, die zum Scheitern der Ehe geführt haben, nicht zu berücksichtigen sind. Verführe man anders, also so, wie die Opposition in ihrem Antrag vorschlägt, kämen wir, meine ich, in zwei Gefahren. Einmal bestünde die Gefahr, daß sich die Rechtsprechung weiterhin an einem vom Schuldprinzip beherrschten Unterhaltsrecht orientierte, daß der Streit um den Unterhalt doch wieder auf das Verschulden an der Zerrüttung zurückgriffe, daß man wieder in die Intimsphäre eindringen müßte. Zweitens bestünde die Gefahr, daß Fehlverhalten im menschlichen Bereich zu wirtschaftlichen Sanktionen führen würde. Aus all diesen Gründen sind wir der Auffassung, daß eine Unterhaltsgewährung aus sonstigen schwerwiegenden Gründen Umstände, die zum Scheitern der Ehe geführt haben, nicht berücksichtigen kann. Ein letztes Wort zur negativen Härteklausel - sie ist von Frau Kollegin Schleicher angesprochen worden und wird im Antrag auf Drucksache 7/4448 behandelt -, also zu jener Bestimmung, nach der aus schwerwiegenden Gründen Unterhalt versagt werden kann, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür eigentlich gegeben wären. Koalition und Opposition unterscheiden sich nicht in der Frage der Notwendigkeit einer solchen Bestimmung; das darf und soll in dieser Debatte nicht verwischt werden. Heute ist viel von mangelnder Einzelfallgerechtigkeit gesprochen worden. Gerade diese negative Härteklausel in der Ausschußfassung ermöglicht Einzelfallgerechtigkeit; die weitgefaßte Formulierung der Opposition eröffnet daneben die Möglichkeit, über die Hintertür wieder Verschuldensgesichtspunkte ins Spiel zu bringen, und das sollten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, gemeinsam nicht wollen. Aus all diesen Gründen können wir dem Änderungsantrag der Opposition auf Drucksache 7/4448 unsere Zustimmung nicht geben. Ich beantrage für die Koalitionsfraktionen die Ablehnung dieses Antrages. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Drucksache 7/4448 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe nunmehr die Änderungsanträge auf den Drucksachen 7/4454 und 4455 auf und schlage vor, daß wir bei dieser Gelegenheit auch den Änderungsantrag zum Gesetz zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften auf Drucksache 7/4459 mit aufrufen und beraten, weil er in einem inneren Sachzusammenhang zu den eben von mir aufgerufenen Vorlagen steht. Zur Begründung der Anträge hat die Abgeordnete Frau Will-Feld das Wort. Bitte!

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion legt Ihnen in der zweiten Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs Änderungsanträge vor, und zwar hierzu die Drucksachen 7/4454 und 7/4456. Der vorliegende Gesetzentwurf zum Ehe- und Familienrecht soll auch die Alterssicherung von geschiedenen Ehegatten regeln. Die Altersversorgung der Ehegatten zählte bislang nicht zur Scheidungsmasse der Ehe. Das soll sich nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ändern. Der Versorgungsausgleich ist neu und beruht auf dem Prinzip des Zugewinnausgleichs für die während der Ehe erworbenen Alterssicherungsbeträge. Die rechtliche Gestaltung des Versorgungsausgleichs hat sich als sehr schwierig erwiesen. Die praktische Durchführung wird noch schwieriger und wird sehr viel zusätzlichen Verwaltungsaufwand kosten, wenn der Versorgungsausgleich zwingend und unabdingbar Gesetz wird, d. h., wenn der Versorgungsausgleich in der Regel in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden muß. Die CDU/CSU-Fraktion meint: Versorgungsausgleich ja; aber auch Eheleute sind mündige Bürger und sollen frei entscheiden dürfen, wie sie Vermögensauseinandersetzung, Unterhalt, Hausratsteilung und auch Versorgungsausgleich auf gerechteste Weise regeln wollen. ({0}) Nur mit Hilfe der freien Entscheidung sind die Schwierigkeiten, die sich bei der Beratung in den Ausschüssen herausgestellt haben, mit möglichst wenig Aufwand zu bewältigen. Die Massekosten dürfen nicht größer sein als die zu verteilende Masse nach dem Zusammenbruch einer Ehe. ({1}) Die Alterssicherung bei der Scheidung ist eine soziale Verpflichtung. Die Gestaltungsfreiheit dieser Alterssicherung soll Selbstbestimmungsrecht der Eheleute bleiben, denn die CDU/CSU-Fraktion will kein Zwangsrecht, sondern Vertragsfreiheit. ({2}) Wir wollen festhalten: Wenn Ehegatten entscheiden, der Versorgungsausgleich soll durchgeführt werden, dann sollen sie ihn durchführen können, wenn nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist. Der Versorgungsausgleich beruht auf dem Prinzip des Zugewinnausgleichs. Er ist also der Zugewinnausgleich von Werten, die durch das Bürgerliche Gesetzbuch bisher nicht erfaßt worden sind. Das sind die Versorgungsanwartschaften. Bei der Scheidung müssen Unterhalt, Vermögen, Hausrat und jetzt auch die Alterssicherungsbeiträge geteilt werden. Bei dieser Vielfalt kommt dem Recht die Aufgabe zu, eine vernünftige Auseinandersetzung - auch über die Versorgungsanwartschaften - zu erleichtern. So viel Freiheit wie möglich, und nur so viel Zwang wie nötig! ({3}) Es ist überhaupt keine Frage, daß der Gefahr eines Mißbrauchs der Gestaltungsfreiheit zu Lasten des schwächeren Ehegatten im Gesetz vorzubeugen ist. Es ist in unserem Antrag auch Vorsorge getroffen, daß eine Manipulation zu Lasten der Träger der Rentenversicherung oder der Versorgungslast nicht in Betracht kommen kann. Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Vereinbarung mehr zugestanden bekommt, als er beanspruchen kann, soll der Familienrichter der Vereinbarung nur folgen können, wenn eine Benachteiligung der Träger der Rentenversicherung oder der Versorgungslast nicht zu befürchten ist. Das Rentensplitting wird sicher in zahlreichen Fällen die zweckmäßigste und richtigste Form der Auseinandersetzung über Versorgungsanwartschaften sein. Aber der Versorgungsausgleich zwingend vorgeschrieben, wenn keiner der Ehegatten den Versorgungsausgleich will, - ich frage: Wem ist damit gedient? ({4}) Die Güterstände beispielsweise, Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung, können nach den gesetzlichen Vorschriften vereinbart werden. In den meisten Fällen bleibt es bei der gesetzlichen Regelung der Zugewinngemeinschaft. In wenigen Fällen, wo es den beteiligten Ehegatten notwendig erscheint, wird ein anderer Güterstand vereinbart. Der Versorgungsausgleich ist die Fortführung des Vermögenswertes Versorgungsanwartschaften. Es ist daher durchaus richtig, wenn der Gesetzgeber auch beim Vermögenswert der Versorgungsanwartschaften die Möglichkeit der freien Vereinbarung einräumt. ({5}) Die CDU/CSU-Fraktion sieht die Bewältigung des Wandels unserer Gesellschaft darin, daß notwendig gewordene Änderungen in Freiheit vorgenommen werden können. Das schwierige Problem, den sozial Schwächeren zu schützen, dabei aber den wirtschaftlich Stärkeren zahlungsfähig zu erhalten, meint die CDU/CSU-Fraktion mit der Gestaltungsfreiheit des Versorgungsausgleichs lösen zu können. ({6}) Die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion haben sich in den Ausschüssen redlich bemüht, die Schwierigkeiten verringern zu helfen. Das Ergebnis ist zwar verbessert, aber noch nicht befriedigend. Die Schwierigkeiten werden schon darin sichtbar, daß der ursprünglich von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf bei den Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung durch eine zweite Fassung ersetzt werden mußte. Aber auch die zweite Fassung ist bei den weiteren Ausschußberatungen wiederum in vielen Bereichen geändert worden. Da gibt es ein neues Rechtsinstitut, den Versorgungsausgleich. Der Ausschuß hatte keinerlei Erfahrungen, die verwendet werden konnten. Schwierigkeiten besonders beim Zwangsrecht. Wo liegen diese Schwierigkeiten? - Das Problem ist einmal die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, zum anderen die Tatsache, daß ihm, dem Verpflichteten, nach Durchführung des Versorgungsausgleichs keine gleichwertige Altersversorgung verbleibt. Dies will ich an einigen Beispielen erklären. Eine private Lebensversicherung, Altersvorsorge eines Handwerkerehepaares, unterliegt bei der Scheidung dem Versorgungsausgleich. Die Hälfte der in der Ehe erworbenen Lebensversicherungsanwartschaften wird durch die Einzahlung von 16 000 DM pro 100 DM Rente in Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Geldentwertung und Inflation werden durch die Rentendynamisierung bei dem einen Ehegatten aufgefangen; der andere Ehegatte hat Geldentwertung und Inflation selber zu tragen. Auch an den Extras der gesetzlichen Rentenversicherung: Krankenversicherung und Rehabilitationsverfahren hat dieser andere Ehegatte nicht teil. Ergebnis: Die Versorgungsanwartschaften sollen in der Scheidungsmasse redlich geteilt werden. Gleichwohl kann der eine Ehepartner im Ergebnis viel mehr erhalten, als dem anderen aus der Scheidungsmasse verbleibt. Und noch ein Beispiel: Eine Lehrerin, nehmen wir einmal an, 60 Jahre alt, zahlt bei der Scheidung für ihren Tunichtgut, der sie verlassen hat und während der Ehe nicht sehr arbeitsfreudig war, Unterhalt; denn er ist ja krank, und sie muß Unterhalt zahlen. Das Sparbuch muß als Zugewinn geteilt werden. Der Versorgungsausgleich wird durchgeführt. Die steuerliche Belastung für die Lehrerin wird größer, weil die Unterhaltszahlungen nur bedingt abzugsfähig sind. Er zieht zur Freundin; von dem Sparbuch machen beide eine Weltreise; sein Unterhalt wird gezahlt, und für sein Alter ist vorgesorgt. Die Lehrerin aber ist nicht mehr in der Lage, ihre Altersversorgung aufzustocken; ihre Mittel sind erschöpft. Der Rektor einer großen deutschen Universität berichtete in den letzten Tagen, daß viele Anwälte am Sitz dieser Universität mit Hilfe des Gehalts der Ehefrauen, die vielfach Lehrerinnen seien, ihren Lebensunterhalt bestreiten würden. ({7}) Dies ist also kein seltener Fall. Daher sollte bei der Regelung der Scheidungsfolgen daran gedacht werden, daß sich in vielen Lebensbereichen wirtschaftliche Veränderungen für Mann und Frau anzeigen. Gerechtigkeit für die Frau dort, wo es erforderlich ist; es nutzt aber überhaupt nichts, wenn der !schwächere Teil - es ist in zahlreichen Fällen noch die Frau - zwar eine größere eigenständige Sicherung erhält, diese Sicherung aber durch zu große Belastungen beim verpflichteten Ehepartner - zumeist der Mann, in vielen Fällen aber auch schon die Frau - erkauft wird und der Berechtigte, weil der Verpflichtete nicht mehr zahlen kann, auch Kürzungen seines Unterhalts hinnehmen muß. ({8}) Der Sozialfall entsteht dann nicht ausschließlich dadurch, daß der Versorgungsausgleich durchgeführt wird, 'sondern weil eine Reihe von Belastungen von der Steuer über das Vermögen bis zum Unterhalt den Verpflichteten - dies braucht nicht immer der Mann zu sein - illiquide machen und eine Vereinbarung in vielen Fällen finanziell Luft verschaff en würde. Die Altersversorgung unserer Bürger hat viele Variationsmöglichkeiten. Warum denn ein Zwangsrecht? Natürlich sollen Ehegatten den Versorgungsausgleich durch Splitten der Rentenanwartschaften übertragen können. Beim Beamten beginnen aber schon die Schwierigkeiten. Der Beamte soll verrechnen dürfen, ohne zu zahlen; der Handwerker, der Landwirt und der Kaufmann müssen zahlen, um den Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt durchführen zu können. In den Ausschußberatungen wurde zwar die Möglichkeit der freien Vereinbarung in den Regierungsentwurf eingebaut, damit diejenigen, die den Versorgungsausgleich durch viele 'tausend D-Mark Nachentrichtungsbeiträge begründen müssen, das Geld hierfür aber nicht aufbringen, sich auf andere Weise mit dem Ehepartner auseinandersetzen können. Nur, meine Damen und Herren: Mit Hilfe der Statistiker wird Stimmung für Zwangsrechte gemacht. ({9}) Eine mühelos erworbene Rentenanwartschaft wird als sozialer und moralisch wünschenswerter dargestellt als Versorgungsanwartschaften, die in Werten angelegt sind, die volkswirtschaftlich genauso wichtig sind. ({10}) Die Wertbegriffe werden auch im Versorgungsausgleich auf den Kopf gestellt. Wir sind alle leichtgläubig genug, dies als richtig anzusehen. Das ist nicht nur ein Problem der Scheidung, sondern ein wichtiges politisches Problem. Dem Bürger wird glauben gemacht, daß die Wohlfahrt der Versorgung nur nach einer einzigen Wertskala bemessen werden kann. ({11}) Muß denn ein 'aufwendiges System von Regulierungen geschaffen werden, dessen Ziel nicht nur die Gerechtigkeit bei dem Zusammenbruch der Ehe ist, sondern die Kollektivierung der Ehe? Ich möchte zu dem Beispiel der 60jährigen Lehrerin zurückkommen, um die Sinnlosigkeit des über- höhten Verwaltungsaufwands darzustellen. Der Richter entscheidet durch Richterspruch, sie - die Lehrerin - habe den Versorgungsausgleich durch Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durchzuführen. Jetzt wird der gesamte bürokratische Apparat erst einmal in Bewegung gesetzt. ({12}) Der öffentliche Dienstherr fängt an zu rechnen: von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit über die Zeit bis zur Altersgrenze; er ermittelt einen maßgebenden Wert, der sich wiederum aus einem Verhältniswert und einer Gesamtzeit zusammensetzt. ({13}) Aber auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung beginnt die Arbeit: Konten einrichten, Konten klären, Gutachten erstatten, Einwände der beteiligten Ehepartner berücksichtigen. Denn derjenige Ehepartner, der etwas zu bekommen hat, kriegt natürlich nicht genug. Derjenige Ehepartner, der etwas abzugeben hat, wird bemüht sein, zu beweisen, daß er nicht so viel abzugeben braucht, wie gefordert wird. ({14}) Ab 1976 muß, so stellt die Bundesversicherungsanstalt fest, mit 100 000 Scheidungen jährlich gerechnet werden. 100 000 Scheidungen bedeuten 150 000 Klageverfahren. An jedem dieser Verfahren sind zwei Ehepartner beteiligt. Das wiederum bedeutet 300 000 Auskunftsersuchen jährlich. ({15}) Die Beantwortung eines jeden Auskunftsersuchens erfordert die fiktive Berechnung des Altersruhegeldes für den jeweiligen Versicherten. Diese Berechnungen können nur durchgeführt werden, wenn das Versichertenkonto gespeichert ist und dann abgeklärt wird, damit die Daten, die benötigt werden - Ehedauer, Zeitpunkt des Versicherungsfalles -, auch festgelegt und dann den Ehepartnern - jedem einzeln - mitgeteilt werden können. ({16}) Allein bei den gesetzlichen Rentenversicherungen wird mit einer Personalvermehrung von 100 000 Mitarbeitern gerechnet. Dieser Verwaltungsaufwand, meine Damen und Herren, kann reduziert werden, wenn die Vertragsfreiheit eingeführt wird. ({17}) Nun ein Wort zu meiner Kollegin Frau Dr. Lepsius. Frau Dr. Lepsius, es wird nicht bestritten, daß der Versorgungsausgleich für einen Teil der Frauen Vorteile bringt. Nur meinen wir, daß der Vergleich mit der Geschiedenen-Witwenrente nach geltendem Recht ein verzerrtes Bild vermittelt. Denn: Mit Statistiken läßt sich alles, aber auch nichts beweisen. Und so begrüßenswert das Institut der Erziehungsrente ist - ich sage es ausdrücklich: ich begrüße es -, so werden Sie zugeben müssen, daß auch die Erziehungsrente nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt wird und in zahlreichen Fällen nur die „kleine Erziehungsrente" gewährt werden kann, wobei eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, daß bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Solange eine geschiedene Frau Unterhalt erhält, muß sie arbeiten, wenn der Unterhalt mangels Masse aus der Ehe nicht ausreicht. Dann verstirbt der geschiedene Mann und die Frau will und kann die Erwerbstätigkeit, die sie sich unter schweren persönlichen Opfern aufgebaut hat, nicht aufgeben. Dann, wenn die Einkommensgrenzen überschritten sind, erhält sie keine Erziehungsrente. Ich meine, wir sollten den Mut haben, wenn wir uns hier über das schwierige Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs unterhalten, nicht nur die halbe, sondern die ganze Wahrheit darzustellen. ({18}) Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag zur Geschiedenen-Witwenrente vorgelegt. Nach den vorliegenden Ausschußbeschlüssen soll es die sogenannte Geschiedenen-Witwenrente bei Scheidungen nicht mehr geben. Die hierfür gegebene Begründung lautet, daß in allen Scheidungsfällen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ein Ausgleich der Rentenanwartschaften stattfinden soll und deshalb - so die Begründung - die Beibehaltung der Geschiedenen-Witwenrente überflüssig geworden sei. Und nun führe ich einige Beispiele an, die wir auch bereits in den Beratungen der Ausschüsse gebracht haben. Beispiel eins: Eine geschiedene Frau, der verpflichtete Ehemann verstirbt, der Versorgungsausgleich konnte nicht durchgeführt werden, es hat nur einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben. Beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erhält die geschiedene Frau einen Teil der Rente des verpflichteten Mannes. Aber dieser kann nur zahlen, solange er lebt. Die Frau steht nach seinem Tode also mittellos dar. Beispiel 2. Der verpflichtete Ehegatte verstirbt plötzlich. Der Versorgungsausgleich war bei der Scheidung durchgeführt. Die Frau hat Kinder zu erziehen, aber sie erfüllt nicht die vorgeschriebenen Wartezeiten der Erziehungsrente. Die Frau steht nach dem Tode des Verpflichteten also mittellos dar. Beispiel 3. Die Ehefrau wird im Alter von 55 Jahren geschieden. Sie hat keine Erwerbstätigkeit ausgeübt und findet nach der Scheidung keine Arbeit. Der geschiedene Mann verstirbt. In Ihrer Person ist der Versorgungsfall noch nicht eingetreten. Die Frau steht also mittellos dar. ({19}) Diese Lücken sollen durch den Antrag der CDU/ CSU-Fraktion geschlossen werden. Auf diese Lücken - das soll an dieser Stelle gesagt werden - wurde in den Ausschußberatungen hingewiesen. Daher schlägt die CDU/CSU-Fraktion vor, daß es auch künftig für einen genau umgrenzten Bereich eine Geschiedenen-Witwenrente geben soll, die diese Lücken ausfüllt. ({20}) Diese Geschiedenen-Witwenrente soll den Unterhalt ersetzen, der durch den Tod des verpflichteten Ehegatten wegfällt, wenn die Frau noch keine eigene Rente hat. Voraussetzung ist aber, daß in die Ehezeit Versicherungszeiten oder Rentenbezugszeiten des Ehemannes fallen. Im Klartext, meine Damen und Herren, heißt das: die Rente muß durch die gemeinsame Lebensleistung der geschiedenen Ehegatten erworben worden sein. Diese Geschiedenen-Witwenrente soll auch immer dann gezahlt werden, wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist und in besonders schwierigen Lebenssituationen Unterhaltsanspruch bestanden hat. Nach den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion soll die Frau in all diesen Fällen nicht mittellos dastehen. ({21}) Die Höhe der Geschiedenen-Witwenrente richtet sich nach der Dauer der Versicherungszeiten und Rentenbezugszeiten, die in die Ehe fallen. Wegen der strengen Voraussetzungen, die unser Antrag vorsieht, wird die Zahl der Fälle beschränkt sein. Soweit eine Witwe aus einer nachfolgenden Ehe da ist, wird nicht zusätzlich gezahlt, sondern die Hinterbliebenenrente wird aufgeteilt. Ob der Versorgungsausgleich im Ergebnis billiger oder teuerer wird, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Daß das Zwangsrecht Versorgungsausgleich manipulierbar ist, soll an dieser Stelle festgehalten werden. Überschreiten aber nun die Manipulationen ein gewisses Maß, so kann die vielbeschworene Kostenneutralität gefährdet sein. ({22}) Beispiel: Es wird geheiratet. Man wird geschieden. Versorgungsausgleich wird durchgeführt. Dann heiratet man wieder. Auf diese Weise können in einigen Fällen Gesamtansprüche an Rentenanwartschaften gegenüber den anderen Versicherten der Solidargemeinschaft aufgebessert werden. Oder ein zweiter Fall: Es wird geschieden, der Versorgungsausgleich wird durchgeführt, eine zweite Ehe, der nachgeheiratete Mann verstirbt, die Frau mit Versorgungsausgleich aber erhält die volle Witwenrente. ({23}) ({24}) Dritter Fall. Ehemann verstirbt, Frau erhält Witwenrente, heiratet wieder, läßt sich abfinden. Die zweite Ehe wird aufgelöst. Der Anspruch an Witwenrente lebt wieder auf. ({25}) Es bestehen zwei Ansprüche nebeneinander. Dies könnte, Herr Kollege Schäfer, die vielbeschworene Kostenneutralität gefährden. ({26})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe!

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Durch die freie Vereinbarung soll die Möglichkeit geschaffen werden, Vermögensauseinandersetzung, Hausratsteilung, Unterhalts- und Alterssicherung im Interesse eines gerechteren Ausgleichs miteinander zu verbinden. So sollen Eheleute nach unseren Vorstellungen auch Vermögenswerte gegen den Versorgungsausgleich austauschen können. Ein Handwerker, der die Altersversorgung in Wertpapieren, einer Lebensversicherung oder einer kleinen Sozialversicherungsrente angelegt hat, wird geschieden. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs würde zu Rentenansprüchen führen, die nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften untergehen würden. Die Lebensversicherung wird zur Berechnung des Versorgungsausgleichs nur mit einem sehr verminderten Wert angesetzt. In diesem Fall könnte der Nachteil, der durch den zwingend vorgeschriebenen Versorgungsausgleich entsteht, nämlich totaler Untergang von Rentenansprüchen und Verlusten, bei der Begründung von Rentenanwartschaften durch Nachentrichtungsbeträge aus der Lebensversicherung mit dem Vermögenswert Wertpapiere beispielsweise wettgemacht werden. Es ist richtig, daß der Gesetzentwurf auch Vereinbarungsmöglichkeiten in beschränktem Umfang vorsieht. An dieser Stelle soll einmal gesagt werden, daß die lupenreine Durchführung des Versorgungsausgleichs überhaupt nicht praktikabel ist. Aus diesem Grunde sind auch die Möglichkeiten von Vereinbarungen in dem Gesetzentwurf vorgesehen. Nur, warum so kompliziert und belastend für den Richter, der die Genehmigung nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilen darf und, was entscheidend ist und was die Mehrarbeit ausmachen wird, von Amts wegen zu prüfen hat? Ich frage: Wie soll der Richter in der gesetzlichen Wirklichkeit diese Arbeit bewältigen? Die CDU/CSU-Fraktion sieht in ihren Anträgen auch den Schutz des sozial schwächeren Ehepartners vor. Sie hat eine Reihe von Sicherheitsriegeln eingebaut. Da ist die Schutzvorschrift, daß bei einer Vereinbarung über den Ausschluß des Versorgungsausgleichs diese Vereinbarung unwirksam wird, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluß ein Antrag auf Ehescheidung gestellt wird. Da ist der weitere Sicherheitsriegel: Die Vereinbarung bedarf der Genehmigung durch den Familienrichter. Die Genehmigung soll nur verweigert werden, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zur Sicherung der Berechtigten für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt. Damit, meine Damen und Herren, schützt der Richter den schwächeren Ehepartner, und der eine Ehepartner kann den anderen Ehepartner nicht übervorteilen. Die Freiheit der Ehegatten zur Ordnung ihrer wirtschaftlichen Angelegenheiten führt daher nicht zur Benachteiligung des sozial schwächeren Ehepartners. Wir brauchen daher kein Zwangsrecht. Wir können Vertragsfreiheit haben. Ich bitte daher, unseren Anträgen zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden hier vorliegenden Anträgen, auf der einen Seite den Versorgungsausgleich abdingbar zu machen, d. h. in die freie Disposition der Berechtigten und des Verpflichteten zu stellen, und andererseits eine schuldrechtliche Regelung, über eine abgeleitete Geschiedenen-Witwenrente wieder einzuführen. Dieser systematische Zusammenhang ist nicht zu übersehen, wobei ich allerdings auf die ursprüngliche Konzeption des Regierungsentwurfs zurückgreifen muß, den wir ja gerade dadurch verbessert haben, daß wir eine durchgehend öffentlich-rechtliche Regelung für den Versorgungsausgleich und damit für einen eigenständigen Rentenanspruch der Frau geschaffen haben. ({0}) Dies ist der zentrale Gesichtspunkt, weil nur bei Wegfall der Geschiedenen-Witwenrente das Erziehungsgeld als ein neuer Tatbestand eingeführt und auch die Versicherungsleistungen gegeben sind. Aber lassen Sie mich jetzt auf die sehr entscheidende Frage der Dispositionsfreiheit noch zu sprechen kommen. Würden wir den Versorgungsausgleich der freien Parteivereinbarung überlassen, so bestünde in der Tat die Gefahr, daß der sozial Schwächere nicht das im Falle der Scheidung erhalten würde, was ihm nach dem öffentlich-rechtlich durchgeführten Versorgungsausgleich an Anwartschaften zusteht. ({1}) In dem Moment, wo ich das der Vereinbarung überlasse, werden doch die Eheleute im Falle einer Scheidung von völlig sachfremden Erwägungen geleitet. Sie können mir doch nicht weismachen, daß hier plötzlich eine Entscheidung nicht - ({2}) - Ich haben den Antrag sehr genau gelesen. ({3}) Sie haben ihn wohl deswegen hier erst um 12 Uhr vorgelegt, damit wir ihn nicht lesen können. Wir können aber noch lesen, Herr Vogel. ({4}) Nun will ich noch besonders darauf hinweisen, daß Ehepartner über ihre Altersversorgung erst nachdenken, wenn sie ein Alter zwischen 40 und 45 Jahren erreicht haben. Dies deutet schon darauf hin, daß auch bei dem künftigen Scheidungsrecht die Vereinbarungsmöglichkeit mißbräuchlich unterlaufen würde, wenn der Versorgungsausgleich etwa im Lebensalter von 30, 35 Jahren - also in dem Alter mit der häufigsten Scheidungsquote - durchgeführt würde. Es würde genau wieder der Zustand eintreten, daß Frauen bereit wären, nach dem Motto zu verfahren: „Ich nehme auf jeden Fall die Kinder", und der Mann behält seine eigenen Sachen. ({5}) - Dies ist nicht ausgeschlossen, sondern das berührt das Grundprinzip: Mache ich den Versorgungsausgleich abdingbar oder nicht? Des weiteren muß ich auf den § 1587 o hier hinweisen, ({6}) daß Vereinbarungen in Einzelfällen nach § 1587 b Abs. 3 a möglich sind, nämlich dann abweichende Regelungen über den Versorgungsausgleich durchzuführen, wenn der Versorgungsausgleich zu unwirtschaftlichen Ergebnissen führen würde.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Dr. Lepsius, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel ({0})?

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne! Ich mußte nur diesen Gedankengang zu Ende führen.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Verständnis dafür. Mir geht es nur darum: Sie haben vorhin ausgeführt, daß es nach dem von uns vorgelegten Antrag möglich sei, daß z. B. die Kinder in einer solchen Vereinbarung zu einem Tauschobjekt gemacht werden könnten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, aus welcher Stelle unseres Antrages, den wir vorgelegt haben, das hervorgeht.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe beispielhaft darauf hingewiesen, daß die Situation heute so ist und daß künftig über Rentenanwartschaften und Ansprüche, über die verhandelt werden kann und die auch zu Tauschgeschäften gemacht werden können, sachfremde Dinge in den Verfahrensverbund Eingang finden. Hier liegt die große Gefahr. Die sollten wir doch nicht übersehen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel?

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß eben das durch die Formulierung unseres Antrages voll und ganz ausgeschlossen ist?

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das kann ich eben nicht ganz ausschließen. ({0}) Mir geht es ja darum, deutlich zu machen, daß wir die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht unabdingbar der Dispositionsbefugnis der Ehepartner überlassen können. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf aufmerksam machen, daß in dem Hearing, das wir im Juni dieses Jahres durchgeführt haben, alle Professoren und auch die Vertreterin des Deutschen Frauenrats nachdrücklich und eindringlich davor gewarnt haben, den Versorgungsausgleich der Disposition der Ehepartner zu überlassen. Und warum? Weil das dazu führen würde, daß der sozial Schwächere benachteiligt wird. Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß der Änderungsantrag der CDU/CSU auf der Drucksache 7/4454 weder dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitschutzes des Schwächeren noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch dem Sozialstaatsprinzip gerecht wird. ({1}) Ich muß aber jetzt noch einmal auf die Einführung einer neuen Geschiedenen-Witwenrente zurückkommen, an die ja im Hinblick auf einzelne Fälle gedacht worden ist. Inhaltlich handelt es sich ja bei Art. 12 § 1 Ihres Änderungsantrages auf Drucksache 7/4455 eigentlich um Schaumschlägerei; denn es wird zunächst der Eindruck erweckt, als ob Geschiedenen-Witwenrente unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird, während nach Abs. 3 des § 1 die Geschiedenen-Witwenrente wieder zurückgenommen wird, da sie nämlich daran geknüpft ist, daß die frühere Ehefrau nicht eine Rente aus eigener Versicherung erhält. Das bedeutet also, daß man zu Beginn der Vorschrift etwas verspricht, was man am Ende wieder wegnimmt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Lepsius, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Will-Feld?

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich möchte meinen Gedankengang zu Ende führen. Wenn ich mir nun den Fall vor Augen halte, den ich heute früh geschildert habe - eine 55jährige geschiedene Frau, deren Mann verstirbt, ihr damit keinen Unterhalt mehr leisten kann -, dann muß ich feststellen, daß Sie ein Bedürfnis für die Wiedereinführung einer Geschiedenen-Witwenrente gesehen und eine entsprechende Vorschrift gesucht haben. Hierzu ist nun freilich anzumerken, daß wir die Geschiedenen-Witwenrente nicht auf Grund der geringen Zahl dieser Fälle wieder einführen können. Das hängt ja systematisch auch mit den neuen Regelungstatbeständen der Erziehungsrente zusammen. Dieser systematische Zusammenhang wird in Ihrem Antrag eben übersehen. Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß in der Partnerrente in der Konzeption, wie sie von der CDU - nicht von der CSU - vorgelegt wurde, genau dieser Fall versicherungsrechtlich so gesehen wurde, daß die Frau in diesem Alter auf Erwerbstätigkeit verwiesen worden ist. ({0}) - Oh ja! ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Lepsius, lassen Sie jetzt die Zwischenfrage zu, oder lassen Sie sie überhaupt nicht zu? Sie können es machen, wie Sie wollen.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, könnten Sie mir zustimmen, daß wir nicht etwas gesucht haben, sondern bemüht waren, eine durchgängige Sicherung für den sozial schwächeren Ehepartner zu finden? Weiter: Frau Kollegin, der Herr Bundesjustizminister hat heute morgen hinsichtlich des Rechts der Ehescheidung gesagt, der Staat möge die freie Entscheidung der Ehepartner respektieren. Warum, Frau Kollegin, gilt solches für das Recht der Scheidungsgründe und nicht für das Recht des Versorgungsausgleichs? ({0})

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was soll diese Frage? Weil es sich hier um Altersversorgung handelt, weil es sich hier um öffentlich-rechtliche und nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt. Ich komme damit zu dem Schluß, daß diese Regelungen verfassungsrechtlich auch deswegen bedenklich sind, weil sie für die mögliche zweite Ehe Konsequenzen bei der Berechnung des Altersruhegeldes hätten. Ich halte es insofern für möglich, daß unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 GG die zweite, sogenannte echte Witwe durch die Überversorgung der ersten, geschiedenen Frau verfassungsrechtlich nicht mehr geschützt, d. h. in einer Weise benachteiligt wird, daß es sicher nicht mehr in Einklang mit Art. 6 zu bringen ist. Die Regelungen sind auch sozialpolitisch nicht sinnvoll, weil sie dem Grunde nach der eigenständigen Sicherung der Frau in der Systematik zuwiderlaufen. Ich beantrage daher namens der Fraktionen der SPD und der FDP, beide Anträge abzulehnen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Erhard ({0}).

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Lepsius meinte, in unserem Antrag werde die Tatsache, daß eine Frau Kinder hat, zum Tauschobjekt gegen den Versorgungsausgleich. Warum eigentlich der Versorgungsausgleich, den man in 20 Jahren erreichen wird, mit einem relativ kleinen, mittleren oder wie auch immer gearteten Betrag als Zuschlag zur sonst vorhandenen Rente wichtiger sein sollte als das, was die Frau nach der Scheidung zunächst braucht, nämlich den Unterhalt, das werden Sie uns erst noch klarzumachen haben. ({0}) Und aus welchem Grunde denn nun der Vermögensausgleich aus der Zugewinngemeinschaft, bei dem es sehr schnell um sechsstellige Zahlen geht, weniger wichtig sein soll als das kleine Stück im Versorgungsausgleich im Hinblick auf ein Tauschobjekt Kind, das versteht niemand. Vor allen Dingen kann das niemand verstehen, der sich schon häufig mit Ehescheidungen zu beschäftigen gehabt hat. Nein, hier wird ein kollektives Prinzip obenan-gestellt: Zwangsrecht! Nur öffentliches Recht! Alles unter die große Käseglocke, als wären alle Menschen gleich! Das wird so durchgezogen, egal, was los ist. Ich sage Ihnen eines: Dieses Zwangsrecht wird im Verfahren über die Ehescheidung zu mehr Streit, zu mehr Unbilligkeit, zu mehr Mißhelligkeiten und Giftigkeiten führen als das, was wir bisher in den Ehescheidungsvergleichen relativ gut haben lösen können. ({1}) Wir haben außerdem in unserem Antrag, Frau Kollegin Dr. Lepsius, deutlich den Versuch unternommen, die Möglichkeiten, zu Lasten der Versicherungsträger solche Absprachen zu treffen, abzuschneiden. Das ist als unzulässig festgestellt. Damit das aber auch festgestellt werden kann, muß das dem Richter vorgelegt und von ihm genehmigt werden; andernfalls muß er die Genehmigung versagen. Das ist die eine Seite. Der zweite Teil: Die Vereinbarung zu Lasten der Frau oder ihrer Sicherung ist ausgeschlossen, denn wir haben in Absatz 3 ausdrücklich stehen, daß der Richter die Vereinbarung nur genehmigen darf, wenn damit ein billiger Ausgleich zwischen den Parteien erreicht wird und wenn nicht zu Lasten der Erwerbsunfähigkeit oder des Alters eine offensichtlich unbillige Lösung eintreten würde. Hier ist also eine Sicherheitsbremse durch das Gericht vorgesehen; die Genehmigung muß vorhanden sein. Da gibt es aber etwas ganz anderes. Sie lassen durch Herrn Wehner, durch den Bundesjustizminister verkünden, daß Sie für die Eheleute die Gestaltungsfreiheit haben wollen. Die Gestaltungsfreiheit der Eheleute in der Ehe: ja; die Gestaltungsfreiheit bei der Scheidung bei fünf von sechs Gebieten: ja, bei einem Gebiet: nein. Hier wird alles zugezurrt, der Versorgungsausgleich wird zum Zwangsrecht gemacht. Die Ehescheidung wird auch nicht mehr in einem Verbund durchgeführt, was Sie irrtümlich Erhard ({2}) in Ihrem Heftchen geschrieben haben, sehr verehrter Herr Kollege Wehner, d. h., es hat Ihnen ein anderer aufgeschrieben. ({3}) - Dann will ich es erläutern. - Herr Kollege Wehner, diese These dieses Verbundes, dieses sogenannten Konkursverfahrens der Ehe ist in Wirklichkeit ein Scheinverfahren, denn wenn in der vereinbarten Scheidung mit dem Scheidungsantrag sämtliche Folgen mitgeregelt werden müssen - es müssen also die Vereinbarungen über alle Scheidungsfolgen dem Richter vorgelegt werden -, dann können die Parteien das auf der Grundlage dieses Gesetzes überhaupt nicht. Denn woher sollen die Parteien wissen, von welcher Höhe beim Versorgungsausgleich auszugehen ist? Sie haben nämlich kein Recht auf Auskunft gegenüber denjenigen, die es allein feststellen können: gegenüber den Rentenversicherungsträgern oder wer auch immer sonst da sein mag, Versicherungsanstalten, Versicherungsgesellschaften oder wie auch immer. Die Auskunftspflicht entsteht erst mit der Einreichung der Klage und ist nur dem Gericht gegenüber abzugeben. So ist das Verfahren geregelt. Nun gibt es ein weiteres, was diesen Konkurs, was diese Auflösung der Gemeinschaft überhaupt dubios macht, wenn man nämlich die streitige Scheidung durchführt, sich also nicht einig ist. Genau da liegen die Probleme. Es soll sich doch keiner einbilden, wir könnten mit dem schönsten Recht die vereinbarte Scheidung irgendwie verändern. Die wird es genauso wie heute geben. Was ist denn bei der streitigen Scheidung, wo einer aus der Ehe heraus will, der andere nicht aus der Ehe heraus will? Da braucht kein Antrag auf Unterhaltszahlung gestellt zu werden, ja, da kann überhaupt nicht mit Aussicht auf Zuspruch durch das Gericht ein Antrag auf Unterhaltszahlung gestellt werden, wenn der Betreffende, der heraus will, den Unterhalt freiwillig zahlt. Wir haben hier nämlich ein Verfahren nach der Zivilprozeßordnung, wonach ein Richter nur tätig wird, wenn ihm ein entsprechender Antrag vorgelegt wird. Das ist bei dreien dieser Beziehungen möglich; das geht auch wegen der Kinder so. Dann wird man also künftig die bisher friedliche, die vereinbarte Scheidung, also die Scheidung, die bisher glattging, mit Rücksicht auf einige der Zwangselemente zur streitigen Scheidung umfunktionieren, weil man auf diese Weise Kosten spart, dem Gericht viele Regelungen nicht vorzulegen braucht und viel schneller zur Scheidung kommt. Das heißt, wir bekommen die Unehrlichkeit des Verfahrens von der anderen Seite her ganz massiv in die Gerichtssäle. Wer das nicht sehen will, sollte ruhig einmal ein paar Anwälte fragen, wie sie es künftig handhaben werden. Sie können es Ihnen sagen. ({4}) Ein Weiteres. Als der Bundestag in den Bereichen des Vermögenserwerbs während der Ehe mit gutem Grund die Zugewinngemeinschaft als den gesetzlichen Güterstand eingeführt hat, hat er ein Übergangsrecht geschaffen und in diesem Übergangsrecht jedem Ehegatten - unabhängig vom anderen - das Recht eingeräumt, die Zugewinngemeinschaft auszuschließen und Gütertrennung zu vereinbaren. Dies war in der Übergangszeit durch einseitige Erklärungen möglich. Hier haben wir es mit einer neuen Regelung zu tun, die auch Vermögenswerte umfaßt. Hier gibt es aber keine Übergangsregelung, sondern hier soll nach Ihren Vorstellungen die Käseglocke sozusagen wie ein Fallbeil am 1. Januar 1977 herabgelassen werden. Selbst in den Scheidungsverfahren, die schon anhängig sind, soll dann nach dem neuen Recht entschieden werden. Niemand soll hier ausweichen können. Wir haben beantragt, daß es den Ehegatten zu Beginn oder während ihrer Ehe doch wenigstens möglich sein müßte, für sie durch einen Ehevertrag unter sich, der notariell abzuschließen und im Eherechtsregister einzutragen ist, die Zugewinngemeinschaft auszuschließen - das ist geltendes Recht - oder auch - allerdings nur ausdrücklich - auf einen Versorgungsausgleich zu verzichten. Sie sagen: Nein, das kann es nicht geben. Wenn es um Versorgungsrechte geht, wissen die Eheleute nicht, was ihr Recht ist. Dann kann niemand sagen: Für uns soll das nicht gelten. Dann werden die Eheleute entmündigt, egal, wie alt sie sind. ({5}) Dann weiß das dieser Gesetzgeber sozialliberalen Namens, der in Wirklichkeit kollektive Vorstellungen hat, und er sagt.: Ihr dürft nichts dieser Art vereinbaren! ({6}) Meine Damen und Herren, wo leben wir denn? ({7}) Wie groß ist denn eigentlich Ihr Respekt, Ihre Achtung vor der Eigenverantwortung derer, die heiraten oder die verheiratet sind? ({8}) Für wieviel klüger halten Sie sich denn als die Leute, die sagen: Wir wollen in einem Ehevertrag die und die Regel für unsere Ehe festlegen? Nein, es soll nur eine Regelung getroffen werden, wer kocht und wer nicht kocht. Mir scheint, das ist weitgehend verkürzt. ({9}) Ich will Ihnen ein Beispiel für das sagen, was Sie verbieten wollen. ({10}) Eine Frau, Beamtin des höheren Dienstes und noch nicht alt - sagen wir, sie sei Oberregierungsrätin oder in einem vergleichbaren Dienst -, will heiraErhard ({11}) ten. Wir können uns sogar vorstellen, es wäre eine Bundesrichterin. ({12}) Sie hat großen Gefallen an einem Mann gefunden, der Registraturbeamter ist. ({13}) - Dagegen ist gar nichts einzuwenden, meine Damen und Herren. Aber diese Frau ist sich, weil sie hinreichend Lebenserfahrung hat, nicht sicher, ob ihr der geliebte Mann nach ein paar Jahren nicht doch davonläuft. Nach dem neuen Recht ist sie ja sowieso nicht mehr geschützt; er kann ja einfach gehen. Sie möchte ihn nur dann heiraten, wenn sie wenigstens ihre eigene Pension absichern kann. ({14}) Sie möchte also mit Ehevertrag festlegen: Für uns gibt es keinen Versorgungsausgleich. - Dann sagen Sie: Das kommt nicht in Frage. Du darfst zwar den Zugewinn, der gemeinsam erarbeitet wird, ausschließen, aber nicht den Anteil an der künftigen Versorgung. - Das ist ein frauenfeindliches Recht, denn es trifft gerade die etwas älteren und berufstätigen Frauen, wenn sie heiraten wollen. ({15}) Ein zweiter Komplex. Wenn man schon keine Vereinbarungen per Ehevertrag mehr zulassen will, müßte man, wie Frau Will-Feld hier überzeugend dargestellt hat, wenigstens im Fall der Scheidung von den Eheleuten unter Aufsicht des Gerichts gemeinsam getroffene Vereinbarungen zur Lösung der Probleme zulassen. Auch das wollen Sie nicht. ({16}) Ich will Ihnen ein Beispiel geben; mir kommt hier meine Erfahrung aus der eigenen Praxis aus den letzten Monaten zustatten. Da gibt es eine Frau, die 20 Jahre verheiratet ist; sie ist 42, er ist 52, sie haben drei Kinder. Sie hat - und das kann ihr ja niemand übelnehmen - nach 20jähriger Ehe einen anderen Mann kennengelernt, von dem sie nunmehr das Glück der Ehe erfährt, das sie vorher nicht so gehabt hat - so etwas gibt es -, und sie verläßt ihren Mann. Sie tut ihm nichts Böses; sie verläßt ihn. ({17}) Nun will sie geschieden werden. Das ist ein Fall, aus dem Leben gegriffen. ({18}) Nun geht es folgendermaßen weiter, und wir wollen einmal versuchen, uns ganz ernst damit zu beschäftigen. Diese Frau weiß, daß sie eigentlich ihren Mann nicht zu Recht verläßt. ({19}) Sie weiß, daß sie ihn mit den Kindern - die sind 17, 18 und 19 Jahre - eigentlich nicht zu Recht verläßt, sondern sitzenläßt. ({20}) - Nach dem neuen Recht gibt es doch gar keine Schuld. Stellen Sie sich doch auf den Boden dieses Rechts, dem Sie zustimmen wollen! - Die Frau sagt nun sich und ihrem Mann: Ich will nicht mehr zurück, ich will den anderen heiraten, und ich muß deshalb geschieden werden. ({21}) Ich will meine Aussteuer nicht haben, ich will die Kinder nicht haben, ich will keinen Zugewinn haben, ich will nur von dir frei werden. Und ich will dir, da du ja schon über 50 bist, natürlich nicht auch noch deine Pension aufspalten; ich möchte nur geschieden werden, und wir sollten, soweit das in der Situation geht, friedlich auseinandergehen, sollten fair auseinandergehen. Dann sagen Sie: Das gibt es nicht! Du darfst auf den Zugewinn verzichten, du darfst auf den Unterhalt verzichten, du darfst auf die Wohnung verzichten, du darfst auf alles verzichten. Aber die Rente deines Mannes aus 20jähriger Ehe, die mußt du ihm abnehmen. Und dann sagen Sie, das sei Recht, und das erleichtere die Scheidung, und das sei mit weniger Bitterheit versehen? Der Herr Justizminister wird mir noch zu erklären haben, was wohl dieser Mann dann an Bitternis empfindet, wenn er die Hälfte der Kosten für die Scheidung aufbringen und die Hälfte seiner Rente an die Frau, die sie gar nicht haben will, abgeben muß. ({22}) Ich habe eben schon von der völligen Täuschung, von der Desinformation gesprochen, die Sie mit der Behauptung vornehmen, es würde künftig alles in einem Verbund gelöst werden. Das wird so nur bei der vereinbarten Scheidung, wenn man alles weiß, durchgeführt werden. Aber in den meisten Fällen wird man den Versorgungsausgleich nicht kennen; der wird abgetrennt und irgendwann später entschieden, und auf diese Weise ist der Verbund gerade aufgelöst. Bei der streitigen Scheidung ist überhaupt nichts mehr vom Verbund gewährleistet, und das ist ein sehr bedauerlicher Vorgang. Ich hatte mir überlegt, ob man nicht den Richter binden könnte, daß er nicht entscheiden dürfte, wenn das alles nicht gleichzeitig vorgelegt sei. Das geht aber mit Rücksicht auf die Zivilprozeßordnung nicht, die man dann grundlegend und durchgängig ändern müßte, wozu wir uns in der Kürze der Zeit nicht in der Lage gesehen haben. Das ist der ganze Grund, warum das hier nicht vorliegt. Sie sagen, mit diesem neuen Recht und diesem Versorgungsausgleich wird nicht mehr in den Verhältnissen der Eheleute herumgewühlt, wird keine schmutzige Wäsche mehr gewaschen usw. Sie haben, weil Sie selbst bemerkt haben, daß es Fälle gibt, in denen der Versorgungsausgleich kraß gegen die Gerechtigkeit verstoßen würde, Ausnahmen in der Form von negativen Billigkeitsregeln vorgesehen. Im Gesetzentwurf heißt es jetzt in § 1587 c - ich vereinfache -: Der Versorgungsausgleich findet nicht statt, wenn in der Ehe so viel Vermögen erworben wurde, daß es grob unbillig wäre, wenn er stattfände. Unser Vorschlag beruht auf der Überlegung, daß es doch nicht nur darauf ankommt, ob in der Ehe erworben wurde, sondern auch darauf, daß man z. B. in Zusammenhang mit der Scheidung einen ent14496 Erhard ({23}) sprechenden Vermögensgewinn macht und dadurch auf den Versorgungsausgleich verzichten könnte. Das haben Sie abgelehnt, weil das möglicherweise wieder ein Tauschobjekt für den Versorgungsausgleich werden könnte. Sie starren auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich wie das Kaninchen auf die Schlange. ({24}) Zu billigem Recht, zu billigen Lösungen versperren Sie die Tür. ({25}) - Ich weiß, daß das keine einheitliche Meinung in der SPD-Fraktion ist. Diejenigen, die anderer Meinung sind, die mir hier praktisch zustimmen, müssen es sich halt anhören und müssen es auch ertragen. Sie müssen eben für die Mehrheit die Prügel mit einstecken, weil sie nicht bereit sind, dem Sachverstand zu folgen, sondern sich der Fraktionsdisziplin unterordnen. ({26}) Dann heißt es unter Nr. 2 - jetzt wird es im Hinblick auf das, was Sie hier immer wieder behaupten, interessant -: soweit der Berechtigte in Erwartung der Scheidung oder nach der Scheidung durch Handeln oder Unterlassen bewirkt hat, daß ihm zustehende Anrechte oder Aussichten auf eine Versorgung, die nach § 1587 Abs. 1 auszugleichen wären, nicht entstanden oder entfallen sind; Das heißt, wenn sich der Betreffende im Bereich des Versorgungswesens schlecht verhält, dann soll jedenfalls - und das passiert ja in der Ehe - sein mieses Verhalten im Bereich dessen, was man arbeiten, Versorgungsanwartschaften erwerben usw. nennt, geprüft werden. Sie können sich darauf verlassen: Hier ist das erste Einfallstor, um die unstreitige Scheidung zur erbittert streitigen Scheidung werden zu lassen. Nr. 3 lautet: soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat. Was meinen Sie wohl, in wie vielen Fällen die Eheleute darüber streiten werden, ob der eine oder andere - das geschieht nicht nur bei der streitigen Scheidung - seine Verpflichtung, durch Arbeit, durch Zahlungen, durch was auch immer zum ehelichen Unterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat? Da geht es darum: was ist gröblich? Dann geht es darum: hat er überhaupt zum Unterhalt beigetragen? Schließlich geht es darum: war er gesund, war er krank? Dann sind wir mitten in der „schmutzigen Wäsche" der Ehe, und zwar vom Anfang bis zum Ende. Und dann sagen Sie: Die schmutzige Wäsche wird nicht mehr gewaschen. Nein, die schmutzige Wäsche wird nicht mehr im Bereich des Scheidungsrechts, aber im Scheidungsfolgenrecht gewaschen werden. ({27}) Nun will ich Sie auf eine der größten Täuschungen, die Sie hier vornehmen, hinweisen. Entweder täuschen Sie hier bewußt selbst, oder Sie werden von der Regierung getäuscht; das „auszuklamüsern" ist mir nicht möglich. Ich kann es Ihnen nur darstellen. Wir haben stets und ständig gefragt: Wie ist es denn nun mit diesem Versorgungsausgleich, was kostet das, wie wirkt sich das aus usw.? Dann haben wir stereotyp sowohl im Arbeits- und Sozialausschuß als auch im Rechtsausschuß gehört: Das ist kostenneutral. Daraufhin kamen die Versicherungsträger und erklärten: Das kostet uns bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, bei den Landesversicherungsanstalten, bei der Knappschaft und der Seekasse etwa 1 000 Beamte zusätzlich; wir werden in den ersten anderthalb bis zwei Jahren überhaupt nicht damit zurechtkommen, bei Scheidungsanträgen rechtzeitig die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Das heißt, die Scheidungsverfahren werden sich sehr lange hinziehen. Und siehe da, dann hat man uns Zahlen vorgelegt, was das ausmachen soll. Diese Zahlen - ich habe nur die von der Regierung; insoweit ist natürlich Vorsicht geboten - sind im Sinne dessen, was die Regierung will, nämlich der Kostenneutralität, erstellt. Sie zeigen, daß die Witwer, d. h. diejenigen, die später einmal als alt gewordene Menschen Renten empfangen - nicht von Beamten, nur von Rentnern ist die Rede -, ein erhebliches Mindereinkommen haben werden; sie werden also deutlich niedrigere Renten erhalten. Die Witwen der Männer, die einmal geschieden waren und wiedergeheiratet haben, die dann gestorben sind und ihre Witwen hinterlassen haben, erhalten ein erheblich geringeres Witwengeld. Aber der Betrag von 1 730 000 000 DM, um den sich die Renten für diese alten Leute im Jahr verringern sollen, ist fiktiv. Diese Zahl beruht auf der Vorstellung, daß all das, was abgesplittet worden ist, freiwillig mit 70 °/o wieder aufgestockt wird. Ich möchte gern wissen, in welcher Gesellschaft Sie leben. Wo gibt es denn die Menschen, die, nachdem sie geschieden wurden, hohe Kosten hatten, Unterhaltsverpflichtungen haben, nun ihre ohnehin hohen Beiträge zur Alterssicherung noch freiwillig aufstocken können, dazu noch um 70 %? Wir haben mit Mühe die Zahlen - erst in den letzten Tagen sind sie uns zugegangen - auf Grund eines ausdrücklichen Beschlusses des federführenden Rechtsausschusses bekommen, in der vorsichtigsten Weise versteckt. Wir hatten darum gebeten - und dieser Antrag ist so angenommen worden -, die Zahlen zu bekommen, die sich auf der Grundlage dieses Gesetzes ohne zusätzliche Manipulationen aus der Phantasie ergeben. Splitting, Teilung, Rente: Was gibt das, auf ein Jahr projiziert, wenn das Gesetz in Kraft tritt? Diese Auskunft hat man uns nicht geliefert. Man hat genau gewußt, wie fürchterlich diese Zahlen sind und daß sie niemandem gefallen würden. Wir haben aber wenigstens einige Zahlen bekommen, aus denen sich die wichtigsten Daten errechnen lassen. Wenn die geschiedenen Männer ihre abgesplitteten Pensionsanwartschaften nicht wieder aufstocken, Erhard ({28}) werden ihre Witwen eine niedrigere Pension erhalten. Das macht eine Minderausgabe bei der Rentenversicherung von jährlich 920 Millionen DM und nicht nur von 760 Millionen DM aus. Demgemäß müssen ja wohl auch die Rentner, die nicht wieder aufgestockt haben, eine wesentlich niedrigere Rente erhalten, als sie hier zugrunde gelegt ist. Das läßt sich ganz leicht nachrechnen. Daraus ergibt sich, daß die Rentenversicherungen allein durch das Splitting eine um 2,15 Milliarden DM geringere Belastung im Jahr erreichen. Dem steht die Belastung bei denen, die etwas bekommen haben, mit 1,5 Milliarden DM gegenüber. Man erhält also ein Plus von 640 Millionen DM. Dieses Plus wird für die Erziehungsrente verwendet. Die Erziehungsrente macht aber höchstens 200 Millionen DM aus. Es bleibt dem erstaunten Betrachter nichts anderes übrig, als festzustellen, daß hier nicht eine Kostenneutralität erreicht, sondern ein Plus bei der Rentenversicherung von 240 Millionen DM im Jahr erzielt wird ausschließlich zu Lasten der alten Männer und Frauen. ({29}) Und das nennt diese Koalition dann soziales Recht! Diese 420 Millionen DM wachsen der öffentlichen Hand zu, damit sie tausend Beschäftigte mehr bezahlen kann. Das ist die nackte Wirklichkeit. ({30}) Meine Damen und Herren, hier wird der größte Schwindel mit der sogenannten Verbesserung der Ansprüche der Witwen und Geschiedenen getrieben. ({31}) Denn auch diese haben einen Verlust in Höhe erheblicher Millionenbeträge pro Jahr. Ich kann Ihnen nur sagen: So viel Desinformation wie in diesem Bereich kann man selten nachweisen. Wenn Sie es überall so treiben, kann es mich nicht wundern, wenn Ihnen niemand mehr glaubt. ({32})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort zu diesen beiden Anträgen hat jetzt der Abgeordnete Berger.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf der Drucksache 7/4459 begründen. Es handelt sich um zwei materiellrechtliche Änderungen. In § 125 Abs. 2 soll nach Satz 1 ein zweiter Satz eingeschoben werden, durch den eine wenn auch nicht rechtliche, so doch praktische Lücke geschlossen werden soll. Nach bisherigem Recht, das auf die Unterhaltspflicht des Beamten abstellte, war nach dessen Tode ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag für die geschiedene Frau immer gegeben, wenn ihr im Zeitpunkt des Todes des Beamten ein Unterhaltsanspruch gegen diesen zustand. Ihre wirtschaftliche Existenz war also in gleicher Weise wie vor dem Tode des Mannes gesichert, d. h., sie erhielt den gleichen Betrag, den vorher der geschiedene Mann als Unterhalt zu zahlen hatte, nunmehr, nach dessen Tode, von seinem früheren Dienstherrn als Unterhaltsbeitrag weiter. Nach neuem Recht ist die Situation anders. Wenn der Beamte seiner geschiedenen Frau gegenüber nach den §§ 1570 ff. BGB in der Fassung des 1. Eherechtsreformgesetzes unterhaltspflichtig ist, so wird zwar diese Unterhaltspflicht durch seinen Tod nicht beendet; sie geht nach § 1586 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit über. Auf dem Papier hat sich also durch den Tod des Verpflichteten die wirtschaftliche Situation des Berechtigten nicht geändert. Diese sich nach dem Tod des Verpflichteten ergebende Rechtsstellung des Berechtigten ist jedoch wesentlich schwächer, als sie zu Lebzeiten des Verpflichteten war. Der Erbe kann, wenn er die Erbschaft nicht von vornherein ausschlägt, seine Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten, also auch für die Unterhaltspflicht des verstorbenen Erblassers, ,auf den Nachlaß beschränken ({0}). Außerdem ist nach § 1586 b Abs. 1 Satz 3 BGB in der Fassung des 1. Eherechtsreformgesetzes seine Haftung überhaupt nur auf den Betrag des Pflichtteils beschränkt, der dem Berechtigten zustände, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre. Da in den meisten Fällen der Unterhalt des Berechtigten nicht aus dem Vermögen des Verpflichteten, sondern aus seinen laufenden Einnahmen - in der Regel Arbeitseinkommen - bestritten wird oder jedenfalls überwiegend bestritten wird, diese Einnahmen aber mit dem Tode des Verpflichteten ersatzlos wegfallen, ist in den meisten Fällen - wenn man von der Situation bei den „oberen Zehntausend" einmal absieht - mit der Haftung des Nachlasses für die Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen für die Berechtigten wenig gewonnen. Zu denjenigen Gruppen, die ihre Verbindlichkeiten vornehmlich aus ihrem laufenden Arbeitseinkommen erfüllen, gehören aber gerade die Beamten. Erfüllt nun die unterhaltsberechtigte geschiedene Frau nicht oder noch nicht die nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus den im Wege des Versorgungsausgleichs für sie begründeten - und gegebenenfalls weiteren eigenen - Rentenanwartschaften, so käme die unterhaltsberechtigte geschiedene Frau nach dem Tode des Beamten häufig in eine wirtschaftlich sehr schwierige Lage, weil die Unterhaltsleistung nach kurzer Zeit wegen Erschöpfung des Nachlasses aufhört und eine Rente aus eigenem Recht mangels Erfüllung der in den Rentengesetzen hierfür geforderten Voraussetzungen nicht zusteht. ({1}) Diese versorgungsrechtliche Lücke der bedürftigen geschiedenen Ehefrau soll durch den vorliegenden Änderungsantrag geschlossen werden. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe, damit man den Redner besser verstehen kann.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält in dem angesprochenen Punkt eine eindeutige Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der geschiedenen Beamtenfrauen. ({0}) Meine Freunde und ich finden es mindestens eigenartig, daß ausgerechnet im „Jahr der Frau" ein Gesetz beschlossen werden soll, das ganz offenbar die wirtschaftliche Lage einer nicht geringen Gruppe geschiedener Frauen, nämlich der Beamtenfrauen, gegenüber dem bisherigen Rechtszustand verschlechtert. ({1}) Die beantragte Ergänzung des § 125 Abs. 2 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Drucksache 7/4365 - aus redaktionellen Gründen sind in dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion dieser Satz und die folgenden Sätze als besonderer Abs. 3 ausgestaltet worden - soll durch Einfügung einer neuen Nr. 2 ebenfalls eine Härte mildern. ({2}) Diese neue Nummer ist der Vorschrift des § 42 Satz 2 Nr. 2 des Angestellten-Versicherungsgesetzes nachgebildet worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie noch einmal um etwas Aufmerksamkeit für den Redner.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bestimmung geht davon aus, daß es in der Regel einer Frau, die bei Scheidung der Ehe das 45. Lebensjahr schon vollendet hatte, nur schwer möglich ist, wieder eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu finden, die ihr angemessene Existenz gewährleistet. Denn bei diesem Alter im Zeitpunkt der Scheidung kann davon ausgegangen werden, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle um eine Ehe gehandelt hat, die längere Zeit bestanden hat und bei der die Frau längere Zeit dem Erwerbsleben ferngeblieben war, also besondere Umstellungsschwierigkeiten zu überwinden hat, wenn sie wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen will. Auf diesen Umstand ist auch in der Begründung zu § 1562 BGB ausdrücklich hingewiesen worden. Die sich von der Vollbeschäftigung zunehmend entfernenden Tendenzen des Arbeitsmarktes geben diesem Umstand ein zusätzliches Gewicht. Was soll eine geschiedene Beamtenfrau tun - mit diesen haben wir es ja bei dem Antrag zu tun -, die bei Scheidung ihrer Ehe 50 Jahre alt war und vielleicht sogar einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Mann hatte, nach dessen bald nach der Scheidung eintretendem Tod noch acht oder neun Jahre warten muß, bis sie einen Unterhaltsbeitrag nach § 125 BBG erhalten kann - acht oder neun Jahre, während deren sie häufig keine oder nur geringe Leistungen aus dem Nachlaß auf Grund des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs oder einer Unterhaltsverpflichtung des Beamten, die vorher bestand, erlangen kann und in zahlreichen Fällen auf die Sozialhilfe angewiesen sein würde? Das 45. Lebensjahr bildet hier schon eine akzeptable Grenze. Von einer jüngeren Frau wird man in der Regel erwarten können, daß sie eine angemessene Erwerbstätigkeit, gegebenenfalls durch zusätzliche Maßnahmen, im Sinne der §§ 1575, 1576 BGB zu finden vermag. Diese Frauen wird man darauf verweisen können, daß die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich ist. Frauen, die bei der Scheidung schon 45 Jahre alt oder älter waren, muß jedoch gezielt geholfen werden, will man nicht in diesem Punkt eine sachlich nicht vertretbare Verschlechterung der Rechtsstellung der geschiedenen Beamtenfrauen gegenüber dem bisherigen Recht vornehmen. Diese Gesichtspunkte sollte man bei diesem Antrag der CDU/CSU berücksichtigen. Wegen der Bedeutung dieses Antrages und der beiden vorhergehenden, durch meine Kollegen begründeten Anträge beantrage ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion namentliche Abstimmung. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Debatte bis zur Abstimmung dauert nicht mehr lange. Aber ich möchte doch bitten, so lange, wie sie dauert, dem Redner zuzuhören. Das Wort hat der Abgeordnete Spillecke.

Hermann Spillecke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002201, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zur namentlichen Abstimmung des Hohen Hauses werden nicht mehr als weitere zweieinhalb Minuten vergehen. Ich fasse mich kurz! ({0}) Ich spreche zum Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/4459. Er bezieht sich auf § 125 in der Drucksache 7/4365 - Bericht und Antrag des Innenausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften -. Dieser Antrag der CDU/CSU unterscheidet sich materiell hauptsächlich durch seinen Abs. 3 Satz 2 in § 125 von der Fassung des Innenausschusses, wie sie mehrheitlich dem Hohen Hause zur Annahme empfohlen wird. Diese im Antrag der CDU/CSU empfohlene Besserstellung der geschiedenen Ehefrau eines Beamten würde auch eine Besserstellung in Relation zu den geschiedenen Ehefrauen von Männern bedeuten, die sich eben nicht im arbeitsrechtlichen Verhältnis eines Beamten befinden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch um etwas mehr Ruhe bitten. Um so leichter wird der Redner seinen Vorsatz, sich kurz zu fassen, verwirklichen können.

Hermann Spillecke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002201, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht also den Koalitionsfraktionen darum, daß eine geschiedene Ehefrau eines Beamten in diesem Gesetz nicht bessergestellt wird, als es geschiedenen Ehefrauen von Arbeitern und Angestellten geschieht. Die Koalition lehnt diesen Antrag deshalb ab. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist der Fall. Ich schließe die Aussprache. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, hier einen Augenblick aufzumerken. Auf Wunsch der Antragsteller, der Fraktion der CDU/CSU, wird über die Anträge auf den Drucksachen 7/4454 und 7/4455 gemeinsam in einer einzigen Abstimmung abgestimmt, und zwar namentlich. Die Unterstützung des Antrags nehme ich bei der Besetzung des Hauses an. Hingegen wird noch nicht über den Antrag auf Drucksache 7/4459 abgestimmt, weil darüber später bei dem anderen Gesetzentwurf abgestimmt werden muß. Ich muß Sie noch auf etwas aufmerksam machen: Die Schriftführer werden hiermit gebeten, sich über die Identität der Aufschrift der Karte und der Persönlichkeit dessen, der die Karte abgibt, zu überzeugen, damit irgendwelche Mißdeutungen nicht auftreten können. Wir stimmen nunmehr über die Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU auf den Drucksachen 7/4454 und 7/4455 gemeinsam ab. Die Abstimmung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge auf den Drucksachen 7/4454 und 7/4455 bekannt. Es haben 418 uneingeschränkt stimmberechtigte und 18 Berliner Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja haben gestimmt 188 und 5 Berliner Abgeordnete, mit Nein 230 und 13 Berliner Abgeordnete. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 418 und 18 Berliner Abgeordnete; davon ja: 188 und 5 Berliner Abgeordnete, nein: 230 und 13 Berliner Abgeordnete. Ja CDU/CSU Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Baier Dr. Barzel Dr. Becher ({0}) Dr. Becker ({1}) Benz Bewerunge Biechele Dr. Dr. h. c. Birrenbach Dr. Blüm Blumenfeld von Bockelberg Böhm ({2}) Braun Breidbach Bremer Bremm Burger Carstens ({3}) Dr. Carstens ({4}) Damm van Delden Dr. Dollinger Dreyer Eigen Eilers ({5}) Engelsberger Erhard ({6}) Ernesti Dr. Eyrich Dr. Franz Dr. Früh Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({7}) Gerster ({8}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Gruhl Haase ({9}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser ({10}) Hauser ({11}) Dr. Hauser ({12}) Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Hussing Dr. Jaeger Jäger ({13}) Dr. Jahn ({14}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Katzer Dr. Kempfler Dr. Klein ({15}) Dr. Klein ({16}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({17}) Dr. Köhler ({18}) Köster Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({19}) Lagershausen Lampersbach Leicht Lemmrich Dr. Lenz ({20}) Lenzer Link Löher Dr. Marx Maucher Dr. Mertes ({21}) Mick Dr. Miltner Milz Möller ({22}) Müller ({23}) Dr. Müller-Hermann Dr. Narjes Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Pfeifer Picard Pieroth Pohlmann Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({24}) Dr. Riedl ({25}) Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Roser Russe Sauer ({26}) Sauter ({27}) Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein Dr. Schäuble Schedl Schetter Schmidhuber Schmidt ({28}) Schmitt ({29}) Schmitz ({30}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({31}) Dr. Schröder ({32}) Schröder ({33}) Schröder ({34}) Schulte ({35}) Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({36}) Dr. Stavenhagen Stücklen de Terra Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({37}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Dr. Wallmann Dr. Warnke Wawrzik Weber ({38}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({39}) Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Amrehn Kunz ({40}) Vizepräsident Dr. Jaeger Müller ({41}) Frau Pieser Straßmeir Nein SPD Amling Anbuhl Dr. Apel Arendt ({42}) Dr. Arndt ({43}) Augstein Baack Bäuerle Barche Bahr Dr. Bardens Batz Becker ({44}) Biermann Blank Dr. Böhme ({45}) Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({46}) Bredl Brück Buchstaller Büchler ({47}) Büchner ({48}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Frau Dr. Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({49}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Frau Dr. Focke Franke ({50}) Friedrich Gansel Geiger Gerstl ({51}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({52}) Haase ({53}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({54}) Jahn ({55}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Frau Meermann Dr. Meinecke ({56}) Meinike ({57}) Metzger Möhring Müller ({58}) Müller ({59}) Müller ({60}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Offergeld Frau Dr. Orth Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({61}) Rappe ({62}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Richter Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Schäfer ({63}) Dr. Schäfer ({64}) Scheffler Scheu Schinzel Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({65}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({66}) Dr. Schwenk ({67}) Seibert Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Spillecke Stahl ({68}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Sund Tietjen Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({69}) Vogelsang Waltemathe Walther Dr. Weber ({70}) Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Wischnewski Dr. de With Wittmann ({71}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Manning Mattick Dr. Schellenberg Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt FDP Baum Dr. Böger Christ Engelhard Frau Funcke Gallus Geldner Hölscher Hoffie Jung Kirst Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Logemann Frau Lüdemann Mischnick Möllemann Moersch Ollesch Peters ({72}) Schleifenbaum Schmidt ({73}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Wolfgramm ({74}) Wurbs Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Fraktionslos Emeis Die Anträge sind abgelehnt. Damit kommen wir nunmehr zur Beratung des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4449. Ich erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Thürk.

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer der heutigen Debatte aufmerksam gefolgt ist, wird bei der Beurteilung des Prozeßstoffes, den das Familiengericht zu bewältigen hat, zu folgendem Ergebnis gelangen. Das Scheidungsrecht im engeren Sinne wird denselben Schwierigkeitsgrad aufweisen wie bisher, allenfalls ein wenig einfacher werden. Das Unterhaltsrecht bietet eine Reihe bisher nicht gekannter Schwierigkeiten, und der Versorgungsausgleich stellt das Familiengericht vor Entscheidungen höchsten Schwierigkeitsgrades, und zwar selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß die Versorgungs- und Versicherungsträger durch ihre Auskünfte helfend eingreifen werden. Hinzu kommen güterrechtliche Auseinandersetzung und letzlich ein Verfahrensrecht, das durch die ZuThürk sammenwürfelung von Zivilprozeßordnung und freiwilliger Gerichtsbarkeit besondere Schwierigkeiten verursachen wird. Dies alles soll im übrigen nicht nacheinander und jedes zu seiner Zeit, sondern im engen Zusammenhang mit Rücksicht auf den unabdingbar notwendigen Verbund entschieden werden. Dieser Familienrichter wird ein Superrichter werden, der allen juristischen Sätteln gerecht wird. Wenn das Familiengericht nicht beim Amtsgericht, sondern beim Landgericht eingerichtet wird, stehen dort in den Kammern jeweils drei Richter zur Verfügung. In der ganz überwiegenden Anzahl von einvernehmlichen oder einfach gelagerten Fällen kann der Einzelrichter allein entscheiden. Alle komplizierten Angelegenheiten werden vor das Kollegialgericht gebracht und von drei Richtern entschieden. Außerdem kann bei der Besetzung der Richterstellen darauf Rücksicht genommen werden, Spezialisten für bestimmte Fachgebiete heranzuziehen. Das würde die Qualität der Urteile verbessern, die Richter entlasten und damit schnellere und bessere Verfahrenserledigungen bringen. Die Bundesländer haben sich im Bundesrat dafür ausgesprochen, das Familiengericht beim Amtsgericht zu belassen. Sie gehen nach unserer Auffassung zu Unrecht davon aus, daß die Amtsgerichte nach Erweiterung um einige wenige Stellen in der Lage wären, die Familiensachen zu bearbeiten. Finanzpolitische Erwägungen, so wichtig diese sind, sollten jedoch wegen der Bedeutung der Ehe- und Familiensachen keine Priorität beanspruchen dürfen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten. Ich möchte Sie auch bitten, Platz zu nehmen. Privatgespräche können Sie nach außerhalb des Saales verlegen.

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sollte dieser Änderungsantrag jedoch abgelehnt werden, so müßte in jedem Fall dafür gesorgt werden, daß der Familienrichter nur ein Richter sein darf, der - natürlich neben hoher juristischer Qualifikation auch über eine längere Dienstzeit und damit über größere Erfahrungen verfügt. Die Problematik ehelicher Auseinandersetzungen, das Verständnis für die Probleme einer gescheiterten Ehe und für die in diesem Zusammenhang völlig vernachlässigten Interessen der Kinder, aber auch die Schwierigkeiten und Abwägungen im Bereich der güterrechtlichen und der versorgungsrechtlichen Auseinandersetzung gebieten dringend, nicht nur wie geschehen - einen Richter auf Probe von diesem Amt auszuschließen, sondern auch einen Richter mit geringeren Berufserfahrungen. Es sollte lediglich ein Richter im ersten Beförderungsamt sein, der nach früherer Definition als Amtsgerichtsdirektor anzusprechen ist. Sonst bestünde auch die Gefahr, daß der Posten des Familienrichters ein Durchlaufposten wird, auf dem sich jüngere Richter zu qualifizieren trachten. Für die langwierigen und schwierigen Verfahren wäre es aber gerade schädlich, wenn sie nicht in einer Hand blieben. Nicht zuletzt die Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 6 des Grundgesetzes gebietet eine besondere Sorgfalt bei der Besetzung dieses schwierigen Amtes. Daneben können Gesichtspunkte finanzpolitischer Art und der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Richter beim Amtsgericht keine Geltung beanspruchen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Dazu hat das Wort Herr Abgeordneter Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, daß die Rechtspolitiker ,der CDU/CSU-Fraktion das Bedürfnis verspüren, sich gegenüber den sie sonst beherrschenden Länderjustizverwaltungen einmal etwas zu emanzipieren. Ich hätte Ihnen nur gewünscht, daß Sie sich dafür eine bessere Sache ausgesucht hätten als ausgerechnet diese. ({0}) Es ist wohl Ihre Sache, wie Sie diesen Antrag mit Ihren Beschlüssen des rechtspolitischen Kongresses von Hannover in Übereinstimmung bringen wollen, in denen Sie ausdrücklich festgelegt haben, daß Familiensachen zusammengefaßt werden und die Verfahren vor dem Amtsgericht stattfinden sollen. ({1}) Es ist nicht richtig, was Sie, Herr Thürk, hinsichtlich des Familienrichters am Amtsgericht ausgeführt haben, daß er nämlich durch diese Familiensachen überfordert werden würde. Alles das, was auf ihn zukommt, bearbeitet der Amtsrichter bereits heute. Lediglich der Versorgungsausgleich kommt hinzu. In diesen müssen sich alle Richter neu einarbeiten. Im übrigen ist durch die Spezialisierung des Familienrichters dafür gesorgt, daß er diesen Aufgaben gerecht werden kann. Zusätzlich wird der Rechtsmittelzug vom Amtsgericht über das Oberlandesgericht zum Bundesgerichtshof eröffnet. Ich meine, Sie sollten es sich auch nicht zu billig machen, indem Sie auf ,die Richterstimmen schielen und eine besoldungsmäßige Heraushebung fordern. Es ist durch nichts gerechtfertigt, den Familienrichter anders zu besolden als den Vorsitzenden eines Schöffengerichts. Ich warne vor diesem Weg, den Sie uns empfehlen, nämlich die Einheitlichkeit der Besoldung der Richter an den Amtsgerichten aufzuweichen. ({2}) Ich beantrage, diesen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU abzulehnen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird zu diesem Antrag weiterhin das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Vizepräsident Dr. Jaeger Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 7/4449. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Im komme nunmehr zu dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 7/4456 und erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}).

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Ihnen der Antrag vorliegt und Sie daraus ersehen können, worum es geht, möchte ich es mit der Begründung ganz kurz machen. Wir alle waren uns einig - das war, glaube ich, einer der Grundsätze, unter denen die Reform gemacht wurde , daß Ehescheidung und Folgeregelungen verbunden sein sollen. Diesem Grundanliegen ist zu einem wesentlichen Teil Rechnung getragen worden. Im Rechtsausschuß hat man sich darauf verständigt, noch bestehende Bedenken des Bundesrats zu einem Teil zu berücksichtigen. Nur bleibt in § 627 a ZPO, wo die Möglichkeit gegeben ist, eine Folgesache abzutrennen, eine Generalklausel, die etwa in der Rechtsprechung genauso eine Ausweitung, ja vielleicht sogar eine Umkehrung erfahren könnte, so daß die Abtrennung dann der Regelfall würde, wie es bei dem bisherigen § 609 ZPO - Sühneversuch - der Fall ist. Vor allem muß sichergestellt werden, daß diese Generalklausel, die eine Abtrennung einer Folgesache unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, nicht von demjenigen mißbraucht wird, der schnell geschieden sein und dann von den Folgen nichts mehr wissen will. Eine unzumutbare Härte, meine Damen und Herren, die dazu führen könnte, daß von der Generalklausel durch Abtrennung der Folgesache Gebrauch gemacht wird, ist sehr leicht zu konstruieren. Es besteht die Befürchtung, daß hier z. B. allein die Tatsache einer geplanten Wiederverheiratung genügt, diese unzumutbare Härte auf Grund einer Verzögerung anzunehmen. Die Tatsachen, die zu dieser Verzögerung führen, können manchmal auch sehr leicht herbeigeführt werden, indem man Unterlagen verweigert, die z. B. für die Regelung des Versorgungsausgleichs notwendig sind. Der Antragsteller, der Ehescheidungswillige, sollte nicht die Möglichkeit haben, eine für ihn unangenehme Folgeregelung zu vermeiden, die Scheidung aber zu erlangen. Ich meine, hier sollte ganz deutlich der Rechtsgrundsatz ausgesprochen werden, daß sich derjenige nicht auf eine Unzumutbarkeit berufen können darf, der sie selber herbeigeführt hat. Darauf zielt der erste Antrag der CDU/ CSU ab. Der Generalklausel müssen daher insbesondere in Richtung auf den Scheidungswilligen, der die Folgen nicht tragen möchte, Grenzen gesetzt werden. Er soll also dann von der Härteklausel nicht Gebrauch machen können, wenn er es selber zu vertreten hat, daß die Entscheidung über die Folgesache verzögert werden würde. Meine Damen und Herren, der zweite Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf dem Ihnen vorliegenden Umdruck zielt darauf ab, eine Auskunftspflicht aller am Versorgungsausgleich Beteiligten sicherzustellen. Art. 35 Abs. 1 GG reicht nach meiner Meinung nicht aus, um z. B. auch Versicherungsträger in jedem Fall für eine Amtshilfe heranzuziehen. Auch werden wir es bei der betrieblichen Altersversorgung unter Umständen erleben müssen, daß sich Versicherungen bzw. Privatversicherungen darauf berufen, daß sie eine Art Schweigepflicht haben, so daß bis zu einer Entscheidung über derartige Fragen noch Zeit ins Land geht. Eine gerechte Regelung des Versorgungsausgleichs darf daher nicht durch eventuelle Berufungen auf ein Versicherungsgeheimnis oder durch andere Auskunftsverweigerungen verzögert werden. Gerade für Frauen könnte sich daraus eine materielle Ungerechtigkeit ergeben, wenn etwa die Auskunft über bestehende Privatversicherungen des Ehemannes verweigert wird. Das würde dann zu der von mir vorhin geschilderten Auflösung des Verbundes führen, so daß die Ehescheidung ausgesprochen wird, ohne daß die Folgesache geregelt werden kann. Dieser Antrag zielt daher auch darauf ab, möglichst schnell zu einer Folgenregelung zu gelangen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem ersten Antrag zu Art. 6 Nr. 19 handelt es sich um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verbund zwischen Scheidungs- und Scheidungsfolgenverfahren aufgelöst werden kann. Das ist nach der Ihnen vorgelegten Vorlage möglich, wenn die gleichzeitige Entscheidung den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, daß der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Über diese Formulierung haben wir sowohl im Unterausschuß Familien- und Eherechtsreform als auch im Rechtsausschuß Einverständnis herbeigeführt. Diese Formulierung ist einverständlich beschlossen worden. Die Gründe, die hier nunmehr dafür angeführt worden sind, daß diese Vorschrift durch die Formel „aus Gründen, die vom Antragsteller nicht zu vertreten sind" ergänzt werden soll, sind nicht überzeugend. Im Gegenteil, hier wird der nach meiner Kenntnis bisher einmalige Versuch unternommen, in das Verfahrensrecht wieder Verschuldenstatbestände hineinzubringen. ({0}) Ich denke, wir sollten diesem Versuch nicht unsere Zustimmung geben. ({1}) Was Art. 7 Nr. 3 a anlangt, so besteht eine Auskunftspflicht der Versicherungsträger, natürlich auch der privaten Versicherungen. Das kann gar keinem Zweifel unterliegen. Wenn Herr Wittmann von einer „Art Schweigepflicht" privater Versicherungsunternehmen gegenüber dem Familiengericht gesprochen hat, so wäre es mir sehr interessant, wo denn diese „Art Schweigepflicht" im Gesetz begründet ist. ({2}) Es ist mir jedenfalls nicht bekannt, daß es eine „Art Schweigepflicht" gibt. Ich bitte darum, beide Anträge abzulehnen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4456 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme damit zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 7/4457 und gebe zur Begründung dem Abgeordneten Erhard ({0}) das Wort.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen mit dem vorgelegten Antrag Ihnen, die Sie nach wie vor in ausgeprägter Weise etwas von unserer Verfassung halten, die Gelegenheit geben, das hier zu beweisen. Der Beschluß des Rechtsausschusses soll die Eheleute, die nach dem geltenden Recht, nach § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes, nicht geschieden worden sind, disziplinieren, indem er ihnen bis zur Hälfte des Versorgungsausgleichs abspricht und die Möglichkeit eröffnet, diesen zu Recht nicht Geschiedenen, die nach dem neuen Recht geschieden werden können, nunmehr rückwirkend auch noch die Versorgungsanwartschaften wegzunehmen. Herr Bundesjustizminister, Sie haben hier Gelegenheit, dem Standpunkt der Regierung zu folgen und darauf Einfluß zu nehmen, daß wenigstens dieser Antrag im Respekt vor dem geltenden Recht, im Respekt vor dem Art. 6 des Grundgesetzes angenommen wird. Etwas so Abstruses, wie es der nach meiner Überzeugung aus völlig falschen Ecken oder völlig falschen Herzenskammern kommende Antrag beinhaltet - ({0}) - Doch! Hier geht es einfach darum, daß einige Leute die Vorstellung haben: Diese Drohnen sollen jetzt bestraft werden! - Die Formulierungen, die im Unterausschuß ursprünglich vorgelegt wurden, waren ja noch viel schlimmer. Hier ist eine Streichung nötig. Für Unbilligkeiten beim Versorgungsausgleich haben wir eine allgemeine Härteklausel. Eine spezielle Disziplinierung von Leuten, die an der Ehe festgehalten haben, nicht geschieden werden konnten und nunmehr geschieden werden, darf es jedoch nicht geben. Der erste Fall der hiernach entschieden würde, würde mit Sicherheit vor das Verfassungsgericht kommen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, daß der Betreffende, der sich hier an das Verfassungsgericht wenden würde, auch Erfolg hätte. Ich bitte, unserem Antrag aus den von mir soeben genannten Gründen stattzugeben. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der eben begründete Antrag zielt darauf ab, die Bestimmungen, die wir für die Durchführung des Versorgungsausgleichs in den sogenannten 48er-Fällen vorgesehen haben, zu streichen. Herr Kollege Erhard, Sie haben hier verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie einen anderen Einstieg gewählt, eine politische Lösung dieses Problems gesucht ({0}) und dann die Frage gestellt hätten - diese Frage ist durchaus legitim und auch wichtig und richtig -, ob eine politische Lösung der verfassungsrechtlichen Nachprüfung standhält. Mit dieser politischen Lösung müssen wir beginnen. Wir sehen dies auch durchaus im Zusammenhang. Wir müssen eine Abwägung vornehmen. Auf der einen Seite müssen wir Vertrauensschutz geben und können nicht sagen: Heute ist das Recht ein anderes, und alles, was ihr bisher gedacht habt, gilt nicht mehr, auch wenn ihr euch bisher auf das alte Recht verlassen habt. Unser zweiter Ansatzpunkt für die vorgesehenen Vorschriften ist ja ein durchaus notwendiger. Er ist von Ihnen mit keinem Satz angesprochen worden. Es geht nicht um die Rachsucht gegenüber einem bestimmten Bevölkerungskreis - woher sollte sie kommen? -, sondern um die Überlegung, daß im Falle der Scheidung ein Versorgungsausgleich stattfinden soll, um eine gemeinsame Lebensleistung auszugleichen. Ich weiß, daß Sie nun wieder mit dem Beispiel bei der Hand sein werden, daß ein Mann seine Frau in jener Form des heute von mir zitierten Individualismus, in der Form des krassesten Egoismus mit höchst unschönen Begleiterscheinungen verläßt und nun bejammert, daß zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich stattfindet. Ich habe heute davor gewarnt, die Beispiele immer nur so zu setzen, wie sie einem ins Bild passen. Ich weiß von zahlreichen Fällen, in denen für die Trennung von Ehegatten vor Jahrzehnten Kriegsereignisse ausschlaggebend waren, in denen eine andere Frau oder ein anderer Mann gar nicht im Spiele waren, sondern wo man sich in einer Weise nicht mehr verstanden hat und nicht mehr zusammenleben konnte, daß man sich getrennt hat. Sehr viele der davon Betroffenen sind auch keine neue Lebensgemeinschaft eingegangen, und so wird jetzt so ein Mann über Jahrzehnte nach einer Möglichkeit suchen, wie das, was als Minimum an Hauswirtschaft auch für einen Alleinstehenden notwendig ist, für ihn erledigt wird. Die getrennt von ihm lebende Ehefrau hat dazu während der Trennungszeit nichts beigetragen. Das nun irgendwo auszugleichen haben wir in der vorgeschlagenen Vorschrift versucht. ({1}) Im übrigen sollten Sie hier nicht mit so starken Worten auftrumpfen. ({2}) Wenn man in dieser Scheidungsdebatte das Wort „Schuld" ausnahmsweise wieder einmal in den Mund nimmt, kann man die Frage stellen: Wer ist denn schuld an dem Desaster, das wir hier rechtspolitisch vorfinden? Es ist sicherlich unser unzulängliches geltendes Scheidungsrecht, es ist eine äußerst restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, aber es ist doch vor allem die am Ende des Jahres 1961 ({3}) mit absoluter Mehrheit von Ihrer Partei, von Ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag durchgesetzte Änderung des § 48 Abs. 2. ({4}) Das hat uns in dieses Dilemma gebracht - das vor allem , und das sollte berücksichtigt werden. Wer damals mit seiner absoluten Mehrheit Derartiges anzurichten wußte, sollte jetzt bei allen Überlegungen, die wir gemeinsam anstellen müßten, ({5}) etwas gedämpftere Töne anschlagen. Es stünde Ihnen sicherlich gut an. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Vogel.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Erhard, Sie haben mich unmittelbar auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit angesprochen. Mir fällt auf, daß Sie es eigentlich unter der Ebene der Verfassungswidrigkeit oder auch der Disziplinierung gar nicht tun. Eine ruhige und sachliche Abwägung der Frage, ob das eine vernünftige und angemessene Regelung ist, wird nicht erleichtert, wenn sofort immer der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit möglicherweise sogar der der bewußten Verfassungswidrigkeit - involviert wird. ({0}) Ich halte das auch bei fortgeschrittener Debatte nicht für förderlich, und ich glaube nicht, daß das tatsächlich die konstruktive Zusammenarbeit erleichtert. Zum Sachverhalt selber: Die Verfassungsmäßigkeit ist in meinem Hause geprüft worden. Sie wird uneingeschränkt bejaht, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn unter den Unzulänglichkeiten des bisherigen Eherechts - das hat doch heute morgen auch Herr Mikat breit ausgeführt, und ich bedaure überhaupt, daß viele Gedankengänge, die Herr Mikat ausgeführt hat, im weiteren Verlauf der Diskussion auf seiten der Opposition so gut wie kein Echo gefunden haben - -({1}) - Es wäre sehr nützlich, Herr Thürk, wenn Sie manches von den Ausführungen Mikats lesen und häufig wiederholen würden, ({2}) denn manches würde dann sachlicher und auch vernünftiger besprochen werden können. Mikat hat also gesagt - und ich stimme ihm voll zu -, der Personenkreis, der unter den Unzulänglichkeiten des gegenwärtigen Eherechts am stärksten gelitten hat, sind die Menschen, die infolge des § 48 in seiner verschärften Fassung zum Teil bereits 10 und 15 Jahre auseinander sind und sich zum Teil schon in neuen Lebensgemeinschaften befinden, in Lebensgemeinschaften, die nach unserem eigenen Gefühl doch schon längst - das meinen Sie doch auch, und das sagen Sie draußen als neue Ehen legitimiert gehören. Wenn man, Herr Kollege Erhard, in einem solchen Falle sagt, der tragende Grund für den Versorgungsausgleich, nämlich die Lebensgemeinschaft, die auch eine Wirtschaftsgemeinschaft ist, ist schon vor 10 oder 15 Jahren weggefallen, hier gibt es wirklich nur noch eine leere Ehehülse, aus der sich gar keine rechtlichen Folgerungen mehr ableiten lassen, dann ist das doch ein vernünftiger und einleuchtender Gedankengang. Ich bedaure eigentlich für die Bundesregierung, daß wir auf diesen Gedankengang nicht schon gekommen sind, als wir die Regierungsvorlage eingebracht haben. ({3}) - Ach, Herr Kollege Erhard, warum muß eigentlich in unseren Auseinandersetzungen immer der Unterton der Häme mitschwingen? ({4}) Warum muß bei jedem Zwischenruf irgendein Tröpfchen davon beigegeben werden? Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Nein, das möchte ich jetzt einfach deswegen nicht gestatten, ({0}) weil ich den Gedankengang zu Ende führen will. Dann will ich Herrn Kollegen Erhard gerne Gelegenheit dazu geben. Ich sagte: Das ist eine Ehehülse, an die sich keine rechtlichen Folgerungen mehr anhängen lassen. Infolgedessen ist es sinnvoll, eine Härteregelung vorzusehen, die es in das pflichtgemäße Ermessen des Richters stellt, in Fällen besonderer Unbilligkeit den Versorgungsausgleich nicht völlig zu streichen dieser Eindruck ist erweckt worden -, ({1}) sondern den Ausgleich um die Hälfte zu reduzieren. Hier wird niemand diszipliniert, hier wird niemand bestraft; hier wird dem Richter vielmehr die Möglichkeit gegeben, aus einer besonderen Lebenssituation eine vernünftige und billige Konsequenz zu ziehen. ({2}) Das ist nicht gegen die Verfassung; dies, Herr Kollege Erhard, ist im Sinne unserer Verfassung. So möchte ich Ihre Frage beantworten. Ich bin selbstverständlich gerne bereit, auch noch eine Zusatzfrage entgegenzunehmen und sie ebenfalls zu beantworten. Bitte! ({3}) - Ich freue mich, daß es heute abend erstmals gelungen ist, einen Kollegen von der Opposition so zu überzeugen, daß er keine weitere Frage hat. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf Umdruck 7/4457. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Sitzungspräsidium ist sich einig, daß der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden ist. Ich rufe den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Emmerlich und Engelhard auf Umdruck 7/4463 auf. Zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich das Wort.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz, über das wir heute beschließen, war zunächst zustimmungsbedürftig. Infolgedessen hat die Bundesregierung den Eingangssatz gewählt: „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates folgendes Gesetz beschlossen." Nachdem das Gesetz im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und im Rechtsausschuß verschiedene Änderungen erfahren hat, ist die Zustimmungsbedürftigkeit jetzt nicht mehr gegeben. Die Folgerung daraus ist, daß wir die für solche Gesetze übliche Eingangsformel wählen sollten, nämlicht „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen." Ich bin mir darüber im klaren, daß der Bundestag nicht rechtlich verbindlich darüber entscheiden kann, ob tatsächlich Zustimmungsbedürftigkeit vorliegt oder nicht. Aber es ist doch wohl unser gutes Recht, eine Aussage nicht zu treffen, die wir für falsch halten, nämlich die Aussage, daß Zustimmungsbedürftigkeit gegeben ist. Ich bitte deshalb urn Zustimmung zu diesem Antrag. Vizepräsident von Hassel: Sie haben die Begründung zu dem Antrag gehört. Dazu hat der Abgeordnete Dr. Lenz das Wort erbeten.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es das gute Recht der Mehrheit, Gesetze dort zu verändern, wo sie Änderungen wünscht. Wir sind in der Sache allerdings anderer Auffassung, Herr Kollege Emmerlich. Ich will das auch kurz begründen und hier nicht etwa mit einer Formel abtun. Wir sind der Auffassung, daß dieses Gesetz u. a. aus folgendem Grund der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dieses Gesetz bildet zusammen mit einem anderen Gesetz eine Einheit. Dieses Gesetz ist das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften. Es bedarf unzweifelhaft - das ist hier auch nicht streitig - der Zustimmung des Bundesrates. Es ist eine notwendige und unverzichtbare Einheit. Das steht erstens auf dem Vorblatt dieses Gesetzes, zweitens hat Herr Präsident Schmitt-Vockenhausen vorhin in seiner Verhandlungsleitung - mit Recht, wie ich fand - einen Änderungsantrag aufgerufen, der sich auf dieses Gesetz bezog, und zwar im Zusammenhang mit der Beratung eines anderen Gesetzes, weil beim Versorgungsausgleich im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sozusagen zwei Seiten einer Münze behandelt werden. Wir halten infolgedessen eine unterschiedliche verfahrensmäßige Behandlung dieser beiden Gesetze für völlig ausgeschlossen, weil niemand, der dem einen Gesetz zustimmt, dem anderen etwa nicht zustimmen kann. Das ist ein und dieselbe Medaille. Deswegen sind wir der Auffassung, Herr Kollege Emmerlich, daß das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, und bitten deshalb um Ablehnung Ihres Antrags. Lassen Sie mich aber noch ein Zweites hinzufügen, Herr Kollege Emmerlich. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie vorher eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich?

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lenz, ist es nicht so, daß zwischen materiell-rechtlichen Vorschriften und verfahrensrechtlichen Vorschriften dasselbe Verhältnis besteht, das Sie soeben beschrieben haben, und wollen Sie daraus die Konsequenz ziehen, daß Bürgerliches Gesetzbuch und Zivilprozeßordnung nur in einem Gesetz verabschiedet werden können?

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, das war ein ganz schlecht gewähltes Beispiel. ({0}) Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt sagen, und ich sage das, weil es eine gewisse Rolle bei den Beratungen gespielt hat. Wenn wir das, was wir jetzt machen, bei jedem Gesetz machten - es gibt da immer verschiedene Interessenstandpunkte -, müßten wir pro Jahr mehrere Beratungsstunden des Rechtsausschusses darauf verwenden. Es ist ganz selbstverständlich: Wenn Sie einen Antrag stellen, dann wird dazu gesprochen, muß dazu gesprochen werden. Dann gibt es Rede und Gegenrede. Da aber, wie Sie zutreffend hier ausgeführt haben, diese Frage keinerlei materielle Bedeutung hat, haben wir es bisher so gehalten - jedenfalls solange ich das überschauen kann -, daß wir diese Frage nicht zum Gegenstand von Beratungen gemacht haben. Auch angesichts dieses Präzedenzfalls hier, Herr Kollege Emmerlich, glaube ich, wir ersparen uns und vor allem Ihnen viel Zeit, wenn wir weiterhin in dieser Weise verfahren. - Ich bedanke mich für Ihre freundliche Aufmerksamkeit. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Emmerlich und Engelhard auf Drucksache 7/4463. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist gegen die Stimmen der CDU/ CSU-Fraktion angenommen. ({2}) - Bei 1 Enthaltung, wie nachträglich registriert wird. Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung der Anträge. Wir kommen jetzt zur Abstimmung in zweiter Beratung. Werden Bedenken dagegen erhoben, daß ich die Art. 1 bis 13 gemeinsam aufrufe und wir über diese Vorschriften gemeinsam abstimmen? - Ich höre keine Bedenken. Ich rufe dann in zweiter Lesung die Art. 1 bis 13 in der durch die Annahme des interfraktionellen Antrags auf Drucksache 7/4432 geänderten Fassung auf, außerdem Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition ohne Enthaltungen angenommen. Ich eröffne die dritte Beratung. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache in dritter Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. ({3}) - Es ist gefragt worden, ob das Wort gewünscht wird. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich es übersehen haben sollte. Wird in der dritten Beratung das Wort gewünscht? ({4}) Es hat sich keiner gemeldet, also kann ich die dritte Beratung, wie ich es bereits tat, schließen. ({5}) - Einen Augenblick bitte. Zur dritten Beratung liegen zwei Wortmeldungen vor, die mir leider nicht zugeleitet sind und zwar vom Abgeordneten Metzger und vom Abgeordneten Thürk. In der dritten Beratung hat nunmehr der Abgeordnete Metzger das Wort. ({6})

Günther Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre durchaus bereit gewesen, die dritte Beratung ohne weitere Diskussionsbeiträge abzuschließen. Aber nachdem eine Verständigung zwischen den Fraktionen nicht möglich war, will ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion noch einige grundsätzliche Ausführungen machen, nachdem wir in den letzten drei Stunden hier im Parlament im wesentlichen Ausschußberatungen durchgeführt haben. ({0}) Auf Grund der Rede des Kollegen Mikat heute vormittag konnte man den Eindruck und die Hoffnung haben, die Debatte über die Reform des Ehe-und Familienrechts werde in einer sachlichen Atmosphäre verlaufen. In vielen Punkten, die heute vormittag Herr Kollege Mikat dargelegt hat, bestand und besteht volle Übereinstimmung zwischen seinen Ausführungen und dem Anliegen und dem Inhalt des Reformgesetzes. Das gilt vor allem für die sittlichen Wertvorstellungen über Ehe und Familie, die in unserer Verfassung verankert sind. Niemand will diesen Ordnungskern, von dem Herr Professor Mikat gesprochen hat, antasten. Wir stimmen ihm zu, wenn er ausgeführt hat, daß auch das staatliche Ehe- und Ehescheidungsrecht Leitbildfunktion hat und daß die positiven Wertvorstellungen die Aufgabe haben, Konflikte zu lösen. Niemand, gerade auch bei uns in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nicht, will billige Anpassungsideologie an modische Zeitströmungen, niemand will einer Flucht aus der sittlichen Verantwortung der Eheleute Vorschub leisten. In diesen Grundfragen, so habe ich den Eindruck, sind wir uns weitgehend einig. Die Frage ist doch nur - und darüber haben wir uns in den letzten drei, vier Stunden gestritten -, welche Schlußfolgerungen wir für die Praxis, für das Zusammenleben der Menschen, für den Ehealltag, für die Sorgen und Nöte, die in einer Ehe immer wieder auftreten können, und für die Konfliktsituation ziehen wollen. Hier gehen unsere Auffassungen zumindest in Teilbereichen offensichtlich auseinander. Ich bedaure die Polemik von einigen Rednern der Opposition, die im Anschluß an den Kollegen Mikat sprachen. Der Beitrag des Kollegen Lenz, der in besonderer Weise polemisch war, wurde bereits von Frau Kollegin Funcke in der richtigen Weise qualifiziert. ({1}) Ich bedauere diese Polemik vor allen Dingen deshalb, weil sie weder der Bedeutung der Sache, um die es heute geht, angemessen ist, ({2}) noch den Menschen hilft, um derentwillen wir diese Reformen durchführen. Im Gegenteil: Die Betroffenen werden in Verwirrung und Angst gebracht, statt daß ihnen Klarheit über die Rechtslage vermittelt wird. ({3}) Wir wissen, wie groß das Interesse in der Öffentlichkeit an diesen Gesetzesvorhaben war und ist. In den letzten Jahren fand eine umfassende, nützliche und vielfach sachbezogene Diskussion statt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß zahlreiche Fachleute, - Einzelpersonen und Fachgremien - sich zu Wort gemeldet haben. Ich nenne hier stellvertretend die Familienrechtskommission beim Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Arbeitskreis für Eherecht beim Kommissariat der deutschen katholischen Bischöfe, den Deutschen Juristinnenbund, andere Frauenverbände und den Deutschen Juristentag. In diesen Gremien wurde hervorragende Arbeit geleistet. Dafür möchte ich den Dank der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion aussprechen. ({4}) Ich möchte aber auch dem früheren Justizminister Dr. Gustav Heinemann danken, der wichtige Vorarbeiten zu diesem Reformwerk geleistet hat; ebenso dem früheren Bundesjustizminister Gerhard Jahn, der nicht nur dem Bundestag den ersten Gesetzentwurf vorlegte, ({5}) sondern bereits 1970 der Öffentlichkeit zum ersten Mal, soweit ich das sehe, in der Geschichte dieses Parlaments einen Diskussionsentwurf vorstellte, um frühzeitig eine der Bedeutung der Sache angemessene breite Erörterung über die Reformabsichten zu ermöglichen. ({6}) Ein besonderer Dank solle auch der vom Bundestag eingesetzten Eherechtskommission ausgesprochen werden, der 16 Fachleute verschiedener Berufe und Wissenszweige angehörten. Zahlreiche Thesen und Vorschläge dieser Kommission fanden Eingang in das Gesetzeswerk und in die Beratungen des Bundestages. Ich bitte auch um Verständnis, daß ich noch einer anderen, wenn ich das so sagen darf, Kommission hier danke. Besondere Verdienste an den parlamentarischen Beratungen hatte der Unterausschuß Familienrecht dieses Parlaments, ({7}) der entscheidend zur Verwirklichung des Vorhabens beigetragen hat. Seinen Mitgliedern - ich betone: allen seinen Mitgliedern - und dem Sekretariat gebührt ebenfalls unser Dank. ({8}) Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt davon - und mit uns die große Mehrheit der Bevölkerung -, daß die neue gesetzliche Regelung dem heutigen Bild der Ehe mehr und besser entsprechen wird, daß das neue Scheidungsverfahren menschlicher, glaubwürdiger und wahrhaftiger sein wird und die Folgen der Ehescheidung gerechter und sozialer geregelt sein werden, wenn das neue Ehe- und Familienrecht am 1. Januar 1977 in Kraft tritt. Das neue Recht soll in erster Linie den Menschen dienen, die sich für ein Zusammenleben in ehelicher Lebensgemeinschaft entschieden haben. Für uns stehen nicht Institutionen im Vordergrund, sondern diejenigen, die ihr Leben gemeinsam gestalten und in eigener Verantwortung regeln wollen. Dazu muß und wird die staatliche Rechtsordnung ihre Hilfestellung geben. Mit vielen Kollegen meiner Fraktion stimme ich der Beschreibung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der 1969 veröffentlichten Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Reform des Ehescheidungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland zu, in der die Ehe als körperliche und geistige Einheit gesehen wird. ({9}) In dieser Denkschrift wird ausgeführt: Indem beide, Mann und Frau, einander annehmen, kommen sie zugleich - jeder auf seine besondere Weise - zu sich selbst. In der Ehe ist jeder er selbst nur in seiner Bezogenheit auf den anderen. Wir Sozialdemokraten bejahen die in freier Selbstbestimmung geschlossene Ehe auf Lebenszeit - ich betone: auf Lebenszeit -, ({10}) die unter dem besonderen Schutz staatlicher Ordnung steht. Wir sind aber auch der Überzeugung, daß die dauerhafte Verbindung zweier Menschen nur in voller Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung geschehen kann. Insofern unterscheidet sich das heutige Bild der Ehe mit Sicherheit von den 14508 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Metzger Vorstellungen, die vor 100, 50 oder noch vor 30 Jahren verbreitet waren und vielfach in staatlichem und auch in kirchlichem Recht ihren Niederschlag fanden. Das vorgegebene Bild ehelicher Lebensordnung, das keinem Wandel unterworfen ist, stimmt mit der 1 Wiklichkeit nicht mehr überein. In vielen Ehen wird der Familienunterhalt heute von beiden Ehepartnern verdient, und dort, wo der Ehemann allein erwerbstätig ist, trägt die Ehefrau durch die Versorgung des Haushalts - und das ist berufliche Tätigkeit ({11}) entscheidend zum Familienunterhalt bei. Gehen beide einem Beruf außerhalb des Haushalts nach, dann teilen sie sich die Hausarbeit nach Feierabend. Die Pflege und Erziehung der Kinder ist heute vielfach das gemeinsame Anliegen und die gemeinsame Sorge beider Ehepartner. Das in unserem heutigen Recht festgeschriebene Modell der Hausfrauenehe ist deshalb überholt. Die Ehepartner, nicht der Gesetzgeber, sollen darüber entscheiden, wer den Haushalt führt, wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht. in welcher Weise der Unterhalt der Familie sichergestellt wird. Herr Professor Mikat, das neue Recht will genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie heute morgen mit Recht kritisiert haben, nämlich die zwangsweise Durchsetzung eines bestimmten Rollentypus der Ehefrau, der allerdings in unserem heutigen Recht festgeschrieben ist. ({12}) Die Eheleute sollen frei entscheiden, wie sie Arbeit und Aufgaben in ihrem Bereich in der Ehe aufteilen und verteilen wollen. Es entspricht durchaus den Vorstellungen der großen Mehrheit unserer Bevölkerung, daß das Ehe-und Familienleben von den Ehegatten individuell gestaltet werden soll. Ich möchte hier noch einmal die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland zitieren: Die eheliche Lebensgemeinschaft erhält durch die Individualität der Ehegatten auch ihrerseits individuellen Charakter. Verantwortung und Schuldigkeit der Ehegatten gegeneinander sind nicht einfach aus einer Ordnungsstruktur Ehe abzuleiten, sondern mit der einmaligen und unauswechselbaren Gestalt jeder Ehe gegeben. Wir Sozialdemokraten bejahen die Ehe auf Lebenszeit. Wir wissen aber auch, daß staatliches Recht eheliche Lebensgemeinschaft nicht verordnen kann. Die Gerichte und ihre Vollstreckungsorgane können das Zusammleben der Ehepartner nicht herbeiführen. Ich möchte gern noch einmal die Frage an Herrn Kollegen Lenz richten: Wie wollen Sie denn einen Ehepartner davor schützen, daß der andere die eheliche Treue bricht und die häusliche Lebensgemeinschaft aufkündigt? Ein mit noch so guten Gründen ausgestattetes Urteil auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann zerbrochene Ehen nicht heilen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kennen die menschlichen Schwächen, vor denen keiner von uns gefeit ist. Wer das Christentum und den Auftrag der Kirchen ernst nimmt, der weiß auch um die Sündhaftigkeit des Menschen, die in mannigfacher Weise ihren Ausdruck findet. Sicher müssen diese Verfehlungen nicht immer zum Scheitern einer Ehe führen. Es gibt aber auch Situationen in einer Ehe, die das Leben zur Hölle machen, in denen sich die Menschen nicht aufeinander zu, sondern voneinander weg bewegen. Wenn Ehepartner getrennte Wege gehen, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft auch dem Anschein nach nicht mehr vorhanden ist, wenn eine Ehe zerstört ist, muß um der Wahrhaftigkeit willen und im Interesse der betroffenen Menschen die Möglichkeit einer Scheidung eingeräumt werden. ({13}) Ich bin dem Kollegen Erhard dankbar, daß er in seinen Ausführungen heute nachmittag darauf noch einmal mit Nachdruck hingewiesen hat. Insofern gibt es zumindest in dieser Frage zwischen uns keine Differenzen. Das im neuen Scheidungsrecht festgelegte Zerrüttungsprinzip bringt keine Erleichterung der Scheidung, keine einseitige Aufkündigung der Ehe, keine Verstoßungsscheidung und keine allgemeine Abwertung der Ehe, auch wenn das heute immer wieder behauptet worden ist. ({14}) - Herr Kollege Erhard, hier werden doch bewußt Schlagworte aufgebaut, ({15}) mit denen auf der einen Seite versucht wird, die Mängel und Schwächen des gegenwärtigen Scheidungsverfahrens zu überspielen, ({16}) das Auseinanderfallen zwischen moralischem Anspruch und der Wirklichkeit des Ehealltags zu verbergen und die Kluft zwischen Rechtsgebot und Gerichtspraxis nicht sichtbar werden ' zu lassen, und mit denen auf der anderen Seite Bundesregierung und Koalition in eine ganz bestimmte negative Ecke gestellt werden sollen. ({17}) Über 90 %aller Scheidungsverfahren - darauf wurde heute bereits hingewiesen - sind sogenannte Konventionalscheidungen, die mit dem Gesetz im Grunde genommen nicht in Einklang stehen. Wir haben in diesem Rechtsbereich einen Zustand permanenter Gesetzesumgehung und Gesetzesverstöße, die nicht nur das Ansehen des Rechtsstaates schwer schädigen, sondern im Ergebnis einer Verstoßungsscheidung mit allen häßlichen Begleiterscheinungen, die Gesetzesumgehungen geradezu provozieren, Tür und Tor öffnet. Hier wird doch die Ehe seit vielen Jahren zur Verfügung der Parteien gestellt. In unserer Diskussion, die wir heute und die wir in den Ausschüssen geführt haben, in der Diskussion, die auch in der Öffentlichkeit geführt wird, geht es in erster Linie um die Scheidungsvoraussetzungen, über die man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein kann. Aber niemand von uns will ohne die Feststellung einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe eine Scheidung zulassen. Das ist entscheidend, und allein darauf kommt es an. ({18}) Dazu werde ich nachher noch etwas sagen, Herr Kollege Vogel. Nach dem heute geltenden Schuldprinzip führen schwere Eheverfehlungen in einem Rechtsstreit automatisch zu einer Scheidung der Ehe, unabhängig davon, ob diese Ehe gescheitert ist oder nicht. Das ist Scheidungsautomatik. ({19}) Eine einzige schwere Eheverfehlung, zum Beispiel ein Ehebruch, genügt, zwei Menschen auseinanderzureißen und die Kinder von einem der beiden Elternteile zu trennen. Das kann auch noch zehn Jahre nach dem eigentlichen Vorfall geschehen, dann nämlich, wenn die Eheverfehlung erst dann bekannt geworden ist. Ich würde gern die Frage an Herrn Kollegen Mikat stellen: Wo bleibt denn hier die von Ihnen mit Recht betonte Leitbildfunktion des Rechtes, die den Bestand der Ehe im Auge haben soll? ({20}) Hat diese Tendenz im heutigen Recht die Dauer der Ehe, so wie Sie das heute vormittag formuliert haben, tatsächlich in sich? ({21}) - Ich habe von der jetzigen Regelung ({22}) im Zusammenhang mit den §§ 42 und 43 unseres Ehegesetzes gesprochen. Aber, meine Damen und Herren, ich will noch zu einem anderen Punkt kommen. Ich habe vorhin von der menschlichen Not gesprochen, in der sich immer wieder Ehepartner aus den unterschiedlichsten Gründen befinden. Es sind nicht nur Unzulänglichkeiten. Wir wissen - vor allen Dingen diejenigen, die in der Praxis stehen -, daß Rücksichtslosigkeit, vielfach Egoismus, materieller Wohlstand auf der einen Seite, aber auch Armut auf der anderen Seite Feinde der Ehe sein können. Für diese Fälle brauchen wir gesetzliche Regelungen, nicht für intakte Ehen und glückliche Familien, die es - das möchte ich mit Nachdruck betonen - in viel größerer Zahl gibt, als in einer Diskussion über Ehescheidung sichtbar werden kann. ({23}) Ich möchte auch davor warnen, gesetzliche Regelungen an Idealvorstellungen zu orientieren oder spezifische Moralvorstellungen zur Grundlage der staatlichen gesetzlichen Rechtsordnung zu machen. Es war für uns alle von Bedeutung, daß das gerade von den Kirchen eindeutig ausgesprochen worden ist. Beide Kirchen, die evangelische Kirche und die katholische Kirche, haben im Jahre 1969 eine Denkschrift zum Thema „Das Gesetz des Staates und die sittliche Ordnung" veröffentlicht. Darin wird ausgeführt - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -: Allgemein wird heute anerkannt, daß weder die spezifischen christlichen Wertvorstellungen noch die Wertvorstellungen anderer Weltanschauungsgruppen durch die staatlich gesetzte Rechtsordnung verwirklicht werden können. ({24}) Wo man dies dennoch versucht, kann es zu einer den Raum der freien Gewissensentscheidung des einzelnen einschränkenden Rechts-und Gesellschaftsordnung kommen. Religionen oder Weltanschauungen dürfen nicht der Versuchung erliegen, sich mit den Mitteln der staatlichen Rechtsordnung als alleinberechtigt durchzusetzen. Der moderne Weltanschauungsund Gesinnungspluralismus läßt die rechtliche Fixierung spezifischer Moralvorstellungen immer problematischer werden. Soweit die Rechtsordnung dem einzelnen Verhaltensnormen auferlegt, muß sie diesen Pluralismus berücksichtigen. Auch wenn die Gemeinschaft nicht jedes beliebige System sittlicher Grundsätze anerkennen kann, so muß sie doch für einen ausreichenden Spielraum in den Entscheidungsnormen Raum schaffen. ({25}) - Leider ergeben sich die Verfasser aus dieser Schrift nicht. Das Vorwort dieser Denkschrift wurde unterzeichnet von Kardinal Döpfner und Landesbischof Dietzfelbinger. Aber, Herr Kollege Mikat, wenn Sie Mitverfasser dieser Schrift sind, gebührt Ihnen für diese Schrift Dank. ({26}) Das Problem der Kinder in einer gescheiterten Ehe hat verständlicherweise in den Diskusssionen immer wieder eine große Rolle gespielt. Wir wissen alle: Ehescheidungen gehen immer zu Lasten der Kinder, unabhängig davon, ob diese Ehen nach dem Verschuldens- oder nach dem Zerrüttungsprinzip, nach dem geltenden oder nach dem zukünftigen Recht geschieden werden. Die Kinder sind in gleicher Weise die Leidtragenden, wenn die Eltern getrennt leben, obwohl die Ehe formell fortbesteht. Die Gründe, die zur Scheidung oder zur Trennung geführt haben, sind in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung, und ich kann Herrn. Mikat nur zustimmen, wenn er heute vormittag ausgeführt hat, daß die Elternpflicht den Eheleuten im. Interesse der Kinder immer wieder deutlich gemacht. werden muß. Aber es gibt auch Situationen, in denen die Aufrechterhaltung der Ehe für die Kinder schädlicher ist als eine Scheidung. Diese Schäden werden nicht geringer, wenn den Ehepartnern in diesen Fällen durch Gesetz die Möglichkeit der Scheidung genommen wird. ({27}) Im Gegenteil, es kommt zu Auseinandersetzungen und Streitigkeiten, oft vor den Augen der Kinder; es kommt zu persönlichen Verunglimpfungen und Entwürdigungen im intimsten Bereich. Das Ergebnis ist vielfach Feindschaft und Haß. Jede Chance einer Aussöhnung, jede Möglichkeit einer Verständigung im Interesse der Kinder wird endgültig verschüttet. Wenn man von den Beiträgen der Oppositionsredner die polemischen Passagen wegnimmt, in denen versucht wird, die SPD durch Schlagworte zu diffamieren, dann kann ich nur feststellen: in der Sache sind Regierungskoalition und Opposition nach meiner Beurteilung gar nicht so weit auseinander, auch dann nicht, wenn die Opposition im Endergebnis dieser Reform nicht zustimmen wird. ({28}) - Ich will gleich drei Punkte nennen, Herr Kollege Thürk. Sicher kann man bei der einen oder anderen Regelung die Akzente anders setzen. Sie haben verlangt und verlangen eine Mindestehedauer von einem Jahr als Scheidungsvoraussetzung, allerdings mit einer Ausnahmeregelung in begründeten Fällen. Wir haben in das Gesetz aufgenommen eine Möglichkeit zur Aussetzung des Ehescheidungsverfahrens auf ein Jahr nach richterlichem Ermessen. Ich frage Sie nun: Wo sind denn in diesem Punkt grundlegende Unterschiede? Im Endergebnis führt das auf dasselbe hinaus. ({29}) Man kann für den einen oder für den anderen Vorschlag gute Gründe ins Feld führen. Wir haben uns im Ausschuß und auch heute hier in der Debatte gestritten über die Frage der Widerlegbarkeit oder Unwiderlegbarkeit der Zerrüttungsvermutung, und ich verrate kein Geheimnis - Sie haben das heute morgen in Zwischenrufen bereits gesagt -, daß es in der SPD-Bundestagsfraktion hierüber durchaus unterschiedliche Auffassungen gab. Ich habe zu denjenigen gehört, die der Auffassung waren, daß die Zerrüttungsvermutung widerlegbar gestaltet werden sollte, aber ich habe mich dann letzten Endes doch von denjenigen Fraktionskollegen überzeugen lassen, die ausgeführt haben, daß eine Widerlegbarkeit der Zerrüttungsvermutung dazu führen kann, daß in der dreijährigen Trennungszeit derjenige Ehepartner, der aus der Ehe herausstrebt, der geschieden werden will, alles unterläßt, um wieder zu einer Verständigung oder zu einer Aussöhnung mit dem Ehepartner zu kommen, alles unterläßt, weil ihm dieses Verhalten nach Ablauf der dreijährigen Trennungsfrist zum Nachteil gereichen kann. Wie unterschiedlich die Auffassungen in dieser Frage sein können, ergibt sich z. B. auch daraus, daß die Eherechtskommission bei der Bundesregierung, die über diese Frage auch abgestimmt hat, sich sehr eindeutig ausgesprochen hat. Diese Eherechtskommission hat mit 13 gegen 3 Stimmen beschlossen, daß in Fällen einer längeren häuslichen Trennung ohne weitere Prüfung anzunehmen ist, daß die Ehe gescheitert ist. ({30}) In gleicher Weise hat sich auch die Familienrechtskommission der Evangelischen Kirche mit etwa 50 % der Mitglieder für die Unwiderlegbarkeit der Zerrüttungsvermutung ausgesprochen. Ich räume jedoch ein: Man kann hierüber durchaus geteilter Auffasung sein. Aber das ist doch keine Frage, bei der man sagen kann, daß es fundamentale Unterschiede gibt, die es nicht ermöglichen, zu einem Konsensus zu kommen. Man kann sicher auch über die Dauer von Fristen diskutieren, über die Frist der Zerrüttungsvermutung. Es wurde von drei Jahren, von vier Jahren gesprochen; die Opposition hat ursprünglich einmal von fünf Jahren gesprochen. Fristen sind immer eine harte Sache für denjenigen, der dadurch getroffen wird. Dabei muß man sehen, daß die Frist in diesem Zusammenhang der Ablauf einer Zeit ist, in der Lockerungen von Bindungen eintreten, in der insbesondere die Bindungen der Ehepartner zueinander ständig schwächer werden. Sicher gibt es unterschiedliche Bewertungen von Lebensvorgängen. Bei den einzelnen Problemen, die wir diskutiert haben, kann man die Gewichte anders setzen. Es gibt auch Fragen, die im Grunde genommen durch Gesetze überhaupt nicht gelöst werden können. Ich denke hier an die immaterielle Härteklausel in Fällen schwerer Krankheit oder körperlicher Gebrechen. Dieser Fall hat mich wegen seiner menschlichen Tragik in ganz besonderer Weise beschäftigt. Ich war lange in Zweifel, wie man sich in ,dieser Frage der immateriellen Härteklausel bei Fällen schwerer Krankheit oder körperlicher Gebrechen entscheiden soll. Was würden wir letzten Endes erreichen, wenn in diesen Fällen ein lebenslanges Scheidungsverbot festgelegt wird? Wir gaben den Menschen, die sich in einer schrecklichen Notsituation befinden, eine Hoffnung, die im Grunde genommen unerfüllbar ist. Denjenigen Ehepartner, der aus der Ehe heraus-strebt, der unter Umständen schon getrennt lebt, können wir nicht zwingen, zu diesem in Not befindlichen Ehepartner zurückzukehren. Ich sehe auch die große Gefahr, daß wir mit einer solchen Regelung jede Chance verbauen würden, daß derjenige, der geschieden werden will, dann, wenn er nicht geschieden wird, wenigstens noch bereit ist, die einfachsten menschlichen Kontakte zu demjenigen Ehepartner zu unterhalten, der sich in dieser Notlage befindet. Gerade wenn man diese Gesichtspunkte berücksichtigt, wird man, glaube ich, erkennen, daß es darum geht, dem in Not befindlichen Ehepartner zu helfen. Um aber diesem Menschen in seiner Notlage zu helfen, ist es notwendig, daß man alle Voraussetzungen dafür schafft, daß auch derjenige Ehepartner, der aus der Ehe herausstrebt, in der Lage ist, auch innerlich frei genug ist, diese Hilfe selbst zu leisten. Ich habe mich dann nach langen Überlegungen dafür entschieden und auch dafür ausgesprochen, daß die immaterielle Härteklausel in solchen Fällen begrenzt wird. Diese durch uns als Gesetzgeber unlösbaren Probleme und die unterschiedlichen Auffassungen in Detailfragen bedeuten aber doch nicht grundlegende Meinungsverschiedenheiten in prinzipiellen Punkten: in der Bewertung der Ehe als Lebensgemeinschaft und in der Eröffnung von Möglichkeiten zu einer Scheidung. Die Entscheidung einer Partei, einer Fraktion oder auch einer Einzelperson - z. B. in der Eherechtskommission der Bundesregierung -- für eine von mehreren möglichen Alternativen, nach eingehender Beratung und nach Auseinandersetzung mit allen Einwänden, rechtfertigt doch nicht die Unterstellung oder den Vorwurf der Ehe- oder Familienfeindlichkeit. Hier haben doch Menschen, bevor sie sich entschieden haben, ernsthaft um diese Probleme gerungen. ({31}) Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion haben gute, nützliche und vertrauensvolle Gespräche mit zahlreichen Berufsgruppen, Verbänden und auch Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche geführt. In vielen Stunden wurden die Argumente ausgetauscht und eigene Auffassungen überprüft und auch revidiert. In keinem dieser Gespräche wurde der gute Wille oder die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen und Argumente angezweifelt. Ich kann hier für die gesamte Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei erklären: Sozialdemokratische Rechtspolitik soll den Menschen dienen und vernünftige Regelungen in Konfliktsituationen ermöglichen. Der Mensch selber in seinen vielfältigen gesellschaftlichen und familiären Verpflichtungen steht dabei im Mittelpunkt. Sozialdemokraten treten für die Ehe auf Lebenszeit ein. Doch in tragischen Konfliktsituationen lassen sie den einzelnen nicht im Stich, sondern suchen menschliche Lösungen nicht durch vorgeblich moralisch geprägte Rechtsnormen unmöglich zu machen. ({32}) Wir haben auch volles Verständnis und Respekt für all diejenigen Eheleute, die sich unter keinen Umständen scheiden lassen wollen, auch wenn die Ehe unheilbar zerrüttet ist. Wenn dieses Reformgesetz auch nur den geringsten Ansatz für eine Auflösung der Ehe, für eine Verstoßungsscheidung oder für eine Benachteiligung der Ehefrau enthielte, dann würde sich, wie ich Ihnen versichern kann, auf dieser Seite des Hauses keine Hand heben. Das Gegenteil wird der Fall sein. Dieses Gesetz wird die Ehen besser schützen als die gegenwärtige Regelung, weil es den geänderten Vorstellungen über das Zusammenleben zweier Menschen als gleichberechtigte Partner Rechnung trägt, weil es bei Auseinandersetzungen zwischen den Ehepartnern das Verfahren versachlicht und von dem Zwang freimacht, gegenseitig Schuldvorwürfe zu erheben, weil es verhindern hilft, daß eine einmalige Eheverfehlung ohne Zerrüttungsfolgen zum Anlaß einer Scheidung genommen werden kann, und weil es den Weg für eine Verständigung freimacht und eine bessere Möglichkeit zur Entkrampfung und Aussöhnung zerstrittener Eheleute bietet. Damit dient dieses Gesetz auch dem Bestand der Familie und den Interessen der Kinder. ({33}) Das neue Recht wird die Unterhaltsregelung gerechter gestalten, weil es die Bedürftigkeit des schwächeren Partners - das wird in den meisten Fällen nach wie vor die Ehefrau sein - und der Kinder in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt und die während der Ehe geleisteten Beiträge beider Partner gleichwertig berücksichtigt. Der Unterhaltsanspruch der ersten Frau hat in jedem Fall Vorrang. Das neue Gesetz nimmt die Bedeutung der Ehe als Lebens- und Schicksalsgemeinschaft ernster und kommt der sozialen Gerechtigkeit näher als die Regelung, die in den letzten 50 Jahren Gültigkeit hatte, weil es nicht nur das im Laufe der Ehe erworbene Vermögen, sondern auch die erworbenen Versorgungsleistungen bei einer Auflösung der Ehe auf beide Partner aufteilt. Ich weiß, das bedeutet Opfer für diejenigen Ehepartner, denen die Anwartschaften rechtlich zustehen. Dieser Ausgleich ist aber berechtigt. Er bringt größere soziale Gerechtigkeit. ({34}) Meine Damen und Herren, die Reform des Ehe-und Familienrechts hat in allen Teilen ein Ziel im Auge: Schutz der Ehe und Familie, Hilfe für die Menschen, größere Gerechtigkeit für den sozial schwächeren Partner. Wir Sozialdemokraten sind davon überzeugt, daß wir diesem Ziel durch diese Reform ein gutes Stück näherkommen. Ich beantrage wegen der Bedeutung dieses Gesetzes namentliche Abstimmung. ({35}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordnete Thürk.

Kurt Thürk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002321, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte Herrn Kollegen Metzger vorgeschlagen, daß wir unsere Ausführungen wegen der späten Stunde reduzieren. Er sah sich mit Rücksicht auf sein Konzept dazu nicht in der Lage. Ich hatte dies zunächst bedauert, Aber, Herr Kollege Metzger, ich muß sagen, daß ich jetzt recht froh bin, daß Sie Ihre Ausführungen doch gemacht haben. Denn Sie haben sich wohltuend von einer Reihe von Ausführungen abgehoben, die heute aus Ihrer Fraktion zu diesem Problemkreis gemacht worden sind. ({0}) Wir haben zur Kenntnis genommen und wir nehmen Ihnen dies auch ab, daß Sie ernsthaft bemüht waren, etwas Gutes zu schaffen. Wir sind in der Sache allerdings durch Ihren Beitrag einander nicht nähergekommen. Ich werde dies nachher noch erläutern. Eines muß ich Ihnen aber konzedieren: Was Sie hier ausgeführt haben, verriet Überlegung, Eingehen auf die Probleme und das Bemühen, etwas Gutes zu schaffen. Wenn dies nicht gelungen ist - und dies hätte gelingen können, wenn Sie auf unsere Anträge eingegangen wären -, so wissen wir aus den Ausschußberatungen, welches die ideologischen Hintergründe sind. Nachdem jetzt sämtliche Anträge der Opposition abgelehnt worden sind, - ({1}) - Herr Kollege Emmerlich, Sie sind doch mehr von ideologischen Parteitagsbeschlüssen ausgegangen als wir. Sie wären besser von Rechtsgrundsätzen ausgegangen; danach sollten Sie sich richten. ({2}) - Aber höchstens sozialdemokratische Hühner. ({3}) Wir stehen jetzt - und dies kann man mit Fug und Recht sagen -- am Grabe eines vernünftigen, gerechten, sozial fundierten und ethisch vertretbaren Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat sich zu keinem Zeitpunkt während der Beratungen des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts in dieser Legislaturperiode der Überlegung verschlossen, ({4}) daß eine Reihe von Vorschriften des Scheidungsrechts, aber auch des Scheidungsfolgenrechts einer Überarbeitung und Anpassung an die heutigen Notwendigkeiten bedarf. Sie hat sich allerdings dagegen gewehrt, den Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, als Meisterleistung juristischen Denkvermögens anzuerkennen und sich den dort zum Teil niedergelegten ideologischen Grundsätzen zu unterwerfen. Vielmehr haben die Mitglieder unserer Fraktion im Unterausschuß und im Rechtsausschuß auf eine nachhaltige, bis in die Einzelheiten gehende Beratung der Vorschriften gedrungen. Sie haben keine Mühe gescheut, unausgegorene Vorschriften in anwendbare Paragraphen umzuwandeln, um das Gesetz auch für einen Nichtjuristen lesbar zu machen. Sie haben der Bundesregierung eine Fülle von Hinweisen zur Verbesserung des Gesetzestextes gegeben, was sicher nicht die primäre Aufgabe der Opposition sein kann. Kurz gesagt, die Abgeordneten der Opposition, die mit der Bearbeitung dieses Gesetzentwurfes befaßt waren, haben über den Rahmen des sonst Üblichen hinaus kooperativ und konstruktiv mit der Bundesregierung und den Mitgliedern der Koalitionsfraktionen zusammengearbeitet. Statt dessen tauchen in der Presse gelegentlich Gerüchte auf, die Opposition verzögere mutwillig die Beratung des Ehereformgesetzes. Gewiß, wir haben Verständnis dafür, daß manche Vorschläge von uns dem ideologischen Konzept der Gegenseite nicht entsprechen. ({5}) - Sind Sie wieder da, Herr Minister? ({6}) - Nur geistig nicht! - Die Fülle der Alternativvorschläge, die wir in jeder Phase des Verfahrens gemacht haben, haben der Bundesregierung das Leben nicht gerade leichtgemacht. Wir haben natürlich auch gemerkt, daß nicht alle Mitglieder der Bundesregierung und nicht alle ihrer Beamten glücklich darüber waren, daß wir ihnen über weite Bereiche auf den Zahn gefühlt und eine Reihe von Kariesstellen bis hin zu eitrigen Wurzelentzündungen entdeckt haben. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Versorgungsausgleichs, der völlig neu in den blauen Raum hineinkonzipiert worden ist und der an sich die sorgfältigste Beratung erfordert hätte. Gleichwohl war die Beratung für den Versorgungsausgleich besonders knapp bemessen, was diesem Teil des Gesetzes auch sehr schlecht bekommen ist. ({7}) Das Hearing mit den Sachverständigen hat eine Fülle von Ungereimtheiten zutage gefördert. Die Fassung der Gesetzesbestimmungen ist so schwerfällig, unübersichtlich und unklar, daß auch sachkundige Abgeordnete wie Sachverständige Schwierigkeiten mit den Gesetzestexten hatten. Nachdem jetzt der große Enthusiasmus, der insbesondere bei den Praktikern für eine Reform des Ehe- und Familienrechts geherrscht hatte, abgeklungen ist und einer nüchternen Betrachtungsweise Raum gemacht hat, mehren sich auch bei Anwälten und Richtern die Stimmen, die meinen, man hätte besser das vorhandene Scheidungsrecht in einigen Punkten liberalisieren und im übrigen beim alten System bleiben sollen. Welche Beurteilung man auch endgültig abgeben mag, eines dürfte klargeworden sein: Das heute herrschende Schuldprinzip hat sicher eine Reihe schwerwiegender Mängel, ist aber nicht so schlecht wie sein Ruf. Das in Zukunft geltende Zerrüttungsprinzip kann die hohen Erwartungen, die an es gestellt werden, nicht erfüllen. Es birgt ebenfalls eine Reihe von Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten und wird manche Enttäuschung bei den Betroffenen verursachen. Gleichwohl vermeidet es für die Praxis in vielen Fällen unglückliche Anknüpfungen an Äußerlichkeiten und angebliches Verschulden. Es sollte hier die Überlegung gestattet sein, daß das Zerrüttungsprinzip den Fällen am meisten gerecht wird, in denen die Scheidung auf einem allmählichen Abnutzungs- und Verschleißprozeß der ehelichen Gesinnung beruht und eine Fülle von kleineren oder schwerwiegenderen Vorfällen die eheliche Lebensgemeinschaft ausgehöhlt hat. In diesen Fällen nach dem Verschulden des einen oder anderen zu suchen, das angeblich oder wirklich die auslösende Ursache für die Scheidungsklage war, hat der gerichtlichen Praxis immer Schwierigkeiten bereitet und letztlich auch zu unbilligen Ergebnissen geführt. Die Schuld oder teilweise Schuld wurde dann dem Ehegatten aufgebürdet, der den Schlußpunkt durch eine dem Wesen der Ehe abträgliche Verhaltenweise gesetzt hat, für die beide Ehegatten jedoch die Ursachen begründet hatten. Das Schuldprinzip hingegen führt zu gerechteren Ergebnissen in den Fällen, in denen ein Ehegatte ohne entscheidende Mitwirkung des anderen durch eklatantes Fehlverhalten oder durch rücksichtsloses, egoistisches Benehmen die Ehe in mutwilliger Weise aufs Spiel gesetzt hat. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsgefühl des Bundesbürgers, daß sich dieser Ehegatte nach dem neuen Recht sogar noch die Vorteile durch sein Fehlverhalten sichern kann. ({8}) Da eine gemischte Anwendungsweise von Schuld-und Zerrüttungsprinzip nach unserem Rechtsdenken schwerlich möglich ist, hat sich die Opposition der Weg angeboten, im Grundsatz zwar dem Zerrüttungsprinzip zuzustimmen, jedoch zu vermeiden, daß das Prinzip nach echt deutscher Manier zu Tode geritten wird. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb in allen Phasen des Verfahrens darauf gedrungen, daß Billigkeits- und Härteklauseln in das Gesetz eingefügt werden, die dem Richter die Möglichkeit geben, die Entscheidungen dem konkreten Einzelfall anzupassen und dadurch zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Die Regierungskoalition ist der Opposition nur selten in diesem Bestreben gefolgt. Überall dort, wo eine übertriebene sozialistische oder liberalistische Denkungsweise Platz greift, versagt sie dem Richter die Möglichkeit, Einzelfallgerechtigkeit zu üben, und bindet ihn strikt an das Gesetz. An anderen Stellen, an denen die ideologischen Barrieren nicht so hoch gesetzt sind, konnte die Opposition mit ihren Vorstellungen durchdringen und dem Richter Gestaltungsfreiheit bewilligen. Wenn man bedenkt, daß auf SPD-Veranstaltungen und -Parteitagen nicht weniger gefordert wurde, als daß die Ehe durch einen Vermerk des Standesbeamten genauso geschieden werden kann, wie sie vor ihm geschlossen worden ist, und sämtliche Rechtsfolgen außer acht gelassen werden, ist die Gesetzeslösung, die die SPD-Bundestagsfraktion hier vorgelegt hat, direkt noch anerkennenswert. Einer vernünftigen Betrachtungsweise kann sie allerdings auch nicht standhalten. ({9}) - Wir! ({10}) Wir bemängeln zunächst die Einführung der Verstoßensscheidung in das deutsche Scheidungsrecht, die dem scheidungswilligen untreuen Ehegatten die Möglichkeit gibt, den ehetreuen Partner von einem Tag zum anderen zu verstoßen - und dies auch noch aus Gründen, die auf eigenem Fehlverhalten des Scheidungswilligen beruhen. Diese gesetzliche Möglichkeit, nämlich aus eigenem rechtlichen Fehlverhalten und eigenem Rechtsbruch für sich günstige Rechtsfolgen abzuleiten, ist dem deutschen Recht fremd. Die erstmalige gesetzliche Normierung dieses Unrechtsgrundsatzes kann für die weitere Gesetzesentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland wegweisend werden. Wir warnen ganz eindringlich davor, diesen Weg zu beschreiten. Wenn SPD und FDP diesen Rubikon überschreiten, wissen weder wir noch Sie, wohin die Gesetzesentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland künftig führen wird. Wir rügen weiterhin - Herr Kollege Metzger, ich sage dies, damit Sie wissen, worin wir uns unterscheiden -, daß die Trennung der Ehegatten über gewisse Zeiträume hinweg die unwiderlegbare Vermutung dafür eröffnet, daß die Ehe gescheitert ist. Dies stellt einen Verstoß gegen Art. 103 des Grundgesetzes dar, der die Gewährung des rechtlichen Gehörs statuiert. Wir kritisieren schließlich, daß die sogenannte Härteklausel in Wirklichkeit eine Farce ist, daß sie in der gerichtlichen Realität keinerlei Bedeutung haben wird und dem Bundesbürger ein Sicherheitsventil vortäuscht, das gar keines ist. Während bisher durch das Gesetz der ehetreue Partner geschützt wurde, wird in Zukunft der eheuntreue Partner, der die Scheidung sucht, den gesetzlichen Schutz für sich erlangen. Dies stellt eine einmalige Verdrehung aller Werte dar. ({11}) Wenn in diesem Zusammenhang die Koalitionsfraktionen der Formulierung zugestimmt haben, daß die Ehe auf Lebenszeit abgeschlossen wird, so ist dies ein reines Lippenbekenntnis, dem der Inhalt fehlt. ({12}) Für die Rechtsprechung hat dieser Hinweis keinen Wert, wenn das Gesetz selbst diesem Grundsatz zuwiderläuft. Allein die Formulierung, Herr Kollege Kleinert, macht das Gesetz noch nicht zu dem, was Sie hier vorgeben. ({13}) Wenn der Kollege Metzger erklärt hat, daß er sich in so großer Übereinstimmung mit der Kirche befindet, möchte ich ihm doch einmal vorlesen, was der Arbeitskreis für Eherecht beim Kommissariat der deutschen Bischöfe am 9. Dezember 1975 - vielleicht kennen Sie das noch nicht - dazu gesagt hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: Wer bisher glaubte, gerade in Krisen seiner Ehe stehe ihm das Gesetz zur Seite und bewahre ihn vor rücksichtslosen Willkürhandlungen seines Partners, wer glaubte, dieser Rechtsschutz solle im Interesse eines gerechten Ausgleichs verbessert werden, der wird diese Hoffnung begraben müssen. Künftig hängt es vom Belieben des anderen ab, ob und wann sich dieser aus der Ehe löst. Nach Ablauf bestimmter Fristen kann ihn niemand mehr daran hindern, auch wenn die Ehe in Wirklichkeit nicht unheilbar zerrüttet ist. ({14}) Alle zur Scheidung einer Ehe nötigen Voraussetzungen kann er einseitig setzen. Wer bisher glaubte, eine Scheidung sei jedenfalls bei außergewöhnlichen Härten schlechterdings nicht möglich, weil das Gesetz hier wie auch ,auf anderen Rechtsgebieten einen gerechten Interessenausgleich anstrebe, wird auch diese Hoffnung aufgeben müssen. Die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen für Härtefälle sind so eng gefaßt, daß sie sehr selten zur Wirkung kommen dürften. ({15}) Wie Sie, Herr Kollege Metzger, unter Berücksichtigung dieser Ausführungen uns klarmachen wollen, daß die Kirchen nun plötzlich auf Ihrem Standpunkt stehen, ist ein. Geheimnis, das Ihnen allein vorbehalten bleibt. Lassen Sie mich die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie folgt umschreiben: Einer vernünftigen Reform des Familien- und des Ehe- und Scheidungsrechts gegenüber waren und sind wir aufgeschlossen. In kooperativer und konstruktiver Weise haben wir versucht, echte Versäumnisse im Gesetzentwurf, die erst durch die intensiven und von der Opposition geforderten Beratungen aufgedeckt werden konnten, auszubügeln. Durch Härte-und Billigkeitsklauseln haben wir uns bemüht, Ungerechtigkeiten des Gesetzes zu vermeiden und einen Gesetzentwurf zu erstellen, der weitgehend die Interessen aller Bundesbürger wahrt. Die Koalitionsfraktionen sind uns in vielen entscheidenden Bereichen nicht gefolgt. Wir bedauern dies; die Folgen müssen wir alle miteinander tragen. ({16}) - Daß man dazu „Bravo" sagen kann, wage ich zu bezweifeln. - Dies ist das beklagenswerte Ergebnis des Umstandes, daß sich die Mitglieder der Koalitionsfraktionen mehr an ideologischen Parteitagsbeschlüssen denn an Rechtsgrundsätzen orientieren. Die Scheidungen werden - entgegen dem, was hier behauptet wird - komplizierter, teurer und langsamer. Viele junge Männer werden sich eine Heirat sehr überlegen, wenn ihnen dieser falsch angelegte Versorgungsausgleich droht. Wegen vieler frauenfeindlicher Bestimmungen wird die junge Frau der Zukunft berufstätig sein und bleiben müssen. Wer soll eigentlich unsere Renten und Pensionen bezahlen, wenn die Kinderzahl rapide abnimmt? ({17}) Die Chance zu einem vernünftigen Familien- und Eherecht ist mit diesem Gesetz endgültig vertan worden. Meine Damen und Herren, abschließend ist es mir ein Bedürfnis, auch im Namen meiner Freunde den Mitarbeitern im Rechtsausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen, den Mitarbeitern in den Fraktionen, den Beamten ,der beteiligten Ministerien und des Bundesrates, den angehörten Sachverständigen und all jenen, die uns in echter Sorge um das kommende Recht mit Rat und Tat und zum Teil mit unendlich viel Arbeit und Idealismus zur Seite gestanden haben, sehr herzlich zu danken. ({18}) Vizepräsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! ({0}) - Ein interessantes Buch; ich werde es aber nicht ganz vorlesen. Ich werde überhaupt nicht vorlesen; ich hoffe, daß Sie nichts anderes erwartet haben. ({1}) Damit komme ich gleich zu der heute morgen von Herrn Professor Mikat aufgeworfenen interessanten Frage, warum die Präsenz hier so schlecht sei. ({2}) - Herr Professor Mikat, Frau Wex, hat heute morgen diese Frage hier aufgeworfen. Das war vor ca. 12 Stunden, wenn ich es richtig sehe. ({3}) - Es sind 13 Stunden, es ist eine Glückszahl; deshalb sind es jetzt ein paar mehr geworden. So spielt das Glück bei Ihnen. ({4}) Diese Frage war von Herrn Professor Mikat aufgeworfen worden. Das gibt mir Veranlassung, im Hinblick zusätzlich auf das Stirnrunzeln von Herrn Kollegen Erhard wegen des hier mitgeführten dickleibigen Buches zu sagen, daß ich nicht ablesen will. Vielmehr werfe ich hier zum wiederholten Male die Frage auf, die ich schon zu späterer Stunde einmal aufgeworfen habe, ({5}) ob es nicht vielleicht eine gewisse ursächliche Verbindung zwischen dem Vorlesen von zum Teil hervorragenden Manuskripten - das räume ich sehr gerne ein -, wie wir sie heute zu hören bekommen haben, und der Präsenz im Bundestag gibt. ({6}) Das ist eine Sache, die, nachdem diese Frage schon einmal aufgeworfen worden war, bei dieser Gelegenheit nur ganz leicht replizierend für spätere hoffentlich grundlegende Beschlüsse angesprochen werden sollte. Was diesen Punkt betrifft, hat mich Frau Funcke, die ihr Amt als Vizepräsidentin dieses Hauses ({7}) ungewöhnlich genau wahrnimmt, ({8}) darüber unterrichtet, daß sie nicht nur wie die anderen Damen und Herren des Präsidiums ihre Pflichten versieht, sondern sich auch für die Parlamentsgeschichte interessiert ({9}) und bei Durchsicht der Protokolle des Reichstages des Norddeutschen Bundes festgestellt hat, daß die Reden der Herren Abgeordneten dieses ersten Reichstages immer auf ungefähr einer halben Druckseite verzeichnet werden konnten - ein Zustand, von dem wir heute nur träumen. ({10}) Jemand, der sich dort während einer Beratung ein zweites Mal zu Wort gemeldet hatte, hat sich beim Präsidenten dafür ausdrücklich entschuldigt und zugleich feierlich gelobt, nicht mehr als drei Sätze zu sprechen. So verkehrt kann ich diese Regelung nicht finden, daß ich sie Ihnen hier nicht wenigstens als Ergebnis der parlamentsgeschichtlichen Forschungen unserer Vizepräsidentin einmal vor Augen führen möchte. ({11}) Vizepräsident von Hassel: Verehrter Herr Kollege Kleinert, darf ich Sie auf § 40 unserer Geschäftsordnung aufmerksam machen, mit dem ich Sie auf die Sache verweisen könnte. ({12})

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es steht mir nicht zu, Herr Präsident, zu replizieren, obwohl in diesem Zusammenhang wirklich Stoff vorhanden wäre. ({0}) - Vielleicht fällt Ihnen bei Gelegenheit auch einmal etwas Besseres ein. ({1}) Herr Kollege Thürk war so liebenswürdig, Herrn Kollegen Metzger wegen seines besonders sachlichen und abgewogenen Vortrags zu loben. Ich habe dann Herrn Kollegen Thürk zugehört und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß er einen sachlichen und abgewogenen Vortrag immer dann sieht, wenn der betreffende Redner seiner Vermutung nach etwas näher bei seinem Standpunkt steht als andere Redner; denn mit der Art des Vortrages kann seine Bemerkung nicht zusammengehangen haben. Das schließe ich aus seiner Rede; sie war nun wirklich nicht sehr abgewogen und im Ton kultiviert. ({2}) Das waren einige Vorbemerkungen, die sich mir in diesem Zusammenhang aufgedrängt haben. ({3}) Ich werde es dafür in einigen anderen Punkten kürzer machen, zumal wir seit 13 Stunden das Vergnügen haben, Argumente zu hören, die dem einen oder anderen von uns tatsächlich schon einmal zu Ohren gekommen waren. ({4}) Die wichtigste Frage für unsere Auseinandersetzung, meine ich - und das kann man auch versuchen, einfach so auszudrücken, wie man es sieht, fühlt und aus seiner politischen Erfahrung weiß und meint - ist die, die Herr Professor Mikat angesprochen hat, als er die Institution der Ehe, wenn ich das richtig verstanden habe, nicht nur hervorgehoben, sondern auch in einem gewissen Sinne neben die persönliche Lebensgemeinschaft gestellt hat, die die Ehe nach der einen Auffassung auch, nach der anderen vielleicht mehr oder weniger nur darstellt. Dieser Hervorhebung des institutionellen Moments ist meiner Ansicht nach das, was uns im Grundsätzlichen trennt statt verbindet und was in einer Fülle von Bestimmungen des vorliegenden Ehegesetzes zu unterschiedlichen Auffassungen führt. Wir sind der Meinung, daß das institutionelle Moment nicht völlig vernachlässigt werden kann. Dazu ist die Sache zu wichtig, dazu ist die Einrichtung zu wichtig, dazu ist eine zu große Fülle von Folgen damit verbunden, sowohl während der Dauer als auch in der Folge einer etwa aufzulösenden Ehe, als daß man das ungeregelt lassen könnte. Niemand von uns hat das je beabsichtigt. Andererseits kamen in Ihrer Rede, Herr Professor Mikat, einige Ausführungen vor, bei denen man das Gefühl hatte, die Institution als solche sei aus Ihrer Sicht so wichtig - dagegen sagen wir sachlich ja gar nichts; wir sagen nur, daß wir es anders sehen -, daß dann das, was im konkreten Fall die beiden betroffenen Menschen miteinander tun oder nicht tun, dahinter zurücktreten kann. Ich bin versucht, aus Ihrer Äußerung eine Linie dahin zu ziehen, daß bei einer solchen Sicht der Ehe als einer besonders schützenswerten Institution auch Eheverfehlungen eigentlich nicht so schwerwiegend sind, wenn die Institution als solche nur erhalten bleibt. Das führt zu einer Relativierung der persön14516 lichen Beziehungen gegenüber der Institution. So habe ich es verstanden. ({5}) So haben wir, glaube ich, schon oft Ihre Äußerungen verstanden. Sie haben mich, Herr Professor Mikat - dafür bedanke ich mich , soeben persönlich darüber belehrt, daß Sie zu denjenigen gehört haben, die in der Zeitschrift für Familienrecht bereits im Jahre 1963 die Auffassungen Ihrer früheren Kollegin Frau Schwarzhaupt bekämpft haben, die in diesem Punkt etwas anders beschaffen gewesen sind. Ich habe dieses dicke Buch, Herr Erhard, mit hierhergebracht, weil ein Blick in die Vergangenheit gelegentlich vielleicht doch auch einen erhellenden Schein, ein Nebenlicht wirft ({6}) auf die Szenerie, die heute in Ihren Äußerungen zum Teil etwas unwirklich gewesen ist, weil Sie das Zerrüttungsprinzip wollen, gleichzeitig aber über die Hintertür eine Fülle von Verschuldensmomenten diskutiert wissen wollen, weil Sie gleichzeitig in die Zukunft wollen, in Ihren Äußerungen aber so oft sehnsuchtsvolle, nostalgische Blicke in die Vergangenheit, die Ihnen besser vorkommt, geworfen haben. Wir haben sie nie besser gefunden. ({7}) Wir haben die Vergangenheit insbesondere seit der Nacht-und-Nebel-Aktion, mit der Sie im Jahre 1961 den § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes geändert haben, überhaupt nicht mehr gut gefunden. Nicht zuletzt deshalb ist es zu dieser Novellierung, wie mir, im Grundsatz jedenfalls, Herr Professor Mikat vorhin auch bestätigt hat, gekommen. Damals gab es ein ganz ungewöhnliches parlamentarisches Verfahren, an dessen Schluß Herr Kollege Wehner seinerzeit gesagt hat, er möchte die letzte Sitzung des Bundestages benutzen, einmal Klarheit in der Frage zu gewinnen, was Ausschüsse, insbesondere Unterausschüsse, des Hauses eigentlich in zweiter Lesung beantragen dürfen und was nicht, ohne daß irgend jemand sonst mitberaten hat. Herr Wehner hat dann zum Schluß gesagt: Oder - ich will es deutlicher machen - hängt das damit zusammen, daß dort, wo der Ausschußvorsitzende von der Mehrheit gestützt ist, Sie dann sozusagen mehr machen können, als Sie eigentlich dürfen? Das war damals das Problem, vor dem dieses Haus stand. Sie beklagen sich über so mancherlei an Uneinsichtigkeit dieser Koalition. Das kann ich überhaupt nicht akzeptieren, wenn ich überlege, welchen Ursprung die heutige Diskussion hat, nämlich die Nacht-und-Nebel-Aktion - ich wiederhole es -, mit der Sie ohne Diskussion im Rechtsausschuß, ohne Anhörung von Verbänden, ohne Anhörung von Sachverständigen, die wir Ihnen reichlich angeboten hatten, das Ehegesetz änderten. Wir haben Ihnen immer wieder Gelegenheit gegeben, dieses Gesetz in allen Einzelheiten vorzudenken und vorzuberaten. Das alles haben Sie 1961 nicht getan, sondern Sie sind in der zweiten Lesung mit einem Vorgang von einem dazu nicht legitimierten Unterausschuß hierhergekommen, der zu den Diskussionen über die Zulässigkeit des Verfahrens überhaupt geführt hat. Das alles ist in den Protokollen nachzulesen. Sie haben ohne jede Diskussion den § 48 Abs. 2 in eine Form gebracht, die uns dazu veranlaßte, diesen zu ändern, sobald uns die Möglichkeit dazu gegeben war. ({8}) So, wie Sie damals SPD und FDP in ihrem Protest gegen das, was Sie getan haben, zusammengebracht haben, so haben Sie es verstanden, uns wieder zusammenzubringen, wenn es darum geht, wirklich vernünftige Reformen für das Wohl der Menschen und nicht für das Wohl irgendeiner Institution zu machen. ({9}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard? - Bitte!

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich das, was Sie mit dem Wort „zusammenbringen" gemeint haben, so verstehen, daß Sie wenige Wochen, nachdem dieses Gesetz 1961 verabschiedet war, wieder eine Koalition mit der CDU für richtig gehalten haben?

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Erhard, es geht hier um Sachzusammenhänge. ({0}) Wir haben uns die ganze Zeit sachlich unterhalten, zum Beispiel und gerade im Bereich der Rechtspolitik. In diesem Bereich haben Sie SPD und FDP durch die seltene Mischung von vorgeschütztem Reformwillen und in Wirklichkeit ungewöhnlich retardierender Haltung um es gelinde auszudrücken - immer wieder zusammengebracht. Ich bin nach dem Verlauf des heutigen Tages ganz sicher, daß Ihnen das auch in Zukunft so gelingen wird. ({1}) Ich möchte Ihnen nun aber ({2}) mit Genehmigung des Herrn Präsidenten das vorlesen, was Frau Schwarzhaupt am Mittwoch, dem 28. Juni 1961, von dieser Stelle aus zu Ihren Intentionen zur Änderung des § 48 Abs. 2 gesagt hat: Drittens scheint mir die Toleranz zu gebieten, daß wir in einem konfessionell gemischten Lande in unser Eherecht keine Formulierungen aufnehmen, die die Gerichte zu Aussagen veranlassen, die von dem katholischen Christen notwendigerweise als mißverständlich und beKleinert lastend empfunden werden müssen. So wenig, wie wir kanonisches Eherecht aufnehmen wollen, - ich lese das genauso mit vor so wenig, wie wir überhaupt kirchliche Rechtsvorstellungen für unser staatliches Recht als verbindlich ansehen können, - jetzt kommt der logische Kobolz können wir in unser Recht Formulierungen über die sittliche Grundlage der Ehe aufnehmen, die den Richter zu Urteilen veranlassen müssen, die für den katholischen Christen schwer verständlich sein können. Das war die Basis, auf die Sie seinerzeit diese Änderung des § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes gestellt haben. ({3}) Das ist der Grund, warum wir heute miteinander darüber reden müssen und nicht so tun dürfen, als seien wir alle reformfreudig, bloß Sie etwas mehr als wir, aber dafür mit viel mehr praktischem Verstand behaftet und deshalb zu der Fülle von Änderungsanträgen veranlaßt, die Sie heute im Laufe des Tages hier gestellt haben. Ich habe heute im Laufe des Tages bei der Fülle von Äußerungen, die gekommen sind, und bei den zahlreichen Wiederholungen eigentlich - besonders auf Ihrer Seite - eines vermißt, nämlich daß ernsthaft und eingehend über das gesprochen wurde, was den Kindern geschehen ist. Vizepräsident von Hassel: Für Sie steht die normale Redezeit von 15 Minuten zur Verfügung. Bitte, kommen Sie langsam zum Schluß.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich war informiert, daß 20 Minuten angemeldet sind. ({0}) Vizepräsident von Hassel: In der Anmeldung steht: 15 Minuten. Verehrter Herr Kollege, ich darf Sie bitten, langsam zu einem Abschluß zu kommen. ({1})

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dem Wohl der Kinder bei den Scheidungen nach dem sogenannten Verschulden, dem heuchlerischsten Punkt, den wir in unserem Eherecht bisher hatten ({0}) und den wir mit dieser Reform beseitigen wollen, hat von Ihnen niemand Beachtung geschenkt. Schluß mit der Heuchelei vor unseren Gerichten, Schluß mit ausgeguckten, falschen Angaben! Diese Heuchelei hat dazu geführt, daß der angeblich Schuldige, nach einem ungewöhnlich pauschalen Prinzip für schuldig Befundene, in einer Sache, bei der niemand Schuld oder Unschuld wirklich feststellen kann, dann das Sorgerecht über die Kinder - nicht immer, Gott sei Dank, aber in vielen Fällen - zugesprochen bekommen hat. Diesem Umstand hat in dieser Debatte überhaupt niemand von Ihnen Beachtung geschenkt. Ganz zum Schluß noch ein Wort, nur deshalb, weil ich mich so darüber verwundert habe, wie der von mir hochverehrte Vorsitzende des Rechtsausschusses heute kurz vor der Mittagspause so mal eben seinen Beitrag hier abgeliefert hat. Herr Lenz, dies ist einer der öffentlichsten Fälle einer Auslobung. Wenn Sie mir in den nächsten zehn Jahren das Urteil zeigen, das in dem von Ihnen heute Mittag erfundenen Fall ergangen ist, mit den von Ihnen beschriebenen Nachteilen gegen die durch unser Gesetz so ungeheuer benachteiligte Ehefrau, dann erhalten Sie von mir eine Kiste des besten Weines. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat die Abgegeordnete Frau Dr. Wex. Sie wird gleichzeitig den Entschließungsantrag auf Drucksache 7/4458 begründen.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Ausführungen von Herrn Kleinert haben bewiesen, daß trotz allem die Überheblichkeit größer ist als die Bescheidenheit davor, was wir hier an wichtigen Gesetzesvorhaben zu entscheiden haben. Dieser Gesetzentwurf ist von tiefer Skepsis gegenüber der Familie geprägt. Wir teilen diese Skepsis nicht. Auch teilen wir nicht die undankbare Ich-Bezogenheit von Herrn Engelhard heute morgen, der am Anfang dieser Debatte wie einen Abschuß von schädlichem Wild das Ende des Hausfrauenbildes verkündet hat. Keiner von uns will die freie Entscheidung der Frau behindern, ob sie innerhalb oder außerhalb des Hauses berufstätig sein will, aber es ist doch undankbar und unredlich, den Eindruck zu vermitteln, ({0}) als ob unter dem Bild der Hausfrau nicht eine ungeheure menschliche Leistung von Frauen erbracht worden ist, für die wir bei all unserer Fortentwicklung noch keinen Ersatz haben. Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin bitten.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

„Am verhängnisvollsten aber für das Recht hat sich vielleicht die Vernichtung überkommener Strukturen und Werte ohne Angebot sinnvoller Ersatzalternativen ausgewirkt". Das hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Benda, vor wenigen Tagen gesagt. Dies trifft auf diesen Gesetzentwurf in der bisher vorliegenden Fassung zu. „Indem das Gesetz zu mehr Gleichberechtigung führt, schützt es die Idee der Ehe", hat Herr Emmerlich gesagt. Wir sind der Meinung, es geht um Partnerschaft und nicht n u r um Gleichberechtigung. Mehr Partnerschaft auch in der Ehe bedeutet nicht nur mehr Freiheit für den einzelnen. Partnerschaft auch in Ehe und Familie soll neue Bindungen ermöglichen und nicht neue Trennungs14518 möglichkeiten schaffen. Ehe nach unserem Verständnis ist auch immer auf Familie hin gerichtet und ist auch in dieser Beziehung nicht nur eine Angelegenheit beider Partner allein. Mit dem Vertrauen auf normenfreie Sittlichkeit werden wir Schiffbruch erleiden. Es sollte niemand mit Freiheit verwechseln, was er an Verantwortung nicht hat. ({0}) Der Versorgungsausgleich hat - gewollt oder ungewollt - die Berufstätigkeit beider Partner zur Folge. Niemand kann leugnen, daß gerade das große Wirkungen auf die Kinder hat. Es ist uns nicht erlaubt, an den neueren Ergebnissen der Pädagogik und Medizin vorbeizugehen, die auf die große Gefahr einer Neurotisierung der Kinder und der Gesellschaft durch diese Tatsache hinweisen, von deren Umfang wir uns noch gar keine Vorstellungen machen. Ich bin weit davon entfernt, diese Frage etwa nur an die Frauen zurückzugeben. Die Frauen, für die wir einen Nachholbedarf an Gerechtigkeit erfüllen wollen und müssen, sollten sich aber der Gefahr bewußt sein, in der sie sich befinden, wenn sie nicht aufpassen. Über kurz oder lang wird es so sein, daß wir auch alles tun müssen, was wir tun dürfen. ({1}) Das wäre eine verspätete Rache an der Gleichberechtigung, die damit in ihr Gegenteil verkehrt würde - wieder zum Schaden der Frau selbst. Die Bundesregierung schlägt nun vor, eine eigenständige soziale Sicherung der nicht außerhalb des Hauses berufstätigen Frau allein im Fall der Scheidung zu schaffen. Ein solcher Vorschlag wird uns und der Öffentlichkeit als familiengerechte Lösung verkauft. In Wirklichkeit wird eine solche Lösung zu einer Ungleichbehandlung führen. Die geschiedene Frau erhält eine eigenständige soziale Sicherung, die in der Familie lebende Frau hingegen nicht. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme auf den engen Zusammenhang zwischen den Bestimmungen über den Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten und einem Konzept zu einer eigenständige Versorgung der Hausfrauen hingewiesen. Er hat die Bundesregierung aufgefordert, eine Benachteiligung der nicht geschiedenen Ehefrauen gegenüber der Regelung im Versorgungsausgleich für die geschiedene Ehefrau so bald wie möglich zu beseitigen. Die Bundesregierung hat es in den langen Jahren der Diskussion um die Änderung des Ehe- und Familienrechts versäumt, ein Konzept zur eigenständigen sozialen Sicherung der Frauen auszuarbeiten und vorzulegen. Es ist unmöglich, daß die Frauen diese Konzeptionslosigkeit nun bezahlen sollen. Für jeden, der noch ein Gefühl für Gerechtigkeit bewahrt hat, ist erkenntlich, daß eine isolierte Regelung nur für den Fall der Scheidung allenfalls als kurzfristige Übergangslösung vertretbar erscheint. ({2}) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Witwerrente vom 12. März 1975 deutlich gemacht, daß sich die gegenwärtigen Regelungen hinsichtlich der Witwerrente zur Verfassungswidrigkeit hin bewegen, und den Gesetzgeber aufgefordert, sich bis 1984 um eine sachgerechte Lösung zu bemühen, die einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes für die weitere Zukunft ausschließt. Wir werfen der Bundesregierung vor, daß sie auf diesem Gebiet versagt hat. Sie hat nicht einmal den Versuch gemacht, eine drängende gesellschaftspolitische Frage in der notwendigen Form aufzugreifen. Darum fordern wir in dem vorliegenden Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, möglichst bald einen Gesetzentwurf zur eigenständigen sozialen Sicherung der Frauen vorzulegen, um die familienpolitischen Fehler zu korrigieren, die heute hier mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs gemacht werden. ({3}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich kurz auf den Entschließungsantrag der Opposition eingehe, möchte ich einige kleine Richtigstellungen vornehmen, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion stehen. Hier wurde von Frau Kollegin Will-Feld behauptet, daß für die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei den Rentenversicherungsträgern zusätzlich 100 000 Bedienstete benötigt würden. Ich nehme an, das war ein Versprecher; sie meinte wohl vielmehr 1 000 zusätzliche Bedienstete. ({0}) Sie hat aber „100 000" gesagt. Aber wir können das nachher klären. Das ist doch nicht so wichtig. Ich wollte ja auch nur darauf hinweisen, daß es sich nur um einen Irrtum handeln kann und gleichzeitig erwähnen, daß nach Aussage der Rentenversicherungsträger kein zusätzliches Personal für die Durchführung des Versorgungsausgleichs benötigt wird. Es wurde weiterhin von Frau Will-Feld behauptet, daß 300 000 Auskünfte von seiten der Rentenversicherungsträger an die Familiengerichte gegeben werden müßten in Sachen des Versorgungsausgleichs. Hier sind es nur 168 000, und zwar nach den Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums in Zusammenarbeit mit den Rentenversicherungsträgern. Herr Erhard sagte, daß die behauptete Kostenneutralität nicht stimme. Er hat weiterhin gesagt, daß bei den Witwenrenten eingespart werden würde. Er bezieht sich dabei auf eine Auskunft des Bundesarbeitsministeriums. Das Bundesarbeitsministerium hat in der letzten Auskunft vom 1. Dezember an den Ausschußvorsitzenden Herrn Dr. Lenz klar gesagt, daß das Annahmen unter sehr ungünstigen Voraussetzungen sind, mit denen man nicht rechnen kann. Das heißt, daß beides falsch ist und daß es bei der Kostenneutralität bleibt. Meine Damen und Herren, das neue Ehe- und Familienrecht basiert auf dem Partnerschaftsprinzip, das konsequenterweise auch dann gilt, wenn eine Ehe geschieden werden soll. Die während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf eine Altersversorgung beider Partner werden nach unseren Vorstellungen aufgeteilt und den Eheleuten zu gleichen Teilen zugeschrieben. Dieser Versorgungsausgleich ist ein Novum in der Sozialpolitik; das ist nicht oft genug zu betonen. Für die älteren geschiedenen Frauen wird damit eines der dunkelsten Kapitel in der Sozialgesetzgebung endlich einer gerechten Lösung zugeführt. Im Zusammenhang mit dem, was Frau Dr. Wex ausgeführt hat, möchte ich folgendes sagen. Wenn man hier sozialversicherungsrechtliches Neuland beschreitet und für einzelne bisher in der Alterssicherung besonders benachteiligte Personengruppen eigenständige Rentenansprüche aufbaut, ist zu fragen - diese Frage stellen Sie im Grunde genommen mit Ihrem Entschließungsantrag, wenn ich das richtig verstanden habe, wenngleich darauf im Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik bereits eine Antwort gegeben worden ist -, ob sich diese Regelung nicht auf den Kreis der übrigen Frauen übertragen lasse. Wir Sozialdemokraten streben eine eigenständige soziale Sicherung nicht nur der Männer, sondern auch der Frauen an. In gewisser Weise kann dabei auch die im Rahmen der Eherechtsreform entwickelte Alterssicherung der Geschiedenen modellhaft für nicht geschiedene Ehen herangezogen werden. Ich betone nochmals: als mögliches Modell für die weitere Gesetzgebung, keinesfalls aber als automatisch übertragbare Schablone. Das ist schon auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das Sie soeben erwähnt haben, nicht möglich. Wenn die Sozialdemokraten bei den Überlegungen einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frauen den Vorzug geben, so gibt es dennoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine abgeschlossenen Konzeptionen, auch nicht bei Ihnen, oder gar einen fertigen Lösungsvorschlag. Wir haben es hier mit überaus schwierigen rechtlichen Einzelfragen zu tun. Am gravierendsten sind die eng damit zusammenhängenden Finanzierungsprobleme. Solche gibt es in diesem Zusammenhang in Milliardenhöhe, die teilweise wegen fehlender statistischer Unterlagen noch nicht annähernd genau abgeschätzt werden können. Solange diese fundamentalen Fragen, meine Damen und Herren, noch nicht geklärt sind, wäre es leichtfertig, die für die Geschiedenen gefundene Alterssicherung verallgemeinern zu wollen; denn bei der Neuordnung der Hinterbliebenenrenten, für die das Bundesverfassungsgericht uns eine Vorbereitungszeit über zwei Legislaturperioden hinaus zugebilligt hat, geht es nicht um wünschenswerte, sondern um gerechte und zugleich aber machbare - sprich: finanzierbare - Regelungen. Eine solche Reform darf nicht zu untragbaren Belastungen führen, weder für die Beitragszahler noch für die Steuerzahler. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß der Aufbau einer eigenständigen Sicherung für alle Frauen eine grundlegende Änderung des bestehenden Rentenversicherungssystems darstellen würde. Diese Probleme sind mit einer billigen Polemik, wie sie auch oftmals von der Opposition zu hören ist, nicht zu lösen. Wir dürfen nicht Gefahr laufen, das bestehende Unrecht im System unserer sozialen Sicherung zu beseitigen und gleichzeitig noch größeres Unrecht für einzelne Gruppen neu zu schaffen. Die Sozialdemokraten haben sich wiederholt für die eigenständige soziale Sicherung der Frauen ausgesprochen. Bei nüchterner Abwägung kann man aber heute noch nicht endgültig sagen, welcher Weg wirklich gangbar ist und von der Bevölkerung akzeptiert wird. Deshalb müssen alle Möglichkeiten nüchtern und vorurteilslos geprüft werden. Plakative Schlagworte, wie sie uns die CDU/CSU mit ihrer Partnerrente vorgelegt hat, sind für mich eigentlich nichts als Propaganda, wenn sie so vorgelegt werden ohne Einzelheiten. Selbst der Autor dieses Programms, der rheinland-pfälzische Sozialminister Geißler, wirft in seinen schriftlichen und mündlichen Erläuterungen der Partnerrente mehr Fragen auf, als er mit diesem Programm beantwortet. Die Frage ist jetzt: Was geschieht mit diesem Entschließungsantrag, meine Damen und Herren? Wir haben einen ähnlichen Antrag bereits im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung abgelehnt. Trotzdem habe ich nichts dagegen, wenn dieser Antrag nochmals an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung überwiesen wird, damit noch einmal über die Einzelheiten gesprochen wird. Annehmen können wir jedenfalls diesen Antrag in dieser Form nicht. Er ist nicht entsprechend durchdacht, und hier müssen noch einige sehr wichtige Fragen - ich hoffe, in Zusammenarbeit mit Ihnen - geklärt werden. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Funcke. Ich mache darauf aufmerksam, daß dies die letzte Wortmeldung ist. Wir kommen gleich zu den Abstimmungen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nur ein paar Worte zu Ihrem Entschließungsantrag sagen wollen, aber, nachdem ich Frau Wex zugehört habe, muß ich doch noch einmal rückfragen: Haben Sie wirklich gemeint, Frau Wex, zwischen Partnerschaft und Gleichberechtigung einen Unterschied machen zu sollen nach dem Motto: „Partnerschaft ja, aber Gleichberechtigung ist nicht so nötig"? Ich habe anfangs gedacht, ich habe mich verhört, aber danach haben Sie das weiter fortgesetzt, und ich muß sagen: dies ist nun allerdings ein interessanter Bei14520 trag zum Jahr der Frau aus den Reihen der CDU/ CSU. ({0}) Richtig ist sicherlich, daß nicht alles gleich sein muß, aber echte Partnerschaft kann doch wohl nur auf der Grundlage gleicher Chancen und gleicher Rechte erwachsen und aus nichts anderem. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wex?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Funcke, würden Sie bitte nicht den Rest der Zeit hier benutzen, um Behauptungen aufzustellen, die ich so schnell gar nicht widerlegen könnte, wenn ich nicht ganz genau wüßte, daß ich gesagt habe: „Partnerschaft bedeutet nicht n u r Gleichberechtigung", sondern auch Verpflichtung des einen gegenüber dem anderen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. Frau Kollegin, ich bin gerne bereit, morgen einmal den ganzen Text mit Ihnen im Original durchzugehen. Dann können wir das genau feststellen, denn Sie haben in dem weiter fortschreitenden Text ebenfalls die Gleichberechtigung im Sinne einer bestimmten Fragwürdigkeit angesprochen, sonst hätte ich mich nicht dazu gemeldet. Lassen Sie mich aber zu dem Entschließungsantrag etwas sagen. Im Grunde kann er einen ja nur freuen. Wer sich in diesem Hause und in der Öffentlichkeit seit nahezu zehn Jahren für die Aufteilung der Renten in der Ehe eingesetzt hat, der freut sich natürlich, wenn zum guten Schluß auch von denen, die bisher radikal dagegen waren, nun plötzlich ein solcher Antrag kommt. Ich kann Ihnen eine amüsante Sammlung aller Zitate aus den Reihen der CDU/CSU gegen das Rentensplitting geben, und bitte nicht nur aus ferner Vergangenheit. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Darf ich um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit für die Rednerin bitten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Wex, ich wäre sehr froh, wenn ich wirklich glauben könnte, daß dahinter die gesamte CDU/CSU-Fraktion steht. Aber das kann ich nicht glauben; denn ich habe mich in diesen Tagen mit vielen Kollegen von Ihnen unterhalten, und merkwürdigerweise habe ich immer nur solche getroffen, die sehr skeptisch gegenüber dieser Form der Aufteilung der Renten eingestellt waren. Da wir genau wissen, wie das bei Ihnen auf dem Parteitag in Mannheim gelaufen ist - ({0}) - Herr Kollege Katzer, ich kenne doch die „Koalition", die in Mannheim hinter diesem Vorschlag stand. Es tut mir leid, aber ich möchte hier keine Namen nennen, Herr Kollege Katzer. Das wäre nicht fair. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wex?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Funcke, würden Sie mir zugestehen, daß es ein ganz schlechter parlamentarischer Stil ist, am Ende einer Debatte solche Behauptungen aufzustellen, ohne bereit zu sein, Namen zu nennen, ({0}) und im Zusammenhang mit unserer Vorstellung der sozialen Sicherung der Frau nicht gleichzeitig zu sagen, daß wir diese von uns vorgelegten Ideen nur deswegen nicht durchsetzen können, ({1}) weil uns die Bundesregierung wegen einiger finanzieller Auswirkungen nicht ihre Hilfe als Ergänzung gegeben hat? ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Wex, es tut mir leid, aber ich habe Ihre Frage wegen der Unruhe nicht verstehen können. ({0}) - Nein, ausgeschlossen. Ich habe sie nicht hören können. Ich bin aber gerne bereit, wenn die Kolleginnen und Kollegen Ruhe geben, noch einmal zuzuhören. So aber ist es unmöglich, etwas zu verstehen. ({1}) Ist Ihnen denn wirklich der Beitrag von Herrn Höcherl unbekannt geblieben, der nach dem Mannheimer Parteitag in Ihrer eigenen Korrespondenz erschienen ist? Ist Ihnen dieser Beitrag nicht bekannt, Frau Kollegin Wex? Ist Ihnen nicht bekannt, daß es in den Reihen der CDU Abgeordnete gibt, die Ihre Vorstellungen nicht unterstützen? Muß ich denn jetzt wirklich Namen nennen? Sie wissen doch selbst, daß nicht alle Kollegen in Ihren Reihen für die Partnerrente eingetreten sind bzw. eintreten. Das ist doch nur die Feststellung einer Tatsache. ({2}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen, damit wir der Rednerin in Ruhe zuhören können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt in jeder Partei und Fraktion Mehrheitsentscheidungen. Es ist Ihr gutes Recht, einen Antrag im Namen der Fraktion zu stellen, wenn die Mehrheit dahintersteht. ({0}) Aber, es ist andererseits auch unser gutes Recht - Sie machen davon in diesem Hause häufig genug Gebrauch -, die Frage zu stellen, ob alle Kollegen hinter einem solchen Antrag stehen. ({1}) Das ist legitim. ({2}) Da Sie darauf bestehen - was in einer Demokratie selbstverständlich ist -, daß trotz Mehrheitsentscheidungen auch Minderheiten in einer Fraktion eine eigene Meinung haben und äußern dürfen, kann es doch gar nicht anders sein, als daß wir danach auch fragen dürfen. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine dritte Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Wex? ({3}) Frau Funcke ({4}) : Bitte.

Dr. Helga Wex (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002495, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir bestätigen, daß wir bei der Durchsetzung der Interessen der Frauen nie weitergekommen wären, wenn wir uns von vornherein auf den Standpunkt gestellt hätten, daß alle hinter uns stehen, sondern daß man Ideen entwickeln muß, um Fortschritte zu erzielen? ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Wex, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mit dieser Frage bestätigen, daß es eben doch nicht ganz so ist, wie Sie behauptet haben. ({0}) Es wundert mich, daß Sie so empfindlich reagieren, wenn ich nur sage, daß ich bezüglich Ihrer Behauptung leichte Zweifel habe. Es ist doch unser gemeinsames Bemühen, Frau Wex, dafür zu sorgen, daß wir in diesen Fragen zu einer gemeinsamen Überzeugung in diesem Hause kommen. Wir werden deswegen der Überweisung an den Ausschuß zustimmen in der Hoffnung, daß wir gemeinsam Wege finden, um endlich dieses hoffentlich von der großen Mehrheit Ihrer Fraktion und der anderen Fraktionen getragene Anliegen auch in die Wirklichkeit umzusetzen. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist geschlossen. Ich schließe die dritte Beratung. ({2}) - Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf Sie bitten, jetzt mit der Abstimmung zu beginnen. Ich mache darauf aufmerksam, daß wir nachher noch zu dem Tagesordnungspunkt 27 abzustimmen haben. Meine Damen und Herren, besteht bei den Schriftführern der Eindruck, daß alle aus den Hochhäusern und den Nachbarschaften eingetroffen sind? Wir schellen seit 20 Minuten. - Ich schließe die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen, weil wir - sicher mit Ihrem Einverständnis - in einigen geschäftlichen Dingen fortfahren wollen. - Sie sind damit einverstanden. Wir haben zunächst einmal über die große Ausschußdrucksache abzustimmen, und zwar über Ziffer 2 des Ausschußantrages. Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen. Wir haben alsdann über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4458 abzustimmen. Der Abgeordnete Glombig hat beantragt, diesen Entschließungsantrag an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ohne Gegenstimmen so beschlossen. Bevor wir das Ergebnis der Schlußabstimmung zum Tagesordnungspunkt 26 entgegennehmen - das wird ein paar Minuten dauern -, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen, weil wir noch zu Punkt 27 der Tagesordnung in zweiter und dritter Beratung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenversorgungsrechtlicher Vorschriften abzustimmen haben. Ich bringe in Erinnerung, daß wir die Begründung und die Aussprache mit dem Tagesordnungspunkt 26 verbunden haben. Die Aussprache war geschlossen. Wir kommen zur Einzelabstimmung über den Gesetzentwurf in der in Drucksache 7/4365 vorliegenden Fassung. Ich rufe Art. 2 Ziffern 1 bis 3 in der Ausschußfassung auf; über die vorliegenden Änderungsanträge befinden wir später. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen! Ich rufe Art. 2 Ziffer 4 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/4459 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Der Antrag ist begründet; die Aussprache dazu ist geschlossen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Druck14522 Vizepräsident von Hassel sache 7/4459 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über Art. 2 Ziffer 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist mit Mehrheit so beschlossen. Ich rufe Art. 2 Ziffer 4 a und b sowie die Art. 3, 4, 4 a und 5 auf. Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Art. 6 auf. Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 7/4437 ein Änderungsantrag vor. Der Antrag ist begründet. Wer dem Änderungsantrag Drucksache 7/4437 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Damit ist Art. 6 in der eben beschlossenen Fassung angenommen. Ich rufe Art. 7 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen sind die aufgerufenen Bestimmungen angenommen. Wir treten nunmehr in die dritte Beratung ein. Wird in der dritten Beratung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung angenommen. Wir kommen dann zu der Empfehlung des Ausschusses in Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt, und ich kehre zum Tagesordnungspunkt 26 - Ehe-und Familienrecht - zurück. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt vor. Es haben sich an der Abstimmung insgesamt 420 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und außerdem 17 eingeschränkt stimmberechtigte Berliner Abgeordnete beteiligt. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Abgeordneten haben 228 mit Ja und 192 mit Nein gestimmt. Von den Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja und 5 mit Nein gestimmt. Stimmenthaltungen liegen nicht vor. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 420 und 17 Berliner Abgeordnete; davon ja: 228 und 12 Berliner Abgeordnete, nein: 192 und 5 Berliner Abgeordnete Ja SPD Amling Anbuhl Dr. Apel Arendt ({3}) Dr. Arndt ({4}) Augstein Baack Bäuerle Barche Bahr Dr. Bardens Batz Becker ({5}) Biermann Blank Dr. Böhme ({6}) Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({7}) Bredl Brück Buchstaller Büchler ({8}) Büchner ({9}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Frau Dr. Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Frau Eilers ({10}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Esters Ewen Fiebig Dr. Fischer Frau Dr. Focke Franke ({11}) Friedrich Gansel Geiger Gerstl ({12}) Gertzen Dr. Geßner Dr. Glotz Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({13}) Haase ({14}) Haehser Dr. Haenschke Halfmeier Hansen Hauck Dr. Hauff Henke Herold Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Immer ({15}) Jahn ({16}) Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker Kaffka Kern Koblitz Konrad Kratz Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lambinus Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Liedtke Löbbert Lutz Mahne Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann Dr. Meinecke ({17}) Meinike ({18}) Metzger Möhring Müller ({19}) Müller ({20}) Müller ({21}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr.-Ing. Oetting Frau Dr. Orth Freiherr Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({22}) Rappe ({23}) Frau Dr. Rehlen Reiser Frau Renger Reuschenbach Richter Frau Dr. Riedel-Martiny Röhlig Rohde Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Schäfer ({24}) Dr. Schäfer ({25}) Scheffler Scheu Schinzel Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({28}) Dr. Schwenk ({29}) Seibert Vizepräsident von Hassel Simon Simpfendörfer Dr. Sperling Stahl ({30}) Frau Steinhauer Dr. Stienen Sund Tietjen Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vahlberg Vit Dr. Vogel ({31}) Vogelsang Waltemathe Walther Wehner Wende Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer Wischnewski Dr. de With Wittmann ({32}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Dübber Egert Grimming Frau Grützmann Löffler Männing Mattick Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt FDP Dr. Böger Christ Engelhard Frau Funcke Gallus Geldner Hölscher Hoffie Jung Kirst Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Logemann Frau Lüdemann Dr. h. c. Maihofer Mischnick Möllemann Moersch Peters ({33}) Schleifenbaum Schmidt ({34}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Wolfgramm ({35}) Wurbs Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Fraktionslos Emeis Nein CDU/CSU Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Baier Dr. Becher ({36}) Dr. Becker ({37}) Benz Berger Bewerunge Biechele Dr. von Bismarck Dr. Blüm Blumenfeld von Bockelberg Böhm ({38}) Braun Breidbach Bremer Bremm Burger Carstens ({39}) Dr. Carstens ({40}) Damm van Delden Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer Eigen Eilers ({41}) Engelsberger Erhard ({42}) Ernesti Dr. Eyrich Dr. Franz Dr. Früh Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({43}) Gerster ({44}) Gierenstein Dr. Gölter Dr. Götz Dr. Gruhl Haase ({45}) Dr. Häfele Dr. Hammans von Hassel Hauser ({46}) Hauser ({47}) Dr. Hauser ({48}) Höcherl Hösl Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland Dr. Hupka Hussing Dr. Jaeger Jäger ({49}) Dr. Jahn ({50}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Katzer Dr. Kempfler Dr. Klein ({51}) Dr. Klein ({52}) Dr. Kliesing Dr. Köhler ({53}) Dr. Köhler ({54}) Köster Krampe Dr. Kraske Kroll-Schlüter Freiherr von Kühlmann-Stumm Dr. Kunz ({55}) Lagershausen Lampersbach Leicht Lemmrich Dr. Lenz ({56}) Lenzer Link Löher Dr. Luda Dr. Marx Maucher Dr. Mertes ({57}) Mick Dr. Mikat Dr. Miltner Milz Möller ({58}) Müller ({59}) Dr. Müller-Hermann Dr. Narjes Frau Dr. Neumeister Niegel Nordlohne Dr.-Ing. Oldenstädt Orgaß Frau Pack Pfeffermann Pfeifer Picard Pieroth Pohlmann Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Frau Dr. Riede ({60}) Dr. Riedl ({61}) Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Rollmann Rommerskirchen Roser Russe Sauer ({62}) Sauter ({63}) Prinz zu Sayn-WittgensteinDr. Schäuble Schedl Schetter Schmidhuber Schmidt ({64}) Schmitt ({65}) Schmitz ({66}) Schmöle Dr. Schneider Frau Schroeder ({67}) Dr. Schröder ({68}) Schröder ({69}) Schröder ({70}) Schulte ({71}) Dr. Schulze-Vorberg Seiters Sick Solke Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({72}) Dr. Stavenhagen Stücklen Susset de Terra Thürk Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Vehar Frau Verhülsdonk Vogel ({73}) Vogt Volmer Dr. Waffenschmidt Dr. Wagner ({74}) Dr. Waigel Dr. Wallmann Dr. Warnke Wawrzik Weber ({75}) Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner Frau Will-Feld Windelen Wissebach Dr. Wittmann ({76}) Frau Dr. Wolf Dr. Wulff Dr. Zeitel Zeyer Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Amrehn Kunz ({77}) Müller ({78}) Frau Pieser Straßmeir FDP Ollesch Damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen. ({79}) Vizepräsident von Hassel Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratungen des heutigen Tages angelangt. Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Plenarsitzung auf morgen, Freitag, 12. Dezember 1975, 10.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.